Vorwort
Ich war so um die fünfzehn Jahre alt, als ich die Fernsehserie“ Auf Achse“ mit Manfred Krug zum ersten Mal sah. Diese Abenteuerserie faszinierte mich dermaßen, dass mit jeder neuen Folge die ich sah, in mir der Wunsch immer größer wurde, so etwas auch einmal in meinem Leben zu machen. Auch ich wollte ferne Länder sehen, fremde Leute kennenlernen, und vor allem auch einmal mit einem vierzig Tonnen schweren Lkw selber in den Orient fahren, und Abenteuer zu erleben. Das wollte ich!
Dies erzählte ich auch meinen Mitschülern und Kollegen. Manche lachten mich aus, andere wiederum schauten mich groß an und wollten so etwas natürlich auch einmal erleben.
Die Zeit ging dahin, ich absolvierte eine Lehre als Karosseriespengler. Nach der Lehre jobbte ich in einem Reptilienzoo eines Bekannten. Dabei lernte ich sehr viel über Gift-schlangen, Echsen und Krokodile kennen. Nach knapp einem Jahr meldete mein Chef den Konkurs an, und ich mußte mir eine neue Arbeit suchen.
Ich hatte Freunde und Kollegen. Einer davon hieß Hans und war zu dieser Zeit einer meiner besten Freunde. Er war vier Jahre älter als ich und arbeitete auf dem Bau. Ich weiß nicht mehr genau warum, aber für einige Zeit verloren wir uns aus den Augen. Jeder ging seine eigenen Wege, bis wir uns nach vielen Monaten zufällig wieder trafen, wodurch sich mein Leben schlagartig veränderte und ein großer Teil meiner Kindheitsträume in Erfüllung gehen sollte.
Mein größter Wunsch
März, 1981
Meine Lehre als Karosseriespengler hatte ich seit zwei Jahren hinter mir. Ich konnte mir nicht vorstellen, diese Arbeit bis zu meiner Pension aus zu üben. Tagaus, tagein dasselbe, Staub, Dreck, Lärm, kitten und schleifen und das alles, um das bisschen Geld.
Etwas erleben wollte ich, die Welt kennenlernen, das wäre es. Ich war zwanzig Jahre alt, hatte noch nicht viel erlebt, wohnte immer noch bei meinen Eltern und hatte von dieser Welt keinen blassen Schimmer. Es war Frühling und Samstagabend. Die Glocke klingelte bei mir zuhause. Ich wohnte noch bei meinen Eltern, und mein Freund Hans kam mich abholen, um auf Tour zugehen. Wir zogen von Lokal zu Lokal und irgendwann in dieser langen, „feuchten“ Nacht erzählte mir Hans von seinem Vorhaben. Er fange nächste Woche in der Schweiz als Fernfahrer an. Tour Iran, Irak.
Wir gerieten ins Schwärmen und irgendwann in dieser Nacht sagte ich etwas zu ihm, von dem ich nicht im Traum daran dachte, das genau jenes eintreffen würde, von dem ich bis jetzt nur geträumt hatte.
Nämlich, einmal im Leben selber mit einem vierzig Tonnen schweren Sattelschlepper in den nahen Osten zu fahren. Wir saßen nicht alleine am Tisch, sondern es hatten sich noch ein paar Kumpel und Mädchen zu uns gesellt, die dieses Gespräch mit verfolgten und ich merkte, wie sie interessiert zuhörten. Hans meinte, diese Firma suche sicher noch einen Fahrer und er würde ein gutes Wort für mich einlegen. „Ohne Praxis“, forschte ich ihn an. „Meinst du wirklich, diese Firma stellt einen Fahrer der höchstens zehntausend Kilometer auf einem Kleintransporter von 7,5 Tonnen vorweisen kann und noch nie mit einem Anhängerzug geschweige denn mit einem Sattelschlepper selber gefahren ist? Du träumst. Vergiss es!“ Dann bestellte der Wahnsinnige noch eine Flasche Wodka. Langsam aber sicher war ich voll.
Wenn du fahren willst, dann sag jetzt, Ja oder Nein! „Prost Hans, klar fahre ich mit“! Ich fühlte mich gut und stark, was ich sicher dem Wodka zu verdanken hatte, und sah mich schon in fernen Ländern. Um mich herum all die bekannten Gesichter und laute Musik. Es hatte sich nicht viel verändert in den letzten zwei, drei, Monaten. Ich stellte jeden Tag mit einer vierzehnjährigen Rumpel, die sich auch noch Lkw schimpfte, für eine Vorarlberger Spedition Waren zu, verdiente nach wie vor nichts und es war alles beim Alten. Nur Hans war nicht mehr da.
Wir verstanden uns eigentlich immer gut. Er hatte einen Wagen, den ich regelmäßig im Abstand von zwei, drei Monaten wieder so reparieren musste, das er äußerst selten neue Teile brauchte. Er war einfach ein kleiner Rallyefahrer, der seinen Wagen nur nicht immer in der Hand hatte. Hans konnte sich, was sein Auto betraf, immer auf mich verlassen und ich verdiente so nebenbei auch noch etwas. Konnte ich seinen Wagen nicht mehr reparieren, kaufte er einen anderen gebrauchten Pkw. Wir sprachen auch über unsere Probleme, konnten einfach über alles reden. Und auf einmal war er weg, und ich hatte keine Ahnung, wo er sich aufhielt und wie es ihm ging.
Mittlerweile war es Anfang Oktober. Montagabend, neunzehn Uhr. Ich lag im Bett und starrte an die Decke. Ich war mit allem unzufrieden und da mich alles ankotzte, habe ich mich dazu entschlossen, eine Woche lang krank zu machen. Diesen Abend, an dem ich Hans zum letzten Mal sah, hatte ich schon lange vergessen und wenn ich ehrlich bin, nie recht daran geglaubt. Mir war einfach zum Heulen zumute.
Es war genau 19 Uhr 10, als es an meiner Zimmertüre klopfte, die Türe ruckartig geöffnet wurde und Hans in meinem Zimmer stand. „Walter, pack deine Sachen wir fahren nach Bagdad“! Kein Servus, kein Grüß dich. Nein, nur, „Walter, pack deine Sachen, wir fahren nach Bagdad“! WANN? „Jetzt sofort, komm, pack alles nötige zusammen, wir fahren gleich los“!
Ich dachte nur, du große Scheiße, wie soll ich das jetzt nur machen? He, Hans, das geht jetzt nicht, ich bin im Krankenstand und mein Vater reißt mir den Kopf ab.
„Willst du mit, oder nicht“? wurde ich gefragt. „Ich habe nicht viel Zeit, und muss heu-te Nacht noch nach Luzern, in die Firma fahren“. Verdammt! Und ich wollte mitfahren. Mein Herz klopfte, als hätte ich in meinem Bett eben eine Giftschlange gefunden. In diesen Sekunden verspürte ich Angst, Verzweiflung und den starken Drang in die Ferne zu ziehen. Ich zitterte am ganzen Körper vor Aufregung. Wie sollte ich das meinem Chef und meinen Eltern erklären. Sodass sie mich verstanden? Das Fernweh war stär-ker als alles andere, und so entschloss ich mich mitzugehen. Und nichts auf der Welt hätte mich jetzt noch zurückhalten können. Das war die Chance meines Lebens. Wäh-rend ich mich anzog, erkundigte ich mich, was ich alles einpacken sollte. Seinen Rat befolgend, verstaute ich nur zweckmäßige Sachen in meinem Koffer. Diesen ließ ich vorsichtshalber in meinem Zimmer stehen und wir gingen beide zu meinen Eltern in den unteren Stock. Innerhalb von zehn Minuten erklärte ich Vater und Mutter mein Vorhaben und war schon mit dem Auto unterwegs zu meiner Firma, um auch das noch abzuklären. Mein Chef hatte komischerweise vollstes Verständnis und meinte nur. “Du kommst gerne wieder zurück und wenn du wieder hier bist, dann meldest du Dich wieder. Denn, junge Menschen sollte man nicht daran hindern, wenn sie etwas erleben und reisen möchten“. Ich bedankte und verabschiedete mich bei meinem Boss und ging zum Auto. Wir fuhren zurück, um den Reisepass und den Koffer zu holen, Um 20 Uhr 15 waren wir schon auf der Walgauautobahn Richtung Luzern. – Meinen Eltern ließ ich keine Zeit zu reagieren.
Auf der gut zweistündigen Fahrt dorthin, gab mir mein Freund wichtige Tipps und gute Ratschläge für die Fahrt in den Orient. Denn, es könnte durchaus sein, das ich diese Tour auch alleine machen müsse. Wieder so ein Moment, wo ich trocken schlucken musste und auch insgeheim hoffte, dass dem wohl nicht so sein würde.
„Fahre niemals in der Nacht, hörst du. Nie, das ist viel zu gefährlich. Es sind unbeleuch-tete Pferdegespanne unterwegs, Schlaglöcher in der Größe einer Badewanne. Bis Is-tanbul kannst du mit deinem Laster übernachten wo immer du willst, aber fahre nicht in der Nacht. In Istanbul gibt es eine Möglichkeit zu übernachten, in einem Fernfahrercamp, man nennt es Londracamp. Da bekommst Du alles, kannst deinen Laster waschen und reparieren lassen.
Und jetzt Walter, kommt das allerwichtigste. Wenn du die Bosporusbrücke überquert hast und du in Asien bist, halte dich unbedingt daran, auch am Tag nur im Konvoi fahren, schließ dich anderen an und fahre mit ihnen zusammen. Und übernachte nur in bewachten Camps. Das kostet zwar ein wenig, aber du kannst sicher sein, das man dir nichts klaut und du am Morgen noch lebst“. Mir kam vor das mein Freund ein wenig übertrieb und trotzdem musste ich wieder trocken schlucken. „Diese Camps sind alle sechs-, bis siebenhundert Kilometer. Die musst du in einem Tag einfach schaffen, bevor es dunkel wird. Bei uns wäre das kein Problem so eine Strecke zufahren, aber in der Türkei sieht alles anders aus“. Weiter meinte Hans zu mir. „Kauf dir ein paar Pornohefte, mit denen kannst du zum Beispiel Zollbeamte oder einen Tankwart schmie-ren, wenn dieser dir kein Diesel geben will. Und kauf dir einen Wasserkanister, einen großen, und einen Gaskocher mit einigen Reservekartuschen. Lebensmittel für vier bis sechs Wochen. denn in dieser Region, in die du fahren musst, wird es nicht mehr viel zu essen geben was dir schmecken wird“.
Während der Fahrt von Bludenz nach Luzern, gab mir Hans Tipps und Erklärungen, von den Zollangelegenheiten angefangen, bis hin zur Rückkehr in die Schweiz. Mir brummte der Kopf, soviel sollte ich befolgen und mir merken. Es war Montagabend dreiundzwanzig Uhr. Hans zeigte mir noch die Firma und die Lastwagen die in Reih und Glied auf dem Parkplatz standen. Anschließend gingen wir zum nahe gelegenen Gasthaus, bestellten uns jeder ein Bier und etwas zu Essen. Gleich nach dem Essen bezogen wir unser Quartier. Obwohl ich zuhause den ganzen Tag im Bett lag, war ich jetzt auf ein-mal todmüde. Dann legte ich mich in mein Bett und schlief auch sofort ein.
Irgendwann in der Nacht wachte ich total nervös auf. Wieder kamen mir alle möglichen und unmöglichen Gedanken in den Sinn. Was doch alles auf dieser Reise passieren könnte. Und dann fiel mir etwas ein, das mich nicht mehr einschlafen ließ.
Der Irak befand sich mit dem Iran im KRIEG!!!
Mann! Auf was hatte ich Idiot mich hier nur eingelassen? Warum war mir das nicht früher eingefallen? In Gedanken sah ich mich verwundet neben meinem ausgebrannten Lkw im Straßengraben liegen, oder als Gefangener in einer stinkenden Zelle dahin vegetieren.
Was wäre wenn die Iranischen Luftstreitkräfte unseren Konvoi bombardierten? Sie würden doch etwa nicht die Straßen vermint haben? Schweißgebadet wälzte ich mich im Bett hin und her.
Die neue Firma
„Walter, aufstehen, es ist sieben Uhr“. Wie gerne wäre ich noch liegen geblieben, aber ich stand auf, wusch mich an dem kleinen Brunnen im Zimmer, zog mich an und ging nach unten in die Gaststube, in der Hans auf mich wartete und für uns beide das Frühstück schon bestellt hatte. Während ich den letzten Rest meines Cafe Crem hinunter schlürfte, sagte Hans ganz trocken. „Wenn dich Emil, dein neuer Chef fragt, ob du schon einmal mit einem Sattelschlepper gefahren bist, dann sagst du“, „ Selbstverständlich, reichen zwei Jahre Praxis?“
„Dann ist alles in Ordnung“. Es war noch nicht mal acht Uhr morgens und ich musste schon wieder trocken schlucken, denn ich hatte bis jetzt noch nicht die Gelegenheit das Lenkrad oder den Ganghebel mit sechzehn Gängen zu streicheln, geschweige denn zu bedienen. Von den sechzehn Metern die hinten dranhängen gar nicht zu reden.
Anschließend begaben wir uns in das Büro meiner zukünftigen Firma, in dem keine Menschenseele zu sehen war. Gut eine halbe Stunde später quälte sich schlaftrunken ein Mann ins Büro und meinte nur, „Grüezi“, und setzte sich auf seinen Stuhl. „So Hansi, bisch au schon munter, hä?“ „Ich hab’s nicht so schön wie du, das ich so viel Geld habe und am Morgen liegen bleiben kann”, erwiderte Hans. „Ha, Ha, Ha”. Hans stellte mich Emil, meinem neuen Chef vor. Der fragte mich, ob ich auch schon gefahren bin? Ich bejahte. Emil erklärte mir, wohin seine Lkw überall fahren. Portugal, Spanien, Benelux, Marokko, Iran, Irak und Saudi Arabien. Das waren alles Länder, die ich nur von der Landkarte in der Schule kannte. Emil meinte: „ Bis dein neuer Lastwagen ankommt, kann es schon Donnerstag werden. Hab ein bisschen Geduld. „Ich zahle Dir viertausend Franken“, und dann fragte er mich, ob ich einverstanden wäre? Und wie ich einverstanden war! Mit zwanzig Jahren bekam ich einen neuen Lkw, viertausend Franken und reiste in ferne Länder. Da fragte mich der im Ernst, ob mir alles passt. Wow! Ich hätte aufspringen, und Emil, meinen neuen Chef umarmen können.
Die einzige Arbeit in diesen drei Tagen bestand darin, mit Hans ins Tessin zu fahren, um einen leeren Auflieger zu holen. In diesen drei Tagen wechselte meine Stimmung wie das Wetter im April. Hatte ich mich auch richtig entschieden, oder sollte ich besser wieder nach Hause? Aber wenn ich nach Hause gegangen wäre, was dann, hatte ich doch jedem gesagt, dass ich nach Bagdad fahre. Wie wäre ich dann vor meinen Bekannten dagestanden? Es war zum Verzweifeln. Ich beschloss, alles auf mich zukommen zu lassen und wartete ab. Die übrige Zeit verbrachten wir entweder im Büro oder in der Gaststätte die keine hundert Meter von der Firma entfernt war. Mir war fad und langweilig. Mich überkamen immer wieder Zweifel, was wohl richtig gewesen wäre und was nicht. Aber Hans baute mich immer wieder auf, sodass ich doch blieb.
In der Zwischenzeit lernte ich Nick kennen. Er stammte aus Bern und arbeitete seit zwei Jahren in dieser Firma. Auf die von mir gestellte Frage, von wo er gerade komme, antwortete er mir: „Seit gestern bin ich aus Saudi Arabien zurück“. Er erzählte uns ein paar Erlebnisse von seiner Tour und ich ertappte mich, wie ich mit offenem Mund gespannt zuhörte. Immer wieder dachte ich, so wild, so gefährlich wird es schon nicht werden. Er wird, wie Hans ein bisschen übertreiben um das ganze interessanter zu ma-chen. Aber es war äußerst spannend ihm zuzuhören. Nick war nicht groß, ein lustiger sympathischer Kerl und hatte schulterlange Haare. Vier Jahre war er älter als ich und hatte von der Welt sicher schon viel gesehen. Unter anderem erfuhr ich auch noch, dass Helmut - er stammte ebenfalls aus Bludenz und ich kannte ihn, auch als Fahrer bei dieser Firma angestellt sei und sich momentan in Portugal aufhielt. Es freute mich und gab mir ein Gefühl der Sicherheit, das einige Personen aus meinem Bekanntenkreis irgendwie doch in der Nähe waren. So meinte ich, dass doch alles Hand und Fuß haben musste. Denn sie waren alle älter als ich, und wenn diese Firma nichts taugte, hätten sie die Stelle sicher schon gewechselt.
Donnerstag zehn Uhr dreißig, und wir sitzen in der „Beitz“ bei einem Cafe, als Emil zur Tür hereinkam, sich einen Cafe Crem bestellte und meinte: „Die Lastwagen sind ange-kommen”. Wir tranken aus, bezahlten und begaben uns auf den Weg zu dem Parkplatz, auf dem die neuen Zugmaschinen standen. Sie waren beide weiß, glänzten in der Sonne und ich konnte es kaum erwarten, einmal damit zu fahren.
Zwei nagelneue Magirus Iveco 320 M 19. Zehnzylinder, luftgekühlt, dreihundertzwanzig PS, und einer davon sollte für mich sein. Ich konnte es nicht glauben, und wagte auch nicht danach zu fragen. Den Rest des Tages verbrachten wir damit, Werkzeuge für unterwegs zu verstauen, das Autoradio einzubauen und die mitgebrachten Sachen für unterwegs in der Fahrerkabine zu versorgen. Am Freitagmorgen fuhren wir mit beiden Zugmaschinen in die nahe gelegene Iveco Werkstatt, um die Standheizungen einbauen zu lassen. Da diese Arbeit fast den ganzen Tag in Anspruch nahm, bummel-ten Hans und ich durch das nahegelegene Städtchen und ließen es uns gut gehen. Da die Sonne schien, war es an diesem Tag noch sehr warm und wir schlenderten zum Geuensee. Anschließend spazierten wir zu einem Restaurant und nahmen genüßlich unser Mittagessen zu uns. Während wir speisten, erzählte mir Hans wieder ein paar seiner Erlebnisse und gab mir dazwischen immer wieder Tips für unterwegs.
Ich merkte, wie ich innerlich immer unruhiger wurde. Meine Gedanken spielten verrückt und auf einmal machte ich mir Sorgen und hoffte, nicht alleine in den Orient fahren zu müssen. Und wenn doch, würde ich den Weg finden, wie erledigte ich als unerfahrener Neuling die Zollangelegenheiten, denn ich konnte doch kein Rumänisch, Türkisch, oder gar Arabisch. Mann, auf was hatte ich mich da jetzt nur eingelassen. Heimlich überlegte ich mir, ob es für mich nicht besser gewesen wäre, nach Hause zu fahren. Mir kam in den Sinn, dass im Orient doch alles auf Arabisch angeschrieben sein musste. Wie las ich z. B. die Straßenschilder? Wonach konnte ich mich orientieren? Fragen nützte doch nichts, wenn man die Sprache nicht verstand. Ich wurde immer nervöser und unsicherer. Ich sah mich in Gedanken schon zweitausend Kilometer von Zuhause entfernt, alleine irgendwo in der Pampa, hilflos, nichts verstehend und die Zeit würde mir davon rennen. Was wäre, wenn ich mich verfahren würde, schaffte ich dann vor der Dunkelheit das nächste Camp noch? Was passierte, wenn nicht? War der Feind etwa schon im Irak? Meine Unsicherheit steigerte sich ins unermessliche. Weit entfernt hörte ich Hans reden und bekam nicht mehr mit, was er gesagt hatte.
Scheiße. Ich wollte nach Hause. Und Zuhause? Was sollte ich meinem Chef, meinen Eltern, meinen Bekannten und Freunden sagen? Es war zum Verzweifeln, was sollte ich nur machen? „Was ist los mit dir Walter“? Mit diesem Satz holte mich Hans geistig wieder ins Restaurant zurück. Er fragte mich, wo ich mich jetzt in Gedanken aufgehalten hatte, und ich erklärte ihm meine Bedenken. Nun lachte mich der Schuft auch noch aus. Das hatte ich gerade noch gebraucht, zu meiner Unsicherheit. Aber er klärte mich auf und redete mir gut zu. Es seien immer andere Fernfahrer unterwegs denen ich mich sowieso anschließen müsse und die ich doch alles fragen könne.
„Immer im Konvoy fahren. Dann kann dir nichts passieren“. Wir tranken aus, bezahlten und gingen zurück in die Werkstatt zu unsern Lkw. Die Standheizungen waren bereits fertigmontiert und wir fuhren zurück in die Firma. Das Wochenende verbrachten wir noch einmal zuhause in Bludenz. Bis Sonntagabend hatten wir Zeit, dann mussten wir wieder in der Firma sein. Samstagabend gingen wir zusammen aus und feierten bis in die frühen Morgenstunden.
Meine erste Fahrt
Sonntagabend. Mir war immer noch schlecht, vom zulange feiern und wir befanden uns auf der Fahrt zu unserer Firma. Auch Hans machte einen mitgenommenen Eindruck, daher verlief die Fahrt, ohne viel zu reden. In Geuensee angekommen, nahmen wir uns ein Zimmer in dem Gasthaus neben der Firma, tranken noch zwei, drei kleine Bier und aßen eine Kleinigkeit. Wir begaben uns in unser Zimmer, und gingen schlafen.
Dem Geräusch nach, schlief Hans schon. Ich hingegen konnte nicht einschlafen, so sehr ich mich auch bemühte ruhig zu sein und keine blöden Gedanken aufkommen zu lassen, es gelang mir einfach nicht.
Zu viele Szenarien spielten sich wieder in meinem Kopf ab. Alle möglichen und unmög-lichen Bilder tauchten auf und verschwanden wieder. Als mich Hans um sechs Uhr dreißig weckte, hatte ich das Gefühl, gerade mal eine Stunde geschlafen zu haben. Total gerädert und mit dem Gefühl von einem Schnellzug überfahren worden zu sein, stand ich auf. Auf allen Vieren schleppte ich mich zu dem kleinen Brunnen im Zimmer, um mir meinen Schädel unters Wasser zu halten. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich in meinem Kopf wieder alles geordnet hatte. Dann zog ich mich an und ging mit unsicheren Schritten in die Gaststube. Als ich eintrat, lachte Hans lauthals und meinte nur „ Was ist denn mit dir heute Nacht passiert?“
“Lass mich in Ruhe, ich will nach Hause.“ „Jetzt iss erst mal was, dann geht’s dir wieder besser und anschließend gehen wir in das Büro, um die Papiere für deine erste Fahrt zu holen“, sagte dieser. „Wohin geht es denn?” fragte ich Hans. Er sagte: „ Was mir bekannt ist, nach Spanien”. “Aus mir platzt
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Walter.W. Battisti
Bildmaterialien: Walter W. Battisti
Tag der Veröffentlichung: 30.12.2012
ISBN: 978-3-7309-0518-0
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