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Vorwort: Woher kommen immer diese Ideen?

Wie kommen Autor:innen eigentlich zu einer Idee für ihre Geschichte? Das ist sicher eine der meistgestellten Fragen bei Lesungen.

Die Antwort ist so vielfältig wie das Leben. Einige Autoren behaupten sogar, alles könne eine Geschichte auslösen, ihr Kristallisationskeim sein. Ein Bild, ein Film, eine Überschrift, eine Begegnung im Alltag, etwas Gelesenes, ein Lied …

Bei jenen in »Nackt im wilden Wald« ist die Antwort ganz einfach. Den Auslöser der vier Geschichten bildete ein Artikel in der Printausgabe der Neuen Osnabrück Zeitung vom 25.06.2016 mit der Überschrift »Nacktwanderer im Freden.«

Beim »Freeden« handelt es sich um einen dicht bewaldeten Berg bei Bad Iburg sowie um ein gleichnamiges Naturschutzgebiet, das weite Teile des Berges umfasst. Dort tummelten sich jene Exoten der Wandererzunft, die schnell alle Blicke auf sich ziehen. Provokation ist in der Regel nicht das Ziel der Nacktwanderer, vielmehr suchen sie das scheinbar unverfälschte Naturerlebnis. Da sich Wandern im Allgemeinen aber großer Beliebtheit erfreut und die Wälder zudem auch von Freizeitsportlern und Spaziergängern bevölkert sind, kann ein ungeplantes Zusammentreffen von Nackten und Bekleideten zuweilen kaum vermieden werden.

Dieses Spannungsfeld erscheint geradezu prädestiniert dafür, es in Form kurzweiliger Erzählungen zu verarbeiten. Dort, wo Natur und Kultur aufeinandertreffen, wo Harmonieideale mit der Realität kollidieren, liegt ein sprudelnder Quell für gute Ideen.

Die Geschichte hinter dem Artikel ist schon skurril genug und manchmal ist die Wirklichkeit tatsächlich fantastischer als das Leben in einem Roman.

Und trotzdem lässt sich das Geschehen des »real life« noch toppen oder, wie hier als Inspirationsquelle, für weitere Geschichten nutzen.

Genau das haben Martin Barkawitz, Christoph Beyer, Melanie Jungk und Stefan Wellmann getan. Sie haben sich von dem Zeitungsartikel jeweils zu einer kleinen Geschichte inspirieren lassen. Jede davon ein Unikat, jede etwas anders: ein eigener kleiner Mikrokosmos. Mal wurde der Zeitungsartikel nur als Ausgangspunkt für eine ganz andere »Story« herangezogen, mal spielt die Szenerie tatsächlich in einem Setting, das dem des Artikels stark ähnelt.

Skurrile Ideen und überraschende Wendungen gehören in jedem Fall mit zu den Zutaten der hier versammelten Kurzgeschichten. Auf den Spuren der Nacktwanderer trägt sich, wie Sie selbst lesen werden, so manche Unglaublichkeit zu.

Gemeinsam haben die Geschichten eines: Die Lust am Schreiben und Fabulieren. Wir hoffen, dass Sie dies den Geschichten anmerken und so daran denken, welch ungeahnte Wirkung ein Zeitungsartikel doch entfalten kann.

Wir wünschen gute Unterhaltung!

 

Martin Barkawitz

Christoph Beyer

Melanie Jungk

Stefan Wellmann

Der Artikel: Nacktwanderer im Freeden

Am 24.06.2016 erschien auf der Onlineseite der Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) ein Beitrag mit der Headline »Überraschende Begegnung: Nacktwanderer im Freden«. Dabei: Ein Foto, das zwei fröhliche Wandersleute im Wald zeigt, beide splitternackt.

Der Artikel klärt uns auf und berichtet von »gut gelaunten Nacktwanderern, die ihre neuntägigen Westfälischen Naturistentage auf Niedersachsen ausgedehnt hatten«. Mic und Rolf, zwei der nudistischen Wanderer, hatten im Kollektiv von 10 bis 20 Gleichgesinnten vier Tage lang das Waldgebiet zwischen Mittellandkanal und Teutoburger Wald im Adamskostüm durchstreift.

Der Zeitungsartikel, der es auch in die Printversion am nächsten Tag schaffte, berichtete zudem von zwei Freundinnen, die während ihres wöchentlichen Spazierganges unverhofft auf die Nacktwanderer trafen und darauf ebenso verwundert wie irritiert reagierten.

Eine sehr klare Auffassung dazu hatte der Ordnungsamtsleiter Bad Iburgs. Er sprach, angesichts der unangemeldeten Nacktwanderer, von einer Störung der öffentlichen Ordnung und riet zur Wahl der 110.

Das wiederum sahen die Wanderfreunde ganz anders. Einer von ihnen, ein promovierter Mathematiker, fand das Nacktwandern ganz normal und berichtete von einem urtümlichen Gefühl, ganz ohne Ballast am Körper, Sonne, Wind und Regen auf der Haut spüren zu können.

Das von den Nudisten propagierte »Menschenrecht auf Nacktwandern« wird von Gerichten allerdings nicht anerkannt. Und so schließt der Artikel über »Nacktwandern im Freeden« mit einer kleinen Rechtsprechungsübersicht.

Und hier der multimediale Autor:innenservice: Der Link zum Artikel

https://www.noz.de/lokales/bad-iburg/artikel/733824/uberraschende-begegnung-nacktwandererim-freden

Christoph Beyer: Ein Unglück kommt selten allein

Der schmale Pfad verlor sich im Laub. Keuchend stemmte Klaus Kaiser die Hände in die Hüften und blickte in eine unübersichtliche Mulde inmitten des Naturschutzgebiets Freeden bei Bad Iburg. Das Areal mit seinen alten Baumbeständen, dem markanten Höhenrelief und zahlreichen steilen Hängen bildete ein beliebtes Ziel für Wanderer und Naturliebhaber.

Der Abhang, vor dem Kaiser nun stand, verlief zwar nicht besonders steil, reichte aber so tief, dass er den Grund nur schemenhaft erspähen konnte.

»So ein Mist, hier geht`s nicht weiter,« rief er entnervt. Schweiß ran ihm von der Stirn, auf der sich zugleich die Falten wölbten. Es war die nackte Wut, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. Was hatte Arno vor zehn Minuten noch stolz verkündet? Dieser Waldpfad wäre die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Das Copyright für die Texte liegt bei den jeweiligen Autor:innen.
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2020
ISBN: 978-3-7487-6565-3

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