W. A. Hary
Die Flut des Grauens
In Band 64 sah es so aus, als sei Mark Tate endgültig gescheitert! Er ist verschüttet, mehr tot als lebendig. Sein Geist floh zurück in die fernste Vergangenheit, in die Zeit, in der er noch lange nicht Mark Tate gewesen war, zurück sogar zu seiner ursprünglichen Persönlichkeit: Er war wieder Mahsa, der Gorite.
Doch seine Lebensgefährtin, die Weiße Hexe May Harris, und sein Freund, der mächtige Weiße Magier Lord Frank Burgess, geben nicht auf. Sie kämpfen in der Gegenwart um Marks Überleben und um die Rückkehr seines Geistes.
Zunächst scheitern sie jedoch...
Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary
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Coverhintergrund: Anistasius
Titelbild: Michael Mittelbach
Logo Schavall: Helmut Bone
Wichtiger Hinweis
Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt! Jeder Band ab Band 1 (siehe Druckausgaben hier: http://www.hary.li) ist jederzeit nachbestellbar.
May und Frank verharrten in Hilflosigkeit, zu der sie verdammt waren.
Und dann kam die unerwartete Veränderung.
Ganz plötzlich.
Es war eine Flut von Gedanken - von Fremdartigkeit, gemischt mit Vertrautheit.
Einer dieser Gedanken kristallisierte sich deutlich heraus, überstrahlte alle anderen: MARK TATE!
Die Erinnerungen an tausend verschiedene Leben zu verschiedenen Zeiten waren mit bei ihm. Deshalb dieser Wust von Fremdartigkeit.
Doch die Erinnerungen verblaßten rasch, und genauso schnell schwanden Mark Tates Kräfte.
Er war ein hilfloses Ding, das aus der Vergangenheit zehrte, aber kein eigenständiges Bewußtsein mehr.
Weil sein Körper in der Gegenwart zum Tode verurteilt war.
Die Linie der Leben endete bei der Existenz von Mark Tate. Sowie die Erinnerungen vollends verblaßt waren, würde sein Geist vom magischen Steingarten ausgespien werden - zurück in seinen Körper.
Zum Tode verurteilt!
Alle Bemühungen würden sinnlos gewesen sein.
Deshalb mußten May und Frank eingreifen! Sie wußten die magischen Strukturen des uralten Steingartens in diesem Sinne zu nutzen und damit den Geist von Mark Tate zu halten.
Die Erinnerungen an das Dasein als Mark Tate waren noch deutlich genug vermischt mit den Erinnerungen an sein Ur-Dasein als der Gorite Mahsa.
May und Frank nahmen es in sich auf - beides! Rechtzeitig, ehe es sich verflüchtigen konnte.
Ja, und so gelang es ihnen, es zu halten.
Ein vorübergehender Zustand, den sie auch mit ihren besonderen Fähigkeiten nicht sehr lange aufrecht erhalten konnten.
Verzweifelt suchten sie nach einem anderen Weg, um alles zu retten.
Aber die Erinnerungen von Mahsa waren die Erinnerungen an das alte Universum vor Tausenden von Jahren.
Die Strukturen des Steingartens paßten in die damalige Zeit. Heute, im HIER und JETZT, waren sie UNANGEPASST!
Aber wenn jemand die Macht besaß, sie passend zu machen, dann erlangten sie mit größter Sicherheit ihre ursprüngliche Funktionsfähigkeit wieder zurück!
Niemand hatte diese Macht - außer: ja, außer einem echten Goriten!
Und Mark Tate war ein - Gorite!
Der Steingarten in seiner Struktur erkannte die Struktur des Goriten-Geistes.
Die Jahrtausende hatten Mahsa genauso verändert wie die Beschaffenheit des Universums sich verändert hatte - in winzigen Teilbereichen. Deshalb hatten die Strukturen des Steingartens ihn nicht als echten Goriten anerkannt - zunächst, also bei der ersten Begegnung. Für die magischen Strukturen war Mark Tate nur der mehr oder weniger rechtmäßige Goriten-ERBE gewesen. Deshalb zuerst die eher gemäßigte Reaktion auf ihn.
Aber jetzt war er wieder Mahsa, weil alle Erinnerungen an sein Goritendasein neu aufgeflammt waren und alle anderen Erinnerungen an andere Leben verdrängt hatten.
Diesen vertrauten Geist ließen die Strukturen nicht mehr los. Jetzt nicht mehr. May und Frank konnten ihre Unterstützungsarbeit also getrost abbrechen.
Der Geist von Mahsa/Mark Tate wurde wieder eigenständig...
Ich bin!
Ich, Mahsa/Mark Tate!
Ich lebe!
Ich bin ein Geist in den Feldenergien der magischen Strukturen des Steingartens.
Diese Strukturen müssen angepaßt werden! Die Goriten haben sie geschaffen - und nur ein echter Gorite darf nunmehr diesen wesentlichen Eingriff vornehmen. Kein anderes lebendes oder nichtlebendes Wesen wäre sonst jemals in der Lage gewesen. Und der Steingarten hat meine Identität anerkannt! Endlich!
Die Anpassung an das JETZT, an das HEUTE kann erfolgen! Nur dadurch erlangt das Feld seine ursprüngliche Bedeutung zurück:
Es neutralisiert wieder das Böse!
Ich sehe das Hotel von Oroia-Stadt. Dieser einzige Blick genügt: Das vom Bösen beherrschte Hotel vergeht in einer einzigen Stichflamme und mit ihm DER UNBEGREIFLICHE, der das Hotel zu seiner Bastion gemacht hatte!
Er war überhaupt kein eigenständiger Dämon gewesen, dieser UNBEGREIFLICHE, sondern nur eine Abordnung schwarzmagischer Gedanken von einem Zusammenschluß des Schwarzen Adels.
Diese Gedanken der Dämonen vom Schwarzen Adel hatten gewirkt.
Böse Gedanken, die Materie wurden und Grauen und Schrecken brachten.
Jetzt waren sie nicht mehr.
Der schwarzmagische Bann löste sich vollends von Oroia.
Es gab nunmehr keine Kraft mehr, die die Menschen behinderte und an die Insel kettete. Die Schiffe durften den Hafen wieder verlassen.
Alles mußte wieder so werden wie vordem, ehe das Böse nach Oroia gegriffen hatte.
Und es wurde auch wieder so, sobald die Anpassung an das Jetzt abgeschlossen war.
Aber im gleichen Maße verschwanden auch die Strukturen der Persönlichkeit von Mahsa in mir selber.
Ich wurde wieder vollends zu Mark Tate.
Ich wußte, was geschehen war, vor Tausenden von Jahren: Als Mahsa hatte ich nach der Vernichtung von VULCANOS, dem Gott des Feuers, gemeinsam mit den anderen Goriten das Wächtervolk der Tomaren auf Tomaro angesiedelt. Sie waren nicht nur Hüter dieser Insel geworden, sondern auch Hüter eines Teiles der KRAFT, die Mahsa für seinen späten Nachfahren bestimmt hatte, damit dieser auch dann noch eine echte Chance gegen VULCANOS haben sollte.
Mahsa wußte von vornherein, dass DIE KRAFT beim Adressaten gut ankommen würde, denn durch sie war es mir schließlich gelungen, in tiefer Trance, so hautnah dem Tode, die Zeitkluft zu überwinden und mich mit Mahsa in der fernsten Vergangenheit zu vereinen.
Jetzt war ich wieder zurückgekehrt und war wieder Mark Tate, aber DIE KRAFT war noch in mir, wenn auch nur in einem sehr bescheidenen Maße im Vergleich zu Mahsa.
Als Mahsa hatte ich DIE KRAFT steuern können, aber jetzt war es eher so, daß DIE KRAFT mich steuerte, damit ich niemals meine Bestimmung im Zusammenhang mit VULCANOS vergaß.
Ich war hier und lebte, und ich mußte weiterleben, denn sonst war alles umsonst gewesen: Das Opfer von Mahsa, die Reise durch die Zeit, das Erbe eines verbliebenen Teiles der KRAFT!
Eingebettet in den Strukturen des Steingartens entfernte ich die Körper von May und Frank. Ich tat das sanft und vorsichtig, um ihnen keinen Schaden zuzufügen.
Außerhalb erwachten sie, damit sie den anderen alles berichten konnten.
Und dann widmete ich mich meinem eigenen Körper.
Eingebettet in den Feldenergien wandte ich DIE KRAFT an und verbündete sie mit den Kräften des Schavalls, meinem geheimnisvollen Amulett, das ganz nahe des sterbenden Körpers lag.
Ich riß diesen sterbenden Körper aus der Erde. Die Felsmassen, die ihn unter sich begraben hatten, flogen weg, als würde eine Riesenfaust von unten durch die Erdkruste brechen. Der leblose Körper sauste durch die Luft zum Zentrum des Steingartens.
Und hier begann der entscheidende Wiederbelebungsversuch.
Was eine Schwarze Macht angerichtet hatte, wurde nun durch Weiße Macht neutralisiert.
Ohne daß Spuren zurückblieben!
*
Ich, Mark Tate, schlug die Augen auf und sah mich inmitten des Steingartens.
Er war einmal Freund und einmal Feind gewesen. Jetzt war er nur noch Freund. Ich spürte seine Energien, die mir zur Verfügung standen - aber nur so lange ich mich in seinem Innern befand, denn außerhalb hatte er keine Wirkung mehr.
Weil es den weltweiten Drudenfuß nicht mehr gab, jenes magische Zeichen, das aus den speziellen Anordnungen von Steingärten, verteilt auf der Erde, entstanden war und das jetzt deshalb nicht mehr existierte, weil dieser Steingarten hier allem Anschein nach der einzige geblieben war!
Der Steingarten auf Oroia war einzigartig geworden. Die anderen vier waren vergangen.
Ich grübelte darüber nach, fand aber keine Erinnerungen mehr daran.
Selbst die Erinnerungen an mein Dasein als der Gorite Mahsa begannen zu verblassen.
Es würde nicht mehr viel bleiben.
Doch das spielte keine Rolle. Viel wichtiger blieb, daß in Oroia alles wieder zum Alten kam.
Ich stand auf und runzelte nachdenklich die Stirn. Ein anderer Gedanke kam mir. Er galt VULCANOS:
Er war zweimal mit dem Steingarten konfrontiert worden, damals und in der Gegenwart. Inzwischen durfte er wissen, daß es sich um eine magische Falle gehandelt hatte.
Wie hatte er damals überlebt, um die Jahrtausende im Erdinnern zu überschlafen?
Wo befand er sich jetzt?
Jemand rief meinen Namen. Ich erwachte aus meinen Tagträumen und schaute mich um.
Es war May.
Ein Glücksgefühl entstand in meiner Brust, das mächtiger war als alles andere. Ich sah meiner Lebensgefährtin entgegen.
»Mark!« rief sie mir lachend zu.
Ich breitete die Arme aus und fing sie auf. Wir drückten und küßten uns.
Eine Ewigkeit hatten wir uns nicht gesehen, und es hatte doch tatsächlich so ausgesehen, als würden wir niemals wieder zusammenfinden.
Jetzt war alles zu einem Alptraum geworden, den wir glücklich überstanden hatten.
Ich lebte!
Allen Gewalten hatte ich getrotzt!
Ja, ich, Mark Tate, war am Leben - und man mußte wieder mit mir rechnen!
»Seht!« rief der Kommandant und deutete mit ausgestrecktem Arm die Brücke hinunter.
Die meisten der Zerstörer-Besatzung hatten es bereits entdeckt: Im nebelhaften Rauch, der über der Feuerinsel hing, tat sich etwas: Dort gab es Bewegung, wie schwarze Schatten, die umherhuschten.
Dabei hatte es vor einer Stunde erst wieder die ersten Vulkanausbrüche auf der Feuerinsel gegeben.
Eine Insel, die durch vulkanische Tätigkeiten mitten in der Südsee entstanden war, nachdem eine andere Insel an der gleichen Stelle hatte untergehen müssen: Tomaro.
Die Feuerinsel war innerhalb kürzester Zeit auf einen Durchmesser von über dreißig Kilometern angewachsen.
Dann hatten sich die Beben beruhigt, waren die Eruptionen zurückgegangen.
Die glutflüssige Lava war allmählich erkaltet.
Trotzdem ankerte die fünfte US-Flotte vor der Feuerinsel. Mit gutem Grund: Sie war von der Insel aus mehrmals angegriffen worden! Sogar mit Atomwaffen!
Sie waren kurz davor gewesen, Landemannschaften zu wassern, denn inzwischen konnte man auf der Feuerinsel gefahrlos anlanden.
Hatten sie jedenfalls gedacht!
Und jetzt ahnten sie, daß der nächste Angriff erfolgen würde, allerdings anders als je zuvor.
Sie spürten die Angst, die ihre Kehlen zuschnürte.
Die Besatzungsmitglieder von allen Schiffen verließen ihre Posten und starrten in den Rauch über der Feuerinsel. Wie hypnotisiert betrachteten sie die huschenden schwarzen Schatten.
Ja, dort drüben tat sich was - und das galt ihnen!
»Alarm auf allen Decks!« krächzte der Kommandant des ersten Zerstörers.
Doch überall war die hektische Betriebsamkeit auf den Kriegsschiffen und auch auf dem Flugzeugträger, der erst vor Stunden neu hinzugekommen war, erloschen. Eine ungeheure Spannung entstand. Manche hielten sie nicht mehr aus, begannen irr zu schreien.
Die anderen achteten nicht darauf.
Sie starrten hinüber, sahen zu, wie die Schatten die Rauchschleier vertrieben.
Als würden die Schatten sie gierig verschlingen.
Dann formierten sich die Schatten neu. Sie wuchsen zu einem Ganzen zusammen, bedeckten bereits einen Großteil der Feuerinsel, wuchsen noch größer heran, weil es irgendwo Nachschub gab.
Ein Donnergrollen erschütterte die Insel. Auch unterseeisch pflanzte es sich fort und ließ das Meer unruhig werden.
Der vertriebene Rauch bildete in der Höhe ein schwarzes Dach, das den Abendhimmel verdunkelte.
Und dann kam die schwarze Flut des Grauens von der Insel! Sie schwappte über das Meer, eilte auf die Schiffe zu.
Stocksteif vor Entsetzen standen die Besatzungen auf Deck und starrten der schwarzen Flut des Grauens entgegen. Sie wichen keinen Millimeter. Sie konnten nicht anders.
Lautlos floß die Flut herbei. Sie vermischte sich nicht mit dem Meereswasser, obwohl sie selber wie Wasser erschien.
Es bildeten sich schäumende Wellenkämme auf der schwarzen Flut. Doch dieser Schaum wirkte wie die Rücken von weißen Monstern, die sich in der Flut versteckten.
Und dann erreichte die schwarze Flut des Grauens die Schiffe der fünften US-Flotte. Sie umfloß die Schiffe, konnte nicht an Bord gelangen; dafür war sie noch zu niedrig.
Doch kaum hatte sie sämtliche Schiffe umschlossen, gab es nur noch einen breiten Fluß auf der Feuerinsel, der im Zentrum der Insel seinen Ursprung hatte. Von diesem Fluß aus brauste ein Sturm herbei. Er ließ die Wellen des schwarzen Meeres noch höhergehen. So hoch, daß sie die Reling der Schiffe erreichten.
Die ersten Brecher spülten über Deck des Flugzeugträgers.
Die Männer standen herum wie Wachsfiguren. Sie waren unfähig, sich zu rühren. Sie hatten einfach nicht den Willen dazu, obwohl sie alles mit wachem Verstand erlebten.
Außer denen, die allein schon von der Spannung wahnsinnig geworden waren!
Die Wellen wurden höher und höher.
Und dann spülten sie über ALLE Decks, erfaßten ALLE Soldaten...
Keiner wehrte sich. Sie ließen sich von ihren Schiffen spülen, und nur der Sturm heulte sein klagendes Lied.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 26.03.2017
ISBN: 978-3-7438-0479-1
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Nähere Angaben zum Herausgeber und Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary