Phase 1
- Wilfried A. Hary:
„Von der Unmöglichkeit von Zeitreisen bis hin zur Reise durch die Zeit!“
Der ordentliche Professor, der eindeutig weil mathematisch bewiesen hat, wie unmöglich Zeitreisen sind, staunt nicht schlecht, als ihm eines Abends ein Zeitreisender begegnet. Mit allen möglichen und eigentlich unmöglichen Konsequenzen…
Die Reihe „ad astra“ erschien seit 1999 als Heftreihe bei www.HARY-PRODUCTION.de!
Auf besonderen Wunsch unserer Leser und auch unserer Autoren haben wir ab dem Jahre 2009 umgestellt auf das Buchformat!
Sämtliche vorher erschienenen Bände bis Einzelband 112 und Doppelband 121/122 sind natürlich nach wie vor erhältlich.
Beachten Sie dabei bitte auch unseren Paketpreis: 12 Ausgaben in direkter Folge zum Preis von 10!
AD ASTRA Buch 016
ISSN 1614-3280
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Coverhintergrund und Logo: Anistasius
Titelbild: Gerhard Börnsen
Sie sind also der berühmte Professor Ernest Baldur? Freut mich, sie kennenzulernen. Und Sie sind das, was man mit Fug und Recht einen absoluten Experten in Sachen Raumzeit nennt? Dann wäre ich bei Ihnen ja gerade an der richtigen Stelle. Freut mich also sozusagen doppelt. Aber bevor ich anfange, Sie zu langweilen, will ich doch gleich zum Grund meines Überfalls kommen. Und bevor Sie mich gleich wieder des Hauses verweisen als ungebetetem Gast:
Ich bin das, was man einen Zeitreisenden nennt!
Ach, ich sehe schon Ihre Skepsis. Stammt die These nicht von Ihnen, dass Zeitreisen völlig unmöglich sind? Natürlich haben Sie damit vollkommen recht, denn eigentlich ist der Begriff Zeitreise völlig verfehlt. Denn es handelt sich in Wahrheit nämlich um eine Raumzeitreise. Darf ich dennoch das Wort Zeitreise benutzen? Nur um Verwechslungen vorzubeugen. Es ist ja klar, dass jegliche Reise im Grunde genommen als Raumzeitreise gesehen werden kann, denn wenn ich von Berlin nach Hamburg fahre, bewege ich mich sowohl in der Zeit als auch im Raum. Aber wenn ich Zeitreise sage, dann meine ich, dass ich mich in der Raumzeit nicht nur sozusagen vorwärts, sondern auch rückwärts bewegen kann.
Bevor Sie mich jetzt doch noch rausschmeißen, will ich Ihnen ganz einfach mal die praktische Anwendung demonstrieren - und dann kann ich Ihnen auch besser erklären, wieso diese Art von Reisen trotz aller gegenteiliger Theorien trotzdem möglich sind. Schauen Sie auf die Uhr. Ich bin genau um 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit bei Ihnen hier aufgetaucht, obwohl Sie immer noch nicht wissen, wieso es mir gelang, die Alarmanlage zu umgehen. Ihre Villa ist ja ganz schön gesichert. Kein Wunder bei einem so berühmten Mann wie Ihnen. Also, ich verschwinde jetzt und tauche eine Minute früher auf als zuvor. Verstehen Sie das Problem? Aber natürlich. Damit würde ich ein klassisches Zeitparadoxon verursachen, denn als ich zum ersten Mal auftauchte, wussten Sie noch nichts von mir. Komme ich aber jetzt eine Minute früher, bin ich zum Zeitpunkt des ersten Auftauchens ja schon eine Minute anwesend…
Der Professor staunte nicht schlecht, als die Gestalt direkt vor seinem wuchtigen Schreibtisch quasi aus dem Nichts materialisierte. Es war genau eine Minute vor zwanzig Uhr, wie er mit einem Seitenblick auf die große Wanduhr feststellte. Das geschah aus einem Reflex heraus. Der nächste Reflex war eigentlich, nach der Waffe in seiner Schreibtischschublade zu greifen, aber er würde viel zu langsam sein. Deshalb unterließ er es und beäugte den Fremden argwöhnisch.
Nein, eigentlich wirkte der ganz und gar nicht bedrohlich. Er war schätzungsweise mittleren Alters und wirkte ziemlich unscheinbar. Die schmächtige, offensichtlich unbewaffnete Gestalt schaute reichlich ernst drein und bemühte sich jetzt um ein freundliches Lächeln, was allerdings nicht so ganz gelingen wollte.
„Wer - wer sind Sie?“, ächzte der wackere Professor. „Und – und wie kommen Sie überhaupt hier herein?“
„Gar nicht“, antwortete der Fremde, „denn ich war schon da, allerdings in einer anderen Phase zu einem späteren Zeitpunkt.“ Er deutete auf die Uhr an der Wand des Arbeitszimmers. „Genau um zwanzig Uhr bin ich hier aufgetaucht, beim ersten Mal. Ich redete mit Ihnen und verschwand dann in der Vergangenheit, um eine Minute zu früh noch einmal aufzutauchen.“
Professor Ernest Baldur war jetzt hundertprozentig sicher, dass es sich um einen gefährlichen Irren handelte. Als Experte für Raumzeit wusste er ja mehr als jeder Mensch jemals auf dieser Welt, wie unmöglich Zeitreisen waren. Es gab eigentlich nur eine Erklärung für das plötzliche Auftauchen: Der Kerl war nicht nur hochgradig irre, sondern beherrschte auch irgendwelche Zaubertricks.
Irgendwo schlug eine Kirchturmuhr die achte Stunde am Abend. Gleichzeit war es dem Professor, als würde sich über das Bild des Mannes vor seinem Schreibtisch ein zweites Bild schieben, um schließlich damit zu verschmelzen.
Der Mann begann zu sprechen:
„Sie sind also der berühmte Professor Ernest Baldur? Freut mich, sie kennenzulernen. Und Sie sind das, was man mit Fug und Recht einen absoluten Experten in Sachen Raumzeit nennt?“
Der Professor hörte die Worte und war gleichzeitig sicher, sie schon einmal gehört zu haben. Wie war das denn möglich? Jedes weitere Wort erkannte er wieder, sobald er es hörte. War der Wahnsinn des abendlichen ungebetenen Gastes denn irgendwie ansteckend?
Der Professor war unfähig, sich zu rühren.
Bis der ungebetene Gast endlich sagte:
„Also, ich verschwinde jetzt und tauche eine Minute früher auf als zuvor. Verstehen Sie das Problem? Aber natürlich. Damit würde ich ein klassisches Zeitparadoxon verursachen, denn als ich zum ersten Mal auftauchte, wussten Sie noch nichts von mir. Komme ich aber jetzt eine Minute früher, bin ich zum Zeitpunkt des ersten Auftauchens ja schon eine Minute anwesend…“
Schon wieder sah es aus, als würde sich der Besucher verändern. Der Professor konnte nicht sagen, inwieweit es tatsächlich eine Veränderung gab. Doch dann fiel ihm wieder ein, wie das beim ersten Mal gewesen war, um Punkt zwanzig Uhr: Jetzt war es ihm, als habe sich der Effekt irgendwie wieder umgekehrt.
Der Besucher lächelte entwaffnend.
„Sie haben zum ersten Mal in Ihrem Leben bewusst die Folgen eines kleinen Paradoxons erlebt. Klar, dass sie sich darauf keinen Reim machen können. Darf ich Ihnen daher ein wenig nachhelfen?“
Der Professor kam nicht dazu, zu antworten. Er wäre auch gar nicht in der Lage gewesen, dies zu tun, denn seine Kehle war so ausgetrocknet, als habe er seit Tagen nichts mehr getrunken.
Der Gast machte eine umfassende Geste.
„Bei jedem Paradoxon entsteht eine parallele Phase. Nein, keine Parallelwelt, wie in manchen Theorien angenommen. Das ist Quatsch. Da wird von tausenden von Parallelwelten erzählt, zuweilen sogar von unendlich vielen. Klar, wir sind uns völlig einig, dass man darüber nur den Kopf schütteln kann. In Wahrheit gibt es lediglich eine Phasenverschiebung. Sie ist umso größer, desto höher die Auswirkungen des Paradoxons sind. Und falls sie das mit den Phasen nicht so recht verstehen: Kennen Sie Onlinespiele?“
Dem Professor gelang es doch tatsächlich, den Kopf zu schütteln.
„Schade, dann wäre es viel einfacher für mich. Ich versuche es trotzdem: In Onlinespielen sind mehrere Spieler gleichzeitig unterwegs, natürlich nicht persönlich, sondern mit ihren Avataren. Jeder Spieler hat dieselbe Welt, aber da jeder Spieler einen anderen Spielstand und Spielverlauf hat, wurden von den Programmierern sogenannte Phasenverschiebungen eingebaut in dieser virtuellen Welt. Es gibt die Grundphase als Phase 1, um dies einmal beispielhaft zu machen. In dieser Grundphase ist alles genau gleich, also die Umgebung und die mehr oder weniger unveränderbaren Elemente. Wenn Sie jetzt sagen wir mal einen Monsterwald betreten, in dessen Zentrum sich der Monsterboss befindet, den Sie erledigen sollen, bewegen sie sich mit allen anderen Avataren, die diesen Boss ebenfalls noch nicht besiegt haben, durch diesen Wald bis zu Ihrem Ziel. Sie werden unterwegs angegriffen, müssen um Ihr Leben kämpfen. Bis zu genanntem Boss. Sobald es Ihnen gelingt, diesen zu besiegen, verschwinden die Monster aus dem Wald, der jetzt friedlich ist. Das ist ja der Sinn des Endkampfes, eben den Wald wieder friedlich zu machen. Aber was ist jetzt mit all den Spieleravataren, die den Endboss noch nicht besiegt haben? Na? Sie bleiben in der Phase 1, während Sie durch den gewonnenen Endkampf in die Phase 2 überwechseln. Immer noch derselbe Wald, aber diesmal monsterfrei. Logisch, dass Sie jetzt nicht mehr die Spieleravatare von Phase 1 sehen, die ja immer noch um ihr Leben kämpfen müssen. Sie sehen jetzt nur noch Spieleravatare von Phase 2, die den Endkampf bereits hinter sich haben. - Ist das jetzt irgendwie begreiflich?“
Endlich gelang es dem Professor, selbst zu sprechen. Er wusste gar nicht wieso. Er hörte seine eigene Stimme, irgendwie knarrend, um nicht zu sagen krächzend, und wunderte sich zunächst, dass es ihm überhaupt gelang, auch nur ein einziges vernünftiges Wort hervorzubringen. Noch verwunderlicher für ihn war, wieso er so ruhig klang und wieso er nicht endlich den ungebetenen Gast des Hauses verwies.
„Ja, ja, ich kenne das mit den Phasen,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2016
ISBN: 978-3-7396-6645-7
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Nähere Angaben zum Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary