W. A. Hary
Manu
„Er ist der Größte – noch!“
In Band 66 haben wir ja erfahren, daß ein Mädchen namens Norma eine tragende Rolle spielt in einer grausigen Sphäre. Doch Mark Tate weiß das gar nicht. Er glaubt, Norma sei genauso wie er Gefangene dieses unheimlichen Dorfes mit Namen HELL, was englisch soviel wie Hölle bedeutet! Ihn selber hat es hierher verschlagen, weil er im Auftrag eines hohen Regierungsbeamten das rätselhafte Verschwinden von Autofahrern untersuchen sollte.
Norma führt den Ahnungslosen zu einem Haus, das angeblich ihrem Onkel gehört hat...
Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de
ISSN 1614-3329
Copyright dieser Fassung 2017 by www.HARY-PRODUCTION.de
Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken
Telefon: 06332-481150
www.HaryPro.de
eMail: wah@HaryPro.de
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.
Coverhintergrund: Anistasius
Titelbild: Michael Mittelbach
Logo Schavall: Helmut Bone
Wichtiger Hinweis
Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt! Jeder Band ab Band 1 (siehe Druckausgaben hier: http://www.hary.li) ist jederzeit nachbestellbar.
Und dann waren wir angelangt: Das Haus stand genau am Ende einer Sackgasse. Die schmale Straße endete an der Haustür. Es gab keine direkten Nachbarn: Verwildertes Gartengelände trennte das Haus von den umliegenden Grundstücken.
Früher hatte es in dem Garten gewiß Rosensträucher gegeben. Heute war das dornige Gestrüpp so dicht, daß es kaum möglich war, mit heiler Haut durchzukommen.
Ein guter Gärtner hätte Wochen gebraucht, um den Garten wieder einigermaßen auf Vordermann zu bringen.
Das Haus lag im Dunkeln. Das wenige Straßenlicht, das über den Vorgarten bis zur Fassade schien, ließ das Gebäude nur noch unheimlicher wirken.
Einst war es groß und herrschaftlich gewesen. Das war, ehe man vergessen hatte, es wenigstens ab und zu von Handwerkern bearbeiten zu lassen.
Je näher wir kamen, desto deutlicher wurde das Gefühl, genau beobachtet zu werden.
Norma blieb auf einmal stehen.
»Was ist los?« erkundigte ich mich.
»Ich - ich habe entsetzliche Angst, Mark!« gestand sie.
»Angst?«
Sie sah mich mit großen Unschuldsaugen an.
»Vor - vor dem Haus, Mark. Als würde uns das Haus beobachten. Blicke, die uns durchdringen, tief auf den Grund unserer Seele schauen.«
Ich lachte heiser und ging einfach weiter.
Ein paar Atemzüge lang blieb Norma zurück. Dann rannte sie hinterher, klammerte sich an mir fest.
»Laß mich nicht allein, Mark!«
»Dann komm mit!«
»Warum, Mark?«
»Weil wir keine andere Wahl haben. Wenn die unsichtbare Macht nicht zu uns kommt, dann kommen wir zu ihr.«
»Aber was für einen Sinn hat das?«
Ich blieb stehen.
»Aha, dann glaubst auch du, daß im Haus deines Onkels das Geheimnis dieses Dorfes verborgen liegt?«
Sie zuckte erschrocken zusammen. Ihre Augen weiteten sich.
»Du meinst, mein Onkel hätte etwas damit zu tun?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nicht unbedingt.«
Ich wandte mich ab und lief weiter. Norma blieb dicht hinter mir. Sie bettelte, daß wir von hier weggingen. Als das nichts half, flehte sie mich laut an. Bis zur Haustür.
Sie war zu. Ich zögerte kurz. Dann legte ich die Hand auf die Türklinke und schob die Tür auf.
Ein eisiger Hauch wehte mir entgegen. Als hätte ich den Mund eines Toten geöffnet.
Norma behinderte mich sehr, wie sie sich so an mich klammerte. Es war nicht leicht, trotz der Behinderung das Haus zu betreten.
Wind raunte im Gebälk hoch über mir. Irgendwo schlug ein Fensterladen. Es hallte laut wider, daß man jedesmal zusammenfuhr.
Es war sehr zugig. Der Wind pfiff mir um die Ohren. Es rauschte, als wollte er mir etwas zuflüstern. Noch einen Schritt. Die Haustür fiel krachend ins Schloß. Es war dunkel im Treppenhaus, aber durch die geborstenen Fenster sickerte ein wenig Licht. Meine Augen gewöhnten sich daran.
Ein dünnes Heulen ertönte. Das hatte ich schon einmal gehört. Es hatte weit entfernt geklungen. Jetzt war es ganz nahe: im Treppenhaus. Obwohl nichts zu sehen war. Nicht einmal ein Schatten, der auf der Treppe lauerte.
Ich ging weiter, schleppte die zitternde Norma mit. Es sah so aus, als könnte sie jeden Augenblick vor Angst das Bewußtsein verlieren. Aber ich konnte keine Rücksicht auf sie nehmen.
Die Treppe knarrte, als wären Schritte darauf.
Unsichtbare Augen schienen mich eingehend zu mustern. Ich spürte Blicke auf meiner Haut, als wäre ich nackt.
War da nicht ein hämisches Kichern?
Waren da nicht heftige Atemzüge, ein gieriges Knurren?
*
Vor mir stand eine schwarze Gestalt, nur drei Schritte entfernt. Kein Gesicht, nur Umrisse in der Düsterheit.
Ich blieb stehen. Norma klapperte mit den Zähnen. Das arme Mädchen. Jetzt meldeten sich doch Gewissensbisse bei mir.
Mit einem einzigen Ruck befreite ich mich von ihr und sprang vorwärts, auf die Gestalt zu.
Ich wollte sie packen und zu Boden ringen, aber meine Hände fuhren durch leere Luft. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden.
Sofort federte ich wieder empor: Von einer Gestalt war nichts zu sehen.
Nur Norma, die mitten im Gang stand, unfähig, sich noch von der Stelle zu rühren.
»Dein Onkel?« fragte ich laut. »Steckt er hinter allem?«
Keine Antwort von ihr.
Es wurde ganz still im Haus. Als hätte der Wind den Atem angehalten. Ich hörte auch nicht mehr das angstvolle Schnaufen Normas.
»War etwas mit deinem Onkel, Norma? Was weißt du?«
Norma stand da, nur noch ein Schatten. Ich konnte in dem diffusen Licht keine Einzelheiten erkennen.
In diesem Augenblick versuchte jemand, gewaltsam in mein Denken einzudringen. Ganz unvermutet. Mit aller Gewalt, daß es mich zu Boden schleuderte.
Die Gestalt von Norma war ganz still. Sie atmete nicht einmal. Auch im Haus war es still, nach wie vor.
Dafür kreischte in meinem Schädel das Inferno. Es marterte mein Gehirn, schleuderte meine Gedanken in einen schwarzen Abgrund und wollte mich folgen lassen.
Verzweifelt bäumte ich mich auf. Ich ging gegen diese gnadenlose Gewalt an.
Irrte ich mich oder glühten jetzt Normas Augen wie zwei Kohlestücke?
Hinter ihr schien eine zweite Gestalt zu stehen, wie ein Nebelgebilde.
Aus dem Nebelgebilde schälte sich ein Gesicht: bärtig, uralt.
»Manu!« murmelte das Gesicht. »Manu ist die Macht.«
Es war Manu, der in meinem Innern war. Der Name kam mir irgendwie bekannt vor. Aus welchem Zusammenhang?
Manu wollte mich besiegen, und die Augen Normas glühten tatsächlich. Ich irrte mich nicht.
Ein letztes Mal nahm ich alle Kraft zusammen und bäumte mich auf.
Mit Erfolg!
Das Bohren war in meinem Schädel, aber es marterte mich nicht mehr. Es zwang mich auch nicht mehr zu Boden.
Ich sprang auf, rannte an Norma vorbei.
Die andere Gestalt war noch da. Sie schwebte knapp über dem Boden. Doch der Abstand zwischen ihr und mir veränderte sich nicht.
Das Gesicht verwandelte sich. Ein anderes Gesicht schob sich für Sekundenbruchteile darüber: Das Gesicht eines jungen Mannes. Die Augen waren geschlossen. Das Gesicht drückte unsägliches Leid aus.
Dann löste sich die Gestalt in Nichts auf.
Ich erreichte den untersten Treppenabsatz.
Die Haustür flog auf. Sie krachte so fest gegen die Wand, daß der Verputz rieselte.
Ich sah die Masse der Untoten, die das Haus umstellt hatten. Sie stürmten herein, um mich zu packen!
Sie taten es diesmal wortlos, ohne das übliche Lachen, mit starren Gesichtern.
Sie waren Vollstrecker. Das war deutlich. Die unbekannte Macht hatte es nicht vermocht, mich zu beherrschen oder mich gar zu vernichten. Ich war ein Unsicherheitsfaktor gewesen, den es zu erforschen galt. Und jetzt war ich zu einer Gefahr geworden, unbestimmbar und unbeherrschbar.
Deshalb sollte ich vernichtet werden, unwiderruflich.
Ich entwischte knapp auf die Treppe und hetzte empor, immer drei Stufen auf einmal nehmend.
Die Zombies nahmen sofort die Verfolgung auf. Der erste hatte die letzten Jahre unter der Erde verbracht. Entsprechend sah er aus. Er war auch nicht so schnell wie die anderen. Deshalb wurde er von mir einfach über das Treppengeländer gestoßen. Dumpf kam er unten auf.
Wortlos machte er sich wieder an die Verfolgung.
Die anderen waren mir dicht auf den Fersen.
Bis in den ersten Stock.
Blitzschnell drehte ich mich herum, hielt mich mit beiden Händen am Treppengeländer fest und trat mit beiden Füßen zu - so fest ich konnte.
Ich traf zwei Zombies vor der Brust.
Darauf waren sie nicht gefaßt gewesen. Sie fielen rückwärts die Treppe hinunter, rissen andere mit.
Ich hatte einen kleinen Vorsprung herausschinden können und hetzte weiter.
Gut, daß ich alles tu, um stets fit zu sein! dachte ich zerknirscht. Immer topfit zu sein, das war in meinem Job eine wichtige Lebensversicherung.
Jetzt kam es mir wieder zugute. Gegen Zombies, die niemals müde wurden. Die man nicht einmal verletzen konnte.
Weil sie bereits tot waren!
Oben war eine Dachluke, die auf den Speicher führte. Sie war natürlich zu. Es gab auch keine Leiter.
Aus dem vollen Lauf heraus sprang ich empor, ballte beide Hände zu Fäusten und stieß sie gegen die Luke.
Das Schloß barst durch den Aufprall entzwei. Die Luke hob sich zwei Zoll hoch und krachte wieder zu.
Ich landete auf beiden Füßen, kauerte mich leicht zusammen, während die Zombies die Treppe heraufhetzten und bereits gierig die Hände nach mir ausstreckten, und sprang zum zweitenmal.
Diesmal flog die Luke ganz auf und blieb auch offen.
Eine schwarze Öffnung gähnte mir entgegen.
Die Zombies waren da. Sie stürzten sich auf mich.
Ich sprang zum drittenmal.
Ihre Hände behinderten mich. Ganz knapp nur erreichte ich die Kante oben. Mit einem einzigen Ruck zog ich mich hoch. Ich schwang meine Beine über den Rand und war oben.
Die Zombies knurrten enttäuscht.
Sie sprangen ebenfalls empor. Nur einer erreichte die Kante mit seinen Händen. Ich trat seine Hände weg. Er plumpste zurück, auf die anderen drauf.
Gehetzt schaute ich umher.
An verschiedenen Stellen war das Dach geborsten. Ich lief zu einem der Löcher hin und stolperte prompt über herumliegendes Zeug. Der ganze Dachboden war voll von Gerümpel. Ich mußte vorsichtig sein, daß ich mir nicht das Genick brach oder mich zumindest verletzte.
Mit hämmerndem Herzen arbeitete ich mich vorwärts.
Wieder versuchte es einer der Zombies. Jetzt war keiner mehr an der offenen Dachluke, der es verhinderte: Der Zombie kletterte empor.
Gerade als ich das eine Loch im Dach erreichte.
Kurz entschlossen schwang ich mich hinaus.
Im gleichen Moment klang von unten ein furchtbarer Schrei. Er drang durch das Treppenhaus zu mir herauf. Es war ein Schrei von höchster Not.
Norma!
Aber ich konnte ihr
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 28.04.2017
ISBN: 978-3-7438-1020-4
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Nähere Angaben zum Herausgeber und Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary