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Impressum:

Star Gate – Das Original - Nummer 15

Achtung: Der Name der Serie „STAR GATE – das Original“ ist gesetzlich geschützt!

Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie STAR GATE - das Original:

Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary, Frank Rehfeld

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

Diese Fassung: © 2011 by HARY-PRODUCTION ISSN 1860-1855

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken * Telefon: 06332-481150 * www.HaryPro.de * eMail: wah@HaryPro.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.

Coverhintergrund: Anistasius * Logo: Gerhard Börnsen

 

Titel:

Der Schatz des Poseidon

von Miguel de Torres:

War das Trojanische Pferd – ein STAR GATE?

 

In Hermann Schladts Roman ›Das MAFIA-Experiment‹ (Band 13) wird geschildert, wie der Konzern MAFIA bei dem Versuch, ein eigenes Star Gate zu konstruieren, zwar scheitert, dabei aber eine Möglichkeit entdeckt, Personen zu duplizieren. Obwohl die Angelegenheit eskaliert und sie nicht begreifen, was da wirklich geschieht und ob es vielleicht noch ungeahnte weitere Nebenwirkungen der negativsten Art gibt: Dies bringt Alfonso Volpone, den Konzernchef (›Paten‹) von MAFIA, auf die wahnsinnige Idee, sich des ungeliebten und erfolgreicheren Konkurrenten Mechanics Inc. zu bemächtigen, indem dessen Chef Frascati im MAFIA-SG dupliziert und dann durch das Double ersetzt wird.

Fehlt nur noch eine Gelegenheit, an den gut abgeschirmten Frascati heranzukommen...

 

DIE HAUPTPERSONEN

Alfonso Volpone - Konzernchef MAFIA: Eine zufällige Entdeckung beschert ihm die Gelegenheit, auf die er lange gewartet hat.

Lino Frascati - Konzernchef von Mechanics: Wird das Opfer von Volpones Intrigen - ohne auch nur zu ahnen, was ihm wirklich blüht.

Clint Fisher - auch der Sicherheitschef von Mechanics betätigt sich als Ränkeschmied.

Jackson ›Jackie‹ Chan - Haiko Chans Vetter, bekannt als der ›Schrecken des Sicherheitsdienstes‹ (und das ist keineswegs etwa positiv gemeint!), erhält eine letzte Chance zur Bewährung.

Felicitas - Volpones Katze hat es faustdick hinter den Ohren...

 

*

 

1.

An diesem letzten Tag seines Lebens stand Hakan Aslan gegen halb zwei Uhr morgens auf. Er hatte nicht geschlafen, denn aus Angst, seine Mutter könne etwas hören, hatte er nicht gewagt, den Wecker zu stellen.

Leise schlich er sich in die Küche des kleinen Hauses. Er trank den Rest Tee, der noch vom vorangegangenen Abend hier stand, dann wandte er sich in Richtung des Flurs. Als er die Tür passierte, die zum Schlafzimmer seiner Mutter Dilara führte, zögerte er. Beinahe gegen seinen Willen öffnete er lautlos die Tür – nur einen Spaltbreit, gerade genug, um einen Blick auf sie zu werfen. Sie lag ruhig im Bett; er hörte ihren flachen Atem. Ihr Gesicht lag im Schatten, aber Hakan wollte es nicht riskieren, die Tür noch weiter zu öffnen.

Sie durfte nicht erwachen.

Sie hätte das, was er im Begriff war zu tun, niemals gebilligt und wenn sie nicht so krank gewesen wäre, hätte er es auch niemals geschafft, sich mitten in der Nacht aus dem Haus zu schleichen, ohne dass sie es bemerkte.

Doch wenn sie nicht so krank gewesen wäre, erkannte er, hätte er es auch nicht nötig gehabt, sich mitten in der Nacht aus dem Haus zu schleichen...

Ebenso langsam und geräuschlos, wie er sie geöffnet hatte, schloss Hakan die Tür wieder. Er löschte das Licht in der Küche und machte einige Schritte im Dunklen, bevor er den Lichtschalter für den Flur fand. Einen Augenblick überlegte er, welches seiner beiden verbliebenen Paar Schuhe er anziehen sollte. Er entschied sich für die Stiefel, die zwar auch schon alt und abgewetzt waren, die ihm aber dennoch bessere Dienste als die Halbschuhe mit den spiegelglatten Sohlen leisten würden, wenn es darum ging, mit Cengiz in dieser mondlosen Nacht im Ruinengelände herumzulaufen.

Als er die Stiefel zugeschnürt hatte und sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf die beiden Photographien über der Eingangstür. Die linke, die seinen Vater Yavuz, den er nie kennen gelernt hatte, kurz nach dessen Heirat zeigte, hatte bereits den größten Teil ihrer Farben verloren – schlechtes, billiges Papier trug die Schuld daran. Die rechte hingegen, mehr als zehn Jahre vorher entstanden, besaß immer noch den größten Teil ihrer einstigen Leuchtkraft. Sie zeigte einen etwa fünfundvierzigjährigen Mann mit zerfurchtem Gesicht, dem auch eine lange Narbe auf der linken Seite der Stirn nichts von seinem gütigen Ausdruck nehmen konnte.

Sein Großvater Ercan.

Obwohl er damals erst sieben Jahre alt gewesen war, erinnerte sich Hakan an den Tag, als sie ihn nach Hause gebracht hatten, als ob es erst gestern gewesen wäre. Seine Beine waren zerschmettert und er war ohne Besinnung. Das nächste Krankenhaus war weit weg, in Çanakkale, aber selbst wenn es hier im Dorf eines gegeben hätte, wäre er dort nicht aufgenommen worden, weil seine Familie die Behandlung nicht bezahlen konnte.

Armen Leuten, die ernsthaft erkrankten oder verletzt wurden, blieb nichts anderes als zu sterben.

Doch auch das wurde ihnen nicht immer leicht gemacht.

So wie damals seinem Großvater – und heute seiner Mutter...

Ercan Aslan starb drei Tage lang, in jenem Zimmer, in dem heute Hakans Mutter schlief – sogar in demselben Bett. Mehrere Male erlangte er zwischendurch das Bewusstsein wieder, doch zu seinem Glück niemals für längere Zeit. In den wenigen Augenblicken, in denen er in der Lage war zu sprechen, phantasierte er. Hakan erinnerte sich noch sehr gut an die Worte seines Großvaters: »Sterne... tief unten... alles voller Sterne!«

Tief unten – das konnte sich, wie Hakan heute wusste, nur auf den Ort beziehen, wo Ercan gewesen war, kurz bevor ihn das Unglück ereilt hatte: Tief unterhalb der Ruinen von Troja, die nur etwa einen Kilometer vom Dorf Kalafat entfernt lagen. Sein Großvater hatte, zusammen mit anderen Bewohnern des Dorfes, dort manchmal in aller Heimlichkeit ›private Grabungen‹ durchgeführt. Seit der Auflösung der Nationalstaaten und dem damit einhergehenden wirtschaftlichen Niedergang vieler Regionen waren die einst so zahlreichen Touristen – praktisch die einzige Einnahmequelle der Menschen am Eingang zu den Dardanellen – mehr und mehr ausgeblieben. Was blieb Ercan und seinen Freunden also anderes übrig, als nach alternativen Möglichkeiten zur Versorgung ihrer Familien zu suchen? Zumal ihnen dies dadurch erleichtert wurde, dass es den wenigen Polizisten kaum besser ging als ihnen selbst, so dass diese – gegen eine angemessene Beteiligung am Gewinn – regelmäßig beide Augen zudrückten.

Und wenn es auch kaum noch Touristen gab – Leute, die reich genug waren, sich seltene Antiquitäten leisten zu können, gab es immer noch genug, um Ercan Aslan und vielen anderen ein stetes, wenn auch bescheidenes Auskommen zu sichern.

Was Ercan mit ›tief unten‹ meinte, war also klar – aber Sterne? Wie konnten sich Sterne tief unter der Erde befinden? Niemand hatte sich damals oder seither einen Reim darauf machen können und so hatte man die Worte von Hakans Großvater als das gewertet, was sie sein mussten: das Halluzinieren eines Sterbenden.

Erst am dritten Tag, wenige Minuten vor seinem Tod, hatte Ercan Aslan das Bewusstsein wieder so weit erlangt, dass er die Menschen, die ihn umgaben, erkannte. Er wusste, dass er sterben würde und in Anbetracht der Schmerzen, die seine zerschmetterten Füße verursachten, hatte der Tod seine Schrecken für ihn verloren. Hakan würde niemals vergessen, wie sein Großvater von ihm Abschied genommen hatte: »So verlierst du nun nach dem Vater auch noch dessen Vater«, hatte der Todgeweihte geflüstert. »Armer Junge – und arme Dilara!« Seine Mutter hatte geweint, doch er, Hakan, hatte keine Tränen gehabt.

Manchmal ist der Schmerz zu groß, als dass man weinen könnte.

»Du bist jetzt der einzige Mann in diesem Haus«, hatte Hakan fortgefahren, »und du musst mir etwas versprechen!«

Die Trauer hatte Hakans Kehle zugeschnürt, so dass er nur wortlos nicken konnte.

»Du darfst niemals da hinuntergehen, verstehst du mich? Niemals! Deine Mutter braucht dich; sie hat schon deinen Vater verloren und jetzt mich... Versprichst du mir das? Niemals!« Die letzten Worte waren kaum mehr zu verstehen gewesen.

Hakan Aslan hatte abermals genickt und dann hatte sich doch noch eine Träne aus seinem Auge gelöst.

Nachdem er sie weggewischt hatte und er wieder sehen konnte, war sein Großvater bereits tot gewesen.

Hakan schüttelte seinen Kopf, als könne er damit auch seine Erinnerungen abschütteln. Er öffnete die Haustür, löschte das Licht und trat hinaus in die Nacht. Er tat einen tiefen Atemzug, dann schloss er die Tür hinter sich, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er den Schlüssel eingesteckt hatte.

Es war Mitte August und die Nacht war warm. Das einzige Licht war das der Sterne, doch der größte Teil des Himmels war mit Wolken verhangen.

Eine ideale Nacht – jedenfalls für das, was er vorhatte.

Er trat auf die Straße hinaus, die von Schlaglöchern übersät war. Wer hätte sie auch reparieren sollen? Es gab niemanden, der dafür zuständig war. Keine Regierung mehr in Ankara – nur noch einige Konzerne, die aber allesamt nicht groß genug waren, um in der ersten Garde der Weltkonzerne mitspielen zu können. Von denen kam sowieso keiner auf die Idee, Straßen zu reparieren, die nicht unbedingt für seine eigenen Transporter benötigt wurden. Und von den Dorfbewohnern hatte niemand genug Geld, um es für solche Zwecke aufwenden zu können.

Niemand – außer vielleicht Cengiz Ay.

Es gab viele Gerüchte über diesen korpulenten Mann mit der stets jovialen Miene. Hier im Dorf verfügte er nur über ein kleines Haus und einen alten, verbeulten Bodengleiter, doch es hieß, er besäße in Istanbul einen regelrechten Palast mit vielen Bediensteten und mehreren Nobelfahrzeugen. Woher dieser angebliche Reichtum stammte, wussten die Gerüchte ebenfalls: aus Troja – und anderen Ruinenstädten. Cengiz Ay sollte über Kontakte verfügen, die weit über die Grenzen der ehemaligen Türkei hinausreichten – nach Rheinstadt, Seabath, Zürich...

Und nach Neapel.

Was die Gerüchte nicht erklärten: Wenn Cengiz Ay wirklich so reich war, wie behauptet wurde, weshalb hielt er sich dann immer noch – wenigstens zeitweise – hier im Dorf auf? Und vor allem: Weshalb ging er höchstpersönlich das Risiko ein, das eine nächtliche Grabung in einem bewachten Ruinengelände mit sich brachte? Aus Abenteuerlust? Schwer vorstellbar, aber nicht unmöglich.

Während Hakan Aslan langsam das Dorf verließ und dem verabredeten Treffpunkt entgegen schritt, glitten seine Gedanken zurück zu seinem Großvater und dem Versprechen, das er ihm gegeben hatte.

Dem Versprechen, das er nun im Begriff war zu brechen.

Ein Versprechen, einem Sterbenden gegeben, war etwas Heiliges. Niemand durfte es jemals brechen. Außer vielleicht...

Außer, es ging um das Leben eines Menschen.

Das Leben seiner Mutter.

Medikamente waren teuer und der Arzt sagte, ohne Medikamente werde sie sterben – und zwar bald. Ihm blieb also nicht mehr viel Zeit. Das Angebot von Cengiz Ay, ihm zu helfen, war Hakans letzte Möglichkeit, genug Geld zu erhalten, um die Medikamente bezahlen zu können. Die letzte Möglichkeit – außer durch Diebstahl oder Raub. Aber dazu konnte er sich nicht durchringen. Und wenn seine Mutter davon erfahren hätte, wäre sie wahrscheinlich vor Trauer und Scham gestorben.

Dagegen betrachtete er es nicht als großes Vergehen, Gegenstände, die seit Jahrtausenden unter der Erde lagen, auszugraben und zu verkaufen. Wem gehörten sie denn schon? Von ihren einstigen Besitzern war nichts als Staub geblieben! Früher hieß es, sie gehörten dem türkischen Volk und man steckte sie in Museen, wo man sie – gegen Eintrittsgeld – betrachten konnte, wenn man Muße genug hatte.

Doch das ›türkische Volk‹ gab es ebenso lange nicht mehr, wie es keine Nationalstaaten mehr gab.

Rechtliche Bedenken hatte Hakan also keine. Wenn da nur nicht das Versprechen an seinen Großvater gewesen wäre...

Mittlerweile hatte er den Treffpunkt, eine Wegkreuzung, zweihundert Meter vom Dorf entfernt, erreicht und ließ sich auf einen passenden Stein nieder. Er bemerkte, dass er in der Aufregung seine Uhr vergessen hatte. Egal – Cengiz würde schon kommen, bald...

Und er kam, bereits wenige Minuten später. Hakan hörte den zwar alten, aber gut gedämpften Motor von Cengiz' Gleiter erst, als dieser noch etwa fünfzig Meter entfernt war. Die Scheinwerfer waren nicht eingeschaltet; Cengiz kannte den Weg offensichtlich wie seine Westentasche.

Der Gleiter hielt an und schweigend stieg Hakan ein. Ebenso schweigend nickte Cengiz' öliges Vollmondgesicht ihm zu.

Die Fahrt dauerte nicht einmal zehn Minuten. Erst, als unmittelbar vor ihnen der hohe Gitterzaun auftauchte, der das ehemalige Grabungsgelände von Troja begrenzte und Cengiz scharf abbremste, wagte es Hakan, die Stille zu durchbrechen.

»Gibt es keine Wache?« Er bemühte sich, seine Stimme nicht zittern zu lassen, doch ganz gelang ihm dies nicht.

Cengiz Ay lachte meckernd. »Keine Sorge, die hält den Mund! Ja, wenn du mit Cengiz unterwegs bist, kann dir nicht viel passieren! Aber du kannst viel Geld verdienen, wenn du dich klug anstellst!«

Hakan nickte beruhigt. Er nahm sich fest vor, sich ›klug anzustellen‹ – was Cengiz darunter verstand. Also wohl: Widerspruchslos das zu tun, was der erfahrene Raubgräber von ihm verlangte.

Cengiz gab ihm ein Zeichen sitzen zu bleiben, während er den Laderaum des Gleiters öffnete und ihm einige Werkzeuge entnahm.

Hakans Gedanken glitten zurück zu dem Tag, an dem ihm Cengiz den Vorschlag gemacht hatte, ihn auf diesen ›Ausflug‹ zu begleiten. Der junge Mann hofierte seit einiger Zeit Cengiz' Nichte Filiz, was deren Onkel – ihr Vater lebte in Istanbul und hatte sich schon seit Jahren nicht mehr im Dorf sehen lassen – nicht verborgen geblieben war. Dieser hatte sich mit dem Jungen unterhalten und dabei war irgendwann natürlich auch die Sprache auf Hakans kranke Mutter gekommen. Cengiz, immer der gute Onkel, hatte ihn seines Mitgefühls, aber auch seiner Hilfsbereitschaft versichert.

Und hier war er nun.

Das sirrende Geräusch zurückschnalzenden Drahtes schreckte Hakan aus seinen Gedanken. Es wiederholte sich noch zwei- oder dreimal, dann tauchte Cengiz' massige Gestalt neben dem Gleiter auf, öffnete die Tür und drückte ihm einen schweren Sack in die Hand.

»Los!«

»Wohin gehen wir?«, fragte Hakan, während er hinter dem Älteren durch die gewaltsam geöffnete Absperrung stolperte. Im Gegensatz zu Cengiz fand er sich hier kaum zurecht – schon gar nicht in einer finsteren Nacht.

»Zu dem tieferen der beiden Gräben, die man die ›Schliemann-Gräben‹ nennt«, antwortete Cengiz. »In einer Ecke dieses Grabens gibt es einen Schacht, der beinahe senkrecht in die Tiefe führt. Ich habe ihn vor ein paar Monaten entdeckt, bin aber noch nicht dazu gekommen, mich weiter darum zu kümmern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da noch niemand dran war!«

»Niemand dran« – das hieß wohl, dass der Schacht noch nicht ausgeplündert war, schloss Hakan. Er hoffte, dass Cengiz recht hatte und sie vielleicht eine große Entdeckung machten.

Die beiden Gestalten huschten durch das unwegsame Gelände. Natürlich gab es mehr als genug ausgetretene Touristenpfade in Troja, doch die schien Cengiz zu meiden.

Plötzlich hielt er inne und lauschte. Hakan tat es ihm mit angehaltenem Atem nach und jetzt hörte er es auch: leise, entfernte Stimmen.

Eine Weile standen sie bewegungslos da, dann entspannte sich Cengiz Ay und lachte leise. »Der Wächter sieht fern! Wahrscheinlich ist er der Ansicht, dass das die angenehmste Art ist, nichts anderes mitzubekommen!«

Er setzte sich wieder in Bewegung und erleichtert folgte ihm Hakan weiter den Hügel hinan. Wenige Minuten später erreichten sie ihr Ziel. Wie Cengiz bereits gesagt hatte, befand es sich in einer Ecke eines der beiden so genannten ›Schliemann-Gräben‹, eines tiefen Einschnitts, der sich von Norden nach Süden über das Grabungsgelände hinweg zog und der aus einer der ersten Grabungskampagnen Heinrich Schliemanns stammte. Das war noch bevor dieser erkannte, dass es keine besonders gute Idee war, auf der Suche nach dem ›Homerischen Troja‹ alles, was darüber lag, einfach platt zu machen.

Cengiz kniete sich neben einem Busch nieder und machte sich daran zu schaffen. Im nächsten Moment war der Busch weg – es hatte sich nur um einige Zweige gehandelt, die zur Tarnung vor ein, wie es Hakan schien, für einen Menschen viel zu kleines Loch gelegt worden waren.

»Dort sollen wir hinein?«, fragte er ungläubig, wobei er nicht verhindern konnte, dass sein Blick viel sagend über die Statur seines Begleiters glitt.

Cengiz grinste. »Keine Angst, nur der Einstieg ist so eng – schließlich soll er nicht allzu einladend aussehen!« Er nahm Hakan den Sack ab, kramte darin herum und zog dann zwei Sturzhelme mit integrierten Scheinwerfern heraus. Einen setzte er selbst auf und schaltete das Licht ein, den anderen übergab er seinem jungen Begleiter.

Hakan atmete auf. Im grellen Lichtkegel des Helmscheinwerfers verlor der Einstieg einiges von seinem ursprünglichen Schrecken.

»Hier, dein Kombigurt!«

Der Junge nahm die Kombination aus Sitz- und Brustgurt in Empfang und befolgte gewissenhaft Cengiz' Anweisungen beim Anlegen der Sicherungsvorrichtung. Dann reichte der Ältere ihm ein Bergseil, zeigte ihm, wie er es in den Kombigurt einbinden musste und machte ihn mit dem Gebrauch des Abseilgeräts vertraut. Das Ende ihres Sicherungsseils vertäuten sie an einem in der Nähe stehenden Baum.

»Der Schacht führt beinahe senkrecht nach unten«, erläuterte Cengiz dabei. »In etwa fünfundzwanzig Meter Tiefe ist ein Absatz; dort warte ich. Du kommst mir erst nach, wenn ich rufe, ist das klar? Wir dürfen nicht beide gleichzeitig auf das Seil!«

»Klar.«

»Gut. Danach geht es nochmals ungefähr zwanzig Meter tiefer. Dort mündet der Schacht in einen waagrecht verlaufenden Gang, der mit Schutt verfüllt ist. Dort beginnt unsere eigentliche Arbeit – wir müssen uns durch den Schutt wühlen. Ich nehme an, dass der Gang nur auf wenigen Metern Länge verstopft ist. Noch irgendwelche Fragen?«

Hakan zögerte. »Eine... Wer hat diesen Schacht erbaut? Warst du das?«

Cengiz schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nur

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 27.01.2014
ISBN: 978-3-7309-7855-9

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