Kapitel 1 - Jake
Kapitel 2 - Jake
Kapitel 3 - Lexi
Kapitel 4 - Jake
Kapitel 5 - Lexi
Kapitel 6 - Lexi
Kapitel 7 - Jake
Kapitel 8 - Jake
Kapitel 9 - Lexi
Kapitel 10 - Jake
Kapitel 11 - Lexi
Kapitel 12 - Jake
Kapitel 13 - Lexi
Kapitel 14 - Jake
Kapitel 15 - Lexi
Kapitel 16 - Jake
Kapitel 17 - Lexi
Kapitel 18 - Lexi
Kapitel 19 - Jake
Kapitel 20 - Lexi
Kapitel 21 - Jake
Kapitel 22 - Lexi
Kapitel 23 - Jake
Kapitel 24 - Jake
Kapitel 25 - Lexi
Kapitel 26 - Lexi
Kapitel 27 - Jake
Kapitel 28 - Lexi
Kapitel 29 - Jake
Kapitel 30 - Lexi
Kapitel 31 - Jake
Kapitel 32 - Jake
Kapitel 33 - Lexi
Ich würde durchdrehen. Ja, eindeutig. Es würde nicht mehr lange dauern und ich würde ganz einfach Amok laufen. Ich würde eine Linienmaschine entführen und den Piloten dazu zwingen, mich nach Italien zu fliegen und dann würde ich jeden einzelnen Vampir auseinander nehmen, der mir über den Weg lief und dann...
„Jake. Bitte, könntest du aufhören, hier rum zur rennen wie ein aufgescheuchtes Huhn?“
Ich wandte den Blick zu der kleinen Cullen mit den hellseherischen Fähigkeiten und seufzte.
„Sorry, Missy. Aber ich werde wahnsinnig, wenn ich nur hier rumsitze.“
Dennoch setzte ich mich auf einen der Stühle und rieb meine Schulter.
Obwohl sie bereits verheilte, schmerzte sie immer noch leicht.
Carlisle war nun bereits seit zwei Tagen in diesem kleinen italienischen Kaff und bisher hatten wir noch nichts von ihm gehört. Der einzige Grund, warum ich ihm noch nicht gefolgt war, war der Umstand dass die kleine Cullen mir versichert hatte, Lexi würde leben und meine Anwesenheit in Italien sei für niemanden eine Hilfe.
Ich hatte mich mit Händen und Füssen dagegen gewehrt hier zu bleiben, wo ich gezwungen war, die Hände in den Schoß zu legen, während mein Mädchen auf der anderen Seite der Welt, mit dem Tod bedroht wurde. Ich bereute, dass ich mich schlussendlich gefügt hatte, nachdem Carlisle mir versichert hatte, dass das Auftreten eines Gestaltwandlers nur zu unangenehmen Fragen führen würde.
Ich hätte mit ihm gehen sollen. Hier zu sitzen und nichts zu tun, war eine Tortur sondergleichen.
Wieder stand ich auf, tigerte in die Küche, öffnete den Kühlschrank und nahm mir eine Cola heraus. Esme war so fürsorglich gewesen und hatte Getränke, sowie Essen für mich besorgt, denn ich weigerte mich strikt, das Haus der Vampire zu verlassen. Meine einzige Verbindung zu Lexi bestand in der kleinen Cullen und solange ich Lexi nicht wieder in den Armen hielt, würde ich einen Teufel tun, hier weg zu gehen.
„Du solltest eine Weile schlafen, Jacob.“ sagte Esme mütterlich, als ich zurück ins Wohnzimmer schlurfte und mit einem Blick scheuchte sie diesen großen, bärigen Typen vom Sofa.
Ich würde mir die Namen der einzelnen nie merken können.
„Bleib sitzen, ich will nicht schlafen.“ sagte ich ruhig und fläzte mich wieder auf einen der Stühle.
Es herrschte Stille im ganzen Haus. Es gab nicht viel, dass ich mit den anderen hätte besprechen können. Wir waren einander nicht grün und wenn es nicht um Lexi gegangen wäre, dann hätte mich nichts in dieser stinkenden Hütte halten können. Außer Bella vielleicht, aber wir hatten einstimmig beschlossen, weder ihr noch Edward, etwas von den Geschehnissen hier zu berichten.
Wir wollten ihnen ihre Flitterwochen nicht ruinieren und ohnehin...was hätten sie schon tun können?
Bei jedem Geräusch außerhalb des Hauses, durchzuckte es mich und ich stand am Fenster, hoffend Carlisle würde zurück kommen und er wäre nicht allein.
Ich wusste, dass ich nicht erwünscht war. Blondie ließ keine Gelegenheit aus, mich mit ihrem gehässigen Mundwerk zu beleidigen, denn in ihren Augen war ich der Grund, warum sie Lexi geschnappt hatten. Das schlimmste an der Sache war, dass ich ihr in diesem Punkt nicht einmal widersprechen konnte.
Ich hatte Lexi dazu gebracht sich mir zu zeigen, sich zu offenbaren und ich war derjenige gewesen, der sich wie ein unerfahrener Welpe hatte überrumpeln lassen.
Aber gegen diese Kindfrau der Volturi hatte ich mich nicht wehren können. Ein Blick von ihr und ich hatte mich gefühlt, als würde ich geradewegs von hundert Speerspitzen durchbohrt.
Es war die Hölle gewesen und ich durfte nicht daran denken, dass sich Lexi im Moment vielleicht mit denselben Schmerzen plagen musste.
Meine Finger begannen auf der Tischplatte zu trommeln.
Ich wusste, dass Alice etwas gesehen hatte, dass sie uns nicht verriet.
Als sie gestern eine ihrer Visionen gehabt hatte, hatte ihr Gesicht nicht wirklich glücklich ausgesehen. Doch sie hatte sich geweigert uns zu sagen, was sie gesehen hatte.
Ich hatte gefleht, gebettelt und gedroht, doch es war nicht einfach die Kleine einzuschüchtern. Zumal ich sofort von den anderen daran gehindert wurde, ihr zu nahe zu kommen.
Ich hätte ihr nicht wirklich etwas getan. Schließlich brauchte ich sie noch und konnte mir denken, dass es Lexi keinesfalls gefallen würde, wenn ich Hand an einen ihrer geliebten Vampire legte.
Ich hatte mich jedoch erst vollständig beruhigt, als sie mir sagte, dass Lexi noch am Leben war und sie nicht davon ausging, dass sich dieser Umstand so schnell änderte.
Es kostete mich den Verstand nicht bei ihr zu sein, nicht zu wissen wie es ihr ging und es gleichzeitig doch zu spüren. Und es waren keine angenehmen Gedanken.
Nie hatte ich damit gerechnet, wie intensiv das Gefühl einer Prägung war. Aber als Lexi sich mir gezeigt hatte und mich küsste, da war es, als ob sich alles um mich herum in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Und ich war nicht darauf vorbereitet gewesen. Ich hatte immer gedacht, dass ich durch Sam und Paul bestens Bescheid wusste, was passieren würde und mit welcher Intensität, der Himmel über mir eine neue Farbe erhalten würde.
Doch niemand könnte verstehen, wie es war, wenn es ihm nicht selbst geschah.
Ich wollte dämlich grinsen müssen, weil es sie in meinem Leben gab. Ich wollte wissen, was sie zum Weinen brachte, damit ich niemals der Grund für ihre Tränen sein musste.
Ich wollte wissen, was sie liebte, um all das und mehr für sie sein zu können.
Mein Glück war nun untrennbar mit ihrem verbunden und es bereitete mir körperliche Schmerzen, sie unglücklich zu sehen. Ich brauchte die Welt nicht, wenn ich sie hatte.
Wieder erhob ich mich seufzend und begann von neuem auf und ab zu wandern, als Alice sich plötzlich verkrampfte und ihr Blick glasig wurde. Mit einem Mal waren wir alle auf den Beinen und blickten angestrengt zu ihr, während sich ihre goldenen Augen langsam wieder klärten.
„Er hat es geschafft.“ sagte sie fassungslos und ich starrte sie unwissend an.
„Was? Wer hat was geschafft?“ fragte ich drängend, während Hoffnung in mir aufkeimte.
„Carlisle“ flüsterte sie, als könne sie selbst nicht glauben, was sie soeben gesehen hatte.
„Er bringt sie nach Hause.“ Langsam formte sich ein Lächeln auf ihren Zügen.
„Er bringt sie nach Hause.“ wiederholte sie, dieses Mal mit unverhohlener Freude in der Stimme.
Mein Herzschlag setzte aus und ich taumelte rückwärts zu meinem Stuhl.
Sie lebte, sie kam zurück. Alles würde wieder gut werden.
Die anderen lagen sich lachend in den Armen, während Esmes Telefon zu klingeln begann und sie mit vor Freude gebrochener Stimme antwortete.
„Ja? Carlisle. Oh mein Gott, Alice hat es uns gerade verraten. Wir sind so dankbar.“ sprach sie in den Hörer und ich wusste, dass sie geweint hätte, wenn es ihr möglich gewesen wäre.
Dann lauschte sie stumm für einen Moment und ich war augenblicklich wieder neben ihr.
„Ich will mit ihr sprechen.“ forderte ich und streckte meine Hand nach dem Apparat aus.
Esme blickte mich für einen Moment traurig an und ich spürte sofort, dass etwas nicht stimmte.
„Carlisle? Jake möchte mit dir sprechen.“ sagte sie in den Hörer und reichte ihn mir dann herüber.
„Doc? Wie geht es ihr? Ist alles in Ordnung? Wann werdet ihr zurück sein? Kann ich mit ihr reden?“ stürmte ich los, als sich all meine Anspannung verflüchtigte und ich dennoch nicht wirklich wusste, was los war.
„Ganz ruhig, Jacob.“ sagte der Doc und ich hielt die Unwissenheit kaum noch aus.
„Lexi geht es den Umständen entsprechend gut, aber wir haben Zeit darüber zu reden, wenn wir wieder in Forks sind. Ich werde die nächste Maschine nehmen und ich denke, gegen Morgen werden wir wieder bei Euch sein. Macht euch bitte bis dahin keine Sorgen. Ich kümmere mich gut um sie. Du solltest jetzt nach Hause gehen und eine Weile schlafen. Ich kann mir denken, was du die letzten Tage gemacht hast. Ich bin mir sicher, dass Lexi dich brauchen wird und du solltest fit dafür sein.“ antwortete er ruhig und ich konnte mir nicht helfen, aber etwas in seiner Stimme klang besorgt.
Ich nickte.
„Ist okay. Aber ich will hier sein, wenn ihr ankommt. Davon wird mich niemand abhalten.“
„Ich bitte dich sogar darum, dort zu sein. Wir haben viel zu besprechen.“
Ich gab das Handy zurück an Esme und fuhr mir über die müden Augen. Ich wusste, dass ich auch heute Nacht keinen Schlaf finden würde, doch ich würde mich daran halten, das Haus für heute zu verlassen.
Ich winkte in die Runde und trat hinaus in die frische Luft des frühen Abends. Erst jetzt wurde mir wieder bewusst, wie penetrant der Geruch im Inneren gewesen war. Aber ich wusste auch, dass ich mich daran würde gewöhnen müssen, wenn Lexi wieder zurück war. Ich war mir sicher, dass jetzt da sie nicht mehr fortzulaufen brauchte, dies ihr neues Zuhause werden würde. Und wo sie war, da würde auch ich sein.
Ich lief bis zum Waldrand, streifte mir die Kleidung vom Körper und band sie als kleines Päckchen an meinen Fuß, bevor ich mich verwandelte und in den Wald hinaus lief.
Ich fühlte mich erleichtert und es war echt ein geiles Gefühl.
Meine Pfoten wirbelten Blätter und Erde auf, bei jedem Schritt, den ich rannte und unwillkürlich führte mich mein Weg zurück nach La Push.
Doch anstatt nach Hause zu laufen, zog es mich zum Strand. Ein kalter Wind kräuselte die Meeresoberfläche und ich verwandelte mich wieder, bevor ich aus dem Wald heraustrat und mit nackten Füssen über den Sand lief. Ich würde vielleicht keinen Schlaf finden, doch es gab andere Möglichkeiten sich zu erfrischen und so lief ich einfach in die kalten Fluten hinein, bis die Wellen über meinem Kopf zusammenschlugen.
Ich fror nicht, aber dennoch schaffte es die Kälte des Wassers all meine Sinne zu wecken und als ich einfach hinaus schwamm, fühlte ich mich wacher denn je.
Die Zeit jedoch konnte mir nicht schnell genug vergehen.
Ich war zu den Cullens zurück gekehrt, bevor die Sonne überhaupt wieder am Firmament erschienen war und der neblige Dunst noch über den Wiesen waberte.
Ich hatte weder die Lust noch die Nerven gehabt, zum Rudel zu gehen und mich den Fragen zu stellen, die mich unwillkürlich erwartet hätten. Sie würde noch einige Zeit auf mich verzichten können. Zurzeit gab es keine akute Gefahr und es tat Seth mal ganz gut, wenn ihm Sam erlaubte, meine Schichten zu übernehmen.
Also saß ich nun wieder inmitten von Vampiren in einem für mich steril anmutenden Wohnzimmer, während Esme mir ein Omelette machte und ich einen Kaffee in mich reinschüttete, obwohl ich eigentlich gar keinen Kaffee trank.
Das Warten begann uns alle zu zermürben. Carlisles Flug war gegen sieben Uhr abends in Italien gestartet und wir rechneten mit einer Flugzeit von ungefähr zwölf Stunden, was bedeuten würde, dass er in den frühen Morgenstunden hier eintreffen musste.
Doch es wurde sieben ohne dass wir auch nur den leisesten Hauch von ihm verspürten.
Gegen halb acht war ich so nervös, dass ich fast jeden Fingernagel abgekaut hatte.
Immer wieder trat ich ans Fenster, ging nach draußen in die Auffahrt, oder lief sogar den gesamten Waldweg bis zur Straße hinunter, nur um von dort in die Ferne zu starren und zu sehen, ob Carlisles Wagen sich näherte.
Erst um kurz vor 9 erlöste mich endlich das Geräusch eines Motors, dass sich dem Haus näherte und ich war ebenso wie die anderen augenblicklich draußen, während Carlisles Mercedes in die Auffahrt fuhr.
Ich fühlte mich wie ein Zombie, der langsam wieder ins Leben zurückkehrte, als ich den süßen Duft Lexis in der Luft bemerkte.
Ich wartete mit angehaltenem Atem darauf, dass sie ausstieg, doch als der Doc ausstieg, war er der einzige. Er schenkte uns ein zurückhaltendes Lächeln, bevor er sich den Zeigefinger an die Lippen legte und die Beifahrertüre öffnete, deren Scheibe ebenso wie die anderen des Wagens, verdunkelt waren.
Mit Vorsicht hob er einen leblosen Körper vom Sitz und mir zog es dir Brust zusammen, als ich sie sah. Meine Lexi. Sofort war ich an Carlisles Seite und nahm ihm mein Mädchen ab. Sie war so leicht, dass ich mich fragte, ob er sie wirklich schon losgelassen hatte und ihre Haut, ohnehin hell und blass, war kreidebleich, während an ihrer Schläfe ein dunkelvioletter Fleck prangte, der mir Übelkeit verursachte.
Ihre Augen waren geschlossen und ohne jede Regung lag sie in meinem Armen.
„Was...?“ fragte ich und blickte den Doc schockiert an, bevor ich mit den Fingerspitzen über Lexis Gesicht fuhr.
„Drinnen, Jacob.“ antwortete er mir knapp und ich nickte. Mit sanften Schritten brachte ich sie hinein ins Warme, während die anderen mir folgten, und behutsam nahm ich die Treppen hinauf in ihr Zimmer, wo ich Lexi sanft auf ihr Bett legte.
Ich hatte nicht erwartet, sie in einem solchen Zustand wieder zu bekommen. Ihre Lippe war aufgeplatzt und obwohl ich sehen konnte, dass der Doc sich um ihre Blessuren gekümmert zu haben schien, waren die Spuren ihrer Torturen mehr als sichtbar.
Zorn wallte in mir auf und ich biss die Zähne zusammen, damit ich mich unter Beherrschung halten konnte.
Esme und der Doc waren mir nach oben gefolgt und Esme begann nun mit geschickten Fingern, Lexis Kleidung zu lösen, was für mich das Zeichen war, mich wieder zurückzuziehen. Ich blieb neben Carlisle im Türrahmen stehen und blickte ein letztes Mal zum Bett zurück.
„Schläft sie, oder was ist los?“ fragte ich flüsternd und der Doc wandte sich seufzend ab.
„Lass uns runtergehen und ich erzähle euch allen, was geschehen ist.“ sagte er knapp und ich folgte ihm wieder nach unten, wo die anderen Blutsauger wie auf heißen Kohlen am unteren Treppenabsatz standen.
„Wie geht’s ihr, Carlisle? Sie sieht nicht gut aus.“ sagte die kleine Hellseherin sofort.
„Lasst uns in Wohnzimmer gehen und auf Esme warten. Ich möchte es mit euch allen besprechen.“
Ich stöhnte genervt auf. Ich wollte endlich wissen, was geschehen war.
Warum die Frau, die vor ein paar Tagen noch voller Leben gewesen war, wie eine Leiche dort oben lag. Nur mit Widerwillen war ich hier unten, obwohl alles in mir danach schrie, bei Lexi zu sein und sicher zu gehen, dass ihr nichts mehr passierte, nachdem ich beim letzten Mal so schändlich versagt hatte. Doch ich musste wissen, was der Doc zu sagen hatte, sonst würde ich vollkommen den Verstand verlieren.
Eine schier endlose Zeit später, kam Esme wieder nach unten und wir versammelten uns am Esstisch. Der Doc setzte sich ans Kopfende und wir alle blickten voller Erwartung seiner Erzählung entgegen.
„Was genau ist geschehen?“ fragte der bärige Typ und ich beschloss, in den nächsten Tagen endlich damit anzufangen, ihre Namen zu lernen.
„Viel kann ich euch nicht berichten.“ begann der Doc und wir alle warteten nur darauf, dass er fortfuhr. „Als ich in Volterra ankam, empfing mich Aro wie immer sehr freundlich, doch schien er keine Ahnung zu haben, dass Lexi überhaupt dort war. Er erinnerte sich noch vage an sie und verstand nicht ganz, warum ich gekommen war. Ich erklärte ihm, soviel ich wusste und so wenig, wie ich musste. Schließlich willigte er ein, sich der Sache anzunehmen, obwohl er es zunächst abgelehnt hatte sich in Caius Angelegenheiten zu mischen. Ich weiß nicht, was mit Lexi geschehen ist, solange sie bei Caius war. Das erste Mal, dass ich sie sah, brachte sie ein mir unbekannter Vampir in die große Halle. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits so leblos, wie sie es jetzt ist.“
„Wann war das?“ fragte ich ihn besorgt, als ich mir vorstellte, dass dies ein bereits länger anhaltender Zustand war.
„Gestern. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was geschehen ist, dass diese Bewusstlosigkeit so lange anhält. Ihre Vitalfunktionen sind in Ordnung und ich habe keine Verletzung gefunden, die erklären würde, warum sie nicht aufwacht.“ sagte der Doc ahnungslos und Blondie beugte sich leicht über den Tisch.
„Wie hast du es geschafft, dass Aro sie gehen lässt? Hat Caius das so einfach zugelassen?“
„Oh nein. Das nun wirklich nicht.“ Der Doc lehnte sich in seinem Stuhl seufzend zurück. „Aro hat Lexis Hand genommen, um in ihren Kopf zu sehen. Dazu musste sie nicht zwingend bei Bewusstsein sein. Ich weiß nicht, was er gesehen, was sie ihm verraten hat, aber er stutzte nur kurz und sah scheltend zu Caius hinüber, bevor er mir die Verantwortung für sie übertragen hat. Caius wollte aufbegehren, doch Aro verwies ihn in seine Schranken und ich wurde dazu angehalten, für ihre Unversehrtheit zu sorgen. Aro kündigte an, dass sie irgendwann noch einmal zu seiner Verfügung stehen soll. Bevor ich die Gelegenheit dazu erhielt, nachzufragen und dieser Entscheidung auf den Grund zu gehen, wurde ich höflich aufgefordert mich um ihr Wohl zu kümmern und ich bekam die Erlaubnis Italien wieder zu verlassen. Ich hielt es für die klügste Entscheidung, mich daran zu halten und ohne Umschweife wieder herzukommen.“ schloss er und ich verstand nicht wirklich, was seine Erzählung zu bedeuten hatte.
„Sie durfte einfach so gehen?“ fragte ich daher skeptisch und Carlisle nickte.
„Ja. Ich hoffe Alexis wird Licht in diese Entscheidung Aros bringen können, sobald sie wach ist. Bis dahin sollten wir dankbar sein, dass sie so glimpflich davon gekommen ist.“
Ich schnaubte laut.
Glimpflich war eine Übertreibung. Hatte er nicht gesehen, wie übel sie zugerichtet war?
„Ich weiß, Jacob.“ sagte er nun sanft zu mir. „Aber in Anbetracht dessen, was ihr hätte geschehen können, sollten wir froh sein, dass sie noch lebt. Alles Weitere wird sich finden. Für den Moment ist sie in Sicherheit und das ist alles was zählt.“
„Gut.“ nickte ich und erhob mich. „Dann werdet ihr sicherlich verstehen, dass ich jetzt nur noch zu ihr will.“
„Nur zu, Jacob. Ich werde gleich nachkommen und noch einige Untersuchen vornehmen. In Italien waren meine Möglichkeiten etwas begrenzt.“ sagte der Doc und ich wandte mich ab, um mit schnellen Schritten zurück in das Gästezimmer der Cullens zu kommen.
Ich bewegte mich so leise, wie ich konnte. Vielleicht war Lexis Körper einfach nur so geschwächt, dass sie den Schlaf nun brauchte und ich wollte sie nicht wecken.
Ich zog die Vorhänge vor das Fenster und stellte den kleinen Sessel so nah ans Bett, wie ich konnte.
Esme hatte Lexi ein Nachthemd angezogen und sie sorgsam zugedeckt. Ihre weiße Haut verschwand fast in der hellen Bettwäsche und der dunkle Fleck an ihrer Schläfe schien nicht mehr verschwinden zu wollen.
Ich faltete meine Hände und lehnte meine Stirn dagegen, bevor ich die Augen schloss.
So schön die Gewissheit war, dass sie wieder hier bei mir war, sie atmete und ich ihren süßen Duft ein weiteres Mal in mir aufnehmen durfte, so sehr grämte mich der Umstand, dass ich daran schuld war, dass es überhaupt so weit gekommen war.
Vorsichtig legte ich meine Hand um die ihre und erschrak, wie kalt sie sich anfühlte.
Ihre Haut hatte sich für mich ebenso warm angefühlt, wie meine eigene und dass sie nun so kühl war, bereitete mir Sorgen. Ich betrachtete ihr Gesicht und musste unwillkürlich seufzen.
„Es tut mir leid.“ flüsterte ich leise und es war mir egal, ob die feinen Ohren der anderen, mich würden hören können. „Es tut mir so leid.“ wiederholte ich erneut und hob ihre Hand an meine Wange, um sie zu wärmen. „Ich hätte dich nicht darum bitten sollen, dich mir zu zeigen. Ich hätte deine Gründe respektieren sollen. Ich war ein Idiot...so ein Idiot.“
Ich küsste ihren Handrücken und streichelte mit dem Daumen über ihre kalkweiße Haut.
„Ich liebe dich.“ Der Klang meiner Stimme war heiser und ich räusperte mich leise.
Plötzlich spürte ich einen leichten Druck ihrer Finger und sofort flog mein Blick zu ihren Augen. Aber ich konnte keine Anzeichen entdecken, dass sie kurz davor war aufzuwachen.
Vielleicht konnte sie mich hören und vielleicht war das ihre einzige Möglichkeit gewesen, mir zu zeigen, dass sie es tat.
Behutsam legte ich ihre Hand zurück auf die Bettdecke und stand leise auf, um mich leicht über sie zu beugen. Sie sah aus wie eine schlafende Prinzessin. Das Gesicht entspannt und trotz der Blessuren, die sie zeichneten, war sie wunderschön.
Ihr Haar lag wie ein dunkler Ring aus Feuer um ihr Gesicht und ließ es noch blasser, aber nicht minder schön wirken.
Mir kam eine Idee. Wenn sie spürte, wie ich ihre Hand hielt und mich hören konnte, vielleicht würde ihr ein Kuss genug Sicherheit geben aufzuwachen.
Vielleicht würde sie spüren, dass ihr nun keine Gefahr mehr drohte und dass sie sich in Sicherheit befand. Doch ich zögerte. Es war kitschig. Der Prinz, der sein Dornröschen wach küsste?
Irgendwie passte das nicht zu uns und dennoch ließ mich dieser Gedanke nicht mehr los.
Ich beugte mich ein wenig näher zu ihr, betrachtete ihre weichen Züge und als ihr süßer Atem meine Haut streifte, war mir egal, ob es eine kitschige Wunschvorstellung von mir war, dass ein Kuss sie wieder ins Leben zurückholen konnte.
Ich atmete tief durch und näherte mich ihren Lippen, den Blick fest auf ihre Augen gerichtet, in der Hoffnung sehen zu können, ob ihre Lider flattern würden, wenn ich ihre Lippen berührte.
Vorsichtig senkte ich meinen Mund auf den ihren und hielt den Atem an. Ich war behutsam, ich wollte ihr keine Schmerzen zufügen, indem ich zu viel Druck auf ihre aufgesprungene Lippe ausübte.
Ich schloss die Augen und gab mich dem Moment hin. Es war als würde ich endlich wieder Leben in meinen Adern spüren. Vorsichtig zog ich mich zurück und streichelte weich über ihre kalte Wange. Meine Augen suchten die ihren und ich erstarrte, als ich sah, dass ihre Lider wirklich begannen zu flattern. Sofort war ich ihr ganz nah und legte meine Hände um ihr Gesicht.
„Lexi? Kannst du mich hören?“
Sie schlug die Augen auf und endlich sah ich wieder in das so lange vermisste Grün.
Sie sah mich teilnahmslos an, bevor sich ihre Pupillen erschrocken weiteten und sie mich von sich stieß.
Ein lauter, angsterfüllter Schrei entrang sich ihrer Kehle und ich zog mich augenblicklich von ihr zurück. Innerhalb von Sekunden war sie aus dem Bett geflohen und hatte hinter dem Schreibtisch Deckung gesucht.
Ihr Blick lag verängstigt auf mir und ihre Hände suchten panisch auf dem Tisch etwas, womit sie sich scheinbar verteidigen wollte.
Ich ging auf sie zu, die Arme leicht erhoben um ihr zu zeigen, dass ich ihr nichts tun würde, während ich immer noch vollkommen überrumpelt von ihrer Reaktion war.
„Lexi. Ich bin´s. Jake. Du bist in Sicherheit. Du bist zu Hause. Dir wird nichts passieren.“
Ich musste mich ducken, als sie mit einem riesigen Atlas nach mir warf.
„Bitte, Lexi. Beruhige dich.“ sprach ich sanft auf sie ein, doch hatte keines meiner Worte auch nur den geringsten Effekt auf sie.
Ihre Augen waren weit aufgerissen und erneut schmiss sie ein Buch in meine Richtung, dem ich nur in letzter Sekunde noch ausweichen konnte. Sie zielte trotz ihrer Panik unwahrscheinlich gut.
„Komm mir nicht zu nahe.“ schrie sie mir entgegen und ihre Hände fanden einen Brieföffner, den sie nun ungeniert in meine Richtung streckte und ich blieb augenblicklich wie festgenagelt stehen.
„Was ist los? Erkennst du mich denn nicht?“ Ich schob ihre Reaktion auf einen üblen Traum, auf die Angst, die sie erlitten haben musste, als sie in Italien gewesen war, doch so langsam machte es auch mir Angst.
Laut begann sie nach Hilfe zu rufen und alarmiert durch den Tumult, den sie hier oben veranstaltete, kam Carlisle ins Zimmer gerannt. Doch anstatt sich durch sein Auftauchen zu beruhigen, schien Lexi nur noch verunsicherter zu sein. Unschlüssig wer von uns beiden nun die größere Gefahr war, richtete sie den Brieföffner abwechselnd auf den Doc und mich.
Verständnislos blickte er zu mir und ich konnte nichts anderes tun, als ratlos mit den Schultern zu zucken.
„Was ist passiert, Jacob?“ fragte er mich streng und ich schüttelte den Kopf.
„Ich habe keine Ahnung. Sie ist wach geworden und ist sofort durchgedreht.“
Nun versuchte auch Carlisle sich ihr zu nähern und bekam zum Dank einen Tacker entgegen geschleudert.
„Lexi?“ fragte er behutsam und ihr Gesicht war ein einziges Bild der Verwirrung.
„Wo bin ich?“ fragte sie atemlos und Carlisle seufzte.
„Du bist zu Hause. In Sicherheit.“ Er hob ebenso wie ich die Hände, als Geste der Beschwichtigung.
„Zu Hause?“ fragte sie unsicher und ließ den Öffner sinken, nur um ihn sofort wieder angriffslustig zu heben, als Carlisle einen weiteren Schritt auf sie zu machte.
Ich wurde unruhig, verstand nicht, was in ihr vorging und wollte sie am liebsten einfach nur in den Arm nehmen, wenn sie mich doch nur ließe.
„Weißt du, wer ich bin?“ fragte der Doc sanft und Lexi schüttelte panisch den Kopf. Es schien, als habe er mit dieser Antwort beinahe schon gerechnet.
„Weißt du, wer er ist?“ Er deutete auf mich und wieder schüttelte sie heftig mit dem Kopf.
Mein Herz zog sich zusammen und ich konnte nicht glauben, was ich mit ansehen musste.
„Weißt du, wer du bist?“ fragte er weiter und ich hielt erneut den Atem an, obwohl ich wusste, wie ihre Antwort ausfallen würde.
Sie stutzte einen Moment, bevor sie die Augen schloss und nachzudenken schien.
„Lexi?“ schluchzte sie schließlich fragend und Carlisle lächelte sie warm an.
„Glaubst du es oder weißt du es?“
„Ich weiß nicht?“ fragte sie irritiert und erlaubte ihm nun sich ein klein wenig zu nähern.
„Woran kannst du dich noch erinnern?“
„Ich weiß nicht...“ wiederholte sie, bevor sie den Brieföffner wieder auf mich richtete.
„Ich bin aufgewacht und hab ihn gesehen. Ich glaube, er hat mich geküsst.“ Der angewiderte Ausdruck in ihren Augen, verursachte mir körperliche Schmerzen.
„Oh.“ War alles was Carlisle erwiderte.
Esme betrat den Raum und an ihrem Blick konnte ich erkennen, dass ihr die vorangegangene Unterhaltung nicht verborgen geblieben war.
Lexi war von diesem weiteren, ihr scheinbar unbekannten Gesicht nun vollkommen überfordert und immer weiter wich sie in die hintere Ecke des Raumes zurück.
Esme warf sowohl mir, als auch Carlisle einen scheltenden Blick zu, bevor sie auf Lexi zuging.
„Liebes...“ sagte sie warm. „Du brauchst keine Angst zu haben. Gib mir den Brieföffner...du wirst ihn nicht brauchen.“ Ihre mütterliche Fürsorge war es schließlich, die Lexi zum Einlenken bewegte.
Mit zittrigen Fingern reichte sie ihre Waffe an Esme, die diese sofort außerhalb von Lexis Reichweite ablegte, bevor sie ihre Arme um sie legte.
„Alles wird gut.“ flüsterte sie, während meine kleine Hexe sich an sie klammerte und herzzerreißend zu weinen begann.
Esme scheuchte uns mit einer Handbewegung aus dem Raum, aber erst als Carlisle meine Schulter berührte, folgte ich ihm.
„Was ist da eben passiert, Doc?“ fragte ich immer noch völlig aus der Fasson, während ich neben ihm die Treppe hinunter ging.
„Ich kann es nur vermuten, Jacob. Ich befürchte, dass Lexi ihr Gedächtnis verloren hat. Das würde zumindest erklären, warum Aro sie nach so kurzer Zeit wieder hat gehen lassen. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass wir das Caius zu verdanken haben.“ Er seufzte schwer und als wir ins Wohnzimmer kamen, erwartete uns der Rest des Blutsauger-Clans mit fragenden Blicken.
„Ist das wahr? Sie hat ihr Gedächtnis verloren?“ fragte der Typ, der zu Alice gehörte.
Der Doc nickte und ließ sich auf seinen Platz am Tisch fallen.
Wieder scharten wir uns um ihn, in der Hoffnung seine Worte würden Licht in das Dunkle bringen.
„Ich befürchte es, Jasper. Sie erinnert sich nicht an Jake, nicht an mich und anscheinend auch an nichts, was vor ihrem Erwachen geschehen ist. Es sind alles nur Thesen, aber ich muss davon ausgehen, dass Lexi etwas wusste, von dem Caius nicht wollte, dass Aro es erfährt. Untereinander respektieren die Volturi ihre Privatsphäre. Aro würde also niemals Marcus oder Caius berühren, um ihre Gedanken zu lesen und so sind die Geheimnisse der Einzelnen gewahrt. Doch bei Lexi sah das anders aus. Caius muss sich gezwungen gesehen haben, zu verhindern, dass Aro Dinge erfährt, die nicht für ihn bestimmt waren. Seine einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, war wohl Lexi ihre Erinnerungen zu nehmen.“
„Okay, jetzt reicht´s“ sagte ich und stand auf.
„Was hast du vor, Jake?“ fragte Alice.
„Ich geh jetzt dahin und töte dieses Arschloch.“ sagte ich ernst und die Vampirpärchen fingen an zu lachen, obwohl ich es todernst gemeint hatte.
„Setz dich wieder, Jacob.“ wies mich der Doc an und grummelnd gehorchte ich.
„Du kannst nicht einfach nach Italien „gehen“ und Caius umbringen. Du würdest zerfetzt werden, bevor du überhaupt wissen würdest, wo du ihn findest.“ sagte Blondie und ich schnitt ihr eine Grimasse.
„Rosalie hat Recht.“ sagte der Doc. „Und ich glaube deine Anwesenheit ist hier im Moment von viel größerem Belang.“
„Wie lange wird dieser Zustand anhalten, Doc?“ fragte ich weiter, mich wieder auf das Wesentliche konzentrierend.
„Ich kann es dir nicht sagen, Jacob. Dazu müsste ich Lexi genauer untersuchen und selbst dann wird es schwierig, eine richtige Diagnose anzustellen. Ich habe keine Vergleichsmöglichkeiten. Am besten wird es sein, wenn ich sie mit ins Krankenhaus nehme. Dort kann ich eine Kernspintomografie machen und vielleicht lässt sich dadurch klären, wie intensiv die Schädigung ist. Für den Moment, so leid es mir tut, sollten wir davon ausgehen, dass es sich nicht um eine temporäre Störung handelt.“ führte der Doc aus und ich musste schlucken.
„Das heißt, sie wird sich nie wieder an alles erinnern können?“ fragte ich geschockt und der Doc seufzte.
„Wir müssen davon ausgehen. Ich kenne die Kräfte des Vampirs nicht, der ihr das angetan hat. Ich weiß nicht, was genau das überhaupt für Kräfte sind. Wichtig ist, dass wir uns jetzt um sie kümmern und ihr die Angst nehmen. Und behutsam sind, mit dem was wir ihr erzählen...“ Der Doc stockte, als Esme ins Zimmer trat, gefolgt von einer absolut eingeschüchtert wirkende Lexi.
Sie trug immer noch das weiße Nachthemd, das sie fast verschwinden ließ, doch hatte sie sich eine Decke um die Schultern gelegt. Esme hielt ihre Hand und führte sie behutsam die wenigen Stufen in den Raum hinein.
„Hab keine Angst.“ flüsterte sie ihr behutsam zu und ich ertrug es kaum, sie so zu sehen.
Nur widerwillig nahm sie die letzten Stufen bis ins Wohnzimmer und die vielen fremden Gesichter, machten sie zusätzlich nervös.
Esme blieb die ganze Zeit in ihrer Nähe und ich sah, wie Lexis Hand sich an Esmes klammerte. Sie schien die Einzige zu sein, der sie zumindest ein wenig vertraute.
„Komm, ich stell dir alle vor. Sie werden dir nichts tun.“ sagte Esme und Lexi folgte ihr schüchtern zum Tisch.
„Das ist Alice.“ sagte sie, während sie auf die kleine Hellseherin deutete. Alice lächelte betreten zu Lexi und ich wünschte mir, sie hätte weniger Bedauern in den Augen. Es würde Lexi Angst machen, so angesehen zu werden. „Das neben ihr ist Jasper.“ fuhr Esme fort und ich merkte mir diesen Namen gleich mit. Lexi schien ruhiger zu werden, ihre Hand krampfte sich nicht mehr so um Esmes Hand und ich meinte mich daran erinnern zu können, dass es Jaspers Stärke war, Gefühle zu kontrollieren. „Rosalie und Emmett“ stellte sie Blondie und den Bären vor und ich beschloss weiterhin zumindest bei Blondie, bei ihrem Spitznamen zu bleiben.
„Carlisle und Jacob hast du ja bereits oben kennengelernt.“
Lexi nickte und sah sich unsicher im Raum um. Nichts schien ihr bekannt vorzukommen und ich stand auf, um ihr einen Stuhl zurecht zu rücken.
„Wenn du dich vielleicht zu uns setzten magst?“ fragte ich so freundlich und ehrlich, wie ich nur konnte, um sie nicht weiter einzuschüchtern.
Ihr Blick ging sofort wieder zu Esme, die ihr aufmunternd zunickte.
Aber erst als Esme sich neben sie setzte, schien sie beruhigt zu sein, das Richtige getan zu haben.
Lexi zog die Decke um ihre Schultern enger um sich, als wolle sie sich dahinter verstecken.
Wir schwiegen.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte und den anderen ging es ebenso. Die Situation war seltsam und sie zerrte an meinem Herz, als wolle sie es in Stücke reißen.
„Könnte ich vielleicht...“wagte sich Lexi schließlich zögernd hervor. „Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser bekommen? Ich habe so einen Durst.“
Augenblick erklang das Rutschen vieler Stühle auf dem Boden, als wir alle uns angesprochen fühlten, ihr zu bringen, worum sie gebeten hatte. Doch ich war schneller, als die anderen und hechtete in die Küche, füllte ein Glas mit einfachem Leitungswasser und brachte es so schnell ich konnte wieder zurück zu ihr.
„Hier bitte.“ sagte ich und hielt Lexi das Glas hin, welches sie mir schließlich abnahm.
„Danke.“ murmelte sie und nahm einen Schluck. Es schien ihr gut zu tun und ein wenig erleichtert setzte ich mich wieder.
„Wie geht es dir, Lexi?“ fragte der Doc sie sanft und beugte sich leicht in ihre Richtung.
„Ich weiß nicht? Wie sollte ich mich denn fühlen?“ fragte sie unsicher und ich hätte am liebsten einen Arm um sie gelegt. Aber ich wusste, dass sie das nicht beruhigen sondern eher verunsichern würde.
„Hast du Schmerzen? Oder ist dir übel?“ fragte der Doc weiter, doch Lexi schüttelte den Kopf.
„Nein, eigentlich nicht. Ich bin ein bisschen müde und mein Hals brennt.“ Sie nahm noch einen Schluck Wasser. „Hatte ich einen Unfall?“ fragte sie plötzlich.
„Ja, so etwas in der Art. Kannst du dich an irgendetwas erinnern?“ antwortete der Doc und mein Blick war gefangen von ihrer Erscheinung.
„Nein. Habe ich einen Schlag auf den Kopf bekommen?“ fragte sie weiter und ich sah die Blicke der einzelnen hin und herfliegen, als wollten sie sich stumm darüber absprechen, was ihr erzählt werden sollte.
„Wir wissen es nicht, Liebes.“ sagte Esme und nahm uns damit die Entscheidung ab.
„Dann haben wir ja etwas gemeinsam.“ sagte Lexi matt und dass sie trotz der Umstände ihren Sinn für Humor nicht verloren hatte, beeindruckte mich.
„Ich habe also mein Gedächtnis verloren.“ stellte sie so lapidar fest, als würde sie darüber reden einen offenen Schnürsenkel zu bemerken.
„Es sieht ganz so aus.“ entgegnete der Doc und versuchte dann ein beruhigendes Lächeln. „Aber keine Angst, Lexi, das bekommen wir wieder hin.“ versicherte er ihr und ich wünschte, ich hätte die gleiche Sicherheit verspürt wie er.
„Ist Lexi eine Abkürzung für irgendetwas?“ wehte ihre Stimme durch den Raum und Alice nickte.
„Ja, eigentlich heißt du Alexis, aber wir nennen dich alle Lexi.“ erklärte sie.
„Alexis...“ wiederholte Lexi ihren Namen, als habe sie ihn noch nie zuvor ausgesprochen.
„Und wie weiter? Ich meine, wie ist mein Nachname?“
Blondie holte Luft, doch ich fuhr ihr über den Mund, bevor sie etwas sagen konnte.
„Cullen.“ sagte ich schnell. „Dein Name ist Alexis Cullen.“
Blondie sah mich giftig an, doch ich ignorierte es gekonnt.
„Alexis Cullen also. Das ist ein schöner Name.“ sagte Lexi und nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Wasserglas. „Und wir stehen in welchem Verhältnis zu einander? Ihr seid Freunde oder Familie?“
Wieder beeilte ich mich der Erste zu sein, der ihre Frage beantwortete.
„Alice und Blondie sind deine Schwestern und Jasper und Emmett sind deine Brüder.“ Ich freute mich kurz darüber, dass ich mir die Namen gemerkt hatte, bevor ich weitersprach. „Carlisle ist dein Vater und Esme deine Mutter.“
„Oh. Ja das hab ich mir schon irgendwie gedacht.“ Sie drückte Esmes Hand, die sie die ganze Zeit über nicht losgelassen hatte. „Und du bist?“ fragte sie nun an mich gewandt und diesmal war Blondie schneller als ich.
„Jake ist dein Schoßhündchen.“ sagte sie belustigt und ich knurrte.
„Mein Schoßhündchen?“ fragte Lexi irritiert und es war Esme die Blondie einen scheltenden Blick zuwarf.
„Jacob ist dein fester Freund, Liebes.“ stellte sie die Sache richtig, auch wenn ich es komisch fand, mich als Lexis fester Freund darzustellen. Ich war so viel mehr als das.
„Mein Freund?“ Ihre Augen weiteten sich in Unglauben und es schmerzte mich diesen Unwillen zu sehen. „Wie alt bin ich denn, dass ich einen festen Freund habe?“ fragte sie und wieder konnte ich den anderen das Wort abschneiden.
„17. Genau so alt, wie ich.“ antwortete ich und Lexi nickte.
„Okay, ähm, dann...puh.“ Ihr Blick suchte den Esmes.
„Ich bin müde, dürfte ich vielleicht wieder ins Bett?“ bat sie mit einem flehenden Blick und Esme stand auf.
„Ich bring dich hin.“
„Gute Nacht“ sprach Lexi in die Runde und ein Chor aus unseren Stimmen erwiderte ihren Wunsch.
„Gute Nacht“ sagten wir zusammen und kaum, dass sie den Raum verlassen hatte, schlug Blondie mir mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf.
„Du Idiot.“ machte sie mich an. „Warum lügst du sie an? Du weißt genau, dass das nicht die Wahrheit war.“
Ich rieb mir die Stelle, die sie getroffen hatte und blickte sie angriffslustig an.
„Sie hat ihr Gedächtnis verloren, du Intelligenzbestie. Denkst du da wäre es besser gewesen zu sagen: „Dein Name ist Alexis Mer-Chateufort, du bist 200 Jahre alt und befindest dich hier inmitten von Vampiren. Aber das ist eigentlich gar nicht so schlimm, weil du selbst ein Halbvampir bist. Ach und der Umstand, warum du dein Gedächtnis verloren hast, liegt daran, dass einer der höchsten Vampire der Welt seit Jahrzehnten versucht, dich umzubringen. Aber sei froh, er hat es ja nicht geschafft. Und das Brennen in deinem Hals rührt daher, dass du Blut brauchst. Warum gehst du nicht einfach raus und fängst dir ein Reh? Achja, dein Freund geht gerne mit, er ist nämlich ein Gestaltwandler und verwandelt sich in einen Wolf.“ Ja das wäre sicherlich die bessere Alternative gewesen.“ sagte ich gehässig und Blondie verstummte.
„Je weniger sie jetzt weiß, umso besser. Wenn sie sich damit abgefunden hat, sich an nichts mehr erinnern zu können, können wir immer noch behutsam daran gehen, ihr die Einzelheiten schonend beizubringen.“ sschloss ich und der Doc schien mit mir einer Meinung zu sein.
„Jacob hat Recht, Rosalie. Ich belüge Alexis nicht gerne, aber die Wahrheit würde sie im Moment wahrscheinlich überfordern. Und so gesehen, wir sind ihre Familie, jetzt mehr denn je. Alles andere wird sich zur rechten Zeit finden.“
Blondie schnaubte und ich grinste selbstherrlich in ihre Richtung, da ich Rückendeckung erhalten hatte.
„Ich werde nach oben gehen und vor Lexis Tür Wache halten.“ sagte ich und Blondie verzog das Gesicht.
„Na wunderbar, noch eine Nacht mit der stinkenden Pestilenz im Haus.“
Ich grinste breit und verließ das Wohnzimmer.
Am nächsten Morgen erwachte ich vom Zwitschern der Vögel vor meinem Fenster und grummelnd drehte ich mich noch einmal in meinem Bett um. Ich war immer noch so müde und ich wollte nicht aufwachen. Doch als sich die Erinnerung in mein Bewusstsein schlich, öffnete ich schlagartig meine Augen.
Obwohl das Zimmer abgedunkelt war, reichte der schummrige Lichtschein der Sonne, der sich durch einen schmalen Spalt zwischen den Vorhängen ins Zimmer geschlichen hatte, aus, dass ich meine Umgebung erkennen konnte. Ich setzte mich auf und fuhr mir über die Augen.
Mein Hals brannte unglaublich und ich griff nach dem Wasserglas auf meinem Nachttisch. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass ich allein in dem Zimmer war, dass scheinbar mein eigenes war. Ich blickte mich um, doch ich konnte nichts erkennen, das mir bekannt vorkam.
Sorgsam begann ich noch einmal zu rekapitulieren, was ich wusste.
Mein Name war Alexis Cullen, dies hier war mein zu Hause. Ich hatte zwei Schwestern, Rosalie und Alice, und zwei Brüder, Emmett und Jason...nein das war nicht richtig. Ich versuchte mich an den richtigen Namen zu erinnern. Jonathan? Jeremy? Jasper? Ja, das war es. Also Jasper. Meine Mutter hieß Esme und mein Vater Carlisle. Und ich hatte einen Freund...
Ich ließ mich zurück in die Kissen fallen und schloss die Augen. Einen Freund.
Das fühlte sich irgendwie seltsam an. Ich konnte mich an sein Gesicht erinnern, seine weiche Stimme, aber wie zuvor bei Jasper, wollte mir sein Name einfach nicht einfallen. Es war irgendwas Biblisches gewesen, aber ich kam nicht mehr darauf.
Ich fuhr mir über die müden Augen, schlug die Decke beiseite und schwang meine Beine über den Bettrand. Die Luft im Zimmer roch angenehm und der Teppich war so weich, dass meine Füße darin versanken, als ich aufstand. Ich ging zum Fenster hinüber und zog die Vorhänge zurück, um einen Blick nach draußen werfen zu können. Anscheinend wohnte meine Familie recht abgelegen. Alles, was ich sehen konnte, war Wald.
Ich wandte mich ab und streckte mich vorsichtig, denn ich wusste nicht, ob ich mir bei meinem Unfall vielleicht noch weitere Verletzungen zugezogen hatte, merkte jedoch nichts davon. Mein Blick schwirrte durch den Raum, in der Hoffnung ich würde irgendetwas wieder erkennen, doch nichts, das meinen Blick kreuzte, weckte auch nur die kleinste Erinnerung in mir. Auf dem Schreibtisch lagen eine Menge Karten und der große Atlas, den ich gestern in Panik gegen meinen Freund geschleudert hatte. Es sah ganz so aus, als würde ich gerne reisen. Ich besah mir die Karten näher und fand Markierungen an den Seiten, die Mikronesien zeigten und zog die Augenbrauen in die Höhe. Ich öffnete die kleine Schublade unterhalb des Tisches und stellte zu meinem Bedauern fest, dass sie leer war.
Auf dem Regal an der Wand standen eine Menge Bücher und ich überflog die Titel, die von Shakespeare über Tolstoi hin zu Frost führten. Scheinbar mochte ich schwere Lyrik.
Mein Bett war aus Mahagoni, soweit ich das beurteilen konnte, und die Leinenwäsche darauf, zeugte von exquisiter Qualität. Wie eigentlich alles in diesem Zimmer, schien sie teuer gewesen zu sein.
Meine Familie war also nicht wirklich arm.
Ich öffnete den riesigen Kleiderschrank und erschrak über die Fülle an Kleidern, die mir entgegen blickten. Alles sah so ungetragen und modisch aus. Also war ich wohl ein typisches Mädchen, dass das Geld ihrer Eltern in teuren Markenboutiquen der Welt vershoppte.
Irgendwie war es keine angenehme Vorstellung, festzustellen, dass ich ein verzogenes, reiches Gör zu sein schien.
Seufzend studierte ich die wenigen Bilder an den Wänden. Es waren keine Fotos, wie ich gehofft hatte, sondern Bleistiftzeichnungen, die das kostbare Ambiente des Raumes wiederspiegelten.
Alles in allem war mein Zimmer sehr schön, sauber und aufgeräumt, aber ich vermisste eine persönliche Note. Warum gab es keine Fotos? Keine Stofftiere oder Andenken? Nichts verriet mir, dass in diesem Raum ein 17-jähriger Teenager lebte. Ich sah keine Schulbücher, keine Pflanzen, nicht einmal CDs oder eine Stereoanlage, geschweige denn ein Fernseher. Was bitte machte ich den ganzen Tag hier, wenn es nichts gab, mit dem ich mich beschäftigen konnte?
Ich beschloss meine Eltern danach zu fragen, sobald ich sie sah. Doch vorher würde ich mich ein wenig zurecht machen. Wenn ich so sehr darauf bedacht war, teure Kleidung zu tragen, war ich sicherlich auch stets bemüht, das angemessene Bild dazu abzuliefern.
Also ging ich ins Bad hinüber und wieder einmal brauchte ich einen Moment, um mich darin zurecht zu finden. Der Waschtisch war voller kleiner Kosmetiktuben und Töpfchen und ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ich alles damit anstellen sollte.
Ich beschloss mich später mit den Geheimnissen des Make-Ups zu beschäftigen und erst einmal duschen zu gehen. Immerhin wusste ich dabei noch, wie es ging.
Ich streifte mir das Nachthemd über den Kopf und unwillkürlich fiel mein Blick auf mein Bild im großen Wandspiegel. Fremd. Das war alles, was ich denken konnte, als ich mir die Frau genauer ansah, die mir entgegen blickte.
Feuerrote Haare, helle Alabasterhaut und tiefgrüne Augen. Makellos, schoss es mir durch den Kopf und ich drehte selbigen leicht hin und her, bevor ich mir auch den Rest meines Körpers besah. Das einzige, das meine Erscheinung trübte, war ein blassgelber Fleck an meiner Schläfe.
Sah nach einem ziemlich heftigen Schlag aus, den ich kassiert haben musste. Wieder bemerkte ich das Brennen meiner Kehle und ohne große Umschweife, hielt ich meine Lippen direkt an den Wasserhahn um zu trinken.
Vielleicht hatte man mich nach meinem Unfall intubieren müssen, da konnten Halsschmerzen schon einmal vorkommen. Ich stutzte und umfasste das Waschbecken. Wie konnte es sein, dass ich mich daran erinnern konnte, dass eine Intubation Halsschmerzen verursachte, scheiterte aber bei dem Versuch, mich an den Namen meines Freundes zu erinnern?
Was war bloß mit mir los, dass ich mich an die einfachsten Dinge meines Lebens nicht erinnern konnte. War ein Schlag auf den Kopf wirklich ausreichend, um solche Lücken zu reißen?
Und warum, waren sie so selektiv?
Ich schüttelte den Kopf, denn von der vielen Grübelei begann er unangenehm zu pochen und so drehte ich das Wasser in der Dusche auf und verschwand darin.
Ich schoss die Augen, während das Wasser angenehm warm über meine Haut rannte und versuchte noch einmal im Stillen, einen Ort in meinem Kopf zu finden, der mehr als den gestrigen Abend beinhaltete, doch alle Bemühungen schlugen fehl.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Fragen fand ich anstatt der Antworten, die ich suchte.
Warum war ich nicht im Krankenhaus? Und wenn ich dort gewesen war, warum erinnerte ich mich auch daran nicht? Und was war eigentlich genau geschehen? Hatte ich eine Kollision mit einem Auto gehabt? Oder war ich Opfer einer Gewalttat geworden?
Meine Gedanken schwirrten unaufhaltsam und ziellos durch den Raum und das einzige Fazit, dass ich ziehen konnte, war, dass ich würde Geduld haben müssen.
Und ich versuchte mir zu sagen, dass es auch deutlich schlimmer für mich aussehen könnte. Ich hatte anscheinend eine liebevolle Familie und einen, wie ich zugeben musste, ziemlich attraktiven Freund und irgendetwas davon musste doch ein Anzeichen dafür sein, dass ich kein allzu schlechter Mensch war, oder?
Ich zog die Dusche unnötig in die Länge, doch irgendwann fühlte ich mich vollkommen aufgeweicht und wäre nicht überrascht gewesen, Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen zu finden. Ich wickelte mich in das große, weiche Handtuch und rubbelte meine Haare trocken. Erleichtert stellte ich fest, dass sich wenigstens diese Handbewegungen vertraut anfühlten und ging dann zurück in mein Zimmer, nahm wahllos Unterwäsche und BH heraus, schlüpfte hinein und stöberte dann unentschlossen durch die Massen an Kleidungsstücken, die der Kleiderschrank noch für mich bereithielt.
Nicht wirklich viel davon sah aus, als sei es bequem und ich fragte mich, ob dies wirklich mein eigener Stil sein sollte. Seufzend griff ich schließlich nach einer modisch zerrissenen Jeans und einem schwarzen, engen Shirt mit V-Ausschnitt, von dem ich überzeugt war, dass es zwar edel aussah, aber auch die Mindestanforderungen in Sachen Bequemlichkeit erfüllte.
Wieder zurück im Bad, föhnte ich meine Haare trocken, die sich augenblicklich lockten und begann dann den Kampf mit dem Make-Up.
Doch kaum sah ich mein Bild erneut im Spiegel, entschied ich mich dafür, dass ich gut und gerne noch eine Weile damit warten konnte, meine alten Gewohnheiten wieder zu entdecken.
Also wusch ich mir mein Gesicht noch einmal, bis alle Spuren beseitigt waren und beschränkte mich beim zweiten Versuch auf ein wenig hellen Lipgloss und Mascara.
Gerade als ich fertig wurde, hörte ich ein Klopfen an der Tür und ich nuschelte ein knappes Herein, während ich mir noch einmal die Lippen anpinselte.
Als ich das Geräusch der Tür vernahm, warf ich einen letzten Blick in den Spiegel und trat wieder in mein Zimmer.
Keinen Meter von der offenen Tür entfernt, stand mein fester Freund, dessen Namen immer noch nicht den Weg zurück in meinen Kopf gefunden hatte.
„Guten Morgen.“ sagte er freundlich und ich nickte in seine Richtung.
„Morgen.“ antwortete ich knapp und fühlte mich in seiner Gegenwart irgendwie verkrampft. Mir war es mehr als unangenehm, wie ich ihn gestern behandelt hatte. Aber schließlich hatte ich nicht gewusst, wer er war und dass es wahrscheinlich auch vollkommen in Ordnung war, wenn er mich küsste. Obwohl ich in diesem Punkt schon kritisch feststellen musste, dass es seltsam war, seine bewusstlose Freundin zu küssen.
„Ich dachte, du hast vielleicht Hunger und deswegen habe ich Frühstück gemacht. Also, wenn du magst?“ bot er mir an und ich nickte.
„Danke, das ist lieb von dir. Ich bin in der Tat ziemlich hungrig.“ antwortete ich und wusste nicht so recht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Wie ging man mit einem Menschen um, mit dem man eine Liebesbeziehung führte, von der man allerdings nichts mehr wusste?
Ich folgte ihm hinunter ins Esszimmer und war froh, dass er dabei die Führung übernommen hatte, denn ich wäre nicht in der Lage gewesen, den richtigen Weg zu finden.
Der Geruch von verbranntem Toast hing in der Luft und vermischte sich mit dem Duft von frisch gepresstem Orangensaft und ich war erstaunt, als er mir den Stuhl zurecht rückte und mir augenblicklich einen dampfenden Kaffee einschenkte.
Mein Vater saß im angrenzenden Wohnzimmer und studierte einen unglaublich dicken Wälzer.
Als er mich sah, blickte er auf und schenkte mir ein freundliches Lächeln.
„Guten Morgen Lexi. Hast du gut geschlafen?“ fragte er mich interessiert und ich nickte.
„Ja, war ganz okay, nehm ich an...“ zuckte ich mit den Schultern. „...Dad.“
Dieses Wort fühlte sich auf meiner Zunge nicht richtig an und als er breit grinste, bekam ich das Gefühl, damit Recht zu behalten.
„Carlisle reicht vollkommen.“ sagte er und grinste nur noch breiter.
„Der Doc ist nicht dein richtiger Vater.“ sagte mein Freund und setzte sich neben mich, nachdem er mir einen etwas schwarzen Toast auf den Teller gelegt hatte.
„Dann bist du mein Stiefvater?“ fragte ich weiter und fand es unheimlich interessant, mehr Informationen über mich herauszufinden.
„Adoptivvater.“ antwortete Carlisle und ich verstand.
„Oh.“ entfuhr es mir, aber wirklich schocken konnte es mich nicht. Ich hatte bereits am Abend feststellen müssen, dass ich niemandem in dieser Familie auch nur ähnlich sah und eine Adoption erklärte somit einiges. Zudem kam es mir nicht vor, als würde ich mein eigenes Schicksal enthüllen. Alles war so fremd und ich kannte diese Menschen nicht wirklich, so dass es mich nicht berührte, nicht blutsverwandt mit ihnen zu sein.
„Dann ist Esme...“ begann ich und Carlisle nickte.
„Deine Adoptivmutter und die anderen deine Adoptivgeschwister.“
„Sind die anderen...“ setzte ich an und wurde erneut von einem Nicken unterbrochen.
„Sie sind auch adoptiert, ja. Es freut mich zu sehen, dass du nichts von deiner Intelligenz verloren hast.“ lächelte er breit und ich griff zu der Butter, um sie großzügig auf meinem Toast zu verteilen. Mit einer ordentlichen Ladung Marmelade oben drauf, würde bestimmt nicht mehr auffallen, dass er verbrannt war.
Die nette Geste war, was zählte.
Dennoch zögerte ich damit, hinein zu beißen.
„Du bist Arzt?“ fragte ich weiter und versuchte davon abzulenken, dass ich nicht aß.
Carlisle nickte.
„Bin ich deswegen nicht in einem Krankenhaus?“
„Ja, wir dachten...“ Er machte eine Pause und blickte zu meinem Freund neben mir. Ich stutzte kurz, ließ mir jedoch nichts anmerken.
„...es wäre besser, dich in deiner gewohnten Umgebung zu haben. Wir wussten schließlich nichts von deiner Amnesie.“ sagte er und konnte mir dabei nicht in die Augen sehen.
„Aber wo wir gerade davon sprechen. Ich würde dich gleich gerne mit ins Krankenhaus nehmen und noch einige Untersuchungen durchführen, wenn es dir recht ist.“
Ich zuckte mit den Schultern und nickte dann knapp.
„Meinetwegen. Wenn es uns hilft, meine Erinnerungen wieder zurück zu holen, bin ich damit einverstanden.“
Wieder wechselten die beiden Männer in meiner Gegenwart einen bedeutungsschwangeren Blick miteinander, während ich so tat, als habe ich es nicht bemerkt.
„Willst du mit uns fahren, Jacob?“ fragte er an meinen Freund gewandt und ich war so froh, dass er seinen Namen nannte und ich nicht gezwungen sein würde, selbst danach zu fragen. Es wäre mir peinlich gewesen.
Jacob schluckte den letzten Bissen seines, wenn ich richtig gezählt hatte, vierten Toasts herunter und nickte.
„Wenn Lexi es mir erlaubt, würde ich nichts lieber tun.“ sagte er und blickte fragend zu mir.
„Klar, warum auch nicht.“ sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
„Gut.“ sagte Carlisle und widmete sich wieder dem dicken Wälzer auf seinem Schoß.
„Jacob?“ fragte ich schließlich und nahm einen Schluck vom Kaffee.
„Ja, Alexis?“ fragte er zurück und grinste.
„Ich nenne dich nicht Jacob, oder?“ Ich blickte peinlich berührt zu ihm und er schüttelte den Kopf.
„Nein. Tust du nicht.“ sagte er und das Grinsen brachte seine Augen zum Strahlen. Ich konnte wenig über seinen Charakter sagen, doch optisch gesehen, verstand ich warum ich ihn mir ausgesucht hatte.
„Und wie nenne ich dich dann?“ fragte ich und das spitzbübische Lächeln auf seinen Lippen wurde immer breiter.
„Hasenöhrchen.“ lachte er und ich verschluckte mich an meinem Kaffee.
„Wie bitte?“ stieß ich hustend aus und Jake klopfte mir sanft auf den Rücken.
„Jake. Du nennst mich Jake.“ lachte er immer noch und ich entspannte mich wieder.
„Oh Gott, wie kannst du mich so erschrecken?“
„Ich wollte dich doch nur ein bisschen foppen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass es dich so aus der Bahn wirft.“ lachte er und ich konnte nicht anders, als ihm zu verzeihen. Irgendwie war es ja wirklich lustig.
„Eigentlich sollte ich genau deswegen, heute damit anfangen dich Hasenöhrchen zu nennen.“
Er zog eine Schnute und ich zwinkerte ihm zu, bevor ich mich jetzt endlich meinem Toast widmete. Ich hatte einfach zu großen Hunger, um ihn weiter zu ignorieren.
Herzhaft biss ich hinein und es tat unheimlich gut, etwas in den Magen zu bekommen. So als wäre meine letzte Mahlzeit Wochen her.
„Sag mal, Jake...“ fragte ich zwischen zwei Bissen und betonte das Jake besonders. „sind wir schon lange zusammen?“
„Eine Weile.“ antwortete er und wich meinem Blick aus, indem er aufstand und uns noch einmal Kaffee nachschenkte.
„Und das heißt? Ein paar Wochen? Monate? Jahre?“ fragte ich obwohl ich letzteres in unserem Alter für eher unwahrscheinlich hielt.
„Eine Weile eben.“ sagte er und gab mich erst einmal damit ab. Vielleicht war ihm das Datum unseres Zusammenkommens entfallen, wollte es aber nicht zugeben.
„Und wie haben wir uns kennengelernt? Gehen wir in die gleiche Schule, oder so?“
„Nein, über deinen Bruder Edward.“ sagte er knapp und ich runzelte die Stirn.
„Ich dachte meine Brüder heißen Jasper und Emmett?“
„Das tun sie, aber du hast noch einen Bruder. Edward, eben.“
„Er war gestern aber nicht hier, oder? Hat er einen guten Grund, sich nicht um mein Krankenlager zu scharen?“
„Er ist auf Hochzeitsreise.“ sagte Jake und ich befand diese Entschuldigung als ausreichend.
„Wir haben ihm nichts von deinem Unfall erzählt. Wir dachten, er wird es früh genug erfahren, wenn er wieder hier ist.“ führte er weiter aus und es klang plausibel.
„Ja, ich denke auch. Du bist also ein Freund von ihm? Und ich die kleine Schwester, die sich in den Freund ihres Bruders verknallt hat?“ fragte ich so scherzhaft, wie ich konnte. Es interessierte mich wirklich, wie wir zueinander gefunden hatten. Es würde eine Menge über mich aussagen.
„Freund deines Bruders ist wohl etwas übertrieben, wir kennen einander. Der Rest stimmt.“ grinste er und ich schlug ihm gegen die Schulter.
„Du bist so ein Blödmann.“
Er griff nach einem weiteren Toast, kratzte das Schwarze davon herunter und reichte ihn mir.
Ich nahm ihn dankend entgegen und so langsam dämmerte es mir, warum Rosalie ihn meinen Schoßhund genannt hatte.
Er schien unheimlich besorgt um mich zu sein und mir jeden Wunsch von den Lippen abzulesen.
„Bist du in mich verliebt?“ fragte ich gerade heraus, denn ich fand immer noch das Ehrlichkeit am längsten währte.
Jake wurde ernst und nickte dann vielsagend.
„Bis über beide Ohren.“ sagte er und ich musste zugeben, dass es mir schmeichelte.
„Und andersrum? Wie sieht es da aus?“
„Genau so.“ er grinste. „Du bist verrückt nach mir.“
„Bin ich das, ja?“ frotzelte ich und konnte mir vorstellen, dass es so gewesen war.
„Ohja, und ich hoffe, dass du dich bald wieder daran erinnern wirst. Und wenn nicht, dann muss ich dir deinen hübschen Kopf eben noch einmal verdrehen.“ sagte er selbstbewusst und ich glaubte ihm, dass er es zumindest versuchen würde.
Wie es ausging jedoch, konnte ich nicht sagen. Er war mir sympathisch, ich fand ihn ohne Zweifel attraktiv, aber an tiefe Gefühle zu ihm, konnte ich mich nicht erinnern.
Ich beugte mich ein wenig zu ihm herüber und warf aus dem Augenwinkel einen Blick zu Carlisle, bevor ich zu flüstern begann. Meine Frage war nicht gerade für die Ohren eines Vaters bestimmt.
„Haben wir schon...“ Ich rieb die Lippen aneinander. „Ich mein, haben wir schon...du weißt, was ich meine?“
Seine Augen ruhten verständnislos auf mir und ich weitete die meinen und hoffte, dass ich es nicht würde aussprechen müssen.
Ich konnte förmlich zusehen, wie der Groschen bei ihm fiel und er schüttelte schnell den Kopf.
„Nein. Was denkst du von mir?“ fast wirkte er ein wenig beleidigt.
„Ich denke, dass du ein gesunder 17-jähriger bist und wenn wir schon eine Weile zusammen sind, dann...“ führte ich sorglos aus und fand nichts Schlimmes daran, dass ich vermutet hatte, dass zwischen uns durchaus schon Körperlichkeiten ausgetauscht wurden.
„Wir hatten ein paar Küsse. Ein paar wirklich großartige Küsse, aber mehr ist zwischen uns nicht gelaufen.“
„Süß und anständig. Sicher, dass ich mir dich ausgesucht habe?“ kicherte ich und genoss es, mich in seiner Gegenwart so unbefangen zu fühlen.
Ich genoss es Lexis Gesicht zu sehen, ohne die Angst in ihren Augen, die sie nie ganz hatte verbergen können, bevor sie ihr Gedächtnis verlor. Zwar zweifelte ich keineswegs an, dass auch der Gedächtnisverlust ihr Angst machte, doch schien sie damit wesentlich besser umgehen zu können, als mit der Tatsache ständig um ihr Leben fürchten zu müssen. Sie war beim Frühstück so in unser Gespräch vertieft gewesen, dass sie nicht einmal gefragt hatte, wo der Rest ihrer Familie sich verbarg. Mir war es recht, wenn sie nicht fragte und vielleicht glaubte sie auch einfach, die anderen seien auf der Arbeit oder in der Schule.
Diese Fehlinterpretation ersparte Carlisle und mir zumindest, eine Ausrede dafür zu finden, dass sich der Rest des Cullen-Clans auf der Jagd befand.
Nach dem Frühstück waren wir mit Carlisles Wagen nach Forks gefahren und der Doc hatte seinem Namen alle Ehre gemacht. Er hatte Lexi Blut abgenommen, ihre Reflexe getestet, sie geröntgt und einen Ultraschall veranlasst. Zu guter Letzt war sie auch um die angekündigte Kernspintomografie nicht herum gekommen. Angespannt warteten wir nun in Carlisles Büro und hofften, dass seine Untersuchungen bereits erste Ergebnisse liefern würden. Auch wenn Lexi es nicht zugab, sah ich wie nervös sie war. Ihre Hände krampften sich um die Armlehnen ihres Stuhls und ihr Blick ging immer wieder zur Tür, als könne sie es nicht erwarten, dass der Doc zu uns kam.
Ich litt still mit ihr. Ich konnte nichts anderes tun.
Und auch ich spürte die Ungeduld in mir. Ehrlich gesagt, mir ging der Arsch reichlich auf Grundeis.
Was wäre, wenn ihr Gedächtnisverlust wirklich nicht nur temporär wäre und ich es nicht schaffen würde, sie ein weiteres Mal dazu zu bringen sich in mich zu verlieben. Was würde geschehen, wenn ich sie weiter würde belügen müssen?
Ich hasste es unaufrichtig zu sein. Wie oft hatte ich gerade diese Unehrlichkeit bei Edward angeprangert und es genossen, wenn er sich in seinem eigenen Lügennetz verstrickt hatte?
Doch allmählich wanderte ich in seinen Schuhen. Ich verstand, warum er Bella so manches Mal die Unwahrheit erzählt hatte, um sie zu beschützen. Denn genau das war auch mein oberstes Ziel. Ich wollte Lexi beschützen und dafür war ich bereit zu Baron Münchhausen persönlich zu werden, wenn ich es musste, auch wenn es mir Magenschmerzen bereitete.
Lexi erhob sich schließlich und begann unruhig hin und her zu wandern, blieb kurz am Fenster stehen, besah sich halbherzig die medizinische Fachliteratur, die sich überall auf dem Schreibtisch des Docs stapelten, und immer wieder flog ihr Blick zur Tür.
Mich hielt nun ebenfalls nichts mehr auf meinem Sitz und so stand ich auf und folgte Lexi bei ihrer Wanderung durch den Raum
„Jake...“ mahnte sie mich. „Das ist jetzt echt nicht witzig, okay?“
Ich blieb hinter ihr stehen und machte ein unschuldiges Gesicht.
„Ich mach doch gar nichts.“
„Doch, du läufst hinter mir her, wie ein Pantomime.“ erklärte sie und ich schenkte ihr ein warmes Lächeln.
„Ich versuche nur, dich abzulenken.“
Sie seufzte lange und nickte dann ruhig.
„Ich weiß, tut mir leid. Ich bin nur wirklich ziemlich nervös, was Carlisle vielleicht herausgefunden hat und wie lange ich noch in diesem Nebel der Unwissenheit herum wabern muss.“ Sie machte eine seltsame Bewegung und ich musste lachen.
„Ich kann dich beruhigen, selbst wenn du waberst, bist du wunderschön und wenn der Nebel sich nicht lichten will, dann führe ich dich zurück auf festen Grund. Egal, was er gefunden hat, egal was er sagt, ich bin bei dir.“
Sie schenkte mir ein sanftes Lächeln und ich fand sie so wunderschön, dass ich glaubte mein Herz müsste vor Liebe zu ihr einfach zerbersten.
„Danke.“ sagte sie und machte einen Schritt auf mich zu. „Würdest du, ich meine, würde es dir was ausmachen...?“ Sie öffnete unsicher ihre Arme und ich konnte nicht anders, als sie scheltend anzusehen, bevor ich sie in meine Arme schloss.
„Natürlich, Dummerchen.“ sagte ich weich und zog sie fest an mich, während sie ihren Arme um meine Mitte legte und ihren Kopf auf meine Schulter bettete. Das Gefühl, sie wieder in den Armen zu halten, durchflutete mich augenblicklich mit purer Glückseligkeit und ich hätte sie am liebsten nie wieder losgelassen.
Doch als sich die Tür öffnete und der Doc eintrat, ließ Lexi mich abrupt wieder los, als wolle sie vor ihrem „Vater“ keine Intimität mit mir zur Schau stellen.
Ich sah, wie die Röte ihr in die Wangen schoss und schmunzelte leise, bevor wir uns wieder auf die Stühle vor Carlisles Schreibtisch setzten.
Der Doc hatte eine ganze Litanei an Zetteln bei sich und abwartend lag mein Blick auf ihm. Ich konnte in der ersten Minute, da ich seine Augen sah, erkennen, dass er keine guten Nachrichten hatte. Ich spürte Lexis Anspannung neben mir so deutlich, als hätte man mir ein Bild davon gemalt und automatisch sprang die gleiche Anspannung auch auf mich über.
Ich fühlte Lexis warme Finger, wie sie sich bittend auf meine Hand legten und ohne zu überlegen, umschloss ich sie und drückte sie zuversichtlich.
Entgegen meiner Annahme, nun schlechte Nachrichten überbracht zu bekommen, schenkte der Doc Lexi ein weiches Lächeln.
„Die guten Nachrichten zuerst, hm? Ich kann keine bleibenden Schäden erkennen. Es sieht aus, als ob deine Verletzungen nicht die Intensität haben, mit denen ich gerechnet hatte.“ sagte er samtweich und Lexi drückte meine Hand leicht zurück.
„Und was ist mit meiner Erinnerung? Wird sie wieder zurück kommen?“ fragte sie nervös und Carlisle bemühte sich sichtlich, sein Lächeln nicht zu verlieren.
„Wir werden sehen müssen, Kleines. Ich warte noch auf ein paar Ergebnisse und möchte mich noch mit einigen Kollegen kurzschließen. Bis dahin sollte ich nicht wirklich eine Aussage darüber fällen, kannst du das verstehen?“
Sie nickte bitter und ihre Hand glitt aus der meinen.
„Okay. Dann also erst einmal weiter durchhalten, hm?“
Carlisle nickte.
„Ja, es tut mir leid, ich hätte dir gern etwas anderes gesagt, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das wieder hinbekommen.“
Carlisle sah mich an und ich wusste, was er mir mit diesem Blick sagen wollte.
Wir sollten uns eine allzu großen Hoffnungen machen, dass sie ihr Gedächtnis zurück erlangen würde und ich musste hart schlucken.
„Jacob? Könntest du Lexi nach Hause bringen? Ich habe hier noch eine Menge zu tun und ich will nicht eher gehen, bis ich etwas gefunden habe, dass uns hilft. Vor dem Krankenhaus gibt es einen Taxistand. Hier...“ Er griff in seine Kitteltasche und streckte mir einen Zehn-Dollar-Schein entgegen. Seufzend nahm ich ihn entgegen, obwohl es mir nicht behagte. Aber ich hatte kein Geld dabei und auch wenn wir den Weg auch zu Fuß hätten schaffen können, war es wohl besser zu fahren.
„Du bekommst es heute Abend zurück.“ sagte ich schnell und steckte den Geldschein in meine hintere Hosentasche.
„Schon gut.“ entgegnete Carlisle und als Lexi aufstand, tat ich es ihr gleich.
„Wir sehen uns später?“ fragte sie matt und der Doc nickte.
„Ja, auf jeden Fall. Ruh dich noch ein wenig aus und wenn du irgendetwas brauchst, bin ich mir sicher, dass Jacob es dir auf der Stelle bringen wird.“
Sie nickte wieder und ich sah die Enttäuschung in ihrem Blick.
„Na komm, ich bring dich heim.“ Ich streckte meine Hand nach ihr aus, aber sie griff nicht danach.
Sie schob sich an mir vorbei und dem Ausgang entgegen und seufzend folgte ich ihr.
Auf dem Gang des Krankenhauses holte ich sie ein.
„Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ entschuldigte ich mich und maßregelte mich innerlich selbst, mich zurückzuhalten und sie auf mich zukommen zu lassen, sobald sie es wollte.
„Du bist mir nicht zu nahe getreten, aber es geht gerade eine Menge in meinem Kopf vor sich und am liebsten wäre ich jetzt eigentlich allein. Kannst du mich nicht einfach nach Hause bringen und dann...“
Ich sah, wie sie litt und nichts wäre mir lieber gewesen, als ihren Wunsch nach Einsamkeit zu erfüllen, aber genau das war die einzige Bitte, die ich ihr abschlagen musste.
„Ich kann dich nicht alleine lassen, Lexi. Es tut mir leid. Was wenn dir schlecht wird? Oder du umkippst? Es wäre niemand da, der dir dann helfen kann.“ erklärte ich ihr und sie seufzte.
„Carlisle hat doch gesagt, dass es mir gut geht. Warum kann ich dann nicht auch alleine zu Hause sein?“ begehrte sie auf.
„Bist du dir sicher, dass du schon alleine sein könntest? Du kennst dich im Haus nicht aus und es ist echt weit weg von der Stadt oder Nachbarn.“ versuchte ich sie davon zu überzeugen, dass es besser war, wenn ich mit ihr ging.
„Nein...“ sagte sie zerknirscht und wir traten hinaus auf den Parkplatz des Krankenhaus, wo an der rechten Seite tatsächlich ein Taxi stand.
„Hör zu.“ begann ich „Wenn wir bei dir sind, ziehe ich mich gerne zurück und du kannst in deinem Zimmer allein sein, so viel du es möchtest. Aber ich möchte in der Nähe bleiben, nur für alle Fälle. Ist das ein Vorschlag?“
„Habe ich eine andere Wahl?“ fragte sie missmutig und ich schüttelte den Kopf.
„Nein, ehrlich gesagt, hast du die nicht.“
Ich öffnete ihr die Tür des Taxis und mit einem unglücklichen Ausdruck in den Augen stieg sie ein.
Ich nahm neben ihr Platz und gab dem Fahrer die Adresse durch, der sogleich den Motor startete und mit uns an Bord losfuhr.
Lexi blickte stumm aus dem Fenster und ich verstand, warum sie den Wunsch verspürte allein zu sein.
Ich konnte mir nicht einmal ausmalen, wie es sein musste, keinerlei Erinnerung an mein Leben zu haben. Billy nicht zu kennen, nicht zu wissen, wer ich selbst war.
„Lexi?“ wagte ich mich nach einigen Minuten hervor und blickte angestrengt zu ihr herüber.
Sie wand den Kopf und sah mich direkt an.
„Ich weiß, wie schwer das gerade für dich sein muss, aber glaub mir, du bist unwahrscheinlich stark und du hast schon schlimmeres überstanden.“
„Habe ich das?“ sagte sie emotionslos und ihr Blick brannte mir in der Seele, wie ein Feuerhaken.
„Ja, das hast du und auch wenn du es jetzt nicht hören willst, du musst einfach nur Vertrauen haben. Zu deiner Familie, zu mir und vor allem zu dir selbst.“
Lexi lachte heiser auf und schüttelte ihren Kopf.
„Vertrauen...“ Sie seufzte und blickte ein weiteres Mal aus dem Fenster. „Du sprichst davon, als sei es so einfach wie atmen, jemandem zu vertrauen. Aber du vergisst dabei, dass ich niemanden von euch kenne. Ich kenne nicht einmal mich selbst und da fällt es mir ehrlich gesagt ein wenig schwer Vertrauen zu fassen. Schließlich könntet ihr auch irgendwelche Verrückten sein, die mich gekidnappt haben und irgendeinen Voodoo mit mir vorhaben.“ sagte sie und der leichte Anflug eines Lächelns umspielte ihre Mundwinkel.
„Glaubst du das wirklich?“ fragte ich gedehnt und konnte nicht umhin, dass sie zumindest mit den Verrückten nicht wirklich unrecht hatte.
„Nein...“ sagte sie schwach und lachte dann leicht. „Aber du verstehst, was ich damit sagen will?“
Ich nickte betrübt.
„Ja, aber du musst keine Angst haben. Es wird sich alles finden und solange ich in deiner Nähe bin, brauchst du dir keine Gedanken über Vertrauen machen.“
Sie blickte wieder zu mir und ich hielt ihrem Blick stand, nahm ihre Hand in meine und streichelte behutsam mit dem Daumen über ihren Handrücken.
„Sieh mich an.“ sagte ich, obwohl sie es bereits tat. „Du kannst mir immer vertrauen, egal was dich bedrückt, ich werde da sein, um dir Halt zu geben. Trau dich.“ Ich zwinkerte ihr zu und sie lächelte schief.
„Na, dich halte ich von allen für den Verrücktesten und ausgerechnet dir soll ich vertrauen?“ lachte sie ungeniert, aber ich sah, dass es ein echtes Lachen war.
„Genau das habe ich gemeint.“ sagte ich sanft und stellte mit Bedauern fest, wie sie ihre Hand wieder zurückzog.
„Ich glaube, ich muss mich erst einmal mit der Gesamtsituation arrangieren. Ich hoffe, du bist mir nicht böse?“ fragte sie und es hatte den Anschein für mich, dass sie sich wirklich Sorgen darum machte, was ich von ihr dachte.
„Kümmer dich nicht um mich.“ sagte ich ehrlich. „Ich lasse mich nicht so schnell vergraulen, wie du vielleicht denkst. Ich kann warten.“
Sie nickte und das Taxi bog in den Waldweg ein, der zum Haus der Cullens führte.
Als es in der Auffahrt zum Stehen kam, bezahlte ich den Fahrer und stieg aus, um auch Lexi aus dem Wagen zu helfen. Sorgsam hielt ich meine Hand über ihren Kopf, damit sie sich nicht stieß und sie grinste leicht, als ich es tat.
„Langsam macht es mir Sorgen.“ lachte sie und ich runzelte meine Stirn.
„Was macht dir Sorgen?“ fragte ich, während wir zur Tür gingen.
„Du bist so besorgt um mich, dass ich mich frage, wer hier wem den Kopf verdreht hat.“ grinste sie und ich musste ebenfalls lachen.
„Du bist das Wertvollste in meinem Leben und ich will einfach nur sichergehen, dass dir nichts geschieht.“ antwortete ich und sie schenkte mir ein kurzes Lächeln.
Ich brachte sie hinauf in ihr Zimmer und wie ich es ihr versprochen hatte, wollte ich mich wieder zurückziehen, doch sie hielt mich zurück.
„Jake?“ fragte sie klamm, während ihre Hände nervös am Saum ihres Shirts nestelten.
Ich blieb im Türrahmen stehen und sah sie abwartend an.
„Ja?“
„Was...was, wenn es nicht mehr so wird wie früher? Oder mir nicht gefällt, wer ich einmal gewesen bin?“ fragte sie sichtlich aufgebracht und ich machte einige Schritte auf sie zu.
„Wenn es nicht wieder so wird, wie es war, dann wird es besser.“ versicherte ich ihr glaubhaft. „Und du wirst den Menschen lieben, der du bist. Du bist nämlich ziemlich fantastisch.“ schloss ich, doch es hatte nicht den gewünschten Effekt.
„Mit den Augen eines verliebten Jungen gesehen, magst du recht haben, aber ich frage mich ob der Rest der Welt das ebenso gesehen hat.“ Sie benutzte erneut die Vergangenheitsform und ich schüttelte nur den Kopf.
„Mach dich nicht verrückt, Lexi. So manches Mädchen würde mit dir tauschen, auch wenn sie dazu ihr Gedächtnis verlieren müsste. Nicht zuletzt wegen deinem unglaublich tollen und attraktiven festen Freund.“ grinste ich und konnte sie immer noch zum Lachen bringen.
Und es war eindeutig das schönste Geräusch, dass jemals meine Ohren erreicht hatte.
„Was noch zu beweisen wäre. Habe ich bisher nämlich noch rein gar nichts von gemerkt.“ Sie streckte mir ihre Zunge raus und ich schürzte die Lippen.
„Ich lass dich dann mal alleine. Wenn du mich brauchst, ich bin unten. Aber ein Wort von dir und ich bin sofort bei dir.“
„Um mir zu zeigen, wie toll und attraktiv du bist, mein Hasenöhrchen?“ frotzelte sie und streckte ihr mahnend meinen Zeigefinger entgegen.
„Und um dich notfalls übers Knie zu legen, wenn du weiterhin so frech bist.“ drohte ich ihr, doch sie war vollkommen ungerührt.
„Würdest du nie tun.“ sagte sie im Brustton der Überzeugung und hatte recht damit.
Ich würde niemals meine Hand gegen sie erheben.
„Woher willst du das wissen, wo du mich doch für verrückt hältst.“ frotzelte ich zurück und sie stellte ein süffisantes Lächeln zur Schau.
„Ich vertraue dir.“ sagte sie lapidar und damit ging dieser Punkt eindeutig an sie.
„Gut.“ sagte ich mit einem schiefen Grinsen im Gesicht und verließ ihr Zimmer.
Ich wanderte zur Küche, nahm mir eine Dose Cola aus dem Kühlschrank und fläzte mich anschließend auf die Couch im Wohnzimmer und schaltete den großen Flatscreen ein.
Nach einigem hin- und hergezappe blieb ich schließlich bei einem Footballspiel hängen und legte meine Füße auf den Tisch. Erst jetzt bemerkte ich, wie müde ich war. Ich hatte nun schon einige Zeit nicht mehr geschlafen und erst jetzt, da ich Lexi in Sicherheit wusste, würde ich vielleicht in der Lage sein, wenigstens für ein paar Minuten die Augen zu schließen.
Ich stopfte mir ein Kissen in den Rücken und rutschte ein wenig hin und her, bis ich eine bequeme Position gefunden hatte, als ich Schritte auf der Treppe hörte. Schnell setzte ich mich wieder aufrecht hin und tat so, als ich habe ich die ganze Zeit anständig hier gesessen.
Lexi kam die letzten Stufen herunter und blickte vom Fernseher zu mir und wieder zurück.
„Oh, ich wollte dich nicht stören.“ sagte sie kleinlaut und ich beeilte mich mit dem Kopf zu schütteln.
„Du störst mich nicht. Du störst mich nie.“ sagte ich schnell und schaltete den Fernseher aus.
„Ich wollte nur fragen, ob du vielleicht Lust hast, mit mir zusammen ein wenig allein zu sein.“ Sie lächelte schüchtern und zog ihren Kopf zwischen die Schultern.
„Na klar.“ sagte ich und klopfte auf den Platz neben mir. „Komm her.“
Freudig hüpfte sie zu mir, setzte sich neben mich und ich rutschte ein wenig zur Seite, aus Angst, es wäre ihr zu viel Nähe.
Doch zu meiner Überraschung, hob sie meinen Arm an und legte ihn um sich, während sie sich an mich kuschelte.
„Zu zweit alleine sein, ist irgendwie besser.“ grinste sie und ich legte erneut meine Füße auf den Tisch.
Ich war eingeschlafen. In dem Moment, da mich Jakes Wärme umfangen hatte und ich die Augen geschlossen hatte, war ich davon gedriftet und in traumlosen Schlaf versunken.
Schritte im Zimmer weckten mich schließlich und noch bevor ich meine Augen geöffnet hatte, hörte ich Rosalies Stimme.
„Na super, der Köter ist immer noch hier. Ich wette, den Gestank bekommen wir für Monate nicht aus den Polstern.“
„Ach Rose, sei nicht so gehässig. Ich finde die beiden zusammen wirklich niedlich.“
Das war Alice Stimme gewesen, soweit ich es einschätzen konnte. Ich rappelte mich auf und wischte mir den Schlaf aus den Augenwinkeln. Jake schien ebenso wie ich in der Wärme des Moments eingeschlafen zu sein und erwachte nur langsam aus seinen Träumen.
Ich blickte meine Geschwister schlaftrunken an und versuchte den pelzigen Geschmack aus meinem Mund zu bekommen.
„Wer ist ein Köter?“ fragte ich irritiert und schüttelte ein wenig meine Hand, die aufgrund der etwas engen Platzverhältnisse ebenfalls eingeschlafen war.
„Niemand.“ sagte Alice und schenkte mir ein freundliches Lächeln. Sie ließ sich neben mir auf das Sofa plumsen und legte einen Arm um meine Schulter.
„Und wie war dein Tag? Irgendetwas aufregendes passiert?“
Ich schüttelte den Kopf und blickte dann zu Jake, der sich ein stummes Blickduell mit Rosalie lieferte.
Ohne weiter auf Alice Frage einzugehen, wandte ich mich an Rosalie und zeigte mit dem Finger erst auf sie und dann auf Jake.
„Täusche ich mich, oder habt ihr zwei nicht wirklich ein freundschaftliches Verhältnis zueinander?“
„Wie kommst du denn darauf, Lexi? Wir sind ein Herz und eine Seele.“ sagte Rose angewidert und ich sah zu Jake in der Hoffnung, er würde offener mit mir sprechen.
„Blondie und ich haben unsere Differenzen. Aber das hat nichts mit dir zu tun.“ sagte er zu mir, ließ Rose allerdings nicht aus den Augen.
Sie stieß nur einen Schwall Luft aus und Emmett, der breit grinste legte ihr einen Arm um die Schulter.
„Stör dich nicht dran, Lexi. Rose ist sehr wählerisch, was ihr Umfeld angeht.“
Rose schnaubte und stieß Emmett zur Seite.
„Ja und ich bin hier die Einzige, schon klar.“ sagte sie giftig und ich zog die Augenbrauen zusammen.
„Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass ihr alle nicht sonderlich gut auf Jake zu sprechen seid...“
Alice, die immer noch neben mir saß, drückte mich leicht und lächelte so samtig, dass ich fast spüren konnte, wie sie eine Ausrede suchte.
„Wir hatten ein paar Startschwierigkeiten, aber ich für meinen Teil kann wirklich behaupten, dass ich ihn nicht mehr so schlimm finde.“ sie langte an mir vorbei und zerwuschelte Jakes Haare.
Er wich ihr aus und rückte ein wenig zur Seite.
„Hört auf von mir zu reden, als sei ich nicht da.“ beschwerte er sich und ich fragte mich sofort, was meinen Geschwistern nicht an ihm passte.
Er war liebevoll zu mir und ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies einmal anders gewesen war.
„Und ich soll wirklich glauben, dass das nichts mit mir zu tun hat?“ fragte ich skeptisch und Jasper ließ sich uns gegenüber auf einem der Sessel nieder.
„Ja, das sollst und kannst du. Wir kennen Jake schon ein wenig länger.“
„Aha.“ sagte ich knapp und zeigte deutlich, dass mich diese Antwort nicht befriedigte.
„Habt ihr jetzt genug auf mir herum gehackt? Ihr verunsichert Lexi nur.“ sagte Jake bissig, als habe er Angst, sie könnten etwas sagen, was mich glauben ließe, er sei kein guter Kerl.
„Keine Angst.“ flüsterte ich in seine Richtung. „Ich habe vor, mir mein eigenes Urteil zu bilden. Und bis jetzt hast du nur Pluspunkte auf deinem Sympathiekonto angesammelt“
Er schenkte mir ein halbherziges Lächeln.
„Lass ihm Zeit Lexi, er wird’s noch versauen. Er versaut´s immer.“ höhnte Rosalie und ich fragte mich, warum sie es nicht einfach gut sein ließ.
Jake wurde immer aufgebrachter und ich konnte die Wut unverhohlen in seinen Augen sehen. Rose schien es zu genießen, ihn zu reizen und ich wurde das Gefühl nicht los, dass hier etwas vor sich ging, dass durchaus etwas mit mir zu tun hatte.
„Wieso versauen?“ fragte ich irritiert und ignorierte den Blick Jakes, der Rose dazu anhalten sollte, ihren Mund zu halten.
Doch sie ließ sich nicht von ihm einschüchtern.
„Ach, das ist einfach seine Art.“ sagte sie süffisant. „Ich habe noch nie ein Mädchen wegen einem Typen soviel weinen sehen, wie dich wegen ihm.“ sagte sie und mit einem Mal war Jake vom Sofa aufgesprungen und hatte einen bedrohlichen Schritt auf Rose zu gemacht.
„Halt deine Klappe, du dreckige, kleine...“ presste er zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor, während seine Hände so sehr zu Fäusten geballt waren, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Ich erschrak über seine, in meinen Augen, unangemessene Reaktion und rutschte näher zu Alice, als könne ich dort Schutz vor etwas finden, dass eigentlich nicht mich angriff.
„Oder was? Wirst du wieder einmal die Kontrolle verlieren? Ich ramme dich ungespitzt in den Boden, wenn du das tust. Lerne dich zu beherrschen, Köter.“ sagte Rose und war ebenso angriffslustig dabei, wie Jake.
Ich verstand die Welt nicht mehr. Jake war rücksichtsvoll und umsorgte mich, als sei ich aus Glas und auf einmal sah ich eine Seite an ihm, die mir Angst machte. Rose war mehr als einen Kopf kleiner als er und auch sonst eher von zarter Statur, was abgesehen davon, dass sie ein Mädchen war, genug Gründe bot, sich ihr gegenüber nicht so zu verhalten, wie Jake es im Moment tat.
Er knurrte und es war ein Geräusch, dass ich von einem Tier, aber niemals von einem Menschen erwartet hätte.
„Lass gut sein, Rose“ sagte Emmett und brachte sich sicherheitshalber lieber zwischen ihr und Jake in Stellung.
„Wieso?“ sagte sie aggressiv und versuchte Emmett bei Seite zu schieben. „Ihr wisst alle, dass er früher oder später wieder die Beherrschung verlieren wird. Dann kann er es auch gleich tun und Lexi zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist.“
Jeder Muskel Jakes war gespannt und ich konnte die Adern unter seiner Haut hervortreten sehen.
Es machte den Anschein, als wolle er sich jeden Moment einfach auf Rose stürzen und ihr den Kopf von den Schultern reißen.
„Jake?“ fragte ich zitternd, doch er war so auf Rose konzentriert, dass er mich scheinbar vollkommen vergessen hatte.
Nun erhob sich auch Jasper und trat zu ihm, legte ihm eine Hand auf die Schulter und begann leise auf ihn einzureden.
„Beruhig dich, Jake. Hier ist weder der richtige Ort, noch die richtige Zeit. Bleib ganz ruhig. Versuche durchzuatmen.“
Und langsam begann Jake tiefe Atemzüge zu nehmen und die Spannung in seinem Körper ließ allmählich nach.
Ich war immer noch total erschrocken über seinen Ausraster und nur die sanften Streicheleinheiten, die Alice mir die ganze Zeit hatte zukommen lassen, hatten mich daran gehindert, einfach aufzustehen und zu fliehen.
Als er sich wieder gefasst hatte, blickte er zu mir und ich konnte nicht anders, als ihn fragend anzusehen, wobei ich die Angst in meinen Augen nicht zurückhalten konnte.
Er hob die Hände und wandte sich zu mir.
„Es tut mir leid, Lexi...“
Doch ich schüttelte nur den Kopf und stand auf.
„Ich habe genug gesehen.“ sagte ich heiser, drehte mich um und rannte die Treppen hinauf in mein Zimmer, wo ich die Tür mit einem lauten und deutlichen Geräusch ins Schloss fallen ließ.
Ich hörte, wie unten ein erneuter Streit losbrach und als ich mich auf mein Bett gesetzt hatte, presste ich beide Hände gegen meine Ohren. Ich wollte nichts davon hören. Ich war vollkommen aus der Bahn geworfen.
Heute morgen hatte er von Vertrauen gesprochen und dass ich ihm meines, immer würde geben können, doch die Andeutungen Rosalies verunsicherten mich.
War Jake etwa gewalttätig? Hatte er mich vielleicht geschlagen und war nur deshalb so besorgt um mich, weil er Angst hatte, ich würde mich wieder daran erinnern können?
Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber die Aggressivität, die soeben von ihm ausgegangen war, war nicht normal gewesen.
Es musste einen Grund geben, warum Rosalie ihn so sehr provoziert hatte.
Mir fielen seine Worte wieder ein, dass er auch mit Edward nicht wirklich befreundet war und so langsam ergab sich ein Puzzlestück nach dem anderen.
Ich konnte nur mutmaßen, doch sah alles danach aus, dass Jakes Beziehung zu mir unter keinem guten Stern stand.
Und es enttäuschte mich.
Ich kannte Jake kaum, aber ich mochte ihn und ich hatte gehofft, mit seiner Hilfe und der meiner Familie, würde ich die Klippen meiner Amnesie unbeschadet umschiffen können. Doch sah im Moment alles danach aus, dass Jake selbst ein riesiges Riff bildete und ich mich nicht darauf verlassen konnte, ihm zu trauen.
Es fiel mir schwer, einen klaren Kopf zu behalten. In den letzten zwei Tagen hatte ich damit umgehen müssen, mich an nichts aus meinem Leben erinnern zu können und das einzige was mich dabei aufrecht gehalten hatte, war die Zuwendung gewesen, die ich von den Menschen um mich herum erfahren hatte. Dass dieses fragile Gebilde aus Sicherheit so schnell ins Wanken geriet, machte mir Angst.
Ich konnte mich nicht mehr auf meine eigenen Gefühle verlassen, konnte nicht davon ausgehen, in meiner Vergangenheit die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben und ich konnte niemandem trauen. Ich fühlte mich unglaublich allein und verlassen. Wieder stand ich auf und begann mein Zimmer angestrengt nach etwas zu durchsuchen, dass mir helfen würde, mich zu erinnern. Vielleicht hatte ich Tagebuch geführt und konnte dort nachlesen, was wirklich passiert war.
Es wären meine eigenen Worte und damit die einzigen, denen ich bedingungslos würde glauben können. Doch in diesem Zimmer gab es nichts, dass auch nur den kleinsten Beweis lieferte, dass ich überhaupt existierte.
Mitten in meiner Hektik, alle Schränke, Regale und Schubladen zu durchforsten, klopfte es an die Tür und wie ein Wildtier im Scheinwerferlicht eines Autos, versteifte ich mich.
Ich wollte niemanden sehen und auch niemanden hören. Auf leisen Zehen schlich ich zur Tür und drehte den Schlüssel im Schloss herum, damit sich niemand über meine Entscheidung hinwegsetzen konnte, allein zu sein.
„Lexi?“ hörte ich Jakes gequälte Stimme zu mir dringen und ich schloß seufzend die Augen.
„Lass mich rein, bitte. Lass mich dir erklären, was passiert ist, bitte.“ flehte er und ich musste hart schlucken.
„Geh weg, Jake.“ sagte ich mit zittriger Stimme und war mir keineswegs sicher, dass ich es auch so meinte.
„Willst du das wirklich?“ fragte er, als wisse er genau, dass ich mir unsicher war.
„Ja.“ entgegnete ich so gefasst, wie es ging und entfernte mich wieder von der Tür.
„Wir sollten reden.“ drang es gedämpft zu mir herüber und ich biss angestrengt auf meiner Unterlippe herum.
„Nein.“ sagte ich steif. „Ich glaube, es ist besser, wenn du nach Hause gehst, Jacob.“
Mit Absicht nannte ich seinen vollen Namen, um die zwischen uns gewachsene Vertrautheit, wieder auf ein kleineres Maß zu beschränken.
„Es ist nicht, was du denkst. Ich kann es dir erklären, aber du musst mir eine Chance geben.“ bat er eindringlich und ich seufzte erneut.
„Ich muss?“ fragte ich gereizt zurück. „Ich denke nicht, Jake. Bitte, ich möchte alleine sein. Du solltest heim gehen und dich erst wieder beruhigen. Dann können wir ein anderes Mal vielleicht...“
„Ich bin ruhig, Lexi. Ich würde dir nie etwas tun, wenn das deine Sorge ist.“
„Mir vielleicht nicht.“ sagte ich nervös. „Aber du wolltest Rose etwas tun. Sie ist meine Schwester, Jake. Was soll ich deiner Meinung nach davon halten, dass du drauf und dran warst, meine Schwester zu verprügeln?“
„Ich habe sie nicht angerührt und ich hätte es auch nicht getan.“ verteidigte er sich, aber ich konnte seinen Worten einfach keinen Glauben mehr schenken.
„Ich hab den Blick in deinen Augen gesehen. Du warst so voller Wut...“ sagte ich und wollte nicht weiter durch die Tür mit ihm sprechen, weil ich mir dabei dämlich vorkam. Doch hereinlassen wollte ich ihn ebenfalls nicht.
„Ich hätte ihr nichts getan, wirklich nicht. Glaub mir bitte.“ flehte er und ich schüttelte den Kopf, wissend, dass er es nicht sehen konnte.
„Gute Nacht, Jake.“ sagte ich kalt und wünschte mir inständig, er würde sich endlich zurückziehen.
„Sehen wir uns morgen?“ hörte ich seine Stimme noch einmal gedämpft zu mir dringen und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
„Vielleicht.“ sagte ich schließlich und ging dann mit schnellen Schritten ins Bad, drehte alle Wasserhähne auf und setzte mich wie ein kleines Häufchen Elend auf den Toilettensitz und hielt mir noch zusätzlich die Ohren zu.
Wenn ich es nur lange genug schaffte, nicht wieder schwach zu werden, würde er sicherlich aufgeben und gehen.
Ich weiß nicht, wie lange ich hier saß und verkrampft versuchte, nicht darüber nachzudenken, was geschehen war und mich davon abhalten musste, wieder zur Tür zu laufen und Jake doch wieder in mein Zimmer zu lassen. Aber irgendwann, als der Dampf des Wassers sich bereits überall auf den Naturfliesen niedergeschlagen hatte, drehte ich die Leitungen wieder zu und wischte mit dem Ärmel meines Shirts über den beschlagenen Spiegel.
Der blaue Fleck an meiner Schläfe, der eigentlich eher ein helles Gelb zeigte, prangte wie ein weiterer Beweis auf meiner Haut.
Der Unfall war laut Carlisle erst wenige Tage her und ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Verletzung seitdem schon so verblasst war.
Hatte Rosalie darauf angespielt? Dass Jake ein Schläger war und ich nicht glauben sollte, was er mir vorspielte? Spielte er mir denn etwas vor?
Ich wusste es nicht, aber ich konnte es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Carlisle schien große Stücke auf Jake zu halten und welcher Vater, würde zulassen, dass seine Tochter geschlagen wurde?
Zudem hatte ich drei große Bruder, von denen zwei durchaus den Anschein erweckten, dass sie es mit Jake aufnehmen konnten. Edward hatte ich bisher nicht gesehen.
Würden sie alle zulassen, dass ich mich mit einem Jungen abgab, der mich nicht gut behandelte?
Nein, das passte nicht in meine Vorstellung von ihnen.
Aber was wusste ich schon? Vielleicht war ich Jake hörig gewesen und hatte vertuscht, wenn wir eine Auseinandersetzung gehabt hatten. Vielleicht hatte ich meine Familie auch angefleht,, nichts zu unternehmen und Rose war die einzige, die nicht zulassen wollte, dass ich mich erneut in Gefahr begab.
Ich lehnte meinen Kopf gegen den kühlen Spiegel und schloß die Augen, ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte. Ich hatte einfach zu wenig Informationen. Es war durchaus möglich, dass ich aufgrund meines gefährlichen Halbwissens die falschen Schlüsse zog und sich die Wahrheit ganz anders anmutete, als ich es im Moment für möglich hielt.
Ich begann meinen Kopf gegen das Spiegelglas zu stoßen. Erst einmal, dann ein weiteres Mal.
Wenn ein Schlag auf meinen Kopf, dieses Trauma ausgelöst hatte, würde es vielleicht auch helfen, es wieder rückgängig zu machen.
Doch alles was es mir brachte, waren Kopfschmerzen.
Seufzend löschte ich das Licht im Bad und ging wieder zurück in mein Zimmer, wo ich mich mutlos auf mein Bett sinken ließ.
Hatte ich heute morgen noch die Hoffnung in mir getragen, dass sich alles wieder irgendwie finden würde, war ich nun keineswegs mehr sicher, dass mir einfache Zeiten bevorstanden.
Und es fröstelte mich bei dem Gedanken daran, dass Jake nach so kurzer Zeit bereits in der Lage war, mich so dermaßen zu verunsichern.
Erneut klopfte es an meine Tür und ich gab mich geschlagen. Ich stand auf und mit schlurfenden Schritten ging ich zur Tür und drehte den Schlüssel im Schloss.
Doch als nicht Jake, sondern Rosalie gefolgt von Alice das Zimmer betrat, stutzte ich.
Sie sah nicht gerade aus, als wolle sie hier sein, doch Alice schubste sie unnachgiebig weiter herein.
Rose rollte mit den Augen und seufzte.
„Ich muss mich bei dir entschuldigen, Lexi und auch bei Jake, aber das mach ich später....wenn überhaupt.“ murmelte sie und erntete dafür einen weiteren Stups von Alice.
„Ich habe ihn unnötigerweise provoziert und das hätte ich nicht tun sollen. Aber ich bin hier, um dir zu versichern, dass meine Abneigung gegen ihn, nichts mit dir zu tun hat und ich wollte dich wissen lassen, dass er sich dir gegenüber immer korrekt verhalten hat.“ sagte sie leiernd auf, als seien es nicht ihre eigenen Worte.
„Was davon ist die Wahrheit?“ fragte ich stumpf und setzte mich wieder auf mein Bett.
Alice trat vor, als wolle sie Rose nicht weiter zu Wort kommen lassen.
„Lexi...“ sagte sie behutsam. „Ich weiß..., wir wissen, wie das ausgesehen haben muss, aber glaub mir bitte, wenn ich dir sage, dass Jake sonst nicht so ist. Er hat wenig geschlafen und sich seit Tagen nur die größten Sorgen um dich gemacht. Er ist am Ende seiner Kräfte. Da kann es schon einmal passieren, dass man die Kontrolle verliert. Aber...“ und sie blickte mahnend zu Rose, die sich zusammenriss, nicht aufzubegehren. „...seit du mit Jake zusammen bist, hat er nichts getan, was uns glauben machen würde, dass er nicht gut zu dir ist. Du liebst ihn und er liebt dich, das ist alles, was du wissen musst.“ schloß sie.
Ich nickte emotionslos und blickte zur Tür.
„Danke, Alice. Aber wenn ihr jetzt so gut sein würdet...ich bin müde und es ist viel passiert. Mein Kopf schmerzt und ich wäre nicht böse, wenn ihr mich jetzt allein lassen würdet.“ murmelte ich und rieb mir über die Augen.
„Schon gut, Süße.“ sagte Alice. „Mach dir bitte keinen Kopf.“ sie kam zu mir herüber und drückte mir einen knappen Kuss auf die Stirn. „Schlaf gut und du wirst sehen, morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“
Als ich am nächsten Morgen erwachte, saß Carlisle am Rand meines Bettes und lächelte freundlich in meine Richtung. Ich brauchte einen Moment, die letzten Weben des Schlafs aus meinem Kopf zu vertreiben, denn ich war erst eine kurze Zeit vorher überhaupt eingeschlafen.
Lange hatte ich im Bett gelegen und stur die Decke angestarrt, während meine Gedanken sich immer wieder im Kreis gedreht hatten.
Jakes Ausbruch am Vorabend beschäftigte mich mehr, als mir gut tat und ich verfluchte meine Unkenntnis. Gerne hätte ich ihm geglaubt. Es wäre so viel einfacher, wenn das was er sagte, der Wahrheit entspräche. Eine liebende Familie zu haben und einen Freund, der sich um mich sorgte, war eindeutig die schönere Vorstellung, als sich damit auseinander zu setzen, warum sie sich nicht miteinander vertrugen.
Ich fuhr mir seufzend durch die Haare und setzte mich auf.
„Morgen.“ nuschelte ich und griff zum Wasserglas auf meinem Nachttisch. Das Brennen in meinem Hals wurde mit jedem Tag schlimmer, anstatt besser und ich beschloss Carlisle nach ein paar Schmerztabletten zu fragen.
„Guten Morgen, Kleines“ erwiderte er liebevoll und nahm mir das Glas aus der Hand, als ich es leer getrunken hatte. „Und gut geschlafen?“
„Leidlich.“ antwortete ich und fragte mich, warum ich nicht wach geworden war, als er das immer betreten hatte.
„War gestern ganz schön was los hier, hm?“ fragte er und drehte das leere Glas in seinen Händen.
„Ja.“ nickte ich. „Aber ich will nichts mehr davon hören. Hat mich ziemlich mitgenommen.“
„Kann ich mir vorstellen, aber du musst wissen, dass Rosalie und Jacob sich noch nie wirklich gut verstanden haben. Du solltest nicht glauben, dass es etwas mit dir zu tun hat.“ sagte Carlisle und ich verdrehte genervt die Augen, drängte mich an ihm vorbei und stand auf.
„Wenn es so einfach wäre, sich auszusuchen, was man glaubt und was nicht. Du hast ihn gestern nicht gesehen. Er war kurz davor, Rose zu schlagen.“ Ich öffnete meinen Kleiderschrank und suchte mir lustlos etwas zum Anziehen heraus. „Ja, sie hat ihn provoziert und ja, sie war ziemlich gemein dabei, aber das rechtfertigt doch noch lange keine körperliche Gewalt. Und was sie alles angedeutet hat.“ Ich drehte mich wieder zu Carlisle um und war selbst mitten in das Thema geschlittert, dass ich hatte vermeiden wollen. „Habe ich wirklich so viel wegen ihm geweint?“ fragte ich schließlich ruhig und Carlisle erhob sich.
„Ja, er hat dich viele Tränen gekostet. Aber das war, bevor er erkannt hat, was für ein tolles Mädchen du bist. Von dem Moment an, indem er sich für dich entschieden hat, war dein Glück seine oberste Priorität.“ versicherte er mir und ich wandte mich wieder meinem Schrank zu.
„Rose klang irgendwie so angewidert. Als habe er etwas getan, das sie ihm unmöglich verzeihen kann.“
„Nennen wir es einfach natürliche Abneigung, Liebes. Es hat nichts mit dem zu tun, was zwischen dir und Jacob ist und es hat auch nichts damit zu tun, was Jacob vielleicht irgendwann einmal getan hat. Die beiden können einander einfach nicht riechen.“ sagte Carlisle und ich runzelte die Stirn.
„Es klang irgendwie nach mehr.“ seufzte ich und nahm schließlich eine schwarze Röhrenjeans und eine türkise Bluse vom Bügel. „Aber egal. Was zwischen den beiden ist, soll zwischen ihnen bleiben, wenn es nichts mit mir zu tun hat. Auch wenn ich es lieber sehen würde, wenn sie sich verstünden.“ sagte ich schlicht und drehte mich wieder zu Carlisle. „Was für ein Tag ist heute?“
„Samstag.“ antwortete er knapp und ich nickte.
„Denkst du, Jake ist zu Hause?“
Carlisle lächelte breit und nickte.
„Ich gehe davon aus, dass er nur darauf wartet, von dir zu hören.“
„Würdest du mich zu ihm fahren?“ fragte ich unsicher und Carlisle nickte.
„Klar. Wie lange brauchst du?“
„30 Minuten?“ schätzte ich vage und Carlisle zeigte sich einverstanden.
„Ich werde unten auf dich warten.“ sagte er und steuerte die Tür zum Korridor an.
Ich beeilt mich unter die Dusche zu kommen, meine Haare zu föhnen und mich anzuziehen.
Hüpfend schlüpfte ich in meine grauen, flachen Stiefeletten, griff nach einer leichten Jacke und stürmte dann nach unten.
„Carlisle? Ich bin fertig.“ rief ich durch das Haus und keine Sekunde später stand er neben mir.
„Das waren ja nicht einmal 20 Minuten. Du hast es wohl ziemlich eilig, hm?“ neckte er mich und ich zuckte mit den Schultern.
„Ich bin einfach nur neugierig. Ich will die Wahrheit und die kann ich nur von ihm bekommen.“
„Aha.“ schmunzelte Carlisle, nahm seinen Autoschlüssel und ich folgte ihm zur Garage.
Ich staunte nicht schlecht über die vielen protzigen Wagen und konnte nicht umhin, zu fragen, ob einer davon mir gehörte.
„Ja.“ nickte er und deutete auf einen echt schicken Oldtimer. „Das ist deiner.“
„Wow.“ entfuhr es mir und ich hätte gerne eine Runde mit ihm gedreht, doch traute ich meinem Erinnerungsvermögen noch nicht zu, sich an alle Verkehrsregeln zu erinnern.
Carlisle drückte auf seinen Schlüssel und die Lichter seines Mercedes blinkten kurz auf.
Ich stieg ein und wir fuhren durch den Wald zur Hauptstraße.
Wir unterhielten uns nicht viel. Ich war zu angespannt, was mich bei Jake erwarten würde und seltsamerweise schien auch Carlisle angespannt zu sein. Ich fragte nur kurz nach neuen Ergebnissen meiner Untersuchungen, doch hatte er mir nicht neues zu berichten und bat mich um Geduld.
Eine halbe Stunde später, bog Carlisle auf einen Schotterpfad ab und ich machte große Augen, als ich das Haus sah, zu dem wir fuhren.
Haus war eindeutig übertrieben. Es war mehr eine Hütte, rot angestrichen und mit einem kleinen Anbau hinter der Veranda. Reiches Mädchen, armer Junge, schoss es mir durch den Kopf und ich besah mir die vielen Schrottteile, die überall herumlagen.
Direkt vor der Hütte stand ein Pickup und ein Mann im Rollstuhl, half einem anderen Mann dabei Angelausrüstung auf die Ladefläche zu hieven.
Carlisle parkte seinen Wagen, stieg aus und ich folgte ihm auf dem Fuß.
Der Mann im Rollstuhl blickte besorgt zu uns und drehte sich in unsere Richtung.
„Dr. Cullen.“ sagte er verwundert. „Ist etwas passiert?“ fragte er und der andere Mann, der einen prächtigen Schnurrbart trug, wandte sich ebenfalls zu uns.
„Billy, Chief...“ Carlisle reichte beiden Männern die Hand. Ich hielt mich dicht hinter ihm und beäugte sie skeptisch.
„Ich werde nicht lange bleiben und ich hoffe, dass mein Besuch ohne Konsequenzen bleibt. Ich habe Besuch für Jake dabei. Lexi? Das ist Mister Black, Jakes Vater.“
Verschüchtert nickte ich ihm zu und streckte ihm dann ebenfalls meine Hand entgegen. Mister Black sah mich eindringlich an und ich konnte nicht einmal erahnen, was er dachte. Vielleicht waren wir einander bereits schon einmal vorgestellt worden, aber ich erinnerte mich nicht daran.
„Und das ist Chief Swan. Er ist Edwards Schwiegervater und der Polizeichef von Forks.“
„Hallo.“ sagte ich schüchtern und mein Blick flog förmlich herum, in der Hoffnung, ich würde Jake entdecken können.
„Jake ist im Haus, Lexi. Wieso gehst du nicht einfach zu ihm? Ich habe noch etwas mit deinem...Vater zu besprechen.“ sagte Mr Black und ich nickte.
Die Situation kam mir seltsam vor und ich war froh aus ihr entlassen zu werden.
„Darf ich dich anrufen, wenn ich wieder nach Hause will?“ fragte ich Carlisle und er nickte.
„Ja, aber ich bin mir sicher, Jake wird dich gerne nach Hause bringen.“
Ich nickte, stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste Carlisles Wange. Sie war eiskalt und ich bekam eine Gänsehaut.
„Dann bis später.“ sagte ich schnell und beeilte mich zum Haus zu kommen. Die Türe war nicht verschlossen und als ich eintrat, blickte ich mich unsicher um. Hier drinnen sah es nicht besser aus, als draußen und ich tastete mich vorsichtig vor.
„Jake?“ fragte ich leise und als keine Antwort kam, folgte ich meinem Instinkt, bis ich sein Zimmer gefunden hatte. Die Tür stand weit offen und Jake lag tiefschlafend auf seinem Bett, das mehr einer Pritsche ähnelte, als einem richtigen Möbelstück.
Ich bemühte mich leise zu sein und drehte mich einmal im Kreis, um mich in seinem Zimmer umzusehen. Mehr Platz gab es nicht. Doch im Gegensatz zu meinem eigenen Zimmer, konnte ich klar erkennen, dass es Jake gehörte. Bilder und Poster hingen an den Wänden, auf dem Boden hatte er eine ganze Ladung Wäsche verteilt und an einer Pinnwand hingen Fotos und Briefe.
Eben diese weckten meine Neugier und ich versuchte meine Schritte sorgsam durch die Kleidungsstücke am Boden zu wählen. Jake schnarchte leise und als ich die Pinnwand erreicht hatte, stach mir ein Foto sofort ins Auge. Es zeigte ein junges Mädchen, mit langen braunen Haaren in den Armen Jakes. Sie lachte eher halbherzig, als habe sie keine Lust fotografiert zu werden, während Jake breit lachte. Sein Haar war lang und tiefschwarz. Es stand ihm, wie ich fand. Vor allem das offene Lachen. Im Hintergrund standen zwei Motorräder und an den öligen Fingern, die Jake auf dem Foto hatte, mutmaßte ich, dass er sie repariert hatte.
„Lexi?“ nuschelte er plötzlich schlaftrunken hinter mir und ich erschrak, als habe er mich bei etwas Verbotenem erwischt.
„Ja?“ sagte ich zittrig und drehte mich zu ihm um.
„Ich bin so froh, dass du da bist.“ sagte er und schlug die Decke bei Seite.
Als ich sah, dass er nichts außer seinen Boxershorts trug, drehte ich mich augenblicklich wieder um.
Eigentlich war es bescheuert. Wären wir zusammen schwimmen gegangen oder an den Strand, hätte ich ebenso viel sehen können, wie jetzt. Doch beim Anblick seiner nackten Haut, spürte ich die Röte in meine Wangen schießen.
Ich hörte, wie er eine Jeans vom Boden nahm und schnell hinein schlüpfte und als ich vermuten konnte, dass er angezogen war, drehte ich mich wieder zu ihm.
„Was machst du hier?“ fragte er, aber es klang nicht, als sei ich unerwünscht.
„Versuchen dich nicht zu wecken...“ sagte ich, während mein Blick sich erneut auf seine nackte Brust legte. Unwillkürlich biss ich mir auf die Unterlippe und konnte nur schwer den Wunsch unterdrücken ihn anzufassen. Er bemerkte mein Starren und begann zu grinsen, während er den letzten Knopf seiner Hose schloss.
„Soll ich mich weiter anziehen oder wäre es dir lieber, wenn ich mich wieder ausziehe?“ neckte er mich und ich fühlte, wie mein Kopf tomatenrot anlief.
„Hm?“ fragte ich, als habe ich nicht mitbekommen, was er gesagt hatte.
Er grinste nur noch breiter und klaubte ein T-Shirt vom Ende seines Bettes auf, um es sich überzuziehen. Das war besser, sehr viel besser.
Ich schüttelte kurz den Kopf, um mich wieder zu konzentrieren und deutete dann auf das Bild an seiner Pinnwand.
„Wer ist das?“ fragte ich und versuchte bemüht gelassen zu klingen.
„Bella.“ sagte Jake und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Eine Freundin.“ ergänzte er und ich nahm das Bild von der Pinnwand, um einen weiteren Blick darauf zu werfen.
„Sie ist hübsch.“ sagte ich knapp und Jake nahm mir das Foto aus der Hand, um es wieder zurück an die Pinnwand zu heften.
„Ja, aber nicht halb so schön, wie du.“ sagte er und ich machte einen Schritt von der Wand zurück.
„Die langen Haare haben dir gut gestanden.“ versuchte ich abzulenken und er schmunzelte.
„Wenn du willst, kann ich sie mir wieder wachsen lassen.“ bot er an und ich nickte stumm.
Die Stille, die zwischen uns entstand, fühlte sich merkwürdig an. Sie war nicht unangenehm, sondern geprägt von gegenseitiger Zuneigung. Und egal, was ich am Morgen noch über ihn gedacht hatte, in seiner Gegenwart war es ohne Belang. Ich hatte es nicht vergessen und es bedurfte immer noch einer Klärung, aber es beherrschte nicht mehr meine Gedanken.
„Hast du schon gefrühstückt?“ fragte mich Jake plötzlich und ich schüttelte den Kopf.
„Nein.“ sagte ich.
„Lust in die Stadt zu fahren?“
Wieder schüttelte ich den Kopf.
„Ungern. Ich möchte nicht riskieren, jemandem über den Weg zu laufen, den ich kennen sollte und an den ich mich nicht erinnere. Das könnte peinlich werden.“ erklärte ich ihm und er nickte.
„Gut...dann... Sollen wir zum Strand fahren? Ich kenne eine kleine Bucht. Dort wären wir unter uns.“ schlug er vor und seine Idee fand Anklang bei mir.
„Das klingt besser.“
Jake schob sich sanft an mir vorbei und ich schloss die Augen, als sein Duft zu mir herüber wehte.
Er verschwand in dem kleinen, angrenzenden Badezimmer und begann sich das Gesicht zu waschen. Ungelenk tastete er mit geschlossenen Augen nach einem Handtuch und ich erbarmte mich, ihm eines zu reichen.
„Danke“ grinste er und trocknete sich gewissenhaft ab, bevor er zu seiner Zahnbürste griff.
Ich stand daneben und kam mir ein wenig fehl am Platz vor.
Wenn ich daran dachte, in welcher Hülle und Fülle ich scheinbar lebte und wie gering Jakes Besitz war, fühlte ich mich nur umso verwöhnter. Und das war kein schönes Gefühl.
„Magscht du mitm Motorrad fahren?“ fragte er nuschelnd und hatte sich seine Zahnbürste in den Mundwinkel geschoben.
„Wenn du möchtest, klar.“ antwortete ich und fokussierte meinen Blick wieder auf ihn.
Eine kleine Spur Zahnpasta schlängelte sich an seinem Kinn entlang und instinktiv beugte ich mich vor, um sie fortzuwischen.
Er lächelte warm und ich erwiderte es, während ich mich wieder ein wenig zurück zog und wartete, bis er mit seinem optischen Erscheinungsbild zufrieden war. Er gelte seine Haare nach oben und ich ging zurück in sein Zimmer, wo ich mir erneut das Foto ansah.
„Du solltest dir wirklich die Haare wieder wachsen lassen.“ rief ich durch den Flur zu ihm herüber und hörte ihn lachen.
„Dein Wunsch ist mir Befehl! Wird aber ´ne Weile dauern.“
„Warum hast du sie überhaupt abgeschnitten?“ fragte ich zurück, als er im Türrahmen erschien.
„Gruppenzwang“ sagte er knapp und obwohl ich gerne eine ausführlichere Antwort gehabt hätte, bohrte ich nicht weiter nach.
Ich hatte seine Haare nur zum Thema gemacht, um überhaupt etwas sagen zu können.
Der unangenehme Teil unserer Unterhaltung konnte ruhig noch etwas warten.
„Fertig?“ fragte er schließlich und ich nickte. „Dann komm.“
Er streckte seine Hand nach mir aus, als wäre es ein innerer Automatismus, doch ich ignorierte sie.
Ich wollte erst wissen, was er mir noch zu sagen hatte und bis dahin nicht zulassen, dass seine körperliche Nähe, mir die Sinne vernebelte.
Seufzend zog er seine Hand wieder zurück, schenkte mir aber sofort ein aufmunterndes Lächeln, als Zeichen, dass er mir nicht böse war, dass ich seine Hand ignorierte.
Ich folgte ihm nach draußen, wo sein Vater und der Chief immer noch dabei waren, den Wagen zu beladen.
Carlisles Mercedes war bereits wieder verschwunden und ich fragte mich insgeheim, was sie miteinander besprochen hatten.
Jake grüßte die beiden Männer kurz und ging zu dem angrenzenden Schuppen hinüber öffnete die Türen und ich blieb abwartend stehen.
Keine 20 Sekunden später schob er ein eines der Dirtbikes vom Foto nach draußen und reichte mir einen Helm.
„Sicherheit geht vor.“ lachte er und ich setzte mir dieses modische Übel auf, ohne weiter darüber nachzudenken.
„Und was ist mit dir?“ fragte ich, als ich sah, dass er nur meinen Helm dabei hatte.
„Ich habe ´nen ziemlichen Dickschädel. Dem passiert so schnell nichts. Zudem werde ich vorsichtig fahren, ich habe schließlich eine wertvolle Fracht bei mir.“ er zwinkerte mir zu und setzte sich auf das Motorrad.
Knatternd startete der Motor und unbeholfen kletterte ich hinter ihm auf den Sozius.
Nun war ich gezwungen, mich mit seiner Nähe zu arrangieren und so klammerte ich mich an ihn, die Arme fest um seine Mitte geschlungen. Irgendwie war mir nicht wohl.
„Gut festhalten.“ sagte er unnötigerweise und schon preschten wir über den Schotterweg zur Straße.
Der Motor war unglaublich laut und noch hatte ich kein wirkliches Vertrauen zu dem Gefährt gefasst.
Doch nur wenige Minuten später, fand ich Gefallen an dieser Art der Fortbewegung.
Die Morgensonne schien warm in mein Gesicht, der Wind zerrte an meinen Haaren unter dem Helm und Jakes warmer Körper vor mir, fühlte sich unglaublich gut an.
Unwillkürlich musste ich grinsen. Das Adrenalin pumpte durch meinen Körper und die Bäume, die die Straßen säumte, flogen regelrecht an uns vorbei.
Es war ein kleines Stück Freiheit und ich hatte das Gefühl, alles hinter mir lassen zu können.
„Schneller.“ flüsterte ich begeistert in Jakes Ohr und er drehte den Gashebel durch. Es gab einen Ruck und ich hatte das Gefühl zu fliegen.
Am liebsten hätte meine Arme dem Wind entgegen gestreckt, doch traute ich mich nicht Jake loszulassen.
Viel zu früh, bog Jake von der Hauptstraße ab und der unebene Grund, der uns nun erwartete machte die Fahrt weniger angenehm. Ich würde auf meinem Sitz durchgeschüttelt wie ein Martini und war froh, als Jake schließlich anhielt. Mit zittrigen Knien stieg ich ab und löste den Helm, um ihn abzunehmen.
„Haben wir das früher schon einmal gemacht?“ fragte ich atemlos und Jake schüttelte den Kopf.
„Nein, das war unser erstes Mal“ grinste er und ich schnitt ihm eine Grimasse.
„Es sollte nicht unser letztes Mal bleiben. Das war echt der Hammer.“ sagte ich begeistert und legte den Helm ab.
„Jeden Tag, wenn du möchtest.“ sagte Jake und ich überlegte einen Moment.
„Lieber nicht, sonst gewöhne ich mich noch dran und dann ist es nichts Besonderes mehr.“
Erst jetzt begann ich mich umzusehen. Ich schmeckte das Salz in der Luft und spürte den sandigen Untergrund unter meinen Füssen, doch konnte ich noch kein Meer sehen.
Wir waren umringt von Bäumen und es sah nicht so aus, als gäbe es hier irgendwo einen Weg.
„Und jetzt?“ fragte ich fast ein wenig enttäuscht.
„Jetzt gehen wir zum Strand.“ sagte Jake und schlug sich links von mir in die Büsche.
Ich verzog kurz das Gesicht und folgte ihm dann, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wohin wir gingen. Wir schlugen uns durchs Unterholz, wobei Jake sehr darauf bedacht war, mir sämtliche Äste aus dem Weg zu halten und nach einer gefühlten Ewigkeit, lichtete sich der Wald und ich hörte ganz deutlich das Rauschen der Wellen.
Ich richtete mich nach der gebückten Wanderung auf und starrte auf den schier endlosen Ozean vor mir.
„Wow.“ entfuhr es mir und Jake lächelte weich.
„Einen Vorteil hat es, unter Amnesie zu leiden.“ sagte er grinsend und ich runzelte die Stirn.
„Es gibt immer etwas Neues zu entdecken.“
Ich genoss es zu sehen, wie Lexi mit weit geöffneten Augen des Meer bestaunte und wie sie vorsichtig ihre Schritte über den Sand wählte.
Ich folgte ihr mit einigem Abstand und setzte mich schließlich einfach hin, zog meine Schuhe aus und streckte mein Gesicht der Sonne entgegen. Es würde ein schöner Tag werden. Einer der wenigen, die uns das Wetter in Forks bescherte.
Es hätte perfekt sein können. Ich beobachte Lexi, wie auch sie sich die Schuhe von den Füßen streifte und die Socken sogleich folgten und sie wie ein Kind den Sand zwischen ihre Zehen rieseln ließ. Doch ich wusste, dass die Geschehnisse des gestrigen Abends durchaus in der Lage dazu waren, mir das Genick zu brechen. Ich hatte mich nicht beherrscht und das würde ewig eines meiner größten Probleme bleiben. Als Blondie anfing mich zu provozieren, war ich einfach voller Angst gewesen, dass sie etwas sagen würde, dass Lexi verletzen konnte. Und damit hatte ich genau das erreicht, was ich eigentlich hatte verhindern wollen. Schließlich war ich derjenige gewesen, der Dinge gesagt und getan hatte, die Lexi Angst machten.
Und es würde nicht einfach werden mich wieder aus dieser Geschichte heraus zu winden ohne die Wahrheit dabei vollkommen zu verdrehen.
Für den Moment allerdings, schien es zweitrangig zu sein. Lexi hüpfte mit nackten Füssen durch die anrollenden Wellen und quietschte vergnügt, als das Wasser ihre Hose durchtränkte, obwohl sie diese hochgekrempelt hatte.
Sie so zu sehen, war wundervoll und ich begann daran zu denken, dass ein Gedächtnisverlust nicht das Schlimmste für uns sein musste. Lexi würde endlich eine Chance erhalten, ein normales Leben zu führen. Ohne Angst und Bedrohung. Sie würde all die Dinge tun können, auf die sie die letzten 200 Jahre verzichtet hatte. Auch wenn ich mir wünschte, dass sie sich an mich erinnerte, war das ein kleiner Preis, um sie so unbeschwert sehen zu können.
Immer wieder blickte sie lachend zu mir und ich sah sie einfach nur zufrieden an.
Ihre Augen strahlten so sehr, dass sie der Sonne Konkurrenz machen konnten und ihr Haar fiel ihr so weich über die Schultern, dass ich am liebsten mein Gesicht darin verborgen hätte.
Ich fand sie wunderschön und ich wollte es ihr jeden Tag meines Lebens sagen und sie spüren lassen, dass sie die Einzige für mich war und sich nie etwas daran ändern würde, dass ich sie liebte.
„Sei nicht so eine Spaßbremse und komm her.“ lachte sie in meine Richtung und ich hätte nichts lieber getan, als mit ihr durch das Wasser zu tollen, wie zwei junge Hunde.
Aber ich wollte unser Gespräch hinter mich bringen, auch wenn es bedeutete, dass ich sie heute vielleicht zum letzten Mal lachen sah.
„Später.“ sagte ich knapp und schirmte meine Augen mit der Hand gegen die Sonne ab.
„Wir sollten reden. Mir liegt eine Menge auf der Seele und ich möchte dir sagen, was gestern mit mir passiert ist.“
Sie hielt in ihrem Spiel inne und straffte sich. Der Glanz aus ihren Augen war verschwunden und mit widerwilligen Schritten kam sie zu mir, um sich neben mich zu setzen.
Sie seufzte und ihre Hände fuhren durch den Sand, nahmen ihn auf und ließen ihn wieder zu Boden rieseln.
„Wir können nicht einfach so tun, als sei nichts passiert, oder?“ fragte sie, ohne mich anzusehen.
„Ich befürchte nicht.“ sagte ich ehrlich. „Ich habe mich gestern eindeutig falsch verhalten und ich schulde dir eine Entschuldigung dafür.“
Sie ließ den Sand fallen und blickte mich an.
„Ich verstehe einfach nicht, was zwischen dir und Rose ist. Sie scheint dich regelrecht zu hassen und du scheinst nicht gerade besser auf sie zu sprechen zu sein. Was ist passiert, dass ihr unversöhnlich seid?“ fragte sie und hatte damit genau die Frage gestellt, die ich im Moment nicht ehrlich beantworten konnte.
„Weißt du...“ begann ich. „Blondie hält nicht viel von mir, weil wir einfach zu verschieden sind.“
„Weil wir reich sind und du...“ Sie biss sich auf die Unterlippe, um die folgenden Worte zu unterdrücken.
„Weil ich nicht viel Geld habe?“ fragte ich und sie nickte. „Nein, darum geht es nicht. Es hat eher etwas mit meiner...Abstammung zu tun.“
Lexis Augen weiteten sich in Unglauben.
„Willst du damit sagen, Rose ist rassistisch? Sie mag dich nicht, weil du indianischer Abstammung bist?“ fragte sie entsetzt und ich seufzte langanhaltend.
„Nein, es hat nichts mit meiner Hautfarbe zu tun."
„Womit hat es dann etwas zu tun? Du redest um den heißen Brei, Jake, und das weißt du auch. Wenn es nicht der kulturelle Unterschied ist und auch nichts mit Geld oder Stand zu tun hat, welchen Unterschied gibt es dann? Dass du ein Mann bist und sie eine Frau? Komm schon, Jake, verkauf mich nicht für dumm. Ich habe Augen im Kopf und ich habe gesehen, dass ihr einander bis aufs Blut hasst. Das rührt nicht daher, dass du anders bist, als sie.“ sagte sie gereizt und ich wusste nicht, wie ich ihr erklären sollte, dass wir einfach natürliche Feinde waren und dass das Leben als Wolf es mit sich brachte Vampire nicht sonderlich zu mögen.
Ich schwieg, aus Angst ich könne etwas sagen, dass die Sache nur noch schlimmer machen würde.
„Hattest du mal was mit ihr?“ fragte sie plötzlich und ich erschrak.
„Gott bewahre.“ stieß ich aus und schüttelte den Kopf, um meine Aussage zu unterstreichen.
„Du hast gesagt, dass ich dir immer trauen kann.“ sagte sie und ich spürte, wie meine Eingeweide zu Eis erstarrten. „Gib mir einen Grund es zu tun und sag mir bitte, was zwischen euch vorgefallen ist, dass Rose dich so verachtet. Sie sprach davon, dass du dich nicht unter Kontrolle hast. Heißt das, du hast mich vielleicht einmal etwas zu hart angefasst?“ Sie schlug die Augen nieder, konnte mir bei dieser Vermutung nicht in die Augen sehen.
„Nein.“ sagte ich schnell und verletzt. „Ich habe dich nie angerührt und auch Rose nicht. Niemanden aus deiner Familie. Ich würde mir eher mein Herz mit einem Löffel raus schneiden lassen, als dir Schmerzen zuzufügen.“ verteidigte ich mich.
„Warum mit einem Löffel?“ fragte sie irritiert und ich senkte nun meinen Blick.
„Ein Löffel ist stumpf, es würde mehr wehtun.“ erklärte ich und sah aufs Meer hinaus.
Sie schwieg und das einzige Geräusch um uns herum, war das der Wellen und einiger Möwen, die über unseren Köpfen flogen.
„Ich glaube dir.“ sagte sie schließlich und ich hob den Kopf.
„Wirklich?“ fragte ich angespannt.
„Ja.“ Auch sie sah aufs Meer hinaus und blinzelte gegen das helle Sonnenlicht an. „Ich kann selbst entscheiden, was ich glaube, oder nicht? Du hast mir bisher keinen Grund gegeben, zu glauben, dass du dich mir gegenüber nicht anständig verhalten hast. Und wenn ich mich irre und zwischen uns doch etwas steht, dann weiß ich es nicht mehr. Ich sehe es als Neuanfang und das Einzige, worauf ich mich verlassen kann, ist mein Instinkt. Solange, bis mir das Gegenteil bewiesen wird, werde ich daran glauben, dass du immer gut zu mir warst. Im Zweifel für den Angeklagten.“
„Ich war nicht immer gut zu dir.“ sagte ich zerknirscht und blickte wieder zu ihr herüber.
Sie rieb die Lippen aneinander und atmete tief durch.
„Ich habe es nicht besser gewusst. Als wir uns kennenlernten, gehörte mein Herz noch einer anderen und ich habe nicht gesehen, dass du die bessere Wahl für mich bist. Ich war gemein zu dir und ich habe dich mehr als einmal zurückgewiesen. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich dich niemals so behandelt. Ich war blind und ja, ich habe dich zum Weinen gebracht. Ich war einfach ein Arsch und es tut mir leid.“ sagte ich und traute mich nicht sie anzusehen. Ich hatte mir mein eigenes Grab geschaufelt, aber ich wollte mich nicht so hinstellen, als sei ich ein Heiliger. Ich hatte sie mehrfach verletzt und es wäre nicht richtig, jetzt nicht dazu zu stehen.
Lexi stand auf, klopfte sich den Sand von ihrer Kleidung und ging zurück zum Wasser. Ihre Arme um den Oberkörper geschlungen, stand sie einfach da und ich schloss gequält die Augen.
Ich hätte meine Klappe halten sollen, aber wie so oft, hatte ich erst geredet und dann nachgedacht. Eine zumeist tödliche Mischung.
Ich stand ebenfalls auf und ging mit langsamen Schritten auf sie zu, blieb schließlich neben ihr stehen.
„Es tut mir leid.“ sagte ich leise und Lexi lachte heiser auf.
„Das sagst du oft.“ sagte sie ohne Wärme in der Stimme.
„Ich weiß.“ gab ich unumwunden zu.
„Danke.“ Sie drehte sich zu mir und schien gefasster zu sein, als ich es vermutet hätte.
„Wofür?“ fragte ich und sie lächelte.
„Du hättest es mir nicht sagen müssen. Es war deine Chance mich alles glauben zu machen, was du wolltest. Aber du warst ehrlich und stehst zu dem, was passiert ist und das rechne ich dir hoch an. War es Bella?“ fragte sie völlig aus dem Zusammenhang gerissen, aber ich wusste worauf sie hinaus wollte.
„Ja.“ Ich nickte und sie tat es mir gleich. „Aber das ist vorbei. Es gibt nur noch dich in meinem Leben und ich wünschte mir, dass ich das sehr viel früher gemerkt hätte. Wir hätten mehr Zeit miteinander gehabt.“
„Wahrscheinlich.“ sagte sie ungerührt und ich wusste nicht, was sie dachte. Sie hatte sich verschlossen und ließ mich nicht mehr an dem teilhaben, was in ihrem Inneren vorging.
„Ist es so wichtig, was vorher war?“ fragte ich und hoffte, sie würde diese Frage verneinen.
„Ja, denn ohne die Vergangenheit zu kennen, kenne ich meinen Weg in die Zukunft nicht. Würdest du mir unsere Geschichte erzählen?“ fragte sie und strich sich das Haar hinter die Ohren, das jedoch sofort vom Wind wieder hervor geholt wurde.
„Was möchtest du wissen?“ fragte ich zurück und sie zuckte mit den Schultern.
„Wenn es geht, alles.“ entgegnete sie unverblümt und ich sah mich gezwungen, ihr Rede und Antwort zu stehen.
„Komm.“ Ich nahm ihre Hand, dieses Mal nicht darauf achtend, ob sie es wollte, und führte sie wieder vom Wasser weg und zog sie mit mir nach unten auf den Sand.
Sie wehrte sich nicht, ließ zu, dass ich ihre Hand hielt, sogar dann noch, als wir bereits saßen und es eigentlich keinen Grund mehr dafür gab.
„Ich glaube,...“ begann ich und sah, dass Lexi mir aufmerksam zuhörte. „als wir uns das erste Mal trafen, hast du bereits gewusst, dass du mehr für mich sein würdest, als ich es je zu hoffen gewagt hätte. Aber ich war damals noch nicht bereit, mich auf dich einzulassen. Ich war in Bella verliebt und so verrannt in die Idee, dass sie die Richtige für mich ist, dass ich keinen Blick mehr für jemand anderen hatte. Aber ebenso hartnäckig, wie ich versuchte, mich an Bella festzuhalten, so hartnäckig hast du daran gearbeitet, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Du hast so sehr an uns geglaubt, es hat angefangen mir zu imponieren.“
„Das heißt, die ganze Sache ist von mir ausgegangen? Und ich habe dich dazu „überredet“, mit mir zusammen zu sein?“ fragte sie und ich spürte, wie sie sich immer weiter von mir zurückzog.
„Nein, so ist es nicht gewesen. Ich gebe zu, ich habe eine ganze Weile gebraucht, um mich überhaupt an den Gedanken zu gewöhnen, zwischen uns könnte etwas passieren. Aber manchmal begegnet einem die Liebe, während man eigentlich andere Pläne macht. Ab dem Moment, da es Klick in meinem Kopf, in meiner Brust gemacht hat, da war mir alles andere egal. Bella war mir egal und auch die Tatsache, dass ich es mir eigentlich nie hatte vorstellen können, mit dir zusammen zu sein.“ Ich atmete tief durch und sah abwartend zu ihr. Sie schien die Dinge, die ich gesagt hatte, erst einmal rekapitulieren zu müssen.
„Das klingt alles irgendwie nicht sehr romantisch.“ seufzte sie und ich musste ihr zustimmen, ob ich wollte oder nicht. Ich konnte ihr nichts von den Einzelheiten erzählen, die die Geschichte vielleicht ein wenig intensiver gestaltet hätten, aber dann hätte ich ihr auch gleich reinen Wein einschenken können und dafür war es in meinen Augen noch zu früh.
„Es war romantisch und das ist es immer noch.“ versuchte ich richtig zu stellen. Ich legte zögernd meinen Arm um sie und zog sie sanft an meine Brust.
„Mein Herz schlägt nur für dich.“ sagte ich und sie hielt still, während sie meinem Herzschlag lauschte. Vorsichtig, um die entstehende Nähe zwischen uns nicht wieder zu zerstören, ließ ich mich zurück sinken, nahm sie dabei mit und streichelte weich durch ihre roten Locken.
Sie legte ihre Hände auf meine Brust und stützte ihr Kinn darauf ab, um mich anzusehen.
„Warum hast du dich in mich verliebt, Jake?“ fragte sie offen und ich verlor mich für einen Moment in ihren grünen Augen.
„Es gibt mehr als nur einen Grund dafür.“ sagte ich verträumt und wickelte eine ihrer Locken um meinen Finger, während ich meinen freien Arm hinter meinen Kopf legte.
„Nenn mir einen.“ bat sie und ich musste unwillkürlich lächeln, wenn ich daran dachte, warum sie mir so viel bedeutete.
„Ich bin nicht so gut mit Worten.“ gestand ich, aber sie ließ diese Ausrede nicht gelten.
„Das ist mir egal, Jake. Sag es einfach so, wie du es fühlst.“
„Immer wenn ich dich ansehe,“ begann ich leise „dann ist es, als komme ich nach Hause. Wenn du einen Raum betrittst, dann ist es, als habe jemand das Licht angeschaltet. Wenn du sprichst, hört dir jeder zu, denn du weißt immer, was du sagst. Die Art und Weise, wie du deine Familie und deine Freunde beschützt, so voller Hingabe, imponiert mir und ich respektiere dich dafür.
Du hast mich dazu gebracht, über mich nachzudenken, über meine Entscheidungen und es war dir immer egal, ob ich reich bin oder nicht. Denn du hast an mich geglaubt und gewusst, dass es nicht wichtig ist, was ich habe, sondern wer ich bin.
Und das einzige, was mich am Ende des Tages nicht durchdrehen lässt, ist zu wissen, dass ich dich an meiner Seite habe. Du bist der einzige Ort, an dem ich immer ich selbst sein kann und du bist mit mir auf eine Art verbunden, die niemand sonst in der Welt mit mir teilt. Und auch wenn sich unser Leben ändert, weiß ich, dass ich dich immer lieben werde, egal was auch passieren mag. Du hältst mich auf dem Boden und zeigst mir doch, wie man fliegt. Du hast mir beigebracht geduldiger zu sein und ich habe dir Vertrauen gezeigt. Wir ergänzen einander, als seien wir füreinander gemacht. Wenn du lachst, dann geht meine Sonne auf und wenn du weinst, dann geht meine Welt unter. Aber es macht alles Sinn. Der ganze Wahnsinn, er ist es wert, wenn ich dich in meinen Armen halten darf.“ Ich musste schlucken und räusperte mich kurz, denn ich befürchtete meine Stimme würde brechen.“Es ist die Art, wie du mich ansiehst, die Art, wie dein Mund sich kräuselt, wenn du meinen Namen sagst und es ist das Gefühl tief in mir drin, wenn ich an dich denke.“
Lexi schwieg und es war diese Stille, die mich nervös machte. Ich hob den Kopf, um sie ansehen zu können und erschrak, als ich Tränen in ihren Augen glitzern sah.
„Das...das war wunderschön.“ stammelte sie und ich nahm ihr Gesicht in meine Hände, wischte mit dem Daumen, all ihre Tränen weg und zog sie enger zu mir.
Sie streckte sich ein wenig und ich spürte, wie mein Herz davon zu galoppieren drohte, als sich ihr süßer Atem, meinem Mund näherte. Ich ermahnte mich dazu, mich zurück zu halten, sie nicht zu verschrecken, obwohl alles in mir nach dieser einen Berührung lechzte.
Ganz vorsichtig kam sie mir entgegen, ihr Körper lag auf dem meinen und ich schloss meine Arme um sie, dankbar sie halten zu dürfen.
Und als ihre Lippen die meinen berührten, versank ich in absoluter Vollkommenheit. Ich hatte sie wieder, meine Lexi, meine kleine Hexe. Das Blut rauschte laut in meinen Ohren und mein Herz lehnte sich gegen meinen Brustkorb auf, weil es nicht mehr genug Raum hatte, für das was ich empfand. Ich spürte das Verlangen in meinen Adern pulsieren und meine Hand fuhr zu ihrem Kopf, griff in ihr volles Haar, sie immer enger an mich drängend.
Ich wusste, dass ich mich zurückhalten sollte, aber ich konnte es nicht. Ich hatte so lange auf sie verzichten müssen, solche Sorgen um ihr Leben durchlitten und sie jetzt so und auf diese Weise zu spüren, brachte mich schier um den Verstand.
Doch sie begehrte nicht auf, sondern drängte sich mir entgegen, als spüre sie das Gleiche und schließlich war ich derjenige, der sie bremsen musste. Nicht dass ich es gerne tat. Ich hätte sie noch Stunden so küssen können, doch der Schmerz in meinen Lenden wurde gefährlich intensiv und ich wollte nicht, dass sie sich zu irgendetwas genötigt sah.
Als ich mich von ihr löste und ihre Augen sah, meinte ich für einen kurzen Moment, nicht das von mir geliebte Grün zu sehen, sondern ein tiefes, gefährliches Schwarz.
Behutsam näherte ich mich ihren Lippen, zu einem letzten flüchtigen Kuss, bevor ich mich leicht aufrichtete. Ich strich ihr liebevoll über die Wange und war mir schon gar nicht mehr sicher, ob ich die Veränderung in ihren Augen überhaupt gesehen hatte. Ihr Gesicht war gerötet und ich musste schmunzeln.
„Ich glaube, wir könnten beide eine kleine Abkühlung gebrauchen, hm?“ fragte ich sie und erntete nur ein stummes Nicken. Sie erhob sich ganz und ich folgte ihr, als ich sah, dass ihre Hände unkontrolliert zitterten. Ich griff danach und fühlte, dass sie eiskalt waren.
„Ist alles in Ordnung?“ fragte ich besorgt und Lexi entzog sich mir, um ihre Hände vor mir zu verstecken.
„Ja, alles bestens.“ sie versuchte ihre Unsicherheit mit einem Lächeln zu überspielen. „Ich bin nur ein bisschen aufgeregt. Das war schließlich mein erster Kuss....so gesehen.“ entschuldigte sie sich, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass etwas mit ihr nicht stimmte.
Aber ich schwamm noch zu sehr auf der Welle meiner Erregung, als dass ich es ernst nahm.
„Wie sieht es aus? Wollen wir ins Wasser? Unsere Gemüter ein wenig beruhigen?“ Ich sah sie mit fragend hochgezogenen Augenbrauen an und langsam schien sie ihre Fassung wieder zu bekommen.
„Gibst du mir einen Moment, bitte?“ fragte sie und ich sah, dass sie an irgendeinem Gedanken oder Gefühl festhing, dass sie einfach nicht loslassen wollte.
„Kein Problem.“ sagte ich leicht zerknirscht und zog mir mein Shirt über den Kopf.
Ich sah, wie sie sich erneut abwenden wollte, ihr Blick dann jedoch an meinem Oberarm hängenblieb.
„Du hast ja ein Tattoo.“ sagte sie erstaunt und ich fuhr mir über die Haut, als hätte ich erst durch ihren Ausspruch gemerkt, dass ich eines besaß.
Sie kam zu mir und fuhr mit ihrer Fingerspitze über die schwarzen Linien.
„Es ist wirklich schön. Was stellt es dar?“ fragte sie neugierig und obwohl ich genau wusste, was es zeigte, sah ich noch einmal auf die Tinte unter meiner Haut, als müsse ich mich vergewissern.
„Es ist ein Stammeszeichen.“ sagte ich knapp und bekam eine Gänsehaut von ihrer Berührung.
Fasziniert ließ sie nun ihre Finger über die Linien und schließlich über meinen gesamten Arm gleiten, was augenblicklich ein elektrisierendes Gefühl in mir auslöste.
„Welchen Sport machst du eigentlich?“ fragte sie plötzlich und ich runzelte die Stirn.
„Sport?“ entgegnete ich irritiert und sie nickte.
„Irgendwo müssen deine Muskeln ja herkommen. Ich hab mich schon gefragt, welche Sportart dafür verantwortlich ist. Als ich in deinem Zimmer war, hatte ich fest damit gerechnet, hunderte Medaillen und Pokale zu finden.“ erklärte sie mir, als sei es das Natürlichste auf der Welt und ich ein Dummkopf, dass ihr ihre Frage nicht sofort verstanden hatte.
„Ich mache keinen Sport.“ sagte ich ehrlich und erntete von Lexi nur absolutes Unverständnis.
„Das heißt, du willst mir weismachen, dass dein Körper ein gottgegebenes Geschenk ist?“
„Naja, ich weiß nicht ob er so ein Geschenk ist, aber so hat mich der liebe Gott erschaffen, ja.“ sagte ich bescheiden und Lexi fing an zu grinsen.
„Du hast dich definitiv noch nie in einem Spiegel gesehen oder? Und ganz bestimmt noch nie mit den Augen einer Frau. Jake, du bist wunderschön.“
Diese Worte weckten Erinnerungen in mir, die ich lieber verborgen gehalten hätte.
Es nun von Lexi zu hören, machte mich verlegen.
„Dir geht’s gut, ja?“ fragte ich abwehrend und sie lachte laut.
„Warum können Männer nie ein Kompliment annehmen, wenn sie eines bekommen?“
„Weiß nicht.“ ich zuckte mit den Schultern und war beruhigt, dass sie sich scheinbar wieder vollkommen gefangen hatte.
Ihre Worte hatten mich so verunsichert, dass ich zu zögern begann auch meine Hosen auszuziehen, obwohl ich eigentlich nie Probleme damit hatte, meinen Körper zu zeigen.
Ich wusste, welchen Effekt meine nackte Haut auf Lexi hatte.
Aber ich wusste nicht, ob ich mich würde zurückhalten können, wenn sie mich weiterhin so ansah.
Als wir in Kanada gewesen waren und ich sie noch für Bella hielt, hatte ich ihren Blick gesehen, als ich aus der Dusche des kleinen Motel gekommen war.
Ich zog ihre Blicke wie magisch an und ich war mir nicht unbedingt sicher, dass dies eine gute Sache war. Auch am heutigen Morgen, war ihr die Röte unversehen in die Wangen geschossen und ihre Augen waren eine Spur dunkler geworden.
Wenn sie mich so ansah, wie sie es jetzt tat, mit diesem begehrenden Blick, dann machte es mich nervös. Ich wusste nicht welche Erwartungen sie an mich stellte, jetzt noch weniger, als vor ihrer Amnesie. Ich wusste nicht, ob sie jemals mit einem Mann zusammen gewesen war und ich wusste nicht, ob sie mit mir auf diese Weise zusammen sein wollte.
Was ich jedoch wusste, war dass es dafür eindeutig zu früh war. Unser „erster“ Kuss war erst wenige Minuten her und jeder weitere Schritt hatte Zeit.
„Du fängst nicht wirklich gerade damit an, dich zu schämen, oder?“ fragte sie belustigt und hatte damit den Nagel auf den Kopf getroffen.
Unentschlossen stand ich da, die Finger bereits an den ersten Knopf meiner Jeans gelegt und nicht fähig ihn zu öffnen.
„Ich hätte dich gar nicht für so schüchtern gehalten.“ neckte sie mich und ich kam mir ziemlich feige vor. Ich gab mir einen Ruck, zog meine Hose schließlich herunter und streifte sie mir von den Füßen.
„Sagt die Frau, die noch immer vollkommen bekleidet ist.“ sagte ich herausfordernd und stemmte die Hände in die Hüften. Die schwarzen Boxer bewahrten mein letztes bisschen Selbstbewusstsein.
„Da ich meinen Körper erst heute einer genaueren Untersuchung unterzogen habe und er sich noch lange nicht so anfühlt, als sei er mein eigener, habe ich überhaupt kein Problem damit, ihn dir zu präsentieren.“ kokettierte sie, zögerte jedoch ebenfalls, bevor sie begann ihre Bluse aufzuknöpfen.
Ich hielt den Atem an. Mit jedem Zentimeter den sie von ihrer hellen Haut freilegte, fiel es mir schwerer mein Verlangen nach ihr unter Kontrolle zu halten.
Jeder Zentimeter war perfekt, hellrosa und schimmerte wie Marmor. Unwillkürlich biss ich mir auf die Unterlippe und schluckte hart, als sie die Bluse zu Boden fallen ließ und in einem recht knappen, schwarzen BH vor mir stand.
Sie kicherte leise und wieder sah ich die Röte auf ihren Wangen. Ihre Augen blitzten und ich schloß für einen Moment die meinen, um mich wieder zu besinnen.
Doch lange konnte ich mich nicht von ihrem Anblick trennen und als ich meine Augen wieder öffnete, war sie gerade dabei, sich ihre Hose von den Hüften zu streifen. Hatte ich ihren BH für knapp gehalten, zeigte mir ihr Höschen nun was knapp wirklich bedeutete.
Meine Hände fuhren von meinen Hüften zu meinem Schritt, um zu verdecken, was ihr Anblick mit meinem Körper machte.
Sie grinste jetzt nur noch breiter und es schien ihr durchaus zu gefallen, welchen Reiz sie für mich darstellte.
Sie legte ihre Kleidung zu der meinen und als sie sich bückte, spürte ich bei der Aussicht auf ihren makellosen Po ein schmerzliches Ziehen in der Leistengegend.
Sie wusste genau, welche Wirkung sie auf mich hatte und sie reizte mich mit voller Absicht.
Sie machte mich verrückt und zwar in jeder erdenklichen Auslegung dieses Wortes.
„Dich werde ich nie wieder für schüchtern halten.“ sagte ich und spürte, wie trocken mein Hals geworden war.
„Willst du denn, dass ich schüchtern bin?“ fragte sie ruhig und ich schüttelte sofort den Kopf.
„Ich will nur nicht, dass du dich zu irgendwas ermuntert fühlst, dass zuviel für dich ist.“
„Jake...“ sagte sie lehrerhaft und kam mir mehr als nah. „ich bin ein großes Mädchen. Und ich mache nur das, wozu ich mich selbst bereit fühle. Abgesehen davon, gehen wir doch nur schwimmen. So mancher meiner Bikinis ist bestimmt mit weniger Stoff gesegnet, als dieses Ensemble hier.“ Sie präsentierte sich mir in ihrer ganzen Pracht und ich spürte, wie sich mein gesamter Körper anspannte.
„Für ihre schmutzigen Gedanken kann ich nichts, Mister Black.“ zwinkerte sie mir zu und lief lachend in Richtung Wasser.
„Kleine Hexe.“ murmelte ich und rannte hinter ihr her.
Das kühle Wasser des Meeres spritzte in alle Richtungen, als ich sie verfolgte und sie quietschte vergnügt, bei dem Versuch mir zu entkommen.
Wir waren bereits hüfthoch im Wasser, als ich ihr Handgelenk zu fassen bekam und mit einem Ruck zog ich sie zu mir.
„Weglaufen gilt nicht.“ schalt ich sie und sie schlang ihre Arme um meine Mitte.
„Ich lauf nicht vor dir weg.“ grinste sie und schnappte verspielt nach meinen Lippen.
„Du bist ganz schön frech, meine Kleine.“ entgegnete ich und schnappte nun meinerseits nach ihren Lippen.
Im Gegensatz zu mir jedoch, wich sie nicht aus, sondern begann ein weiteres Mal mich zu küssen.
Erneut trafen meine Lippen auf die ihren und das Gefühl, das sich dabei durch jede meiner Adern zog, löste in jeder meiner Zellen ein wahres Feuerwerk aus.
Weich und doch verlangend drängte ich mich ihr entgegen, die Hitze meines Körpers mit ihr teilend.
Die Intensität dieses Gefühls übertraf meine kühnsten Vorstellungen auf ein neues und ich war mir ihrer so bewusst und gleichzeitig hatte ich das Gefühl, nicht mehr zwischen Oben und Unten unterscheiden zu können.
Sie verwirrte und animierte mich zugleich.
Fordernd teilte meine Zunge ihre Lippen, begab sich auf eine Entdeckungsreise zwischen selbigen. Alles in mir schrie nach ihr, nach ihren Händen und Lippen und dem was diese in mir zum brennen brachten.
Ich kostete sie in vollen Zügen aus, nahm mir, was mein Körper mir befahl sich zu nehmen und nur langsam lösten sich meine Lippen wieder von ihren und begannen eine brennende Spur aus Küssen und Bissen über ihren Hals hinab zu zeichnen.
Ich hörte, wie sie begann schneller zu atmen und ich wusste, dass wenn ich mich jetzt nicht von ihr löste, ich es nie wieder würde tun können.
Also löste ich mich von ihr und hauchte ihr nur einen kurzen Kuss auf die Lippen, ließ sie jedoch nicht los.
„Du bist ganz schön gierig.“ sagte ich schmunzelnd und hatte sie damit offensichtlich keineswegs beleidigt.
„Du warst derjenige, der mir sagte, ich sei verrückt nach ihm. Und jetzt nennst du mich gierig? Ich habe deinen Blick genau gesehen, Jacob Black, als ich mich ausgezogen habe. Und du bist nicht minder gierig, als ich es bin. Ist es denn so schlimm, dass ich dich küssen möchte?“ fragte sie mich und ich seufzte leise, während ich meine Stirn gegen ihre lehnte und ihr in die Augen sah.
„Nein, es ist nicht schlimm. Aber wir haben Zeit. Alle Zeit der Welt und ich will nicht, dass du glaubst, ich wäre nur mit dir zusammen, weil du so fantastisch küsst.“ versuchte ich meine Worte ein wenig aufzulockern. „ Wenn es nach mir ginge, könnte ich den ganzen Tag nichts anderes machen, als dich zu küssen.“ Ich küsste ihre Stirn. „Hier hin.“ Ihre Schläfe. „Und hier hin.“ Ihre Wange „Dort hin.“ Und schließlich ihre Lippen. „Und hier hin ganz besonders. Aber wir sollten nichts überstürzen. Ich kann warten, Lexi.“
„Ich weiß und ich danke dir dafür. Aber ich wüsste nicht worauf wir warten sollten. Es sind doch nur Küsse, Jake und ich habe das Gefühl, als habe ich bereits eine Ewigkeit darauf gewartet, dich zu küssen.“ sagte sie leise.
Das hast du, dachte ich im Stillen, sagte es jedoch nicht laut.
„Oder küsst du mich ungern“? fragte sie plötzlich bitter. „Vielleicht habe ich es ja verlernt und weiß nicht mehr wie es geht und nun sind meine Küsse schlabbrig oder schlimmeres.“
„Hey, Hey.“ ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und küsste sie ein weiteres Mal, um ihre Worte sofort Lügen zu strafen. „Ich liebe es dich zu küssen und du hast nichts verlernt. Du solltest nicht so selbstkritisch sein. Für mich ist alles an dir einfach perfekt. Aber unsere Beziehung war mehr als Körperlichkeit und ich wünsche mir, dass sie das auch wieder wird.“
„Da wird ein bisschen Knutschen doch nicht schaden.“ lächelte sie schüchtern und ich konnte nicht anders, als leise zu lachen.
„Nein, ein bisschen Knutschen wird nicht schaden.“
Nun lächelte sie wieder offener und ich senkte meine Lippen wieder auf die ihren.
Wenn es ihr solch ein Begehr war, mich zu küssen, warum sollte ich sie dann daran hindern, es zu tun? Ich genoss es ebenso sehr wie sie, doch musste ich mich bei diesen Zärtlichkeiten wesentlich mehr am Riemen reißen, als sie.
Vielleicht wollte ich es deswegen langsam angehen.
Damit ich lernen konnte, mit diesem immensen Verlangen meines Körpers umzugehen.
Dass Beherrschung nicht gerade meine Stärke, hatte ich ja nun bereits mehrfach bewiesen.
Es ging mir aber weniger um mich selbst, als um sie. Sie hatte ihr Gedächtnis verloren und kannte mich daher gerade einmal zwei Tage. Und auch wenn ich ihr gesagt hatte, wie ich für sie empfand, musste dies ja noch nicht bedeuten, dass sie meine Gefühle erwiderte.
Aber vielleicht erinnerte sich ein Teil in ihr daran, wie lange sie auf solche Nähe verzichtet hatte, wenn auch nicht bewusst. Und wer war ich, ihr diese Nähe vorzuenthalten?
Wir waren füreinander geschaffen, jetzt ebenso, wie vor ihrem „Unfall“ und alles was zählte, war, dass sie sich wohlfühlte. Was andere denken würden, konnte uns egal sein.
Und soweit ich es beurteilen konnte, fühlte sie sich in meiner Nähe mehr als wohl. Und dieses Wissen entzündete ein kleines Licht in meiner Brust.
Alles würde wieder gut werden. Sie öffnete sich mir und es war durchaus möglich, dass sie sich bereits ein weiteres Mal in mich verliebt hatte. Liebe passierte, wenn sie passierte. Niemand wusste das besser, als ich selbst. Und wenn meine Worte ihr gezeigt hatten, was einst zwischen uns gewesen war, würde ich mich nicht beschweren.
Zudem, wir waren Teenager...sie glaubte zumindest einer zu sein und aus meinem Umfeld wusste ich nur allzu gut, dass verliebte Jugendliche den ganzen Tag nichts anderes taten, als sich so lange zu küssen, bis ihre Lippen wund waren.
„Hey Yo, Jake.“ drang plötzlich eine Stimme zu uns herüber und erschrocken fuhren wir auseinander. Sofort stellte ich mich vor Lexi, die sich klein machte um das Wasser ihre Blöße verdecken zu lassen. Mein Blick flog zum Strand und ich sah meine Jungs. Alle mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und ich konnte einen kleinen Ansturm von Wut nicht unterdrücken.
„Hey Yo, ihr Spanner.“ rief ich zurück und rollte mit den Augen, weil wir auf diese Weise gestört wurden.
„Ich bin gleich wieder zurück.“ flüsterte ich zu Lexi, doch sie hielt meine Hand fest.
„Sind das Freunde von dir? Sollte ich sie kennen?“ fragte sie ängstlich und ich nickte.
„Drei von ihnen. Willst du ihnen Hallo sagen?“
„Ich weiß nicht. Es wäre wahrscheinlich unhöflich, wenn ich es nicht täte, oder?“ unsicher blickte sie zum Strand und ich konnte verstehen, warum sie beim Anblick von 5 halbnackten Jungs nervös wurde.
„Die Einzigen, die hier unhöflich sind, sind diese Kasper.“ beruhigte ich sie. „Warte kurz, ich hol dir mein Shirt.“
Ich wollte Lexi keineswegs in dieser Aufmachung den Blicken des halben Rudels aussetzen und so beeilte ich mich an den Strand zu kommen, mein Shirt vom Boden aufzuklauben und es zu ihr ins Wasser zu bringen.
„Danke“ nuschelte sie verlegen und streifte es sich über, wobei es mir egal war, dass es nun nass wurde. Wieder nahm sie meine Hand und ich drückte diese sanft.
„Sie sind nicht so schlimm, wie sie es den Anschein macht.“ versicherte ich ihr und sie nickte.
Ich führte sie aus dem Wasser und sie zog leicht an meinem Shirt, damit es bis zu ihren Oberschenkeln reichte.
Als wir die Gruppe der anderen erreicht hatten, ließ ich sie durch einen einzigen Blick spüren, dass ich nicht gerade erfreut über ihr Auftauchen war.
„Lexi, das sind Quil, Embry und Seth. Du bist ihnen bereits ein paar Mal begegnet.“
Lexi hob verlegen ihre Hand und grüßte stumm in die Runde.
„Schön dich wiederzusehen.“ sagte Embry und lächelte freundlich. Ich war ihm dankbar, dass er dieses kleine Spiel mitspielte, denn eigentlich kannte er Lexi, so wie sie jetzt aussah, nicht.
„Tut mir leid wegen der Sache mit deinem Kopf.“ bemerkte Seth und brachte Lexi damit zum lächeln.
„Ja, mir auch.“ scherzte sie und Seth grinste.
„Das sind Paul und Jared, ihr hattet noch nicht das Vergnügen.“ stellte ich die anderen beiden vor und Lexi nickte auch ihnen wohlgesonnen zu.
„Freut mich dich kennen zu lernen. Wir haben ja schon ´ne ganze Menge von dir gehört.“ grinste Paul und zog dabei vielsagend die Augenbrauen in die Höhe.
„Ich hoffe nur Gutes.“ lachte Lexi, doch der Druck ihrer Hand, die in der meinen lag, zeugte davon, dass sie immer noch nervös war.
„Das meiste davon war gut.“ feixte Paul und ich warf ihm erneut einen mahnenden Blick zu.
„Was macht ihr hier?“ fragte ich, um dem Grund ihres Auftauchens auf die Schliche zu kommen.
„Wir hatten Sehnsucht nach dir. Du lässt dich ja seit Ewigkeiten nicht mehr bei uns blicken.“ bemerkte Jared.
„Und? Wundert euch das?“ entgegnete ich gereizt.
„Jetzt nicht mehr wirklich.“ grinste Paul und ließ seinen Blick für meinen Geschmack etwas zu lange über Lexis Gestalt wandern.
Ich zog sie augenblicklich wieder etwas hinter mich, um sie vor den Blicken der anderen zu beschützen. Vor allen vor denen Pauls.
„Ach komm schon, Jake. So war das nicht gemeint.“ sagte Paul entschuldigend, aber ich war nicht in der Stimmung für seine Scherze.
„Also, warum seid ihr wirklich hier?“ fragte ich erneut.
„Sam will dich sehen.“ sagte Seth knapp und ich stieß einen Schwall Luft aus.
„Kann das nicht warten?“
„Denkst du, Sam würde uns alle auf die Suche nach dir schicken, wenn es nicht wichtig wäre und warten könnte?“ entgegnete Jared und ich musste ihm zustimmen.
„Nein. Schon okay. Ich werde nachher zu ihm gehen.“ erklärte ich seufzend, doch Quil verzog leicht das Gesicht.
„Eigentlich will er dich sofort sehen.“
„Das geht nicht. Ich muss Lexi noch nach Hause bringen. Danach bin ich gerne bereit, Sam meine Aufwartung zu machen. Bis dahin wird er warten müssen.“ schloß ich ernst und die Jungs nickten.
„Okay, aber beeil dich. Wir warten bei Emily auf dich. War nett dich wieder zu sehen, Lexi.“
Sie winkten ihr zu und trollten sich lachend und scherzend wieder von dannen.
„Stimmt.“ sagte Lexi plötzlich. „sie sind wirklich nicht so schlimm, wie es den Anschein macht.“ Sie grinste breit und ich schüttelte lachend den Kopf.
„Du hast sie nur 5 Minuten ertragen. Ich befürchte, ich muss sie den ganzen Abend um mich dulden.“
„Das heißt, ich muss auf dich verzichten?“ sie schmollte leicht und kraulte mit den Fingerspitzen über meine Brust.
„Ich werde zu dir kommen, sobald ich die Sache mit Sam geklärt habe.“
„Wer ist Sam? Und warum ist er wichtiger, als ich?“
Sie zog so eine süße Schnute, dass ich sie am liebsten sofort wieder geküsst hätte.
„Ein Freund.“ wich ich aus und griff nach meiner Hose, damit sie mich nicht wieder in Versuchung führen konnte. „Es wird bestimmt nicht lange dauern.“
„Okay, ich füge mich meinem Schicksal, großmütig, wie ich bin.“ seufzte sie und schlüpfte ebenfalls in ihre Hosen.
„Tut mir leid.“ gestand ich ernst und zog sie noch einmal zu mir. „Wir werden die verlorene Zeit nachholen, ich versprech es dir.“
Dann gab ich ihr einen Kuss auf die Stirn und gab sie wieder frei, damit wir uns zu ende anziehen konnten.
Während des gesamten Weges zurück zum Motorrad hielt Lexi meine Hand und dieses Gefühl war fast noch schöner, als die ganzen Küsse, die wir miteinander geteilt hatten.
Doch die romantische Stimmung hatte sich verflüchtigt, in dem Moment, da die Jungs am Strand aufgetaucht waren und es klar wurde, dass unser gemeinsamer Tag fürs erste beendet war.
Und viel zu schnell waren wir wieder beim Haus der Cullens. Lexi hing wie ein Rucksack an meinem Rücken und als ich vom Bike abstieg, klebte sie immer noch dort.
Ich lachte leise und drehte den Kopf, um sie anzusehen.
„Was soll das denn jetzt werden?“
„Weiß noch nicht. Ein schlechter Versuch, dich daran zu hindern, sofort wieder zu gehen?“ kicherte sie und ich drehte mich im Kreis, um an sie heran kommen zu können.
„Ich komme wieder, vielleicht sogar schneller, als dir lieb ist.“
„Versprochen?“
Ich nickte.
„Versprochen!“ ich hob meine Hand zum Schwur und Lexi hüpfte von meinem Rücken.
„Wenn nicht, komm ich und hol dich.“
„Das wirst du nicht müssen.“ beruhigte ich sie und sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um mich zu küssen.
„Beeil dich.“ hauchte sie mir entgegen und als sie sich umdrehte, öffnete sich die Glastür bereits und Carlisle trat lächelnd auf die Veranda.
„Hey ihr zwei.“ grüßte er uns freundlich und ich nickte ihm zu.
Lexi warf mir noch einen letzten Blick zu und ging dann die Stufen zu Carlisle hinauf.
„Hattest du einen schönen Tag?“ fragte er sie und Lexi begann zu strahlen.
„Ich würde sagen, er war nahezu perfekt. Und ich bin guter Hoffnung, dass er noch gänzlich perfekt wird.“ sie drehte sich zu mir und zwinkerte mir zu.
„Das freut mich zu hören.“ antwortete der Doc. „Geh ruhig rein. Esme hat dir etwas zu essen gekocht. Sie wird sich freuen, dass du wieder da bist.“
„Das trifft sich großartig, ich habe einen Mordshunger.“ lachte sie, winkte mir noch einmal zu und verschwand dann im Haus.
Der Doc blickte zu mir und mir kam ein Gedanke, der keinen Aufschub duldete.
„Würden Sie ein Stück mit mir gehen?“ fragte ich und Carlisle nickte.
„Gerne Jacob.“ er nahm die wenigen Stufen zu mir hinunter und wir wandten uns vom Haus ab und machten einige Schritten auf den Wald zu.
„Es ist schön sie so zu sehen, nicht wahr?“ fragte er lächelnd und ich nickte.
„Ja. Irgendwie unbeschwert und leicht.“ entgegnete ich.
„Und ich glaube den Grund dafür zu kennen.“ sagte er schelmisch und ich spürte, wie ich rote Ohren bekam.
„Ich tue mein Bestes.“
„Ich weiß, Jacob. Worüber möchtest du sprechen?“
„Nunja...“ begann ich und wusste nicht so recht, wie ich meinen Gedanken formulieren sollte. „Was glauben Sie, wie lange kann Lexi ohne Blut durchhalten?“
„Puh. Ehrlich gesagt, kann ich dir diese Frage nicht beantworten. Lexi ist ein Einzelfall. Ich meine zu wissen, dass sie einmal dazu gezwungen war, ein ganzes Jahr ohne Blut auszukommen. Allerdings war sie sich damals dessen bewusst, dass sie es braucht und konnte sich kontrollieren.“
Ich nickte und seufzte leise.
„Glauben Sie, sie könnte eine Gefahr für ihre Umwelt darstellen?“
„Dasselbe hat mich dein Vater heute gefragt. Er macht sich Sorgen, dass sie zu einem unkontrollierbaren Faktor wird, wenn der Durst sie übermannt. Ist das auch deine Sorge?“
fragte er mich offen und ich druckste herum.
„Ich weiß nicht. Ja...nein...vielleicht. Ich weiß nur, dass ich heute etwas gesehen habe, dass mir Angst gemacht hat. Als Lexi und ich uns das erste Mal geküsst haben...“
„Ihr habt euch geküsst? Gratulation. Sie scheint dich immer noch sehr zu mögen.“
„Ja, ich glaube wir sind uns fast näher als jemals zuvor. Aber das ist nicht meine Sorge. Als ich mich von ihr löste, waren ihre Augen schwarz.“
„Schwarz?“ fragte der Doc und etwas in seiner Stimme ließ mich aufhorchen.
„Wie zwei Kohlenstücke.“ beantwortete ich seine Frage.
„Das klingt ganz danach, als habe sie Schwierigkeiten ihre Triebe zu kontrollieren.“
„Ohja“ entfuhr es mir, als ich daran dachte, wie gierig sie nach meinen Lippen gewesen war, bereute diesen Ausspruch allerdings sofort wieder.
Carlisle hingegen überging meine Äußerung galant.
„Dann haben wir nicht mehr viel Zeit, sie auf die Wahrheit vorzubereiten. Wir sollten damit anfangen, uns einen Plan zu überlegen. Und bis dahin...“ er blieb stehen und sah mich eindringlich an. „...solltest du zuviel körperliche Nähe zu ihr vermeiden.“
„Ich soll mich von ihr fernhalten? Sie wissen nicht, was Sie da von mir verlangen.“ begehrte ich auf.
„Beruhige dich, Jacob. Ich verlange nicht, dass du sie nicht mehr sehen sollst, sondern nur dass du etwaige Intimität zu ihr unterbindest. Sex könnte sie dazu bringen, vollständig ihrem Durst zu unterliegen.“ sagte der Doc ernst und ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
„Ich habe nicht vor...ich meine, wir sind nicht so weit, dass wir...“ stotterte ich und Carlisle legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Ganz ruhig. Ich weiß, dass du nicht darauf aus bist. Aber es könnte gefährlich für dich werden, sollte es doch dazu kommen.“
„Sie würde mir nichts tun.“ sagte ich und war mir dessen absolut sicher.
„Unterschätze niemals den Durst eines Vampires, Jacob. Es könnte das letzte sein, das du tust.“
„Ich kann mich durchaus wehren.“ verteidigte ich meinen Wunsch, nicht auf Nähe zu ihr zu verzichten.
„Wir beide wissen, dass deine Prägung es dir verbietet, ihr Leben zu riskieren, um das deine zu schützen. Unser Gift ist für euch Wölfe tödlich, Jacob. Und auch wenn Lexi nur ein Halbvampir ist, kann ein Biss von ihr, dir ernsthaften Schaden zufügen. Und das wünsche ich mir weder für dich, noch für sie.“
„Das heißt, sie ist gefährlich?“ fragte ich bitter, doch der Doc schüttelte den Kopf.
„Ich glaube nicht. Zumindest nicht, solange wir in ihrer Nähe sind, oder sie mit normalen Menschen allein ist. Im Moment braucht ihr Durst einen Auslöser. Starkes Verlangen, ein schnell schlagendes Herz, ein sehr verlockender Duft, Erregung oder Ekstase. Es liegt an uns, diese Dinge von ihr fernzuhalten. Zumindest so lange, bis sie die Wahrheit kennt und auf die Jagd gehen kann.“
Der Geruch von scharf angebratenem Fleisch stieg mir in die Nase, kaum dass ich die Tür geöffnet hatte und automatisch folgte ich diesem verführerischen Duft, bis in die Küche.
Esme stand mit einer umgebundenen Schürze am Herd und überall waren Verpackungen und Salatblätter verteilt. Sie gab so ein seltsames Bild ab, dass ich mir vorstellen konnte, dass sie nicht oft den Kochlöffel schwang. Doch als sie mich sah, glänzten ihre Augen voller Stolz auf ihr zubereitetes Mahl.
„Das riecht fantastisch, Esme.“ sagte ich ehrlich und nahm am Tisch Platz, bevor Esme mir das von ihr zubereitete Essen kredenzte.
„Ich hoffe es schmeckt so gut, wie es riecht.“ sagte sie und schien in ihrer Rolle als fürsorgliche Köchin vollkommen aufzugehen.
„Davon bin ich überzeugt.“ sagte ich und blickte mich kurz um. „Essen wir nicht zusammen?“
„Oh, wir haben bereits gegessen, Liebling. Wir wussten schließlich nicht, wann du heimkommen würdest. Hattest du denn einen schönen Tag?“
Ich nahm mein Besteck und begann das Steak auf meinem Teller in kleine Stücke zu zerteilen.
„Einen wunderschönen Tag, ja.“ antwortete ich und schob mir eine Gabel zwischen die Lippen. Das Fleisch schmeckte großartig.
„Das freut mich so zu hören, mein Liebes. Es ist schön, dich lachen zu sehen.“
Ich schenkte ihr ein extra breites Grinsen, bevor ich wieder ernst wurde. Esme stand immer noch an die Küchentheke gelehnt und ich zog den Stuhl neben mir etwas zurück.
„Würdest du dich ein wenig zu mir setzen?“ fragte ich hoffnungsvoll und sie nickte augenblicklich freundlich und als sie sich neben mich gesetzt hatte, betrachtete ich meine Adoptivmutter zum ersten Mal richtig. Ich spürte, dass es eine Verbindung zwischen uns geben musste. Schon am ersten Abend, als ich in meinem Bett aufgewacht war, war sie die Einzige gewesen, dir mir Vertrauen eingeflößt hatte.
„Darf ich dich etwas fragen, Esme?“ fragte ich und stocherte ein wenig lustlos in meinem Kartoffelpüree herum, obwohl es wirklich gut schmeckte.
„Natürlich, Lexi. Alles was du willst.“ versicherte Esme mir und sah mich mit offenen, ehrlichen Augen an. Mir fiel auf, dass ihre Augen denselben goldenen Ton hatten, wie die Carlisles, wie die aller Cullens und ich wurde für einen kurzen Moment stutzig.
„Wie lange lebe ich schon bei euch? Ich meine, wann habt ihr mich adoptiert und warum?“
Sie seufzte leise, rang sich dann jedoch wieder zu einem Lächeln durch.
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass du schon immer dazu gehört hast. Aber ich glaube, dass reicht dir als Antwort nicht, oder?“
„Nicht wirklich.“ gab ich zu und Esme nickte wissend.
„Ich weiß nicht sehr viel von deinen richtigen Eltern.“ begann sie ruhig und ich hörte ihr aufmerksam zu. „Deine Mutter starb bei deiner Geburt und dein Vater schien mit dir allein überfordert zu sein. Er gab dich ab, als du ungefähr 3 Jahre alt warst. Du wurdest erzogen und geschult in einem...in einer Art Kloster. Und von dort hast du deinen Weg zu uns gefunden. Es war an der Zeit, dass du wieder eine Familie bekamst und da Carlisle und ich nicht in der Lage sind, eigene Kinder zu haben...“ ein schmerzlicher Ausdruck trat in ihre Augen. „Seid ihr alle unsere Kinder.“ schloß sie und ich fühlte mich schuldig, dass ich sie an dieses Thema erinnert hatte.
Als spürte sie, dass es mir unangenehm war, legte sie ihre Hand beruhigend auf meine und wieder fiel mir auf, wie kalt ihre Hand war.
„Schon gut, mein Engel. Uns geht es gut und ihr alle bereichert unser Leben so sehr, dass ich mir nicht wünsche, dass es anders wäre. Wir sind eine Familie, vielleicht sogar mehr, als viele andere. Und das genügt mir.“
Ich nickte und beschloß, nicht weiter in sie zu dringen. Ich gehörte hier her und allein zu wissen, dass ich ein Teil von etwas war, machte mich ruhiger.
„Ist Alice da?“ fragte ich unumwunden und lenkte damit vom Thema ab.
„Ja, sie ist unten mit den anderen.“ antwortete Esme.
Wieder nickte ich und Esmé stand auf, nahm sich die Schürze ab und begann die Küche aufzuräumen, während ich meinen Teller aufaß und mich dann ebenfalls erhob.
„Soll ich dir beim Abwasch helfen?“ fragte ich hilfsbereit, aber Esmé schüttelte den Kopf.
„Schon okay, Lexi. Ich schaff das schon allein.“
„Okay, wenn du mich brauchst, ich bin in meinem Zimmer.“ sagte ich und verließ die Küche. Allerdings ging ich nicht auf direktem Weg zu meinem Zimmer, sondern nahm den Umweg über das Wohnzimmer, in dem meine Geschwister waren. Emmett und Rosalie spielten eine Partie Schach, während Jasper ein Buch las und Alice, den Kopf in seinem Schoß, Musik hörte.
„Hey, Hey.“ grüßte ich in die Runde und alle blickten auf.
„Wie geht’s, Kleine?“ fragte Emmett und musterte mich aufmerksam. „Schickes Outfit.“ grinste er und ich blickte verwirrt an mir herunter.
Ich trug immer noch Jacob´s Shirt unter meiner offenen Bluse und wie ich gestehen musste, sah es wirklich etwas seltsam aus.
„Hast du etwas noch nichts vom neuen Zwiebellook gehört? Ist total in.“ entgegnete ich scherzend und er lachte dröhnend.
„Passt schon, Kleines.“ er widmete sich wieder seinem Schachspiel mit Rose, deren Blick ich angestrengt zu ignorieren versuchte.
„Alice?“ fragte ich daher, so beiläufig, wie möglich und sie richtete sich auf, während sie die Ohrstöpsel aus ihren Ohren zog.
„Ja?“ fragte sie und lächelte zärtlich in meine Richtung.
„Hast du kurz Zeit für mich?“ fragte ich offen und schon stand sie neben mir.
„Na, klar. Für dich doch immer. Um was geht’s?“
Ich warf erneut einen Seitenblick zu Rosalie.
„Können wir vielleicht in mein Zimmer gehen?“
„Was immer du möchtest.“ strahlte sie, nahm meine Hand und zog mich mit sich, die Treppen hinauf. In meinem Zimmer angekommen setzte sie sich mit Schwung auf mein Bett, während ich gewissenhaft die Tür schloß.
„Schieß los, Süße.“ sagte sie mit aufgeregtem Blick und klopfte neben sich auf die Matratze.
Ich druckste ein wenig herum, bevor ich mich neben sie setzte und lange seufzte.
„Nicht so schüchtern. Schon wieder vergessen? Wir sind Schwestern und du kannst mir alles sagen.“ trieb sie mich an, doch ich zögerte immer noch.
„Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.“ begann ich erst einmal hilflos und zog Mut aus Alices aufmunternden Blick. „Ich habe Jake heute geküsst.“ brachte ich hervor und Alice klatschte in die Hände.
„Und wie war es? War es gut? Hab mich immer gefragt, wie er wohl küsst. Ist ja noch so jung. Und viel erfahrung hat er auch nicht gerade. Ich will alles wissen.“ plapperte sie drauf los und ich musste unwillkürlich lachen.
„Er küsst sehr gut.... Mir fehlen zwar die Vergleichsmöglichkeiten, aber ich glaube er beherrscht den ein oder anderen Trick.“ ich musste glucksen und fühlte mich zum ersten Mal wirklich wie ein verliebter Teenager. Ich kam mir die letzten Tage nämlich irgendwie immer viel älter vor.
„Das ist doch großartig.“ lachte Alice und ihre freudige Erregung, versetzte auch mich augenblicklich wieder in gute Stimmung.
„Hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Er stellt sich manchmal ein bisschen ungeschickt an.“ grinste sie und ich schenkte ihr einen scheltenden Blick.
„Mach dich nicht über ihn lustig. Ich mag ihn wirklich.“ sagte ich halb im Ernst, halb im Spaß.
„Oh, ich weiß und ich finde es großartig. Ich hätte eine Wette abschließen sollen, dass du dich auch ein zweites Mal in ihn verliebst. Ihr seid einfach füreinander bestimmt.“
„Das sieht Rose anders...“ sagte ich und spürte, wie die gute Laune langsam wieder wich.
„Ach, stör dich nicht an Rosalie. Das ist ne Sache zwischen dir und Jake und nur weil es ihr nicht passt, macht es das noch lange nicht falsch. Du hast solange um seine Zuneigung kämpfen müssen und das hat Rose ihm wohl noch nicht ganz verziehen. Aber alles was jetzt wichtig ist, dass er dich jetzt liebt. Er war so besorgt um dich und hat das Haus nicht für eine Minute verlassen, als wir von deinem Unfall erfahren haben. Er hatte Angst, wir würden ihn nicht informieren, wenn ein wichtiger Anruf kommt. Und wer kann ihm das verübeln? Rose hätte ihn wahrscheinlich ewig im Dunkeln gehalten. Aber noch ein Pluspunkt für ihn. Er hat sich nicht einmal von ihr vergraulen lassen und sie ist echt spitze darin, andere zu vertreiben. Das ist aber nicht, worüber du mit mir reden wolltest, oder?“
Ich schüttelte den Kopf und stieß einen Schwall Luft aus.
„Ich weiß, dass das jetzt komisch klingt und vielleicht ist es ja vollkommen normal, ich hab ja keine Referenz, aber als ich ihn geküsst habe...da habe ich mich irgendwie seltsam gefühlt.“ sagte ich vorsichtig, aber Alice grinste nur noch breiter.
„Weil du verknallt bist, Süße. Und so gesehen, war das ja dein erster Kuss. Du warst sicherlich nur nervös.“ versicherte sie mir und ich wusste, dass ich weiter ausholen musste, damit sie verstand.
„Nein, das hatte nichts mit Nervosität zu tun, Alice. Es war eher, ich weiß nicht. Ich wollte ihn. Ich wollte ihn so sehr, dass es wehgetan hat. Ich habe sein Herz so deutlich in meinen Ohren schlagen gehört und ich konnte einfach nicht mehr von ihm lassen. Aber ich hatte ständig das Gefühl, dass mir Küssen nicht reicht. Als sei es nur der Anfang von etwas und nein...“ ich warf ihr einen scharfen Blick zu. „Damit meine ich nicht Sex. Es war, als ob etwas in mir nur darauf gewartet hat, die Kontrolle zu übernehmen und ich weiß nicht, was dann passiert wäre. Ist es dir auch schon einmal so gegangen?“ ich hob den Blick und sah Alice an, die mittlerweile nicht mehr breit grinste.
„Nicht direkt.“ erwiderte Alice und ich hing an ihren Lippen, in der Hoffnung, sie würden eine echte Antwort formulieren können. „Wenn ich mit Jasper zusammen bin, dann....“
„Mit Jasper.“ unterbrach ich sie schrill und Alice nickte.
„Ja, ich bin mit ihm zusammen. Klar, das hast du auch vergessen.“ sagte sie mehr zu sich selbst als zu mir.
„Aber er ist doch dein Bruder.“ entgegnete ich fassungslos.
„Nicht wirklich, oder?“ lachte sie und ich musste ihr recht geben. „Im Übrigen, bevor es dich ein weiteres Mal schockt. Rosalie und Emmett sind ebenfalls ein Paar. Ziemlich strange, ich weiß.
Wo die Liebe eben hinfällt. Aber zurück zu dem, was ich wirklich sagen wollte. Wenn ich mit Jasper zusammen bin, dann geht es mir manchmal auch so. Die Empfindungen füreinander scheinen zu groß zu sein, als sie in einem banalen Kuss auszudrücken. Aber du musst lernen, dich zu beherrschen. Du kannst dich kontrollieren, du kannst deine Empfindungen kontrollieren. Denke immer daran, dass ihr alle Zeit der Welt habt und lasst es langsam angehen. Wenn du merkst, dass es wieder anfängt, dann hör auf, zieh dich zurück und komme wieder zu Ruhe.“ erklärte sie mir ruhig und ich verstand nicht wirklich worauf sie hinaus wollte.
„Was passiert denn, wenn ich das nicht tue?“ fragte ich unsicher.
„Die Kontrolle über sich zu verlieren, führt meist nie zu etwas Guten, Süße. Ich kann dir nicht sagen, was es in deinem Fall bedeutet, aber ich gebe dir den Rat, dich zurückzuhalten.“
„Zurückzuhalten.“ wiederholte ich gestresst und atmete tief durch. „Alice?“
„Ja, Lexi?“
„Darum geht es nicht, oder? Ich mein, wenn ich die Kontrolle verlieren sollte, wäre das Schlimmste, was passieren kann, dass ich mit ihm schlafe, oder? Und ehrlich gesagt, finde ich diese Vorstellung keineswegs so schlimm, dass ich mich dafür kasteien müsste, damit es nicht passiert.“
sagte ich ernst und Alice seufzte.
„Du weißt es vielleicht nicht mehr, aber du gehörst zu denen, die erst Sex haben wollen, wenn sie verheiratet sind und ich möchte nicht, dass du jetzt etwas tust, was du spätestens dann bereuen wirst, wenn du dich wieder an alles erinnerst.“
„Oh.“ entfuhr es mir. Aber es machte durchaus Sinn. Laut Esme war ich in einem Kloster aufgewachsen und es war gut möglich, dass ich diesen Vorsatz für mich gefasst hatte. Vielleicht kam ich mir auch deswegen so seltsam vor, wenn ich Jake küsste. Vielleicht erinnerte sich ein Teil von mir daran, dass ich andere Moralvorstellungen hatte, als die, die ich zurzeit auslebte.
„Das heißt, mit mir ist alles in Ordnung?“ fragte ich flehend und Alice lachte wieder.
„Ja, du bist ein junges Mädchen, dass sich verliebt hat und nicht ganz mit seinen Emotionen umzugehen weiß. Alles vollkommen normal.“
Ich merkte, dass sie mir bei den letzten Worten nicht in die Augen sah, schob es jedoch bei Seite, denn es war alles was ich hören wollte.
„Darf ich dich noch etwas fragen?“ wagte ich mich ein weiteres Mal hervor und Alice nickte.
„Warum gibt es in meinem Zimmer nichts persönliches von mir? Keine Fotos, keine Tagebücher, kein Stofftier. Wo sind diese Sachen alle? Oder besitze ich sowas nicht? War ich so religiös, dass ich komplett auf eigenen Besitz verzichtet habe?“
„Nein, du warst keine religiöse Schickse. Und du hast keine Sachen hier, weil du nicht oft hier gewesen bist."
"Bin ich nicht?" fragte ich erstaunt und Alice rieb ihre Lippen aneinander.
"Nein. Du bist auf ein Internat gegangen. In der Schweiz. Deine persönlichen Dinge sind immer noch dort." sagte sie und ich runzelte die Stirn.
"Auf ein Internat? In Übersee? Ich dachte...." ich war vollkommen überrumpelt. "Wie konnte ich mit Jake zusammenkommen, wenn ich nicht hier war?"
"Oh, du warst jeden Sommer hier, in den Ferien und so. Dieses Jahr auch, alleine wegen Edwards Hochzeit. Wenn du willst, kann ich veranlassen, dass deine Sachen hier her geschickt werden." bot sie an.
"Ja, bitte. Ich glaube, es würde mir einfacher fallen, mich zu erinnern, wenn ich etwas hätte, dass einen Bezug zur Vergangenheit darstellt.“ erklärte ich Alice und sie lächelte zuversichtlich.
„Kein Problem, ich werde mich darum kümmern. Hast du sonst noch Fragen?“
„Ja. Warum bin ich auf ein Internat gegangen?“ platzte ich heraus.
„Du wolltest das so. Du warst immer sehr ehrgeizig und dieses Internat hat deine Fähigkeiten sehr gefordert und unterstützt. Außerdem glaube ich, dass du nach der langen Zeit ohne Familie, ein wenig überfordert von uns warst. Nicht, dass du uns nicht gemocht hast, aber du hast immer deinen Freiraum gebraucht und Carlisle und Esme haben ihn dir gegeben.“
Auch das machte einen Sinn, nachdem was ich von Esme gehört hatte. Dennoch konnte ich mir nicht helfen, es klang seltsam in meinen Ohren.
Ich nickte trotzdem, dankbar für jede Information, die ich bekam und die ich wie ein Schwamm in mir aufsog.
„Was ist eigentlich passiert, Alice? Ich meine, alle reden von einem Unfall, aber nicht einmal Carlisle hat mir gesagt, was genau geschehen ist. Ich wache auf, in einem Haus, dass ich nicht kenne, habe eine Familie, deren Gesichter mir unbekannt sind und niemand spricht mit mir darüber, wie es passiert ist. Jake ist eine gute Ablenkung, aber eben nur eine Ablenkung...“ sagte ich seufzend und rieb die Lippen aneinander.
„Wir sprechen nicht mit dir darüber, Lexi...“ sagte Alice behutsam. „weil wir selbst nicht wissen, was passiert ist. Und wir dir nichts dazu sagen können. Wir haben erst davon erfahren, als man dich gefunden hatte und niemand weiß, was zuvor geschehen war. Ich will keine Vermutungen anstellen, ob es ein Auto, ein Sturz oder sonst etwas war.“
Wieder nickte ich enttäuscht. Es war wie ein großes Puzzle, für das man kein Beispielbild hatte und bei dem schon vor dem Öffnen klar war, dass Teile fehlten.
Es würde ein sehr mühsames Unterfangen werden, die fehlenden Teile zu finden und zusammen zu fügen und ich freute mich keineswegs auf diese Aufgabe.
Alice legte ihre Arme um mich und drückte mich kurz.
„Du schaffst das schön, Süße. Wir werden dir alle helfen und gemeinsam werden wir das Kind schon schaukeln. Sind denn jetzt alle offenen Fragen beantwortet?“ fragte sie und ich lächelte kurz.
„Eine Frage hab ich noch. Warst du schon immer meine Lieblingsschwester?“
Sie grinste und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Dieses kleine Geheimnis behalte ich für mich.“
Das Gespräch mit Sam schien eine Ewigkeit zu dauern. Immer wieder blickte ich genervt zur Uhr und fragte mich, ab welcher Zeit, ich nicht mehr würde behaupten können, dass ich mich beeilt hatte.
Seit gefühlten Stunden kauten wir nun das Thema Lexi durch und ich wurde müde, immer wieder zu betonen, dass von ihr keine Gefahr für ihre Umwelt ausging. Ich verstand es durchaus, dass Sam sich Sorgen machte und ein Vampir, der nicht wusste, dass er einer war, ein unkalkulierbares Risiko darstellte. Aber es enttäuschte mich, dass er mir nicht vertraute und den mit den Cullens geschlossenen Vertrag nun auch auf Lexi ausdehnte. Er verbot ihr die Grenzen unseres Gebietes zu übertreten und handelte sich damit einen handfesten Streit mit mir ein.
Ich sah nicht ein, warum ich ihr verbieten sollte, zu mir zu kommen und erst recht nicht, was Sam sich davon erwartete. Er nahm durchaus Rücksicht darauf, dass ich mich auf sie geprägt hatte und nahm an, ich würde mich darüber freuen, dass er nicht aktiv Jagd auf sie machte.
Aber wie um alles in der Welt, sollte ich ihr erklären, dass sie mich nicht mehr würde besuchen können? Wenn ich ihr das überhaupt sagen konnte. Es war wahrscheinlicher, dass ich immer wieder neue Ausreden würde finden müssen, warum wir nicht zu mir konnten. Abgesehen von der Tatsache, dass es mich dazu zwingen würde, stets und ständig im Gestank der Cullens zu sein, wenn es nicht viele Orte gab, an die ich sonst mit ihr gehen konnte.
Sam versuchte mich zu beruhigen, indem er mir versicherte, dass dieser Bann nur so lange bestehen würde, bis Lexi sich wieder an alles erinnerte und sie somit keine Gefahr mehr für Leib und Leben der Einwohner von La Push war.
Ich fand es idiotisch. Als ob ich zulassen würde, dass so etwas geschah. Ich würde ständig an ihrer Seite sein und schon um ihretwillen verhindern, dass sie die Kontrolle verlor.
Als es sich abzeichnete, dass Sam und ich nicht auf einen grünen Zweig kommen würden, ging ich.
Ich ließ ihn einfach stehen. Es war Zeitverschwendung und ich hatte einfach nicht den Nerv, mich weiter mit ihm auseinander zu setzen.
Ehrlich gesagt, ich war stinkwütend. Ich war immer noch ein Teil des Rudels und Lexi als meine Prägung sollte ebenso dazu gehören. Es musste Sam doch klar, dass ich mich niemals für das Rudel entscheiden würde, stellte er mich vor die Wahl.
Ich war immer noch ziemlich geladen, als ich schließlich mein Bike vor dem Haus der Cullens abstellte und ohne zu klopfen einfach hinein marschierte.
Eigentlich wollte ich nur noch zu Lexi, doch bereits im Flur wurde ich von Alice aufgehalten.
„Hi Jake.“ sagte sie leise und griff nach meinem Handgelenk, wobei mich ein Schaudern überzog und meine Nackenhaare sich aufstellten. Doch ich wehrte mich nicht gegen ihren Griff. Mit flinken Schritten zog sie mich ins Wohnzimmer, wo auch schon der Rest des Clans scheinbar nur auf mich wartete und ich rollte genervt mit den Augen, in Erwartung einer weiteren Intervention.
„Was gibt’s?“ fragte ich eher desinteressiert und warf einen Blick nach oben, als könne ich Lexi durch die Decke sehen.
„Wir wollten dich nur auf den neuesten Stand bringen.“ sagte der Doc und ich ließ meinen Blick wieder zu ihm schweifen.
„Aha“ sagte ich karg und verschränkte meine Arme vor der Brust „Und der wäre?“
Doch anstatt zu antworten, machte Carlisle einen Schritt auf mich zu und sah mich skeptisch an.
„Alles in Ordnung, Jacob?“ fragte er kritisch.
„Stress mit Sam. Aber ich hab´s im Griff.“ antwortete ich lapidar und sah nun ihn meinerseits wieder fragend an.
„Sicher?“ fragte er und ich fuhr mir angestrengt durch die Haare.
„Er hat Probleme mit Lexi. Er hält sie für eine Gefahr und will nicht mehr, dass sie nach La Push kommt.“ sagte ich gereizt und Carlisle nickte, als habe er auch nur den geringsten Schimmer, was das für mich bedeutete.
„Wie gesagt, ich hab´s im Griff.“ wiederholte ich einfach, um mich nicht weiter mit diesem Thema herum schlagen zu müssen.
„Okay.“ sagte der Doc schließlich, doch ich konnte erkennen, dass er nur nicht weiter in mich drang, weil ich abweisend war, nicht weil das Thema für ihn beendet schien.
„Wir waren heute gezwungen, das Lügengebilde, das Lexi umgibt, ein wenig zu erweitern.“
„Dank dir, du Held.“ unterbrach ihn Rose und ich schüttelte nur angewidert den Kopf in ihre Richtung.
„Ich würde mich echt gern geistig mit dir duellieren, Blondie. Aber wie ich sehe, bist du unbewaffnet.“ sagte ich spitz und bemerkte, wie sie zu einer Erwiderung ansetzen wollte, doch von Carlisle daran gehindert wurde.
„Mir ist wichtig, dass solange wir dieses Gebilde aufrecht erhalten müssen, wir alle vom selben Gebilde sprechen. Esme musste sich etwas zu ihrer Vergangenheit einfallen lassen und daher wurde Lexi in einer Art Kloster großgezogen. Und laut Alice besuchte sie ein Internat in der Schweiz und war daher nur in den Sommermonaten bei uns. Vielleicht können wir uns darauf einigen, bei dieser Geschichte zu bleiben, um unnötige Fragen zu vermeiden.“ erklärte Carlisle und ich nickte ungeduldig.
„Hab´s verstanden. Kloster und Internat in der Schweiz. Soll mir recht sein. Sonst noch was?“
„Ja.“ Alice trat vor und zog mich wieder mit sich, als wolle sie nicht vor den anderen mit mir darüber reden.
„Du solltest vorsichtig sein, Jake.“ flüsterte sie mir zu, als wir den Raum verlassen hatten. „Ich glaube, Lexi hat Schwierigkeiten damit, dir zu widerstehen.“
Ich runzelte die Stirn und sah sie fragend an.
„Mir zu widerstehen?“
„Naja, laut Lexi scheinst du verdammt gut küssen zu können.“ sie grinste und ohne, dass ich es wollte, bekam ich rote Ohren.
„Und das ist ein Problem, weil...?“ fragte ich und konnte die Ungeduld deutlich in mir wachsen spüren.
„Weil, mein Lieber, sie sich vielleicht nicht unter Kontrolle halten kann, was ihren Durst angeht. Ich hab ihr gesagt, dass sie mit dem Sex immer bis nach der Hochzeit warten wollte. Vielleicht hilft ihr dieses Wissen ein bisschen, sich zu bremsen.“
Langsam stand es mir bis zum Hals, dass sich hier scheinbar jeder für unser nicht vorhandenes Sexleben zu interessieren schien.
„Danke für deinen Ratschlag.“ sagte ich mürrisch. „Aber ich denke, dass das unsere Entscheidung ist. Und was um alles in der Welt, denkt ihr eigentlich alle von mir? Glaubt ihr wirklich, dass ich so ein Kerl bin? Dass mich nichts anderes interessiert, als Lexi an die Wäsche zu gehen, nach allem was ich durchmachen musste? Was sie durchmachen musste? Echt nicht.“ ich schüttelte heftig den Kopf. „Ich wusste, dass ihr keine hohe Meinung von mir habt, und ehrlich gesagt beruht das ja auf Gegenseitigkeit. Aber dass du mir sowas unterstellst, ist echt die Härte. Und ich hatte angefangen, dich cool zu finden.“
„Ich bin cool.“ konterte Alice sofort. „Und ich will dir auch nichts unterstellen, Jake. Mir geht es doch nur darum, euch beide zu schützen. Ich habe diese ganze Prägungsgeschichte zwar nicht ganz verstanden, aber wenn sie dich bitten würde, mit ihr...na was auch immer, dann würdest du es doch tun, nur damit sie nicht unglücklich ist, oder?“
„Ich habe durchaus noch eine eigene Meinung, Alice. Ich mutiere nicht zu einem willenlosen Schoßhündchen in ihrer Gegenwart, nur weil ich mich auf sie geprägt habe. Sicherlich würde es mir schwerfallen ihr einen Wunsch abzuschlagen, aber ich kann durchaus noch selbst entscheiden, was ich zulasse und was nicht.“ verteidigte ich mich und es nervte mich kolossal, hier im Flur mit Alice zu diskutieren, wenn ich schon längst bei Lexi hätte sein können.
Vor allem weil das Thema mehr als persönlich war und ich nicht im geringsten Freude dabei empfand, mit einem Vampir über meine Gefühle zu reden.
„Hey, es ist keineswegs so, dass ich dir abspreche vernünftig zu sein.“ sie machte eine kurze Pause. „Doch, ehrlich gesagt, ich spreche es dir ab. Deswegen will ich dich warnen. Solange Lexi nicht weiß, was sie ist, wird sie ihr Verlangen nach deinem Blut, mit dem Verlangen nach deinem Körper verwechseln. Frag mich nicht wieso, mir wird bei der Vorstellung deines haarigen Hinterns beim auf und ab mit meiner Schwester ziemlich übel, aber sie findet etwas an dir.“
„Erstens ist mein Hintern nicht haarig und zweitens ist Lexi nicht deine Schwester.“ stellte ich richtig, aber Alice lächelte nur breit.
„Was auch immer deinen Hintern angeht, soll mir egal sein. Aber ich bin eindeutig Lexis Lieblingsschwester. Hat sie mir heute selber gesagt.“
„Mit Blondie als einziger Konkurrenz ist das auch wirklich nicht schwierig.“ entgegnete ich kühl.
„Sei nicht so gehässig, Jake.“ ermahnte sie mich und ich ließ mich kraftlos gegen die Wand sinken.
„Ja schon gut. Ich habe für heute nur echt genug gute Ratschläge erhalten. Ich brauch nicht noch mehr. Und vor allen Dingen keine Ratschläge über mein Sexleben von einem Vampir. Ich mache mir noch überhaupt keine Gedanken darüber, wann und wie es passieren wird. Das wäre dasselbe, als würde ich mir jetzt schon einen Platz im Altersheim reservieren. Idiotisch. Ich mein,...“ ich fuhr mir durchs Haar. „Lexi ist erst seit zwei Tagen wieder hier und sie erinnert sich an rein gar nichts. Und heute war der erste Tag überhaupt, den wir halbwegs unbeschwert miteinander verbringen konnten. Und kaum, dass ich mir sage: „Entspann dich Jake, das Schlimmste liegt hinter euch. Sie ist bei dir, sie lebt, sie atmet und sie scheint dich immer noch zu mögen“, erzählt Carlisle mir, dass ich mich am besten von ihr fernhalte...ich mich ihr zumindest nicht in der Weise nähern soll, die sie sich von mir wünscht. Und als wäre das noch nicht genug, bekomme ich von meiner Familie gesagt, dass meine Freundin ein unkalkulierbares Risiko ist und ich sie nicht zu mir nach Hause bringen soll. Und jetzt kommst du und sagst mir, dass der Grund meiner Existenz, der Grund sein könnte, der meine Existenz beendet, weil sie mich zerfleischen will. Tut mir leid, dass das nicht gerade Begeisterungsstürme in mir auslöst. Kannst du das verstehen?“ schloß ich müde und Alice lehnte sich neben mir gegen die Wand.
„Ich weiß, dass das ´ne Menge ist, Jake. Und ich weiß, dass es dir mit Sicherheit nicht leicht fällt. Ich meine es doch nur gut mir dir. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte. Ich fange wirklich an dich zu mögen.“
„Oh, danke, Alice. Das ist genau das, was ich jetzt gebraucht habe. Ne Vampirfreundin.“ sagte ich, schenkte ihr jedoch ein unbeholfenes Lächeln. „War´s das dann, oder hast du noch einen Ratschlag für mich?“
„Nur noch einen. Du solltest deine Freundin nicht so lange auf dich warten lassen.“ Sie streckte mir ihre Zunge entgegen und ich hätte sie am liebsten erwürgt. Doch sie hüpfte kichernd davon, bevor ich auch nur die Hand nach ihr ausgestreckt hatte.
Kopfschüttelnd stieß ich mich von der Wand ab und nahm die Treppe nach oben zu Lexis Zimmer.
Ich straffte mich noch einmal und versuchte ein überzeugendes Lächeln aufzusetzen. Sie musste schließlich nichts von meinen inneren Konflikten wissen. Je weniger sie wusste, desto besser war es für sie. Sie würde ohnehin nichts von dem verstehen, was mich beschäftigte.
Ich klopfte an die Tür und wartete, bis ich Lexis Stimme hörte, die mich hereinbat.
Und kaum, dass ich den Raum betreten hatte, waren alle Sorgen nebensächlich geworden.
Es war Magie. Ihre Magie.
Und mein falsches Lächeln wurde echt, als ich sie sah.
Sie saß hinter ihrem Schreibtisch, ganz vertieft mit einem Stift in der Hand über ein kleines Buch gebeugt und sie hob nicht einmal den Blick, um zu sehen, wer ihr Zimmer betreten hatte.
Sie schien duschen gewesen zu sein, hatte ihr Haar unter einem Handtuchturban verborgen und trug nichts außer meinem Shirt und hatte eines ihrer nackten Beine unter ihren Körper gezogen.
Schmunzelnd lehnte ich mich gegen den Türrahmen, verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie einfach nur an.
Ich hätte Ewigkeiten hier stehen können, sie einfach nur beobachtend und mich darüber freuend, dass es sie gab. Aber ich wollte in ihrer Nähe sein und so stieß ich mich vom Türrahmen ab und ging immer noch grinsend zu ihr herüber.
„Hey Baby.“ sagte ich leise und verzog leicht das Gesicht, als ich merkte, wie abgedroschen das klang.
„Hey.“ sagte Lexi und als sie ihren Blick hob, umspielte ein zärtliches Lächeln ihre wundervollen Lippen und ich traute mich kaum zu glauben, dass ich der Grund für das Strahlen ihrer Augen sein sollte.
Ich beugte mich zu ihr hinunter und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Du hast mich ganz schön lange warten lassen.“ sagte sie rügend und ich versuchte ein unschuldiges Gesicht aufzusetzen.
„Ich weiß, es tut mir leid. Es gab `ne Menge zu besprechen und ich hab wohl irgendwie die Zeit vergessen.“ entschuldigte ich mich, doch Lexi schien nicht wirklich sauer zu sein.
„Ist schon okay, Hauptsache du bist jetzt hier und hast nicht vor, dich sofort wieder davon zu stehlen.“ sagte sie weich und ich atmete auf. Eine weitere Diskussion wäre mir für heute eindeutig zu viel gewesen. Vor allem, weil Lexi der Ort war, an dem ich alles vergessen konnte.
„Was machst du?“ fragte ich interessiert und stellte mich leicht hinter ihren Stuhl, um ihr über die Schulter schauen zu können. Doch kaum hatte ich gefragt, hatte sie das kleine Buch vor sich wieder zugeklappt.
„Du darfst nicht lachen, ja?“ sagte sie und drehte sich leicht, um mich im Auge zu behalten.
„Ich würde niemals über dich lachen.“ schwor ich ehrlich, aber Lexi druckste immer noch ein wenig herum.
„Ich schreibe ein Tagebuch. Ich weiß, dass es irgendwie bescheuert ist, aber ich habe mir gedacht, sollte ich noch einmal mein Gedächtnis verlieren, so unwahrscheinlich es auch ist, hätte ich gerne etwas, wo ich meine eigenen Worte nachlesen kann.“
„Das ist nicht bescheuert, keineswegs.“ sagte ich und Lexi verzog das Gesicht.
„Findest du nicht? Ich mein, wie wahrscheinlich ist es schon zweimal sein Gedächtnis zu verlieren?“
„Wie wahrscheinlich ist es, es überhaupt zu verlieren?“ entgegnete ich und kniete mich hin, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. „Und dennoch ist es dir passiert. Wenn du dich sicherer fühlst, nun alles aufzuschreiben, dann ist das doch völlig in Ordnung. Hunderte Mädchen in deinem Alter schreiben Tagebuch.“ beruhigte ich sie. Sie griff zu dem Handtuch auf ihrem Kopf und löste es, um sich dann durch das noch leicht feuchte Haar zu fahren.
„Wahrscheinlich hast du recht. Ich komme mir nur irgendwie dumm dabei vor. Schließlich habe ich nicht sehr viel zu berichten.“ sie zuckte hilflos mit den Schultern und ich lächelte weich.
„Wir haben noch jede Menge Zeit, Dinge zu erleben, die die Seiten deines Buches füllen können.“
Lexi legte den Stift aus der Hand und verstaute ihn gemeinsam mit dem Buch in einer Schublade des Schreibtisches.
„Und womit wollen wir anfangen?“ fragte sie und hatte mich damit überrumpelt.
„Was willst du denn machen? Ich meine, es ist schon reichlich spät und hier draußen gibt es nicht wirklich viele Dinge, die wir unternehmen könnten.“
„Ich wüsste da schon etwas.“ sagte sie umgarnend und senkte ihren Blick auf eine vielsagende Art und Weise, während ihre Hände sich auf meine Brust legten und mich sanft streichelten.
Es kostete mich mehr als nur eisernen Willen, ihre Hände zu nehmen und sie festzuhalten, damit sie mich nicht weiter berühren konnte.
„Das klingt zwar sehr verlockend, meine Schöne, aber denkst du nicht, es wäre besser etwas zu unternehmen, bei dem wir uns ein bisschen unterhalten können?“
Sie seufzte und zog ihre Hände zurück, bevor sie aufstand.
„Wenn es dir lieber ist, irgendwo mit mir herum zu sitzen und zu quatschen, anstatt dich auf eine wesentlich intensivere Art mit mir zu beschäftigen, dann schlag was vor.“
Sie klang gekränkt und ich fuhr mir durchs Haar. Das hatte ja passieren müssen.
„Baby, komm her.“ sagte ich und erhob mich ebenfalls, um meine Hände nach ihr auszustrecken. Es fiel mir schwer ihr zu widerstehen und genau das war der Grund, warum ich sie ablehnen musste.
Ihr Duft war wie eine Droge für mich und die nackte Haut ihrer Beine, die aus meinem Shirt heraus blitzten, führten meine Gedanken zu Abgründen, die ich lieber meiden sollte.
Ich zog sie zu mir und sie schlang ihre Arme um meine Mitte.
„Ich will doch nur nicht, dass sich unsere Beziehung nur um das eine dreht. Ich will nicht, dass du etwas tust, was du hinterher bereust.“ erklärte ich und streichelte über ihr Haar.
„Ich kann den Spruch langsam echt nicht mehr hören.“ nuschelte sie mit dem Gesicht gegen meine Brust gedrängt.
„Ich weiß, mein Herz.“ seufzte ich und drückte ihr einen Kuss auf den Haaransatz. „Aber ich glaube, dass es da draußen mehr Dinge gibt, die dir vielleicht helfen, dich zu erinnern, als es Dinge hier drin gibt. Hast du vielleicht Hunger? Dann lade ich dich zum Essen ein. Wir könnten nach Seattle fahren. Das dauert zwar ne Weile, aber dann wären wir die ganze Zeit unter uns.“ schlug ich vor und Lexi hob ihren Blick zu mir. In ihren Augen blitzte ganz offensichtlich der Schalk und ich wusste nicht, worauf meine Worte sie gebracht hatten.
„Darum geht es dir also. Dir ist das unangenehm hier mit mir allein zu sein, weil du Angst hast meine Eltern könnten reinplatzen.“
Ehrlich gesagt, war mir das mehr als egal, denn ich wusste, dass sie nicht reinkommen würden, solange ich hier war. Aber sie hatte mir die perfekte Ausrede auf einem Silbertablett serviert.
„Genau. Ich meine, das ist das Haus deiner Eltern.“ gab ich zu und spürte erneut diesen Knoten in meinem Magen, dass ich sie schon wieder anlog.
Doch sie schien mit dieser Antwort mehr als zufrieden zu sein.
„Okay, also Seattle.“ strahlte sie und streckte sich, um mir einen Kuss zu geben. „Gib mir 5 Minuten zum Umziehen.“
Sie wollte sich von mir lösen, doch ihr Kuss hatte mich fast wieder von meiner Idee abgebracht, dieses Zimmer verlassen zu wollen.
„Ich finde, was du trägst steht dir ausgezeichnet.“ grinste ich und verwickelte sie erneut in einen langen, begehrenden Kuss.
Ich war nicht wirklich begeistert von Jakes Vorschlag, nach Seattle zu fahren. Aber ich tat mein Bestes, es ihn nicht merken zu lassen.
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten heute Abend nur Jake, ich und mein großes, bequemes Bett eine Rolle gespielt. Es war einfach zu schön in seinen Armen zu liegen und mich ganz in ihm zu verlieren. Es war mir nicht einmal darum gegangen, endlos lange mit ihm zu knutschen, obwohl das auch einen Part bei meinem Plan gespielt hatte. Es war einfach der Wunsch, ihm nahe zu sein. Meinetwegen hätten wir uns auch einfach nur stundenlang in die Augen sehen können und ich wäre glücklich gewesen. Aber Jakes Idee unbedingt mit mir reden zu wollen, stieß bei mir nicht auf allzu viel Gegenliebe.
Nicht, dass ich nicht gerne seiner Stimme lauschte oder ich Unterhaltungen mit ihm nicht schätzte, aber ich kam mir einfach dumm vor, wenn ich mit ihm sprach. Er kannte mich und wusste von den Dingen, die für mich im Dunkeln lagen. Und das verschaffte ihm in meinen Augen einen unfairen Vorteil. Ich wusste, dass es hier nicht um einen Wettkampf ging, aber es war ein seltsames Gefühl bei jedem Gespräch irgendwie unvorbereitet zu sein.
Zudem führten längere Gespräche unwillkürlich dazu, dass ich in Grübelei verfiel. Jedes gesprochene Wort, weckte Fragen in mir und nicht jede davon, wollte ich Jake stellen.
Immerhin war ein Abend mit Jake immer noch besser, als ein Abend ohne Jake.
Und wenn dies bedeutete, dass ich mich abends um 19 Uhr noch einmal fertig machen musste, um mit meinem Freund in die nächste Großstadt zu fahren, damit ich überhaupt Zeit mit ihm verbringen konnte, dann sollte es wohl so sein.
Außerdem war ich wirklich hungrig. Zwar hatte ich am Mittag durchaus eine große Portion von Esmes Gaumenschmaus verspeist, aber mein Magen knurrte schon wieder auf fast beängstigende Weise.
Also hatte ich mich gefügt, mich wieder in Jeans und Shirt geworfen, meine Haare zusammengebunden und ging nun mit Jake an meiner Seite hinunter ins Wohnzimmer, um mich bei meiner Familie abzumelden. Ich wusste nicht, ob Carlisle mir erlauben würde jetzt noch nach Seattle zu fahren, doch irgendwie befürchtete ich, dass er keinerlei Einwände haben würde.
Und genau so war es dann auch. Man wünschte uns einen schönen Abend und ich bekam nicht einmal eine Uhrzeit genannt zu der ich wieder zu Hause sein sollte.
Als wir aus dem Haus traten und ich Jakes Bike davor stehen sah, seufzte ich leise.
„Was ist los, Schatz?“ fragte Jake augenblicklich und ich zuckte mit den Schultern.
„Findest du es nicht auch seltsam, dass es scheinbar niemanden interessiert, wohin wir gehen und wann wir wieder zurück sind? Ich meine, wir sind beide minderjährig...“
„Ich finde es keineswegs seltsam.“ antwortete er und reichte seinen Helm an mich weiter.
„Du bist deinem Alter manchmal eben einfach etwas voraus und deine Eltern vertrauen dir. Zudem wissen sie, dass solange ich bei dir bin, nichts passieren kann.“
„Ist das nicht ein bisschen blauäugig?“ fragte ich zurück. „Es könnten soviele Dinge passieren, auf die du nicht den geringsten Einfluss haben würdest. Wir könnten uns verfahren, einen Unfall haben oder sogar überfallen werden. Ich finde dieses blinde Vertrauen ehrlich gesagt ziemlich unangemessen.“ führte ich präzise aus und drehte den Helm in meinen Fingern.
Ich hatte nicht wirklich Angst, dass etwas passieren würde, aber ich war unsicher. Ich war immer unsicher. Sollten wir doch einen Unfall haben, dann würde ich vielleicht nicht mehr die Nummer des Notrufes wissen und würde dabei zusehen müssen, wie Jake verblutete. Alleine die Vorstellung verursachte mir ein unangenehmes Kribbeln im Nacken.
Sich an nichts mehr in seinem Leben erinnern zu können, war eine Bürde, die ich niemandem wünschte. Es machte mich angreifbar und auch wenn ich Jake vertraute, fühlte ich mich einer großen Stadt und so unendlich vielen Menschen darin einfach noch nicht gewachsen.
Das war nur ein weiterer Grund, in meinem Zimmer zu bleiben, dessen 4 Ecken mir Sicherheit gaben, denn hier konnte wenig Unvorhergesehenes geschehen.
Ich hatte angefangen auf meiner Unterlippe herum zu kauen und Jake trat zu mir, strich mir sanft über die Wange und seine braunen Augen drangen bis zu meiner Seele vor.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde dich nicht aus meinen Augen lassen und ich werde nicht zulassen, dass dir etwas Schlimmes zustößt.“ versicherte er mir.
„Hast du das vor meinem Unfall auch gesagt?“ fragte ich und schloss die Augen, als ich bemerkte, was ich gesagt hatte.
Jake wandte sich von mir ab und seine gesamte Gestalt versteifte sich, als spüre er körperlichen Schmerz.
„Es tut mir leid, Jake. So hab ich das nicht gemeint.“ sagte ich schnell und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Schon gut.“ seufzte er. „Du hast ja recht. Ich habe nicht verhindern können, dass dir etwas geschieht und es wäre meine Aufgabe gewesen, dich vor allem zu beschützen. Ich habe versagt und glaube mir, es verfolgt mich jeden Tag. Aber es wird mir nicht noch einmal passieren.“ er drehte sich wieder zu mir und ich sah die Qual in seinen Augen so deutlich, als wäre es meine eigene.
„Ich verspreche dir, dass ich nie wieder zulassen werde, dass es dir schlecht geht.“
Ich nickte nur, setzte den Helm auf und schloß den Riemen unter meinem Kinn.
Ich verstand nicht wirklich, warum es ihn so quälte. Er konnte schließlich nicht 24 Stunden um mich sein und wenn es wirklich ein Autounfall gewesen war, dann hätte auch er nichts unternehmen können. Man konnte einen Menschen nicht vor dem Leben beschützen, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass Jake es versuchte. Und da waren sie wieder. Die unangenehmen Fragen, die nicht aufgekommen wären, wären wir in meinem Zimmer geblieben und hätten uns einfach nur geküsst.
Jake stand immer noch leicht verkrampft neben mir und machte keine Anstalten, auf sein Motorrad zu steigen, so dass ich noch einmal den Helm abnahm, ihn beiseite legte und meine Arme um Jakes Mitte schlang.
„Hey, mein Engel.“ flüsterte ich sanft. „Du darfst dir nicht die Schuld dafür geben, dass ich einen Unfall hatte. Du hättest doch nichts tun können und du trägst auch nicht die Verantwortung dafür. Wahrscheinlich hätte niemand verhindern können, dass es passiert ist und ich will nicht, dass du dich grämst, für etwas, das du nicht hättest ändern können.“ schloß ich behutsam und stellte mich auf die Zehenspitzen, um Jake kurz zu küssen. „So und nun hören wir beide auf mit der miesen Stimmung und genießen den Rest des Abends, so wie es sein sollte.“ sagte ich bestimmt und griff wieder zu meinem Helm, schloß sorgsam meine Jacke und sah abwartend zu meinem Freund.
Er nickte zustimmend, schwang sich auf das Bike und ich kletterte hinter ihm auf den Sozius.
Ich lehnte meinen Kopf an seinen warmen Rücken und schloß genießerisch die Augen.
Zumindest für den Zeitraum der Fahrt, würde ich mich einfach nur mit seiner Nähe beschäftigen und alles Denken in mir abstellen können.
Und ich genoss es, so nah an ihn gedrängt über die Straßen dahin zu fliegen, den schwarzen Asphalt unter uns und die Bäume am Rand nur als dunkle, verwischte Punkte wahrzunehmen.
Aber es dauerte eine ganze Weile, bis ich spürte, dass Jake sich wieder entspannte. Es war, als ließe ihn der Gedanke, er sei schuld an meiner Amnesie einfach nicht mehr los.
Es war viel zu viel Verantwortung für die Schultern eines 17-jährigen, auch wenn seine Schultern breiter als normal waren.
Ohne dass ich es wollte, begannen meine Gedanken wieder zu den offenen Fragen meines Lebens zu wandern. Auf der einen Seite stand meine Familie, die zwar stets besorgt um mein Wohlergehen war, mir auf der anderen Seite jedoch unwahrscheinlich viel zuzutrauen schien. Sie ließen mich
frei entscheiden und schienen keineswegs etwas dagegen zu haben, dass Jake soviel Zeit mit mir verbrachte. Abgesehen natürlich von Rosalie. Sie behandelten mich alle, als wäre ich schon längst erwachsen und könne selbst entscheiden, was das Richtige war.
Dafür war Jake umso sorgsamer im Umgang mit mir, als wäre er für mich verantwortlich und müsse dafür sorgen, dass mir nichts geschah. Irgendwie war es wie eine verdrehte Welt. War es nicht die Aufgabe meiner Eltern mich zu schützen und vor allem auch dafür zu sorgen, dass ich pünktlich zu Hause war und sie wussten, wo ich mich aufhielt?
Aber vielleicht hatte ich mir dieses Vertrauen selbst erarbeitet und genoss nun die Früchte dieser Freiheit.
Seattle näherte sich uns in rasender Geschwindigkeit und schon von Weitem übten die grellen Lichter der Großstadt eine gewisse Verlockung auf mich aus. Ich sah an Jakes Rücken vorbei und irgendetwas an diesem Anblick vor mir, beruhigte mich.
Ich konnte nicht sagen warum, aber die Angst, ich würde mich in der Größe der Stadt und den Menschenmengen verlieren können, wurde nun zu einer besänftigen Sicherheit.
Als wir die Stadtgrenze erreichten, drosselte Jake das Tempo und mein Blick flog umher, damit mir auch ja nichts entging. Ich hörte Musik auf den Straßen, grelle Werbelichter flackerten um uns herum und das Lachen von Menschen erfüllte die Häuserschluchten.
Ich spürte Aufregung durch meine Adern strömen und langsam fand ich die Idee Seattle einen Besuch abzustatten nicht mehr ganz so schlimm, wie noch vor einer guten Stunde.
Fest schlang ich meine Arme noch enger um Jakes Körper und er drehte kurz den Kopf zu mir.
„Alles klar bei dir da hinten?“ fragte er grinsend und ich nickte mit großen Augen.
„Das hier ist fantastisch.“ kämpfte sich meine Stimme gegen den Motorenlärm und den Wind zu ihm vor.
Überall auf den Straßen waren Menschen. Zumeist junge Leute und ich fragte mich, warum mich das überraschte.
Es war Samstag Abend und Seattle eine Universitätsstadt.
Einige Male bog Jake noch um ein paar Häuserecken, bevor er das Motorrad parkte, den Motor abstellte und abstieg. Galant half er mir, es ihm gleichzutun und meine Finger waren so zittrig vor Aufregung, dass ich Probleme damit bekam, den Riemen des Helmes zu lösen.
„Komm her, ich helf dir.“ sagte Jake lachend und löste den Verschluß mit einer einzigen knappen Handbewegung.
„Waren wir schon einmal hier?“ fragte ich und konnte mir denken, dass ich sicherlich nicht so verliebt in Forks gewesen war, um niemals hier her gekommen zu sein.
„Ja, das letzte Mal ist noch gar nicht so lange her.“ sagte er und nahm mir den Helm aus den Händen, wahrscheinlich aus Angst, ich würde ihn fallen lassen.
„Genau hier?“ fragte ich weiter und Jake nahm meine Hand in seine, um mich langsam mit sich zu ziehen.
„Nicht genau. Beim letzten Mal waren wir im Blind Lemon. Das ist ein Club, ein paar Straßen von hier entfernt.“
„Ein Club? Können wir da heute auch hin?“ sagte ich begeistert und Jake lachte nun offen und ungezwungen.
„Dafür, dass du eigentlich gar nicht hier her wolltest, scheinst du jetzt ziemlich begeistert zu sein, hm?“ neckte er mich und ich musste zugeben, dass er recht hatte.
Aber ich hatte ja auch nicht wissen können, dass es eine solch faszinierende Stadt war und ich mich hier so unheimlich wohlfühlte.
Irgendwie war es hypnotisierend. Die Lichter, der Rauch und die Musik erinnerten mich irgendwie an einen riesengroßen Jahrmarkt.
Ich ließ mich von Jake mitziehen und nach nur wenigen Schritten, führte er mich in ein kleines Diner. Nur kurz konnte ich den Blick über den über der Tür angeschlagenen Namen wandern lassen. - Ray´s Fishhouse -
Es war ein kleines Restaurant, nicht sonderlich auffällig oder glamourös, doch gut besucht.
Ein angenehmer Duft von gebratenem Fisch und gegrillten Meeresfrüchten lag in der Luft.
Die Bedienung führte Jake und mich an einen der letzten freien Tische am Fenster und ich nahm so Platz, dass ich meinen Blick ungehindert nach draußen wandern lassen konnte.
Jakes Hand legte sich etwas verlegen an seinen Hinterkopf und lenkte meinen Blick somit wieder auf ihn.
„Hey, was ist los?“ fragte ich besorgt.
„Ach, ich hätte dich einfach gern etwas schicker ausgeführt, aber mehr kann ich mir einfach nicht leisten.“ sagte er zerknirscht.
„Deswegen machst du dir Sorgen? Ich dachte, es wäre mir immer egal gewesen, ob du reich bist oder nicht? Und weißt du was? Es ist mir immer noch egal. Hauptsache wir verbringen einen schönen Abend miteinander. Das ist das einzig Wichtige. Und ich glaube, dass solch ein Ort wie dieser hier, uns wesentlich mehr Spaß machen wird, als wenn wir in einem 5-Sterne Restaurant sitzen würden. Und was die Rechnung angeht, mach dir mal keine Sorgen. Carlisle hat mir heute morgen ein nettes Polster in meine Tasche gepackt. Du bist also eingeladen.“ sagte ich selbstbewusst und griff zur Karte, erleichtert dass seine kurzzeitige, schlechte Laune einen solch lapidaren Grund hatte.
„Das ist mir unangenehm, Lexi. Ich bin der Mann und ich bezahle. Ich lass mich doch nicht von dir aushalten.“ entgegnete er mürrisch und ich legte die Karte wieder bei Seite.
„Keine Wiederworte, Jake. Das hat nichts mit aushalten zu tun. Ich möchte gerne einen schönen Abend mit dir verbringen und ich will nicht, dass du dich dafür in Unkosten stürzt, wenn es mich nur ein warmes Lächeln und einen Blick in die Augen meines Vaters kostet. Ich habe das Gefühl, dass du ständig perfekt erscheinen willst, aber das musst du nicht.“ ich streckte meine Hand über den Tisch nach seiner aus. „Ich mag dich doch nicht, weil du perfekt bist, das wäre zudem äußerst langweilig. Ich mag dich, weil du, du bist und dazu gehören auch die dreckigen Klamotten auf dem Boden deines Zimmers, dein klappriges Motorrad, das schon einmal bessere Zeiten gesehen hat und deine nicht sehr feinfühligen Freunde. Und wenn du mir jetzt bitte den Gefallen tun würdest und endlich damit aufhören könntest, die ganze Stimmung zu ruinieren?“ ich schob ein sanftes Lächeln hinterher und drückte weich seine Hand.
„Ja, ist okay.“ seufzte er und schenkte mir ein etwas missglücktes Lächeln.
Ich nahm erneut die Karte zur Hand und ließ meinen Blick über die verschiedenen Gerichte schweifen, ließ Jakes Hand dabei allerdings nicht los. Er setzte sich selbst so sehr unter Druck und es tat ihm nicht gut, soviel Verantwortung zu tragen, die nicht die seine war.
Ich lugte kurz über den Rand meiner Karte und sah, dass Jake die seine noch nicht einmal berührt hatte.
„Wage es dich jetzt bloß nicht, nur ein dämliches Glas Wasser zu bestellen.“ sagte ich scherzend, doch war der Kern meiner Aussage durchaus ernst gemeint.
„Schon gut, schon gut.“ wehrte er ab und begann selbst damit, die Karte zu studieren.
Als die Kellnerin wieder an unseren Tisch kam, einen kleinen Korb Weißbrot darauf abstellte und unsere Bestellung aufnahm, entging mir ihr bewundernder Blick in Jakes Richtung keineswegs.
Es erfüllte mich jedoch nicht mit Eifersucht, denn Jake hatte nicht einmal den Blick gehoben, um sie anzusehen, sondern ich empfand Stolz, dass er zu mir gehörte.
Doch sein missmutiges Gesicht gefiel mir keineswegs und ich überlegte angestrengt, wie ich es schaffen konnte, ihm wieder ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Geschickt schlüpfte ich unter dem Tisch aus meinem Schuh und begann mit meinem Fuß unter den Hosensaum seiner Jeans zu krabbeln.
Und wie ich es gehofft hatte, blitzte es für einen kurzen Moment in seinen Augen auf und er fing an zu grinsen.
„Was wird das denn?“ fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen und ich schmunzelte süffisant.
„Nur ein Versuch, wieder ein bisschen Stimmung zwischen uns aufzubauen und deine Aufmerksamkeit zurück aufs Wesentliche zu lenken. Ich hab nämlich vor dich einem kleinen Kreuzverhör auszusetzen.“ grinste ich breit und erntete nur einen verwirrten Blick von ihm.
„Kreuzverhör?“ fragte er daher irritiert zurück und nippte an seiner großen Cola.
„Ja, ich finde es unfair, dass du soviel über mich weißt und ich im Wissen über dich so fürchterlich hinterherhinke. Daher habe ich gehofft, da du ja unbedingt ein wenig plaudern wolltest, dass du ein bisschen Frage und Antwort mit mir spielst, damit ich aufholen kann.“ sagte ich offen heraus und schien Jake damit wieder etwas beruhigt zu haben.
Gelassen lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und schob sich eine Kante Weißbrot zwischen die Lippen.
„Dann schieß mal los, ich verspreche jede Frage nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.“
Ich grinste zufrieden und nahm mir ebenfalls eine Scheibe Brot, um sie mit Butter zu bestreichen.
„Also...“ fing ich an. „Vollständiger Name?“
„Jacob Ephraim Black.“ sagte Jake, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Ephraim?“ fragte ich zur Sicherheit noch einmal glucksend nach.
„Ja. Nach meinem Großvater Ephraim Black.“ er beugte sich über den Tisch und klaute mir das soeben geschmierte Stück Brot, was ich nur unter Protest geschehen ließ.
„Dein Geburtstag?“ fragte ich weiter und zog den Brotkorb näher zu mir herüber, um jedwede neuen Klauattacken schneller unterbinden zu können.
„14. Januar 1990 in La Push, Washington, USA.“ grinste er zufrieden und lunschte gierig zum Brot hinüber, doch ich schlug ihm auf die Finger, als er erneut versuchte einer Scheibe habhaft zu werden.
„Eltern?“ fragte ich unbeirrt weiter und kam jetzt endlich dazu, auch mal einen Bissen abzubekommen.
„Billy und Sarah Black. Meinen Vater hast du ja schon kennengelernt. Meine Mutter ist gestorben, als ich noch ziemlich klein war. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern.“
Mir blieb mein Bissen beinahe im Hals stecken, als er dies sagte und ich musste hart schlucken.
„Oh Jake, das tut mir so leid. Das habe ich nicht gewusst.“ sagte ich ehrlich bedauernd, aber er schenkte mir ein sanftes Lächeln.
„Ich weiß, dass du es nicht wusstest. Und ich weiß auch, dass es dir leid tut.“ sagte er beschwichtigend, doch ich konnte sehen, dass seine Augen einen traurigen Schimmer bekommen hatten. „Du kannst ja nichts dafür. So spielt das Leben.“ seufzte er und versuchte weiterhin zu überspielen, dass es ihn durchaus mitnahm. „Frag einfach weiter.“ forderte er mich auf und ich nickte leicht. Doch diese Nachricht hatte mich ziemlich aus dem Tritt gebracht.
Ich griff erst einmal erneut zum Brotkorb, butterte die Scheibe und reichte sie an Jake weiter.
„Hast du Geschwister?“ wagte ich mich schließlich vorsichtig wieder vor und er nahm sich einen Moment Zeit zu kauen, bevor er antwortete.
„Ja, zwei Schwestern, Rachel und Rebecca. Aber sie leben beide nicht in La Push. Rachel ist zur Zeit zu Besuch bei uns, Rebecca hat geheiratet und lebt jetzt auf Hawaii. Ich glaube sie hatte das regnerische Wetter hier einfach satt.“
„Kann man ihr nicht wirklich verübeln, oder? Ich glaube, ich bin auch eher der sonnige Typ.“ sagte ich und die Bedienung trat an den Tisch, um unser Essen zu servieren. Wieder lag ihr Blick fast ausschließlich auf Jakes Gestalt und so langsam wallte in mir ein gewisser Drang auf, mein Revier deutlich abzustecken. Aber ich hielt mich zurück, da er sie auch dieses Mal nicht wirklich beachtete. Ich ließ es mir jedoch nicht nehmen, ihr einen ziemlich finsteren Blick zu schenken, von dem Jake jedoch scheinbar nichts mitbekam.
Ich wickelte mein Besteck aus der Serviette und begann mein Rotbarschfilet zu zerteilen.
„Okay, deine Familie haben wir damit ziemlich abgehandelt, oder?“ fragte ich und Jake nickte, während er sich eine Pommes in den Mund schob.
„Du hast ´ne Menge Freunde, wie mir unweigerlich aufgefallen ist, aber welcher ist dein bester?“ führte ich mein Verhör fort.
„Da kann ich mich nicht wirklich festlegen. Ich würde sagen Quil und Embry sind beide gleichauf. Wobei Quil noch den Vorteil hat, gleichzeitig auch mein Cousin zu sein.“ erklärte er mir und ich versuchte mich an die dazugehörigen Gesichter zu erinnern. Embrys Gesicht stand mir deutlich vor Augen, aber bei Quil war ich mir nicht mehr sicher.
„Dann sollten wir jetzt zu den etwas banaleren, wenn auch nicht unwichtigen Themen wechseln. Was ist deine Lieblingsfarbe?“ fragte ich beiläufig, weil das nun wirklich wesentlich unspannender war. Dennoch wollte ich es wissen. Ich wollte einfach alles wissen, was Jake betraf.
„Definitiv das Grün deiner Augen.“ sagte er grinsend und ich kicherte verlegen.
„Du bist so ein Schleimer, Ephraim.“ neckte ich ihn und er schnitt mir eine Grimasse.
„Ich sag nur die Wahrheit. Ich mag das Grün deiner Augen wirklich von allen Farben auf der Welt am meisten.“
„Okay und was ist dein Lieblingsfilm?“
Er überlegte einen Moment, als müsse er wirklich darüber nachdenken.
„Ich würde sagen „American Werewolf in Paris“.“
„Oh, ein Klassiker.“ antwortete ich und wieder erschrak es mich, dass ich genau wusste, dass dieser Film eine Horrorkomödie war und sogar an den Namen des Hauptdarstellers konnte ich mich erinnern.
„Was ist los?“ fragte Jake. Er hatte sofort gemerkt, dass das Lächeln von meinen Lippen verschwunden war.
„Ach nichts.“ wehrte ich ab und schob meinen Teller zur Seite. Irgendwie war mir der Appetit vergangen.
„Komm schon. Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt.“
„Weißt du, wie bescheuert ich mir vorkomme?“ fragte ich und mein Blick wanderte durch das große Fenster hinaus auf die hell erleuchtete Straße. „Ich weiß genau, dass die Hauptrolle dieses Films von Tom Scott gespielt wurde, aber ich erinnere mich nicht daran, wie meine Großeltern hießen, ob ich sie überhaupt gekannt habe. Ich könnte dir auf der Stelle Schillers Glocke aufsagen oder mit dir eine Debatte über die Saumlänge von Damenbekleidung im 19. Jahrhundert führen. Aber ich kann mich nicht an meinen letzten Geburtstag erinnern oder an den Moment, in dem ich mich in dich verliebt habe. Und ich hasse es. Ich hasse es so sehr, Jake.“ Ich spürte, wie Tränen in mir aufwallten. „Warum kann ich mich an solch bescheuerte Dinge erinnern? Warum weiß ich überhaupt etwas über die Saumlängen...“ ich stoppte mitten im Satz, als ein Mann auf der anderen Straßenseite meine Aufmerksamkeit erregte.
„Lexi?“ fragte Jake besorgt und ich brauchte einen Moment, um mich von dem Mann zu lösen und wieder zu Jake zu blicken.
„Seltsam.“ murmelte ich.
„Was ist seltsam?“
„Für einen Moment, habe ich gedacht, dass ich den Mann da vorne kenne. Aber das ist idiotisch. Ich kenne niemanden. Nicht wirklich zumindest. Und wenn, dann sicherlich niemanden mit roten Augen.“
Ich war wie paralysiert. Sofort flog mein Blick in die Richtung, in die Lexi soeben geblickt hatte und ihre Worte drangen ungehört durch mich hindurch.
Angestrengt suchte ich nach Anzeichen von Vampiren, doch ich konnte auf der Straße niemanden ausmachen, der mir verdächtig vorkam. Kurzentschlossen stand ich auf und blickte eindringlich zu ihr hinüber.
„Du bleibst hier.“ wies ich sie, keinen Widerstand duldend, an und stürmte regelrecht zur Tür des Restaurant hinaus.
Kaum, dass die frische Luft meine Lungen füllte, konnte ich den bestialischen Geruch des Blutsaugers so deutlich in der Nacht wahrnehmen, dass es mir fast den Magen umdrehte. Wie ein roter Faden zog sich seine Spur über den Asphalt der Straße und führte in eine kleine Gasse, gegenüber meines Standortes.
Kurz warf ich einen Blick zurück zum Fenster, hinter dem Lexi mich mit großen Augen verwundert ansah. Ich war hin und hergerissen zwischen dem Wunsch den Vampir zu verfolgen und dem Verlangen, Lexi nicht ungeschützt zurückzulassen.
Ich wusste instinktiv, dass das Auftauchen des Vampirs kein Zufall sein konnte, ebenso wenig wie sein abruptes Abtauchen in der Dunkelheit. Dass Lexis vermeint hatte ihn zu kennen, war ein weiterer Grund dafür, ihn zu verfolgen und zur Rede zu stellen. Vielleicht wusste er etwas darüber, was ihr geschehen war und hielt Anhaltspunkte für eine Genesung bereit.
Auf der anderen Seite war ich mir sicher, dass Caius noch nicht aufgehört hatte, sich ihren Tod zu wünschen und wenn ich sie nun alleine hier ließ, lief ich Gefahr in eine genau vorbereitete Falle zu laufen. Ich ballte die Hände zu Fäusten, als Ausdruck meiner Unentschlossenheit und seufzte, bevor ich mich abwandte und wieder zurück ins Restaurant trat.
Lexis große Augen erwarteten mich bereits und ihre Stirn war in tiefe Falten gelegt.
„Was sollte denn das?“ fragte sie irritiert.
„Nichts.“ antwortete ich und meine Lüge war so offensichtlich, dass ich nicht damit gerechnet hatte, dass sie meiner Aussage Glauben schenken würde.
„Und deswegen bist du wie ein Irrer zur Tür raus? Ich weiß ja nicht ob du schon immer so schlecht im Lügen warst, aber jetzt bist du es definitiv“ sagte sie und ich konnte ihre deutliche Verwirrung mehr als gut verstehen. Doch jetzt war weder der Ort noch die Zeit dafür, darüber zu reden.
„Wir sollten gehen.“ sagte ich kurz angebunden und nahm nicht wieder Platz, um der Dringlichkeit meiner Worte zusätzliche Konturen zu verleihen.
„Erst wenn du mir sagst, was diese Aktion gerade eben bedeuten sollte. Hat dein Verhalten irgendwas mit dem Mann zu tun, von dem ich dachte, dass ich ihn kenne? Ich habe mich sicherlich vertan. Das war bestimmt nur irgendein Technofan auf dem Weg zu `nem Rave. Dein Beschützerinstinkt in allen Ehren, Jake, aber jetzt fängst du an seltsam zu werden.“
In Anbetracht der Tatsache, dass ich nicht im Geringsten wusste, mit wem wir es zu tun hatten und vor allen Dingen, wieviele Vampire sich in der Gegend aufhielten, hatte ich keine Zeit mir eine halbwegs glaubhafte Lüge einfallen zu lassen. Für die Wahrheit jedoch war ebenso wenig Zeit. Also beugte ich mich zu Lexi hinab und sah ihr tief in die Augen.
„Vertraust du mir?“ fragte ich sie eindringlich und merkte sofort, wie sie begann sich unter meinem Blick unwohl zu fühlen. Dass ihr Vertrauen immer noch schwer fiel, war nur natürlich und verständlich, aber jetzt musste ich darauf zählen, dass sie zumindest für den Moment auf mich zählte.
Wenn nur ein Blutsauger da draußen war, dann würde ich es ohne Zweifel mit ihm aufnehmen können. Auch auf die Gefahr hin mich inmitten einer Großstadt verwandeln zu müssen, aber um Lexi zu beschützen, würde ich es tun. Wenn der Vampir, den Lexi gesehen hatte allerdings nur die Vorhut war und möglicherweise diese volturische Kindfrau dabei war, dann sah es ziemlich übel für uns aus.
Lexi war meinen Blick mittlerweile ausgewichen und hatte sich immer noch nicht zu einer Antwort durchgerungen. Sanft hob ich ihr Kinn an und versuchte Gelassenheit auszustrahlen.
„Vertraust du mir?“ fragte ich erneut.
„Jake...ich...“ begann sie zu stottern, doch ich ließ ihren Blick nicht aus dem meinen.
Ich fühlte die drängende Gefahr in meinen Nacken und auch wenn ich es verabscheute so hart zu ihr zu sein, sah ich mich dazu gezwungen.
„Vertraust du mir?“ insistierte ich ein letztes Mal fordernd und allmählich begann sie zu nicken.
„Dann los.“ forderte ich sie auf und kramte in meiner Hosentasche nach ein paar zerfledderten Dollarscheinen, die ich ungefragt auf den Tisch legte. Lexi wollte aufbegehren, denn schließlich hatte sie mich eingeladen, aber auch für solch eine Diskussion blieb keine Zeit.
Ich griff nach ihrer Hand, zog sie von ihrem Stuhl in die Höhe und strebte dem Ausgang entgegen.
Ich ging schnell und Lexi stolperte ungelenk hinter mir her.
Immer wieder hielt ich die Nase in die laue Luft des Abends, um einen etwaigen Verfolger rechtzeitig ausmachen zu können. Auf meine Nase konnte ich mich wesentlich besser verlassen, als auf meine anderen Sinne. Doch je näher wir meinen Motorrad kamen, desto unauffälliger wurde der Gestank. Ich würde mich aber erst entspannen können, wenn ich Lexi sicher zurück zum Haus der Cullens gebracht hatte. Erst umringt von den anderen, würde ich halbwegs durchatmen können.
Am liebsten wäre es mir gewesen, nicht nach Forks, sondern auf direktem Wege nach La Push zu fahren. Doch Sams Verbot am heutigen Tag machte es mir unmöglich, Lexi mit dem bestmöglichen Schutz zu umgeben, der mir einfiel.
Ich konnte ihre sogenannte Familie zwar nicht wirklich leiden, aber kampftechnisch hatten sich zugegebenermaßen etwas auf dem Kasten und ich wußte, dass sie ihr eigenes Leben geben würden, um ihres zu beschützen.
Als wir endlich an meinen Bike ankamen, das eigentlich nur wenige Meter entfernt stand, drückte ich Lexi den Helm in die Hand und ohne groß zu warten, schwang ich mich auf den Sitz.
Doch anstatt hinter mich zu steigen, verschränkte Lexi provokativ die Arme vor der Brust und machte keinerlei Anstalten, sich den Helm aufzusetzen. Ich rollte mit den Augen, denn ich konnte mir ziemlich genau denken, was jetzt folgen würde.
Sie holte tief Luft und ich wandte den Blick zu ihr.
„Du hast gesagt, du vertraust mir, also bitte tu es jetzt auch.“ warf ich ein, bevor sie auch nur ein Wort gesagt hatte.
Aber mein Erinnerung daran schien sie keineswegs zu beeindrucken.
„Ich stehe dazu, dir zu vertrauen. Du bist wohl der Einzige, der das im Moment von sich behaupten kann. Dass heißt aber nicht, dass ich mein eigenes Denken ausschalte. Und zur Zeit führst du dich mehr als seltsam auf. Ich finde, ich habe ein Recht darauf zu erfahren, was plötzlich in dich gefahren ist. Ich kann mir dein Verhalten nämlich keineswegs erklären.“
Ich begann zu seufzen und zog sie etwas ungelenk zu mir.
„Ich kann es dir nicht erklären. Noch nicht zumindest. Aber es ist wirklich mehr als wichtig, dass wir augenblicklich von hier verschwinden. Ich verspreche dir, dass ich dir Rede und Antwort stehen werde, sobald die Zeit reif dafür ist. Aber bis dahin, bitte ich dich...nein, ich flehe dich an, mir zu vertrauen.“
Sie haderte mit sich und ich wusste, dass ich mich mit meinen Worten in eine Sackgasse manövriert hatte, aus der ich so schnell keinen Ausweg finden würde. Aber darüber würde ich mir Gedanken machen können, wenn sie die versprochene Antwort einforderte.
Schließlich gab sich Lexi einen Ruck, stieg hinter mir auf das Motorrad und sobald ich ihren festen Griff um meine Mitte spürte, ließ ich den Motor aufheulen und preschte auf dem Hinterrad vorwärts.
Es fiel mir schwer mich zu konzentrieren. Denn obwohl ich so schnell zurück nach Forks wollte, wie es mir der Motor meiner Maschine gestattete, wollte ich keineswegs einen Unfall riskieren. Dafür war meine Fracht eindeutig zu wertvoll. Ich hatte keine Ahnung, ob sie immer noch über ihre Fähigkeiten verfügte, ob sie immer noch ihre Heilkräfte besaß und nutzen konnte. So vieles war ungewiss und das Auftauchen des Vampirs in Seattle war ein weiterer unkalkulierbarer Faktor in dem ganzen Drama, das sich um ihr Leben rankte.
Erneut flog die Landschaft an uns vorbei, doch im Gegensatz zur Hinfahrt konnte ich es dieses Mal keineswegs genießen. Ich spürte, dass Lexi hinter mir verkrampft war und ich musste innerlich aufstöhnen, dass es keine drei Tage her war, seitdem Carlisle sie gerettet hatte und nun schon wieder Gefahr über ihr schwebte, wie ein Damokles Schwert.
Sie brauchte Ruhe, eine Auszeit von 200 Jahren auf der Flucht. Von einer Zeit ohne Sicherheit, Geborgenheit und Fürsorge. Doch es schien, als ob Gott andere Pläne für sie bereithielt. Ich begann mich zu bremsen.
Noch konnte ich mir nicht sicher sein, ob die kurze Begegnung mit dem Vampir wirklich Lexi gegolten hatte. Vielleicht war es ein reiner Zufall. Wahrscheinlich war es naiv zu denken, dass die Cullens die einzigen Blutsauger in der Umgebung waren und vielleicht handelte es sich bei dem Vampir, nur um einen Reisenden, der vom Duft eines anderen Vampirs angezogen worden war. Mein Geruch jedoch, sprach eindeutig dagegen.
Er war stärker als Lexis, die schließlich nur ein Halbvampir war und mein Odeur, wie Jasper es oft nannte, war nicht gerade eine Einladung für Blutsauger, sondern eine mehr als deutliche Warnung, mir nicht zu nahe zu kommen.
Die Räder des Motorrads wirbelten Unmengen an Erde und Laub auf, als ich in die Auffahrt zum Haus der Cullens abbog und immer noch nicht bereit war, mein Tempo zu drosseln. Nur noch wenige Meter und ich hätte sie zumindest für den Moment in Sicherheit gebracht.
Direkt vor dem Eingang zum Haus, stellte ich den Motor aus, stieg ab und half Lexi ebenfalls. Doch sie stieß mich unwillig von sich, streifte sich den Helm vom Kopf und schüttelte selbigen, bevor sie sich von mir abwandte und im Haus verschwinden wollte. Ich umschloss ihren Oberarm und hielt sie zurück.
„Warte.“ sagte ich knapp und zog sie trotz ihrer leichten Gegenwehr zu mir. „Ich weiß, dass du mich im Moment nicht verstehst, aber du musst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich das alles nur zu deinem Schutz tue und ich uns keineswegs den Abend ruinieren wollte. Ich werde es wieder gut machen. Warte in deinem Zimmer auf mich. Ich muss nur kurz mit Carlisle sprechen und dann mach ich alles wieder gut, versprochen.“
Lexi stieß einen Schwall Luft aus, dann zuckte sie mit den Schultern.
„Wie du meinst.“ sagte sie kurz angebunden, löste sich von mir und ging ohne ein weiteres Wort ins Haus. Ich wusste, dass ich kurz davor war, wieder einmal alles zu versauen.
Aber zu wissen, dass Lexi meine Seelenverwandte war, ließ mich fest daran glauben, dass wir auch die kommenden Klippen würden umschiffen können.
Doch jetzt galt es erst einmal, die anderen zu warnen, Informationen auszutauschen und sicher zu stellen, dass alles für Lexis Wohl getan wurde. Sicherlich übertrieb ich in meiner Fürsorge, das war mir durchaus bewusst. Aber ein Fehler meinerseits, hatte dazu geführt, dass Alexis ihr Gedächtnis verloren hatte und ich war nicht bereit, durch Leichtsinnigkeit einen weiteren Fehler zu begehen, der womöglich ihr Leben kosten konnte.
Ich folgte Lexi ins Haus und war keineswegs überrascht, Carlisle in der Eingangshalle zu sehen. Sein Blick schweifte fragend über Lexis Züge, doch sie sagte kein Wort, sondern wandte sich zur Treppe und ging wortlos hinauf.
„Ihr seid schon wieder zurück? Das war ja ein kurzer Ausflug.“ drehte er sich stattdessen nun zu mir, da Lexi ihn offensichtlich hatte abblitzen lassen.
„Ja...“ begann ich und wartete, bis ich die Tür zu ihrem Zimmer hören konnte und senkte dann die Stimme. „Wir sind einem Vampir über den Weg gelaufen. Ich hielt es für besser, sofort zurück zu kommen.“
Carlisles Augen weiteten sich vor Überraschung und er legte den Kopf schief.
„Bist du dir ganz sicher, dass es ein Vampir war?“ fragte er mich und fast fühlte ich mich beleidigt.
„Meine Sinne sind einzig darauf ausgelegt, einen von euch zu erkennen. Ich irre mich nicht. Es war ein Vampir und Lexi meinte ihn zu kennen. Sie hat keine Ahnung, woher und sie weiß auch nicht, was sie gesehen hat. Aber es scheint kein Freund von euch gewesen zu sein. Seine Augen waren rot. Wenn ich mich recht entsinne, ist das ein Zeichen für einen...Fleischfresser.“ mir fiel einfach kein anderes Wort dafür ein, auch wenn es in meinen Ohren respektlos den Opfern gegenüber klang.
„Ja.“ seufzte Carlisle und wir gingen gemeinsam ins Wohnzimmer, wo der Rest der Familie sich aufhielt.
„Schon wieder zurück?“ fragte nun auch Alice irritiert.
„Sie sind einem Vampir begegnet.“ erklärte Carlisle ihr an meiner Statt und ein Raunen mehrerer Kehlen erfüllte den Raum.
„Was heißt begegnet genau?“ fragte Jasper und erhob sich, um auf mich und Carlisle zuzugehen.
„Lexi hat ihn gesehen und vermeint, ihn zu kennen. Ich hab ihn leider verpasst, aber sein...“ ich wollte Gestank sagen, hielt mich dann jedoch zurück. „...Geruch war mehr als eindeutig.“ führte ich mit einer Ruhe aus, die mir eigentlich im Moment nicht zu eigen war.
„Du denkst, er war wegen euch dort?“ fragte nun Esme, die sich ebenfalls erhoben hatte.
„Welchen anderen Anlass würde es geben? Ich zieh euch Vampire ja nun nicht gerade an, wie Scheiße die Fliegen. Also muss es einen Grund gegeben haben, warum er dort war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Zufall war. Schon gar nicht, nachdem Lexi glaubte, ihn zu kennen.“
„Hast du seinen Geruch erkannt? Hast du ihn vielleicht auf der Hochzeit vernommen? Vielleicht sind einige der Gäste nicht direkt wieder abgereist und machen nur ein wenig Urlaub...“ schlug Blondie vor und ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse.
„Ja klar, weil gerade Seattle das Haupterholungsgebiet der Gegend ist, alleine schon wegen dem guten Wetter.“ sagte ich gehässig in ihre Richtung und schüttelte dann den Kopf.
„Ich habe den Geruch definitiv noch nie vorher wahrgenommen.“
Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
Trotz all der Sorge um Alexis, schaffte es die bloße Anwesenheit Rosalies mein Blut in Wallung zu versetzen und keineswegs auf eine positive Art und Weise.
„Was hast du gemacht, als du gemerkt hast, dass es ein Vampir war?“ fragte Alice besorgt und ich war froh, dass ich mich nun auf sie konzentrieren konnte. Sie war nach dem Doc und Esme eindeutig die Angenehmste der Truppe.
„Was soll ich getan haben? Ich bin hinterher und für einen Moment war ich versucht ihm zu folgen. Aber dafür hätte ich Lexi allein zurücklassen müssen. Also hab ich sie geschnappt und bin auf dem schnellsten Weg wieder hier her zurück.“
„Ist euch jemand gefolgt?“ fragte Carlisle wissbegierig, aber ich verneinte.
„Nein. Ich glaube er ist geflohen, als er merkte, dass er entdeckt wurde. Ich konnte auch keinen anderen Geruch neben seinem wahrnehmen. Er schien allein zu sein.“ erklärte ich weiter und bemerkte, wie Alice´ Blick gen Zimmerdecke ging.
„Sie ist nicht sehr begeistert von eurem kurzen Abend, hm?“ sagte sie mit einer Spur zu viel Mitleid für mich in der Stimme.
„Kann man es ihr verübeln?“ fragte ich zurück.
Alice zuckte mit den Schultern und ich seufzte erneut.
„Ich werd das schon irgendwie wieder hinbekommen. Ich habe zwar keine Ahnung wie und wodurch, aber das lass mal meine Sorge sein. Ich werde mir schon irgendetwas einfallen lassen.“
„Also wieder eine neue Lüge?“ sagte Blondie abschätzig. „ Ich mein, mir soll es recht sein. Wenn sie herausfindet, wie ehrlich du mit ihr bist, wird sich das Thema „Köter“ in diesem Haus sehr bald von alleine erledigt haben und ich muss deinen Brechreiz erzeugenden Gestank nicht mehr ertragen. Ganz zu schweigen von deinem Anblick, der mir dann erspart bleibt.“
„Bestell dem Teufel einen schönen Gruß von mir, wenn ich dich eines Tages dorthin zurückschicke, von wo du hergekommen bist.“ presste ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor und vernahm das leise Knurren Emmetts.
„Wir sollten unsere Gemüter wieder ein wenig beruhigen... Rose? Jake? Es geht hier um wichtigere Dinge, also bitte lasst dieses Kettenrasseln sein. Wir alle müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass mit Lexis Anwesenheit in diesem Haus, einige Veränderungen Einzug gehalten haben. Und wir sollten die Möglichkeiten dieser Veränderungen begrüßen.“ Carlisle sah mahnend zu Rose und ließ auch mich nicht unverschont. Ich kam mir augenblicklich gerügt vor, rebellierte jedoch nicht. Carlisle verströmte eine Autorität, die auch an mir nicht wirkungslos vorbeiging.
Also versuchte ich mich ein wenig zu entspannen und meine Körperhaltung nicht mehr ganz so aggressiv wirken zu lassen. Rosalie schien dies schwerer zu fallen als mir.
Irgendwann....schwor ich mir in Gedanken, würde ich mich auf meine Art mit ihr beschäftigen.
„Was werden wir jetzt unternehmen?“ unterbrach Esme meine Gedanken und Carlisles Gesichtsausdruck verriet, dass er scharf nachdachte.
„Am besten ist es, wenn wir sofort nach Seattle aufbrechen und versuchen den Vampir ausfindig zu machen. Wir wissen nichts über ihn und ich möchte ungern in Vermutungen versinken, was seine Anwesenheit angeht. Vielleicht handelt es sich wirklich um einen einzelnen Wanderer und eure Begegnung mit ihm war ein Zufall. Ich möchte nicht die Pferde scheu machen, wenn es keinen Grund dafür gibt. Aber die einzige Möglichkeit das herauszufinden, wird es sein ihn zu finden und zur Rede zu stellen. Alice und Jasper, ihr bleibt am besten hier. Nur für den Fall, dass er Jacob doch gefolgt sein sollte. Dann seid ihr immer noch zu dritt. Wir werden in Kontakt bleiben.“ wies er an und Alice nickte zustimmend.
„Wo genau ist er euch begegnet?“ fragte er mich.
„Rays Fishhouse.“ gab ich an und hörte Rose kurz verächtlich aufschnauben.
„Ist ja ein echt nobles Etablissement, in das du Lexi geführt hast.“ sagte sie spitz und ich streckte meine Hand vor ihr Gesicht.
„Halt einfach deine Klappe.“ sagte ich, auch wenn ich versucht war, ihre Pöbelei auf andere Weise zu erwidern.
„Könnt ihr es jetzt nicht langsam mal lassen? Wir wissen alle, dass ihr euch am liebsten gegenseitig in Fetzen reißen wollt. Ihr beginnt zu nerven.“ sagte Alice gereizt und ich atmete tief durch.
„Gib mir nicht die Schuld. Sie hat angefangen.“ verteidigte ich mich wie ein trotziges Kind.
„Mir ist egal, wer angefangen hat. Ich werde es beenden, wenn ihr euch nicht langsam in den Griff bekommt. Wir sind alle Teil von Lexis Leben und auch ihr zwei solltet euch mit der Gegenwart des anderen abfinden.“ sagte Alice und Carlisle nickte.
„Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.“ damit steuerte er der Tür entgegen und Esme, Emmett und schließlich auch Blondie folgten ihm zur Tür hinaus.
Ich schickte Blondie noch einen letzten durchbohrenden Blick gen Rücken hinterher, bevor ich die Lippen aneinander rieb.
„Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt nach Lexi sehe. Ich hab ´ne Menge wieder gut zu machen.“
„Sie wird dir verzeihen.“ ermunterte mich Alice und ich lachte mutlos auf.
„Ja dieses Mal vielleicht noch. Aber es wird bald an der Zeit sein, ihr die Wahrheit zu sagen. Jeder Tag bringt nur noch mehr Lügen mit sich und ich ertrag es bald nicht mehr.“
„Wird schon.“ sie lächelte mir zu und ich nickte ihr und Jasper ein letztes Mal zu, bevor ich mich auf den Weg die Treppen hinauf zu Lexis Zimmer machte.
Zögernd klopfte ich gegen die verschlossene Türe und hatte keine Ahnung was ich ihr nun sagen sollte. Es gab nichts, dass mein Verhalten erklärte, ohne dass ich mich dabei lächerlich und unglaubwürdig machen würde.
Zudem hatte ich ihr gesagt, dass ich ihr die Wahrheit nicht vorenthalten würde, wenn sie mich darum bat, sie ihr zu erzählen. Die Wahrheit...
Ich hielt Lexi noch lange nicht bereit für die Wahrheit. Sie würde sie nicht glauben, sie zu Recht in Frage stellen und vermuten, ich wolle sie in die Irre führen.
Ein leises „Herein.“ klang von innen an meine Ohren und ich öffnete die Tür, trat ins Zimmer und sofort legte sich mein Blick auf Lexis Gestalt.
Sie hatte sich bereits für die Nacht umgezogen und lag in ihren Pyjamas auf dem Bett, ein dickes Buch in den Händen, von dem sie nicht aufsah, als ich eintrat.
„Sehr böse?“ fragte ich sanft, während ich langsam auf sie zuging und mich schließlich neben ihr auf das Bett setzte.
Sie blickte skeptisch über den Rand ihres Buches zu mir herüber, schloß es dann seufzend und legte es bei Seite.
„Ich bin nicht böse, Jake. Ich bin verwirrt.“ erklärte sie tonlos und ich nickte.
„Ich weiß.“ gab ich kleinlaut zu und griff zaghaft nach ihrer Hand, die neben meiner lag.
Für einen kurzen Moment, befürchtete ich, dass sie sie wegziehen würde, aber sie erlaubte mir, meine Finger um ihre zu legen.
„Ich werde einfach nicht schlau aus dir.“ sagte sie traurig und mein Herz zog sich zusammen.
„Ich weiß im Moment nicht einmal, wer ich selbst bin und muss mich damit auseinander setzen, wer du bist.“ Lexi wandte den Blick von mir ab und nun entzog sie mir ihre Hand, die ich nur widerwillig gehen ließ.
„Ich bin der, der dich liebt.“ sagte ich leise und versuchte die Regungen ihrer Mimik zu deuten.
„Das ist der Punkt, um den ich mir am wenigsten Sorgen mache.“ antwortete sie und verscheuchte damit den dunkelsten Schleier aus meinen Gedanken. „Ich weiß, dass hier irgendetwas vor sich geht, das ich nicht begreife und vor dem ihr mich alle schützen wollt. Du ganz im Besonderen und ich hoffe, Recht damit zu behalten, dass du es nur zu meinem Schutz tust.“ fuhr sie fort und sah mich wieder direkt an. Das Grün ihrer Augen wurde durch einen schwachen, glasigen Schimmer getrübt. „Ich habe einfach nur Angst, Jake. Angst vor dem was war, vor dem was ist und vor allem vor dem, was sein wird. Ich habe Angst, weil es scheinbar einen Grund gibt, mich beschützen zu müssen, vor was auch immer. Ich befinde mich in einem freien Fall, ohne zu wissen, von wo ich herunter gefallen bin und ohne zu wissen, wie lange der Flug dauern wird, bis ich auf dem Boden aufschlage. Und ich glaube mir einbilden zu können, dass da etwas ist, dass du mir im Moment nicht zutraust. Und ich glaube außerdem, dass du damit Recht hast. Ich fühle mich schwach und ich weiß, dass ich weiteren Hiobsbotschaften noch nicht gewachsen bin. Alles was ich will ist, dass du mich nicht belügst. Wenn du es für richtig hältst, mich nicht aufzuklären, dann vertraue ich dir, aber ich will nicht, dass du mich belügst, okay?“ fragte sie und ihr Blick wurde eindringlich.
„Ich werde nicht zulassen, dass du auf dem Boden aufschlägst.“ versprach ich ihr ernst. „Ich werde da sein und dich auffangen. Und ich werde dich nicht belügen.“
„Du weißt, dass du mich nicht vor dem Leben beschützen kannst?“ fragte sie schließlich und ein scheues, nicht wirklich überzeugendes, schwaches Lächeln zierte ihre wundervollen Lippen.
„Ich kann es zumindest versuchen.“ entgegnete ich und meine Finger wanderten über die Bettdecke wieder zu ihrer Hand.
In der kommenden Woche mauserte ich mich zur Meisterin der Verdrängung. Ich wusste nun mit vollkommener Sicherheit, dass die Dinge um mich herum nicht so einfach waren, wie mich jeder glauben machen wollte.
Es schien in meiner Vergangenheit Dinge gegeben zu haben, die man mir im Moment einfach nicht zutraute und die von mir ferngehalten wurden. Und ich übte mich darin, jedwede Mutmaßung darüber nicht in meinen Gedanken Einzug halten zu lassen.
Ich verfügte in dieser Beziehung über eine unwahrscheinliche Geduld, die ich mir selbst nicht unbedingt zugetraut hätte, die jedoch ein fast selbstverständlicher Teil meiner Persönlichkeit zu sein schien.
Natürlich wäre es mir auf der einen Seite lieber gewesen, wenn man offen mit mir gesprochen hätte. Egal, was es für mich bedeutete. Aber auf der anderen Seite, wusste ich, dass ich noch nicht soweit war. Allein der Gedächtnisverlust an sich, war eine solche Last und Bürde und ich konnte nur mutmaßen, wie ich damit umgehen würde, wenn sich tiefe Abgründe aus meiner Vergangenheit vor mir auftun würden. Wenn erst einmal die Zeit gekommen war, in der ich mich damit abgefunden hatte, dass ich keinerlei Erinnerung hatte und ich mich mit meinem momentanen Leben arrangiert haben würde, war ich mir sicher, dass keiner der Menschen um mich herum, weiterhin einen Schleier über meine vergangenen Tage legen würde.
Und bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich beschlossen, dass es das Beste sein würde, mich in Vertrauen zu üben.
Tagsüber gelangen die Anstrengungen meiner Familie und insbesondere auch die Jakes recht gut, meine Gedanken auf Positives zu lenken. Sie brachten mich alle viel zum lachen und manchmal kam es mir so vor, als hätte ich auch das erst wieder lernen müssen. Als habe es vorher nicht viel in meinem Leben gegeben, das Grund für Spaß und Ausgelassenheit gegeben. Doch nachts, wenn ich meinen Kopf auf Jakes Brust gebettet in meinem dunklen Zimmer lag und seinem Atem lauschte, während er leise schnarchte und glaubte ich wäre ebenfalls nicht mehr wach, kam ich nicht umhin, mir Fragen zu stellen.
Und nach einigen Tagen, hatte ich mir meine eigene Erklärung für all das seltsame Verhalten, der Menschen um mich herum, zusammengereimt.
Ich war mir sicher, dass es etwas mit dem Mann aus Seattle zu tun hatte, den ich vermeint hatte zu kennen. All die Indizien, die sich vor mir ausbreiteten, ließen nur einen Schluß zu.
Es war unwahrscheinlich, dass meine Amnesie aufgrund eines Unfalls geschehen war. Ich schloß ein Gewaltverbrechen nicht mehr aus, hielt es sogar für die einzige plausible Erklärung. Jemand hatte mir etwas angetan, vielleicht sogar versucht mich zu töten. Und er war noch nicht gefasst worden. Das würde die Besorgnis aller erklären, Jakes Flucht aus Seattle und warum man mir nicht sagte, was wirklich geschehen war. Vielleicht hatte ich ein Martyrium erlebt, war missbraucht und geschlagen worden, oder sogar schlimmeres. Und nun wollten sie meinem fragilen Seelenleben nicht zumuten, zu wissen, dass der Täter immer noch da draußen herumlief.
Das Gesicht des Mannes aus Seattle tauchte in meinen Träumen immer wieder vor mir auf und seine roten Augen schienen mir im Nachhinein betrachtet nicht real gewesen zu sein.
Vielleicht hatte mein Unterbewusstsein, sie mich sehen lassen um mich die Gefahr erkennen zu lassen, die von ihnen ausgingen.
Aber die Bilder ängstigten mich nicht. Die unglaubliche Wärme von Jakes Körper, seine Arme um meine Mitte, die ich auch im tiefsten Schlaf immer noch zu spüren vermochte, schenkten mir eine innere Ruhe, Sicherheit und sie ließen mich Liebe fühlen.
Als ich am Freitag Morgen mit Jake allein am Frühstückstisch saß und durch die Zeitung blätterte, während die anderen scheinbar keinen Hunger hatten, blieben meine Augen an einem Artikel im Regionalteil hängen.
„Hast du das schon gesehen?“ fragte ich Jake und biss in meinen Marmeladentoast.
„Was?“ fragte er interessiert und hob den Blick.
„Heute startet ein Jahrmarkt in Forks zum Abschluss der Sommerferien.“ informierte ich ihn und blickte abwartend zu ihm herüber.
„Oh, ja. Den gibt es jedes Jahr am letzten Wochenende bevor die Schule wieder beginnt. Ist ganz nett.“ antwortete er nun wesentlich desinteressierter.
„Wollen wir da hin gehen?“ fragte ich weiter. „Wenn du am Montag wieder in die Schule gehst, werden wir sehr viel weniger Zeit miteinander haben.“
Allein der Gedanke, bald nicht mehr jeden Morgen als erstes sein Gesicht zu sehen, wenn ich aufwachte, war unangenehm.
„Ich gehe nicht mehr zur Schule.“ sagte er knapp und ich hob fragend die Augenbrauen.
„Aber du bist erst 17. Du kannst doch noch keinen Abschluss haben, oder?“
„Hab ich auch nicht.“ antwortete er, stand auf und begann den Tisch abzuräumen.
„Und warum gehst du dann nicht mehr zur Schule? Du bist doch intelligent und so.“
„Private...Umstände. Ich hab mir eine Auszeit genommen.“ erklärte er mir, sah mich dabei jedoch nicht an.
„Ist es wegen Billy?“ forschte ich weiter. Jakes Vater saß im Rollstuhl und war schwer an Diabetes erkrankt. Vielleicht hatte er Jakes Hilfe gebraucht.
„Auch.“ kam es von der Spüle her, als Jake begann die Teller zu spülen.
„Du sprichst wohl auch nicht mit jedem, hm?“ warf ich ein und brachte ihn damit zu lachen.
„Ich werde es dir irgendwann erklären.“
Ich rollte mit den Augen. Irgendwann...
„Wie so vieles anderes auch..“ nuschelte ich ein klein wenig beleidigt in meinen imaginären Bart.
„Also, was ist nun? Gehen wir heute Nachmittag auf den Rummel, ja oder nein?“ erhob ich meine Stimme wieder und durchbohrte mit meinen Blicken seinen Rücken, als könne ich dadurch seine Gedanken kontrollieren und ihn dazu bringen, ja zu sagen.
Ich wollte unbedingt raus. Seit einer Woche hatte ich das Haus nicht verlassen. Einerseits weil ich wusste, dass jeder Ausflug nur mit meinem persönlichen Leibwächter von Statten gehen würde. Zum anderen, weil ich Jake zeigen wollte, dass ich ihm vertraute und ein liebes Mädchen sein wollte, indem ich mich keinerlei Gefahr aussetzte. Obwohl ich weniger Angst um mich hatte, als alle anderen um mich herum.
Aber jetzt war es an der Zeit wieder frischen Wind um die Nase zu spüren. Ein Rummel war voller Menschen. Was sollte mir da schon passieren? Ich hatte noch nie von einem Mord auf einem Rummel gehört. Zumindest glaubte ich das.
„Ich weiß nicht, Lexi.“ sagte er und drehte ein Glas im Spülwasser.
Augenblicklich erhob ich mich und stellte mich hinter ihn. Ich wusste, dass ich ihn bis zu einem gewissen Grad durchaus ganz gut beeinflussen konnte. Eigentlich nutzte ich das nicht aus, aber die Decke des Hauses begann mir allmählich auf den Kopf zu fallen.
„Bitte, bitte.“ sagte ich quengelig, während ich meine Lippen leicht vorschob und mich an ihn schmiegte. Ein ganzer Tag außerhalb des Hauses, zusammen mit Jake und ohne meine Familie, war einfach viel zu verlockend.
„Du wirst unfair, Lexi.“ wand er sich und ich wusste, dass ich gewonnen hatte. „Meinetwegen, aber du musst vorher Carlisle fragen.“
Ich stöhnte. Hatte ich vor dem Abend in Seattle angenommen, dass Carlisle und Esme recht lockere Erziehungsmethoden hatten, war ich jetzt vom Gegenteil überzeugt.
„Okay, ich frag ihn.“ sagte ich seufzend und ließ Jake los, um zum Telefon zu gehen und meinen Adoptivvater anzurufen.
Er war bereits seit dem frühen Morgen im Krankenhaus und ich musste einen Moment warten, bis ich zu ihm durchgestellt wurde.
Es brauchte einige Überredungskunst und das Versprechen, vor Sonnenuntergang wieder zurück zu sein und mich nicht von Jakes Seite zu stehlen, bis er es erlaubte.
Augenblicklich hob sich meine Stimmung an.
„Er hat „ja“ gesagt.“ jubilierte ich und legte auf, bevor ich Jake einen Kuss auf die Lippen drückte.
Ihn schien die Zusage Carlisles nicht ganz so positiv zu stimmen.
„Okay, wenn er es erlaubt.“ seufzte er und legte einen Arm um meine Taille, um mich noch nicht aus seiner Nähe zu entlassen.
„Das wird bestimmt ein Riesenspaß. Zuckerwatte, Autoscooter und der Liebestunnel. Ich bin mir sicher, dass es ein toller Tag wird. Ich werde auch ganz brav an deiner Seite bleiben.“ versprach ich mit einer Engelsmiene.
„Das hoffe ich doch.“ sagte er und konnte schon wieder lächeln. „Ich muss noch was erledigen, bevor wir gehen können.“ er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und ich zog erneut eine Schnute.
„Ich hol dich gegen 13 Uhr ab, okay? Dann haben wir genug Zeit.“
Ich nickte zustimmend und stellte mich erneut auf die Zehenspitzen um seine Lippen auf meinen spüren zu können. Ich war immer noch süchtig nach seinen Berührungen. An jeden neuen Tag mehr, als am Tag davor. Aber auch wenn Jake die Nächte stets mit mir in einem Bett verbrachte, hielt er sich weiterhin eisern zurück. Er schlief nie mit nacktem Oberkörper und er bestand darauf, dass auch ich mich nicht allzu freizügig zu ihm gesellte. Ich hatte nach einer Weile aufgehört, ihn in Versuchung zu führen.
Es schien ihm aus einem mir unerfindlichen Grund zu missfallen, wenn ich versuchte weiter zu gehen als ihn „nur“ zu küssen und ich wollte einfach keinen Streit riskieren, nur weil er sich mir gegenüber eigentlich anständig verhielt.
Allerdings revanchierte er sich tagsüber stets mit unzähligen Küssen und sanften Berührungen bei mir. Vermied diese jedoch, wenn wir allein waren. Besonders intensiv wurden seine Zuneigungen immer wenn Rose anwesend war, oder den Raum betrat.
Ich wusste, dass er dies nur tat, weil es Rose in den Wahnsinn trieb und sie meist nach kurzer Zeit mit rollenden Augen und einem genervten Stöhnen wieder verschwand. Aber ich nahm es hin, denn diese Momente waren die einzigen, in denen nicht ich den fordernden Part übernahm und versuchen musste ihn zu animieren.
Und auch jetzt zog er sich nach ein paar mehr als unschuldigen Küssen wieder von mir zurück, strich mir weich über die Wange und befreite sich sanft aus meiner Umarmung.
„Ich muss dann los, mein Herz..“
Ich nickte, auch wenn ich ihn lieber bei mir behalten hätte.
„Okay, aber komm nicht zu spät ja? Ich werde nämlich sicherlich mit jeder Minute, in der du nicht bei mir bist immer welker werden, wie eine Blume ohne Wasser.“ grinste ich und Jake schüttelte lachend den Kopf.
„Ist ein bisschen pathetisch, oder Kleines?“
Ich verneinte vehement.
„Keineswegs. Ich brauche dich schließlich, wie die Luft zum atmen. Und jetzt hopp. Je eher du gehst, desto eher bist du wieder bei mir.“
Er nickte, gab mir einen allerletzten Kuss, bevor ich ihn noch bis zur Haustür begleitete und hinter ihm hersah, bis er mit seinem Motorrad aus meinem Blickfeld verschwunden war. Erst als ich auch das Geräusch des Motors nicht mehr deutlich wahrnehmen konnte, wandte ich mich ab und ging zurück ins Haus. Ein kurzer Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich ungefähr noch 2 ½ Stunden Zeit hatte, bis er wieder zurück sein würde und beschloss allmählich damit anzufangen mich fertig zu machen. Ich schlurfte hinauf in mein Zimmer, nahm eine ausgiebige Dusche, bei der ich sehr darauf bedacht war, das wohlriechende Duschgel reichlich aufzuschäumen, damit der Geruch lange an mir haften bleiben würde. Irgendwann hatte ich die Vorstellung davon, dass der Tag mit Jake etwas Besonderes werden würde. Schließlich waren wir eine ganze Woche nicht mehr wirklich allein gewesen und ich wollte, dass alles perfekt wurde.
Nach der Dusche begann ich mich gewissenhaft einzucremen, auch wenn meine Haut nicht die Spur von Trockenheit aufwies, sondern wie eigentlich immer, glatt und weich war.
Dennoch konnte es sicher nicht schaden. Als ich mit all den Kleinigkeiten fertig war und sogar zwischen meinen Zehen nicht ein Fussel mehr zu finden war, wickelte ich mein großes Handtuch um meinen Körper und stolperte aus meinem Zimmer. Im Flur blieb ich kurz verwirrt stehen.
Ich hatte vorgehabt zu Alice zu gehen. Aber wie ich jetzt hier stand, fiel mir auf, dass ich nicht wusste, welches Zimmer ihres war und dass ich in der ganzen Zeit in der ich schon hier war, nicht einmal eines der Zimmer meiner Geschwister betreten hatte.
Unentschlossen blickte ich zur Treppe, nicht wissend ob ich nach oben oder unten gehen sollte.
Kurzentschlossen entschied ich mich dazu, einfach laut und deutlich nach ihr zu rufen.
Noch bevor ich meine Stimme erhoben hatte, kam meine Schwester allerdings schon die Treppen von oben herunter und grinste mich breit an.
„Du suchst nicht zufällig mich, oder?“
Ich zog skeptisch die Augenbrauen in die Höhe
„Woher weißt du das?“ fragte ich erstaunt und Alice lachte glockenhell.
„Ich habe ein besonderes Gespür dafür, wann ich gebraucht werde.“ erklärte sie mir immer noch lächelnd und zog mich mit sich zurück in mein Zimmer.
„Lass mich raten. Du brauchst ein bisschen Hilfe bei deinem Styling?“ fragte sie und verwirrte mich ein weiteres Mal damit, dass sie genau wusste, was ich von ihr wollte.
„Ja.“ brachte ich stotternd hervor, während sie bereits meinen Kleiderschrank öffnete und mit ihrem gesamten Oberkörper darin verschwand.
„Süß und niedlich, oder lieber sexy und elegant?“ fragte sie gedämpft und ich zuckte nur mit den Schultern.
„Wie wäre es mit einer Mischung aus beidem?“ fragte ich zurück und es dauerte einen Moment, bis sie einige Bügel hervorzog und sie aufs Bett warf.
„Was habt ihr denn vor?“
„Wir gehen auf den Rummel.“ sagte ich wieder freudig erregt und erntete ein sanftes Schmunzeln von ihr.
„Naja dann wäre ich irgendwie schon für süß und niedlich.“ riet sie mir und rieb die Lippen aneinander.
„Ja schon, irgendwie. Aber ich brauche das gewisse Etwas.“ erklärte ich ihr und weitete meine Augen, damit sie mich verstand.
„Ahh...du willst Jake auch auf eine andere Achterbahn schicken, als die auf dem Jahrmarkt, hm?“ grinste sie verstehend und ich meinte die Röte auf meinen Wangen deutlich zu spüren.
„Ein kleines Bisschen vielleicht.“ gab ich zu und spürte die Hitze in meinen Ohrspitzen.
„Immer noch keinen Schritt weiter?“ fragte sie und zog mich mit in Badezimmer, wo sie mich auf den Toilettendeckel drückte und begann meine nassen Haare zu frottieren.
Ich hatte in den letzten Tagen viel mit Alice über Jake gesprochen. Immer wenn er für ein paar Stunden, das Haus verlassen hatte und ich hatte es genossen mich mit ihr auszutauschen. Sie schien ihrem Alter soweit voraus zu sein und ihre Ratschläge waren immer vollkommen vorurteilsfrei und nie fühlte ich mich von ihr getadelt.
„Nicht wirklich. Ich will es ja gar nicht mehr auf die Spitze treiben, aber manchmal wenn er mich küsst, dann brennt meine ganze Haut und ich würde mir so sehr wünschen, seine Hände auf meiner nackten Haut zu spüren. Da spricht doch nichts gegen oder?“ fragte ich scheu und Alice schüttelte den Kopf.
„Nein, daran gibt es nichts Verwerfliches. Warte ab, bis ich mit dir fertig bin, dann wird er dir bestimmt nicht mehr widerstehen können.“ sie zwinkerte mir zu. „Aber denk an das was ich dir gesagt habe. Lass es nicht soweit kommen, dass du nicht mehr klar denken kannst, ja?“
Ich nickte.
„Versprochen.“
Alice begann mit einem leichten Makeup, bei dem sie gekonnt meine Augen betonte und meinen Lippen einen zarten Hauch von Rosé verpasste. Erst als sie mit meinem Gesicht zufrieden war, begann sie damit, meine Haare zu fönen und mit einem Glätteisen meine Locken raus zuziehen, bis meine Haare seidig glänzten und sich in weichen Kaskaden über meine Schultern legten. Dann teilte sie die Seiten ab und begann die beiden Strähnen miteinander zu verflechten, während der Rest meiner Haare auf meinen Rücken fiel.
Als ich in den Spiegel geblickt hatte und ihr meine Zustimmung zuteil kommen ließ, gingen wir wieder zurück in mein Zimmer und Alice verwarf augenblicklich jedes Outfit, dass sie zuvor auf mein Bett gelegt hatte.
„Das ist alles irgendwie nicht das Richtige.“ sagte sie mit angestrengt wirkender Miene. „Warte kurz, ich glaube ich habe da noch etwas bei mir im Schrank hängen, dass perfekt ist.“ damit verschwand sie aus meinen Zimmer und war so schnell wieder zurück, dass ich kaum glauben konnte, dass sie soeben eine Etage weiter oben gewesen war.
In ihrer Hand hielt sie ein weißes Kleid und breitete es nun an meinem Körper aus, damit ich es besser betrachten konnte. Der Ausschnitt war sündhaft, wirkte aber durch an den Rändern platzierten Rüschen eher verspielt als anrüchig. Der Saum endete knapp über dem Knie mit den selben Applikationen, die den Ausschnitt umrandeten und der leichte Baumwollstoff gab dem ganzen ein sommerliches Flair.
Ich begann breit zu lächeln und drehte mich leicht vor meinem Spiegel.
„Das ist wirklich perfekt.“ sagte ich, wickelte mich aus meinem Handtuch, schlüpfte in weiße, eher unschuldig anmutende Unterwäsche und zog mir dann das Kleid über den Kopf.
„Danke, Süße.“ sagte ich glücklich und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Mach es mir ja nicht dreckig. Ich habe es selbst noch kein einziges Mal angehabt.“
Ich nickte, während ich mich wieder in meinem eigenen Anblick im Spiegel verlor.
Plötzlich kamen mir Zweifel.
„Denkst du nicht, dass es etwas zu kurz für einen Jahrmarkt ist?“ fragte ich sie und drehte meinen Kopf über die Schulter, um sie anzusehen.
„Du gehst auf den Rummel, um Jake den Kopf zu verdrehen, nicht um dir deinen Magen umzudrehen. Verliebte Pärchen besuchen doch ohnehin eher das Riesenrad oder den Liebestunnel. Und dafür eignet sich das Kleid doch vorzüglich.“ warf sie ein und ich konnte nicht anders, als ihr zuzustimmen.
Sie trat hinter mich und blickte an mir vorbei auf mein Spiegelbild.
„Du siehst wirklich bezaubernd aus. Wenn er darauf nicht anspringt, dann würde ich mir an deiner Stelle wirklich Sorgen um seinen Geisteszustand machen. Aber eine Kleinigkeit fehlt noch.“ sie griff hinter ihren Rücken und zauberte ein schmales Silberkettchen hervor, an dessen Ende ein filigranes Kreuz baumelte.
„Jetzt ist es wirklich perfekt.“ sagte sie und wir waren uns darin einig, dass ich wahrscheinlich noch nie so gut ausgesehen hatte.
Mit einem breiten und irgendwie selbstzufriedenen Lächeln auf den Lippen, ging ich noch einmal zurück ins Bad und verteilte ein paar Tropfen Parfüm auf meinem Hals, hinter den Ohren und auf meinen Handgelenken, bevor ich noch schnell einen Tropfen in meinen Ausschnitt fallen ließ.
„Jetzt fährst du die ganz schweren Geschütze auf, was?“ grinste Alice die in den Türrahmen getreten war und ich zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht wer es gesagt hat oder wo ich es aufgeschnappt habe, aber jemand hat einmal gesagt, man soll seinem Partner jeden Tag aufs neue einen Grund geben, sich zu verlieben.“ sagte ich knapp und Alice nickte zustimmend.
„Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Wann will Jake dich abholen?“
„Um 13 Uhr.“ automatisch flog mein Blick dabei auf meine Uhr und ich hielt die Luft an, als ich sah, dass es schon kurz vor Eins war.
„Oh“ sagte ich erschrocken und starrte auf meine nackten Füße. „Alice?“ flehte ich aufgeregt in ihre Richtung und sie ging zu meinem Schrank hinüber, aus dem sie ein Paar weiße Sandalen mit leichtem Absatz hervorholte.
„Hab ich dir schon einmal gesagt, dass du die beste Schwester bist, die ich mir vorstellen kann?“ rief ich begeistert aus, was Alice zum Schmunzeln brachte.
„Ein oder zweimal. Aber lass das nicht Rosalie hören.“ scherzte sie, während ich in die Schuhe schlüpfte und bereits das Knattern von Jakes altem Golf in der Auffahrt vernahm.
Nie zuvor war es mir so schwer gefallen, mich nur aufs Autofahren zu konzentrieren.
Wir hatten meinen Golf in der Auffahrt der Cullens stehen lassen und stattdessen Lexis Monte Carlo aus der Garage geholt. Lexi war der Meinung gewesen, dass es ihm gut tun würde, mal wieder ein bisschen bewegt zu werden und ich hatte ihr keinen Wunsch abschlagen können. Doch je näher wir Forks und dem Jahrmarkt kamen, desto mehr bereute ich diese Entscheidung. Denn im Gegensatz zu meinem Golf, verfügte der Monte Carlo nicht über eine Mittelkonsole, sondern eine durchgängige Sitzbank. Damit war es mir unmöglich einen gewissen Abstand zu Lexi zu wahren, der mir im Moment durchaus willkommen gewesen wäre. Ihre gesamte Erscheinung war eine einzige Ablenkung und es war mir unmöglich meinen Blick allzu lange auf der Straße zu belassen, wo er eigentlich hingehörte.
Aber es war, als würden meine Augen sie das erste Mal erblicken und nicht in der Lage sein, sich an ihr satt zu sehen.
Die warme Mittagssonne brach sich in ihrem rubinroten Haar und zauberte einen unglaublich faszinierenden Goldreflex hinein, der sich verstärkte, wann immer sie den Kopf wandte.
Das weiße Kleid, das sie trug hatte sich leicht hochgeschoben und wenige Zentimeter ihres Oberschenkels freigelegt. Diese zusätzliche nackte Haut führte meine Gedanken auf Wege weit abseits der Straße. Und erst ihr Duft.
Eine stetige Versuchung, den Wagen einfach umzudrehen und zurück zum Haus zu fahren um Lexi in ihr Schlafzimmer zu tragen und Dinge mit ihr zu tun, die ich nicht tun sollte.
Sie hatte das Radio aufgedreht, die Fenster herunter gekurbelt und sich gegen meine Schulter gelehnt, während ich gegen den Drang ankämpfte, meine Hand auf ihr Knie zu legen, wann immer ich diese nicht zum Schalten benötigte.
Und mit jeder Minute wurde die Frage in mir größer, womit ich sie nur verdient hatte. Lexi war eine unglaubliche Frau, atemberaubend schön, intelligent, warmherzig und liebenswert und wenn ich es recht betrachtete, verfügte ich über nichts, was ich ihr bieten konnte.
Außer meiner bedingungslosen Liebe. Sie spielte eindeutig in einer anderen Liga als ich und ich war mir dessen bewusst. Der Umstand, dass ich zur Zeit nicht in der Lage war, ihr meine Zuneigung auf jede erdenkliche Art und Weise zu zeigen, obwohl ich wusste, dass sie sich genau das von mir wünschte, machte es mir nicht gerade leichter.
Früher oder später würde sie zu dem Schluß kommen müssen, dass sie etwas besseres verdient hatte. Und ich fürchtete mich vor diesem Moment.
Doch noch war sie an meiner Seite und ich bereute beinahe, dass ich fast das gesamte Rudel mobilisiert hatte, damit sie Lexi zusätzlichen Schutz bieten konnten.
Sam hatte meine Idee durchaus begrüßt, auch wenn es ihm eher darum gegangen war, alle anderen vor meiner Freundin zu beschützen, als sie vor einer dräuenden Gefahr. Mir war es gleich, solange ich sichergehen konnte, dass sie in Sicherheit war.
Nur war ich mir nicht sicher, was Lexi davon halten würde, wenn sie herausfand, dass wir den Tag keineswegs wie geplant, allein verbringen würden.
„Lexi?“ fragte ich sie sanft und sie hob ihren Kopf von meiner Schulter.
„Ja, mein Schatz?“ fragte sie grinsend zurück und ich musste unwillkürlich lächeln, als sie mich Schatz nannte.
„Ich muss dir noch etwas gestehen.“ druckste ich leicht herum und sie setzte sich vollkommen aufrecht hin, drehte das Radio leiser und sah mich fragend an.
„Immer raus damit.“ forderte sie mich auf und ich parkte den Oldtimer einige Meter vom Eingang des Rummels entfernt.
„Als ich heute morgen zu Hause war, also da habe ich Quil getroffen.“ begann ich und sortierte in meinem Kopf die Worte. „Ich hab ihm erzählt, was wir heute vorhaben und er war der Meinung, dass er und die Jungs sich uns anschließen sollten.“ ich zog leicht den Kopf zwischen die Schultern, in Erwartung einer Schimpftirade Lexis. Doch sie lächelte nur weich und zuckte die Achseln.
„Je mehr, desto besser, würde ich sagen. Ich hatte mir den Tag zwar anders vorgestellt, aber Quil hat wahrscheinlich nicht unrecht. Ich hab dich die letzten Tage so sehr in Beschlag genommen und ich will nicht, dass sie mir zürnen, weil ich ihnen ihren Freund vorenthalte. Zudem will ich sie unbedingt besser kennenlernen. Deine Freunde sollten auch meine sein, oder findest du nicht?“ sie strahlte mich mit ihren grünen Augen an und auch wenn ich es für unmöglich gehalten hatte, liebte ich sie jetzt nur umso mehr. Erleichtert stellte ich den Motor aus, stieg aus und umrundete das Fahrzeug um Lexi die Tür aufzuhalten.
Sie nahm meine Hand und ließ sie nicht mehr los und ich genoss das warme Gefühl ihrer Hand in der meinen. Vor dem Eingang warteten bereits Embry, Quil, Paul, Jared und Seth und sie winkten uns zu, als sie uns sahen.
Ganz im Gegensatz zu ihrem ersten Aufeinandertreffen am Strand, machte Lexi diesesmal keineswegs den Eindruck ängstlich zu sein. Sie lächelte freundlich in die Richtung der Anderen und schien wirklich erfreut zu sein, sie zu sehen.
„Hey Bro.“ Quil schlug mit mir ein und ich nickte den übrigen kurz zu.
„Hallo Lexi.“ sagte Jared und ich sah in seinen Augen die gleiche Bewunderung, die ich stets empfand, wenn ich Lexi sah.
„Wow.“ sagte Paul. „Ich hab nach unserem ersten Treffen am Strand echt gedacht, du könntest nur nackt noch besser aussehen.“
Ich schenkte ihm einen warnenden Blick, aber er grinste nur breit.
„Was Paul damit sagen will...“ erklärte Embry „ist, dass du wirklich umwerfend aussiehst.“
Lexi lächelte mit roten Wangen.
„Dankeschön. Für das Kompliment und die Übersetzung. Es freut mich zu hören, dass Paul sich mich nackt vorstellt.“ kicherte sie und ich konnte nur den Kopf schütteln.
„Ich hab das Bild nicht freiwillig in meinem Kopf.“ verteidigte sich Paul augenblicklich und warf mir einen bedeutungsschwangeren Blick zu, der auch Lexi nicht entging.
„Im Gegensatz zu dir, Paul, ist Jake mein Freund und er darf so viele Nacktbilder von mir in seinem Kopf haben, wie er will.“ neckte Lexi ihn und ich war unheimlich stolz auf sie. Sie schlug sich fantastisch in der Gegenwart dieses unzivilisierten Haufens.
„Also? Wer hat Lust auf ein bisschen Rummel?“ fragte Seth schließlich und wir nickten alle unisono.
Wir bezahlten den Eintritt am Eingangshäuschen und mischten uns unter die Menge. Der Rummel war gut besucht und überall liefen Familien mit kleinen Kindern, Cliquen aus Jugendlichen und Pärchen herum. Sofort hatte ich das Gefühl in jedes Gesicht blicken zu müssen, um eine Gefahr rechtzeitig erkennen zu können. Eigentlich war es idiotisch. Die Sonne strahlte hell am blauen Himmel und kein Vampir wäre in der Lage sich in diesem Licht unerkannt bewegen zu können. Ein Grund warum auch die Cullens nicht mitkommen konnten. Ich wollte trotzdem auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.
„Entspann dich.“ flüsterte mir Lexi von der Seite zu. „Mir passiert hier schon nichts. Ich habe keine Angst und du solltest auch keine haben.“
Ich nickte, umschloss ihre Hand noch etwas fester und wir bummelten an zahllosen Fahrgeschäften, Glücksständen und Fressbuden vorbei.
„Ich habe Hunger. Ich glaube, ich könnte ein ganzes Pferd verspeisen.“ warf Seth nach einigen Metern ein und die anderen stimmten ihm augenblicklich zu.
„Da vorne gibt es Würstchen vom Grill. Ich spendier eine Runde, na was haltet ihr davon?“ sagte Lexi und erntete dafür wahre Begeisterungsstürme.
„Du hast keine Ahnung, was die alles verdrücken können.“ sagte ich zu ihr. „Dein gesamtes Taschengeld wird draufgehen.“
„Und wenn schon.“ sie zuckte mit den Schultern. „Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. Bei Freundschaft ist das nicht viel anders.“
Sie bestellte dutzende von Würstchen, während wir anderen uns einen Tisch suchten, an dem wir alle Platz hatten und Seth half Lexi schließlich das Essen heran zukarren. Sie stellten Senf und Ketchup dazu und jeder bekam noch einen Becher mit Softdrinks. Während wir Kerle eher unmanierlich aßen und schmatzten, begnügte sich Lexi mit einem einzigen Würstchen, dass sie still und leise vor sich hin aß, während sie unseren Gesprächen, Prahlereien und Scherzen lauschte. Sie trug ein breites Lächeln auf den Lippen und für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass dieser Tag perfekt war. Es gab keine akute Gefahr, meine Jungs verbrachten den Tag mit mir und an meiner Seite saß die tollste Frau der Welt. Es konnte nicht besser sein.
Nach ein paar Minuten streichelte Seth sich über den vorgestreckten Bauch und ließ seinen Blick über die nahe gelegene Achterbahn schweifen.
„Lexi? Hast du Lust ne Runde mit mir zu fahren? Da verteilt sich das Essen umso besser im Magen.“ grinste er und Lexi nickte.
„Gern. Mag sonst noch wer?“
„Ne, lass mal stecken. Ich bin noch nicht mit dem Essen fertig.“ antwortete Jared und der Rest schien es ähnlich zu sehen. Auch mir war nach 4 Würsten nicht wirklich nach einer Fahrt auf der Achterbahn.
„Jake?“ fragte sie in meine Richtung und ich schüttelte knapp den Kopf.
„Geh ruhig allein mit Seth, wir warten hier auf euch.“
Sie nickte und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, den ich nicht wirklich wieder enden lassen wollte. Schließlich zog Seth sie mit sich und ich winkte hinter ihr her.
„Und wie läuft es mit euch beiden?“ fragte Quil und ich brauchte einen Moment um meinen Blick von ihr zu lösen.
„Abgesehen davon, dass sie sich an nichts erinnert, Sam sie nicht in La Push duldet, sie keine Ahnung hat, wer und was ich bin, wer und was sie ist, die Gefahr besteht, dass sie mich zerfleischt, wenn wir uns zu nahe kommen, und abgesehen von der Gefahr, die immer noch über ihr schwebt, wie ein Damokles Schwert? Ja abgesehen davon, läuft es wirklich gut zwischen uns.“ gab ich seufzend an und nahm einen Schluck meiner Cola.
„Sie ist eine tolle Frau.“ sagte Embry ernsthaft und ich nickte.
„Ja, das ist sie.“ bestätigte ich und ließ meinen Blick wieder zu ihr wandern, wie sie mit Seth zusammen in der Schlange stand.
„Wie kannst du dich beherrschen? Ich mein, wenn sie meine Prägung wäre und sie es wollte, ich würde den gesamten Tag nicht mehr aus dem Bett kommen.“ sagte Embry und ich verdrehte leicht die Augen.
„Leicht fällt es mir nicht. Ich bin schließlich auch nur ein Mann.“
„Na, du willst mal einer werden.“ grinste Paul, doch ich überging seine Äußerung.
„Es ist so schwierig, weil...ich weiß auch nicht. Wenn wir nie miteinander schlafen würden, könnte ich damit leben. Es ist nicht diese Art von Beziehung. Sie ist meine Prägung und mir ist nur wichtig, dass sie glücklich ist.“
Quil, der sich ebenfalls schon geprägt hatte, nickte verstehend.
„Ja, es geht nicht um Sex. Es geht darum, ihr jeden Wunsch zu erfüllen und ihr Lachen zu hören, ist mehr wert, als alles andere.“
„Genau.“ stimmte ich zu.
„Wo liegt dann das Problem?“ fragte Jared weiter.
„Das Problem ist, dass sie es will. Ich weiß nicht, warum sie so erpicht darauf ist, aber ich glaube, sie würde nichts lieber tun, als intim mit mir zu werden.“entgegnete ich. „Und es liegt in der Natur der Sache, dass es mir fast unmöglich ist, ihr einen Wunsch abzuschlagen. Vor allen Dingen einen Wunsch, den ich durchaus nachvollziehen kann. Sie ist eine einzige Versuchung. Seht sie euch doch mal an. Sie ist perfekt und sie sie riecht so wahnsinnig gut. Natürlich erregt sie mich. Aber ich vertraue Carlisle, wenn er sagt, dass ich es nicht so weit kommen lassen darf. Noch nicht. Nicht solange sie nicht weiß, was sie ist und sie ihren Durst unter Kontrolle hat.“
„Glaubst du wirklich, sie würde dir etwas tun?“ fragte nun Quil und schob sich seinen letzten Bissen Wurst zwischen die Lippen.
„Ich glaube es nicht. Nicht wirklich zumindest, aber ich sollte wohl kein Risiko eingehen, oder?“
„Nein, wohl eher nicht. Wann wollt ihr sie denn aufklären? Wäre es nicht an der Zeit?“ sagte Paul und ich konnte ihm nur bedingt zustimmen.
„Eigentlich wäre ich froh, wenn ich dieses Versteckspiel endlich aufgeben könnte. Aber Lexi ist noch nicht soweit. Das hat sie mir selber gesagt und solange es in meiner Macht steht, werde ich alles tun, um Ungemach von ihr fernzuhalten.“
„Und was wirst du bis dahin tun?“
„Alles was es braucht, damit sie sich wohlfühlt.“ gab ich an und verstummte, als ich Seth und Lexi zu uns zurückkehren sah. Sie lachten beide ausgelassen und Lexis Haare waren durch den Fahrtwind der Achterbahn leicht zerzaust. Sie ließ sich auf meinen Schoß nieder und schlang ihre Arme um meinen Nacken.
„Wow, das war eine Fahrt. Bin ich froh, dass ich nur ein Würstchen gegessen habe, sonst würde ich noch einmal rückwärts essen dürfen.“ kicherte sie und küsste meinen Hals. Ich legte meine Arme um ihre Mitte und streichelte leicht über ihren Rücken.
„Willst du noch einmal? Ich glaube, jetzt könnte ich auch eine Runde vertragen.“
Lexi wollte und so fuhren wir geschlagene 5 Runden mit der Achterbahn, bevor sie genug zu haben schien und wir als Gruppe weiter über den Jahrmarkt zogen. Wir aßen Zuckerwatte, spielten Darts, wobei ich einen kleinen Teddy für sie gewann und sie eine solche Zielgenauigkeit an den Tag legte, dass ich nun mit einem riesigen Tiger im Arm durch die Gegend lief. Wir maßen unsere Kräfte beim „Hau den Lukas“ Spiel und ich genoss den anhimmelnden Blick meiner Freundin, als ich beim ersten Schlag mit dem Hammer, die Kugel beinahe durch die Glocke am oberen Ende schlug. Die Jungs ließen mir diesen Triumph und traten nicht gegen mich an, denn sie wussten, dass sie alle ebenso viel Kraft hatten und dann wäre meine Leistung nichts Besonderes mehr gewesen.
Als es sich auf 6 Uhr zubewegte, hatten wir so ziemlich alles auf dem Rummel gesehen, ausprobiert und gegessen und einvernehmlich beschlossen wir uns wieder zu trennen. Wir verabschiedeten uns voneinander und während die anderen Jungs sich zu Fuß auf den Heimweg nach La Push machten, steuerten Lexi und ich zum Parkplatz.
„Und hat es dir gefallen?“ fragte ich sie und konnte mir die Antwort bereits denken.
„Es war ein wirklich toller Tag.“ antwortete sie lächelnd und schmiegte sich an meine Seite. Ich drückte ihr einen Kuss aufs Haar und schloß schließlich den Monte Carlo auf, setzte den Tiger auf die Rückbank und Lexi platzierte ihren Teddy direkt daneben.
„Was dagegen wenn ich zurückfahre?“ fragte sie mich und ich schüttelte den Kopf.
„Wenn du es dir zutraust, nur zu. Ich bin ja direkt neben dir.“ ich reichte ihr die Schlüssel und stieg auf der Beifahrerseite ein. Mit einem überschwänglichen Hüpfen umrundete Lexi den Wagen und nahm hinter dem Steuer Platz.
Gewissenhaft stellte sie die Spiegel ein und wollte sich anschnallen, doch gab es in diesem Auto keine Gurte.
„Bereit?“ fragte ich und rutschte nah an sie heran um im Falle des Falles eingreifen zu können. Sie schob mich jedoch lachend wieder zurück.
„Lass mich, ich kann das.“ sagte sie und schob die Lippen vor.
„So wie in „Lass mich, ich kann das...oh kaputt?““ neckte ich sie und erntete dafür einen weiteren Stüber.
Sie startete den Motor und ich drehte das Radio auf, bevor ich mein Fenster runter kurbelte.
Ebenso wie sie es auf der Hinfahrt getan hatte. Die Musik dröhnte aus den Boxen und mit einem verschmitzten Grinsen drehte Lexi sie noch um einiges lauter. Viele Besucher wandten die Köpfe nach uns und mir war es vollkommen egal.
Lexi setzte rückwärts und es schien als habe sie zumindest nicht verlernt Auto zu fahren. Sie ließ die Räder durchdrehen, bevor wir mit vollem Tempo vom Parkplatz in Richtung Straße schoßen.
„Schön zu wissen, dass du nicht alles vergessen hast.“ sagte ich halb im Scherz, als sie das Gaspedal durchdrückte und wir eigentlich viel zu schnell über die Straßen flogen.
„Hast du es etwa eilig?“ fragte ich sie, aber sie lachte nur.
„eigentlich nicht, nein. Aber ich habe heute so etwas wie einen Geschwindigkeitsrausch und es tut gut zu wissen, dass ich es noch kann.“
Mit immenser Geschwindigkeit näherten wir uns unserem Ziel, doch Lexi bog viel zu früh in einen abgelegenen Waldweg ab. Ich blickte mit zusammengezogenen Augenbrauen zu ihr herüber.
„Du weißt schon, dass das hier nicht der Weg nach Hause ist, oder?“
„Ist mir durchaus bewusst.“ sagte sie knapp, ein verschwörerisches Lächeln auf den Lippen.
Der Weg führte auf kiesigem Untergrund tief in den Wald hinein und endete abrupt vor einem umgestürzten Baum. Von der Hauptstraße war von hier aus nichts mehr zu sehen.
Lexi stellte den Motor aus, zog die Schlüssel und drehte sich zu mir.
„Was hast du vor, Kleines?“ fragte ich sie skeptisch, als sie über die Sitzbank auf mich zu geklettert kam.
„Mich für einen außergewöhnlich schönen Tag bei dir bedanken.“
„Und dafür musst du mich hier her entführen?“ fragte ich, während sie sich rittlings auf meinen Schoß setzte und ihr Duft meine Sinne vernebelte.
„Ja, weil du im Haus meiner Eltern wahrscheinlich wieder anfangen würdest, mich zurückzuweisen. Aber hier sind wir ganz allein.“ wisperte sie und beugte sich zu mir herunter, um mich zu küssen.
Ich schloß seufzend die Augen und ließ sie gewähren. Ihre Hände legten sich an meine Wangen, wanderten von dort aus durch mein Haar zu meinem Nacken und jede ihrer Berührungen löste ein elektrisches Kribbeln unter meiner Haut aus. Ich legte meine Hände währenddessen an ihre Seiten und genoß den Kuss, den sie mir gab.
Zögernd stupste ihre Zungenspitze gegen meine Lippen und ich konnte nicht anders, als sie zu öffnen und ihre Zunge mit meiner zu berühren. Mein Herz begann immer schneller zu schlagen und meine Gedanken kreisten mit einem Mal nur noch um alabasterfarbene Haut und eine samtene Stimme, die meinen Namen stöhnte.
Ich wollte, konnte mich aber einfach nicht von ihr lösen. Ihr warmer Körper auf meinem Schoß, der sich mir entgegenstreckte, ihre streichelnden Finger und ihre weichen Lippen auf meinen, machten es mir unmöglich. So von ihr geküsst zu werden war, als würde ich den Himmel singen hören können. Unsere Liebkosung wurde immer intensiver, blieb jedoch langsam und verführerisch.
Ihre Hände strichen mittlerweile über meine Seiten, suchten und fanden den Saum meines Shirts, schlüpften darunter und als ihre Finger meine nackte Haut berührten, hielt ich für einen Moment die Luft an. Ich erstarrte regelrecht unter ihren Berührungen, wissend, dass ich mich nicht würde zurückhalten können, wenn ich selbst aktiv werden würde.
Sie bemerkte, dass ich mich zurückhielt und es schien ihr keineswegs zu gefallen. Ohne den Kuss zu unterbrechen suchten ihre Hände nun die meinen, die immer noch auf ihrer Taille lagen und mit sanftem, aber bestimmten Druck schob sie sie weiter abwärts, bis sie auf ihrem Po zu liegen kamen.
Ich schreckte automatisch zurück und Lexi unterbrach für einen kurzen Moment den Kuss, entfernte sich jedoch keinen Millimeter von mir.
„Bitte, Jake.“ hauchte sie mir entgegen und ihre Stimme klang so sehnsüchtig, dass ich nicht anders konnte, als ihr nachzugeben. Meine Hände legten sich also wieder auf ihr Gesäß und ich spürte meinen Mund vor Verlangen trocken werden.
Lexis Lippen legten sich auf meinen Hals, hinterließen eine brennende Spur aus Küssen bis zu meinem Ohr hinauf, wo sie begann neckend in mein Ohrläppchen zu beißen. Carlisles Warnungen hallten immer leiser in meinem Kopf wieder, doch sie verschwanden nicht.
Und als Lexis Busen sich gegen meine Brust presste, ich ihren Herzschlag spürte und ihr Atem warm und erregend gegen mein Ohr brandete, ich die feste Haut ihres Pos unter meinen Händen spürte, war der Punkt erreicht, den ich einfach nicht überschreiten durfte.
„Lexi...ich sollte nicht,...wir sollten nicht.“ begehrte ich schließlich auf.
„Was sollten wir nicht? Zärtlich zueinander sein?“ flüsterte sie zurück und biss vorsichtig in mein Ohrläppchen, was augenblicklich einen Schauer an Wohlbehagen über mich regnen ließ.
Erneut griffen ihre Hände nach meinem Shirt und wollten es über meinen Kopf ziehen, doch ich umschloss sanft ihre Handgelenke und hielt sie zurück.
„Bitte, Schatz, mach es mir nicht schwerer, als es ohnehin schon ist.“ bat ich sie und die körperlichen Schmerzen, die mir die Kindfrau der Volturi zugefügt hatten, waren nichts gegen die seelischen Qualen, Lexi erneut abweisen zu müssen.
„Entspann dich, Jake.“ sie befreite ihre Hände aus meinem Griff und nahm mein Gesicht zwischen ihre Hände. Ihr Blick drang tief in mich und ich musste ihn einfach erwidern.
„Wir tun nichts schlimmes.“ sagte sie sanft und ihre Daumen strichen weich über meine Schläfen. „Ich will dich einfach nur spüren, das ist kein Verbrechen.“ wieder legten sich ihre Lippen auf meine und verschmolzen mit ihnen zu einem erneuten Kuss, der den Widerstand in mir gefährlich ins Wanken brachte. Doch ich konnte mich nicht gehen lassen, ich durfte mich nicht gehen lassen.
Verzweifelt begab ich mich auf die Suche nach dem letzten Funken Beherrschung in mir und als ich ihn endlich fand, versuchte ich aus diesem Funken ein Feuer zu entfachen, das mir helfen würde, gegen mein Verlangen nach Lexi und dem Bestreben ihr jeden Wunsch zu erfüllen, anzugehen.
Mit größter Mühe schaffte ich es schlussendlich doch, mich von ihr zu lösen und ich wagte es nicht ihr in die Augen zu sehen. Ich musste nichts sagen, Lexi verstand mich auch so. Und mit einem lauten, enttäuschten Seufzen, zog sie sich von mir zurück, kletterte wieder von meinem Schoss herunter und augenblicklich vermisste ich schmerzlich die Wärme und Behaglichkeit ihres Körpers.
„Lexi...ich...“ begann ich zu stammeln, denn ich wusste, dass meine erneute Zurückweisung sie verletzt hatte.
„Schon okay, Jake.“ sagte sie kurz angebunden und steckte den Schlüssel zurück ins Zündschloss.
„Sei mir bitte nicht böse.“ flehte ich sie an und versuchte ihre Augen zu sehen.
„Warum sollte ich?“ sie drehte sich zu mir und ich konnte den Schmerz in ihrem Blick erkennen.
„Weil du mich immer wieder zurück stößt, als sei ich toxisch? Weil du mich daran zweifeln lässt, dass ich dir etwas bedeute? Ach, Jake das sind doch alles keine Gründe, um böse zu werden.“ sagte sie spitz und mit unverhohlenem Sarkasmus.
„Bitte tu das nicht. Zweifel nicht daran, dass du alles für mich bist.“ insistierte ich sofort und rutschte näher zu ihr heran.
„Warum lügst du mich dann an?“ fragte sie gerade heraus und ich verstand im ersten Moment nicht worauf sie hinaus wollte.
„Ich lüge dich nicht an.“ sagte ich überrascht und wusste, dass allein diese Aussage, die größte Lüge war.
„Warum lässt du mich dann glauben, dass du Intimität ablehnst, wenn meine Eltern im Haus sind, wenn du scheinbar jedwede Intimität mit mir im Ganzen ablehnst? Hier draußen ist niemand, wahrscheinlich nicht mal ein Reh und du stößt mich trotzdem zurück. Hast du überhaupt nur die geringste Ahnung, wie ich mich dabei fühle?“
Jedes Wort traf mich, wie ein Schlag ins Gesicht und meine gestaltwandlerischen Fähigkeiten halfen mir dieses Mal nicht, den Schmerz nicht zu spüren.
„Es tut mir leid.“ brachte ich mühsam hervor und konnte den Blick ihrer Augen nicht ertragen.
„Das glaube ich dir nicht, Jake.“ sagte sie kühl. „Auf der einen Seite sprichst du von der großen Liebe, von den tiefen Gefühlen, die du für mich hegst, aber wenn ich diese Gefühle mit dir teilen will, dann scheint es dir unangenehm zu sein. Warum, Jake? Warum um alles in der Welt willst du das nicht? Warum willst du mich nicht?“
Ich hörte den verletzten Stolz in ihrer Stimme und die Wut, die darunter schwelte.
„Ich will dich, Lexi. Ich will dich mit jeder Faser meines Körpers.“ verteidigte ich mich, doch ich fand keinen Anklang bei ihr.
„Und du denkst wirklich, dass ich dir das glaube? Für wie bescheuert hältst du mich eigentlich? Ich mag mein Gedächtnis verloren haben, aber ich bin deswegen nicht dumm geworden.“ Ihre Lippen bebten und ich wusste nicht, was ich sagen sollte, um sie wieder zu beruhigen.
„Ich will nicht, dass du etwas tust, was du später bereust.“ sagte ich kläglich und kassierte dafür ein höhnisches Schnauben von ihr.
„Ich würde es nicht bereuen. Selbst wenn ich einmal gesagt haben soll, dass ich keinen Sex vor der Ehe haben will, ist das vollkommen egal. Die Person, die das gesagt hat, gibt es nicht mehr. Und für mich zählt, was ich jetzt fühle, was ich jetzt will. Und ich wollte es doch gar nicht so weit kommen lassen. Ich wollte dich nur ein wenig spüren.“ sagte sie anklagend und ich biss mir vor Verzweiflung auf die Unterlippe.
„Bitte beruhige dich, Lexi.“ sagte ich vorsichtig und wollte nach ihren Händen greifen, doch sie zog sich unwirsch von mir zurück.
„Ich will mich aber nicht beruhigen. Ich will endlich die Wahrheit wissen.“ heftig atmend sah sie mich anklagend an.
„Die Wahrheit ist, dass ich dich nicht ausnutzen will.“ sagte ich halbherzig.
„Ausnutzen? Wenn ich dich fast dazu zwingen muss, auch nur einen Schritt weiter als einen unschuldigen Kuss zu gehen? Bullshit! Sag mir die Wahrheit, verdammt nochmal. Ist es, weil ich beschädigte Ware bin?“
„Weil du bitte was bist?“ ich war über diesen Ausspruch vollkommen verwundert und konnte mir nicht erklären, was sie damit meinte.
„Jake, ich weiß, dass ich keinen Unfall hatte.“ begann sie und ich musste hart schlucken.
„Ihr seid alle viel zu ängstlich und der Zwischenfall in Seattle. Ich konnte mir recht gut zusammenreimen, dass ich nicht von einem Auto oder dergleichen angefahren wurde. Ich glaube viel mehr, dass mir jemand mit Absicht Schaden zugefügt hat und dass er immer noch da draußen ist. Und vielleicht hat er mir vorher Dinge angetan, die dich ekeln und davon abhalten, dich mir zu nähern.“
Ich erstarrte als sei mir ein ganzer Kübel Eiswasser in die Eingeweide gefahren.
„Hör auf so etwas zu sagen.“ sagte ich härter, als ich es beabsichtigt hatte. „Ich würde mich niemals vor dir ekeln. Das könnte ich gar nicht.“
„Aber irgendetwas an mir scheint dich zurückschrecken zu lassen und wenn es nicht ist, weil ich vielleicht keine Jungfrau mehr bin, dann weiß ich es langsam auch nicht mehr. Du willst diese Grenze nicht überschreiten, aber ich glaube nicht, dass das etwas mit deinem Ehrgefühl zu tun hat. Oder wartest du nur darauf, dass es mir wieder besser geht, um mich dann zu verlassen? Und bis dahin willst du nicht, dass die Sache zwischen uns zu ernst wird? Bist du nur noch mit mir zusammen, weil man ein geschundenes Mädchen nicht verlässt? Ist das deine Auffassung von Ehrgefühl?“
„Hörst du dir eigentlich selbst zu? Du redest Schwachsinn, Lexi. Ich liebe dich und ich werde dich, solange ich lebe, nicht verlassen. Du gehörst zu mir, für immer. Und wenn du hundert Männer vor mir gehabt hättest, es wäre mir egal, weil nur das zählt, was jetzt zwischen uns ist. Ich will dich nie wieder so etwas sagen hören.“ sagte ich harsch und begann nun ebenfalls hart zu atmen.
„Warum hast du dann so ein Problem damit, dass ich dich will? Dass ich will, dass du mich willst?“ fragte sie zitternd und ich sah Tränen in ihren Augen glänzen, die mir Übelkeit verursachten.
„Weil es nicht geht. Noch nicht. Wenn ich könnte, Lexi, dann...aber ich kann einfach nicht, okay? Und das hat nichts mit dir zu tun. Aber es gibt Dinge über mich, die du nicht weißt und die ich dir noch nicht erzählen kann. Glaubst du, du könntest mich nur halten, wenn du mit mir schläfst? Wenn du das glaubst, dann lass dir sagen, dass es mir egal ist, ob und wann du es tust. Warum um alles in der Welt, ist es dir das so wichtig?“ sagte ich, um Ruhe bemüht, damit die Tränen in ihren Augen nicht auf ihre Wangen traten.
„Warum ist es dir nicht wichtig?“ fragte sie zurück und schlang ihre Arme um ihren Oberkörper.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“ entgegnete ich, um mich damit aus der Affäre zu ziehen.
„Das würdest du nicht verstehen.“ sagte sie rasch und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, als missfiele es ihr, sich mir schwach zu zeigen.
„Teste mich.“ forderte ich sie auf und sah, wie sie einen langen Atemzug tat.
„Wenn du in meiner Nähe bist, dann ist es, als könnte ich mich erinnern. Ich weiß nicht warum, aber wenn ich dich küsse, dann ist es egal, dass ich alles vergessen habe, weil es so selbstverständlich ist, was ich dabei empfinde. Es ist wie ein Beweis, dass ich zuvor wirklich existiert habe und mein Leben nicht erst damit begonnen hat, in einem fremden Bett aufzuwachen. Aber sobald du aufhörst mich zu berühren, dann verschwindet dieses Gefühl und nichts um mich herum, kommt mir mehr vertraut vor.“
Ich schluckte und meine Hand streckte sich ein weiteres Mal nach ihr aus.
„Ich habe nicht gewusst...“ begann ich, wurde jedoch erneut von ihr unterbrochen. Sie war immer noch nicht dazu bereit, sich von mir anfassen zu lassen.
„Natürlich hast du es nicht gewusst.“ sagte sie seufzend und rieb die Lippen aneinander. „Aber ich habe gedacht, du würdest verstehen, dass es mir nicht darum geht, dir deine Unschuld zu rauben oder mich in etwas zu verrennen, dass nicht meiner Natur entspricht. Ich habe einfach nur gehofft, dass wenn wir uns vollständig aufeinander einlassen würden, mir dieses Gefühl der Vertrautheit eine Weile länger erhalten bleibt. Abgesehen davon, Jake, bin ich wohl bis über beide Ohren in dich verliebt und es ist nur natürlich, dass ich dich fühlen, schmecken, riechen, küssen und berühren möchte. Ich bin zur Zeit eine einzige Ansammlung an Unsicherheit und deine Ablehnung macht es mir nicht wirklich leichter. Es würde mir soviel besser gehen, wenn ich wenigstens bei dir die Sicherheit verspüren dürfte, die ich so sehr brauche.“
Mutlos ließ ich meine Hand wieder sinken und schaute auf meine Knie, als würde ich dort eine Antwort finden können, die sie nicht verletzte.
„Ich kann nicht, Lexi. Ich kann wirklich nicht.“ brachte ich rau hervor und es brach mir das Herz, ihren Gesichtsausdruck dabei zu sehen.
Wortlos wandte sie sich von mir ab, startete den Motor, wendete den Wagen und schweigend verließen wir den Waldpfad zurück zur Straße.
Es tat weh. Erneut von Jake zurückgewiesen zu werden, verletzte mich auf eine Art, die ich nicht kannte und die mich ängstigte. Vor allen Dingen, weil ich es nicht verstand. Ihn nicht verstand.
Wenn seine Gefühle für mich wirklich so tief waren, wie er mir immer versicherte, dann gab es doch keinen Grund, sich so von mir fern zu halten.
Ich hatte seinen schnellen Herzschlag gespürt, das Verlangen in seinem Blick gesehen und gefühlt, dass er mich wollte. Aber warum in alles in der Welt hatte er nicht zugelassen, was wir scheinbar beide wollten?
War es wieder einmal sein Beschützerinstinkt? Glaubte er, dass es ihm nicht zustand, diese Art Zuneigung von mir zu empfangen, wenn mir schlimme Dinge geschehen waren?
Ich bekam Kopfschmerzen, denn stets drehten sich meine Gedanken in einem immerwährenden Kreis und fanden weder Anfang noch Ende. Verkrampft blickte ich auf die Straße, nur um nicht zu ihm sehen zu müssen. Ich konnte seinen Anblick im Moment nicht ertragen, wollte ihn nicht ermuntern, sich weiter mit fadenscheinigen Begründungen zu verteidigen, von denen ich ihm nicht eine abkaufte.
Es blieb ein Rätsel für mich und auch wenn er erneut meinte, es habe nichts mit mir zu tun, so glaubte ich ihm auch das nicht. Mit wem sollte es sonst zu tun haben, wenn es doch nur um uns beide ging? Ich glaubte auch keineswegs, dass es meine moralischen Vorstellungen zu schützen galt. Gott schien für mich in meinem neuen Leben keinerlei Bedeutung zu haben. Zwischen all den Büchern in meinem Zimmer, hatte es nicht eine Bibel gegeben, nicht einen christlichen Text und das Kreuz, dass Alice mir heute morgen um den Hals gelegt hatte, war das einzige Glaubensbekenntnis, dass ich je im ganzen Haus gesehen hatte. Und ich war mir ziemlich sicher, dass es Alice dabei eher um die filigrane Silberkunst gegangen war, als ihrem Glauben damit Ausdruck zu verleihen.
Immer noch schweigend erreichten wir das Haus meiner Eltern und ohne auf Jake zu achten, stieg ich aus und wandte mich der Tür zu. Ich wusste, dass er mir folgte, auch wenn ich ihn nicht sehen konnte. Als sich meine Hand auf die Türklinke gelegt hatte, nahm ich all meinen Mut zusammen und wappnete mich innerlich gegen seinen Anblick, als ich mich zu ihm umdrehte.
„Ich glaube es ist besser, wenn du heute zu Hause schläfst, Jacob.“ Bewusst wählte ich seinen vollen Namen, um Abstand zu ihm zu wahren. Ich wollte ihn nicht strafen, sondern mich schützen.
„Lexi, bitte...“ hörte ich ihn flehen und das tiefe Braun seiner Augen, machte es mir schwer, hart zu bleiben. Aber ich brauchte den Abstand, brauchte für wenigstens eine Nacht, Zeit um mich zu besinnen, um zu verstehen, was er mit mir machte, dass es mir so schwer fiel, ihn loszulassen. Vielleicht würde ich klarer denken können, wenn seine Anwesenheit mich nicht benebelte.
Ich schüttelte den Kopf, denn ich vertraute meiner Stimme nicht. Sie würde brechen und ihn hereinbitten, weil mir mein Bett ohne ihn einfach zu einsam vorkommen würde.
„Geh!“ war alles was ich mich traute zu sagen, bevor ich ins Haus ging und die Tür hinter mir gewissenhaft ins Schloss fallen ließ.
Ich blickte nicht zurück, denn ich war mir sicher, dass er mir den Wunsch, sofort zu verschwinden nicht erfüllen würde. Hartnäckig starrte ich auf den Boden und auf die Stufen, die mich in mein Zimmer bringen sollten, als Alice am Treppenabsatz auftauchte. Ihr Gesicht sah besorgt aus und ich konnte es nicht mehr ertragen, so angesehen zu werden.
„Nicht jetzt, Alice.“ sagte ich knapp und schob mich an ihr vorbei.
„Lexi.“ ihre Stimme triefte vor Mitleid und es drehte mir den Magen um.
„Später, Alice. Ich will allein sein.“ Ich stieß die Tür zu meinem Zimmer auf, das mir wieder einmal unbekannt und steril vorkam.
Obwohl ich in der letzten Woche, das ein oder andere verändert hatte, fühlte es sich immer noch nicht nach meinem Zimmer an.
Ich fuhr mir über die Augen, die vor nicht geweinten Tränen brannten und ging zu meinem Schreibtisch, um mein Tagebuch aus der kleinen verschließbaren Schublade zu holen. Mit stumpfen Fingern blätterte ich durch die Seiten und setzte mich schließlich auf den Stuhl hinter dem Tisch. Ich fischte nach einem Stift, doch als ich ihn auf einer leeren Seite aufsetzte, merkte ich, dass es kein Wort gab, um zu beschreiben, was ich empfand. Leere war nicht zu beschreiben, sie war nicht existent und verschluckte alles, was es zu beschreiben gegeben hätte. Der eigentlich schöne Tag, hatte all seine Freude verloren. All das Lachen und der Spaß waren verklungen.
Seufzend schloß ich das kleine Buch wieder und legte meinen Kopf auf die massive Tischplatte.
Ich fühlte mich, als würde ich bald dem Wahnsinn anheim fallen. Ich konnte ihn bereits durch die dünne Gaze aus Verstand auf mich warten sehen.
Eine Frage ließ mich einfach nicht los. Jake hatte gefragt, warum es mir so wichtig war und auch wenn meine Antwort, die ich ihm daraufhin gegeben hatte, ehrlich gewesen war, war sie nicht die ganze Wahrheit gewesen.
Ich wusste, dass ich vielleicht etwas zu versessen darauf war, mich ihm hinzugeben und dass sich so ein Verhalten keineswegs ziemte. Dass es tausend Gründe gab, es nicht zu tun, mich zurückzuhalten und zu warten, bis es von allein passierte. Aber allein der Umstand, dass er sich so vehement verweigerte, steigerte mein Verlangen nach ihm. Man will immer das, was man nicht bekommt. Zudem war es etwas, auf das ich mich fokussieren konnte.
Als Gestrandetem fiel es einem einfach leichter, sich auf das Öffnen einer Kokosnuss zu konzentrieren, anstatt sich damit auseinander zu setzen, dass die gekannte Realität nicht mehr existent war. Jake war meine Kokosnuss.
Meine Gedanken wanderten zurück zu unseren Gespräch im Auto und ich führte mir jede Geste, jeden Kuss und jedes Wort noch einmal genau vor Augen.
Was hatte ich übersehen?
Ich hatte ihn ganz schön unter Druck gesetzt und war einfach davon ausgegangen, dass er mitspielen würde. Aber konnte ich das denn?
Ich wusste zu wenig, um davon ausgehen zu können, dass er schon Erfahrung hatte.
Wie unwahrscheinlich war es, dass er vielleicht Angst hatte. Angst, mir nicht zu reichen, nicht gut zu sein oder zu versagen. Es war wohl ziemlich naiv von mir, einfach zu glauben, dass Jungs immer wollten und konnten. Möglicherweise fühlte er sich von mir bedrängt und er war einfach noch nicht soweit. Ich schlug mit dem Kopf gegen den Tisch.
Ich war so dämlich. Nach meinem Gedächtnisverlust und der Sorge aller um mich, hatte ich mich so sehr auf mich konzentriert, dass mir der Blick für andere und ihre Gefühle entglitten war.
In den letzten Tagen war es immer nur um mich gegangen, wie ich mich fühlte, wovor ich Angst hatte und was mich glücklich machen würde. Am liebsten hätte ich mich geohrfeigt.
Alle aus meiner Familie, inklusive Jake mussten sich extreme Sorgen um mich gemacht haben, sie hatten bestimmt gelitten und auch sie wussten nicht, wie sie mit mir umgehen sollten. Auch ihr Leben hatte sich verändert. Und Jake im Besonderen musste unglaubliche Ängste ausgestanden haben, nicht wissend, ob ich überleben würde und als wir uns meiner Amnesie gewahr wurden, bestand die Möglichkeit, dass ich ihn nicht würde wieder haben wollen.
Ich würde mich bei ihm entschuldigen müssen, denn ich war ungerecht zu ihm gewesen. Ich war so verblendet gewesen, in dem Glauben, es würde mir besser gehen, wenn ich unsere Beziehung vertiefte, dass mir nicht klar gewesen war, was dies auch für ihn bedeutete.
Diese Erkenntnis traf mich so hart, als hätte mein Kopf die ganze Zeit unter Wasser gesteckt und erst jetzt würden sich meine Lungen mit Luft füllen können.
Warum erkannte man seine Fehler nie rechtzeitig? Fluchend stand ich auf, ging ins Bad hinüber und begann mich abzuschminken. Natürlich war ich versucht, mich sofort ins Auto zu setzen und nach La Push zu fahren, doch ich wollte mich dieses Mal reifer verhalten und mir die Nacht gönnen, um noch einmal über alles nachzudenken. Eine erneute Kurzschlussreaktion würde mich nicht weiterbringen. Wenn ich am Morgen noch einmal alles durchdacht hatte und derselben Meinung war, wie jetzt, würde ich alles wieder gut machen.
Ich löste den Zopf aus meinen Haaren und bürstete die leichten Wellen heraus, band dann alle Haare zusammen und schlüpfte aus dem Kleid, das ich sorgfältig zurück auf den Bügel hängte. Dann schlüpfte ich in meine Pyjamas.
Als ich nach meiner Zahnbürste griff, hörte ich die Tür zu meinem Zimmer und innerlich verdrehte ich die Augen. Hatte ich Alice nicht gesagt, dass ich allein sein wollte? Hatte man denn keine Privatsphäre in diesem Haus?
Angesäuert stellte ich den Wasserhahn aus und marschierte mit der Zahnbürste in der Hand zurück in mein Zimmer.
„Ich hab doch später gesagt, Alice....“
Mitten im Schritt blieb ich wie angewurzelt stehen, als ich nicht Alice sondern Jake in der Tür stehen sah.
Unsere Blicke trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde und ich wusste, dass er mir ebenso wenig böse war, wie ich ihm. Mit schnellen Schritten war er bei mir, zog mich nah an seinen Körper und umfasste mein Gesicht mit seinen Händen.
„Sag nie wieder, dass ich dich nicht will, hörst du?“ sagte er rau und mir blieb nur noch Zeit zu nicken, bevor sich seine Lippen hart und verlangend auf meine legten.
Ich war im ersten Moment so verwirrt, dass ich nicht wusste was ich tun sollte, aber bald sprang der Funke auch auf mich über und eng presste ich mich gegen seinen festen, warmen Körper. Mit einem Ruck hob Jake mich hoch und ich schlang meine Beine um seine Mitte. Seine Hände fuhren durch mein Haar, lösten das Band darin und mit einem Aufseufzen drängte er meinen Rücken gegen die nächstgelegene Wand.
Es war genau das, was ich mir gewünscht hatte. Ich spürte sein Begehren durch meine eigenen Adern pulsieren, fühlte mich gewollt und endlich hielt er sich nicht mehr zurück. Noch bevor ich den Saum seines Shirts erreicht hatte, hatte er es sich bereits selbst über den Kopf gezogen und sofort setzten meine Hände alles daran, jeden Zentimeter seiner frei gewordenen Haut zu berühren. Mir war mit einem Mal egal, dass er es nur Stunden zuvor nicht gewollt hatte und nicht einmal tauchte die Frage in meinem Kopf auf, warum er es jetzt wollte. Viel zu impulsiv und erregend waren seine Berührungen, seine Lippen, die nicht von meinen ließen und sein fester Griff, der mich hielt. Er war stürmisch, nahm mich ganz und gar in Besitz und ich hörte mein Blut in meinen Ohren rauschen. Sein Duft war intensiver, als jemals zuvor, ließ mich kaum Luft holen und ich spürte, dass ich mich voll und ganz fallen lassen konnte.
Heiß streifte sein Atem über meine Lippen und ich verzehrte mich förmlich danach, ihn nie wieder loslassen zu müssen.
Ich wollte ihn. Wollte Jake mit jeder Faser meines Körpers, mit jeder Zelle meines Seins.
Hatte ich zuvor noch geglaubt, ihn nur zu wollen, weil er sich mir verwehrte, so war mir nun klar, dass ich ganz andere Beweggründe hatte.
Jeder Muskel in mir zuckte, revoltierte gegen die strenge Zurückhaltung, die mir mein Geist auferlegt hatte. Nur noch wenige Sekunden länger und ich wusste, ich würde meiner Beherrschung nicht mehr Herr sein, sondern entgegen allen Konventionen, weiter gehen, als es mir gut tun würde.
Ich wollte das Salz auf seiner Haut schmecken, das Vibrieren in seiner Stimme hören, wenn er stöhnte und den Blick seiner Augen sehen, wenn ich ihm Befriedigung verschaffte. Ich war sogar bereit dazu, ihm Schmerzen zuzufügen, nur damit er meinen Namen schrie. Sein Geschmack war mir so allgegenwärtig, dass ich nicht in der Lage war, ihn aus mir zu drängen.
Ich überließ ihm die Führung und war glückselig bei dem Gedanken, dass es scheinbar wirklich nicht an mir lag, dass er mich zuvor abgewiesen hatte. Ihn auf diese Art zu spüren, versetzte meinen Gefühlen Flügel und ich glaubte schier zerbersten zu müssen, an der Vollkommenheit dieses Augenblicks. Denn trotz aller fordernder Härte, der harschen Liebkosungen seiner Lippen, waren seine Hände sanft und weich und ich war hin und hergerissen zwischen dieser Behutsamkeit und seiner Rauheit, denn beides war fast mehr, als ich zu ertragen fähig war.
Ich spürte das Zittern seines Körpers, von dem ich nicht wusste, ob Erregung oder Nervosität die Ursache dafür war. Seine Lippen bahnten sich einen Weg über meine Wange und als sich seine Zähne sanft in meine Halsbeuge schlugen, lehnte ich meinen Kopf zurück, ihm somit mehr Haut anbietend, auf dem ich seine Bisse spüren wollte.
Wir bewegten uns in völligem Einklang und nichts was er tat, beunruhigte mich oder war mir gar unangenehm. Jede noch so kleine Bewegung löste ein wahres Feuerwerk in mir aus, eine Lichtexplosion faszinierender, als die vorangegangene.
Bald wusste ich nicht mehr, wieviel Zeit vergangen war, warum wir uns vorhin gestritten hatten oder warum es nicht immer so sein konnte. Aber eines wurde zu einer unumstößlichen Gewissheit. Ich gehörte hier her, in seine Arme und nichts auf der Welt würde mich davon abhalten können, an diesen Ort zurückzukehren, wann immer ich von ihm entfernt war.
Die Augen fest verschlossen, krallten sich meine Finger in sein volles Haar, hinderten ihn daran sich wieder von mir zurück zu ziehen, denn die Linie dies zuzulassen war längst überschritten.
Ich würde jetzt keine weitere Zurückweisung mehr von ihm ertragen. Es würde der Vertreibung aus dem Paradies gleichkommen und mich zerreißen, wenn ich nun auf ihn würde verzichten müssen.
Leise seufzte ich auf, als Jake mich von der Wand zurückzog und zum Bett hinüber trug um mich auf den Laken abzulegen. Die Kälte des Stoffes stand in einem starken Kontrast zu seiner heißen, fiebrigen Haut und fast hatte ich Angst, er würde sich zurückzuziehen. Doch noch bevor dieser Dämon Gestalt annehmen konnte, spürte ich die Schwere seines Körpers auf meinem und ein nie gekanntes, schmerzliches Ziehen breitete sich in meinem Schoß aus.
Für einen kurzen Moment, sah ich in seine Augen und er erwiderte meinen Blick mit solcher Intensität, dass ich das Gefühl bekam, dass die Zeit von nun an langsamer verging. Das Zimmer um uns herum verschwand in Nichtigkeit und Belanglosigkeit. Der Sturm in uns begann sich zu legen und wich einer sanften Sommerbrise, die aus unseren Berührungen einen warmen Regen werden ließ. Gebannt vom Blick des anderen, streichelten wir uns gegenseitig, nicht um uns zu erfahren, sondern, um einander Liebe spüren zu lassen.
„Ich brauch dich so sehr...“ flüsterte Jake heiser und ich spürte einen Kloß in meinem Hals aufkeimen, den ich mit aller Macht niederzuringen versuchte. Jetzt war nicht der Moment für Tränen, sondern für die Bewusstwerdung, welches Glück ich hatte, Jake zu kennen. Sacht richtete ich mich auf, ließ ihn nicht aus den Augen und fast schüchtern, zog ich mir mein Pyjamatop über den Kopf, bevor ich mich wieder zurücklegte und seinen festen Körper mit mir zog.
Das Gefühl seiner nackten Haut auf meiner, ließ mich erschaudern und ich vermeinte, den Schlag seines Herzens durch seine Brust in meiner zu spüren.
Ich vernahm das Zittern seiner Finger, als sich seine Hand mit aller Vorsicht auf meine Brust legte und ich schloß seufzend die Augen. Wie von selbst fanden meine Lippen wieder die seinen und verschmolzen mit ihnen zu einem erneuten, samtenen Kuss, der nicht mehr nur von purem Verlangen geprägt war. Ich kostete die Süße seines Mundes mit einer Deutlichkeit, die jedes andere Gefühl in mir blass und träge erscheinen ließ. Und in diesem Moment spürte ich, dass Jake recht gehabt hatte. Solange wir einen solchen Moment miteinander teilen konnten, war es egal wann und ob wir jemals miteinander schlafen würden.
Es war eine Entscheidung aus dem Bauch heraus gewesen. Auf dem Weg nach Hause ließ mich der Ausdruck auf Lexis Gesicht nicht allein. Auch ihr Duft war allgegenwärtig und ihre kalte Stimme hallte in meinen Ohren wieder, als sie mich angewiesen hatte zu gehen. Ich hatte ihr nicht gehorchen, nicht gehen wollen, aber es hatte nichts gegeben, was ich hätte sagen können. Doch kurz bevor ich La Push erreichte, traf mich die Erkenntnis mit einer solch immensen Schlagkraft, dass ich hart auf die Bremse trat und meine Reifen eine Spur auf dem Asphalt hinterließen.
Ich war so erpicht darauf, dass Lexi mir blind vertraute und war selbst nicht bereit ihr dieses Vertrauen vorzuleben. Vertrauen war die spürbare Reaktion von Menschen in Bezug auf das eigene Verhalten und im Gegensatz zu Lexi, wusste ich durchaus um ihre Vergangenheit, meine Gegenwart und unsere eventuelle Zukunft. Und ich glaubte nicht, dass sie mir Schaden zufügen würde. Sicherlich war Carlisles Worten Achtung zu schenken, doch was wusste er schon über die Intensität unserer Beziehung? Ja, Lexis Kräfte und vor allem ihr Durst waren nicht zu unterschätzen und vielleicht würde sie die Kontrolle verlieren, aber wenn sich jemand damit auskannte, wie es war, die Kontrolle zu verlieren, dann war ich das. Und sollte ich mich wirklich darüber beschweren, dass sie sich zu mir hingezogen fühlte, wenn es mich selbst alle Willenskraft kostete, sie in ihrem Bestreben zu bremsen? Wenn ich selbst nur zu gut verstand, wie es war in ihrer Nähe zu sein und sie nicht zu berühren?
Ohne weiter darüber nachzudenken, ob es richtig oder falsch war, wendete ich meinen Golf und raste förmlich zurück zum Haus der Cullens. Ich konnte und wollte sie nicht in dem Glauben lassen, dass ich sie nicht begehrte, dass ich mir nicht wünschte, ihr in jeder erdenklichen Art und Weise nahe zu sein.
Und als ich außer Atem in ihrem Zimmer stand, sie mit der Zahnbürste in der Hand in mein Blickfeld trat, da wusste ich entgegen aller ausgesprochenen Warnungen, dass es nicht falsch sein konnte. Ich ließ mich gehen, meinen Wunsch nach ihrer Nähe die Führung übernehmen und wollte sie einfach nur noch glücklich sehen. Ein weiteres Mal umhüllte mich ihr Duft und der Geschmack ihrer Lippen raubte mir die Sinne, während ich nicht in der Lage dazu schien, genug von ihr zu bekommen. Es war ein perfektes Zusammenspiel unserer Lippen, Hände und Gefühle. Machte ich einen Schritt vor, empfing sie mich bereits und wenn sie mir entgegenkam, hieß ich ihre Berührungen willkommen.
Das perfekte Gefühl, endlich mit dem letzten, lange vermissten Puzzlestück, das angefangene Bild zu vollenden.
Ich war glückselig. Eine Welle an Emotionen rollte über mich hinweg, eine grandiose Mischung aus tief empfundener Liebe, Leidenschaft, Erregung und Verlangen. Keineswegs kitschig, nicht lüstern und einfach nur makellos.
Sie nicht loslassen zu müssen, mir die Freiheit zu gestatten, weiter zu gehen, als je zuvor, ohne Angst, ohne Zögern und ohne die Stimmen in meinen Kopf, mich zurückzuhalten, erlangte unsere Verbundenheit ein nie zuvor beschrittenes Level.
Als ich sie zum Bett hinüber trug, wusste ich nicht, wohin uns der Weg noch führen würde, doch war es einerlei. Ich hatte immer gedacht, das erste Mal müsse besonderen äußeren Umständen unterliegen, eine lange Vorbereitung beinhalten und romantisch verdrossen sein, aber wenn es jetzt geschehen sollte, dann würde es selbst mit einem mit Rosenblättern überschütteten Bett nicht schöner werden können. Denn alles was ich brauchte, war das Bewusstsein, dass sie an meiner Seite war und mehr brauchte es nicht.
Kurz kamen wir zur Ruhe, verloren uns im Blick des anderen und mein Herz wollte zerbersten, vor Liebe zu dieser Frau, die so unschuldig unter meinem Körper lag und so zerbrechlich wirkte.
„Ich brauch dich so sehr...“ verlieh ich meinen innersten Empfindungen Ausdruck und erneut verschmolzen unsere Lippen in einem innigen Kuss.
Fast scheu zog Lexi sich ihr Oberteil über den Kopf und ich musste unwillkürlich schlucken.
Ein süßer Schmerz zog sich durch meine Lenden, als meine Finger über die milchig-weiße Haut ihrer Brust strichen und für einen kurzen Moment, blieb mir der Atem in der Kehle stecken. Ein flaues Gefühl nahm Besitz von meinem Bauch, aber es war keineswegs unangenehm, sondern eher von Vorfreude geprägt. Doch als ich ihre Finger spürte, die sich ungeniert den Weg zu den Knöpfen meiner Jeans bahnten, rauschte mein Blut immer lauter in meinen Ohren. Nun schwand ein Teil meiner Ruhe und machte Nervosität Platz. Es war keine Angst, vor dem was sie tat, sondern eher meine Unerfahrenheit, die mir leichte Bauchschmerzen bereitete.
In mir erwachte eine Intuition, die nichts mit meinem menschlichen Sein zu tun hatte und überrascht vernahm ich ein leises, aber deutliches Raunen aus meiner Kehle, das Lexi als Aufmunterung und Bestätigung ihres Tuns interpretierte und bald hatten ihre geschickten Finger alle Knöpfe gelöst.
Automatisch schob sich mein Becken ihrer Hand entgegen und mein Körper schien ein wenig schneller zu sein, als mein Kopf. Ganz von allein übernahmen meine, wie ich zugeben musste, niederen Instinkte die Führung. Ich hielt die Luft an und wartete auf die erlösende Berührung, als es plötzlich laut und deutlich gegen die Tür ihres Zimmers klopfte. Wie zwei Rehe im Scheinwerferlicht erstarrten wir beide zu Salzsäuren und das Ziehen in meinen Unterleib wurde fast unerträglich.
„Jacob? Ich bin´s Carlisle. Ich störe nur ungern, aber ich müsste dringend mit dir sprechen.“
Seine Stimme war geprägt von der ihm so eigenen Freundlichkeit, doch ich freute mich keineswegs über diese Unterbrechung. Seufzend sank ich leicht zusammen, bedacht darauf, meine Arme nicht einknicken zu lassen, damit Lexi nicht mein gesamtes Gewicht tragen musste.
„Denkst du, er hat etwas mitbekommen?“ flüsterte sie hauchdünn und zog sich die Bettdecke über ihre nackte Brust.
Obwohl ich wusste, dass es unmöglich war, in diesem Haus etwas verborgen zu halten, schüttelte ich beruhigend den Kopf.
„Nein, ich glaube nicht.“ Ich strich ihr sanft über die Wange. „Ich bin gleich wieder bei dir.“
„Bin unterwegs, Carlisle.“ antwortete ich dann in Richtung der Tür, küsste Lexi ein letztes Mal und stieg vorsichtig von ihr, um mein Shirt vom Boden zu klauben. Eilig streifte ich es über und öffnete die Tür zum Flur.
Carlisle wartete dort auf mich und sein Blick sagte mehr als tausend Worte, als sich seine Augen auf meine immer noch offene Hose legten. Doch er sagte nichts, während ich schnell und etwas unbeholfen, die Knöpfe wieder schloß. Er winkte mich hinter sich her und als wir im Wohnzimmer ankamen, stand dort bereits der versammelte Cullen-Clan um den großen Tisch zusammen, auf dem eine Karte ausgebreitet war.
„Was gibt’s?“ fragte ich trocken in die Runde und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass mir durchaus bewusst war, dass ihre feinen Ohren und Nasen zumindest eine Vorstellung davon hatten, was Lexi und ich soeben getan hatten.
Carlisle schoß Rose einen warnenden Blick entgegen, bevor sie etwas vom Tisch abrückten und mir somit einen ungehinderten Blick auf die Karte ermöglichten.
Ich sah kurz darauf und erkannte, dass es ein Ausschnitt der Gegend bis Seattle war.
Jasper sah mich an, als würde ich kleine Kinder fressen und deutete dann mit seinem kalkweißen Finger auf Seattle.
„Wir haben die Spur des Vampirs jetzt eine Woche lang verfolgt. Angefangen in Seattle.“ sagte er knapp und sofort waren meine Gedanken mit einem Schlag wieder ganz bei mir und verweilten nicht länger bei Lexi oben im Schlafzimmer.
„Und was habt ihr bis jetzt herausfinden können? Habt ihr ihn gefunden?“ fragte ich gehetzt, aber Jasper schüttelte den Kopf.
„Nein, zunächst schien er sich in einem ZickZack-Kurs auf Forks zuzubewegen, hat dann aber abrupt die Richtung gewechselt und sich wieder nach Seattle zurückgezogen. Ich vermute, dass er gemerkt hat, dass wir ihm auf den Fersen sind und er hat den Schutz der Großstadt vorgezogen.“
„Das heißt, er ist wieder in Seattle?“ fragte ich weiter und studierte angespannt, die roten Linien auf der Karte, die den Weg des Vampirs markierten.
„Wir wissen es nicht genau. Seine Spur endet dort.“ sagte Alice und mein Blick flog zu ihr hinüber.
„Was heißt das? Er kann sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Oder könnt ihr Blut...ihr Vampire sowas jetzt auch?“ fragte ich irritiert und sah, wie Blondie etwas erwidern wollte, doch Alice fuhr ihr einfach über den Mund.
„Nein, zumindest kenne ich keinen Vampir, der so etwas beherrscht. Wir sind und bleiben Materie.“ erklärte sie knapp. „Aber wir haben anderen Fähigkeiten, die uns helfen unsere Spuren zu verwischen.“ sie machte einen Schritt vor und zeigte auf den Sund neben Seattle.
„Sein Geruch hat uns direkt bis ans Wasser geführt. Wenn er mitbekommen hat, dass wir ihn suchen, war das aus seiner Sicht, das Klügste was er tun konnte. Selbst unsere Sinne schaffen es nicht, ihn im Meerwasser auszumachen.“ sagte sie seufzend und ich verstand.
„Das heißt, wir haben ihn einfach verloren?“ Ich konnte es nicht glauben. Die ganze letzte Woche waren stets mindestens 2 der Cullens auf der Jagd nach dem Rotauge gewesen und es war mir unbegreiflich, dass sie ihn nicht zu fassen bekommen hatten. Ich hätte selbst auf die Jagd gehen sollen. Aber jemand musste in Lexis Nähe bleiben, um sie zu beschützen und diese Aufgabe hatte ich niemand anderem anvertrauen wollen, als mir selbst.
„Für den Moment, ja. Solange er sich im Wasser aufhält, haben wir keine Möglichkeit ihn auszumachen.“ erklärte Carlisle ruhig und ich seufzte unwillkürlich, während ich meinen Blick erneut über die Karte wandern ließ.
„Das bedeutet aber auch, dass er an jeder Stelle der Küste wieder an Land gehen kann, ohne das wir wissen wo, oder?“ warf ich leicht nervös ein und erntete nur stumme Bestätigung.
„Wenn er nach Forks will, wird er nicht um La Push herumkommen und dann werden wir uns um ihn kümmern.“ sagte ich hart und spannte meine Kiefer an. „Ich werde Sam morgen früh sofort Bescheid geben, damit wir die Patrouillen an der Küstenlinie verstärken. Und wenn ich ihn in die Finger bekomme, dann...“
Carlisle legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter und mir fröstelte sofort von seiner kalten Haut, aber ich hielt es aus.
„Jacob, wir wissen nicht wer er ist oder was er will, ob er überhaupt auf der Suche nach Lexi ist. Wir sollten nicht vorschnell handeln.“
„Welchen anderen Grund sollte es für sein Verhalten geben? Ich wette, er ist eine kleine Aufmerksamkeit von Caius. Hast du nichts gesehen, Alice?“ ich wandte mich zu ihr, doch bereits ihr verbissener Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie keine Vision gehabt hatte.
„Ich versuche wirklich alles, Jake. Aber ich kenne ihn nicht und ich sehe keinerlei Pläne, die etwas mit Lexi zu tun haben. Ich überwache auch die Volturi so gut ich kann, aber auch bei ihnen kann ich nichts sehen, was das Auftauchen dieses Vampirs erklären würde.“
Ich fuhr mir über die Augen und blickte noch einmal auf die Karte.
„Dann wird uns nichts weiter übrig bleiben, als weiterhin auf Lexi aufzupassen und aufmerksam zu bleiben.“ sagte ich knapp und Carlisle nickte bestätigend.
„Du solltest mit Sam reden, aber nicht sofort zum Äußersten gehen, wenn der Wanderer in eurem Gebiet auftaucht. Setzt ihn fest, aber tötet ihn nicht, es könnte sich als Fehler erweisen.“
Ich knurrte nur leise. In meinen Augen konnte es nie ein Fehler sein, einen Blutsauger zu beseitigen.
„Ich werde es ihm sagen.“ schnaubte ich und sah noch einmal in die Runde. „War´s dann das, oder gibt es noch etwas, dass ich wissen sollte?“
Carlisle Hand auf meiner Schulter übte einen leichten Druck aus, der jedoch so bestimmt war, dass ich mich mit ihm gemeinsam abwandte und von ihm aus dem Wohnzimmer führen ließ.
„Vielleicht solltest du direkt zu Sam und die Sache mit ihm besprechen.“ sagte er ruhig, sobald wir die Treppe nach oben erreicht hatten.
„Ich werde ihn anrufen, sobald Lexi eingeschlafen ist und ihn morgen ausführlich informieren. Ich denke das sollte reichen.“ antwortete ich und langsam wurde die Berührung seiner Hand mehr als unangenehm.
„Das meine ich nicht, Jacob. Ich denke nur, dass es vielleicht klüger wäre, die Nacht nicht hier zu verbringen.“ in seiner Stimme schwang eine Vehemenz durch, die ich nicht von ihm gewohnt war.
„Was soll das heißen, Doc? Ich kann jetzt nicht gehen, ich kann Lexi jetzt nicht einfach alleine lassen, das würde nur...“ begann ich, doch Carlisle unterbrach mich.
„Wenn du bleibst, würde das nur zu Dingen führen, vor denen ich dich eindringlich gewarnt habe. Mir geht es nicht darum, dich zu vergrätzen, Jacob. Ich hoffe, dass du das weißt. Ich schätze dich sehr und ich würde mir nie erlauben, dich zurecht zu weisen, aber ich würde dich inständig darum bitten, dich an meine Worte zu erinnern.“ sagte er so eindringlich, dass ich mich fast schämte.
„Sie wird mich nichts tun.“ verteidigte ich mich halbherzig, wissend, dass er diese Angabe nicht gelten lassen würde.
„Du kannst nie wissen, was passiert, wenn ein Orkan und ein Vulkan aufeinandertreffen, Jacob. Wenn du nicht gehen willst, dann bleib. Ich werde dich nicht aus meinem Haus weisen, aber vielleicht kannst du dich ein wenig zurückhalten und deine...“ er machte eine kurze Pause, einerseits wohl um seinen Worten eine bedeutungsvolle Attitüde zu verleihen, andererseits weil sie ihm sicherlich ebenso unangenehm waren, wir mir. „...Hosen geschlossen halten.“ er räusperte sich und ich verdrehte innerlich die Augen.
„Verstanden.“ nickte ich und schüttelte mich leicht, um endlich das schaurige Gefühl seiner Hand loszuwerden, ohne dabei zu unhöflich zu wirken. Es wirkte und er ließ mich los, schenkte mir noch ein versöhnliches Lächeln.
„Dann wünsche ich euch beiden eine angenehme Nachtruhe.“ sagte er, wandte sich ab und verschwand wieder in Richtung Wohnzimmer.
Ich hingegen nahm die Treppe nach oben, klopfte leise an die Tür und trat ein, noch bevor Lexi mich hereingebeten hatte.
Sie lag immer noch in ihrem Bett, die Decke fast bis zum Kinn hochgezogen, aber ich konnte schwören, dass sie aufgestanden war, denn ihr Haar war offen und frisch gebürstet und ich hatte den Verdacht, dass sie erneut etwas von diesem unwiderstehlichen Parfüm aufgetragen hatte.
Scheu lächelte sie in meine Richtung, bevor sie zu grinsen anfing und ihre Hand nach mir ausstreckte.
„Wo waren wir stehen geblieben?“ fragte sie verschmitzt und ich musste ebenfalls grinsen, während ich aufs Bett zuging und mich schließlich neben sie setzte.
„Inmitten von etwas sehr Angenehmen.“ gab ich ihr zur Antwort und spürte ihre Hand, die sich unter mein Shirt schob. Mit mehr als schwerem Herzen hielt ich sie fest und schüttelte den Kopf.
„Ich glaube, für heute sind wir weit genug gegangen, mein Herz.“
Ich sah die Enttäuschung auf ihrem Gesicht und spürte dasselbe Bedauern über meine Worte.
„Hast du Ärger bekommen?“ fragte sie und setzte sich etwas auf, was die Laken dazu brachte, hinab zu rutschen und den Ansatz ihres makellosen Busens zu entblößen, was mir meine Entscheidung noch schwerer machte, unser Liebesspiel für heute zu beenden.
„Nein.“ ich schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung, du brauchst dir keine Sorgen machen. Aber mir ist die Stimmung ein wenig vergangen.“
Das war eine weitere Lüge. Ein Blick in ihre Augen und mein Verlangen nach ihr loderte so hell, als sei es nie ausgegangen.
„Was war denn?“ fragte sie sanft und begann federleichte, sachte Küsse auf meine Schulter zu hauchen.
„Nichts wichtiges eigentlich.“
„Aber es hat dir anscheinend die Stimmung verdorben.“ sagte sie weiter und hörte nicht auf, mich zu berühren und zu küssen. Doch sie war so geschickt und sanft dabei, als würde sie hoffen, ich würde nicht bemerken, dass sie erneut versuchte, meine Stimmung anzufachen.
„Ich habe gerade mit deinem Vater gesprochen, nachdem ich mit offenem Hosenstall aus deinem Zimmer gekommen bin. Das törnt nicht gerade an.“ ich grinste versöhnlich und auch Lexi begann zu lachen.
„Okay, das kann ich nachvollziehen. Reicht deine Stimmung denn noch aus, um ein wenig mit mir zu kuscheln? Ganz unschuldig, damit ich besser einschlafen kann?“ fragte sie zuckersüß und ich nickte sofort.
„Nichts könnte mich davon abhalten.“ sagte ich und wollte mich zu ihr legen, als sie mich aufhielt.
„Aber nicht in Jeans und Shirt, bitte. Ich würde gerne noch etwas deine Haut spüren.“
Um ihr diesen Wunsch zu erfüllen, stand ich noch einmal auf und zog Shirt, wie Hose auf, legte sie einfach auf den Sessel neben dem Bett und als ich zu ihr zurückkam, hob Lexi die Decke, um mich darunter zu lassen.
Ich konzentrierte mich darauf, meine Augen nicht über ihren halbnackten Körper wandern zu lassen, als sie ihn mir so aufreizend präsentierte, doch nichts konnte mich gegen das Gefühl ihrer Haut an meiner wappnen.
Es kostete mich alle Beherrschung, nicht doch an dem Punkt weiter zu machen, an dem wir aufgehört hatten.
Lexi schien dies zu spüren und drängte ihren Körper meinem entgegen, doch sie unternahm sonst nichts, als warte sie darauf, dass ich die Initiative ergriff.
Ich legte einen Arm um ihren Nacken und bettete ihre Wange auf meiner Schulter.
Tief sog ich ihren wundervollen Duft ein und begann mit einer ihrer Haarsträhnen zu spielen.
Ihre Hand hatte sich auf meine Brust gelegt und kraulte mich leicht, was hin und wieder recht angenehm kitzelte und es mir schwer machte, meine Gedanken beisammen zu halten.
Aber Carlisle hatte nicht ganz unrecht mit seinen Worten. Es war und blieb ein Spiel mit dem Feuer und ich sollte einmal die Vernunft besitzen und mich ein wenig zurückhalten. Wir hatten noch soviel Zeit miteinander.
Jetzt da ich ihr bewiesen hatte, dass ich durchaus bereit war, auch Intimität mit ihr zu teilen, sollten wir es langsam angehen lassen, auch wenn es mir schwer fiel.
Doch da war das stete Gefühl ihrer warmen Haut an meiner, ihre Fingerspitzen auf meiner Brust und ihr weiches Haar an meiner Hand.
Es fiel mir unglaublich schwer, mich zusammen zu reißen.
Schlußendlich war ich schließlich auch nur ein Mann und mein Körper reagierte außerhalb meiner mentalen Kontrolle auf sein Umfeld. Was Lexi in mir auslöste war so schwer zu fassen, unmöglich zu beschreiben und bittersüß zu erfahren.
Stärkere Männer als ich, würden gnadenlos an ihrer Verlockung scheitern, nur ich durfte es nicht.
Immer wieder spürte ich ihre zarten Lippen auf meiner Haut, spürte die Hitze die daraus sprach und wie mein Herz auf ein neues schnell zu schlagen begann.
Auch Lexi schien zu spüren, dass sie nicht wirkungslos auf mich blieb.
Und erneut war es jetzt an der Zeit, zu unterbinden, was ich eigentlich nicht unterbinden wollte.
Eng schloß ich meine Arme um sie und zog sie zu mir.
Nicht um sie intensiver spüren zu können, sondern um ihren Aktionsradius so einzuengen, dass Streicheleinheiten ihrerseits unmöglich wurden. Aber es war der gleiche unmögliche Versuch, als hätte ich probiert einen Waldbrand durch bloßes Zureden zu löschen.
Sie schien sich durch meine feste Umarmung eher animiert zu fühlen und ihre Lippen suchten die meinen. Für einen kurzen Moment, ließ ich mich dazu hinreißen, den Kuss zu erwidern, bevor ich mich wieder zurück zog.
„Bist du denn überhaupt nicht müde?“ fragte ich grinsend und Lexi sah mit glänzenden Augen zu mir.
„Nicht wirklich, nein.“ gab sie feixend zur Antwort und ich streichelte sanft über ihren Kopf. Ich ahnte, dass es eine lange, anstrengende Nacht für mich werden würde.
Ein unfassbar lautes Knallen riss mich am nächsten Morgen aus dem Schlaf.
Verwirrt öffnete ich die Augen, nachdem ich unsanft hochgeschreckt war und blickte mich nach der Quelle des Lärms um. Erleichtert stellte ich fest, dass nicht etwa ein Axtmörder versucht hatte in mein Zimmer einzudringen, sondern draußen lediglich ein nicht gerade kleines Gewitter tobte. Ich blies einen Schwall Luft aus, fuhr mir müde über die Augen und beruhigte mich nur langsam wieder.
Ich fühlte mich seltsam unwohl. Mir war schwindlig und mein Hals fühlte sich an, als hätte jemand in der Nacht versucht, große, kantige Steine hindurchzupressen. Mein Blick fiel auf Jake, der immer noch tief in Schlaf versunken, neben mir lag und mit behutsamer Achtsamkeit nahm ich seinen Arm von meiner Hüfte, bevor ich so leise wie möglich über ihn kletterte, um das Bett zu verlassen.
Überrascht stellte ich fest, dass es mir keinerlei Schwierigkeiten bereitete, mich so lautlos zu bewegen, dass eine fallende Stecknadel lauter gewesen wäre.
Ich warf einen Blick zurück zum Bett, wo Jake leise schnarchte und stellte beruhigt fest, dass ich es wirklich geschafft hatte, ihn nicht zu wecken. Leise öffnete ich die Tür zum Badezimmer, schlüpfte durch den Spalt und drückte sie wieder vorsichtig ins Schloss.
Ich ging zum Waschbecken hinüber und drehte das kalte Wasser auf, um direkt aus dem Hahn zu trinken.
Doch egal wieviel ich von dem kühlen Nass, meine Kehle hinab rinnen ließ, das Brennen wollte einfach nicht verschwinden.
Es war auch die letzte Woche nie wirklich weg gewesen, aber ich hatte mich daran gewöhnt. Irgendwie war es in den Hintergrund geraten und leicht zu ignorieren gewesen. Doch jetzt war das Brennen fast unerträglich und ich traute mich kaum zu schlucken. Es schien als würde das Wasser in meinem Hals einfach verdampfen, bevor es seine erfrischende Wirkung entfalten konnte.
Ich trank sicherlich mehr als einen ganzen Liter, bevor ich einen leichten Rückgang verspürte und es dauerte noch einen weiteren Liter, bis ich das Wasser schließlich wieder abdrehte.
Ich hob den Blick und erschrak, als ich mein Spiegelbild sah.
Meine Haut war aschfahl und hatte einen gräulichen Schimmer, während die Ringe unter meinen Augen fast schwarz schienen. Unbeholfen stolperte ich einen Schritt zurück, weil das was ich sah so gruselig war, dass ich es einfach nicht sehen wollte. Ich stieß gegen die Toilette und ließ mich unbeholfen darauf fallen. Zitternd fuhren meine Hände über mein Gesicht und die Haut fühlte sich rissig unter meinen Fingerspitzen an. Ich brachte mich dazu ruhig durchzuatmen, schloß die Augen und vertrieb mit eiserner Vehemenz das Bild dieser Leiche aus meinen Gedanken.
Das Schwindelgefühl, das ich nach dem Aufwachen verspürt hatte, wurde wieder stärker und zu dem Brennen in meinem Hals gesellte sich nun auch noch ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Magengegend. Es fühlte sich an, als hätte jemand mit einer Spaghettigabel in meine Eingeweide gestochen und versuchte nun, meine Gedärme aufzudrehen.
Meine Hände suchten halt an der Wand neben mir und ich lehnte meine Stirn gegen die kühlen Fliesen.
Ich traute mich nicht aufzustehen, denn ich wusste nicht, ob ich mich auf meine Beine würde verlassen können. Sie machten zur Zeit nicht gerade den Eindruck, als ob sie mich würden tragen können.
Für einen kurzen Moment überlegte ich, nach Jake zu rufen, verwarf diesen Gedanken dann jedoch wieder. Er machte sich ohnehin schon viel zu viele Gedanken um mich und ich wollte mir nicht einmal vorstellen, wie er reagieren würde, wenn er mich hier halbnackt auf der Toilette sitzend sehen und welche Panik dabei in ihm aufsteigen würde.
Er sollte weiterhin einfach nur mein Freund sein. Dass er ab und zu den Beschützer spielte, damit konnte ich leben, aber ich wollte ihn nicht zu meinem Babysitter machen.
Die Übelkeit würde wieder vergehen und sobald das geschah, würde ich eine Dusche nehmen und war sicherlich bald wieder ganz ich selbst. Bis dahin allerdings blieb mir nichts anderes übrig, als einfach abzuwarten, bis die Welt um mich herum aufgehört hatte sich zu drehen.
Mit fest zusammengekniffenen Augen begann ich, stumm zu zählen, konzentrierte mich darauf ruhig und tief zu atmen und ließ meine Gedanken zurück zur Nacht schweifen, in der Jake und ich uns stundenlang geküsst, gestreichelt und gehalten hatten. Ein angenehmes Kribbeln begann die Übelkeit zu verscheuchen, als sei allein der Gedanke an Jake die beste Medizin der Welt.
Es dauerte nicht allzu lange, bis ich mich wieder traute die Augen zu öffnen und auch wieder Vertrauen in meine Beine gewonnen hatte.
So schnell wie das Unwohlsein gekommen war, so schnell schien es sich nun wieder zurück zu ziehen. Ich atmete ein letztes Mal tief ein, dann erhob ich mich und ging erneut zum Spiegel hinüber.
Das Gesicht, das mir nun entgegen sah, erschreckte mich fast noch mehr, als das was ich zuvor gesehen hatte, denn die beiden hatte nicht die geringste Ähnlichkeit.
Meine Wangen leuchteten rosig, es war keine Spur mehr von Augenringen zu sehen und auch meine Haut hatte ihren matten Teint zurückgewonnen. Ungläubig starrte ich auf meine Reflektion im Spiegel und wand den Kopf um mein Gesicht von allen Seiten betrachten zu können.
Und als meine Finger meine Haut nun berührten, fühlte sie sich wieder glatt und makellos an.
„Was zum Teufel...“ flüsterte ich leise und meine Stirn runzelte sich in Unverständnis.
Ich konnte mich doch unmöglich so schnell regeneriert haben.
Woher war diese Übelkeit ohnehin gekommen, warum brannte mein Hals so sehr und warum um alles in der Welt war ich schon wieder so hungrig, als hätte ich tagelang nichts gegessen? Auf Zehenspitzen wanderte ich zurück ins Schlafzimmer, immer noch verwirrt und zog mir ein paar Shorts und ein Shirt über, dabei bedacht darauf, Jake nicht zu wecken.
Dann schlüpfte ich durch die Tür zum Flur und geräuschlos hinüber zur Küche. Das Haus lag ruhig da, nur die schweren Regentropfen, die gegen die Glasfronten trommelten erzeugten gemeinsam mit dem immer wieder auftauchenden Donner, so etwas wie eine Geräuschkulisse.
In der Küche angekommen, öffnete ich den Kühlschrank, nahm eine Karaffe Saft heraus und goß mir ein Glas ein, bevor ich zur Kaffeemaschine ging und eine Kanne aufbrühte.
„Guten Morgen, Lexi.“
Ich zuckte unwillkürlich zusammen und verschüttete etwas von meinem Saft, als Carlisle so leise eingetreten war, dass ich ihn nicht hatte kommen hören.
„Guten Morgen.“ antwortete ich und griff nach einem Küchenpapier um den verschütteten Saft wieder aufzuwischen.
„Gut geschlafen?“ fragte er mit dem altbekannten, weichen Lächeln auf den Lippen.
„Ja, ganz gut.“ sagte ich und versuchte ein aufrichtiges Nicken.
„Du scheinst ein wenig nervös.“ sagte er und der Arzt in ihm, übernahm die Oberhand.
Ich nickte erneut.
„Ja, mir war heute morgen nicht wirklich gut. Mein Hals tut ziemlich weh und mir war etwas schwindlig. Aber es geht schon wieder.“ erklärte ich und nahm zwei Tassen aus dem Schrank hinter mir.
„Dein Hals brennt? Hättest du etwas dagegen, wenn ich ihn mir einmal ansehe?“
Ich schüttelte den Kopf und Carlisle kam zu mir herüber, legte eine Hand an meinen Unterkiefer und ich öffnete den Mund und streckte meine Zunge raus.
Carlisle warf einen kurzen Blick auf meinen Rachen und ließ mich dann wieder los.
„Ich werde dir heute Abend etwas aus dem Krankenhaus mitbringen, dann wird es dir besser gehen.“ Seine Daumen legten sich sacht auf meine Augenlider und er begutachtete meine Augen mit ärztlicher Neugier.
„Du sagst du hast dich schwindlig gefühlt? Musstest du dich übergeben? Hast du das Bewusstsein verloren?“ fragte er geschäftig weiter und ich stellte einen nackten Fuß auf den anderen, während ich seine Untersuchung über mich ergehen ließ.
„Nein, mein Bauch hat wehgetan, aber übergeben musste ich mich nicht. Aber das lag bestimmt an dem ganzen kalten Wasser, das ich getrunken habe, um das Brennen in meinem Hals zu vertreiben.“ antwortete ich und lieferte meine eigene Diagnose.
Carlisle brummte nur kurz, dann drehte er mich vorsichtig um und klopfte meinen Rücken ab.
„Carlisle?“ fragte ich schließlich nervös und drehte mich wieder zu ihm. Seit Tagen trug ich ein Anliegen mit mir herum, das mir ziemlich auf der Seele brannte. Irgendwie schien jetzt der richtige Zeitpunkt zu sein, es Carlisle zu sagen.
„Ja, Liebes?“ fragte er weich und ich biss auf meiner Unterlippe herum, als würden die Worte dadurch einfacher werden.
„Also...“ druckste ich herum. „Ich habe nachgedacht und...ich würde gerne wieder zur Schule gehen.“
Erstaunen trat auf seine Züge und ich wartete gespannt auf eine Reaktion seinerseits.
„Du willst zurück aufs Internat?“
Ich schüttelte schnell den Kopf.
„Nein, ich will nicht weg von hier. Aber ich habe mir gedacht, dass du mich vielleicht hier auf der High-School in Forks anmelden könntest? Ich weiß, wir sind ein bisschen spät dran dafür, weil Montag das neue Jahr schon beginnt. Aber ich habe mir gedacht, du als bester Arzt der Gegend kennst den Schuldirektor bestimmt persönlich und könntest ihn dazu überreden, mich noch aufzunehmen.“ Ich versuchte ungeniert ihm zu schmeicheln und damit einen Trumpf auszuspielen, doch Carlisle sah nicht so aus, als würde es ihn beeindrucken.
„Ich weiß nicht, Alexis.“ sagte er und ich fiel innerlich zusammen. Das klang nicht wirklich danach, als würde er meinen Wunsch unterstützen. „Denkst du, du bist schon wieder fit genug, um den Unterricht zu besuchen? Denkst du nicht, es wäre besser noch eine weile zu Hause zu bleiben und vollständig zu genesen? Deine Übelkeit von heute morgen ist ein Anzeichen dafür, dass du noch nicht wieder 100%ig wieder hergestellt bist.“ sagte er und ich sah das Bedauern in seinen Augen.
„Das mag ja sein, Carlisle.“ insistierte ich. „Aber den ganzen Tag hier rumzusitzen, wird mir auch nicht helfen, wieder gesund zu werden. Der...Unfall...hat mich schon soviel gekostet. Meine gesamte Erinnerung und vielleicht noch mehr. Ich stehe ein Jahr vor dem Abschluss und wenn ich jetzt nicht wieder zur Schule gehe, dann hat er mich sogar ein ganzes Jahr gekostet.“ verteidigte ich meinen Wunsch und Carlisle seufzte.
„Sicherlich, Liebes. Aber ich denke wirklich nicht, dass du schon so weit bist. Zudem, würdest du Jacob nicht vermissen?“
„Doch sicherlich.“ gab ich zu. „Aber es ist doch nicht wirklich natürlich 24 Stunden am Tag miteinander zu verbringen. Ich nehme Jake so sehr in Besitz, dass er kaum noch Zeit für etwas anderes hat. Ich will nicht zu einer Eisenkugel an seinem Fußgelenk werden.“
„Du traust es dir also wirklich zu? Fremde Menschen? Einen streng geregelten Tagesablauf, das ganze Lernen?“ fragte er skeptisch und ich nickte heftig mit dem Kopf.
„Ich trau es mir zu und ich wünsche es mir. Wieder einen normalen Tagesablauf zu haben, Dinge die mich ablenken und vielleicht sogar neue Freunde, können mir doch nur guttun, oder nicht?“
„Okay, ich werde diese Angelegenheit mit Jacob besprechen und dir dann mitteilen, wie meine Entscheidung lautet.“
Ich runzelte die Stirn. Hätte er gesagt, er wolle sich mit Esme absprechen, hätte mich das keineswegs verwundert. Aber warum wollte er mit Jake besprechen, ob ich wieder zur Schule gehen durfte?
„Was hat Jake damit zu tun?“ fragte ich erstaunt und Carlisle lächelt weich.
„Nunja. In der letzten Zeit hat niemand von uns soviel Zeit mit dir verbracht, wie er und ich glaube, er könnte mir gute Anhaltspunkte dafür geben, ob wir dir einen Schulbesuch schon wieder zutrauen können.“
„Aber Jake ist mein Freund und du bist mein Vater, zumindest das was dem am nächsten kommt.“ protestierte ich, weil ich mir schon denken konnte, dass Jake nicht wirklich begeistert sein würde.
„Und dennoch möchte ich seine Meinung hören, bevor ich eine Entscheidung treffe. Das ist mein letztes Wort.“
„Wessen Meinung möchtest du hören, Carlisle.“ Jake kam noch leicht verschlafen und mit strubbligen Haaren in die Küche und legte seine Arme um meine Mitte. Automatisch kuschelte ich mich an ihn.
„Guten Morgen, mein Herz.“ flüsterte er dann und hauchte mir einen Kuss aufs Haar.
„Alexis hat den Wunsch geäußert, wieder zur Schule gehen zu dürfen.“ sagte Carlisle an Jake gewandt und ich spürte, wie Anspannung von ihm Besitz ergriff.
„Du willst wieder aufs Internat? Warum denn das?“ fragte er entrüstet und ich begann beruhigend über seine Unterarme zu streichen.
„Ich will doch gar nicht wieder auf ein Internat. Ich will hier zur Schule gehen. Damit ich in deiner Nähe bleiben kann.“
„Denkst du nicht, dass es dafür noch zu früh ist? Ich halte das wirklich für keine gute Idee.“ er warf Carlisle einen merkwürdigen Blick zu und ich verstand nicht, was er zu bedeuten hatte.
„Nein, das denke ich nicht.“ Langsam wurde ich ungeduldig. Es war doch meine Entscheidung.
Und wenn ich mich für bereit dazu hielt, dann sollten sie mir doch vertrauen. Sorge hin oder her, ich würde doch wohl noch am besten wissen, was ich mir zutrauen konnte und was nicht.
„Ich bin dagegen.“ sagte Jake harsch und ich befreite mich aus seiner Umarmung, damit ich ihn ansehen konnte.
„Warum denn? Willst du mich hier drin gefangen halten und vermeiden, dass ich jemals wieder ein normales Leben führen kann, weil deine Sorge um mich, dich blind macht?“ sagte ich erregt und sah ihn anklagend an.
„Ich will dich nicht hier einsperren. Aber ich denke einfach nicht, dass du schon soweit bist, den ganzen Tag in der Schule zu verbringen.“ antwortete Jake nun ebenfalls aufgebracht und ich machte einen Schritt von ihm weg und stand nun in der Mitte zwischen ihm und Carlisle.
„Ich denke, es würde mir helfen. Meinen Horizont erweitern und ...“ ich machte eine kurze Pause. „Es würde mir helfen, neue Erinnerungen zu erschaffen, wenn ich die alten schon nicht zurückbekomme. Und so sehr ich jede Minute mit dir auch genieße, ich will mehr als nur das.“
„Mehr? Reiche ich dir auf einmal nicht mehr?“ ich sah seine Augen funkeln, doch anstatt ihn zu beruhigen, stachelte mich dieser Umstand nur noch mehr an.
„Natürlich reichst du mir. Ich finde es toll, soviel Zeit mit dir zu verbringen. Aber du bist erst 17 und du solltest nicht deine gesamte Zeit bei deiner kranken Freundin absitzen müssen. Du solltest etwas mit deinen Jungs unternehmen, vielleicht sogar selbst wieder zur Schule gehen oder dir einen Job suchen. Ich will dich ebenso wenig an dieses Haus ketten, wie mich. Und wenn ich der Grund bin, dass du hier bist, dann muss ich eben hier raus.“ echauffierte ich mich lautstark
„Geht es jetzt etwa darum? Dass ich keinen Abschluss habe? Und dass ich kein Geld verdiene?“ fragte er deutlich sauer und ich schüttelte den Kopf.
„Jetzt rede doch nicht so einen Schwachsinn. Mir ist das nicht wichtig, keineswegs. Aber ich will dir doch deine Zukunft nicht verbauen, weil du dich dazu gezwungen fühlst, stets und ständig an meiner Seite sein zu müssen. Ja, ich weiß, du hast nur Angst, mir könnte etwas passieren, aber diese Verantwortung ist zu schwer für dich allein. Was soll mir denn passieren, wenn ich wieder zur Schule gehe? Ich wäre inmitten von Menschen und ich glaube nicht, dass mir dort Gefahr droht. Wenn es dir Freude macht, dann kannst du mich bis zur Tür bringen und mich dort nach dem Unterricht auch wieder einsammeln.“ schlug ich vor, senkte meine Stimme aber immer noch nicht.
„Nein.“ sagte er so hart, dass ich über den Ton seiner Stimme erschrak.
„Nein?“ fragte ich ungläubig zurück und zog die Augenbrauen zusammen. „Du bestimmst nicht über mein Leben!“ ich begann zu zittern, vor Wut darüber, jede Entscheidung abgenommen zu bekommen.
„Kinder, Kinder. Bitte beruhigt euch, das ist doch wirklich kein Grund zu streiten.“ warf Carlisle ein, der schon viel zu lange ruhig geblieben war.
„Ihr habt beide gute Argumente, aber letztendlich obliegt mir die Entscheidung ob und wann Lexi zurück zur Schule gehen wird.“ zog Carlisle einen Schlußstrich.
„Also nie.“ sagte ich immer noch angriffslustig, als Jasper ins Zimmer kam.
„Immer schön, eure lieblichen Stimmen zu vernehmen.“ sagte er, schob sich unsanft an Jake vorbei und legte einen Arm um mich.
„Alles in Ordnung, Schwesterchen?“ fragte er besorgt und mit einem Mal war meine Wut verpufft und ich fühlte mich vollkommen ruhig.
„Abgesehen davon, dass mein Freund denkt, er sei mein Vater und mein Vater mehr auf die Meinung meines Freundes gibt, als auf meine, geht es mir super.“ antwortete ich, klang dabei aber nicht so gereizt, wie ich es eigentlich gewollt hatte.
„Ärger im Paradies, hm?“
„Sieht ganz so aus.“ versuchte ich bissig zu sagen, aber ich fand kaum noch ein Körnchen Aggression in mir. „Ich muss hier raus.“ stieß ich schließlich aus, befreite mich von Jasper und stürmte an Jake vorbei aus der Küche.
„Lexi, du kannst nicht einfach weg...“ hörte ich Jake noch hinter mir herrufen, aber es war mir egal. Kaum, dass ich aus der Küche heraus war, loderte mein Zorn wieder auf und ich stiefelte mit heftigen Schritten nach unten, der Haustür entgegen. Ohne mich noch einmal umzudrehen, lief ich zur Garage.
Gerade, als ich die Tür meines Monte Carlos öffnete, erschien Jasper hinter mir.
„Nicht so schnell, Lexi. Wo willst du denn jetzt hin?“ fragte er und war nicht einmal außer Atem.
„Weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Irgendwohin, wo ich hin will und wo mir keiner vorschreibt, was ich tun darf und was nicht.“
„Was dagegen wenn ich dich begleite?“ fragte er lächelnd und ich schob genervt die Lippen vor.
„Wenn ich nein sage, lässt du mich ohnehin nicht gehen, oder?“ fragte ich gefrustet und er schüttelte lachend den Kopf.
„Nein, nicht wirklich.“
„Dann hab ich wohl keine andere Wahl.“ ich stieg ein und kaum, dass ich saß, hatte auch Jasper neben mir Platz genommen.
„Dann auf, wo auch immer du hinwillst.“
Ohne mich bewusst dafür zu entscheiden, folgte ich intuitiv den Straßenschildern in Richtung Port Angeles. Ich wusste nicht, was mich dort hin zog, aber es schien mir zunächst einmal die richtige Richtung zu sein. Jasper saß stumm neben mir und sah ab und zu aus dem Fenster, bevor sich sein Blick wieder musternd auf mich legte. Er sagte kein Wort, aber ich konnte spüren, dass er nur darauf wartete, dass ich ein Gespräch anfing. Aber mir stand der Sinn nicht nach einer Unterhaltung. Ich war zwar längst nicht mehr so wütend und aufgebracht, wie noch vor zehn Minuten und eine innere Ruhe hatte sich in mir breit gemacht, aber ich hatte Angst genau diese wieder zu verlieren, wenn ich meine Gedanken in Worte fasste.
Erst als ich die Abfahrt nach Port Angeles erreicht hatte, hielt ich die stillen Blicke meines Bruders nicht mehr aus.
Ich wandte den Kopf in seine Richtung und hob die Augenbrauen.
„Was?“ fragte ich ruhig und Jasper begann schief zu grinsen.
„Nichts.“
„Deswegen guckst du mich die ganze Zeit schon so an?“ fragte ich zurück und konnte mir nicht helfen, dass sein Grinsen mich wieder leicht verärgerte.
„Wie guck ich denn?“
„Na so eben.“ grummelte ich und musste dann doch lachen. „Sag einfach, was du sagen willst.“ schloß ich und Jasper richtete sich neben mir im Sitz leicht auf.
„Oh, ich will mich nicht einmischen.“ sagte er knapp und ich wusste, dass er es eigentlich doch wollte.
„Das kauf ich dir nicht ab, Jasper. Ich glaube, Alice hat schon zu sehr auf dich abgefärbt, als dass du dich jetzt zurückhalten könntest. Schieß einfach los.“ forderte ich ihn erneut auf und passierte die Stadtgrenze.
Doch Jasper schüttelte den Kopf. „Ich werde mich da bestimmt nicht zwischen die Fronten begeben.“ führte er aus und ich stutzte.
„Zwischen die Fronten? Das heißt du bist nicht auf meiner Seite? Denkst du etwa Jacob hat das Recht sich so zu verhalten? Sein Verhalten ist absolut überzogen und ich verstehe es nicht im Geringsten.“
„Ich schon.“ antwortete er zu meiner vollkommenen Überraschung und ich bremste den Wagen ab, als ich in die Innenstadt fuhr.
„Würdest du es mir dann bitte erklären? Für mich ist sein Verhalten nämlich ein Buch mit sieben Siegeln. Was spricht denn dagegen, dass ich wieder zur Schule gehe?“
„Jacob hat einfach nur Angst, Lexi.“ sagte Jasper so ruhig, als ob es das Offensichtlichste der Welt wäre.
„Aber wovor denn?“ insistierte ich sofort und Jasper drehte sich nun endgültig ganz zu mir.
„ Er hat Angst, dich wieder zu verlieren.“ schloß mein Bruder immer noch mit der gleichen Ruhe.
„Durch einen Schulbesuch wird er mich doch nicht verlieren. Das ist idiotisch.“ Ich manövrierte mein Auto in eine freie Parklücke am Straßenrand vor einem großen Kaufhaus und zog den Zündschlüssel.
„Ist es nicht, Lexi. Keineswegs sogar. Wir alle waren bereits an dem Punkt an dem wir dachten, dass wir dich nie wiedersehen und dich für immer verloren hätten. Menschen, wie Jake, die eine solche Erfahrung machen und das nicht zum ersten Mal, tendieren dazu sich in ihren Verlustängsten zu verlieren. Ich sage nicht, dass sein Verhalten richtig oder angemessen ist, aber es ist verständlich. Wir haben eine Menge Leid ertragen und Jake im Besonderen. Für ihn ist die Vorstellung, das alles ein weiteres Mal erleben zu müssen, nicht zu ertragen. Also setzt er alles daran, dass es nicht noch einmal passiert. Deswegen ist er 24 Stunden um dich herum, darum verlässt er das Haus nur, wenn jemand von uns noch da ist. Und deswegen macht es ihm Angst, dich in eine Situation zu entlassen, die er nicht kontrollieren kann.“
„Trotzdem!“ begehrte ich sogleich auf, nicht willens Jasper und vor allem mir selbst einzugestehen, dass dies durchaus Gründe waren, die Jakes Verhalten zumindest erklärten, wenn auch nicht rechtfertigten.
„Das erlaubt ihm noch lange nicht über mein Leben zu bestimmen. Er kann mich nicht davon abhalten zu leben, er kann mich nicht vor dem Leben beschützen und am wenigsten ist er in der Lage, mein Leben für mich zu leben. Das muss ich schon selbst tun. Und zwar mit allen Risiken und Gefahren, die dazu gehören. Ich will doch nur wieder zur Schule, weil ich etwas tun will, dass mich ablenkt und mir die Möglichkeit bietet, meine verlorenen Erinnerungen mit neuen zu ersetzen. Und schlussendlich auch für Jake.“ schloß ich ruhig und sah Jasper an, in der Hoffnung, Verständnis in seinen Augen zu sehen.
„Ich weiß. Du hast ebenso Angst wie er. Aber vor anderen Dingen.“ entgegnete er und lächelte weich. „Du hast es nie gut ertragen, eingeengt zu sein, du hast immer getan, was du tun wolltest und niemand hat dich daran gehindert. Leider hast du nicht immer gewusst, was das Richtige für dich ist.“ sagte er verständnisvoll und ich runzelte die Stirn.
„Was meinst du damit?“ wagte ich mich vorsichtig hervor.
„Jake macht dir Angst. Nun, nicht er selbst, aber die Intensität eurer Beziehung. Du warst noch nie so sehr mit jemandem verbunden, wie mit ihm und auch wenn du die Beziehung willst, glaubst du es wäre besser, auch andere Aspekte in Betracht zu ziehen. Ich verstehe das, aber ich bezweifle dass Jacob so weise ist, das auch so zu sehen. Die Verbundenheit, die ihr miteinander teilt ist schon schwer zu begreifen, wenn man sich an ihr Entstehen zu erinnern vermag. Urplötzlich mit ihr konfrontiert zu sein, kann schon einmal den Horizont übersteigen.“
Ich schüttelte vehement den Kopf.
„Du irrst dich. Ich habe keine Angst vor dieser Beziehung. Sie ist eines der wenigen Dinge, die mich durch den Tag bringen. Ich habe nur Angst, dass Jake sich zu sehr auf mich einlässt und darüber hinaus vergisst, dass es noch mehr im Leben gibt. Ich will ihm das nicht nehmen, nur weil ich so egoistisch bin und ihn nicht für eine Minute von meiner Seite wissen will. Es kann nicht gut für ihn sein. Ich bin wenigstens in meinem Zuhause, umringt von meiner Familie, aber er vernachlässigt sowohl Billy, als auch seine Freunde. Ich will nicht, dass er genau dies irgendwann bereut und mir die Schuld dafür gibt.“ jetzt hatte ich ausgesprochen, worum es mir eigentlich ging.
Natürlich wollte ich auch zur Schule, um wieder einen geregelten, normalen Tagesablauf zu haben, Ablenkung zu finden und mich nicht durch den Unfall oder was auch immer es gewesen war bestimmen zu lassen.
Er hatte mich schon soviel gekostet. Aber mein Hauptaugenmerk blieb Jake. So wie er versuchte mich zu schützen, wollte ich ihn schützen und ihm keine Möglichkeit in seinem Leben verbauen. Und das tat ich, wenn ich darauf beharrte, dass alles so weiterging, wie bisher.
„Dann habe ich mich wohl geirrt.“ sagte Jasper achselzuckend und lächelte wieder dieses schiefe Lächeln. „Ich kann ja nicht immer Recht haben.“
„Und was würdest du mir jetzt raten?“ fragte ich ihn und ließ mich mutlos in meinem Sitz zurück sinken.
„Gar nichts. Weil ich weiß, dass du meinen Rat ohnehin nicht berücksichtigen würdest.“ antwortete er und ich hatte es geahnt.
„Du meinst also auch, dass ich mit dem Schulbesuch noch warten soll?“ fragte ich enttäuscht.
„Ja.“ Jasper nickte. „Vielleicht nicht unbedingt ein ganzes Jahr. Du bist intelligent genug auch mitten im Halbjahr wieder einzusteigen. Ein paar Wochen würden vielleicht helfen, wieder ein wenig Sicherheit bei uns allen herzustellen.“
Ich begann mit dem Kopf zu schütteln.
„Ich will nicht warten. Ich will keine Aufmerksamkeit auf mich lenken, wenn ich mitten im Jahr anfange. Ich will Normalität und ich will sie jetzt.“
Es kam mir so stumpfsinnig vor, dass ein banales Thema wie ein Schulbesuch solche Kontroversen schaffen konnte. Zudem hatte ich mich längst entschieden und Jasper wusste es. Ich wollte nicht zu einem unmündigen Bündel werden, dass nicht auf seinen eigenen Beinen stand. Ich war es jetzt schon viel zu lange gewesen. Ich wollte zeigen, dass ich wieder soweit war, mich dem Leben zu stellen und dass man sich nur halb soviele Sorgen um mich machen musste, wie Jake es zum Beispiel tat. Der Gedanke ihn dadurch leiden zu lassen, war kein angenehmer, aber in meinen Augen notwendig, um auch ihm ein Stück seiner Freiheit wiederzugeben.
Jasper seufzte leise.
„Es war noch nie einfach, dich von etwas zu überzeugen, das du anders gesehen hast.“ sprach er aus und irgendwie klang das tatsächlich nach mir. Es tat gut mit Jasper zu reden. In seiner Gegenwart fühlte ich mich stets ruhig und klar. Als wäre ich mir meiner Selbst wieder bewusster und irgendwie auch mutiger.
Ich wusste nicht woran es lag, aber ich nahm es hin, weil es einfach gut tat.
Ich wollte mich durchsetzen, weil ich es leid war, dass mir einfach jede Entscheidung von anderen abgenommen wurde.
Am Anfang war es eine Erleichterung gewesen, nicht selbst zu entscheiden.
Die Fürsorge, der Menschen um mich herum hatte mir gut getan, war Halt und Sicherheit gewesen und hatte mir die Möglichkeit gegeben, mich festzuhalten.
Aber ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt wieder in der Lage war, selbst zu laufen und keine Hand mehr zu brauchte, die mich führte.
Natürlich schürte das die Angst, dass ich hinfallen konnte.
Nicht nur bei meiner Familie und Jake, auch bei mir selbst. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem man loslassen musste.
Zudem war ich mir sicher, dass ich, wenn ich wieder ein eigenes Leben begann, auch eine Bereicherung für die Beziehung mit Jake sein würde. Ich würde ihm nicht mehr so zur Last fallen und vielleicht, wenn er merkte, dass ich mich wieder ganz gut allein behaupten konnte, würde es auch ihm Erleichterung verschaffen.
Jasper sah aus dem Fenster und ich folgte seinem Blick hinaus, auf die bevölkerte Straße.
„Du denkst, ich handle egoistisch, nicht wahr?“ fragte ich ängstlich und wusste selbst, dass ich es war.
„Ein bisschen vielleicht.“ gab er zu und ich nickte seufzend. „Aber mach dir keine Gedanken darüber. Vielleicht ist es sogar gar nicht so verkehrt, wieder ein wenig Egoismus zu spüren. Das heißt, dass du zurück zu dir findest. Es mag nicht immer allen gefallen, was du tust aber im Endeffekt ist es deine Entscheidung und niemand von uns wird dir bei deinen Wünschen im Weg stehen, selbst wenn wir anderer Meinung sind. Du bist unser Küken und im Moment sind wir wohl alle bereit, dir alles zu ermöglichen, das du dir wünschst.“ sein Blick wanderte wieder zu mir zurück. „Aber möglicherweise kannst du so lieb sein und es nicht ausnutzen.“
Ich nickte, doch von einer Entscheidung würde er mich nicht mehr abbringen können. Letztendlich war ich sowieso davon abhängig, wie Carlisle und Esme entscheiden würden. Ich war immerhin noch nicht volljährig und ich würde ihre Zustimmung benötigen.
„Okay...dann...“ Ich blickte zum Kaufhaus hinüber, vor dem ich geparkt hatte. „Ich werde ein paar Sachen benötigen, wenn ich wieder zur Schule gehe.“ sagte ich und öffnete die Fahrertür.
„Kommst du mit?“ fragend sah ich zu Jasper hinüber.
„Würde ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen.“ grinste er und wir stiegen beide aus, überquerten die Straße und Jasper legte seinen Arm um meine Schultern.
„Du weißt, dass du ein unglaublicher Sturkopf bist, oder?“
„Ja.“ ich nickte. „Aber macht mich das nicht so unheimlich liebenswert?“
„Oh doch, die liebenswerteste kleine Schwester, die ich jemals hatte.“
„Sie wollen sie nicht wirklich gehen lassen, oder?“ fragte ich Carlisle aufgebracht, als sich die Diskussion um Lexis Schulbesuch nach unten ins Wohnzimmer verlagert hatte und alle Cullens, bis auf Jasper sich daran beteiligten.
„Ehrlich gesagt, Jacob, tendiere ich wirklich dazu, sie gehen zu lassen.“ antwortete Carlisle so ruhig, dass ich nur noch mehr verzweifelte.
„Warum?“ begehrte ich lautstark auf und begann unruhig auf und ab zu gehen.
„Weil sie recht hat. Wir können sie nicht hier im Haus einsperren.“ antwortete er gelassen und ich atmete tief durch.
„Wenn sie aus diesem Haus will, dann fahr ich mit ihr in Urlaub, oder ich geh jeden Tag mit ihr raus. Egal was sie machen will. Wandern, Kino, Museen. Egal was, Hauptsache ich kann sie dabei beschützen.“
„Ich verstehe deine Besorgnis, Jacob. Aber allein der Umstand, dass sie nie die Möglichkeit hatte, eine Schule zu besuchen bringt mich dazu, ihr diesen Wunsch jetzt zu ermöglichen.“
„Das ist Wahnsinn, Doc und das wissen Sie. Es ist viel zu gefährlich. Ich bin wirklich gewillt Lexi jeden beschissenen Wunsch zu erfüllen, der sie glücklich macht, aber lieber begleite ich sie auf den Gipfel des Kilimandscharos, als sie ohne Schutz zur Schule gehen zu lassen.“
„Jacob.“ sagte Carlisle in seiner betont ruhigen Art und ich war kurz davor durchzudrehen.
„Findest du nicht, dass du ein klein wenig übertreibst? Zur Schule zu gehen, ist nicht immer eine leichte Kost aber doch längst nicht so gefährlich, wie du denkst. Ich glaube, du hast immer noch keine Vorstellung davon, wie ihr Leben bisher ausgesehen hat. Sie war vollkommen isoliert, Jacob. Wie in einem Raum ohne Fenster und Sauerstoff. Wir könnten ihr ein Stück weit ermöglichen wieder Sonnenlicht zu sehen. Glaubst du nicht, dass es sie unheimlich glücklich machen würde, sich einmal in ihrem Leben normal und integriert zu fühlen? Willst du ihr das wirklich nehmen?“ führte der Doc weiterhin sanft aus und es war diese Ruhe, die mich nur noch weiter anstachelte.
Aber seinen Worten war kein Argument meinerseits gewachsen.
Natürlich wollte ich, dass Lexi glücklich war, mehr als alles andere. Ich war bereit mein Leben dafür zu geben. Aber ein Schulbesuch beinhaltete so viele Risiken und nicht eines davon könnte ich einschätzen.
Nicht eines davon würde ich verhindern können. Ich öffnete den Mund, doch fiel mir nichts ein, was ich sagen konnte.
Als hätten mich Carlisles Worte, wie eine Wand in meiner Fahrt gestoppt.
„Ich hasse es, das zu sagen, aber der Köter hat Recht.“ bekam ich unerwartete Schützenhilfe.
„Lexi ist noch nicht soweit. Und selbst, wenn sie es ist. Was soll ihr das bringen? Die Schule kann warten. Wenn sie ihr Gedächtnis wieder hat, sich unter Kontrolle halten kann, wird es immer noch eine Möglichkeit geben, sie an diesem Alltag teilhaben zu lassen. Aber im Moment wird sie wahrscheinlich gejagt und ich hasse es sogar noch mehr, Folgendes zu sagen, aber sie ist auch eine Gefahr für die anderen. Stell dir vor, Carlisle, was für ein Blutbad sie in dort anrichten könnte. Dafür will ich nicht die Verantwortung übernehmen müssen.“
Rosalie sah mich nicht an, während sie mir, wenn auch ungern in meiner Meinung beipflichtete. Und wenn es mir nicht so ungeheuer wichtig gewesen wäre, hätte ich gesagt, dass ich nicht auf ihre Hilfe angewiesen war.
Aber genau das war ich, denn sonst schien niemand meine Befürchtungen zu teilen.
Der Doc seufzte und nickte leicht.
„Du hast nicht unrecht, Rose. Ihr beide habt gute Argumente, aber ich denke, wenn wir uns ein wenig Mühe geben, dann stellt ein Schulbesuch keine großen Probleme dar. Jacob, du kannst sie hinbringen und wieder abholen und in der Zeit dazwischen wird uns schon etwas einfallen. Ich für meinen Teil, vertraue darauf, dass Alexis sich im Griff hat und nichts geschehen wird, was Probleme bereiten wird.“ ergriff nun auch Esme Stellung und ich konnte nicht anders, als laut zu seufzen. Vielleicht reagierte ich wirklich über, vielleicht hatte ich einfach nur solche Angst davor, weil es hieß, mich für mehrere Stunden am Tag von ihr trennen zu müssen, in denen ich nicht wusste, ob sie in Sicherheit war oder nicht. Ich würde unmöglich den ganzen Tag in der Schule verbringen können, ohne dass sie etwas davon mitbekam. Auch selbst wieder zur Schule zu gehen, war keine wirkliche Option. Ich war immer noch Teil des Rudels und neben dem Streben stets und ständig an Lexis Seite zu sein, hatte ich leider auch noch andere Pflichten zu erfüllen. Abgesehen davon, dass ich im Reservat wohnte und damit nicht in den Schulbezirks von Forks fiel.
Aber alles Überlegen brachte mich nicht wirklich von meiner Meinung ab, dass Lexi im Haus der Cullens immer noch am sichersten war. Mein Wunsch sie in Sicherheit zu wissen, kämpfte mit dem Verlangen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen.
„Warum bist du eigentlich so dagegen, Jake?“ fragte nun Alice. „Ich dachte immer, deine Prägung verlangt von dir, alles zu tun was Lexi glücklich macht und ein Schulbesuch gehört nun wirklich dazu. Sie könnte wahrlich Schlimmeres von dir verlangen.“
Rose schnaubte verächtlich.
„Hat je einer von uns verstanden, was diese Prägungsgeschichte bedeutet?“ sprach sie gehässig aus und ich versuchte mein Möglichstes sie einfach zu ignorieren. „Ich glaube, Jake weiß es selbst nicht wirklich. Wenn du mich fragst...“
Alice schien die aufkeimende Spannung zu spüren und schüttelte den Kopf in Rosalies Richtung.
„Ich frage dich nicht, Rose. Das ist jetzt auch nicht das Thema. Ich finde wir sollten abstimmen. Wir sind 7 oder? Also kann es nur zu einem eindeutigen Ergebnis kommen.“
„Du willst abstimmen?“ Esme runzelte die Stirn. „Ich finde nicht, dass wir das sollten. Lexi scheint ganz genau zu wissen, was sie will und im Endeffekt ist keiner von uns wirklich in der Position es ihr zu verbieten. Wer hat uns zum Gremium erhoben, dass ihre Entscheidungen für sie trifft? Ich für meinen Teil werde mich jetzt so verhalten, wie Lexi es verdient hat und meine eigenen Ängste, ihrem Wunsch unterordnen. Ich werde den Direktor anrufen und sie anmelden. Und ihr solltet darüber nachdenken, um wen es hier wirklich geht.“ sagte sie mit einem so scheltenden Ton, dass ich automatisch den Kopf senkte. Ich war es keineswegs von ihr gewohnt, dass sie sich dermaßen durchsetzte.
„Esme hat Recht.“ seufzte Carlisle und nickte. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es immer noch ihre Entscheidung ist und auch wenn wir uns als ihre Eltern ausgeben, sind wir es nicht. Wir werden schon einen Weg finden, der sicherstellt, dass nichts geschieht.“ er wandte sich ab, folgte Esme hinaus aus dem Zimmer und ließ uns andere zerknirscht zurück. Alice trug ein triumphierendes Lächeln zur Schau.
„Ich könnte einen Plan erstellen, wer sie wann zur Schule bringt und wer sie wann abholt. Und wenn sie in der Schule ist, kann ich mit meinen Visionen überwachen, dass nichts geschieht. Zieht nicht solche Gesichter, das wird schon.“
Geschlagen ließ ich mich auf einen Stuhl sinken und fuhr mir durchs Haar. Die Entscheidung war also gefallen und ich musste mich nun wohl oder übel damit arrangieren. Einerseits freute ich mich für Lexi, dass ihr Wunsch sich erfüllte und allein der Gedanke an ihr lachendes Gesicht, bei dieser Nachricht, erhellte mein Gemüt, aber es konnte nicht die Angst vertreiben, die ich verspürte.
„Wird schon.“ sagte Alice freudig und tätschelte meinen Rücken, wovon ich augenblicklich eine Gänsehaut bekam. Ich nickte stumm und seufzte.
Sie setzte sich zu mir und schenkte mir einen aufmunternden Blick. „Davon geht die Welt nicht unter, Jake.“
Ich schnaubte leise und verächtlich auf.
„Deine vielleicht nicht.“ sagte ich sauer, doch diese kleine Vampirin ließ sich in ihrer guten Stimmung einfach nicht bremsen.
„Deine auch nicht. Du wirst sehen, du wirst eine viel ausgeglichenere Freundin dafür bekommen. Es wird ihr gut tun und dadurch auch dir. Und jetzt lass dich nicht so hängen, du hast ne Entschuldigung vorzubereiten.“ triezte sie mich lächelnd und ich war einfach nur genervt von ihr.
„Wenn du meinst.“ antwortete ich knapp und stand wieder auf.
„Wo willst du hin?“ fragte Emmett und ich zuckte nur mit den Schultern.
„Weiß ich ehrlich gesagt nicht.“ gab ich zur Antwort.
„Ich wollte dich noch um einen Gefallen bitten. Bella meinte, du seist ein ganz guter Mechaniker. Mein Jeep macht seit ein paar Tagen so ein komisches Geräusch. Vielleicht kannst du es dir mal ansehen?“ fragte Emmett und ich war verdutzt und überrascht, dass er mich um Hilfe bat.
„Meinetwegen, klar.“ entgegnete ich und Emmett grinste breit.
„Okay, dann komm.“
Rosalie verdrehte die Augen, als Emmett mit mir hinaus und zur Garage ging.
Ohne groß darüber nachzudenken öffnete ich die Motorhaube, während er sich hinter das Steuer schwang. Mein Blick huschte über den Motor und ich drehte an der ein oder anderen Schraube, bevor ich den Ölstab herauszog und genauer betrachtete.
„Was für ein Geräusch macht er denn genau?“ fragte ich desinteressiert.
„Ich kann´s dir zeigen.“ antwortete er und ich steckte den Kontrollstab zurück, bevor er den Motor startete. Ich lauschte einen Moment und musste nicht mehr lange überlegen.
„Hört sich nach den Zündkerzen an. Vielleicht solltest du sie einfach austauschen.“
Emmett stellte den Motor wieder ab und ich sah noch einmal genauer in den Motorraum.
Emmett gesellte sich zu mir und blickte ebenfalls in den perfekt getunten Motor.
„Darf ich dich etwas fragen?“
„Hast du jetzt schon.“ sagte ich abwesend und begann eine der Zündkerzen herauszudrehen, um sie genauer in Augenschein zu nehmen.
„Ach komm schon, Jake. Wollen wir ewig und drei Tage diese Abneigung gegeneinander ausleben?“ fragte er grinsend und ich war kurz davor „ja“ zu sagen, hielt mich dann aber zurück.
„Was möchtest du wissen?“ sagte ich stattdessen und nahm ein Tuch von einem der Regale in der Garage, um die Kerze etwas zu säubern.
„Du liebst Lexi wirklich, oder?“ fragte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen seinen Wagen.
„Nein.“ sagte ich ironisch. „Ich mach das alles nur, weil euch so wenig leiden kann. Natürlich liebe ich sie. Mehr als das sogar. Ich weiß, dass ihr das nicht versteht und das erwarte ich auch nicht. Das kann niemand verstehen, der sich nicht selbst geprägt hat.“
„Was bedeutet das eigentlich? Geprägt sein....das klingt irgendwie so gezwungen.“ führte er aus und auch wenn mir nicht der Sinn danach stand, ihn aufzuklären, tat ich es dennoch.
„Ist es irgendwie auch. Aber es hat einen guten Grund. Lexi ist meine Seelenverwandte und das Prägen hat mir nur gezeigt, was ich eigentlich schon wusste. Dass wir zusammen gehören, und wenn die Welt untergeht.“
„Welchen Sinn hat es denn genau? Warum nicht einfach nur verlieben? Reicht das nicht?“ fragte er interessiert weiter und ich stellte mich wieder neben ihn, um die Zündkerze zurückzudrehen, bevor ich die nächste herausschraubte.
„Es gibt verschiedene Meinungen in unserem Stamm darüber, warum es passiert und welchen Sinn es hat. Einige gehen davon aus, dass die Prägung uns hilft, den Partner zu finden, der genetisch am besten zu uns passt, um unseren Stamm stark und groß zu halten. Wenn du mich fragst, kann es das nicht sein. Ich glaube eher, dass wir uns prägen, damit wir an einander gebunden sind und einen Grund für unseren Kampf gegen die Blut...“ ich seufzte. „ gegen euresgleichen haben. Damit wir unter allen Umständen jemanden haben, den wir beschützen wollen und der uns Kraft gibt.“ sagte ich und putzte die nächste Zündkerze. „Was auch immer der Grund sein mag. Ich weiß nur wie es sich anfühlt und ich würde es für nichts in der Welt wieder rückgängig machen wollen.“
Emmett nickte nachdenklich und ich schloß die Motorhaube wieder.
„Starte den Wagen nochmal, vielleicht hat es schon gereicht.“
Er nickte, schwang sich erneut auf den Fahrersitz und als er den Motor nun wieder startete, war kein Geräusch mehr zu hören.
„Wow, danke. Sehr freundlich von dir.“ rief er aus und ich begann meine Hände an dem Tuch abzuwischen.
„Jaja, schon okay.“ sagte ich knapp. „Kein Problem. Obwohl ich glaube, dass du bereits gewusst hast, woran es gelegen hat:“
„Erwischt.“ gab er zu und ich fühlte mich bestätigt. „Ich habe mir nur gedacht, dass es nicht schaden kann, wenn wir uns ein wenig näher kommen.“ grinste er und ich schüttelte den Kopf.
„Das sieht deine kleine Freundin anders.“
„Rose? Die wird sich auch noch einkriegen. Schließlich gehörst du jetzt auch irgendwie zur Familie. Und die kann man sich bekanntlich nicht immer aussuchen. Ich will nur versuchen, das Beste daraus zu machen.“
„Na dann herzlichen Dank, ich....“ das Geräusch von einem herannahenden Wagen unterbrach meine Gedanken und ich hob den Kopf, um zur Auffahrt zu sehen, auf der Lexis Monte Carlo herangefahren kam.
Ich seufzte innerlich und blickte auf meine Hände, die immer noch dreckig und ölverschmiert waren. Als sie den Wagen parkte und ausstieg, sah sie kurz zu mir herüber und ich versuchte ihren Blick zu deuten. Sie schien bei weitem nicht mehr so sauer zu sein, wie sie es noch am Morgen gewesen war, aber sie stürmte auch nicht auf mich zu, um mich zu küssen. Ich rieb die Lippen aneinander und legte das schmutzige Tuch wieder zurück in sein Regal, während Lexi einige Tüten aus dem Kofferraum nahm und sie ins Haus trug. Ich traute mich noch nicht hinter ihr her zu gehen. Ich wusste einfach nicht was ich sagen sollte. Jasper, der ebenfalls ausgestiegen war, kam zu mir und Emmett herüber.
„Und? Ist eine Entscheidung gefallen?“ fragte er knapp und ich nickte.
„Ja, sie wird ab Montag zur Schule gehen.“ führte ich aus und klang dabei so unglücklich, wie ich es war.
„Hab ich mir schon gedacht. Selbst wenn ihr euch dagegen entschlossen hättet. Sie ist so überzeugt davon, damit das Richtige zu tun, dass sie keine Zehn Pferde vom Gegenteil überzeugen würden.“
„Ja, stur sein kann sie gut.“ lachte Emmett und ich musste ebenfalls schmunzeln.
„Ist sie immer noch sauer?“ fragte ich und kratzte mich verlegen am Nacken.
„Nicht wirklich. Ich glaube ich habe deinen Standpunkt ganz gut vertreten und eine Lanze für dich gebrochen.“ sagte Jasper und es missfiel mir.
„Das hättest du nicht tun müssen, ich schaff das auch allein. Ich brauche deine Hilfe nicht.“ sagte ich verstimmt und Jasper grinste nur.
„Okay, dann geh doch einfach rein und rede mit ihr. Kann ja nicht so schwer sein, wenn du keine Hilfe brauchst.“
Ich würde niemals Freundschaft mit diesen Blutsaugern schließen, soviel war sicher.
„Werd ich jetzt auch.“ entgegnete ich scharf und ließ die beiden einfach stehen.
Unbehagen machte sich in mir breit, mit jedem Schritt den ich hinauf zu Lexis Zimmer ging mehr.
Ich brauchte mehrere Sekunden, bis ich mich soweit gesammelt hatte, dass ich es wagte an ihre Tür zu klopfen und ich hielt den Atem an, bis ich ihre Stimme hören konnte, die mich herein bat.
„Hey.“ sagte ich scheu, als ich eintrat und blickte zerknirscht zu Lexi, die hinter ihrem Schreibtisch saß und ihre mitgebrachten Tüten auspackte.
Sie sah auf und probierte sich an einem schmalem Lächeln, dass irgendwie nicht richtig aussah.
„Hey“ sagte sie ruhig, bevor sich ihr Blick wieder auf den Inhalt ihrer Taschen legte.
„Hat Carlisle schon mit dir geredet?“ fragte ich, um Sanftheit in der Stimme bemüht, während ich einige zögernde Schritte in den Raum hinein machte.
„Ja.“ sie nickte und seufzte dann, bevor sie wieder zu mir sah. „Er hat es geschafft, dass ich schon am Montag zur Schule gehen kann.“
Ihre Worte klangen nicht halb so erfreut, wie ich es eigentlich erwartet und auch erhofft hatte. Ihr glückliches Gesicht hätte es mir einfacher gemacht, mich mit ihrer Entscheidung abzufinden.
„Du scheinst dich nicht wirklich darüber zu freuen.“ sagte ich zerknirscht und blieb mitten im Zimmer stehen. Unbeholfen vergrub ich meine Hände in den Taschen meiner Hose und legte den Kopf schief.
„Tue ich nicht.“ sagte sie knapp und ließ ihre Hände in den Schoß fallen.
„Ich dachte, es ist das was du wolltest.“
„Ist es auch.“ gab sie an und ich runzelte meine Stirn.
„Und warum dann keine Freude?“ fragte ich irritiert und brachte Lexi damit ein weiteres Mal dazu zu seufzen.
„Weil sich der wichtigste Mensch in meinem Leben nicht mit mir freut und es fällt mir schwer, Freude für etwas zu empfinden, dass dich anscheinend mehr als unglücklich macht.“
Ich nickte betreten und rieb die Lippen aneinander.
„Tut mir leid. Ich würde mich gerne für dich freuen...“
„...aber du kannst es nicht. Ich weiß. Ich mache dir keinen Vorwurf daraus. Es betrübt mich nur ein wenig. Ich hätte meine Aufregung nur gerne mit dir geteilt und jetzt traue ich mich nicht einmal, mich über Carlisles Entscheidung zu freuen, weil ich weiß, dass sie dich verletzt.“
„Dann geh nicht.“ sagte ich halbherzig.
„So geht das nicht, Jake.“ Sie erhob sich von ihrem Platz, umrundete den Schreibtisch und lehnte sich mit dem Gesäß gegen die Tischplatte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich eingängig.
„Ich will doch nur zur Schule gehen. Weder möchte ich mich für die Armee einschreiben, noch irgendeine Risikosportart ausüben. Ich habe auch nicht vor mitten in der Nacht allein durch eine Großstadt zu laufen. Ich will nur ein bisschen Mathe, ein wenig Englisch und einen Funken Geschichte. Dazu ein paar neue Freunde und die Vorfreude in meinem Bauch, wenn du mich nach dem Unterricht abholst. Ist das so schwer zu verstehen?“ Sie sprach ruhig und es klang nicht im Mindesten vorwurfsvoll und mit einem Mal kam ich mir schäbig vor.
„Ich weiß. Es fällt mir schwer, dich gehen zu lassen...“
„...weil du Angst hat, ich würde nicht wieder zu dir zurückkommen. Aber glaub mir, es gibt keinen Ort auf dieser Welt, von dem ich nicht wieder zu dir zurück kehren würde.“
Wieder begann ich zu nicken und Lexi stieß sich von der Tischplatte ab, um auf mich zuzugehen. Sanft zog sie meine Hände aus den Hosentaschen und umschloss sie mit ihren schlanken Fingern, streichelte mit den Daumen über meine Handrücken.
„Ich will nicht, dass wir uns streiten, Jake. Und schon gar nicht wegen solcher Banalitäten und aus falscher Sorge heraus, hörst du? Du bist mir wichtig, aber ich selbst bin es mir auch. Und ich brauche frische Luft und andere Wände, als die dieses Hauses.“
Ich wollte etwas erwidern, aber Lexi drückte ihren Zeigefinger auf meine Lippen.
„Ich verspreche dir, dass mir nichts passieren wird und meine gesamte Zeit außerhalb der Schule nur dir gehören wird. Und jetzt will ich nicht weiter darüber reden. Ich habe mich entschieden und du wirst lernen müssen, dass ich wieder auf meinen eigenen Füßen stehen kann. Aber sei dir sicher, dass du mich immer auffangen darfst, sollte ich straucheln. Und jetzt gib mir endlich einen Kuss.“ sie lächelte warm und ich konnte nicht anders, als es ihr gleichzutun.
Ich senkte meinen Kopf und drückte meine Lippen sacht auf ihre und wieder einmal hatte sie es geschafft, all meine Zweifel auszuräumen.
Jake und ich hatten den Sonntag allein miteinander verbracht. Meine Familie war zu einem Wanderausflug aufgebrochen und so hatten wir das Haus den ganzen Tag für uns allein gehabt. Die Sonne schien warm und wir hatten im Garten ein kleines Picknick veranstaltet, im Sonnenschein vor uns hingedöst und immer wieder den Körperkontakt zueinander gesucht.
Es war ein perfekter Tag gewesen, gekrönt von der Vorfreude auf meinen ersten Schultag am nächsten Morgen. Jake schien immer noch nicht wirklich zu akzeptieren, dass ich mich durchgesetzt hatte, aber er gab sich große Mühe, es mich nicht merken zu lassen.
Und ich rechnete es ihm hoch an.
Am Abend hatte ich ihn dazu überredet früh zu Bett zu gehen, denn ich wollte keineswegs verschlafen und wir hatten uns dennoch noch Stunden geküsst und gehalten. Es fiel mir danach schwer einzuschlafen. Einerseits weil mich die Aufregung fest in ihren Krallen hatte, auf der anderen Seite, weil ich immer wenn ich Jakes schlafendes Gesicht beobachtete anfing an meiner Entscheidung zu zweifeln.
Was wären ein paar Tage mehr oder weniger schon gewesen? Aber es würde auch ihm gut tun, davon war ich nach wie vor überzeugt und als der Morgen graute, war die Vorfreude so groß geworden, dass ich keinen Gedanken mehr an seinen Unmut verschwendete.
Viel zu früh krauchte ich aus dem Bett, duschte viel zu lange und zog mich gefühlte hundert Mal um, bevor ich zufrieden war.
Dann stopfte ich die Collegeblöcke, Stifte und Bücher, die ich am Samstag mit Jasper gekauft hatte in meinen neuen Rucksack und machte ein karges Frühstück für Jake, der mir zerknirscht entgegen sah, als ich ihn weckte. Draußen plätscherte sanfter Regen an die Fensterscheiben und das Wetter schien damit eindeutig Jakes Stimmung zu treffen.
Wortlos schlang er den Toast, den ich ihm gemacht hinunter, während ich selbst nur ein Glas Orangensaft trank. Ich war viel zu nervös, um etwas zu essen. Immer noch stumm, ging dann auch Jake duschen und ich saß ungeduldig in meinem Zimmer herum, nur darauf wartend, dass es Zeit wurde aufzubrechen.
Der Regen begann sich zurückzuziehen und als Jake mit feuchten Haaren aus dem Bad kam, drängte ich ihn zur Eile, obwohl wir noch mehr als Zeit genug hatten. Plötzlich tauchte Alice im Türrahmen auf und machte ein Foto.
„Ich bin so stolz auf dich.“ flötete sie und musste grinsen.
„Und ich erst.“ scherzte ich und ignorierte dabei gekonnt Jakes gequälten Gesichtsausdruck.
Alice ging an mir vorbei zum Kleiderschrank, holte eine schwarze Lederjacke hervor und reichte sie mir.
„Es ist kühl draußen und ihr fahrt doch bestimmt mit dem Motorrad, oder? Macht bestimmt einen viel cooleren Auftritt als mit dem Auto zu fahren. Also solltest du dir etwas überziehen.“ sagte sie immer noch lächelnd und konnte dann wohl nicht anders, als mich quietschend zu herzen.
„Ich freu mich so für dich, Süße. Ich wünsche dir ganz doll viel Spaß.“
Dann klopfte es leise und Carlisle und Esme traten ins Zimmer.
„Wir wollten dir nur einen schönen Tag wünschen.“ sagte Carlisle. „Fährst du, Jake oder soll ich Lexi auf dem Weg zur Arbeit mitnehmen?“
„Ich fahr sie selbst.“ antwortete Jake und ich griff nach seiner Hand, um sie fest zu drücken. Ich wollte ihm zeigen, dass es auch für ihn noch ein durchaus schöner Tag werden konnte.
Und dann verließen wir das Haus. Der Regen hatte sich mittlerweile vollkommen zurückgezogen, obwohl der Himmel immer noch wolkenverhangen war. Ich setzte mir meinem Helm auf und hielt mich eng an Jake geschmiegt an ihm fest, während er das Motorrad startete und wir in Richtung Forks davon flogen.
Keine 20 Minuten später erreichten wir den Parkplatz der Highschool, auf dem schon jede Menge los war. Mit staunenden Augen nahm ich alles in mir auf, was ich sah. Die vielen Jugendlichen, die unterschiedlichen Gruppen und Kleidungsstile, die verschiedenen Autos, Fahrräder und Mopeds.
Jake fuhr mich bis zum Eingang der Schule, stellte den Motor ab und ich hüpfte vom Sozius hinunter, nahm meinen Helm ab und blickte aufmunternd zu Jake.
„Wirst du es überleben?“ fragte ich halb im Scherz, halb im Ernst, als ich sein Gesicht sah und fing an daran zu zweifeln, ob ich es selbst überleben würde.
Das wundervolle Kastanienbraun seiner Augen schaffte es, dass sich eine leichte Übelkeit zu meiner freudigen Aufregung gesellte.
Jake war in den letzten Wochen eine so wunderbare Konstante in meinem „neuen“ Leben gewesen und ich hatte mich daran gewöhnt, ihn zu jeder Zeit bei mir zu haben. Und wenn er dann doch einmal das Haus verlassen hatte, war immer eines meiner Geschwister da gewesen, mit dem ich mich hatte beschäftigen können. Aber jetzt standen mir Stunden bevor, die ich mit mir wildfremden Menschen verbringen musste.
„Ich habe wohl keine andere Wahl, oder?“ holte mich Jakes Antwort wieder in die Gegenwart zurück und sein Blick verriet mir, dass meine kurze Abwesenheit ihm nicht entgangen war.
„Du bist dir sicher, dass du das wirklich willst?“ fragte er so weich, dass es mir nicht wie ein erneuter Versuch vorkam, mich von meinem Vorhaben abzubringen.
Ich brauchte einen Moment, dann begann ich selbstsicher zu nicken.
„Ja, ich schaff das schon. Allerdings würde ich mich fast wohler fühlen, wenn du mit mir hier bleiben würdest.“ gab ich kleinlaut zu und wusste gleichzeitig, dass es nicht ging.
Jake legte einen Arm um meine Mitte und zog mich näher an sich heran, während er immer noch auf dem Motorrad saß.
„Du weißt, dass das nicht geht. Zudem dachte ich, dass es dir genau darum geht? Ein wenig Zeit zu haben, in der du mich vermissen kannst.“ gab er an und ich grummelte leise. Ja, er hatte Recht, genau das hatte ich ja gewollt. Aber nun, da der Abschied unmittelbar bevorstand und ich meinen Tag wirklich ohne Hilfe und allein meistern musste, bekam ich ein wenig kalte Füße.
„Ich werde dich wahnsinnig vermissen.“ gab ich unumwunden zu und zauberte damit ein seichtes Lächeln auf Jakes Lippen.
„Und ich dich erst.“ antwortete er und ich beugte mich zu ihm hinab, um ihn zu küssen.
Als ich mich langsam wieder von ihm lösen wollte, fuhr seine Hand mit den Fingern durch mein Haar und legte sich an meinen Hinterkopf und samtweich zog er mich wieder zurück an seine Lippen. Ich schmolz bei dieser Berührung förmlich dahin und konnte augenblicklich verstehen, warum es für Jake so schlimm war sich von mir trennen.
Schließlich schaffte ich es, wenn auch ungern, den Kuss langsam enden zu lassen.
„Stell nichts an, ja? Sprich nicht mit fremden Männern, verlass nicht das Schulgelände und achte darauf, dass du nirgendwo allein bist, hörst du?“ wies mich Jake an und ich schenkte ihm ein nachsichtiges Lächeln, ob seiner übertriebenen Sorge.
„Aye, aye Sir.“ antwortete ich grinsend und salutierte.
„Na, hau schon ab.“ entgegnete Jake kopfschüttelnd und ich beugte mich noch einmal zu ihm, küsste ihn und gab dann meinen Helm an ihn weiter. Es überraschte mich nicht, dass er ihn nicht aufsetzte, sondern lediglich am Lenker befestigte.
Ein letzter Blick und Jake startete den Motor erneut und mit einem aufheulenden Geräusch verließ er den Parkplatz.
Ich blickte hinter ihm her, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte, dann schulterte ich meinen Rucksack und nahm die Stufen zum Eingang des Gebäudes. Auf den Gängen herrschte ein einziges Gewusel und ich musste ein paar Mal nachfragen, bis ich den Weg zum Sekretariat gefunden hatte. Dort erhielt ich meinen Stundenplan, einen Spindschlüssel und eine vage Beschreibung, die mich zu meinem Klassenzimmer bringen sollte. Mit unsicheren Schritten machte ich mich in die genannte Richtung auf und als ich vor der richtigen Tür angekommen war, blieben noch einige Minuten bis zum Beginn des Unterrichts.
„Hey, bist du Alexis Cullen?“
Ich drehte mich um und sah in die blauen Augen eines Mädchens in meinem Alter. Ihr hellblondes Haar war kurz und trendig gestylt und auch sonst machte sie einen recht modischen Eindruck.
Ich nickte. „Ja, bin ich.“
„Ich bin Tori.“ stellte sie sich knapp bei mir vor. „Der Direktor hat mich angewiesen, mich ein wenig um dich zu kümmern. Du siehst gar nicht so aus, als hättest du einen Dachschaden.“ sie beäugte mich von allen Seiten und ich verstand nur Bahnhof.
„Als hätte ich was?“ fragte ich überrascht zurück.
„Na, der Direx meinte, irgendwas mit deinem Kopf wäre nicht in Ordnung, deswegen würdest du ein wenig Hilfe benötigen.“
„Achso, das, ja. Dachschaden ist ´ne nette Umschreibung. Ich leide seit einem Unfall unter Amnesie.“ erklärte ich Tori und freute mich insgeheim darüber, meinen ersten Kontakt geknüpft zu haben.
„Amnesie? Ist das nicht irgendwas mit dem Gedächtnis?“ fragte sie nach und nahm mich einfach mit ins Klassenzimmer, wo sie mir den Platz neben sich anbot.
„Ja. Ich hab alles vergessen, was vor dem Unfall war...oder sagen wir mal, das Meiste.“
„Hart, hm?“ fragte Tori und ihre Unbefangenheit gefiel mir. Kein falsches Mitleid und auch keine übertriebene Sorge.
„Ziemlich.“ antwortete ich in demselben lapidaren Ton und zuckte mit den Schultern.
„Du gehörst zu Doktor Cullen, oder?“ forschte sie weiter nach, während sie einige Hefte und Bücher aus ihrer Tasche auf den Tisch legte.
Erneut nickte ich.
„Ich wusste gar nicht, dass er noch eine Tochter hat. Oder bist du gerade erst zu ihnen gekommen? Ich nehme mal an, du bist ebenfalls ein Pflegekind?“
„Ja, richtig kombiniert. Ich bin früher auf ein Internat gegangen, deswegen hast du wahrscheinlich nicht so viel von mir gehört. Ich war in den Ferien hier. Aber nach dem Unfall wollte ich nicht wieder so weit weg.“
Allmählich trudelten auch die anderen Schüler in den Raum und direkt hinter mir und Tori nahmen zwei Jungs Platz.
„Hey Tori, wer ist denn die Schönheit neben dir?“ einer von beiden stupste Tori an und legte seinen Blick musternd auf mich.
„Die Schönheit kann dich hören, Nick.“ scholt sie ihn. „Das ist die Neue. Alexis Cullen.“ erklärte sie ihm und ich bemerkte, wie ich von dieser Begutachtung rote Wangen bekam.
„Alexis, das sind Nick...“ sie deutete auf den schlaksigen Jungen hinter sich, dessen dunkelbraunes Haar ihm vorwitzig in die Stirn fiel. „...Und das neben ihm ist Andy.“ sie deutete nun auf den etwas stämmig geratenen blonden Jungen neben Nick. „Hör am besten auf nichts, was sie so von sich geben. Du würdest es nur bereuen.“ erklärte sie mir lachend und Nick zog einen Schmollmund.
„Hey, das ist nicht nett von dir Tori.“ echauffierte er sich aber Tori grinste nur breit.
„Aber es ist die Wahrheit.“
Ich musste automatisch lachen und drehte mich leicht nach hinten, um Nick besser ansehen zu können.
„Oh, welch himmlischer Klang.“ er griff sich ans Herz und sah mich schmachtend an.
„Sei vorsichtig.“ warnte ich ihn. „Ich würde dir nur das Herz brechen.“
Er zwinkerte mir zu und ich genoß diese kleine Tändelei, weil sie mich dazu brachte, mich unbeschwert zu fühlen.
„Und?“ fragte er dann „Fliegt mein rothaariger Engel noch allein durchs Leben?“
„Nein, ich....“ doch ich wurde unterbrochen, als der Lehrer das Zimmer betrat und die Tür hinter sich schloß. Augenblicklich wandte ich mich und meine Aufmerksamkeit wieder nach vorne.
Der Vormittag verging wie im Flug und erleichtert stellte ich fest, dass es mir keine Schwierigkeiten bereitete, dem Unterricht zu folgen. Besonders Englische Literatur und Geschichte schienen schon früher meine Lieblingsfächer gewesen zu sein. Das einzige was mich hin und wieder nachdenklich stimmte, war die Tatsache, dass ich immer noch in der Lage war mich an Napoleons Lebensgeschichte zu erinnern, meine eigene jedoch vollkommen im Dunkel verschwunden war.
Aber das war nun mal eine lebensbegleitende Tatsache und ich hatte keine andere Wahl, als es zu akzeptieren.
Zu meinem Glück besuchte Tori exakt die selben Stunden wie ich und ich war froh, dass ich jemanden hatte an den ich mich halten konnte. Sie zeigte mir die Wege zwischen den Räumen, erklärte mir, was ich bei welchem Lehrer zu beachten hatte und stellte mich hin und wieder anderen Schülern und Schülerinnen vor. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mein Nachname stets eine gewisse Überraschung auslöste. Meine Geschwister schienen an dieser Schule einen gewissen Ruf hinterlassen zu haben, von dem ich noch nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob er gut oder schlecht war. Als es zur Mittagspause ging, nahm Tori mich mit in die Kantine und wir reihten uns in die Schlange vor der Essensausgabe ein. Augenblicklich gesellten sich auch Nick und Andy wieder zu uns.
„Du kannst dich zu uns setzen, wenn du magst.“ bot Tori an und ich nahm ihre Einladung dankbar an.
Wir suchten uns einen freien Tisch, nachdem wir unsere Tabletts gefüllt hatten und kaum, dass wir uns gesetzt hatten, traten zwei mir noch unbekannte Mädchen ebenfalls an den Tisch.
„Alexis? Darf ich dir Amy und Jenna vorstellen? Amy ist meine Schwester und ist eine Stufe unter uns, Jenna gehört zu ihr.“
Sofort fiel mir die Ähnlichkeit von Tori und Amy auf, die ebenfalls so sympathisch wirkte wie Jenna, deren rundliches Gesicht sie ziemlich jung aussehen ließ.
„Du bist also die Neue. Der Flurfunk ist schon voll in Fahrt über dich.“ sagte Amy und setzte sich neben ihre Schwester.
„Und? Was wird so gefunkt?“ fragte ich interessiert und öffnete meine Cola-Dose.
„Dass du ziemlich hübsch bist, aber nicht alle Tassen im Schrank hast.“
Erneut eine wunderbare Beschreibung meines Zustandes, wie ich fand.
„Was ersteres angeht, kann ich das nur bestätigen, für zweiteres brauche ich mehr Eindrücke.“ lachte sie und Tori sah sie tadelnd an.
„Ich kann dir versichern, dass mit Alexis alles in Ordnung ist, sie hat genau soviele Tassen im Schrank, wie du und ich.“
„Also eindeutig zu wenige.“ lachte Nick und kassierte dafür einen rügenden Klaps von Tori.
„Ich hab dich ja gewarnt, von dem kannst du nichts erwarten.“
Ich lachte nun ebenfalls und biss in meinen Taco. Für Kantinenessen schmeckte er gar nicht schlecht.
„Ich hab dich schon heute morgen auf dem Parkplatz gesehen.“ warf Jenna ein und ich lächelte in ihre Richtung. „Sag mal, war das auf dem Motorrad Jacob Black?“ fragte sie interessiert weiter und ich nickte bestätigend.
„Ja, kennst du ihn?“ fragte ich zurück.
„Nicht persönlich. Ist er dein Freund?“ spielte sie den Ball zu mir zurück und ich nickte erneut.
„Ja, ich tendiere nicht dazu mit mir fremden Männern auf dem Motorrad durch die Gegend zu fahren und sie zum Abschied zu küssen.“ lachte ich.
„Und schon hat sie mein Herz gebrochen.“ unterbrach Nick theatralisch unsere Unterhaltung und ich sah gespielt entschuldigend in seine Richtung.
„Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“
„Jacob Black ist dein fester Freund?“ rief Tori überrascht aus und in ihrem Blick lag so etwas wie Anerkennung. „Er ist wirklich heiß.“
Ungewollt erfüllte mich diese Aussage mit Stolz auf meinen Freund. Ja, Jake war heiß und er gehörte zu mir.
„Ja, das kann man so sagen.“ antwortete ich grinsend.
„Ist ja auch klar, ein heißes Mädchen, braucht ´nen heißen Typen.“ grinste Jenna und ich zwinkerte ihr zu.
„Danke für das Kompliment.“
„Also wenn du mich fragst, Lexi, ich darf dich doch so nennen.“ warf Nick ein und wartete nicht auf eine Erlaubnis meinerseits. „Also nichts gegen dich Lexi, aber gehört der nicht zu den hirnlosen Muskelprotzen um Sam Uley?“
Sofort starrte ich Nick mokiert an.
„An deiner Stelle wäre ich vorsichtig, was ich sage, sonst breche ich dir noch mehr als nur dein Herz.“
„Schon gut.“ er hob entschuldigend die Arme. „Aber du musst schon zugeben, dass die ziemlich seltsam sind, oder?“
„Da muss ich Nick leider recht geben. Die Jungs aus dem Reservat sind schon wirklich cool und so, aber sie verhalten sich manchmal wirklich seltsam.“ sagte Amy und ich blickte verwirrt zu ihr.
„Wieso seltsam?“ hakte ich nach.
„Du willst mir nicht wirklich sagen, dass dir das noch nie aufgefallen ist, oder?“ mischte sich Nick wieder ein. „Alle von denen habe die Schule abgebrochen und keiner von ihnen geht einer geregelten Arbeit nach. Sie haben alle das gleiche Tattoo und tragen denselben Haarschnitt. Dafür halten sie nicht viel von Oberbekleidung oder Schuhen. Die rennen sogar im stärksten Regen halbnackt durch die Gegend und die treten irgendwie immer im Rudel auf. Zudem trifft man selten einen von ihnen außerhalb vom Reservat an. Die Mädels stehen irgendwie drauf, aber in meinen Augen sind das alles angeberische Loser.“
Meine Laune sank mit jedem seiner Worte immer weiter in den Keller.
„Das sind wirklich nette Jungs.“ begann ich sie zu verteidigen. „Und was Jake angeht, er ist weder dumm, noch angeberisch. Er ist der beste, warmherzigste und einfühlsamste Mensch, den ich kenne. Und wenn du in einer solchen Art und Weise von ihm sprichst, dann bist du keine gute Gesellschaft für mich.“ sagte ich knapp in Nicks Richtung und stand dann auf.
„Wenn ihr mich entschuldigen wollt. Ich brauch ein bisschen frische Luft. Tori? Wir sehen uns gleich in Mathe.“ sagte ich und trug mein Tablett zurück zur Ausgabe.
Hinter mir konnte ich hören, wie Tori Nick einen Schlag verpasste.
„Das hättest du auch einfühlsamer sagen können.“ hörte ich sie zischen, bevor ich meine Jacke aus dem Rucksack nahm, sie überstreifte und hinaus auf den Hof und in den wieder stärker werdenden Regen ging.
Was wussten die schon? Jake war kein Verlierer und erst recht kein hirnloser Muskelprotz. Oberflächliches Arschloch, beschimpfte ich Nick in Gedanken und fuhr mit den Händen in die Taschen meiner Jacke. Ich stutzte kurz, als meine Finger gegen einen kleinen Gegenstand stießen und neugierig holte ich ihn hervor.
Ein kleines klappbares Handy.
Mit zitternden Fingern klappte ich es auf und drückte auf den kleinen grünen Knopf, der das Gerät hoffentlich einschalten würde. Endlich etwas, dass vielleicht beweisen konnte, dass ich wirklich ein Leben vor dem Unfall geführt hatte. Nummern von Freunden, vielleicht sogar Nachrichten von ihnen und etwas, das eindeutig mir gehörte. Mit Erleichterung sah ich, wie das Display aufleuchtete, nur um dann enttäuscht die Aufforderung zu sehen, einen Pin einzugeben.
Mutlos ließ ich meine Hand sinken, die das Telefon hielt. Wahrscheinlich war ich die Einzige gewesen, die den Code kannte und nun würde ihn mir niemand mehr nennen können. Die kurz aufgeflammte Freude über diese Entdeckung, verschwand wieder. Doch dann beschloss ich, es wenigstens zu versuchen. Nervös tippte ich die Zahlen meines Geburtstages ein und mein Herz hüpfte vor Freude, als keine Fehlermeldung kam, sondern der Begrüßungbildschirm. Der Regen hatte mittlerweile einen leichten Film auf meinen Haaren und meinem Gesicht hinterlassen, aber ich spürte ihn nicht.
Ich wählte das Telefonbuch aus und stellte enttäuscht fest, dass außer den Nummern meiner Familie, nur die von Jake eingespeichert war.
Kannte ich denn nicht einen einzigen Menschen außer ihnen? Hatte es sonst niemanden in meinem Leben gegeben, den ich hätte anrufen wollen?
Seufzend verließ ich die Liste und klickte mich zu den Nachrichten.
Es waren nur wenige darin und sie waren alle von Jake.
Ich hielt die Luft an, als ich die erste öffnete.
Sorry, ich hab´s versaut.
Jake
Ich musste hart schlucken und das Zittern meiner Finger wurde fast unkontrollierbar, als ich meine Antwort dazu sah.
Ja, das hast du.
Angestrengt schaute ich alle 5 Minuten auf mein Handy, in der Befürchtung eine Nachricht von Alice darauf zu finden, die mir sagte, dass irgendetwas schiefgehen würde. Wenn es nicht schon schiefgegangen war. Doch mein Telefon blieb stumm. Nachdem ich Lexi zur Schule gebracht hatte, war ich nicht zurück zum Haus der Cullens gefahren, sondern nach Hause.
Da ich mich in den letzten Tagen mehr oder weniger bei den Cullens eingenistet hatte, ging mein Vorrat an frischer Kleidung langsam zur Neige. Außerdem wusste ich, dass es Billy freuen würde mich wieder zu sehen. Normalerweise hätte ich dieselbe Freude empfunden meinen Vater zu sehen, doch die stete Unruhe in mir, machte es mir schwer mich auf ein halbwegs vernünftiges Gespräch mit ihm zu konzentrieren. Die Stunden schlichen endlos langsam dahin und fast glaubte ich, der Nachmittag würde niemals kommen.
Billy schien von meiner gedanklichen Abwesenheit ziemlich enttäuscht zu sein.
Ich konnte ihn durchaus verstehen, aber ich war nicht fähig den Umstand zu ändern, der dies verursachte.
Ich saß wie auf heißen Kohlen am Tisch in der Küche und beachtete den frisch aufgebrühten Tee meines Vaters ebenso wenig, wie seine Erzählungen vom letzten Angelausflug mit Charlie.
Als es langsam an der Zeit, war aufzubrechen und ich kurz davor war, mich zu verabschieden, klopfte es an der Haustür und Sam kam herein.
„Billy? Oh, Jake...gut. Ich hatte gehofft dich hier anzutreffen.“ sagte er knapp und seine ernste Miene verriet mir, dass es Probleme gab.
„Ist etwas passiert?“ fragte ich alarmiert und gehetzt zugleich, während ich einen Blick auf die Uhr warf. Ein paar Minuten blieben mir noch, bevor ich los musste.
„Ja, Anthony ist verschwunden.“
„Der Junge der Fields?“ fragte Billy und Sam nickte.
„Ja. So wie es aussieht, steht er kurz vor dem Ausbruch des Fiebers. Möglicherweise ist es auch schon ausgebrochen. Seine Eltern machen sich große Sorgen und ich komme nicht umhin sie zu teilen. Ich befürchte, dass er aus Angst vor dem was mit ihm passiert, weggelaufen ist. Wir müssen ihn finden, bevor er sich das erste Mal verwandelt. Ich will nicht, dass er dabei allein ist. Wir bilden Suchtrupps und können jedes Mitglied des Rudels gebrauchen.“ sein Blick wanderte zu mir hinüber und ich konnte den eindringlichen Befehlston in ihnen erkennen.
„Sam, ich kann jetzt nicht. Ich muss Lexi von der Schule abholen. Kann ich nicht später dazu stoßen?“
Ich fühlte augenblicklich den tadelnden Blick meines Vaters in meinem Rücken und die Enttäuschung Sams über meinen Widerwillen.
„Jacob. Anthony ist ein Teil deines Stammes und auch deines Rudels. Ich würde annehmen, dass dies reicht, damit du dich an der Suche nach ihm beteiligst. Lexi wird es schon ohne dich schaffen. Ich bin mir sicher, dass einer der Cullens deine Aufgabe übernehmen wird und sie abholen kann.“ sagte Sam harsch und ich verdrehte innerlich die Augen, ich wusste, dass er recht hatte, aber es behagte mir dennoch nicht.
„Schon gut.“ lenkte ich widerwillig ein. „Gib mir 5 Minuten, damit ich jemandem Bescheid geben kann, dass er Lexi abholt.“
Ich nahm mein Handy zur Hand, überlegte einen Moment und entschied mich dann dazu, Alice anzurufen. Ich erklärte ihr in knappen Worten, dass ich es nicht schaffen würde, Lexi heute abzuholen und bat sie, mich bei Lexi zu entschuldigen und ihr zu erklären, ich müsse Billy zum Arzt bringen. Zudem sollte sie ihr versichern, dass ich spätestens gegen Abend wieder bei ihr sein würde. Alice versicherte mir, sich gut um Lexi zu kümmern und halbwegs beruhigt, wenn auch nicht vollkommen entspannt folgte ich Sam zu Emilys Haus. Der Rest des Rudels wartete dort bereits und wir teilten uns in Teams auf, um das gesamte Reservat zu durchkämmen. Wir drehten sprichwörtlich jeden einzelnen Stein um, blickten in jede Höhle und Schlucht, aber Anthony war wie vom Erdboden verschluckt. Es gab nicht den kleinsten Hinweis auf seinen Verbleib und als wir allesamt müde und kaputt in der Dämmerung wieder zurück zu Emilys Haus kamen, machte auch ich mir ziemliche Sorgen. Ich wusste noch sehr genau, wie schlimm die Verwandlung für mich gewesen war und ich konnte nur erahnen, wie furchtbar es sein musste, wenn man niemanden an seiner Seite hatte, der einem alles erklärte und einem beistand.
Sam wollte die Nacht nutzen, um weitere Informationen zusammen zu tragen und das Suchgebiet zu erweitern, damit wir am nächsten Morgen mit unserer Suche weitermachen konnten.
Erschöpft und vom starken Regen durchnässt, schwang ich mich auf mein Bike und sehnte mich nach der warmen Umarmung meiner Freundin, deren Tag hoffentlich um einiges besser gewesen war, als der meinige. Als ich endlich beim Haus der Cullens ankam, war es bereits dunkel und die hellen Lichter des Hauses wirkten das erste Mal wirklich einladend auf mich.
Und als ich durch die Eingangstür in den Flur trat, schien mir auch der Gestank nicht mehr so schlimm zu sein, wie sonst. Mein einziges Bedürfnis bestand darin, nach oben zu gehen und mich von Lexis Anwesenheit wieder aufbauen zu lassen. Inständig betete ich, dass sie ihr nicht böse sein würde, dass ich mein Versprechen hatte brechen müssen, sie abzuholen. Doch bevor ich soweit kam, kam Carlisle auf mich zu.
„Guten Abend, Jacob.“ sagte er freundlich und ich nickte matt in seine Richtung.
„N´Abend.“ nuschelte ich müde.
„Gab es Probleme im Reservat?“
Ich nickte.
„Ja, ein Junge ist verschwunden und wir haben den ganzen Tag nach ihm gesucht. Aber es gibt nicht die geringste Spur von ihm. Es ist, als habe er sich einfach in Luft aufgelöst. Ein paar von uns sind auf der Suche, der Rest von uns wird morgen früh wieder dazu stoßen.“
Carlisle wirkte betroffen.
„Du siehst müde aus, Jacob.“
„Das bin ich, es war ein anstrengender Tag.“ entgegnete ich und fuhr mir durchs nasse Haar.
„Wir werden Augen und Ohren offenhalten, wenn es euch hilft.“
„Danke. Wie geht es Lexi?“ fragte ich und war damit zu dem einzigen Thema gekommen, das noch von Bedeutung für mich war.
„Sie hat nicht viel erzählt.“ antwortete Carlisle und das zeugte nicht gerade davon, dass ihr erster Tag in der Schule so verlaufen war, wie sie es sich vorgestellt hatte.
„Okay, dann werde ich jetzt am besten nach ihr sehen.“ sagte ich und nahm die Treppen hinauf zu ihrem Zimmer.
Leise klopfte ich an die Tür und erlaubte mir einzutreten, bevor Lexi mich hereingebeten hatte.
Und genau wie ich es vorher gesagt hatte, linderte ihr Anblick sofort meine Müdigkeit und ihr feiner Duft, der mich umwehte, nahm alle Sorgen von mir. Wunderschön und strahlend wie immer saß sie hinter ihrem Schreibtisch über ein Heft gebeugt, doch als sie mich sah, sprang sie sofort auf.
„Oh, Jake. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Ist alles in Ordnung? Wie geht es Billy?“ ihre weichen, warmen Armen umschlossen mich und ich schloß die Augen, den Moment genießend, der mir so unsäglich viel Kraft gab.
„Es geht ihm gut. Alles nur halb so schlimm.“ sagte ich und drückte ihr einen kurzen Kuss auf ihr duftendes Haar. Egal wie schlimm die Tage auch sein mochten, zu Lexi heimzukehren ließ mich jeden Wahnsinn vergessen.
„Du bist ja völlig durchnässt. Warum bist du nicht mit dem Auto gefahren. Du wirst dich noch erkälten.“ sagte sie besorgt und griff nach dem Saum meines Shirts, um es mir über den Kopf zu ziehen. Ich ließ sie anstandslos gewähren und nahm das Handtuch entgegen, das sie mir aus dem Bad holte, um mich abzutrocknen.
„Du siehst unwahrscheinlich müde aus. Hast du schon etwas gegessen? Soll ich dir etwas holen?“
Unwillkürlich musste ich lächeln. Da hatte ich mir den ganzen Tag Sorgen um sie gemacht und ihr schien es nur um mein Wohlergehen zu gehen.
„Vielleicht später.“ sagte ich lächelnd und zog sie noch einmal in meine Arme.
„Es geht mir schon viel besser, jetzt da ich bei dir bin. Es tut mir leid, dass ich dich nicht abholen konnte.“ sagte ich zerknirscht und genoss das Gefühl ihrer warmen Hände, die über meinen nackten Rücken streichelten.
„Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Dein Vater hat dich gebraucht, dafür hast du jedes Verständnis der Welt von mir.“ Geschickt nahm sie mir das Handtuch aus den Händen und begann sanft mein Gesicht abzutupfen, während sie mich langsam zum Bett führte. Mit leichtem Druck drängte sie mich dazu, mich hinzusetzen und krabbelte augenblicklich hinter mich und begann meine Schultern zu massieren. Seufzend schloß ich die Augen und allmählich fiel alle Last von mir ab.
„Erzähl mir von deinem Tag.“ forderte ich sie ruhig auf und spürte, wie sie sich hinter mir versteifte.
„Das kann warten, Jake. Es ist im Moment nicht wichtig.“ antwortete sie unruhig und ich drehte mich zu ihr, nahm ihre Hände in meine und sah sie besorgt an.
„Was ist passiert?“ fragte ich nun etwas drängender, als sie meinem Blick auswich.
„Nichts...es hat Zeit, Jake. Du bist müde und hattest einen schweren Tag. Du solltest dich ausruhen. Wir können auch morgen noch über alles sprechen.“
„Mir geht es gut, Lexi. Wirklich. Wenn heute etwas geschehen ist, worüber du mit mir reden willst, dann will ich es wissen. War jemand gemein zu dir?“
Doch Lexi schüttelte den Kopf.
„Nein, sie waren alle ziemlich nett. Nur...“ sie atmete tief durch. „Ach wahrscheinlich ist es nichts, ich möchte jetzt nicht darüber reden.“ sie stand auf, um meinem Blick erneut auszuweichen und begann sinnlos ihren Schreibtisch aufzuräumen.
„Nur was?“ fragte ich erneut und erhob mich ebenfalls, um wieder ihre Nähe zu suchen.
„Ich habe ein paar Dinge gehört und...“ sie seufzte und legte den Schreibblock, den sie eigentlich wegräumen wollte, wieder zurück auf den Tisch.
„Wahrscheinlich sind es nur dumme Gerüchte und ich sollte nichts darauf geben.“
„Was hast du gehört?“ sagte ich sanft, nahm ihre Hand und zog sie wieder zu mir.
„Dinge über...dich...“ sie hob den Blick und ihre Augen schimmerten ängstlich. Ich seufzte leise und strich über ihre Wange.
„Über mich?“
„Ja und es waren nicht gerade nette Dinge. Aber ich will dich jetzt nicht damit belasten.“ sie versuchte sich von mir abzuwenden, doch ich hielt sie fest an mich gedrückt.
„Sie belasten mich bereits, weil sie dich scheinbar belasten. Was haben sie dir erzählt?“ forderte ich sie auf, mit mir zu sprechen.
„Es ist doch egal, ich glaube ohnehin nichts davon...aber ich mache mir Sorgen, ob es dir auch wirklich gut geht.“ versuchte sie sich herauszureden, doch ich lachte nur leise.
„Wenn du es nicht glaubst, warum beunruhigt es dich dann?“
„Weil....“ sie zögerte, dann blickte sie mir wieder tief in die Augen und die ernste Sorge darin, ließ mich in meinem Lachen innehalten.
„Jake? Bist du in einer Gang oder sowas?“ fragte sie mich zitternd und wenn ich nicht gesehen hätte, wie ernst es ihr mit dieser Frage war, wäre ich wahrscheinlich in schallendes Gelächter ausgebrochen. Aber so zog ich nur die Augenbrauen in Unverständnis zusammen.
„In einer was? Wer hat dir denn so einen Quatsch erzählt?“
„Ich meine das ernst, Jake. Es ist mir irgendwie nie wirklich aufgefallen, aber ein paar von den Dingen....“ erneut seufzte sie und ich zog sie mit zum Bett, setzte mich und zog sie auf meinen Schoß.
„Was für Dinge?“ hakte ich noch einmal nach und begann sie sanft zu streicheln, um ihr die Angst zu nehmen.
„Dinge über die Jungs, die mit Sam Uley verkehren.“ drückte sie diplomatisch aus. „Dass ihr alle irgendwie nicht richtig im Kopf seid.“ fuhr sie dann ungenierter fort.
„Als ob du das nicht bereits wüsstest.“ versuchte ich sie aufzumuntern, aber sie war für meine Scherze nicht empfänglich.
„Ich wusste nicht, dass ihr alle die Schule abgebrochen habt und dass keiner von euch arbeitet. Ihr tragt alle dasselbe Tattoo und obwohl scheinbar niemand von euch einen Sport ausübt, seht ihr alle aus, als würdet ihr den ganzen Tag im Fitnessstudio verbringen. Und als ich dich gefragt habe, warum du dir deine Haare abgeschnitten hast, hast du gesagt es wäre aus Gruppenzwang geschehen und...“
„Halt, halt, halt. Nicht so schnell, mein Engel. Du weißt, warum ich die Schule abgebrochen habe und nicht arbeiten gehe.“ unterbrach ich sie und wußte, dass ich nicht um eine weitere Lüge herum kommen würde.
„Wegen Billy...“ antwortete sie karg und senkte den Blick.
„Genau und wir alle tragen dasselbe Tattoo, weil es ein Stammeszeichen ist und unser Ausdruck für unsere Verbundenheit mit unserer Geschichte ist. Meine Haare habe ich mir abgeschnitten, weil es Zeit war, mich zu verändern. Ich lasse sie dir zuliebe bereits wieder wachsen. Und ich kann dir beim besten Willen nicht sagen, warum wir alle so gutaussehende Kerle sind. Das liegt wahrscheinlich in den Genen der Quileute.“ versuchte ich sie zu beruhigen und allmählich schien sie lockerer zu werden.
„Aber das erklärt nicht, warum auch die anderen nicht mehr zur Schule gehen.“ insistierte sie.
„Das wirst du die anderen selbst fragen müssen. Und es stimmt auch nicht ganz. Seth Clearwater geht immer noch auf die Schule des Reservates. Wir sind einfach eine Gruppe aus Freunden, aber das macht uns noch lange nicht zu einer Gang. Und vieles was wir tun, wird von den „Bleichgesichtern“ nicht immer verstanden. Wir haben andere Wurzeln, eine andere Geschichte und ab und an eben auch seltsame Traditionen.“ führte ich weiter aus.
„Ist es auch Tradition in der schlimmsten Kälte, halbnackt herumzulaufen? Du bist nie kalt, Jake. Du fühlst dich immer warm an, immer. Selbst gerade eben, als du völlig durchweicht warst, hast du nicht einmal eine Gänsehaut bekommen.“
„Ich hab eben eine gute Durchblutung.“ zuckte ich mit den Achseln. „Du kennst mich, Lexi. Lass dich nicht verunsichern, von Gerüchten, die Menschen in die Welt setzen, die uns weder kennen noch verstehen.“
„Das wollte ich auch gar nicht.“ gab sie kleinlaut zu. „Aber es war nicht wirklich angenehm, zu hören, wie manche über dich denken.“
„Ist es dir wichtig, was andere über mich denken?“
Sie schüttelte den Kopf und lehnte ihn gegen meine Schulter.
„Nein, aber...“
„Shht, kein Aber. Du musst dir keine Sorgen um mich machen, ich bin ein ganz normaler Kerl, der das größte Glück der Welt besitzt, weil er dich zur Freundin hat und mehr ist nicht wichtig.“
Sie nickte scheu, hob dann den Kopf und erhob sich, wobei ich sie nur widerwillig gehen ließ.
„Da ist noch etwas anderes.“ sie wandte sich ab, ging zu ihrem Rucksack und holte etwas hervor, dass ich nicht erkennen konnte.
„Ich habe heute mein Handy wieder gefunden.“ sagte sie knapp und atmete ruhig aus.
„Gut, ich wollte dir schon ein neues besorgen, damit du mich jederzeit erreichen kannst.“
„Es ist nicht eine Nummer darin gespeichert, die nicht von dir oder meiner Familie ist.“ sagte sie und meine Gedanken fingen an sich zu überschlagen, um eine plausible Erklärung dafür zu finden.
„Das ist ein neues Handy. Du hattest dein altes verloren und wahrscheinlich noch keine Zeit, andere Nummern zu übertragen.“ sagte ich hastig und wenn ich nicht so schnell gesprochen hätte, wäre es um einiges glaubhafter gewesen.
Sie rieb ihre wunderschönen, vollen Lippen aneinander, während ihre Hände mit dem kleinen, schwarzen Gerät darin nervös spielten.
„Es sind ein paar Nachrichten darauf.“ sagte sie dann und schien sich zu straffen, bevor sie einen Schritt auf mich zu machte und mir das Handy entgegen streckte.
Stutzend nahm ich es ihr ab und blickte auf den Bildschirm.
Sorry, ich hab´s versaut.
Jake
Seufzend schloss ich die Augen und ließ das Gerät in meiner Hand sinken.
„Warum hast du das geschrieben? Was ist passiert?“ fragte sie weiter und ich wusste nicht genau, wie ich das erklären sollte.
„Wir hatten einen Streit. Ich...“ ich holte tief Luft. „Hör zu, das war noch bevor wir zusammen gekommen sind. Ich war an diesem Abend ein Esel, aber ich habe mich bei dir dafür entschuldigt und du hast meine Entschuldigung angenommen. Das ist keine Ausrede, aber ich habe dir erzählt, dass ich nicht immer sehr nett zu dir gewesen bin, oder? Das war einer der Abende, an dem ich ein ziemliches Arschloch war.“ versuchte ich die Situation ohne zuviele Einzelheiten zu erklären.
Doch meine Erklärung schien Lexi vollkommen aus der Bahn zu werfen. Sie schien zu wanken und ich sprang sofort auf um sie zu halten, doch sie stieß mich von sich.
„Was ist los, Schatz?“
„Das war bevor wir zusammen waren?“ fragte sie mit weit geöffneten Augen und nur langsam begann der Groschen bei mir zu fallen.
„Jake, diese Nachricht wurde 3 oder 4 Tage vor meinem Unfall gesendet.“ sagte sie atemlos und zog sich immer weiter von mir zurück. „Warst du überhaupt mit mir zusammen, bevor das ganze passiert ist?“ zitternd ließ sie sich auf ihren Sessel sinken und sofort hatte ich mich neben sie gekniet.
„Natürlich waren wir das und wir sind es jetzt immer noch. Seit Edwards Hochzeit.“
Wie sollte ich ihr erklären, dass es ihr wahres Gesicht gewesen war, dass meine Prägung ausgelöst hatte und wie sollte ich die Zeit beschreiben, die bis dahin vergangen war, wenn ich nicht endlich damit anfing, ihr ihre ganze Geschichte zu erzählen?
Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als müsse sie sich selbst festhalten.
„Ich versteh das nicht...“ wisperte sie leise und blickte apathisch an mir vorbei.
„Was verstehst du nicht, mein Herz?“ fragte ich behutsam und bei ihrem Anblick schnürte sich mir die Brust zusammen.
„Wenn wir so kurz vor meinem Unfall noch kein Paar waren, wie konntest du mir am Strand sagen, wieviel ich dir bedeute? Die Gefühle, die du beschrieben hast können nicht in einer Woche gewachsen sein.“ erklärte sie tonlos, während sie weiter stur an mir vorbei sah.
„Meine Gefühle für dich waren von Anfang da, ich habe sie nur nicht gesehen, weil ich blind war. Das ändert aber nichts an ihrer Aufrichtigkeit. Wenn Liebe geschieht, dann geschieht sie.“
Ich suchte den Blick ihrer Augen, doch sie wich mir aus.
„Hey...du empfindest doch ebenso etwas für mich. Wieviel Zeit hattest du dafür, bist du gespürt hast, wie intensiv deine Gefühle sind.?“
„Ein paar Tage vielleicht.“ antwortete sie tonlos und ich schöpfte erneut ein klein wenig Mut.
„Siehst du? Du musst dir deswegen keine Sorgen machen, und wenn ich erst am Tag deines Unfalls bemerkt hätte, was du mir bist, würde es nichts daran ändern, dass ich jetzt immer noch an deiner Seite bin und dich mehr liebe, als am ersten Tag. Ich weiß, dass es dir im Moment so vorkommen muss, als ob etwas an dieser Geschichte nicht stimmt, aber bitte vertrau mir. Du gehörst zu mir und ich zu dir und nichts wird das ändern.“
Lexi fuhr sich durch ihr volles Haar und der Klang ihres Seufzens, war so schmerzhaft für mich, wie Fingernägel auf einer Tafel.
„Ich verstehe, dass es dich beunruhigt, weil du angenommen hast, dass es anders war und ich war dumm genug, dich in diesem Glauben zu lassen. Ich hatte nur Angst, dass du unserer Beziehung dann keine zweite Chance geben würdest und ich brauche dich, wie die Luft zum atmen. Ich hätte es nicht überlebt, wenn du mich weggestoßen hättest. Also habe ich dich glauben lassen, dass wir schon eine lange Zeit miteinander verbracht haben. Es tut mir leid, das war egoistisch von mir.“gab ich zu und abwesend legte sich ihre Hand auf meine. Sie war kalt und ich wusste, dass ich ihre Bedenken noch lange nicht aus dem Weg geräumt hatte. Ich würde mir die kommenden Tage einen schonungsvollen Weg überlegen, damit sie endlich die Wahrheit erfuhr.
„Jake?“ sie hob den Blick und sah mich nun eindringlich an und ich fühlte mich, als würde ich unter diesem Blick in Flammen aufgehen.
„Bitte sei nicht derjenige, der mich verletzt. Ich würde es nicht ertragen, dich zu verlieren.“
Ich stand auf und zog sie fest in meine Arme.
„Ich werde dir niemals wehtut, niemals.“
Als Jake mich am nächsten Morgen zur Schule brachte, verabschiedete er sich ungewohnt lang, intensiv und zärtlich von mir. Ich ließ es geschehen, obwohl ich am gestrigen Abend zu viel Nähe zu ihm umgangen hatte.
Ich ahnte, dass seine Erklärung der SMS mehr als halbherzig war, aber solange es nur eine Ahnung war, war meine Bereitschaft ihm zu glauben größer als meine Zweifel.
Solange ich mich nicht selbst an etwas anderes erinnerte oder ich es aus seinem Mund hören würde, wollte ich ihm glauben, weil es genau das war, was ich hören wollte. Allein die bloße Vorstellung Jake nicht mehr in meinem Leben zu haben, nahm mir die Luft zu Atmen, als ertränke man mich in schwarzem Gewässer.
Und doch war diese Angst nichts im Vergleich dazu, herauszufinden, dass seine Gefühle für mich vielleicht nicht echt wären. Ich versuchte mich abzulenken und nicht mehr daran zu denken. Wenn ich weiterhin so labil sein würde, würde ich niemals den Punkt erreichen, an dem er mir die volle Wahrheit offenbarte und ich wollte die Wahrheit.
Jetzt mehr denn je.
Ich wollte verstehen, was es war, das uns verband, wollte verstehen, wie wir zueinander gefunden hatten und was meine Vergangenheit für unsere Zukunft bedeutete. Nie zuvor hatte ich meine Amnesie so sehr verteufelt, wie seit gestern Abend.
Obwohl Tori mich erst seit gestern kannte, merkte sie noch vor der ersten Stunde, dass ich heute nicht halb so gut gelaunt war, wie gestern.
„Hey, Lexi. Alles okay mit dir?“ fragte sie, als sie neben mir in die Klasse trat und ich zuckte hilflos mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht.“ gab ich ehrlich zu und setzte mich neben sie.
„Stress gehabt?“ fragte sie in ihrer lapidaren Art und ich wusste nicht genau, was ich darauf erwidern sollte.
„Ein bisschen.“ sagte ich dann und fing an, Stifte und Hefter aus meinem Rucksack zu kramen.
„Aber nicht mit Jake, oder?“ hielt sie die Konversation in Gang und wieder zuckte ich mit den Schultern.
„Doch schon..., irgendwie.“ antwortete ich und begann sinnloserweise meine Stifte nach Farben zu sortieren.
„Sah heute morgen gar nicht danach aus.“ grinste sie breit und ich konnte mir denken, dass sie mich mit ihm gesehen hatte.
„Ich sag ja, war nur ein bisschen.“
„Und deswegen ziehst du immer noch so ein trauriges Gesicht?“
„Ist halt alles nicht so einfach, wenn du dich an 17 Jahre deines Lebens nicht mehr erinnerst. Und die alles sind, was du hast.“
Bevor sie etwas erwidern konnte, kamen Nick und Andy in die Klasse und Nick kam direkt auf mich zu.
„Hey Lexi, ich wollte mich noch entschuldigen, für gestern und so...ich hätte so nicht über deinen Freund reden sollen.“ sagte er geknickt und ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln.
„Schon gut, Nick, du weißt es eben nicht besser.“ sagte ich und er suchte erleichtert darüber, seinen Platz hinter Tori auf.
„Wenn das mit ihm nicht klappt, gehst du dann mal mit mir aus?“ grinste er dann zu mir herüber und ich konnte nur den Kopf über ihn schütteln.
„Wenn es jemals passieren sollte, dass Jake nicht mehr zu mir gehört, bist du der Erste, der davon erfährt. Aber stell sicher, dass dann dein Hörgerät eingeschaltet ist, weil bis dahin sehr viel Zeit vergangen sein wird.“ grinste ich in seine Richtung.
„Wirst du mir jetzt jeden Tag aufs Neue mein Herz brechen?“ fragte er amüsiert zurück und ich nickte mit dem Kopf.
„Ja, ich denke schon.“
Und damit war unsere Unterhaltung zunächst einmal wieder vorbei, denn unsere Spanischlehrerin Miss Marquez betrat den Raum.
Erst einige Zeit später in einer Freistunde fanden wir wieder die Zeit uns zu unterhalten. Ich half Tori und den anderen bei den Hausaufgaben über Shakespeares Hamlet, den ich scheinbar in und auswendig kannte.
„Und was soll das hier heißen? - Wirf ab die nächtige Farbe? - „ Nick zeigte auf die Stelle im Buch und ich räusperte mich ein wenig lehrerhaft.
„Was ist die Farbe der Nacht?“
„Schwarz.“ antwortete Tori an Nicks Stelle.
„Genau und wann trägt man Schwarz?“
„Wenn man trauert.“ sagte nun Andy und ich lächelte ihn zufrieden an.
„Genau, sie sagt also nur, Hamlet solle kein Schwarz mehr tragen, er soll nicht mehr trauern. Verstanden?“
„Ahh.“ machte Nick, als Zeichen, dass er es scheinbar wirklich verstanden hatte.
Ich beugte mich nun ebenfalls wieder über mein Heft und begann den Aufsatz, den wir über diese Passage schreiben sollten, bis Tori mich leicht anstupste.
„Sieh mal, da draußen.“ sie deutete aus dem großen Fenster zum Hof hinüber und ich staunte nicht schlecht, als ich eine Gruppe von Jungs dort stehen sah.
„Sind das nicht die Jungs aus dem Reservat? Ist Jake auch dabei?“
Ich nickte
„Sieht ganz so aus.“ ich schloß mein Buch und stand auf.
„Was wollen die denn hier?“ Nick schien nicht unbedingt erfreut über das Auftauchen der Quileute.
„Ich kann nur vermuten, aber entweder wollen sie zu mir, oder sie wollen demjenigen einen Besuch abstatten, der sie hirnlose Muskelprotze genannt hat.“ feixte ich und genau in dem Moment in dem ich wieder nach draußen sah, fing Jake meinen Blick auf.
Nick hingegen ließ sich immer tiefer in seinen Stuhl sinken.
„Du hast ihnen doch hoffentlich nicht gesagt, dass mir dieser kleine, dumme Vergleich herausgerutscht ist, oder?“
Ich lachte offen.
„Wer weiß, vielleicht habe ich das, vielleicht auch nicht. Aber du brauchst keine Angst um deinen Skalp zu haben. Das sind wirklich sehr, sehr nette Menschen. Komm ich stell sie euch vor.“
„Ich glaube, ich muss weg.“ sagte Nick gehetzt, als Jake und die anderen in die Aula kamen, in der wir saßen und ich drückte ihn zurück auf seinen Platz.
„Nichts da, du wirst lernen, dass du ziemliche Vorurteile hast.“
Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen kam nun Jake auf mich zu und obwohl ich am Morgen noch voller trüber Gedanken gewesen war, hatte sich meine Laune so sehr gebessert, dass ich dieses Lächeln nun offen erwidern konnte. Zärtlich nahm er mich in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Lippen.
„Warum hast du keinen Unterricht?“ fragte er und gab mir einen kurzen Nasenstüber.
„Ich habe eine Freistunde. Was ist deine Erklärung, warum du hier bist?“
Er hob seine rechte Hand, in der er einen Stapel Flyer hielt und sein Gesicht wurde wieder ernst.
„Ein Junge aus dem Reservat ist verschwunden und wir verteilen ein paar Flugblätter in der Hoffnung, dass ihn vielleicht jemand gesehen hat.“ erklärte er mir und ich fühlte mich augenblicklich dazu verpflichtet, meine Hilfe anzubieten.
„Kann ich irgendetwas tun? Euch vielleicht helfen?“
„Schon okay, wir kümmern uns darum.“ er drückte mich sanft, bevor sich Seth zwischen uns schob.
„Hallo Lexi.“ grinste er breit und ich herzte ihn kurz, bevor ich die Gelegenheit beim Schopf packte und auch die anderen begrüßte.
„Leute? Darf ich euch meine Schulkameraden vorstellen. Das sind Tori, Nick und Andy.“ ich zeigte bei jedem Namen auf den dazugehörigen Besitzer. „Und das sind Embry, Seth, Quil und Jacob.“ stellte ich sie einander vor und mir fiel sofort das Blitzen in Toris Augen auf, als sie Embry sah.
Innerlich schmunzelnd schlang ich meine Arme wieder um Jakes Mitte und genoß die Wärme, die von seinem Körper ausging.
„Hi.“ sagte Tori und ihre Wangen glühten leicht rosa.
Nick und Andy beschränkten sich darauf, in die Runde zu nicken und ich sah ihnen ihr Unwohlsein an.
„Jake? Wir sollten weiter, wir haben noch ein paar Schulen vor uns.“ sagte Quil schließlich und etwas zu schnell stand Tori auf.
„Ähm.“ begann sie zu stottern. „Ich gebe am Freitag eine kleine Party. Vielleicht habt ihr ja Lust und Zeit zu kommen?“ fragte sie und Jake schenkte mir einen fragenden Blick. Ich nickte nur kurz, um zu zeigen, dass ich nichts dagegen hatte.
„Wir werden sehen.“ sagte er dann freundlich. „Lexi gibt dir Bescheid, ob wir es schaffen.“
Tori nickte begeistert und warf Embry noch einen bewundernden Blick hinterher, der ihm rote Ohren bescherte.
„Emmett holt dich heute ab.“ fuhr Jake dann an mich gewandt fort und ich nickte ein bisschen enttäuscht.
„Okay. Aber wir sehen uns heute Abend?“
„Nichts könnte mich davon abhalten.“ noch einmal strich er mir sanft über die Wange und verzückt schloß ich die Augen.
Kaum, dass sie die Aula verlassen hatten, stöhnte Nick deutlich hörbar auf.
„Tori. Musstest du sie wirklich einladen? Die haben doch kaum ein Wort mit uns gewechselt, du weißt doch gar nicht, ob das die richtigen Gäste für deine Party sind.“
„Wenn Lexi sie mag, vertraue ich ihrem Urteil vollkommen. Und ich persönlich glaube, dass sie eine Bereicherung für meine Feier sein werden. Und jetzt hör auf so zu grummeln, sonst lade ich dich wieder aus. Und nun zu dir.“ sie grinste breit in meine Richtung. „Hat dieser Embry schon eine Freundin?“ gluckste sie kichernd und ich ließ mich davon anstecken.
„Soweit ich weiß nicht, aber ich kann das gerne für dich genauer in Erfahrung bringen.“ bot ich ihr an und schien damit meinen Status in ihren Augen zu erhöhen.
„Oh bitte, bitte. Der ist nämlich echt süß.“
„Das sind die alle.“ grinste ich und von da, unterhielten Tori und ich uns den ganzen Tag nur noch über die Party, Embry und Möglichkeiten, die beides in Kombination miteinander bringen könnte.
Als mich Emmett mit seinem Jeep am Nachmittag abholte, war meine Laune unwahrscheinlich gut.
Die Probleme vom Vortag schienen vergessen und ich freute mich einzig und allein darauf, nach Hause zu kommen, meine Hausaufgaben zu erledigen und dann wohlig seufzend in Jakes Armen zu versinken.
Meine gute Laune entging meinem Bruder keineswegs, nichts zuletzt weil ich die Lautsprecher seiner Anlage einem Lautstärketest unterzog und ebenso lautstark bei den Liedern mitsang, die ich kannte.
„Was ist denn in dich gefahren?“ lachte er offen und ich fand wieder einmal, dass jedes meiner Geschwister auf seine Art etwas ganz Besonderes war. Ich liebte es, dass Emmett scheinbar niemals schlechte Laune zu haben schien. Ich hatte ihn noch nie ernst oder verstimmt erlebt und in seiner Gegenwart fiel es einem ohnehin schwer, schlechter Laune zu sein. Er hatte immer einen Spruch auf den Lippen und ich hatte das Gefühl, dass er zu jederzeit zu einer Schandtat bereit war.
„Ich bin gut drauf...“ schrie ich gegen den Lärm des Radios an und streckte meine Arme nach oben in den Fahrtwind, was ihn erneut dazu brachte zu lachen.
„Du bist ja wie aufgezogen. Du hast ja wohl hoffentlich keine Drogen genommen, oder?“ fragte er amüsiert und ich schüttelte entrüstet den Kopf.
„Das würde ich niemals machen...glaub ich.“ jetzt musste ich automatisch schon wieder lachen.
„Du bist verrückt.“ sagte er über die laute Musik hinweg, doch ich verstand ihn perfekt, obwohl er nicht einmal die Stimme erhoben hatte.
„Der Ärger im Paradies schon wieder vorbei?“ fragte er und ich stutzte erneut.
„Woher weißt du...“
„Ich bin dein großer Bruder, ich halte meine Ohren stets offen.“ erklärte er und ich seufzte, bevor ich die Musik wieder leiser drehte.
„Schon mal was von Privatsphäre gehört?“ entgegnete ich leicht mokiert.
„Haben kleine Schwestern nicht.“ sagte er trocken und ich verpasste ihm einen Stoß mit dem Ellenbogen gegen die Schulter.
„Ich passe nur auf dich auf. Das ist mein Job.“ grinste er und ich konnte ihm nicht wirklich böse sein.
„Schon gut.“ grummelte ich. „Und ja es herrscht wieder Frieden im Paradies. Ich habe beschlossen, dass es egal ist, wie lange ich schon mit Jake zusammen bin, solange ich es jetzt sein kann und damit ist dieses Thema für deine Ohren ab sofort tabu. Wie alles andere, was ich in meinem Zimmer bespreche ebenso.“ schalt ich ihn, erkannte aber an seinem Grinsen, dass er sich nicht daran halten würde.
„Zu Hause wartet eine kleine Überraschung auf dich.“ fuhr er dann ungerührt fort und ich machte große Augen.
„Oh, ich liebe Überraschungen.“ klatschte ich freudig in die Hände und Emmett konnte mir gar nicht schnell genug fahren.
„Was ist es denn?“
„Ich verrate doch nicht die Überraschung.“ sagte er eisern und ich zog eine schmollende Schnute.
„Na komm schon, für deine kleine Schwester?“
„Nein, keine Chance. Alice köpft mich, wenn ich dir etwas verrate.“
Grummelnd verschränkte ich die Arme vor der Brust und drehte die Musik wieder lauter.
Aber ich war nicht wirklich sauer und Emmett wusste das.
Als wir auf die Auffahrt fuhren, stand ich einfach auf und hüpfte aus dem immer noch rollenden Auto, was mir einem mehr als mürrischen Blick Emmetts schenkte. Ich streckte ihm frech die Zunge raus und lief erwartungsvoll ins Haus, ohne ihn zu warten.
„Ich bin wieder zu Hause.“ rief ich laut aus und warf meinen Rucksack achtlos in eine Ecke.
Als hätte sie nur darauf gewartet kam Alice die Treppen hinunter gelaufen, ein Seidenband zwischen den Fingern.
„Na endlich, die Zeit wollte ja partout nicht umgehen.“ lachte sie und nahm mich kurz in den Arm.
„Ich habe da was läuten hören, ich bekäme eine Überraschung.“ sagte ich erwartungsvoll und Alice nickte lachend.
„Wenn du aufhörst so herumzuhibbeln, damit ich dir die Augen verbinden kann, wäre das sogar im Bereich des Möglichen.“
Ich kicherte, drehte ihr dann meinen Rücken zu und stand vollkommen still, während sie mir mit dem Seidenband die Augen verdeckte. Ich fühlte ihre kühle Hand, die sich um die meine schloß und wie sie mich vorsichtig mit sich die Treppen hinauf nach oben zog.
Aufgeregt und auch ein bisschen nervös, blieben wir vor meinem Zimmer stehen. Ich war mir sicher, dass es die Tür zu meinem Zimmer war, weil ich den Weg mit geschlossenen Augen gehen konnte. Ich hörte, wie sie die Tür öffnete und dann schob sie mich sanft ins Innere des Raumes.
„Bist du bereit?“ fragte sie und ich hörte die gleiche Aufgeregtheit, die mich befallen hatte auch in ihrer Stimme.
„Natürlich.“ sagte ich schnell und spürte, wie mir die seidene Augenbinde abgenommen wurde.
Augenblicklich hielt ich die Luft an.
„Oh! Mein! Gott!“ rief ich vollkommen perplex aus und bekam riesige Augen.
Alice klatschte erfreut in die Hände.
„Gefällt es dir?“
Mein Zimmer war nicht mehr mein Zimmer...oder vielleicht sogar mehr, als es das je gewesen war.
Das langweilige Weiß war von den Wänden verschwunden und hatte einem tiefen, dunklen Rot Platz gemacht und nicht ein Möbelstück stand mehr dort, wo es heute morgen noch gewesen war.
Mit offenem Mund bestaunte ich die Tapete, die Alice an der Wand hinter meinem neuen Bett angebracht hatte und dessen Grundfarbe vom selben Rot der anderen Wände war, aber von goldenen Ornamenten durchzogen wurde. Das hohe Kopfteil des Bettes setzte sich gekonnt davor in Szene und jede Menge Kissen luden dazu ein, es sich gemütlich zu machen. Und mittendrin saß der kleine Teddy, den ich von Jake auf dem Rummel geschenkt bekommen hatte. Die edlen Bleistiftzeichnungen an der Wand hatten einem großen Flatscreenfernseher Platz gemacht, der von einer Unmenge an Postkarten aus aller Welt umrahmt wurde. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein neues Regal, auf dem sich eine High-End-Stereo Anlange befand und in dessen Fächern sich zahllose CD´s aneinanderreihten. Vor dem Fenster gab es neue, farblich abgestimmte Vorhänge und der Schreibtisch hatte sich ebenfalls eine neue Ecke vor dem Bücherregal gesucht. Auf seiner Arbeitsfläche stand ein rotes Macbook.
„Du bist der Wahnsinn, Alice“ quietschte ich vergnügt und ließ mich laut lachend auf mein Bett fallen, das seine weiße Laken, gegen goldene getauscht hatte.
Ich drehte mich auf die Seite und sofort nahm ein Bild auf meinem Nachtisch meine Aufmerksamkeit in Beschlag. Sie hatte ein Foto von Jake in einen reich verzierten Rahmen gesteckt und das war vielleicht sogar die schönste Überraschung von allen. Endlich fühlte es sich hier wirklich wie mein Zimmer an.
Alice ließ sich neben mich auf das Bett fallen und Schulter an Schulter blickten wir zum kleinen Kronleuchter an der Decke empor.
„Danke, Alice.“ sagte ich dann schließlich, drehte mich auf die Seite und begann ihr gesamtes Gesicht überschwänglich mit Küssen zu bedecken.
Als ich am Abend bei Lexi ankam, hatten wir immer noch keine Spur von Anthony gefunden und langsam begann ich mir ernsthafte Sorgen zu machen. Ich war mir nicht mehr sicher, ob er wirklich „nur“ davon gelaufen war, oder ob ihm nicht doch etwas geschehen war.
Doch fielen diese schweren Gedanken von mir, als ob sie nie existiert hätten, als ich das Haus betrat und ich zwischen all dem Gestank der anderen Cullens, Lexis süßen Duft ausmachen konnte.
Mit schnellen Schritten führte mich mein Weg augenblicklich nach oben.
Ich hatte keine Lust einem der Anderen über den Weg zu laufen und unnötig aufgehalten zu werden.
Als ich in ihr Zimmer kam, glaubte ich im ersten Moment, dass ich irgendwo eine falsche Abbiegung genommen hatte.
Doch als ich Lexi auf ihrem Bett sitzen sah, den Rücken zur Tür gewandt und mit recht großen Kopfhörern auf den Ohren, sich langsam im Takt wiegend, wusste ich, dass ich genau an dem, Ort war, an dem ich sein wollte.
Ich nahm mir einen Moment, einfach im Türrahmen stehen zu bleiben und zuzuhören, wie sie leise vor sich hin sang. Das Zimmer sah fantastisch aus und Lexi schien sich hier wohl zu fühlen.
Schließlich stieß ich mich vom Türrahmen ab, ging langsam zum Bett hinüber und legte meine Hände vorsichtig auf Lexis Augen. Sie begann sofort zu lächeln.
„Hm...wer könnte das nur sein?“ fragte sie schelmisch und betastete meine Finger.
„Unglaublich warm...“ begann sie aufzuzählen. „Wundervoll duftend...“ ihre Finger tasteten nun über meine Unterarme bis hinauf zu meinem Bizeps. „Oh und wirklich muskulös. Das lässt nur einen einzigen Schluss zu.“ kombinierte sie. „Paul, du Traum meiner schlaflosen Nächte.“ rief sie aus und ich zog gespielt empört meine Hände von ihren Augen, um sie gnadenlos durchzukitzeln.
„Paul? Du träumst von Paul?“ ereiferte ich mich und Lexi ließ sich rückwärts auf die Matratze fallen, während sie sich nach Luft schnappend mit Händen und Füßen gegen mich wehrte.
„Nein, niemals...Hilfe! Gnade, bitte.“ prustete sie und ich ließ Gnade vor Recht ergehen und hörte auf, sie zu kitzeln, hielt ihre Handgelenke jedoch weiterhin fest.
„Du wirst diese unsägliche Frechheit wieder bei mir gutmachen müssen.“ forderte ich unnachgiebig und sofort spitzte sie ihre Lippen. Ein Angebot, dem ich unmöglich widerstehen konnte.
Also stahl ich mir einen Kuss von ihren so wundervoll weichen Lippen und verlor mich für einen kurzen Moment in ihr, in dem mein Herz einige Schläge schneller klopfte.
Dann drehte ich mich auf den Rücken und zog sie mit mir auf meine Brust.
„Was ist mit deinem Zimmer passiert?“ fragte ich interessiert, als auch Lexi wieder bei Atem war.
„Alice ist passiert.“ lachte sie. „Allerdings hätte ich mich mehr darüber gefreut, wenn es keine Wiedergutmachung wäre.“ sie wurde wieder ernst und ich hob leicht den Kopf, um sie ansehen zu können.
„Wiedergutmachung? Wofür?“
„Alice wollte sich darum kümmern, dass meine Sachen aus dem Internat hergeschickt werden.“ sagte sie und richtete sich wieder leicht auf, wobei sie jedoch ihre Hände auf meiner Brust liegen ließ. „Und wie es scheint, ist das Paket auf dem Weg hier her verschollen.“ sie seufzte. „Irgendwie hatte ich mich schon darauf gefreut, ein paar Dinge aus meinen alten Leben wiederzusehen.“
„Das tut mir leid.“ entgegnete ich aufrichtig.
„Ich weiß. Aber ich hoffe, dass es das jetzt mit den schlechten Nachrichten war. Hast du schon etwas gegessen?“ wechselte sie abrupt das Thema und ich schüttelte den Kopf.
„Nein, ich hatte keine Zeit dafür. Wir haben bis eben immer noch nach Anthony gesucht.“
„Und habt ihr ihn gefunden?“
„Keine Spur von ihm.“ antwortete ich geknickt.
„Vielleicht sollten wir ein größeres Suchteam zusammenstellen. Wenn nicht nur ihr aus dem Reservat nach ihm sucht, erhöht sich vielleicht die Chance, dass wir ihn finden.“ schlug sie vor und ich hätte sie allein dafür für immer geliebt, dass sie in meinen Problemen auch die ihren sah und mir helfen wollte, sie zu lösen.
„Vielleicht sollten wir das tun.“ sagte ich weich und erhob mich dann wieder.
„Aber zuerst würde ich ganz gern unter die Dusche gehen. Ich habe die Befürchtung, dass du mit deiner Aussage, ich würde wundervoll duften, ein klein wenig übertrieben hast.“
Sie nickte und stand ebenfalls auf.
„Dann nutze ich die Zeit, etwas Essbares für dich aufzutreiben, okay?“
Erneut zog ich sie in meine Arme und küsste sie.
„Weißt du eigentlich, wie perfekt du bist?“
„Ich bekomme gerade eine leichte Ahnung davon.“ grinste sie und hüpfte dann aus dem Zimmer, während ich mich dem Bad zuwandte.
Die Größe der Dusche in Lexis Bad, war ein Luxus den ich durchaus zu schätzen wusste. Ich genoß den harten Wasserdruck und die Tatsache, dass ich nicht wie bei mir zu Hause dazu gezwungen war förmlich von Wassertropfen zu Wassertropfen zu hüpfen.
Das heiße Wasser entspannte meine Muskeln und weckte noch einige Lebensgeister in mir, von denen ich gedacht hatte, sie wären nicht mehr existent. Als ich aus der Dusche stieg, hatte sich der Wasserdampf überall niedergelassen und ich machte mir nicht die Mühe, den Spiegel frei zu wischen. Ich rubbelte mir nur kurz die Haare trocken, bevor ich das Handtuch um meine Hüften wickelte und wieder zurück ins Schlafzimmer ging. Der Teppich fühlte sich unter meinen nackten Füßen unglaublich gut an und ich konnte nicht umhin, meine Zehen tief im Flor zu versenken.
Lexi saß wieder auf dem Bett und sortierte ein paar CD´s. Als ich eintrat sah sie auf und ich bemerkte durchaus das Funkeln in ihren Augen.
„Hey Baby.“ schnurrte sie leise und allein der Klang ihrer Stimme weckte einen ganz anderen Hunger in mir.
„Ich hab dir was zu essen auf den Schreibtisch gestellt. Ich hoffe du magst Sandwiches. Mehr war leider nicht mehr da. Esme hat versprochen morgen einzukaufen.“
„Wenn du es gemacht hast, bin ich mir sicher, dass es das beste Sandwich sein wird, das ich jemals gegessen habe.“
Ich nahm auf dem Schreibtischstuhl Platz und nahm als erstes einen Schluck aus dem Colaglas, das mein Gedeck vervollständigte, bevor ich herzhaft in das Sandwich biss.
Lexi ging währenddessen zu ihrer Anlage herüber, wechselte die CD und einige Sekunden später, erfüllte leise Musik den Raum.
„Hast du schon über Freitag nachgedacht?“ fragte sie schließlich und ich sah sie fragend an.
„Freitag?“ nuschelte ich mit vollem Mund.
„Toris Party?“ kam es als Gegenfrage von ihr zurück und der Groschen fiel.
„Noch nicht wirklich. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“ antwortete ich und biss ein weiteres Mal in das Sandwich.
„Machst du dir wieder Sorgen um meine Sicherheit?“
Ich schüttelte den Kopf und schluckte diesmal herunter, bevor ich etwas erwiderte.
„Nein, das ist es nicht. Ich weiß nur nicht, ob ich auf eine Party gehen will, auf der die Hälfte der Gäste denkt, ich sei ein hirnloser Irrer.“
Lexi kam zu mir herüber und setzte sich auf die Kante des Schreibtisch. Ihre kurzen Jerseyshorts spannten sich leicht über ihren Schenkeln und ich ließ mich einen Moment von dem Anblick ihrer perfekten Haut ablenken.
„Meine Augen sind hier oben.“ rügte sie mich lächelnd und ich fühlte mich ertappt. „Und das ist nur die Meinung eines Einzelnen, der dich nicht kennt. Ich würde wirklich gerne hingehen.“
„Würdest du das?“
„Ja. Ich mag Tori wirklich gerne. Ich glaube, wir könnten gute Freunde werden und es wäre unhöflich ihre Einladung abzulehnen. Zudem wird Embry sicherlich nicht hingehen, wenn wir es nicht tun.“
„Was hat denn Embry damit zu tun?“ sagte ich verwirrt.
„Naja, er ist ein attraktiver junger Mann und Tori hat einen guten Geschmack.“ führte Lexi aus und ich begann zu verstehen.
„Ah, daher weht der Wind. Ich glaube nicht, dass das zu etwas führen wird.“
Lexi klaute sich ein Stück meines Sandwiches und nahm einen Schluck aus meinem Glas.
„Wieso nicht? Hat er eine Freundin?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Nicht, dass ich wüsste. Aber obwohl Tori sicherlich ein nettes Mädchen ist, glaube ich nicht, dass sie ihn nachhaltig beeindruckt hat.“ führte ich aus, nicht wissend, wie ich es besser beschreiben sollte, dass sie nicht die Richtige für Embry war, da er sich sonst bei ihrem ersten Treffen auf sie geprägt hätte.
„Glaubst du nicht, dass wir ihr dann erst recht eine Möglichkeit verschaffen sollten, ihn doch noch zu beeindrucken?“
„Vielleicht. Darf ich noch eine Nacht darüber schlafen oder muss ich dir sofort eine Antwort geben?“
„Morgen früh reicht auch noch. Mehr Zeit für mich dich noch zu überreden.“ grinste sie vielsagend und als ich mein Sandwich vollkommen verdrückt hatte, hüpfte sie von der Kante des Tisches herunter und ergriff meine Hände.
Ich legte den Kopf schief, als ich ihren bedeutungsvollen Blick sah und ihr zum Bett folgte.
„Was hast du vor, kleine Hexe?“
Ihr Lächeln wurde eine Spur seduktiver und ich fühlte meinen Mund trocken werden, als sie mich auf die Laken drückte und das Licht im Zimmer dimmte.
„Jetzt werde ich meinen Hunger stillen.“ sagte sie verführerisch und kletterte auf meinen Schoß, legte ihre Arme um meinen Hals und begann mich zu küssen.
Augenblicklich durchfuhr mich ihre Berührung wie ein elektrischer Stromschlag. Alle meine Sinne erwachten und ersetzten jeden anderen Gedanken durch den Wunsch, sie zu berühren.
Ich spürte ihre weichen Finger in meinem Nacken, ihre vollen Lippen, die ihren Geschmack mit mir teilten und ihre feuchte Zunge, die gekonnt begann mit der meinen zu spielen.
Mit geschlossenen Augen ließ ich mich auf ihr kleines Spiel ein, nicht daran denkend, wie weit wir gehen würden oder was geschehen könnte. Das Gefühl war dieses Mal anders, als bei unserer letzten Intimität. Mehr vom Verlangen unserer Körper geprägt, als von der Leidenschaft unserer Herzen.
Ich spürte wie das Adrenalin in meine Blutbahnen schoß, als sie sich kurz von mir löste, sich ihr Top über den Kopf zog und sich ihre nackte Haut wieder an meine schmiegte. Langsam ließ ich mich zurück sinken, begrüßte das kühle Gefühl der frischen Laken an meinem Rücken und die Wärme ihres Oberkörpers auf meiner Brust.
Immer wieder trafen unsere Lippen einander, während unsere Hände sich auf eine Reise auf dem Körper des anderen begaben und ich fühlte, wie mein Herzschlag zu rasen begann. Ich hatte die Augen fest verschlossen, weil ich wusste, dass ich jegliche Kontrolle verlieren würde, wenn zu all den Reizen, die Lexi mir bereits bot, auch noch ein Bild vor ihnen entstehen würde, dass diese wunderschöne Frau zeigte, wie sie halbnackt auf mir lag.
Sie zu riechen, ihre Haut zu schmecken, ihren Körper zu spüren war bereits mehr, als ich glaubte ertragen zu können.
Lexi veränderte leicht ihre Position und ihre Wange legte sich an meine. Ihr heißer Atem streifte mein Ohr und eine Gänsehaut nahm Besitz von meinem gesamten Körper. Meine Händen begannen zu zittern, als ich sie über ihre Seiten wandern ließ und ein leises Seufzen Lexis Kehle entfloh.
Mein Atem beschleunigte sich und ich war mir meinem Verlangen nach ihr, bewusster als jemals zuvor. Einen Pfad aus brennenden Küssen hinterlassend, wanderten ihre Lippen über meinen Hals und ich wandte unbewusst den Kopf, um sie agieren zu lassen. Immer weiter brannte sich die Spur ihrer Liebkosungen über meine Brust und nun war es an mir, leise aufzuseufzen.
Ihr samtenes Haar verbarg ihr Gesicht und kitzelte leicht, während ihre Küsse sich mittlerweile um meinen Bauchnabel verteilten. Meine Hände griffen in die Laken, in einem sinnlosen Versuch meine Begierde unter Kontrolle zu halten. Jede Faser meines Körpers fokussierte sich nur noch auf sie, ihre Berührungen, ihren Duft und das Gefühl ihrer makellosen Haut auf meiner. Alles in mir schrie nach ihr, so laut, dass es in meinen Ohren zu dröhnen begann. Keinen Gedanken verschwendete ich an Gefahr, keine Bedenken an meine Unerfahrenheit, einzig die Nervosität blieb, dass ich ihr vielleicht nicht gerecht werden würde. Doch als sich ihre Hand um den Knoten meines Handtuches legte, waren selbst diese Sorgen wieder verschwunden. Ich hielt den Atem an, einen kurzen Moment versucht, ihr Einhalt zu gebieten. Unmöglich...
Und so ließ ich geschehen, dass sie es mit einem sanften Ruck von meinen Hüften zog, bevor sie einen neuen Pfad aus alles versengenden Berührungen hinauf zu meinen Lippen beschritt.
Augenblicklich ging ich in Flammen auf, als ich ihren Mund erneut verheißungsvoll auf meinem spürte. Ohne den Kuss zu unterbrechen, richtete ich mich wieder auf, zog sie auf meinen Schoß, während ich mich mit dem Rücken, gegen das Kopfteil des Bettes lehnte.
Ich ließ meine Finger durch ihr dichtes Haar gleiten und versenkte mein Gesicht in ihrer Halsbeuge, von der aus mich der alles betörende Duft ihres Körper umfing. Ich zeichnete mit meiner Zunge kleine Kreise auf ihr Schulterblatt und hatte ich gedacht, mein Herz könne nicht mehr schneller schlagen, so hatte ich mich geirrt, als ich die weiche Haut ihrer Brust schmeckte.
Lexi stöhnte leise und fast schüchtern auf, während sich ihr Kopf in den Nacken legte und es war das verlockendste Geräusch, das je meine Ohren erreicht hatte.
Ihre Fingernägel hinterließen bittersüße, schmerzende Spuren auf meinen Rücken, als ich meine Zähne sanft in ihrer Haut vergrub. Bei Gott, ich wollte diese Frau und ja ich wollte sie auch auf diese Art. Unsere Herzen waren bereits so sehr miteinander verbunden, dass sie beide zugrunde gehen würden, wenn man sie trennte und ich wollte auch diese letzte Verbindung mit ihr eingehen, die uns noch bevorstand. Eins mit ihr sein, ihr Herz im Rhythmus des meinen schlagen hören. Untrennbar mit ihr vereint sein....
Plötzlich flog die Tür zum Zimmer auf und ein breit grinsender Emmett steckte seinen Kopf zu uns herein.
„Hey, Jake...Oh...ich hab doch wohl nicht etwa gestört?“ fragte er amüsiert und am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle in Stücke gerissen. Erschrocken verschränkte Lexi ihre Arme vor der Brust, während ich in meiner ungezügelten Wut über diese Unterbrechung, nach meinem Handtuch griff und es Emmett mit voller Wucht entgegen schleuderte.
„Verpiss dich!“ rief ich aufgebracht und mir war es egal, dass ich vollkommen unbekleidet war.
„Ups.“ kicherte Emmett und fing mit seinen schnellen Reflexen das Handtuch, bevor es ihn überhaupt richtig erreicht hatte.
„Was willst du?“ fragte Lexi sauer, während sie nach ihrem Top griff und es blitzschnell überstreifte.
„Hatte ich dir nicht erst heute gesagt, dass du hier drin nichts ohne meine Einladung verloren hast?“
„Was ich will? Nichts eigentlich. Eigentlich nur eins.“ er zwinkerte frech in ihre Richtung.
„Denk immer daran, Big Brother is watching you.“
Wütend stand Lexi vom Bett auf und es imponierte mir, wie ihre kleine Gestalt es schaffte, Emmett mit einem einzigen Schubs wieder aus dem Zimmer zu befördern.
„Danke für die Information und jetzt raus mit dir und bleib draußen!“ zischte sie ihm entgegen. Doch das Grinsen blieb unverrückbar auf Emmetts Lippen.
„Immer wieder gern.“
Lexi schlug ihm die Tür vor der Nase zu und drehte sofort den Schlüssel im Schloß um.
„Diese Familie macht mich wahnsinnig.“ sagte sie immer noch wütend und ich wusste genau, was sie meinte.
„Hier ist halt einfach nicht der richtige Ort dafür.“ sagte ich und kam langsam wieder von dem Trip herunter, auf den sie mich geschickt hatte.
„Warum sind wir dann ständig hier? Können wir nicht vielleicht öfter zu dir?“ fragte sie flehend und stockte leicht, als sie mich ansah und bemerkte, dass sich noch nicht jeder Körperteil von mir, wieder abgeregt hatte. Ich zog die Laken zu mir um mich zu bedecken und schüttelte den Kopf.
„Denkst du bei mir wäre das besser? Die Wände meines Hauses sind noch dünner und mein Bett bietet nicht wirklich Platz für zwei.“ erklärte ich und stand auf, das Laken um meine Hüften gewickelt.
Lexis seufzte nur und fuhr sich durch die Haare.
„Und was machen wir jetzt?“
„Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich kann eindeutig eine kalte Dusche gebrauchen.“ sagte ich und schmunzelte leicht, als ich bemerkte dass ihre Lippen leicht geschwollen wirkten.
„Und dann sollten wir uns vielleicht ein wenig erholen.“ grinste ich.
„Okay, dann...viel Vergnügen?“ fragte sie und ich verdrehte die Augen.
„Das hatte ich, bis Emmett reingeplatzt ist.“´winkte ich ab und seufzend begab ich mich wieder ins Bad, stellte mich unter die Dusche und stellte die Brause auf eiskalt.
Und obwohl es mich nicht wirklich abkühlen konnte, merkte ich doch schnell, wie ich wieder Herr meiner Sinne wurde.
Ich horchte auf, als ich die Tür hörte und keine Sekunde später, Lexi ins Badezimmer trat. Durch den gläsernen Vorhang sah ich sie fragend an und sie legte sich einen Finger an die Lippen.
„Shht.“
Dann begann sie sich auszuziehen und ich spürte trotz des kalten Wassers erneut die Hitze in meinen Adern, als sie zu mir in die Dusche stieg.
Am nächsten Morgen kümmerte ich mich um das Frühstück, während Lexi sich für die Schule fertig machte. Trotz der Störung durch Emmett, musste ich gestehen, dass ich dennoch ziemlich auf meine Kosten gekommen war.
Zum ersten Mal hatte ich vollkommene Befriedigung erfahren und ich konnte mir nicht vorstellen, welches Hochgefühl mich erwartete, wenn wir auch den letzten Schritt gehen würden.
Dennoch konnte ich nicht von mir behaupten, gut auf Emmett zu sprechen zu sein.
Ich wusste ganz genau, warum er uns gestört hatte und es ärgerte mich immens, dass jeder meinte, sich einmischen zu müssen.
Dass man mir in diesem Haus keinerlei Vertrauen entgegen brachte, war ich gewöhnt, aber ich hatte gehofft, dass dies bei Alexis anders aussah.
Sie würde mir nichts tun. Sie hatte sich besser im Griff, als die Cullens es ihr scheinbar zutrauten.
Abgesehen davon, dass es sie auch absolut nichts anging.
Und so loderte die Wut auch immer noch in mir, als Emmett den Fehler beging, die Küche zu betreten, während ich Kaffee kochte und Brot toastete.
„Morgen.“ grinste er breit und lehnte sich gegen die Küchenarbeitsplatte und seine überhebliche Art, kostete mich den letzten Nerv.
Ich versuchte ihn so gut es ging zu ignorieren, weil ich wusste, dass es sonst zerschredderten Vampir zum Frühstück gegeben hätte.
„Und? Nen schönen Abend gehabt?“ fragte er immer noch breit grinsend und meine Sicherungen brannten durch. Mit einem Satz war ich bei ihm und schleuderte ihn unsanft gegen die nächste Wand.
„Halt deine verdammte Klappe!“ zischte ich ihm entgegen und nun fiel endlich das Grinsen von seinem Gesicht ab.
„Wenn ich du wäre, würde ich das lassen.“ sagte er kalt und blickte auf meinen Unterarm, der quer über seiner Brust lag und ihn gegen die Wand gedrängt hielt.
„Ich hab keine Angst vor dir.“ entgegnete ich angriffslustig und ließ meinen Arm genau dort, wo er war.
„Krieg dich wieder ein. Ich hab nur versucht deinen beschissenen Arsch zu retten.“ zischte er zurück und meine Augen wurden zu Schlitzen.
„Meinem Arsch ging es bestens, bis du reingeplatzt bist. Und auch sonst braucht sich keiner von euch in meine Beziehung einzumischen. Niemand muss mich vor Lexi schützen, ebenso wenig, wie sie vor mir.“ entgegnete ich hart und drückte ihn ein letztes Mal gegen die Wand, bevor ich mich wieder zurück zog.
„Du hast ´nen Knall.“ sagte Emmett kopfschüttelnd „Du brauchst echt Hilfe, Mann.“
„Mir geht es bestens.“ zischte ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, nahm den Kaffee und füllte ihn in die bereitgestellten Tassen.
„Du hast wirklich keine Kontrolle. Ich wollte dir nur helfen, sie wieder zu finden.“ sagte er anschuldigend und ich ballte meine Hände zu Fäusten.
„Kein Wort mehr, oder ich zeig dir, was es heißt, wenn ich wirklich die Kontrolle verliere.“
„Es reicht Jacob. Rose hatte Recht. Sich mit dir anfreunden zu wollen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.“
Fast meinte ich so etwas wie Enttäuschung in seiner Stimme zu hören, aber ich ging nicht darauf ein, sondern kehrte ihm den Rücken zu, als ich das Frühstückstablett nahm und aus der Küche verschwand.
Zurück in Lexis Zimmer, stellte ich das Tablett auf dem Schreibtisch ab und ließ mich aufs Bett fallen, als sie aus dem Badezimmer kam und meinen Tag aufs neue erhellte.
„Oh, du hast schon Frühstück gemacht.“ sagte sie freudig, nahm sich ein Marmeladentoast und ließ sich neben mir aufs Bett fallen.
„Hast du keinen Hunger?“ fragte sie, als sie merkte, dass ich nicht wirklich daran interessiert war.
„Der ist mir irgendwie abhanden gekommen.“ antwortete ich ruhig.
„Was ist los?“ fragte sie und stützte sich auf dem Unterarm auf, während sich ihre Hand auf den meinen legte.
„Nichts. Nur solltest du vielleicht verhindern, dass mir Emmett zu oft über den Weg läuft. Zumindest die nächsten Tage.“
seufzend stand sie wieder auf und legte den Toast unangebissen wieder zurück.
„Immer noch sauer?“ fragte sie beschwichtigend.
„Irgendwie ja.“ erwiderte ich ehrlich.
„Ach komm schon. Er ist eben mein großer Bruder und wenn du es so siehst, hatten wir doch trotzdem noch jede Menge Spass.“ sie begann mit leicht vorgeschobenen Lippen zu lächeln und bei der Erinnerung an unsere gemeinsame Dusche, konnte ich nicht mehr anders, als ebenfalls zu lächeln. Ich stand auf, zog sie zu mir und meine Hände legten sich auf ihren wundervoll, runden und festen Po.
„Du bist so ein Biest.“ sagte ich schon wieder leicht erregt und sie blickte verführerisch in meine Augen.
„Und du stehst darauf.“ sagte sie im Brustton der Überzeugung und hatte damit ziemlich den Nagel auf den Kopf getroffen.
Immer wieder war ich überrascht davon, auf wieviele verschiedene Arten sie mich um den Verstand bringen konnte. Meine rechte Hand legte sich unter ihr Kinn und hob ihren Mund dem meinen entgegen und wieder verschmolzen wir in einen endlos scheinenden Kuss, der mich vervollständigte.
Viel zu schnell mussten wir aufbrechen, damit sie pünktlich zum Unterricht kam und kaum hatte ich sie abgesetzt, führte mich mein Weg zurück ins Reservat, wo das Rudel zu einem erneuten Suchkommando aufbrach. Auf dem Weg zur Schule hatte Lexi nicht aufgehört von der Party am kommenden Freitag zu sprechen und obwohl es den Anschein hatte, dass sie mich erst dazu überreden musste, war von Anfang an klar gewesen, dass wir gehen würden. Sie wünschte es sich und im Gegensatz zu ihrem Schulbesuch, gegen den ich mich gewehrt hatte, war dies eine Bitte, die ich ihr nicht abschlagen konnte. Auch wenn ich mir wünschte, es wäre anders gewesen. Mir war nicht unbedingt nach einer Party. Solange wir Anthony immer noch nicht gefunden hatten, der Vampir aus Seattle nicht gefasst war und ihre neuen „Freunde“ mich für seltsam hielten, fand ich eine Feier nicht unbedingt verlockend.
Quil, Embry und Jared würden mitgehen. Seth war für eine solche Party noch zu jung und auch die anderen drei gingen nur mit, weil Sam es ihnen auferlegte. Wieder einmal nicht zum Schutz von Lexi, sondern zum Schutz der Gäste. Auch wenn mich dieser Umstand auf ein neues reizte, unterließ ich es, einen erneuten Streit mit ihm deswegen vom Zaun zu brechen.
Als wir weder am Mittwoch, noch am Donnerstag auf eine Spur von Anthony gestoßen waren, fing ich an darüber nachzudenken, ob das Auftauchen des Vampirs etwas mit seinem Verschwinden zu tun hatte.
Als ich Sam davon erzählte, teilte er meine Meinung jedoch nicht. Er hielt es für unmöglich, dass ein Vampir ohne unser Wissen, das Reservat betreten hatte. Ich entgegnete, dass wir uns nicht sicher sein konnten, dass Anthony wirklich innerhalb dieser Grenzen verschwunden war und wir beschlossen bis zum Wochenende ein größeres Gebiet in unsere Suche mit einzubinden.
Als ich Lexi am Freitag von der Schule abholte, schien es mir, dass sie nur noch aus Party bestand.
Ich musste mir ihre Aufmerksamkeit mit einer Menge SMS zwischen ihr und Tori teilen und eher belustigt sah ich ihr später dabei zu, wie sie ihren gesamten Kleiderschrank ausräumte und auf dem Boden ihres Zimmers verteilte.
Bald bekam ich Angst unter all der Kleidung einfach zu verschwinden und nie wieder den Weg zum Tageslicht zu finden.
„Was ist denn hiermit?“ ich hielt irgendeinen Stofffetzen in die Luft und Lexi rollte mit den Augen.
„Jake, bitte ich muss mich hier konzentrieren. Ich will mich nicht blamieren. Und ausgerechnet heute ist Alice nicht da. Ohne sie bin ich aufgeschmissen.“ Sie ließ sich auf einen Haufen aus Blusen und Shirts sinken.
„Wenn es nach mir ginge und ich sollte wohl der Einzige sein, nach dem es geht, kannst du genau so bleiben, wie du bist.“ sagte ich neckend und betrachtete mit Bewunderung ihren Körper, den sie lediglich mit schwarzer Unterwäsche bedeckt hatte.
Prompt landete eine dunkelgrüne Bluse in meinem Gesicht und ich musste anfangen zu lachen.
„Es ist nur eine Party. Mach dich nicht verrückt. Egal, was du anziehst, du wirst sowieso allen die Schau stehlen.“ sagte ich beruhigend und Lexi seufzte.
„Du hast leicht reden. Dir reicht ein schwarzes T-Shirt und ´ne Jeans und du bist atemberaubend. Und du kannst damit auch nie falsch liegen.“
Sie rappelte sich wieder auf und verschwand ein weiteres Mal im Schrank. Ich legte mich zurück aufs Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Du weißt, dass du nur noch 2 Stunden Zeit hast?“ fragte ich im Scherz, doch schreckte sie damit auf, wie ein kopfloses Huhn.
„Nur noch 2 Stunden? Oh mein Gott, das schaff ich nie.“
Frauen...
Lachend richtete ich mich wieder auf, zückte mein Handy und schrieb Embry eine SMS, dass wir wohl einige Minuten später eintreffen würden.
Mit einer Engelsgeduld, die mir eigen nicht zu eigen war, wartete ich darauf dass meine Prinzessin endlich fertig wurde und staunte nicht schlecht, als sie mich schlussendlich ihr vollendetes Werk bestaunen ließ.
Dass Alexis für mich die schönste Frau der Welt war, stand außer Frage, aber selbst ich war vollkommen hingerissen, als ich sie sah.
Ihre endlos langen Beine steckten in dunklen, engen Jeans und ihr Oberkörper wurde mehr oder weniger von einem schwarzen Etwas verdeckt, ihr Rücken hingegen, war vollkommen frei.
Ihre Locken waren eine einzige feuerrote Mähne und am liebsten hätte ich sofort wieder meine Hände darin vergraben.
„Nimmst du mich so mit?“ fragte sie gespannt und drehte sich einmal um die eigene Achse.
Ich schüttelte ernsthaft den Kopf.
„Nein, keine Chance.“ sagte ich und konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen.
„Nicht? Was ist falsch daran?“ fragte sie entsetzt und nun stand ich auf, zog sie an mich und küsste sie kurz.
„Du bist viel zu schön für die Öffentlichkeit.“
Jetzt begann sie ebenfalls zu lächeln, nahm meine Hand und nachdem wir uns von Carlisle und Esme verabschiedet hatten, stiegen wir in meinen Golf und machten uns auf den Weg zur Party.
Tori wohnte ziemlich abgelegen in einer recht großzügigen Villa und als ich den Wagen vor dem Haus parkte, warteten bereits die anderen Jungs auf uns.
Ich musste lachen, weil sie sich alle für Jeans und schwarze Shirts entschieden hatten. Wenn bis jetzt noch nicht alle dachten, wir seien eine Gang, würden wir es nun bestimmt schaffen, noch einige mehr davon zu überzeugen.
Wir begrüßten einander kurz, während wir bereits laute Musik hören konnten. So dauerte es auch einige Zeit, bis uns die Tür geöffnet wurde.
Tori freute sich sichtlich uns zu sehen, wobei ich bemerkte, dass ihre Freude über Lexi und im Besonderen auch über Embry am größten zu sein schien. Sie führte uns durch das Haus hinaus in den großen Garten, um dessen Pool sich bereits die meisten Gäste versammelt hatten. Ich hatte zwar noch nicht viele solcher Feierlichkeiten besucht, aber es schien eine typische High-School-Party zu sein.
Die Stimmung war gut, auch wenn sich der Himmel bereits begann erneut zu zuziehen. Die Musik wummerte aus diversen Boxen, neben dem Pool war ein großer Grill aufgebaut und wie ich es befürchtet hatte, zog unser Auftauchen eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich.
Wir waren nicht gerade die Art von Gästen, die man hier erwartet hätte. Einige begegneten uns mit neutralen Blicken, andere mit unverhohlenem Interesse und wieder andere steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, ohne zu wissen, dass uns keines ihrer Worte verborgen blieb. Ein weiterer Grund, warum unser Aufenthalt nicht wirklich angenehm für uns war.
„Wie lange müssen wir hier bleiben?“ flüsterte Quil und ich zuckte mit den Schultern.
„Eine Weile.“ schätzte ich, als Tori mit mehreren Pappbechern in den Händen zu uns zurück kam und jedem von uns einen in die Hand drückte. Ich konnte den Alkohol sofort riechen und rümpfte leicht die Nase. Aber ich war schließlich nicht gezwungen, ihn zu trinken, was ich auch nicht vor hatte. Im Gegensatz zum Großteil der meisten anderen Gäste, hatte ich vor heute nüchtern zu bleiben.
Lexi schmiegte sich an meine Seite und deutete schließlich auf einen kleinen Tisch, der genug Platz für uns bot.
„Mischen wir uns unters Volk.“ seufzte ich leise und unsere Gruppe setzte sich in Bewegung. Lexi wurde jedoch von Tori zurück gehalten und die beiden fingen ein leises Gespräch an, dass eindeutig Embry zum Thema hatte. Lexi deutete mir, dass sie gleich wieder zu uns stoßen würde, während wir uns an dem Tisch niederließen und unsere Becher abstellten. Ich merkte, dass es Embry zwar durchaus imponierte, als auch er die schmeichelnden Worte Toris ob seines Aussehens hörte, dass es ihm dennoch unangenehm war.
Für uns andere war es eine willkommene Ablenkung einen Grund zu haben, ihn ein wenig aufzuziehen.
Nicht weit von uns entfernt, erkannte ich Andy und Nick, die mit zwei Jungs, die ich nicht kannte ebenfalls an einem Tisch saßen. Die Fahne, die von ihnen zu mir herüber wehte, zeigte mir, dass sie wohl schon länger dabei waren, sich zu „amüsieren“.
Ich bemerkte Nicks nervöse Blicke in unsere Richtung, als würde von uns irgendeine Gefahr ausgehen. Ich schüttelte lachend den Kopf und spitzte leicht die Ohren in seine Richtung.
„Wer ist die kleine Rothaarige bei Tori?“ fragte einer der beiden, die ich nicht kannte.
„Das? Das ist Alexis Cullen. Ist erst seit Montag auf der Schule. Ist ´ne ganz nette. Aber meiner Meinung nach, nicht ganz richtig im Kopf.“ antwortete Nick und ich ballte die Hände zu Fäusten.
„Trotzdem ein ziemlich heißes Teil.“
„Vergiss es Marcus, an der beißt du dir die Zähne aus. Glaub mir, ich hab´s schon versucht.“
„Du besitzt ja auch bei Weitem nicht meinen Charme, Nick. Ich hab noch jede rumbekommen.“
„Glaub mir, das willst du gar nicht erst versuchen. Siehst du den großen Kerl da drüben? Bei dem das T-Shirt gleich zu Platzen droht, wenn er nur den Arm bewegt? Der gehört zu ihr.“
„Die Rothaut?“ hakte Marcus nach und ich war kurz davor aufzustehen.
„Ich wette mit dem ist nicht gut Kirschen essen.“ warf Andy ein und ich spürte die Blicke, die sie mir zuwarfen, während ich so tat, als würde ich sie gar nicht bemerken.
„Ich bin auch eher daran interessiert, mal an der Kirsche zu knabbern, die zu ihm gehört.“ feixte Marcus und ich war an den Punkt gekommen, an dem ich mich nicht mehr zurückhalten wollte.
Ich stand auf, doch Quil zog mich wieder zurück auf meinen Stuhl und schüttelte den Kopf.
„Lass gut sein, Jake. Keinen Ärger wegen solcher Idioten.“
Schwer atmend ließ ich mich auf meinen Platz zurück sinken. Quil hatte Recht. Es würde immer solche Idioten geben und solange sie Lexi nicht anrührten, war es besser keinen Streit anzufangen.
Zudem waren sie angetrunken, dennoch beschloß ich das Gespräch weiter zu verfolgen. Sicher war sicher.
„Was machen die überhaupt hier? Die gehen doch nicht mal auf unsere Schule oder?“ fragte der letzte, dessen Namen ich noch nicht gehört hatte.
„Sind ein Mitbringsel von Lexi, nehme ich an, oder?“ fragte Marcus, doch Nick schüttelte den Kopf.
„Tori steht auf einen von ihnen. Deswegen hat sie sie eingeladen. Frag mich nicht, was so besonders an denen ist, dass die hübschesten Mädels so auf sie stehen. Meiner Meinung nach sind das doch alles hirnlose Idioten.“
Jetzt wusste ich, von wem Lexi all das gehört hatte, das sie am Montag so verunsichert hatte.
„Sieh dich doch um. Die meisten Mädels können ihre Augen kaum von ihnen nehmen. Ein weiterer Beweis, dass Frauen eben mehr auf Muskeln, als auf Hirn stehen. Wahrscheinlich finden sie sie exotisch, wegen diesem ganzen Indianerkram. Die sollten in ihrem Reservat bleiben, da wo sie ihn hingehören und sich mit ihresgleichen paaren.“
Jetzt war es Quil, der sich wütend erhob und ich derjenige, der ihn wieder zurück auf seinen Platz zog.
„Lass gut sein, Quil. Keinen Ärger wegen solcher Idioten.“ sagte ich knapp und es fiel mir selbst schwer, mich zurückzuhalten. Die Vorstellung, dass sie es niemals gewagt hätten, so über uns zu reden, wenn sie gewusst hätte, mit wem sie es wirklich zu tun hatten, beruhigte mich ein wenig und doch kränkten mich die Aussagen. Mit unserer Herkunft hatten viele von uns zu kämpfen, schon ohne die Umstände, die unser Dasein noch zusätzlich mit sich brachte.
Lexi und Tori kamen an unseren Tisch und Lexi ließ sich auf meinen Schoß sinken. Sofort legte ich besitzergreifend meinen Arm um ihre Mitte und zog sie nah an mich, während Tori sich links von Embry nieder ließ.
„Was ist los?“ fragte Lexi, als sie erkannte, welch Begeisterung in unseren Gesichtern stand.
„Nichts.“ beruhigte ich sie und drückte ihr einen Kuss auf die Schulter, während ich mir einen arroganten Blick zum Nachbartisch nicht verkneifen konnte.
Ich freute mich riesig auf der Party zu sein. Irgendwie war sie genau so wie ich sie mir vorgestellt hatte. Eine Menge netter Leute, gute Musik und eine Stimmung, die sofort nach mir gegriffen hatte, als wir das Haus betreten hatten. Das einzige, was mich ein bisschen in meiner Euphorie bremste, waren die Gesichter von Jake und seinen Freunden. Sie schienen nicht wirklich glücklich darüber, hier zu sein und sie waren recht schlecht darin, es zu verbergen.
Meine Hoffnung bestand darin, dass auch sie irgendwann loslassen würden und merkten, dass dies hier nicht halb so schlimm war, wie sie vielleicht dachten.
Kaum, dass wir den Garten betreten hatten, umwehte mich der Duft von frisch gegrilltem Fleisch, einer Mischung aus verschiedene Parfüms und Alkohol. Tori hielt mich leicht am Arm zurück, während Jake und die anderen einen Platz am Pool suchten.
Ich winkte ihnen kurz zu, um ihnen zu bedeuten, dass ich mich gleich wieder zu ihnen gesellen würde. Ich hakte mich bei Tori ein und wir machten einen kleinen Spaziergang durch den Garten.
„Danke, dass ihr wirklich gekommen seid.“ sagte Tori und warf einen Blick über die Schulter zurück zu Embry. „Meine Güte, der ist so verdammt niedlich.“
Ich lachte leise.
„Tori, Embry ist ein Junge und kein Meerschweinchen.“ maßregelte ich sie gespielt.
„Ja, aber er ist mindestens genau so süß.“ kicherte sie und ich nahm einen Schluck aus meinem Pappbecher. Das Getränk schmeckte zuckrig süß und der Alkohol darin war deutlich heraus zu schmecken.
„Ach übrigens, Phase eins ist abgeschlossen. Ich habe alles was du brauchst schon vorbereitet.“
„Super. Du bist die Beste. Danke.“ antwortete ich und musste leise schmunzeln. Seit Tagen schmiedete ich mit Tori an einem Plan für den heutigen Abend. Und sie war eine wundervolle Komplizin.
„Und deine Eltern haben auch wirklich nichts dagegen?“ hakte ich nach und Tori schüttelte nur den Kopf.
„Ach was. Sie wissen doch von der Party. Und sie kommen ohnehin erst in drei Tagen von meinen Großeltern wieder. Bis dahin bin ich die Herrin des Hauses.“ sie zwinkerte mir zu.
„Okay, dann werde ich mich nachher um Phase 2 kümmern.“
„Brauchst du nicht. Ich habe meinem kleinen Bruder 5 Dollar gegeben, damit er sich darum kümmert. Wir können also beide unsere Hände in Unschuld waschen.“
„Perfekt.“ sagte ich und atmete nervös und erleichtert zugleich durch.
„Danke, dass du das mit mir durchziehst.“
„Na na, durchziehen musst du das schon alleine. Ich helfe dir nur bei den Vorbereitungen.“
„Und dafür bin ich dir wirklich unendlich dankbar, bei mir zu Hause geht’s wirklich nicht.“
„Versteh schon.“ beruhigte sie mich. „Ich freu mich doch, wenn ich der Liebe auf die Sprünge helfen kann.“
„Ja...ich habe meine wahre Liebe bereits gefunden.“ sagte ich pathetisch und brach in Gelächter aus.
„Ach, Süße. In unserem Alter ist es immer die wahre Liebe. Aber schön, dass es so gut für dich läuft.“ sagte sie ehrlich und ich stellte fest, dass ich Tori in der kurzen Zeit, die wir uns kannten, schon ziemlich lieb gewonnen hatte.
„Mit Jake und mir ist das anders. Ich kann dir nicht sagen warum, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich ohne ihn nicht lebensfähig wäre. Klingt gruselig, oder?“ sagte ich und nahm noch einen Schluck.
„Ein bisschen. Allein wie er dich ansieht. Als wäre er jederzeit bereit, die gesamte Welt auseinander zu nehmen, wenn sie gemein zu dir ist.“
Ich nickte. „Ich würde dasselbe für ihn tun.“ sagte ich gedankenverloren und ließ meinen Blick unauffällig zurück zum Tisch wandern, an dem er saß.
„Intensive Geschichte, hm?“
Ich liebte diesen lapidaren, fast banalen Ton, den Tori anschlug. Es klang immer so, als würde sie nichts und niemand beeindrucken oder ängstigen können. Mit ihr fühlte ich mich normal.
„Ja, aber es ist auch nicht immer einfach mit ihm. Vieles von dem was er tut, verstehe ich nicht einmal im Ansatz. Ich vertraue ihm, aber manchmal habe ich Angst, dass ich es bereuen werde.“
„Du hast es doch ohnehin nicht wirklich leicht. Sind wir doch mal ehrlich. Dir fehlen nun wirklich ein paar Tassen.“ sie sah mich an und musste anfangen zu lachen.
„Ja.“ bestätigte ich, ohne beleidigt zu sein. „Er hat´s wahrscheinlich auch nicht immer leicht mit mir. Aber er ist immer noch bei mir und lässt sich nicht von mir abschrecken. Obwohl ich manchmal denke, dass ich das nicht verdient habe.“
„Warum solltest du es nicht verdient haben?“ sie runzelte die Stirn und sah mich leicht verkniffen an.
„Weibliche Intuition.“ ich zuckte mit den Schultern.
„Hey, du bist hier auf der coolsten Party ever und ich will nicht, dass du trübe Gedanken hast, hörst du? Eine Party ist da, um zu feiern und fröhlich zu sein.“ sagte sie und ich nickte zustimmend.
„Hast ja recht. Und nun sollten wir etwas unternehmen, damit auch du die wahre Liebe findest.“ sagte ich dramatisch und zog sie sanft mit zum Tisch, an dem jedoch nur noch ein Platz frei war. Daher setzte ich mich ohne Umschweife auf Jakes Schoß und genoß es, wie er sofort seinen Arm um meine Mitte legte. Tori nahm den freien Platz neben Embry und ich konnte mir ein leises Grinsen nicht verkneifen.
„Was ist los?“ fragte ich, als ich erkannte, welch Begeisterung in ihren Gesichtern stand.
„Nichts.“ beruhigte Jake mich und drückte mir einen Kuss auf die Schulter. Ich lehnte meinen Kopf gegen seinen und ließ mich von seinem wundervoll zedernen Geruch benebeln, während er mich festhielt.
Langsam entwickelte sich ein Gespräch an unserem Tisch und sogar Embry, der anfangs recht verschlossen gewirkt hatte, ließ sich darauf ein, ein wenig mit Tori zu flirten.
Ich hörte den Geschichten aus dem Reservat zu und warf nur hin und wieder eine kleine Bemerkung ein. Ich wollte Tori nicht die Schau stehlen. Und mit der Zeit ließen sich immer mehr Gäste an unserem Tisch nieder. Meine Begleiter schienen eine gewisse Faszination auf die anderen auszuüben und ich genoß zu sehen, dass sie hier nicht halb so unbeliebt waren, wie ich befürchtet hatte.
Wir schäkerten viel herum und ich trank das ein oder andere Glas der zuckrigen Bowle, die Tori selbst gemacht hatte, fühlte mich jedoch selbst nach dem dritten Becher noch nicht wirklich beschwipst. Gegen 21 Uhr hatte Tori sich so gut mit den Jungs arrangiert, dass sie es sogar schaffte sie dazu zu überreden, sich um den Grill zu kümmern.
Ich blieb mit Jake noch einen Moment zurück, während alle anderen sich um Würstchen und Steaks kümmerten.
„Und?“ fragte ich sanft und legte meine Arme um seinen Nacken. „Ist es hier wirklich so schlimm?“
„Nirgendwo, wo du bist, könnte es schlimm für mich sein.“ sagte Jake lächelnd und brachte mich damit ebenfalls zum Lächeln.
„Dann bin ich zufrieden.“ sagte ich und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen.
„Hungrig?“ fragte ich weiter und sah ein leichtes Blitzen in seinen Augen.
„Ziemlich.“ gab er zu und seine Lippen verzogen sich zu einem vielsagenden, schiefen Lächeln, das ich einfach zum Niederknien fand.
„Du bekommst auch nie genug, oder?“ neckte ich ihn und lehnte meine Stirn gegen seine, einfach nur die Wärme seiner Nähe genießend.
„Von dir? Niemals.“ entgegnete er ernst und ich strich verliebt durch sein Haar.
„Es wächst schnell.“ stellte ich fest und griff ein weiteres Mal hinein, um mich noch einmal davon zu überzeugen.
„Es wächst ja auch nur für dich.“
„Wie alles andere an deinem Körper hoffentlich auch.“ sagte ich bedeutungsvoll und Jake schüttelte lachend den Kopf.
„Ich glaub, ich muss dein kleines Schandmaul mal mit Seife auswaschen.“ sagte er scherzhaft und ich zwinkerte ihm zu.
„Würde nichts helfen. Die dreckigen Gedanken wären immer noch da.“ klärte ich ihn auf.
Seit unserem kleinen Intermezzo unter der Dusche, konnte ich an fast nichts anderes mehr denken.
Und seit er sich in dieser Beziehung mir gegenüber geöffnet hatte, wünschte ich mir, auch den letzten Schritt mit ihm zu gehen.
Die Gefühle, die er in mir weckte, waren so rein und ehrlich, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass Gott etwas dagegen haben würde, wenn wir sie teilten. Meine frühere Einstellung dazu war nicht mehr vorhanden. Mir war es egal, wie ich mal darüber gedacht hatte, denn bereuen würde ich es auf keinen Fall. Ich wollte mich an ihn binden, auf jede nur erdenkliche Art und Weise.
„Du hast dreckige Gedanken?“ fragte er gespielt entrüstet und ich hob die Augenbrauen.
„Manchmal.“ sagte ich ruhig und drückte ihm einen weiteren Kuss auf. Ich konnte einfach nicht genug von ihm bekommen. Er war mein Ein und Alles, mein Herzschlag, mein Atem.
„Würstchen sind fertig.“ rief Jared schließlich zu uns herüber und ich wandte den Blick zur gegenüberliegenden Seite des Pools.
„Dann komm, kümmern wir uns erst um den einen Hunger und später um den anderen.“
Ich stand auf und zog Jake mit mir.
Seine Finger verschlangen sich augenblicklich mit meinen und es war so offensichtlich, dass wir zueinander gehörten.
Ich hatte durchaus die neidischen Blicke einiger Mädchen meiner Schule bemerkt. Jake war faszinierend, gut aussehend und einfach nur cool, wie ich fand und ebenso wie die anderen Quileute erweckte er das Interesse vieler. Aber ich wusste, dass es ihn nicht beeindruckte, er es vielleicht nicht einmal bemerkte. Ich glaubte zu wissen, dass er selbst in einem Raum voller Supermodels nur mich sehen würde.
Ich ließ mir von Jared ein Würstchen geben, während Jake sich für ein großes Steak entschied, dann für ein zweites und schließlich für ein drittes und viertes. Ich wusste nicht, ob Tori mit dem Hunger meiner Begleiter gerechnet hatte, denn schließlich war alles was sie besorgt hatte, bis auf den letzten Krümel verputzt und ich fragte mich, ob überhaupt jeder Gast etwas abbekommen hatte.
Ich hatte selber einige Steaks und Würstchen verzehrt, den Jungs also mit dem Wegputzen des Essens mehr als nur geholfen, und damit große Augen von Tori kassiert.
„Wie kannst du so schlank sein, wenn du solche Mengen isst?“ fragte sie beinahe schockiert. Ich zuckte nur mit den Schultern.
„Keine Ahnung, ich habe nur irgendwie immer Hunger, also esse ich. Ich habe die Mahlzeiten von 17 Jahren vergessen, vielleicht versuche ich nur, etwas nachzuholen.“ schätzte ich und Tori schüttelte den Kopf.
„Du bist verrückt.“ sagte sie fassungslos
„Ja, ich glaube, das bin ich wirklich.“ wir sahen uns an und begannen auf ein Neues zu lachen.
Es war ein wirklich gelungener Abend und ich genoß ihn in vollen Zügen. Jake war bei mir, Tori ebenfalls und Jakes Freunde schienen sich recht gut mit den meinen zu verstehen.
Nachdem wir alle mehr oder minder satt und zufrieden waren, drehte Tori die Musik auf und schnell hatten sich einige Tanzwillige auf der kleinen Terrasse neben dem Pool versammelt.
Tori hatte sich Embry geschnappt und mit einem etwas zu leidvollen Blick zu uns zurück, folgte er ihr um mit ihr zu tanzen. Ich sah den beiden eine Weile zu und fand, dass sie ein wirklich schönes Paar abgeben würden.
„Läuft doch ganz gut, oder?“ fragte ich, während ich mich an Jakes breite Brust schmiegte.
„Willst du tanzen?“ erwiderte er und ich bekam das Gefühl, dass er vom Thema ablenken wollte. Aber es störte mich keineswegs. Ich nickte überschwänglich. Wir liefen zur Tanzfläche und als Jake seinen Arm hob, drehte ich mich einmal darunter hindurch.
Er lachte und zog mich wieder an sich, während wir begannen uns im Takt der Musik zu bewegen.
„Unser erster Tanz?“ fragte ich und blickte in meine so heiß geliebten, braunen Augen.
„Unser erster als Paar.“ antwortete er und drehte mich ein weiteres Mal.
„Irgendwie fühlt sich mit dir alles an wie das erste Mal. Jeder Kuss und jede Berührung.“ sagte ich leise und drängte mich wieder an ihn.
„Und wir haben noch jede Menge erste Male vor uns.“ lächelte er weich und wusste nicht, wie recht er damit hatte.
Erst gegen Mitternacht begann sich die Party langsam aufzulösen. Nach und nach verabschiedeten sich die Gäste und der Pegel meiner Nervosität stieg ins Unermessliche.
Als wir die Letzten waren, die noch auf der Tanzfläche waren, blickte auch Embry auf seine Armbanduhr.
„Wird Zeit, Jake. Wir müssen auch los.“
Jake nickte und sah mich fragend an.
„Ich hab Tori versprochen, ihr noch ein wenig beim Aufräumen zu helfen. Macht es dir etwas aus, wenn wir noch ein bisschen bleiben?“
„Nein, schon in Ordnung.“ gab er zu Antwort und ich lächelte. Bisher verlief mein kleiner Plan bestens und wenn jetzt nichts mehr schief ging, würde ich morgen die wichtigste Erinnerung meines Lebens besitzen.
Es dauerte eine knappe Stunde, bis wir alle Pappbecher und Teller, sowie Luftschlangen und Ballons wieder eingesammelt hatten. Ich spürte, wie mein Herzschlag immer schneller wurde und mit jedem Blick, den ich Jake zuwarf, wurde mein Mund trockener.
Es war nicht, dass ich kalte Füße bekam, aber die Aufregung hatte einer gewissen Angst Platz gemacht. Ich fürchtete mich davor, dass Jake vielleicht anders denken könnte als ich.
Ich sah zu Tori hinüber und nickte unmerklich, aber sie verstand.
„Okay. Danke für eure Hilfe, aber ihr solltet euch vielleicht auch lieber auf den Weg machen.“ sagte sie und knotete den letzten Müllsack zusammen.
„Wir haben dir gerne geholfen.“ antwortete Jake, legte einen Arm um meine Schulter und Tori begleitete uns noch zur Tür.
Ohne dass es Jake bemerkte, zwinkerte ich ihr verhalten zu und hoffte, dass die 5 Dollar, die sie ihrem Bruder gegeben hatte, nicht verschwendet waren.
Ich merkte mein Zittern, als Jake und ich zum Auto gingen und hoffte, dass er es nicht bemerken würde.
Ich hielt ihn leicht auf Abstand und gestand ihm nur zu, meine Hand zu halten. Er kannte mich zu gut, als dass ihm meine Nervosität entgehen würde, wenn ich zu nah bei ihm war.
Aus den Augenwinkeln blickte ich verstohlen zu seinem Golf und stellte erleichtert fest, dass Toris kleiner Bruder gute Arbeit geleistet hatte. Ich würde seinen Lohn verdoppeln, wenn jetzt nichts mehr schief ging.
Aus allen vier Rädern war die Luft herausgelassen und als Jake es sah, warf er die Hände in die Luft.
„Fuck! Sieh dir das an.“ Er trat gegen einen der Reifen.
„Da hat sich wohl jemand einen Scherz erlaubt.“ sagte ich um Ruhe bemüht.
„Ja, einen schlechten und ich kann mir bereits denken, wem ich das zu verdanken habe.“ sagt er bissig und ich hatte nicht damit gerechnet, dass es ihn so wütend machte.
Ich kniete mich vor einen der Reifen und schraubte die Ventilkappe wieder zu.
„Halb so schlimm, Schatz. Die Reifen sind immer noch ganz. Wir müssen einfach nur wieder Luft reinlassen.“
„Und woher soll ich um diese Zeit einen Kompressor bekommen?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht kann uns Tori ihren Wagen leihen und wir kümmern uns morgen in aller Ruhe um dein Auto.“
Jake war nicht begeistert, aber er ließ sich von mir zurück zum Haus führen und nach kurzem Klopfen, öffnete Tori die Tür. Sie hatte sich bereits umgezogen und ihr rosa Pyjama sah richtig niedlich an ihr aus.
„Hey.“ sagte sie verwundert und hatte einen Oscar für ihre Vorstellung verdient.
„Hey. Jemand hat die Luft aus Jakes Golf gelassen. Kannst du uns vielleicht dein Auto borgen?“ fragte ich unschuldig und war überrascht, wie leicht mir dieser einstudierte Text über die Lippen ging.
„Oh...würde ich gerne, aber ich habe vergessen zu tanken. Ihr würdet es wahrscheinlich nicht bis zu dir schaffen und eine Tankstelle ist in Forks auch nicht mehr offen.“ sagte sie grimmig. „Aber kommt doch erstmal wieder rein. Sieht aus, als ob es gleich anfängt zu regnen.“
Sie trat bei Seite und Jake und ich folgten ihr ins Haus.
Wir setzten uns in Wohnzimmer und Tori brachte uns noch eine Runde Getränke.
„Kannst du nicht deinen Vater anrufen? Er würde euch doch bestimmt abholen, oder?“ fragte Tori und ich schüttelte den Kopf.
„Das würde ich nur ungern machen. Es ist spät und ich will ihn nicht unbedingt aufwecken. Er hatte bestimmt ´nen langen Tag.“
Jake schnaubte kurz, wobei ich nicht verstand, warum.
„Ein Taxi bekommt ihr um diese Zeit auch nicht mehr. Aber hey...ich habe eine Idee.“ sagte sie plötzlich und es klang wirklich so, als sei sie ihr gerade eben erst eingefallen. Sie war verdammt gut. Ich würde ihr vorschlagen, der Schauspielgruppe unserer Schule beizutreten.
„Ihr könnt im Gästehaus übernachten, wenn ihr wollt. Und morgen früh fahr ich euch in die Stadt. Oder wir rufen einen Abschleppdienst an.“
„Würdest du uns das wirklich erlauben?“ fragte ich gespielt überrascht und Tori nickte.
„Ja, klar. Das braucht im Moment doch eh niemand und ihr braucht euch erstmal keine Gedanken darüber zu machen, wie ihr nach Hause kommt.“
„Ich könnte auch Quil anrufen, er wird uns bestimmt abholen.“ warf Jake ein und ich machte große Augen.
„Ja, sicherlich. Aber er ist doch bestimmt auch gerade erst nach Hause gekommen. Willst du ihn wirklich wieder hochscheuchen?“ fragte ich ernst und Jake seufzte.
„Dann bleibt ihr also? Gut, wartet. Ich hole eben die Schlüssel.“ Tori stand auf und verschwand kurz im Nebenzimmer, bevor sie mir einen kleinen, silbernen Schlüssel in die Hand drückte.
Jetzt begann die entscheidende Phase unseres Plans und ich atmetet tief durch.
„Danke.“ sagte ich und deutete auf den Schlüssel. „Das ist wirklich verdammt lieb von dir.“
Zögernd stand ich auf und auch Jake erhob sich sofort, als ich es tat.
Ich warf einen bedeutungsvollen Blick zu Tori, denn jetzt kam es darauf an.
„Jacob?“ sagte sie scheu und er drehte sich noch einmal zu ihr um.
„Hast du kurz Zeit für mich? Ich würde dich gerne noch etwas fragen.“
Jake stutzte einen Moment, dann ließ er sich wieder auf seinen Platz sinken.
„Was gibt’s?“ fragte er und Toris Blick wirkte überzeugend.
Ich lehnte mich zu Jake hinab und hauchte ihm einen Kuss auf die Schläfe.
„Ich geh schon mal vor. Ich bin müde. Lass dir nicht zu viel Zeit.“ flüsterte ich und warf Tori eine Kusshand zu, bevor ich mich auf den Weg machte.
Mir blieb nicht viel Zeit, und kaum dass ich aus dem Zimmer war, fing ich an zu rennen.
Direkt neben dem Pool stand das Gästehaus und mit zittrigen Fingern schloß ich die Tür auf.
Für einen kurzen Moment, blieb mir die Luft weg, als ich sah, wie viel Mühe sie sich gegeben hatte.
Im Schlafzimmer standen jede Menge Kerzen, das große Bett in der Mitte war frisch bezogen und ein, schwerer, aber angenehmer Blumenduft hing in der Luft. Ich beeilte mich zur Stereoanlage zu kommen, die Musik einzuschalten, bevor ich ins Badezimmer hetzte und dort die Tasche vorfand, die ich Tori schon gestern mitgegeben hatte und die sie hier für mich deponiert hatte.
Ich öffnete den Reißverschluss und kramte einige Dinge hervor, die ich achtlos bei Seite legte, bis ich das kleine Päckchen fand, das ich suchte. Alice hatte es für mich besorgt, auch wenn es mich einige Überredungskünste gekostet hatte und ich ihr hatte versprechen müssen, dass ich es nicht für das einsetzen würde, für das ich es nun doch tat. Aber diese kleine Lüge kam mir gerecht vor. Der Zweck heiligt die Mittel.
Ich wusste, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte und so öffnete ich die Box und holte das kleine Hemdchen hervor, das darin lag. Alice hatte es wirklich perfekt ausgesucht. Ich beeilte mich, meine Kleidung auszuziehen und schlüpfte in den knappen Traum aus dunkler Seide.
Die Cups des Negligés waren aufwendig mit funkelnden Steinen besetzt und halfen mir dabei, mir ein wenig mehr Oberweite zu verleihen, als es die Natur getan hatte.
Und auch der passende Tanga fand schnell seinen Platz an meinem Körper. Kurz bürstete ich noch einmal durch mein Haar, trug ein paar Tropfen des Parfüms auf, dass Alice mir geschenkt hatte, bevor ich wieder ins Schlafzimmer huschte und begann, die Kerzen zu entzünden.
Nicht einige Sekunde zu früh hörte ich die Eingangstür und Jakes warme Stimme, die nach mir rief.
Ich bekam Angst, dass mir vor lauter Aufregung schwarz vor Augen werden würde, aber ich straffte mich, fuhr mir noch einmal durchs Haar und war mehr als bereit, als Jake den Weg ins Schlafzimmer gefunden hatte.
Als er mich inmitten der flackernden Lichter sah und die Musik hörte, hielt er in seinen Schritten inne.
„Lexi...was soll das werd ….“ setzte er an, doch dann schien der Groschen zu fallen. Selbst ein Blinder hätte bemerkt, was ich vorhatte.
Ich machte ein paar Schritte auf ihn zu und versuchte dabei aufreizend auszusehen. Als ich bei ihm angekommen war, legte ich ihm meinen Finger auf die Lippen und sah ihm tief in die Augen. Ich ergriff seine Hände und zog ihn mit mir zum Bett. Er folgte mir anstandslos und erst, als sich meine Hände um den Saum seines Shirts schlossen, schien er aus seiner Überraschung zu erwachen und hielt meine Handgelenke fest.
„Willst du das wirklich?“ fragte er mich ,doch ich drängte ihn sanft aufs Bett, bevor ich über ihn kroch und kleine Küsse auf seinem Hals verteilte.
„Würde ich all das tun, wenn ich es nicht wollte?“ hauchte ich heiser in sein Ohr und meine Lippen suchten die seinen, doch er wand sich unter meinen Berührungen.
Ich wusste, dass es einige Mühe kosten würde, ihn davon zu überzeugen, dass wir das Richtige taten und ich war auf seine Ablehnung gefasst gewesen. Doch sie schien mehr als halbherzig zu sein und ich rechnete mir gute Chancen aus, ihn umzustimmen. Wieder legten sich meine Lippen auf die warme Haut seines Halses und spielerisch ließ ich meine Zunge gegen sein Ohrläppchen stoßen. Ich fühlte die Gänsehaut, die ihm dies verursachte und drängte meinen Körper dem seinen entgegen.
„Bitte, Jake.“ wisperte ich flehend. „Bitte, schlaf mit mir.“
Er schloß seine Augen und ich war fest davon überzeugt, gewonnen zu haben.
„Nein.“
Meine Vorfreude fiel in sich zusammen und ich zog mich leicht von ihm zurück, enttäuscht über seine erneute Ablehnung.
Doch Jake hielt mich zurück und zog mich am Arm zurück über sich und tief blickte er mir in die Augen. Diese wunderbaren, dunklen Augen. Ein Blick von ihnen und ich war pures Wachs.
„Nicht, bevor du es mir nicht gesagt hast.“ sagte er rau und leckte sich über die Lippen, die nun leicht im Licht glänzten und sofort mein Verlangen nach ihnen entfachten.
„Bevor ich dir was gesagt habe?“
„Bevor du mir gesagt hast, dass du mich liebst.“ entgegnete er ernst und ich runzelte leicht die Stirn.
„Du weißt genau, was ich für dich empfinde.“ verteidigte ich mich ruhig und spürte Jakes Hände, die sacht über meinen Rücken streichelten.
„Du hast es mir seit dem Unfall nicht mehr gesagt.“
„Weil ich lügen würde.“ sagte ich aufrichtig und hatte das Gefühl zu sehen, wie etwas in ihm zerbrach.
„Du liebst mich nicht?“ kam es tonlos von ihm und seine Hände hielten in ihren Streicheleinheiten inne.
„Was ich für dich empfinde geht über Liebe hinaus.“ sagte ich ebenso ehrlich, wie ernst. „Es gibt kein Wort, das beschreiben könnte, was du mir bist. Und solange ich keinen Begriff, keine Umschreibung dafür gefunden habe, will ich meine Gefühle zu dir nicht schmälern, indem ich sie Liebe nenne.“
„Jag mir nie wieder einen solchen Schrecken ein.“ Jakes Hand legte sich fest an meine Wange und ich sah, welche Angst ich ihm bereitet hatte. „Spiel nicht mit mir.“
„Ich spiele keine Spiele, es ist mir ernst.“ antwortete ich und drehte mein Gesicht, um seine Handinnenfläche zu küssen.
„Ich will es trotzdem hören.“ Er lenkte meinen Blick wieder in seine Augen und ich verlor mich in ihnen, als gäbe es keine anderen Ort für mich, als das Licht in ihnen.
„Jacob Black.“ sagte ich weich. „Du bist die Liebe meines Lebens und nie wird es für mich einen anderen Menschen geben, für den ich mehr empfinden werde, als für dich. Du bist mein Herz, meine Seele, du bist Alles. Von jetzt, bis in alle Ewigkeit, wirst du der Eine für mich sein. Ich liebe dich.“ Ich zögerte nur eine Millisekunde, während der mir der Gedanke durch den Kopf schoß, dass es kein Zurück mehr geben würde, wenn ich ihn jetzt küsste, doch dann berührten meine Lippen die seinen und meine Nervosität, die Bedenken und Befürchtungen lösten sich in einer heißen Wolke von Begehren auf.
Von diesem Punkt an gab es nur noch uns in unserem eigenen, himmlischen Universum.
Bebend fanden meine Hände den Weg unter sein Shirt und mit dem Gefühl seiner warmen Haut unter meinen Fingerspitzen schob ich es Stück für Stück über seinen Oberkörper.
Nur kurz löste sich Jake von mir, zog es sich ganz über den Kopf und warf es achtlos zu Boden.
Ich wollte nur noch seine Haut spüren, sie schmecken und mich ihm hingeben.
Golden schimmerte er im Licht der vielen Kerzen und nur am Rande vernahm ich den prasselnden Regen, der begann, gegen die Fenster zu schlagen.
Doch kein Unwetter, keine Kälte konnte mich in seinen Armen erreichen. Ich konnte nur angenehme, wohlige Wärme spüren.
Beinahe zurückhaltend glitten seine Hände über meinen Rücken und augenblicklich bereute ich meine Entscheidung, ein Negligee zu tragen, denn der Stoff verhinderte, dass ich seine Berührung so pur und klar spüren konnte, wie sie war. Ich richtete mich leicht auf und wie von einer Schnur gezogen, folgte Jake meiner Bewegung und es entstand ein Magnetismus zwischen unseren Körpern, den selbst wir nicht durchbrechen konnten.
Seine Hände versenkten sich in meinem Haar und ich seufzte leise auf, als er mir neckend in die Unterlippe biss. In dem Wissen, dass uns hier nichts und niemand stören würde, schob ich den seidenen Stoff des Hemdchens über meine Oberschenkel und sogleich verspürte ich den warmen Griff Jakes, als sich seine Finger um die freigelegten Stellen schloßen.
Sein Duft hatte eine aphrodisierende Wirkung auf mich und mit geschlossenen Augen überließ ich ihm die Führung. Seine Hände wanderten quälend langsam über meine Schenkel bis hin zu meinem Po, nur um mich dann mit einem festen Ruck auf seinen Schoß zu ziehen.
Ich hielt erschrocken die Luft an, als ich seine Erregung nicht mehr nur erahnte, sondern auch körperlich spüren konnte.
Eingesponnen, wie in einen Kokon, bewegten wir uns in einmaligem Gleichklang und hier fand ich alles, was ich brauchte. Wärme, Licht, Sicherheit und absolute Nähe, sodass ich langsam daran zu zweifeln begann, mich jemals wieder von ihm lösen zu können.
Tief vergrub ich meine Hände in seinem dichten Haar und zog seinen Kopf leicht in den Nacken, bevor ich mit meiner Zunge einen feuchten Pfad über seinen Hals bis hin zu seinen Lippen hinterließ. Forschend und neugierig drangen unsere Zungen in das jeweils andere Terrain, spielten miteinander und wurden dabei immer fordernder.
Jakes Hände wanderten sanft und behutsam meinem Rücken hinab. Jede seiner Streicheleinheiten hinterließ ein sehnsuchtsvolles Prickeln auf meiner Haut, mit dem er mir das Gefühl gab, als wüsste er ganz genau, wo und wie er mich zu berühren hatte, um mir genau das zu schenken, nachdem ich mich jetzt sehnte.
Unser Tempo wechselte stets und waren wir im einen Moment noch voller Vorsicht und Zärtlichkeit, so hielt der nächste Augenblick Begierde und Verlangen für uns bereit.
Schließlich drängte ich ihn zurück in die Kissen und begann seine Brust zu küssen, kleine Kreise mit meiner Zunge zu zeichnen und mit einem gewissen Respekt vor der Intensität unserer Zuneigung und meiner Unerfahrenheit, legten sich meine Finger um die Knöpfe seiner Jeans.
Es würde nicht das erste Mal sein, dass ich Jake nackt sah, doch dieses Mal wusste ich, was es bedeutete und wohin es führte und dieser Umstand löste eine gewisse Unsicherheit in mir aus.
Ich hatte keine Berührungsängste, aber bisher war es eine einmalige Erfahrung gewesen.
Warm fuhr seine Hand über meine und gemeinsam befreiten wir ihn von seinen Hosen, die ebenso achtlos den Weg zum Boden fanden, wie zuvor sein Shirt.
Tief legte sich sein Blick in meine Augen, als er sich vor mich kniete, seinen festen Arm um meine Taille schlang und behutsam schoben seine Finger die Träger meines Hemdchens über meine Schultern. Mein Herz begann so laut zu schlagen, dass ich damit rechnete, dass es gleich meinen Brustkorb sprengen würde. Den Blick nicht aus meinem lassend, schob Jake den Stoff immer weiter hinab und legte Zentimeter für Zentimeter meine Brust frei, bevor sich seine Handinnenfläche brennend heiß auf meine Wangen legten.
„Was machst du nur mit mir?“ hauchte er mir heiser entgegen und der Bariton seiner Stimme sendete kleine Blitze durch meinen Körper.
„Dich verführen.“ Ich biss mir auf die Unterlippe, als Jake den Kopf senkte und sich seine weichen Lippen um meine rechte Brust schlossen. Ich war mir bei Weitem nicht mehr sicher, wer hier wen verführte.
Instinktiv legte sich mein Kopf in den Nacken, während jede Berührung seiner Lippen, kleine Explosionen unter meiner Haut verursachte, die sich in aufbrandenden Wellen über meinen gesamten Körper zogen. Ich berührte seine festen Muskeln, glitt über seine weiche, glatte Haut und spürte, dass ich nie genug von ihm bekommen würde. Sein Herzschlag hallte durch mein Innerstes und sein Duft war animalisch. Alles was er tat, raubte mir den Verstand, alles klare Denken wurde wie ein ungebetener Gast verscheucht, der das Bevorstehende noch abwenden konnte.
Unbeholfen wechselte ich meine Position, um mich von meinem Hemdchen zu befreien und Jake griff geradewegs wieder nach meinem Körper, dem ich ihm mehr als willig entgegen bäumte.
Liebevoll führte er mich und legte mich auf den Rücken in die weichen Laken.
Ich wollte ihn, schrie nach ihm ohne auch nur ein Geräusch zu verursachen und mein Verlangen nach ihm war das intensivste Gefühl, das ich jemals verspürt hatte.
Seine Küsse infizierten mich mit purer Begierde und ich war bereit dazu, alles für ihn zu sein, was er sich wünschte. Ein Wort von ihm und ich würde alles tun. Vollkommen gefangen von seiner Erscheinung, hörig und seinem Willen ausgeliefert, prickelte mein Verlangen durch meine Adern. Jede Berührung war ein unausgesprochenes Versprechen und er hielt jedes, das er mir je gegeben hatte. Seine Bewegungen schienen wie aus einer anderen Welt zu sein und ich wollte mich von ihm dorthin entführen lassen, wollte zu seinem Opfer werden.
Seine Händen brannten auf meiner Haut und das Feuer, dass er in mir entfacht hatte, begann mich vollständig zu verzehren.
Er schien sich in dem, was er tat so sicher zu sein, war nicht zögernd, nicht schwach und als sich seine Finger mit leichtem Druck an mein Höschen legten, war ich nicht mehr in der Lage zu atmen.
Und dann war alles, was wir noch trugen unsere Haut und quälend langsam begann Jake mich zu liebkosen, ließ sich Zeit mich zu necken und zu verwirren. Allmählich ließ er sich neben mir nieder und sein Atem strich heiß über meinen Körper. Der Blick meiner Augen sah durch den Schleier meiner eigenen Lust nur noch ihn.
Ich spürte sein Beben, vereint mit meinem eigenen Zittern. Seine Augen suchten die meinen, und seine Finger streichelten weich über meine Seiten.
„Hast du Angst?“ flüsterte er rau, als er bemerkte, dass ich zitterte, wie das letzte Blatt an einem sterbenden Baum.
„Ein wenig.“ gab ich zu, und hätte nicht gedacht, dass ich überhaupt noch in der Lage war, etwas zu sagen.
„Vor mir?“
„Nein, nur davor, dir nicht zu genügen.“ wisperte ich leise und er richtete sich neben mir leicht auf.
Seine Hand strich über meinem Arm, umfasste schließlich meine Hand und mit Vorsicht, als könne ich unter seiner Berührung zersplittern, wie sprödes Glas, legte er meine Hand an seinen Hals.
Ich spürte das Blut durch seine Halsschlagader dröhnen, mit stetem schnellen Puls.
„Spürst du das? Das passiert mit mir, wenn du nur in meiner Nähe bist, wenn ich nur an dich denke.“ sagte er mit rauchiger Stimme, bevor er meine Hand weich zu seiner Brust gleiten ließ.
Sein Herzschlag wehrte sich scheinbar ebenso wie der meine gegen die Enge seines Brustkorbes.
„Und spürst du das? Das passiert, wenn du mich berührst.“ Seine Stimme klang belegt und ich hielt den Atem an, während ich ihr lauschte.
Zentimeter für Zentimeter ließ er meine Hand über seine Bauchmuskeln fahren, vorbei an seinem Bauchnabel und an den kleinen Strich dunkler Haare darunter. Ich zuckte kurz, als meine Finger gegen die feste Haut seines Schoßes stießen. Ich sah, wie er die Augen schloß und ein leises Stöhnen seine Lippen verließ.
„Und kannst du das fühlen? Das passiert, wenn du mich küsst, wenn ich dich berühre. Ich mag in der Lage sein zu lügen, mein Körper nicht.“ sagte er rau und in meinem Bauch verspürte ich ein fast schmerzhaftes Ziehen.
Wieder begann er mich zu küssen und alle Angst war aus mir gewichen, wie aus einem undichten Ballon.
Ich spürte die Schwere seines Körpers, als er sich über mich legte und jede Stelle, die er dabei berührte, flammte ebenso flackernd auf, wie die Lichter um uns herum.
Ich öffnete langsam meine Beine, ließ ihn seinen Platz dazwischen finden und einen Herzschlag später, waren wir endlich eins.
Lexi schlief. Tief und fest, während ich am Rande des Bettes saß und sie einfach nur ansah. Ihren makellosen, alabasterfarbenen Rücken und ich war versucht, meine Finger über ihre Wirbelsäule gleiten zu lassen. Doch ich hielt mich zurück. Die Nacht war lang gewesen und sie brauchte die Ruhe. Immer noch konnte ich ihre Küsse auf meinen Lippen spüren und die Wärme ihres Körpers hielt mich noch immer gefangen. Sie war nicht kalt gewesen, nicht tot. Nichts hatte mich daran erinnert, was sie eigentlich war. Nur hin und wieder war ihr Griff schmerzhaft fest geworden, aber ich hatte mich nicht daran gestört.
Mit einem Mal kamen mir all die Warnungen der Cullens lächerlich vor. Ich hatte es gewusst. Hatte gewusst, dass Alexis mir niemals Schaden zufügen würde. Ebenso wenig, wie ich sie jemals würde verletzen können. Ihre Erinnerung mochte ausgelöscht worden sein, aber ihren Instinkt hatte sie behalten und gespürt, dass ich immer noch ein Teil von ihr war. Jetzt mehr, denn je.
Noch nie im Leben hatte ich mich so leicht gefühlt, so vollkommen, so sehr eins mit mir selbst und im Reinen mit meiner Umwelt. Eine neue Dimension des Seins hatte sich mir in dieser Nacht offenbart. Meine Welt trug neue Farben, intensiv und reichhaltig und ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich lebendig.
Heute Nacht hatte sie ihren Namen tief in meine Seele gebrannt.
Ich wusste, dass all das kitschig klang, nichts davon wirklich beschreiben konnte, was mit mir geschehen war,... mit uns. Nichts und niemand hätte mich darauf vorbereiten können und ich war nicht in der Lage, es an jemand anderen weiterzugeben.
Aus den Augenwinkeln vernahm ich eine Bewegung und leise, wenn auch schnell war ich auf den Beinen.
Breit grinsend stand Tori vor dem Fenster, ein Silbertablett in den Händen, auf dem sie ein Frühstück angerichtet hatte. Sie deutete mit dem Kopf zur Tür und ich nickte.
„Guten Morgen.“ trillerte sie unschuldig.
„Psst. Lexi schläft noch.“ Ich nahm ihr das Tablett aus den Händen und stellte es erst einmal zur Seite.
„Hast sie wohl ziemlich geschafft, hm?“ gluckste sie und versuchte einen Blick an mir vorbei auf Lexi zu werfen.
„Und du hast dich wohl ziemlich mit ihr verschworen, hm?“ sagte ich leicht tadelnd und sofort ging ihr Blick zu Boden, während sie selbst stumm blieb.
„Danke.“
Mit einem leichten Lächeln ließ ich sie spüren, dass ich ihr ganz und gar nicht deswegen zürnte.
„War nur ein kleiner Freundschaftsdienst.“ sagte sie sichtlich erleichtert.
„Du hast etwas gut bei mir. Und wenn ich Embry sehe, werde ich nur in den besten Tönen von dir reden.“ Ich wusste, dass es nicht wirklich viel Sinn machen würde, dennoch würde ich es tun.
„Danke.“ Ihre Wangen wurden von einem leichten Rosé geziert. „Ich hab schon in der Stadt angerufen. Gleich kommt ein Mechaniker und bringt einen Kompressor mit. Dann könnt ihr nach dem Frühstück wieder fahren, wenn ihr wollt.“
„Du bist wirklich eine verdammt gute Freundin.“ sagte ich ernst und meinte es auch so.
Sichtlich schien sie sich über meine Worte zu freuen.
„Dann lass ich euch zwei mal wieder allein, damit ihr noch etwas Zeit für euch habt. Lasst es euch schmecken.“
Sie hob ihre Hand und winkte kurz, bevor sie gut gelaunt wieder zurück zum Haupthaus lief.
Ich schloß die Tür hinter ihr, nahm das Tablett und balancierte es vorsichtig zum Schlafzimmer.
Behutsam stellte ich es auf der leeren Seite des Bettes ab, bevor ich mich leicht über meinen schlafenden Engel beugte.
Sofort umfing mich ihr süßer Duft und ich atmete tief ein, in dem Bestreben soviel davon in mir aufzunehmen, wie ich nur konnte.
Dann hauchte ich ihr einen sachten Kuss auf die Schläfe und ich sah, wie sie mit noch geschlossenen Augen zu lächeln begann.
„Guten Morgen, schöne Frau.“ sagte ich lächelnd und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Lexi räkelte sich leicht, bevor sie die Augen öffnete und dieses Grün zu sehen, vervollständigte mich auf ein Neues.
„Guten Morgen.“ raunte sie heiser und richtete sich ein wenig auf, wobei sie die Laken um ihren Oberkörper schlang.
„Der Zimmerservice war schon da, hm?“ sagte sie mit einem Blick auf das Tablett.
„Ja. Und ich muss feststellen, dass du mich ziemlich reingelegt hast.“ sagte ich scheltend und setzte mich wieder auf die Bettkante.
„Kannst du mir das verzeihen?“ fragte sie unschuldig und ich konnte.
„Ich denke, das geht in Ordnung.“ schmunzelte ich und griff an ihr vorbei, um mir einen Croissant zu nehmen.
„Ich wusste, dass ich einen Ort finden musste, an dem wir weder von meiner Familie gestört werden, noch von der Enge der Räumlichkeiten. Eigentlich war es Toris Idee, aber ich war sofort Feuer und Flamme dafür.“ sie nahm mir den Croissant aus den Finger, rupfte ein Stück davon ab und steckte es sich zwischen ihre immer noch leicht geschwollenen Lippen.
„Ja, das klingt nach dir.“ gab ich zu.
„Bereust du es?“ fragte sie nun leicht ängstlich und ich beeilte mich, den Kopf zu schütteln.
„Um Gottes Willen, nein. Du etwa?“ und nun war es meine Stimme, die angsterfüllt klang.
„Wie könnte ich? Jake...das gestern Nacht war...“
Ich legte ihr meinen Zeigefinger auf die Lippen. Es war nicht an der Zeit für Worte.
„Ich weiß.“ sagte ich und hätte auf der Stelle wiederholen können, was wir beide nicht bereuten.
Sie lächelte weich und ich ließ das Glücksgefühl mich durchströmen, das dieser Anblick in mir auslöste.
Wir aßen ohne Hast und Eile, denn keiner von uns hegte den Wunsch unser kleines Paradies so schnell wieder zu verlassen und zurück in die echte Welt zu kehren.
Wir teilten uns die Dusche, putzten unsere Zähne Schulter an Schulter und starteten eine kleine Wasserschlacht.
Doch gegen Mittag konnten auch wir nicht mehr verdrängen, dass es Zeit war, wieder nach Hause zu fahren. Wir zogen das Aufräumen der Spuren der Nacht zwar unnötig in die Länge, doch schließlich hatten wir alles wieder eingepackt, mein Auto war wieder fahrbereit und alles, was es mit Tori noch zu besprechen gab, war gesagt. Ich nahm Lexi ihre Tasche ab, in der sie wirklich alles dabei hatte und trug sie zum Auto, um sie im Kofferraum zu verstauen. Lexi stieg auf der Beifahrerseite ein und dann machten wir uns zurück auf den Weg zum Haus der Cullens.
Immer noch beflügelt vom Hochgefühl der Nacht, konnte keiner von uns das Lächeln von seinen Lippen weisen und ich hatte diesen Blick in ihren Augen, wenn sie mich ansah, noch nie an ihr gesehen.
Ich parkte meinen Golf in der Auffahrt, nahm die Tasche aus dem Kofferraum und nahm Lexis Hand, um ihr nach drinnen zu folgen.
Kaum, dass wir die Tür durchschritten hatten, kam Alice aufgeregt auf uns zu gelaufen.
„Hey ihr zwei. Na, hattet ihr eine schöne Party?“ fragte sie hibbelig, wodurch ihr der vielsagende Blick entging, den ich mit Lexi tauschte.
„Ja, war sehr schön.“ sagte Lexi grinsend und ich kicherte leise.
„Ratet, wer aus den Flitterwochen zurück ist.“ sagte Alice mit großen Augen und ich hielt die Luft an.
„Wirklich?“ fragte ich mit einer Mischung aus Angst und Vorfreude. War Bella immer noch Bella?
Alice nickte und Lexi und ich folgten ihr auf dem Fuß ins Wohnzimmer.
Augenblicklich legten sich meine Augen auf Bella und erleichtert stellte ich fest, dass ihr Herz immer noch schlug und sie immer noch wie sie selbst roch.
Achtlos ließ ich die Tasche zu Boden fallen, eilte die Stufen ins Zimmer hinab und mit einem ehrlichen Lachen schloss ich meine Arme um sie.
„Bella!“ sagte ich atemlos, wirbelte sie einmal herum und stellte sie dann wieder auf die Beine.
„Jacob!“ lachte sie und drückte mich noch einmal an sich. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich sie vermisst hatte und wie gut es tat, sie wieder zu sehen. Als Mensch.
Als sie mich wieder losließ, trafen Edwards kalte Augen meine und ich machte einen kleinen Schritt von ihr zurück.
„Edward.“ sagte ich kühl und nickte ihm zu.
„Jacob.“ entgegnete er ebenso kalt und legte demonstrativ einen Arm um Bellas Mitte.
Es störte mich nicht. Ich empfand nicht mehr auf diese Art für Bella und er brauchte sich nicht die Mühe machen, sein Territorium zu verteidigen.
Ich war mir sicher, dass er das wusste, aber alte Gewohnheiten legte wohl auch ein Vampir nicht so einfach ab.
Bella ließ sich von der offensichtlichen Spannung zwischen uns nicht einschüchtern. Sie hatte Übung darin.
„Gut siehst du aus.“ sagte sie mit einem warmen Lächeln und ich konnte es nicht ändern, dass ich zu leuchten begann, als ich an den Grund dafür dachte.
„Mir geht es auch gut. Fantastisch ist sogar noch untertrieben.“
Ich wandte mich um, wollte Lexi an meiner Seite spüren, aber sie hatte noch nicht einen Schritt in den Raum hinein gemacht. Immer noch stand sie auf der letzten Stufe der Treppe und offene Skepsis lag in ihrem Blick, während sie zwischen Bella, Edward und mir hin und her schaute.
Und es war Carlisle, der nun neben sie trat, vorsichtig einen Arm um ihre Schultern legte und sie langsam ins Zimmer führte.
„Alexis?“ sagte er mit seiner beruhigenden Stimme. „Darf ich dir deinen Bruder Edward vorstellen? Und seine Frau, Bella? Ihr wart gut miteinander befreundet.“
Edward ließ Bella los und machte einen Schritt auf Lexi zu. Ich wusste, dass er ihre Gedanken nun eben so lesen würde, wie er es mit meinen machte und ich hasste es, dass er sehen konnte, was mir verborgen blieb.
Er machte Anstalten sie zu umarmen, doch Lexi machte einen Schritt zurück, versteckte sich halb hinter Carlisle, als würde sie sich in Sicherheit bringen müssen.
„Schon okay, Lexi.“ sagte Edward und hob die Arme, um zu zeigen, dass er sie nicht drängen würde.
Angespannt beobachtete ich die Situation und zog mich langsam von Bella zurück um Lexi mit meiner Anwesenheit zu entspannen.
Doch schien ich sie ebenso zu verunsichern, wie Edward es tat und ich runzelte die Stirn, während ich sie fragend ansah. Ihr Blick legte sich erneut auf Bella und als ich Edward laut seufzen hörte, verstand ich gar nichts mehr.
Ich spürte, wie sich Edwards kalte Augen durch mich hindurch bohrten und ich vermeinte eisigen Vorwurf in ihnen zu erkennen.
Es machte mich wahnsinnig, dass ich nicht verstand, was für ihn ganz deutlich zu erkennen war.
Wieder machte ich einen Schritt auf Lexi zu, doch sie schob Carlisle wie einen Schutzschild vor sich und nahm eine weitere Stufe die Treppe hinauf.
„Ähm..“ begann sie zu stottern. „Ich habe noch jede Menge Hausaufgaben auf...puh... war nett Euch zwei kennenzulernen. Wir haben bald sicher genug Zeit, das Ganze zu vertiefen.“
Damit wand sie sich um und mit fliegenden Schritten verschwand sie aus dem Zimmer, schlug die Tür hinter sich ins Schloss und ich wollte ihr auf dem Fuß folgen.
Doch Edwards kalte Hand grub sich in meine Schulter, hielt mich zurück und ungestüm drehte ich mich zu ihm um.
„Was??“ sagte ich erhitzt und spürte das Adrenalin durch meine Adern pumpen.
„Du hast es ihr nicht erzählt?“ fragte er angriffslustig und vorwurfsvoll zugleich.
„Ihr was erzählt?“
Ich war wie vernagelt und konnte mir den abrupten Stimmungswechsel Lexis nicht erklären und noch viel weniger, warum ich daran schuld sein sollte.
Edward schüttelte seufzend den Kopf und sah mich dabei an, als sei ich ein dummes, kleines Kind, dass 1 und 1 nicht zusammenzählen konnte.
„Ich werde mit ihr reden.“ sagte er und wollte sich an mir vorbei schieben.
Ich knurrte ihn laut und unverhohlen an, nicht willens den Weg freizugeben.
„Hast du vergessen, dass du ein Fremder für sie bist? Glaubst du, nur weil du in ihren Kopf hineinsehen kannst, sie dir auch die Erlaubnis dafür gibt? Sie wollte dich nicht einmal berühren!“
„Zumindest weiß ich, dass sie nicht mit dir reden will.“ kam es von ihm zurück, fast triumphal und ich knurrte erneut.
„Wenn du weißt, was mit ihr los ist, warum sagst du es mir dann nicht?“ blaffte ich ihn an, nur um erneut dieses arrogante Lächeln auf seinen Lippen zu bemerken, das ich so sehr hasste.
„Woher sollte ich wissen, was mit ihr los ist? Ich bin doch nur ein Fremder für sie.“ sagte er zynisch und ich wäre ihm am liebsten an die Kehle gesprungen.
„Na, los. Geh zu ihr. Finde selbst heraus, was du jetzt schon wieder verbockt hast. Ich werde dir dabei sicherlich nicht helfen.“ Er machte einen Schritt zurück und legte wieder seinen Arm um Bellas Mitte.
Für den Bruchteil einer Sekunde, ließ ich mich von ihm verunsichern, bevor ich mir einen Ruck gab und Lexi folgte.
Ich wusste, dass es unhöflich gewesen war, Edward einfach so stehen zu lassen. Aber ich hatte in Bellas Gegenwart einfach keine Luft mehr bekommen. Ich war mit ihr befreundet? Mit ihr?
Meine Gedanken schwirrten haltlos in meinem Kopf und ich glaubte, den Verstand darüber verlieren zu müssen. Ich hatte Jakes Gesicht gesehen, als er sie sah. So voller Erleichterung, so glücklich...
Und langsam formte sich ein Bild vor meinen Augen, das ich nicht sehen wollte. Aber die Puzzlestücke griffen so perfekt ineinander, dass mir die Vorstellung unmöglich war, dass sie auch eine andere Bedeutung haben konnten.
Kaum eine Minute nachdem ich mein Zimmer erreicht hatte, war Jake mir gefolgt. Ich hatte damit gerechnet, aber ich wollte ihn nicht wirklich in meiner Nähe haben. Wollte nicht hören, welche Erklärungen er mir geben würde, denn sie würden sich in meinen Augen nur als Lügen herausstellen.
Ich versuchte Haltung zu bewahren, mich dazu zu ermahnen, erst einmal zu hören, was er zu sagen hatte und dann zu entscheiden. Ich vertraute ihm doch, oder?
Mein Blick traf seinen, als er ins Zimmer kam und ich schluckte hart.
„Was ist los, Kleine?“ sagte er weich und ich konnte nicht fassen, dass er meinte, ich würde ihm dieses Unschuldsgetue abkaufen.
„Warum hast du es mir nie gesagt?“ fragte ich mit zitternder Stimme, von der ich glaubte, sie würde unter meiner zurückgehaltenen Verzweiflung zerbersten müssen.
„Was habe ich dir nicht gesagt?“ fragte er weich und seine Art so zu tun, als wisse er nicht, worum es ging, machte mich nur noch aggressiver.
„Dass SIE die Frau meines Bruders ist.“ sagte ich ungehalten.
Er schien sich zu entspannen, als wäre es eine vollkommen unwichtige Komponente, herauszufinden, worum es mir ging.
„Ich hielt es nicht für wichtig.“ sagte er und wollte seine Hand nach mir ausstrecken, aber ich bedeutete ihm ziemlich klar, dass ich mich nun nicht von ihm berühren lassen wollte.
Es war schwer genug, mich meiner Wut zu erhalten, wenn er in meiner Nähe war und es wäre mir unmöglich, wenn er mich berührte. Wenn er mich anfasste, würde ich nicht mehr klar denken können, aber ich wollte jetzt verstehen, worum es hier wirklich ging.
„Nicht für wichtig? Du hast es nicht für wichtig gehalten, mir zu sagen, dass die Frau, die dir das Herz gebrochen hat, die du so sehr geliebt hast, dass du mich nicht sehen konntest und deren Bild immer noch in deinem Zimmer hängt, die Frau meines Bruders ist? Es war also nicht wichtig, mir zu sagen, dass es auch ihre Hochzeit war, an der du entschlossen hast, dass doch ich die Richtige für dich bin?“
„Nein.“ er zuckte hilflos mit den Schultern und ich fuhr mir erregt durch die Haare.
„Wie könnte das nicht wichtig sein?“
„Weil es nichts mit uns zu tun hat. Hör zu, ich kann verstehen, dass dich das verunsichert...“
Ich unterbrach ihn harsch.
„Es mich verunsichert? Natürlich verunsichert es mich. Wie könnte es das auch nicht?“
Ich sah ihn an und war vollständig irritiert, als ich sah, wie er zu grinsen begann. Ohne auf meinen Widerstand zu achten, legte er seine festen, warmen Arme um mich.
„Du bist eifersüchtig.“ lachte er und ich glaubte, im falschen Film zu sein.
Sicher, ich war eifersüchtig, aber das war nicht der Grund, warum ich so neben mir stand.
Ohne davon auszugehen, dass es mir gelingen würde, stieß ich ihn von mir und sah erstaunt, wie er einige Schritte zurück taumelte.
„Lexi..., Bella war und ist immer noch meine beste Freundin. Das war nie ein Problem für dich und das sollte es auch jetzt nicht sein. Wir sind nur Freunde.“ verteidigte er sich und ich kochte innerlich. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber dicke Blasen, gefüllt mit Wut, Enttäuschung und Unverständnis stiegen in mir auf und zerplatzten unweigerlich an der Oberfläche.
„Du verstehst nicht, was mich so dermaßen verletzt, oder?“ prangerte ich an und Jake schüttelte den Kopf.
„Erklär es mir“ forderte er mich auf und machte einen unbeholfenen Schritt auf mich zu.
„Du hättest es mir sagen müssen.“ sagte ich vorwurfsvoll.
„Warum?“
„Weil es mich dann nicht überrascht hätte, zu sehen wie du dich in ihre Arme wirfst.“
„Wir haben uns eine ganze Weile nicht gesehen, ich habe nicht darüber nach gedacht, was du darüber denken könntest, weil es nichts gibt, was es darüber zu denken gibt.“
„Oh, ich denke eine Menge.“ sagte ich gehässiger, als ich es wollte.
„Baby...“ wieder versuchte er mich mit seiner Stimme zu beruhigen, aber ich sah die Wände meiner kleinen Welt erzittern und es würde mehr brauchen, um sie vor dem Einsturz abzuhalten.
„Du verstehst nicht, wie das Ganze für mich aussieht. Welche Schlüsse ich daraus ziehe und du machst dich nur darüber lustig, weil du glaubst, ich sei eifersüchtig.“ warf ich ihm weiter vor und begann rastlos vor ihm auf und abzulaufen.
„Welche Schlüsse ziehst du denn?“ wieder versuchte er mir näherzukommen.
Ich schluckte, wollte die Worte nicht sagen, die sich schon längst in mich hinein gebrannt hatten. Sie würden zu real werden, wenn ich sie aussprach.
Abrupt hielt ich in meiner sinnlosen Wanderung inne und sah ihn eindringlich an. Ich wollte sehen, wie er reagierte, wollte den Betrug in ihm erkennen.
„Dass das zwischen uns eine Lüge ist.“ sagte ich ruhiger, als ich es mir zugetraut hätte.
Er sah nicht ertappt aus, nicht verletzt sondern mit einem Mal ebenso wütend, wie ich.
„Bullshit.“ sagte er mit der Stirn in tiefe Falten gelegt. „Wie kommst du denn darauf?“
„Wie sollte ich denn nicht darauf kommen? Falls du es vergessen hast, ich kann mich an nichts erinnern, was vor meinem Unfall geschehen ist. Und dann finde ich heraus, dass wir nicht einmal halb so lange zusammen sind, wie du es mich anfangs hast glauben lassen. Ich hab mir nichts dabei gedacht, weil ich mir nichts dabei denken wollte. Ich wollte dir vertrauen und dir glauben.“
„Du kannst mir vertrauen.“ unterbrach er meinen Monolog, aber ich wollte es nicht hören.
„Ich habe dir vertraut, Jake. Ich habe mich darauf verlassen, dass du mir alles, was wichtig ist, sagen würdest. Aber mittlerweile, glaube ich, dass du es mir mit Absicht nicht gesagt hast.“
„Das ist Schwachsinn. Ich habe es dir nicht erzählt, weil es keine Bedeutung hat.“ sagte er forsch und ich machte einen weiteren Schritt von ihm zurück.
„Es muss eine Bedeutung haben. Was soll ich denn deiner Meinung nach, davon halten? Du hast gesagt, du seist so etwas wie Edwards Freund. Ich habe seinen Blick gesehen, Jake. Ich bin nicht dumm. Er hasst dich! Er hasst dich ebenso sehr, wie Rose es tut und er sieht dich immer noch als Konkurrenten. Und du empfindest nicht anders. Ich kann nur erahnen, warum ihr euch so verhaltet. Du warst in seine Frau verliebt und bist es wahrscheinlich immer noch.“
„Das ist nicht wahr! Bella ist eine Freundin. Ja, ich war in sie verliebt, sehr sogar. Und ja, ich habe um sie gekämpft und ja, ich kann Edward nicht ausstehen. Aber das alles hat nicht im Geringsten etwas mit uns zu tun. Das Timing zwischen uns war vielleicht nicht gerade glücklich gewählt, aber ich kann dir nur immer wieder sagen, dass ich keine Gefühle mehr für Bella habe, nicht mehr auf diese Weise. Du bist die Frau an meiner Seite, die Frau, für die ich sterben würde...nicht sie.“
„Du hast mir gesagt, dass es zwischen uns keine Liebe auf den ersten Blick war. Aber warum dann an dem Abend, an dem du wahrscheinlich alle Hoffnung auf ein Leben mit Bella aufgeben musstest? Und warum um alles in der Welt, habe ich das akzeptiert? Oder war das auch gelogen und wir waren nie wirklich ein Paar?“
Ich bebte, meine Lippen zitterten und mein Herz war zu einem kleinen, schmerzenden Knoten geschrumpft. Je länger wir stritten, desto mehr passte all das in meinen Augen zusammen.
„Vielleicht musste ich sie erst aufgeben, um zu erkennen, dass sie nie die Richtige gewesen ist.“ er warf die Hände in die Luft.
„Und das hat alles an einem einzigen Abend stattgefunden? Sie aufgeben, dich von ihr entlieben und sofort eine Beziehung mit mir eingehen? Hörst du denn nicht, wie das klingt?“
„Ich weiß genau, wie das klingt, aber es enttäuscht mich, dass du so wenig Vertrauen in mich hast. Du hast die letzten Wochen mit mir verbracht und nicht sie. Du müsstest eigentlich wissen, was du mir bedeutest.“
Unsere Stimmen erhoben sich fast synchron und mittlerweile schrien wir beide mehr, als dass wir vernünftig miteinander sprachen.
„Alles was ich weiß ist, dass nichts von dem hier zu dem passt, was du mich hast glauben lassen. In deiner Geschichte sind Lücken, so groß wie der Grand Canyon!“
„Du warst diejenige, die mir gesagt hat, sie wäre noch nicht bereit für die ganze Wahrheit. Also habe ich mich an deine Bitte gehalten und dir nur gesagt, was ich für wichtig hielt!“ schrie er mich an und feuerte meine eigene Wut dadurch nur noch weiter an.
„Ich will deine Scheißwahrheit auch nicht mehr. Ich will nicht hören, dass ich nur 2. Wahl für dich bin, ich will nicht hören, dass ich nur eine Ablenkung von ihr sein soll.“
Wie ein Stier in der Arena auf das rote Tuch des Toreros, stürmte Jake nun auf mich zu, umfasste meine Schultern und stieß mich mit dem Rücken gegen die Wand.
„Du warst niemals die 2. Wahl für mich!“
Ich sah, wie schwer er atmete und sich ebenso von mir pushen ließ, wie ich mich von ihm.
Seine Hände auf meiner Haut zu spüren und ihn so nah bei mir, keinen Auswegs zwischen seinem Körper und der Wand hinter mir zu haben, machte es unmöglich für mich einen klaren Gedanken zu fassen. Wieder drohte ich einfach zu zerschmelzen, die Wut in mir zu tilgen und ihm zu glauben, was in meinem eigenen Kopf keinen Sinn machte. Aber ich musste hart bleiben, wie eine Statue, sonst würde ich niemals auch nur den Ansatz der ganzen Geschichte begreifen können.
Hart stieß ich ihn zurück. Ich wollte seine Nähe nicht.
„Warum dann ich? Wolltest du Edward ärgern, indem du dich an seine kleine Schwester ran machst? Oder wolltest du nur einen Weg finden, ihn in Sicherheit zu wiegen, damit er sich keine Sorgen mehr darüber macht, dass du ihm seine Frau ausspannen willst? Oder hast du vor, mir das Herz zu brechen, wie sie es mit deinem getan hat, weil ich mit ihr befreundet bin?“
„Den Scheiß muss ich mir echt nicht geben.“ Jake wandte sich von mir ab, aber ich war noch lange nicht fertig.
„Warst du deshalb so ein perfekter Freund? Hast du mir deshalb jeden Wunsch von den Augen abgelesen, damit du nicht Gefahr läufst, dass ich mich von dir trenne und deinen kleinen Plan damit sprenge?“
„Ja, genau.“ er drehte sich zu mir um, seine Augen waren zu Schlitzen verkommen und ich sah das zornige Funkeln in ihnen. „Ich hab das alles getan, damit du dich nicht von mir trennst und meinen Plan damit zunichte machst. Den Plan, den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen.“ sagte er erhitzt und ich hielt den Atem an.
„Du willst den Rest deines Lebens mit mir verbringen?“ fragte ich haltlos und hielt mich an der Kante meines Schreibtisches fest.
„Natürlich will ich das. Wenn du aufhörst, so dickköpfig zu sein und endlich damit anfangen würdest, dem einzigen Menschen zu vertrauen, der dich nie belügen würde. Dir selbst!“
„Was meinst du damit?“ fragte ich.
„Hast du gestern Nacht schon wieder vergessen? Glaubst du, ich hätte dich so lieben können, wenn mein Herz noch einer anderen gehören würde? Vertrau einfach dem, was du fühlst.“
„Ich weiß, nicht was ich fühle.“
Ich spürte, dass er mich mit seinen Worten bereits wieder nah an den Rand einer Aufgabe gebracht hatte. Alles was er sagte, wenn er es sagte, klang so überzeugend, weil ich mich von ihm überzeugen lassen wollte. Aber eine nicht müde werdende Stimme in meinem Kopf, mahnte mich zur Vorsicht.
Wenn Jake wirklich ein Spiel mit mir spielte, dann würde er es nicht so einfach aufgeben. Dafür hatte er schon zuviel investiert.
„Ich kann es dir nicht sagen. Aber ich weiß genau, was ich für dich fühle und du verletzt mich nicht weniger mit deinen Anschuldigungen, als ich dich. Aber ich wollte dich nicht mit Absicht verletzen. Was du hier machst, zielt nur darauf ab, mir weh zu tun, oder?“ sagte er gereizt und ich konnte sehen, wie sich sein Brustkorb unter seinen schweren Atemzügen hob und senkte.
„Hab ich dir die letzten Wochen irgendeinen Grund gegeben, an mir zu zweifeln? Hab ich dich irgendwann ungerecht behandelt? Dir auch nur den geringsten Anlass gegeben, zu denken, dass ich nicht so für dich empfinde, wie ich es tue? Was willst du von mir, Alexis?“
Erneut warf er verzweifelt die Hände in die Luft und die Tatsache, dass er mich bei meinem vollen Namen nannte, verursachte ein schmerzliches Ziehen in meiner Brust.
„Bei Gott, ich war nie ein Heiliger und ich bin es auch jetzt nicht. Aber ich spiele hier kein verdammtes Spiel. Ich habe dir die ganze Wahrheit nicht gesagt, weil du nicht bereit dafür warst und darin waren wir uns beide einig.“
„Wie kann ich für die Wahrheit bereit sein, wenn sie zu wissen bedeutet, dass du mich belogen hast?“ echauffierte ich mich und seine kastanienbraunen Augen brannten sich tief durch mich hindurch.
„Ich habe nie gelogen, wenn es um meine Gefühle zu dir ging.“ sagte er heiser.
„Aber du hast gelogen?“ es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.
Als sein Blick zu Boden fiel, wusste ich, dass er es getan hatte.
Ich schlang meine Arme um meinen Körper, als würde es verhindern können, dass ich Stück für Stück auseinander fiel.
„Ich wollte dich doch nur beschützen.“ kam es kläglich aus seiner Richtung und ich musste wieder lernen zu atmen.
„Vor der Wahrheit? Ist sie so furchtbar, dass man mich davor beschützen muss? Ist sie es wert, dass du das zwischen uns bereitwillig riskierst?“
„Ich würde alles tun, um dich zu schützen. Es gibt nur einen Grund, warum ich existiere, nur ein Ziel in meinem Leben. Dich glücklich zu machen, egal was es kostet. Selbst wenn es bedeuten würde, nicht an deiner Seite zu sein, wenn es das ist, was du willst.“
Er hob den Kopf wieder und seine Augen schimmerten glasig, als habe sich ein feuchter Film darüber gelegt
„Wie sollte ich wollen, dass du nicht an meiner Seite bist? All das macht mich so fertig, weil es bedeutet, dass du vielleicht nicht wirklich an meine Seite gehören willst. Vielleicht.“ ich atmete tief durch. „...vielleicht ist es langsam an der Zeit, mir alles zu erzählen. Wirklich alles. Die ganze Wahrheit, ohne Rücksicht.“ meine Stimme hatte sich wieder beruhigt und jedes Wort, das ich sprach war ernst gemeint.
Doch Jake schüttelte den Kopf.
„Nicht, solange du so aufgebracht bist. Du wirst deine gesamte Beherrschung, deine ganze Stärke dafür brauchen.“
„Jake, ich konnte mir eine ganze Menge selbst zusammen reimen, ich glaube nicht, dass es noch etwas geben kann, das mich überraschen oder verunsichern könnte.“
„Du hast keine Ahnung.“ murmelte er trocken und ich biss mir nervös auf die Unterlippe.
„Ist es so schlimm?“ fragte ich rau und forderte ihn auf, mich anzusehen.
„Es ist ´ne Menge und ich wette, dass du nicht mit dem rechnen wirst. Nicht einmal in deinen wildesten Träumen.“
„Hab ich all das gewusst, bevor ich mein Gedächtnis verloren habe?“ fragte ich zittrig und fuhr mir immer noch nervös durchs Haar.
Jake rieb seine Lippen aneinander, als brauche er einen Moment für seine Antwort.
„Ja.“ sagte er dann knapp.
„Dann wird es mich nicht umhauen können.“ sagte ich fast erleichtert. „Wenn ich schon einmal mit all dem umgehen konnte, dann werde ich es mit dir an meiner Seite wieder schaffen.“
Ich schenkte Jake einen hoffnungsvollen Blick und mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich sah, dass er mir beistehen würde.
„Aber nicht jetzt.“ er atmete tief durch. „Ich will, dass du vollkommen ruhig bist.“
„Ist das wieder deine Art von Irgendwann?“ fragte ich spitz, denn es schien mir, als wolle er erneut einfach nur Zeit schinden. Doch ich war nun an einem Punkt angekommen, an dem ich mich durchaus bereit dafür befand, dass endlich offen mit mir gesprochen wurde.
„Nein, aber gib mir ein wenig Zeit, mich selbst darauf vorzubereiten.“
„Jake, bitte!“ insistierte ich augenblicklich und klang mehr als flehend dabei.
„Nicht heute, Lexi.“ er wand sich erneut von mir ab, als könne er meinen Blick nicht ertragen und ich spürte wieder die Wut und Enttäuschung in mir aufsteigen.
„Gut, wenn du es mir nicht sagen willst, ich kann auch gerne Rose fragen.“ sagte ich biestig und drohend zugleich.
„Nein!...Bitte. Ich werde dir alles sagen. Ich verspreche es dir. Aber ich möchte derjenige sein, der es dir sagt. Rose würde die Situation nur ausnutzen, um ihre Antipathie gegen mich zu bestärken.“
„Wann?“ forderte ich unnachgiebig und versuchte seinen Blick zu halten, damit er sich mir nicht wieder entwand.
„Bald.“
„Wie bald?“
„Sehr bald.“
„Heute Abend?“ fragte ich stur und wollte von meinem Standpunkt keinen Millimeter abweichen. Ich hatte mich regelrecht darin verbissen. Für mich war die Wahrheit der einzige Ausweg, endlich zu verstehen, zu begreifen.
Ich war nicht angstfrei.
Keineswegs, denn die Wahrheit zu kennen, barg die Gefahr, herauszufinden, dass Jake mich belogen hatte. Und allein die Vorstellung, dass Unehrlichkeit zwischen uns herrschte, schmerzte mich auf mannigfache Weise.
Aber wenn er Recht behielt und es Lügen waren, die mich schützen sollten und ich vor meinem Unfall all das gewusst und akzeptiert hatte, dann würde die Wahrheit mir gut tun. Die kleinen Stückchen und Fetzen, die ich in den letzten Wochen erfahren hatte, zündeten nur ein gefährliches Halbwissen in mir, von dem mir langsam schwindlig wurde.
Als Jake nicht antwortete, sondern sich unter meinem Blick zu winden begann, als würde ich von ihm verlangen sich lebendig in einen Vulkan zu stürzen, machte ich einen Schritt auf ihn zu.
„Heute Abend, Jake?“ wiederholte ich mit Nachdruck.
„Wir werden sehen.“ entgegnete er mutlos und ich konnte nicht anders, als laut zu seufzen.
Nun wandte ich ihm meinen Rücken zu, nahm eine Jacke aus meinen Schrank und wollte einfach nur noch raus. Doch kaum befand ich mich auf der selben Höhe mit Jake, spürte ich, wie seine Hand nach meiner griff.
„Wo willst du hin?“ fragte er weich und ich fühlte erneut die Gänsehaut, die unweigerlich mit seiner Berührung kam.
Stocksteif war ich neben ihm stehengeblieben, wie ein Wild im Auge eines Raubtieres.
„Ich weiß nicht...zu Tori vielleicht. Ich muss hier einfach raus.“
„Du weißt, dass du nicht unbedingt alleine raus solltest?“
Jakes Hand brannte nur allzu gewiss auf meiner Haut und alles was ich tun wollte, war mich in seine Arme zu werfen. Zu vergessen, was ich heute erfahren hatte und einfach nur einzutauchen, in seine Nähe, die mir letzte Nacht noch so gut getan hatte.
„Es ist doch nur Tori...“ begehrte ich auf und spürte, wie Jakes Hand von meiner glitt.
„Okay...“ sagte er dann rau und machte einen Schritt zur Seite. „Darf ich hier auf dich warten?“
Ich nickte nur stumm, dann gab ich mir einen Ruck und verschwand aus meinem Zimmer, ebenso wie aus der Nähe Jakes.
Ich hatte Lexi gehen lassen. Nicht weil ich es so gewollt hatte, sondern weil es ihr Wunsch gewesen war.
Und weil ich die Hoffnung hegte, dass es ihr gut tun würde, wenn sie ein wenig Zeit außerhalb des Hauses verbringen würde.
Ich hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde und eigentlich hatte ich ihn herbei gesehnt. Ich wollte ihr die Wahrheit sagen, mich von dem Netz aus Lügen befreien, bevor ich mich zu sehr darin verstrickte. Aber die Vehemenz, die sie an den Tag gelegt hatte, ihre fordernden Blicke ließen mich nun zweifeln, dass sie schon so weit war.
Ich hatte geplant, sie langsam darauf vorzubereiten, sie mit den Mythen und Sagen vertraut zu machen, bevor ich ihr eröffnete, dass all diese Dinge durchaus Bezug zur Realität hatten.
Aber mir schien nun kein anderer Weg mehr offen zu stehen, als ihr zu sagen, was sie war. Was ich war und es erfüllte mich mit einer gewissen Angst.
Sie hatte einmal darüber hinwegsehen können, dass wir natürliche Feinde waren. Ob sie es auch ein zweites Mal tun würde, konnte ich nur hoffen.
Am meisten Sorge bereitete mir die Tatsache, die Last ihrer eigenen Geschichte zurück auf ihre Schultern heben zu müssen und das, nachdem ich gesehen hatte, wie viel freier sie ohne diese geatmet hatte. Und nun war sie es, die mir fast befehligte, ihr diese Unbeschwertheit wieder zu nehmen. Sie zurück zu den Gefahren und Risiken zu führen, die ihr Leben stets begleitet hatten.
Ich konnte nur erahnen, wie sie reagieren würde und in keiner meiner Vorstellungen, war es eine leichte Angelegenheit.
Ich starrte immer noch auf die offene Tür, durch die Lexi verschwunden war und schließlich gab ich mir einen Ruck, ebenfalls das Zimmer zu verlassen.
Mit wenigen Schritten war ich wieder im Erdgeschoß und ohne große Anstrengung schaffte ich es die anwesenden Vampire zu ignorieren, auf meinem Weg hinaus in den Garten.
Hier draußen ließ es sich leichter aushalten. Der Gestand im Inneren des Hauses hatte zwar den Großteil seines Schreckens verloren, aber ohne Lexi an meiner Seite, war er immer noch ekelerregend genug, dass ich die freie Luft vorzog.
Es dauerte nicht lange, bis sich die Glastür hinter mir leise öffnete und wieder schloß und ich Bellas feinen Duft neben mir wahrnehmen konnte, als sie sich mir gegenüber auf einem der Gartenstühle niederließ.
„Stress?“ fragte sie weich und es tat gut, in diesem Haus endlich einen wahren Freund zu haben.
Ich leckte mir über die Unterlippe und nickte knapp.
„Ich hoffe, es war nicht wegen mir. Edward hat so etwas angedeutet.“ sie stützte ihren Kopf auf ihre Hand und blickte mich fragend an.
„Es ist viel komplizierter, als er annimmt.“ antwortete ich dürftig.
„Sie hat wirklich alles vergessen?“ fragte sie weiter und ich fuhr mir durch die Haare.
„Ja...alles und jeden, wie es scheint. Alles, was mit ihrer Vergangenheit zu tun hat ist weg, als hättest du eine Kerze ausgeblasen. Und Carlisle geht davon aus, dass es auch nicht wiederkommen wird.“
Bella seufzte stumm und ihr Blick wanderte einen Moment unstet durch den Garten.
„Aber sie scheint sich zumindest ihrer Gefühle für dich zu erinnern.“ sagte sie dann und ich wußte, dass sie mich damit aufmuntern wollte. Für einen kurzen Moment gelang es ihr sogar.
„Glaub mir, davor hatte ich am meisten Schiss. Dass sie mich nicht mehr will.“
„Du hast dich also tatsächlich geprägt?“
„Ja.“ ich schenkte Bella ein ehrliches Lächeln.
„Und? Wie fühlt es sich an?“
„Das kann man nicht beschreiben.“ sagte ich ruhig und Bella spiegelte mein Lachen.
„Versuchs.“
„Es ist...wenn es ihr schlecht geht, dann will ich derjenige sein, der es wieder besser macht. Und wenn es ihr gut geht, will ich der Grund dafür sein. Ich will alles sein, was es braucht, um sie glücklich zu machen. Selbst wenn es bedeuten würde, sie nie wieder zu sehen. Alles um mich herum, verliert seine Bedeutung, wenn sie bei mir ist. Ich will sie beschützen, vor allem was ihr droht, wenn ich dafür ihr Lachen hören darf.“ ich machte eine kurze Pause. Ich wusste, dass Bella und Edward ein ähnlich starkes Gefühl miteinander verband, aber ich bezweifelte, dass es an die Intensität heranreichte, die ich fühlte.
„Du irrst dich, Jacob. Das ist genau das, was ich für Bella empfinde.“
Edward war Bella hinaus in den Garten gefolgt und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er es immer noch nicht gerne sah, wenn wir zwei alleine waren.
Er setzte sich neben sie und sofort sah ich, wie ihre Hände sich ineinander verschlungen.
Ich konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken und wand den Blick ab.
„Du musst Lexi die Wahrheit sagen, Jacob.“ sagte er und ich hasste es wieder einmal aus vollem Herzen, dass er sich so einfach in meine Gehirnwindungen stehlen konnte.
„Ich weiß..., ich weiß nur nicht wie.“ gestand ich offen, denn es hatte ohnehin keinen Sinn, etwas vor ihm verbergen zu wollen.
„Warum weiß sie es eigentlich noch nicht?“ fragte Bella und lehnte sich mit dem Rücken leicht gegen Edwards Brust.
„Wie hättest du es gefunden in einem fremden Haus unter fremden Menschen aufzuwachen und herauszufinden, dass du ein blutsaugender Halbvampir bist?“ entgegnete ich in ihre Richtung und sie rieb die Lippen aneinander.
„Das ist ein Grund.“ sagte sie knapp.
„Als sie wieder wach wurde, war sie so vollkommen durcheinander. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, sie all dem auszusetzen. Vielleicht war das dumm von mir. Lexi ist um so vieles stärker, als ich es manchmal annehme.“
„Wäre nicht das erste Mal, dass du etwas Dummes tust.“ sagte Edward mit einem höhnischen Lächeln und ich winkte einfach ab.
„Es wäre auch für dich nicht das erste Mal.“ sagte ich gehässig und dachte fast genußvoll an die Zeit, in der er Bella verlassen hatte und die Erinnerung an ihre schmerzerfüllten Augen reichte aus, um Edward einen Moment aus meinem Kopf zu vertreiben.
„Könnt ihr nicht langsam damit aufhören? Wie es aussieht, werdet ihr irgendwann Teil derselben Familie sein. Vielleicht ist es an der Zeit, Vergangenes Vergangenes sein zu lassen.“ schlug Bella hoffnungsvoll vor, doch es war eine Sache, die Cullens und insbesondere Edward in meiner Nähe zu tolerieren. Freunde würden wir deswegen noch lange nicht werden.
„Ganz deiner Meinung, Jacob.“ sagte Edward und die Zeit, da ich ihn hatte abwimmeln können,war auch schon wieder vorbei.
„Könntest du das lassen?“ fragte ich genervt und Edward atmete tief durch.
„Kannst du aufhören zu atmen?“ fragte er zurück.
„Für einige Minuten ist mir das durchaus möglich.“ erwiderte ich gereizt.
„Du lässt dir die Haare wieder wachsen, hm?“ Bella versuchte uns voneinander abzubringen, indem sie unverwandt das Thema wechselte.
Ich fuhr mir mit den Finger durch die Haare und nickte leicht.
„Lexi gefällt es besser. Und du weißt ja, ihr Wunsch, mein Befehl und so.“
„Ist es so? Tust du alles, was sie sich von dir wünscht?“ fragte Bella und ich vermeinte ehrliches Interesse in ihrer Stimme zu hören.
„Wenn es mir möglich ist...ja. Aber es ist nicht so, dass ich dadurch keine eigene Entscheidungsgewalt mehr hätte. Ich bin nicht dazu gezwungen, ich tue es freiwillig. Als sie zur Schule gehen wollte, war ich nicht unbedingt ein Fan. Und wenn es nach mir gegangen wäre...“
„Zum Glück ist Lexi fast ebenso stur wie Bella und hat sich durchgesetzt.“ unterbrach mich Edward und ich fragte mich, ob er nichts anderes zu tun hatte, irgendein Wildtier schlachten oder so.
„Ich bin nicht hungrig.“ sagte er erneut in meine Gedanken hinein und ich glaubte, bald wahnsinnig zu werden.
Bella überging seine Äußerung und ich war ihr dankbar dafür.
„Mir gefällt es auch besser. Ich hab deine langen Haare immer gemocht.“ sagte sie und schenkte mir ein freundliches Lächeln.
„Danke.“ antwortete ich fast verlegen, bevor ich mich in meinem Stuhl zurücklehnte.
„Und? Wie waren die Flitterwochen?“
Nicht, dass es mich wirklich interessierte.
Ich konnte auf allzu viele Details verzichten, aber ich fand es einfach höflich, Bella danach zu fragen. Den leidlichen Blick Edwards ignorierte ich dabei geflissentlich.
„Aufregend und traumhaft schön.“ schwärmte sie mit einem verzückten Blick in den Augen, den ich wohlwollend zur Kenntnis nahm.
„Freut mich, dass es dir gefallen hat.“ antwortete ich ehrlich.
„Wir waren auf Esmes Insel. Ich wette, es hätte dir dort ebenso gefallen, wie mir. Vielleicht sollten wir irgendwann einmal zu viert dorthin fahren.“ schlug sie vor und fast gleichzeitig stöhnten Edward und ich auf.
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Bells. Im Urlaub soll man sich entspannen, oder nicht?“
„Ihr werdet euch auch nie ändern, oder?“ fragte sie seufzend und ich schüttelte den Kopf.
„Ich würde zumindest keine Wette darauf abschließen. Ich würde wahrscheinlich eine Menge Geld dabei verlieren.“
„Hast du schon eine Idee, wie du das Ganze anstellen wirst?“ wechselte sie erneut das Thema und wir waren wieder mitten im Kern meiner Überlegungen.
„Nicht die geringste.“ gab ich zu. „Ich will sie nicht unnötig verängstigen. Aber wenn ich ihr die Wahrheit sage und es wird egal sein wie, werde ich es unweigerlich tun müssen. Denn auch die Sache mit Caius sollte ich ihr wohl nicht mehr verschweigen. Und ich bin wirklich nicht scharf drauf.“
„Vielleicht solltest du mit dem anfangen, was du selbst bist, um sie vorzubereiten. Und wahrscheinlich wäre es auch keine schlechte Idee, wenn sich Jasper die ganze Zeit in ihrer Nähe aufhält. Ebenso wie Edward, auch wenn dir das vielleicht nicht gefällt. Jasper kann ihr Rückhalt geben und Edward jeden ihrer Gedanken verstehen und Antworten bereithalten können.“
Bella hatte Recht, es gefiel mir nicht unbedingt den Cullen-Clan um mich herum zu haben, wenn ich mit Lexi sprach, aber ihr Vorschlag war gut. Jasper würde sie beruhigen können und Edward verstehen, was in ihr vorging.
Langsam begann ich zu nicken, als Bestätigung ihrer Worte.
„Du musst das nicht alleine tun, Jacob.“ mischte sich nun auch Edward ein. „Von dem, was ich erfahren und selbst gesehen habe, fühlt sie sich bei uns allen sicher. Es wird das Beste sein, wenn wir es ihr gemeinsam sagen. Carlisle weiß am meisten über ihr Leben, ihre Vergangenheit und er wird ihr Dinge sagen können, die weder du, noch ich wissen. Und du kennst ihn, er wird behutsam vorgehen.“
Um Carlisles Vorgehensweise machte ich mir am wenigsten Sorgen. Eher darüber, wie sie reagieren würde, wenn sie herausfand, dass ihr Freund ein Werwolf, ihre Familie Blutsauger und sie selbst ein Halbvampir war. Ich war beinahe durchgedreht, als ich herausgefunden hatte, dass ich das Gen in mir hatte und all die Legenden einen wahren Kern hatten. Sie ging von einer Welt aus, in der nicht einmal diese Mythen existierten.
„Vielleicht könntest du schon einmal mit den anderen reden und sie um ihre Mithilfe bitten, Edward.“ Bella schenkte ihm einen bittenden Blick, der erklärte, dass ihre Bitte eher dazu diente, dass wir noch ein wenig Zeit unter uns hatten.
Edward schien nicht wirklich begeistert davon zu sein, aber er erhob sich, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und nach einem letzten warnenden Blick in meine Richtung, ging er wieder nach innen.
Als er im Haus verschwunden war, allerdings nicht außer Hörweite, legte Bella ihre Hand aufmunternd auf meinen Unterarm.
„Es wird gutgehen, Jake. Bestimmt. Alice hat mir gesagt, dass du letzten Wochen ein immenser Halt für Lexi gewesen bist und ich glaube, sie ist soweit. Sie wird das alles mit dir zusammen durchstehen und vielleicht, überrascht es sie gar nicht so sehr, wie wir annehmen.“
„Dein Wort in Gottes Ohr.“
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es so einfach werden würde und viel zu schnell verging der Nachmittag, während ich hier draußen mit Bella saß und ihren Geschichten lauschte, die sie von den Flitterwochen erzählt und sie mit derselben Geduld meinen Worten Aufmerksamkeit schenkte, wenn ich ihr von der Zeit mit Lexi berichtete.
Edward hielt sich dezent im Hintergrund und ich fing an zu glauben, dass auch er es endlich geschnallt hatte, dass ihm von mir keine Gefahr mehr drohte.
Mit jedem Wort, das ich sagte, trugen meine Gedanken mich wieder zum bevorstehenden Abend und meine Sorge wuchs mit jeder Minute, die verging ins Unermessliche. Meine einzige Hoffnung bestand nur noch darin, dass Lexi es sich vielleicht anders überlegt hatte, wenn sie von Tori heimkam. Aber ich wusste, dass es wahrscheinlicher war, dass ich anfing Rose nett zu finden, als dass Lexi nicht auf die Wahrheit bestehen würde.
Bella bemerkte, dass mit voranschreitender Zeit auch meine Aufmerksamkeit ihr gegenüber nachließ.
„...und dann sind wir alle rosa Kaninchen.“ schloß sie und ich hob den Kopf, verwundert und irritiert zugleich.
„Hm? Was sagst du?“
„Du hörst mir schon überhaupt nicht mehr zu, oder?“ sagte sie mit einem neckenden Unterton in der Stimme und ich rieb die Lippen aneinander.
„Tut mir leid. Ich war grade irgendwie woanders.“
„Schon okay. Ich versteh dich.“
Ich war froh, dass sie mir so leicht verzieh. Denn eigentlich tat es mir gut, mich mit ihr zu unterhalten. Sie verstand mich immer noch auf diese besondere Weise und zwar ohne meine Gedanken zu lesen, wie Edward oder der Rest meines Rudels.
Mit ihr hatte ich einen objektiven Freund, der weder Vorurteile mir, noch Lexi gegenüber hatte.
Aber ich war zur Zeit nicht in der Lage dieses Gefühl wirklich zu genießen, es mit der Dankbarkeit zu beachten, die es eigentlich verdient hätte. Die Bella eigentlich verdient hätte.
Immer wieder holte ich mein Handy aus der Tasche. Einerseits um die Uhrzeit zu überprüfen, zum anderen um zu kontrollieren, ob Lexi mir eine Nachricht geschickt hatte.
Aber es war schließlich Alice, die nach draußen trat und mir einen bedeutungsvollen Blick zuwarf.
„Lexi hat sich auf den Weg gemacht.“ sagte sie knapp und ich fühlte mich, als würde ich innerlich verbluten.
Meine Kehle war wie zugeschnürt und in meinem Kopf tobte ein Sturm aus Gedanken, Worten und Sätzen, die das Fiasko beginnen würden.
Nichts davon klang auch nur halbwegs so, als wäre es die richtige Einleitung, aber die gab es wahrscheinlich ohnehin nicht.
Mein Herz wog so schwer in meiner Brust, dass ich glaubte, es nicht mehr lange tragen zu können.
„Wenn du nicht anfängst stark zu sein, Jacob, wie willst du ihr dann Stärke geben?“ schollt mich Edward, als er ebenfalls in den Garten kam und ich wusste, dass er Recht hatte.
Ich riss mich zusammen, stand auf und ging unruhig auf und ab. Ich wusste nicht woher diese plötzliche Panik kam. Vermutlich war es eine Mischung, aus allem was ich befürchtete.
Die Angst vor ihrer Reaktion, mit welchen Augen sie mich sehen würde.
Aber diese Angst war nichts im Vergleich zu dem, was die Wahrheit für sie bereithielt. Ich wusste, dass es nicht leicht für sie werden würde und sie diesem Schmerz aussetzen zu müssen, brachte mich um. Doch ich wusste, dass es Zeit war und dass selbst ich sie nicht davor beschützen konnte.
Anspannung hatte ihre klammen Finger fest um meinen Körper gelegt.
Und obwohl ich die Zeit bei Tori genossen und auch gebraucht hatte, war von der dort erlangten Ruhe in mir nichts mehr zu spüren.
Ich wusste, dass meine Ankunft daheim mit der größten Prüfung auf mich wartete, die ich in meinem neuen Leben bisher würde bestehen müssen.
Ich versuchte mich zu konzentrieren und meinen Fokus zurückzuerlangen.
Denn ich befürchtete, dass meine Unruhe Jake einen weiteren Grund geben würde, die Wahrheit weiter vor mir zu verbergen. Die Entscheidung ob er so sehr davon Abstand nahm, weil er um mich besorgt war, oder doch um sich selbst, fiel mir schwer, auch wenn Tori nicht müde geworden war, ihm das Wort zu reden.
Sie stand eindeutig auf seiner Seite und hatte diesen Umstand damit begründet, dass kein Mann in der Welt es schaffen würde, diesen Blick in seinen Augen zu fälschen, den sie stets bei Jake bemerkte, wenn er mich ansah.
Des Weiteren glaubte sie zu ebenfalls zu wissen, dass er nicht der Typ war, der sich auf diese Art und Weise prostituieren würde, nur um ein gebrochenes Herz zu rächen, oder einem anderen Mann die Frau zu nehmen.
Über diesen Gedanken hatte ich lange sinniert. Denn wenn es nach Jake gegangen wäre, hätten wir wahrscheinlich bis zum heutigen Tag keine körperliche Intimität miteinander geteilt.
Tori hatte diese Bedenken jedoch als lächerlich abgetan, denn schließlich hatte er sich nicht mehr gewehrt und sie fand es ohnehin idiotisch, dass die meisten Mädchen davon ausgingen, dass alle Jungs mit einem Handbuch über Sexualität auf die Welt gekommen waren.
Aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz heraus hatte sie mir erzählt, dass viele Jungs ebenso unsicher waren, wenn es um solche Dinge ging, wie wir Mädels und dass es ziemlich naiv wäre, zu glauben, dass sie genau wüssten, wie alles ging.
Von dem, was Jake mir erzählt hatte, wusste ich, dass die gestrige Nacht nicht nur für mich die erste dieser Art gewesen war. Ehrlich gesagt, wusste ich es bei ihm mehr, als bei mir.
Und je länger ich darüber nachdachte, desto sinniger erschien es mir.
Jake schätzte mich, für ihn war ich etwas so kostbares, das es zu schützen gab und vielleicht hatte er einfach Angst gehabt, ich könnte missverstehen, wenn er sich zu sehr auf dieses Thema versteift hätte.
Als ich Tori gesagt hatte, was ich dachte, gab sie mir Recht und ermahnte mich dazu, mir nicht allzu viele Gedanken zu machen. Auch die Tatsache, dass Bella Edwards Frau war, hatte sie mit einem Schulterzucken abgetan. Sie ging davon aus, dass ich sicherlich auch schon Beziehungen vor Jake gehabt hatte oder zumindest verliebt gewesen war und das für mich keinerlei Bedeutung hätte, selbst wenn ich mich daran hätte erinnern können.
Wichtig sei, wer jetzt an seiner Seite war und da ich das sei, sollte ich mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, was vor mir geschehen sein könnte.
Und auch wenn es mir schwerfallen würde, würde mir ein bisschen mehr Vertrauen gut zu Gesicht stehen. Lapidar hatte sie gemeint, dass ich doch ohnehin nichts zu verlieren hatte.
Ich sah das jedoch anders. Ich hatte eine Menge zu verlieren, alles sogar...ich konnte Jake verlieren.
Und Jasper hatte Recht gehabt. Die Intensität unserer Verbindung machte mir durchaus Angst, auch wenn ich es so eisern verneint hatte. Sie machte mir Angst, weil ich nichts mehr haben würde, wenn ich Jake verlor.
Keine Zukunft mehr, was ich schlimmer fand, als keine Vergangenheit zu besitzen.
Und mir war egal, was seine Worte für mich bereithalten würden. Es war mir egal, wenn es mich verletzen würde, ob ich unter der Last zusammenbrechen würde, wenn es nur seine Hand sein würde, die mich wieder aufrichtete.
Nicht zu wissen, was mich erwartete machte mich immer nervöser und ungeduldiger.
Ich wusste, wie groß das Risiko eines kompletten Verlustes war, aber ich fühlte mich wie der Bewohner einer Insel. Mein Eiland war klein, aber ich war gesegnet mit allem, was ich zum Leben brauchte und doch spürte ich die Verlockung des weiten Landes, jenseits der glitzernden See.
Nur ein einziger Sturm auf der Überfahrt, würde mein Dasein beenden können und trotzdem war das Fernweh zu groß, um es weiterhin zu ignorieren.
Ebenso sehr sehnte ich mich nach der Wahrheit. Ich wollte den Schleier von meinen Augen nehmen und endlich sehen können, auch wenn das Licht mich höchstwahrscheinlich blenden würde.
Ich betete zu allen Göttern der Geschichte, die mir einfielen, dass Jake keinen Rückzieher machen würde, sobald ich daheim angekommen war.
Viel Zeit blieb mir nicht mehr, um zumindest nach außen hin so zu tun, als sei ich vollkommen gefasst und nicht das emotionale Wrack, das ich eigentlich darstellte.
Meine Hände füllten sich auf dem Lenkrad schwitzig an und ich verspürte meinen schnellen Herzschlag und das mit Adrenalin angereicherte Blut in meinen Adern.
Und so blieb ich noch einen Moment in meinem Wagen sitzen, als ich die Auffahrt zum Haus schon längst erreicht hatte, in dem Versuch mich zu sammeln und auf eine mögliche Konfrontation mit Jake vorzubereiten, sollte er auch nur in Erwägung ziehen, mich erneut abzuweisen.
Doch er hatte mich schon längst kommen gehört und war ums Haus herumgekommen, um mich in Empfang zu nehmen.
Sofort sah ich, dass ihn etwas quälte und konnte mir denken, was es war. Er hatte sich dazu entschlossen mit mir zu reden und auch wenn mich dieser Umstand mit einer gewissen Erleichterung beseelte, so litt ich dennoch unter seinem Blick.
„Hey.“ sagte er, als er mir die Autotüre öffnete und ich sah die Anspannung, die ihn befallen hatte, deutlich in seiner Mimik. Sein Kiefer war hart und auch sonst schien alles an ihm, unter höchster Spannung zu stehen.
„Hey.“ murmelte ich und stieg aus dem Wagen. Aus einem inneren Impuls heraus, griff ich augenblicklich nach seiner Hand und drückte sie warm, in der Hoffnung, ihn damit beruhigen zu können. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es so schlimm werden würde, dass er derart darunter zu leiden hatte.
„Heute Abend?“ fragte ich und musste ihm nicht erklären, was ich damit meinte.
„Heute Abend.“ nickte er und atmete tief durch. „Komm mit...komm mit mir.“
Ich ließ mich von ihm um das Haus herum führen und fragte nicht nach, warum wir nicht nach drinnen gingen. Ich vertraute ihm. Uneingeschränkt und ohne Wenn und Aber.
Als wir in den Garten kamen, sah ich sofort Jasper und Edward Schulter an Schulter neben der Tür stehen, die Arme vor der Brust verschränkt und mein fragender Blick reichte aus, damit Jake mir antwortete.
„Kleine Schützenhilfe.“ sagte er knapp und ich sah durch die Glasscheibe ins Innere des Hauses und erkannte, dass auch der Rest meiner Familie mit angespannten Gesichtern die Szene beobachtete und ich fragte mich, warum ausgerechnet Edward und Jasper hier draußen bei uns waren.
Vor allem Edwards Anwesenheit irritierte mich. Jasper war der ruhende Pol der Familie und hatte die besondere Begabung mich immer irgendwie zu besänftigen, wenn mein Innenleben wieder einmal verrückt spielte. Aber Edward kannte ich nicht. Ich wusste von Alice, dass wir uns vor meinem Unfall sehr nah gestanden hatten und vielleicht war dies der Grund, warum er mit hier draußen war. Möglicherweise wollte er auch einfach nur sichergehen, dass Jake es nicht versaute.
Edward grinste ein wenig und ich lächelte ihm verschüchtert zu, während Jake nun auch nach meiner anderen Hand griff und mich ein wenig näher an mich zog.
Ich spürte die warme Haut seiner Wange an meiner und schloß die Augen, bei dem Gefühl seines Atems an meinem Ohr. Die kleinen Härchen in meinem Nacken stellten sich, ebenso wie die an meinen Armen, auf und die daraus resultierende Gänsehaut reichte bis zwischen meine Zehen.
Ich versuchte meinen Herzschlag ruhig zu halten und ebenso bewusst zu atmen, während all mein Sein begann seiner Stimme zu lauschen.
„Egal, was du heute Nacht erfährst, egal wie sehr du glaubst den Boden unter den Füßen zu verlieren, denke daran, dass ich immer an deiner Seite bin und ich dich liebe. Ich habe dich geliebt und ich werde dich immer lieben. Und egal, was du gleich von mir denken wirst, bitte glaube mir, dass es nichts zwischen uns ändern wird. Du wirst immer noch du sein und ich immer noch ich.“
Ich nickte mit immer noch geschlossenen Augen, gefangen von seiner Nähe und konnte doch nicht umhin, langsam wieder die Angst zu verspüren, die mit dem Bevorstehenden einherging.
Aber alles was Jake gesagt hatte, waren Dinge, die ich hören wollte. Die mich glauben ließen, dass es nichts auf dieser Welt gab, das mich zerstören konnte. Mit Jake an meiner Seite war ich sicher.
Zu meinem Leidwesen ließ er seine Hände von meinen gleiten und machte einen kleinen Schritt zurück.
„Bereit?“ fragte er unruhig und ich öffnete meine Augen, schluckte noch einmal gegen den Kloß in meinem Hals an und nickte dann eine Spur zu übertrieben.
Jake leckte sich über die Lippen, sein Blick flog zu Edward hinüber, dann wieder in meine Augen. Ich versuchte das Flattern meines Herzens zu ignorieren und mich auf das zu konzentrieren, was Jake mir sagen wollte.
Es sah so aus, als würde er an den Worten ersticken und ich runzelte die Stirn, darauf wartend, dass es endlich aus ihm heraus fließen würde und meine Ungewissheit damit beendete.
„Lexi, ich...“ er stieß einen Schwall Luft aus, fuhr sich durch die Haare und sein Blick fiel zu Boden, als würde er dort die Worte finden, die ihm scheinbar nicht möglich waren zu sagen.
Ich griff nach seiner Hand, doch er entzog sie mir und langsam machte sich Panik in mir breit.
Dann fanden seine Augen erneut die meinen und ich starb jede Sekunde aufs Neue, in der diese Stille zwischen uns herrschte.
„Lexi, ich...“ begann er erneut. „Ich bin ein Werwolf.“
Ich gefror auf der Stelle zu einem Klumpen antarktischen Eises. Ich hatte seine Worte gehört, sie waren so deutlich gewesen, wie ein schwarzer Fleck auf einer weißen Wand, aber die Bedeutung, die sie beinhalteten, sickerte nur allmählich zu mir durch.
Auf der Stelle wurde mir etwas bewusst. Etwas, vor dem ich Angst gehabt hatte.
Ich war immer davon ausgegangen, dass Jake ein schlechter Lügner war. Doch diese Vorstellung war oscarreif, verdiente stehende Ovationen. Dieses Zögern, dieser gequälte Blick in seinen Augen, all das zeugte von großem Talent. Kalkuliert und doch nicht, als sei es einstudiert.
Wollte er sich über mich lustig machen? Mir zeigen, wie naiv ich gewesen war, ihm jedes seiner Worte zu glauben? Fand er es etwa witzig?
Aus den Augenwinkeln vernahm ich, wie Jasper einen Schritt auf uns zu machte und wie Jake seine Hand hob, um ihn davon abzuhalten. Mit einem letzten, schmerzhaften Funken, brannten meine Sicherungen durch. Ein Kurzschluß, der alles vernünftige Denken und Handeln in mir ausschaltete.
Und dann tat ich etwas, von dem ich nie gedacht hatte, dass ich es einmal tun würde.
Ich schlug Jake.
Nicht mit der flachen Hand, sondern mit geballter Faust, meiner Verzweiflung, Wut und Enttäuschung Ausdruck verleihend.
„Mistkerl!“ schrie ich ihn an und wollte mit den Fäusten gegen seine Brust trommeln, jeden Zentimeter seines Körpers treffen.
Doch bevor ich dazu kam, war Edward zwischen uns aufgetaucht.
Blitzschnell fuhr seine linke Hand nach hinten, stieß mich zurück, während seine Rechte vorwärts schoß und Jake mitten gegen die Brust traf.
Jake flog durch die Luft, als sei er eine willenlose Stoffpuppe und ich konnte die Augen gar nicht weit genug öffnen, um alles mitzubekommen.
Noch im Flug geschah etwas mit ihm. Seine Gestalt begann sich zu verändern, ich hörte das Geräusch von zerreißendem Stoff und als sein Körper auf dem Boden aufkam, stand da nicht mehr Jake, sondern ein riesiger, rostbrauner Wolf. Den Leib geduckt, als wäre er bereit zum Angriff, die Lefzen hoch über die scharfen Zähne gezogen, mit angelegten Ohren und seiner Kehle entrang sich ein Knurren, das mir durch und durch ging.
„Oh mein Gott!!“ Fast hysterisch krabbelte ich, von Edwards Stoß noch auf dem Boden, so weit von dieser Bedrohung weg, wie ich konnte.
Mein Schädel drohte zu zerplatzen und es war mir einfach unmöglich meine Augen von dem gewaltigen Biest zu nehmen, das Edward, der immer noch schützend vor mir stand, ins Visier genommen hatte. Edward jedoch schien keinerlei Angst zu haben und auch Jaspers Miene verriet nichts von der Furcht, die ich verspürte.
Auch er hatte nun seinen Platz verlassen und streckte seine Hand nach mir aus, um mir wieder auf die Beine zu helfen.
„Oh mein Gott.“ wiederholte ich, während meine Augen nicht in der Lage waren, meinem Gehirn mitzuteilen, dass das was ich sah, Wirklichkeit sein musste.
Wieder zerschnitt ein ohrenbetäubendes Knurren die Luft, doch diesesmal war es nicht von dem Wolf, sondern von Edward gekommen und mir wurde schwindlig.
Jasper war auf der Stelle an meiner Seite und stützte mich. Dankbar hielt ich mich an ihm fest und konnte immer noch nicht begreifen, was hier vor sich ging. Immer wieder legte sich mein Blick auf den großen Wolf, dem ich schätzungsweise höchstens bis zur Schulter ging und ich spürte die pure Angriffslust, die von ihm ausging. Ich wusste, dass er gefährlich war, selbst wenn Jake noch irgendwo in ihm steckte.
„Herrgott, Edward, komm da weg!“ ich war wirklich um seine Sicherheit besorgt und wollte nicht, dass er verletzt wurde oder gar Schlimmeres, weil er versuchte mich zu beschützen.
Genau in dem Moment, da meine flatternde Stimme zu meinem Bruder, sowie dem Wolf drang, löste sich dieser aus seiner Angriffshaltung und ich vernahm ein leises, gequältes Winseln. Seine dunklen Augen waren genau auf mich gerichtet und er machte einen Schritt auf mich zu.
Augenblicklich stellte sich nicht nur Edward vor mich, sondern auch Jasper. Und auch wenn ich nicht wollte, dass auch nur einem von ihnen etwas passierte, war ich froh, dass es etwas gab, das zwischen mir und dem Wolf stand.
Über Jaspers Schulter hinweg starrte ich weiterhin auf diese Mythengestalt, von der ich niemals auch nur gedacht hätte, dass sie existierte, geschweige denn, dass ich sie mit eigenen Augen sehen würde.
Die Situation entspannte sich nur allmählich, nachdem der Wolf keine weiteren Anstalten zu machen schien, einen Angriff zu starten. Er wandte den Kopf und sah Edward an, wobei ich das Gefühl nicht loswurde, dass die beiden auf eine mir unbekannte Art und Weise miteinander kommunizierten.
„Jasper? Wärst du so gut und holst Jake etwas...zum anziehen. Ich denke diese kleine Demonstration reicht.“ sagte Edward an Jasper gewandt und nachdem dieser mir noch ein letztes Mal tief in die Augen gesehen hatte, löste er sich von mir und verschwand im Haus.
Sofort nahm Edward seinen Platz vor mir ein und trotz der Tatsache, dass er mir fremd war, griffen meine Hände in sein Hemd und hielten mich an seiner Gestalt fest.
Der Wolf blieb an Ort und Stelle, knappe 5 Meter von uns entfernt, den Kopf demütig gesenkt, die Ohren seitlich geknickt und ich konnte mir nicht helfen, er sah traurig aus.
„Er hat es nicht auf dich abgesehen.“ wisperte Edward zu mir und ich brauchte einen Moment, um seine Worte zu verstehen. „Jacob und ich haben seit jeher ein eher gespaltenes Verhältnis zueinander.“
„Ist das denn immer noch Jake?“ fragte ich und meine Stimme klang spröde, nicht lauter als der Flügelschlag eines Schmetterlings.
„Wie er leibt und lebt.“ antwortete Edward.
„Er ist nicht...gefährlich?“
„Oh doch, das ist er. Aber nicht im Moment und nicht für dich. Er verliert nicht seinen Verstand, wenn er sich verwandelt. Er ist immer noch derselbe Idiot, wie vorher.“
Der Wolf begann wieder zu knurren und instinktiv machte ich wieder einen Schritt zurück. Es fiel mir schwer, selbst in meinen Gedanken dieses Ungetüm als Jake zu bezeichnen. Dieses Ding hatte nichts mit meinem Freund gemein und ich konnte mich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass es sich hierbei immer noch um Jake handeln sollte.
Ich hatte Angst vor ihm. Eine leise Stimme in der hintersten Ecke meines Verstandes sagte mir, dass er keine Gefahr für mich war, dass mir Jake und damit auch dieses Untier niemals ein Leid zufügen würde und dass man mir nicht erlaubt hätte, soviel Zeit mit ihm zu verbringen, wenn es anders wäre. Und dennoch, ich konnte die eiskalte Gänsehaut nicht abschütteln, die mich bei seinem Anblick ergriffen hatte. Es schauderte mich, als sei ich meinem Todfeind begegnet.
Ich versuchte mir Jakes Worte ins Gedächtnis zu rufen. Dass er immer noch er sein würde und dass ich all das vor meinem Unfall gewusst und akzeptiert hatte. Immer wieder versuchte ich mir zu sagen, dass ich es auch ein zweites Mal schaffen konnte, doch die Vorstellung allein, dass es eine Welt gab, die so fern von dem war, was ich zu wissen geglaubt hatte, überforderte mich und ich wünschte mir, er hätte es mir nicht gesagt.
Jasper kam wieder nach draußen und ging an Jake vorbei, als sei es das normalste der Welt, dass ein riesiger Wolf im Garten stand. In der Hand trug er Shirt und Shorts, die er wohl aus meinem Zimmer geholt hatte, indem auch Jake seine Sachen deponierte und legte sie hinter einem Gebüsch ab, bevor er wieder zu mir kam.
Augenblicklich fühlte ich mich wieder ruhiger. Das war wohl Jaspers besondere Aura, die jeden ergriff, der in seiner Nähe war.
Der Wolf hingegen wandte sich ab, verschwand in den Büschen und ich stierte immer noch auf die nun leere Stelle, an der er soeben noch gestanden hatte.
Ich hörte ein Rascheln, das Schließen eines Reißverschlusses und dann trat Jake wieder in das fahle Licht des frühen Abends.
Ich war zwischen meinen Brüdern wie festgewachsen und nicht in der Lage auch nur einen kleinen Finger zu bewegen.
Doch als ich Jakes Augen sah, dieses wunderschöne Braun, das jetzt irgendwie verschwommen und leidend aussah, musste ich unwillkürlich hart schlucken.
Seine gesamte Gestalt war ohne Haltung, ohne Spannung und nur sein Blick bohrte sich tief in mein Bewusstsein.
Meine Hände sanken geräuschlos von Edwards Hemd und ich gab mir einen Ruck, um aus meiner sicheren Deckung hinaus zu treten.
Mit langsamen Schritten näherte ich mich Jake, blieb jedoch einen halben Meter vor ihm stehen. Unbeholfen wollte er einen Schritt auf mich zu machen, doch ich streckte meine Hand aus, legte sie auf seine Brust und hinderte ihn somit daran, mir näher zu kommen, als ich es wollte.
Hilflos hob er die Hände, als wolle er etwas sagen, das der Gestik seines Körpers bedurfte, doch seine Lippen öffneten sich, ohne einen Laut zu verkünden.
Unter meiner Handfläche vernahm ich die Hitze seiner Haut und augenblicklich fuhr mir sein Duft in die Nase, umwehte mich wie ein dichter Schleier, dem ich mich nicht zu entziehen vermochte.
Innerlich bereitete ich mich auf einen Zusammenbruch vor, glaubte dem Ganzen nicht mehr lange gewachsen zu sein.
Aber je länger ich stumm vor ihm stand, seinem Blick begegnete, desto klarer wurde mir, dass er immer noch er war und dass keine Angst in mir jemals größer werden könnte, als meine Liebe zu ihm.
Und ich warf mich in seine Arme, schlang die meinen fest um seinen Nacken und drängte mich an ihn. Er strauchelte kurz, überrascht von dem plötzlichen Impuls, der mich befallen hatte und es dauerte den Bruchteil einer Sekunde, bis er merkte, dass ich nicht versuchte ihn zu erwürgen oder ihm gar den Kopf von den Schultern zu reißen.
Mit einer Inbrunst, die ich zwar immer in ihm geahnt, aber noch nie am eigenen Leib erfahren hatte, erwiderte er die Umarmung, hielt mich fest und gleichzeitig, sich selbst an mir.
Mit geschlossenen Augen verbarg ich mein Gesicht an seiner Brust, ließ zu, dass er nicht bereit war mich loszulassen und war es ebenso wenig. Dieser Moment zwischen uns war wichtig.
Wichtiger als alle Fragen, die in meinem Kopf Form angenommen hatten. Sie würden warten können, hatten schon so lange gewartet.
Ich war unwiderruflich auf seine Nähe angewiesen und ich schöpfte die Kraft aus seiner Umarmung, die ich brauchte, um das Gesehene akzeptieren zu können und meinen Gedanken die Ruhe zu verschaffen, überhaupt zu verstehen.
Jakes Hände hatten sich hinter meinem Rücken so fest um meine Gestalt geschlungen, dass ich mich wieder in meinem kleinen Kokon wähnte, abgeschnitten von der Realität und in Sicherheit.
Ich spürte seinen warmen Atmen in meinem Haar und seinen Mund ganz nah nur von meinem Ohr entfernt.
„Ich wollte dir keine Angst machen, es tut mir leid.“
Seine Stimme war nur ein leises Echo dessen, was ich kannte.
Anstatt zu antworten, umarmte ich ihn nur noch fester. Ich wollte keine Entschuldigung hören, nicht für etwas, dass er scheinbar nicht beeinflussen konnte und das ihm selbst wahrscheinlich ebenso viel Angst machte, wie mir selbst. Wie wahrscheinlich war es, dass er mich nun ebenso sehr brauchte, wie ich ihn? Mein Wissen, was Werwölfe anging schien begrenzt, das einzig Konstante in diesem Wissen war, dass ein Mensch es sich nicht aussuchte, einer zu werden. Und so stellte ich neuerlich seine Bedürfnisse über meine eigenen.
„Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe. Ich hätte mehr Vertrauen haben sollen.“ gestand ich kleinlaut und löste mich nur widerwillig und unter Protest meines Körpers von ihm.
Sanft strich er mir über die Wange, die andere Hand immer noch an meinem Rücken.
„Es gibt nichts zu verzeihen.“
Seine Lippen trafen meine Stirn, schenkten mir die Zuneigung, die ich in mir benötigte und ich saugte sie in mir auf, wie ein trockener Schwamm den kleinsten Tropfen Wassers.
„Wirst du mir deine Geschichte erzählen? Die ganze?“ fragte ich unsicher und war mehr als erleichtert, als er zu nicken begann und mich zurück zum Gartentisch führte.
Immer dicht gefolgt von Jasper und Edward.
Ich hielt Wort. Alles, was ich wusste, was ich glaubte zu wissen und sogar Dinge, die ich nur ahnte, versuchte ich in Worte zu fassen und jeder Funken, der bedeutend sein könnte, fand den Weg auf meine Lippen.
Ich scherte mich nicht darum, dass die Legenden der Quileute eigentlich dem Stamm vorbehalten waren, denn für mich gehörte Lexi dazu. Ebenso wenig kümmerten mich die Ohren der lauschenden Vampire in den Schatten hinter mir. Sie wussten wahrscheinlich ohnehin schon mehr, als sie hätten wissen dürfen.
Lexi saß mir stumm gegenüber und hin und wieder hatte ich das Gefühl, dass sie einfach durch mich hindurch schauen würde. Jasper hatte an ihrer Seite Platz genommen und ich wusste, dass es nur seinem Vampir-Hokus-Pokus zu verdanken war, dass sie zumindest nach außen hin ruhig wirkte.
Ab und an warf sie eine kurze Frage ein und ich eilte mich, sie ihr mit bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.
Ich erzählte ihr alles, angefangen von dem Gen unseres Stammes, dem Fieber und den Eigenschaften, die es mit sich brachte ein Werwolf zu sein.
Ich hatte das Gefühl bereits seit Stunden zu reden, bis mir nichts mehr einfiel, dass ich noch hätte sagen können. Das Einzige, was ich zurückgehalten hatte, war meine Prägung. Sie sollte erst erfahren, was es bedeutete, wenn sie wusste, wer und was sie selbst war.
Es war dunkel geworden, doch niemand von uns störte sich daran, aber ich konnte sehen, wie Lexi in der kalten Nachtluft zu frösteln begann, als ich mit meinen Erzählungen ins Stocken geriet.
Mit leeren Augen blickte sie zu mir herüber und mir schwante, dass es nicht der Umstand meines Seins war, der sie zittern ließ, sondern die Rückschlüsse die sie selbst bereits gezogen hatte.
Für einen Moment entstand eine ohrenbetäubende Stille, in der ich mich nicht einmal wagte zu atmen. Ich versuchte ihren Blick zu halten, sie zu beruhigen und ihr ohne Worte zu sagen, dass alles wieder gut werden würde, wenn sie nur noch ein wenig Kraft für sich behielt.
Doch als ihre Stimme sich zu einem leisen Wispern erhob, stellte sie die Frage, von der ich wusste, dass es das Ganze nicht leichter machen würde und die einzige Frage, die ihr noch übrig blieb.
„Wer sind die kalten Wesen?“
Ich sah, wie Jasper sie zart an ihrem Arm berührte und der Ausdruck, der auf ihrer festgefrorenen Miene lag, verriet mir, dass sie es eigentlich bereits wusste.
Edward trat aus den Schatten auf sie zu und seine Mimik schien ebenso ausdruckslos zu sein, wie die Ihre, auch wenn seine Stimme behutsam klang, als er zu sprechen begann.
„Wir sollten reingehen. Ab jetzt wird Carlisle dir den Rest erzählen.“
Er strecke seine Hand nach ihr aus, in dem höflichen Versuch, sie zu geleiten, aber sie ignorierte ihn ebenso, wie am Morgen.
Ebenso verhalten reagierte sie, als ich aufstand und ihr die gleiche Hilfe zukommen lassen , die sie bei Edward abgelehnt hatte. Der Einzige, den sie in ihrer direkten Nähe duldete, war Jasper, der sie nun leicht am Ellbogen ergriff und auf die Beine zog. Ich wusste, warum sie seine Vertrautheit vorzog, aber dennoch versetzte mir ihre Ablehnung einen leichten Stich.
Versucht mir nichts davon anmerken zu lassen, folgte ich als Schlusslicht der kleinen Gruppe ins Innere des Hauses und konzentrierte mich allein auf Lexis Duft, damit der Gestank der anderen mich nicht kalt erwischte.
Sie warteten nur auf uns und hatten sich, bis auf Bella den gesamten Abend nicht von ihrem Posten hinter dem Fenster fortbewegt.
Jasper führte Lexi zum Esstisch und nach und nach nahmen alle Platz, Jasper zu ihrer Rechten und Carlisle zu ihrer Linken. Ich selbst stellte mich dicht hinter ihren Stuhl, denn es gab keinen anderen Platz für mich.
Alexis straffte sich und ich bemerkte ihren ruhigen Herzschlag, der etwas zu ruhig für meinen Geschmack war und instinktiv legte ich eine Hand auf ihre Schulter. Kurz zuckte sie zusammen, ließ mich dann jedoch gewähren, auch wenn sie meine Berührung nicht weiter kommentierte.
„Wie geht es dir Lexi?“ fragte Carlisle sanft und erst als er sprach, hob sie ihren Blick, als sei sie soeben erst aufgewacht und stelle erstaunt die Anwesenheit so vieler Menschen um sich herum fest.
Sie rieb die Lippen aneinander und ihre Stirn legte sich in tiefe Falten, als wisse sie keine Antwort auf diese Frage.
„Verwirrt...desillusioniert...und...“, sie machte einen tiefen Atemzug. „Ich habe Angst vor dem, was mich noch erwartet.“ gab sie tonlos zu.
„Wenn du eine Pause brauchst...“ setzte Carlisle an und ich konnte sehen, wie das Leben sofort zurück ins Lexis Augen und Glieder fuhr.
„Nein!“ begehrte sie auf. „Nein, ich will es jetzt wissen. Ich brauche keine Pause, bitte...“
Carlisle nickte und der Blick seiner goldenen Augen lag väterlich auf Lexis Zügen.
„Dann will ich dir deine Frage nach den kalten Wesen beantworten. Du hast bestimmt verstanden, was diese Umschreibung bedeutet, nicht wahr? Wen und was sie bezeichnet?“
Lexi verkrampfte sich unter meiner Hand und ich drückte sacht ihre Schulter, ihr Mut gebend.
„Vampire.“ sagte sie tonlos und Carlisles Lächeln wurde eine Spur breiter.
„Immer noch mein schlaues Mädchen. Ja, Lexi, wir sind Vampire.“ er deutete mit einer kurzen Handbewegung auf die Cullens um ihn und sie herum. Fast hatte ich damit gerechnet, dass diese Nachricht Lexi erneut aus der Bahn werfen würde, doch sie blieb ruhig, emotionslos und kalt.
„Vampire gibt es seit Anbeginn der Menschheit und nicht alle entsprechen den blutrünstigen Geschichten, die du vielleicht in deinem Kopf haben magst.“
„Carlisle, ich finde nicht, dass wir darüber reden sollten, solange der Köter hier ist.“ knurrte Rosalie und der Doc wandte sich in ihre Richtung.
„Rose. Jacob hat seine Geschichte erzählt, wissend, dass wir alles davon mit anhören. Er hat uns sein Vertrauen bewiesen und nun sollten wir ihm das unsrige zuteil kommen lassen.“ sagte er mahnend und mit einem gereizten Ausdruck in den Augen, ließ sich Rose zurück in ihren Stuhl fallen. Ich empfand keinen Triumph, es war unwichtig.
Der Doc widmete sich nun wieder Lexi, die mit großen Augen darauf zu warten schien, dass ihr der gesamte Rest der Wahrheit offenbart wurde. Mit bedächtigen, wohl gewählten Worten begann Carlisle ihr seine Geschichte zu erzählen und es war das erste Mal, dass auch ich sie hörte.
Ich konnte nicht glauben, als ich erfuhr, dass der Doc einst ein Vampirjäger gewesen sein sollte. Dass er dasselbe von Ihnen gedacht hatte, wie ich es noch heute tat und dass wir einst eine Meinung geteilt hatten. Und mir wurde klar, dass er es sich nicht ausgesucht hatte, ein Vampir zu sein. Ebenso wenig wie ich es mir ausgesucht hatte, ein Werwolf zu sein. Zwar war mir Carlisle schon seit langem nicht mehr unangenehm und von den Cullen noch mit am Liebsten, aber ich begann heute, ihn mit ganz anderen Augen zu sehen.
Seine Aufopferung für die Menschheit, der Umstand, dass er denen helfen wollte, die er eigentlich zerstören sollte, ließ ihn auch für mich in einem ganz neuen Licht erscheinen.
Reihum erzählten nun auch die anderen ihre Geschichte. Edward begann mit ruhiger Stimme von seiner schweren Erkrankung zu erzählen, dem Verlust seiner Mutter und ihrem letzten Willen, der Carlisle dazu gebracht hatte, ihn zu verwandeln. Ich konnte ihn zwar nicht leiden und würde es wahrscheinlich auch nie, aber wieder traf mich die Erkenntnis, dass es nicht seine Wahl gewesen war.
Ebenso wenig wie Esmes, als man sie zum Sterben bereits in die Leichenhalle gebracht hatte.
Ich konnte Carlisle verstehen, dass er der Meinung gewesen war, sie alle retten zu müssen, in dem er sie zu Vampiren gemacht hatte, aber ich sah das Ganze etwas anders. Menschen starben jeden Tag und auch wenn er sich als Wohltäter fühlte, war ein Leben als Blutsauger für mich keine Option.
Als Rose ihre Geschichte erzählte, lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Sie mochte unausstehlich sein, zickig und ja, ich hatte mehr als einmal daran gedacht, ihr den Kopf von den Schultern zu reißen, aber was sie erlebt hatte, wünschte ich nicht einmal meinem ärgsten Feind. Vielleicht hatte diese Erfahrung dazu beigetragen, sie so verbittert werden zu lassen. Keine Frau hatte verdient ein solches Martyrium zu erleiden, auch wenn es so eine Person wie Rosalie war.
Nachdem auch Jasper, Alice und Emmett ihre Herkunft und Hintergründe erzählt hatten, wusste ich dass ich schon lange damit begonnen hatte, hinter ihre Fassade zu blicken. Zu wissen, dass sie wirklich einmal lebende und atmende Menschen gewesen waren, die alle einem schmerzhaften Tod hatten entgegen sehen müssen, stimmte mich auf seltsame Weise versöhnlich mit ihnen, und noch wusste ich nicht, ob es nicht besser gewesen wäre, sie weiterhin als das zu sehen, was sie nun waren. Blutsauger.
Lexi hatte ihren Worten mal angespannt, mal traurig und manches Mal fasziniert Gehör geschenkt, war selbst jedoch vollkommen stumm geblieben. Sie ließ sich nicht anmerken, ob sie immer noch Angst hatte oder mit welchen Augen sie ihre Familie nun sah.
Mir fiel es schwer ihr Verhalten zu deuten, weil es so glatt und ruhig war.
Nur langsam wagte sie sich mit Fragen hervor, die die Fähigkeiten der Vampire betraf und die Cullens gaben sich ebensolche große Mühe ihre Fragen zu beantworten, wie ich es zuvor getan hatte.
Als Edward ihr erzählte, dass er Gedanken lesen konnte, stutzte sie und sah ihn mit großen Augen an. Ich wusste, dass er sich zurück hielt und ihr nicht unbedingt jetzt demonstrieren wollte, dass er recht hatte. Ihre Gedanken sollten für den Moment ihr gehören.
„Habt ihr alle besondere Fähigkeiten?“ fragte sie schließlich, als die Sonne bereits wieder ihr dumpfes, graues Licht durch die Wolken ins Zimmer fallen ließ.
„Nicht alle...“ Carlisle blickte von Lexi zu den anderen Cullens, dann zu mir und ich nickte leicht, bevor er wieder zu Alexis sah.
Ich festigte meinen Griff um ihre Schulter ein wenig, auch wenn meine Finger bereits eingeschlafen waren.
Der Doc leckte über seine Lippen und ich wusste, dass er die folgenden Worte sehr sorgsam überdachte und wählte, bevor er sie aussprach.
„Nur Edward, Jasper, Alice...und du.“ sagte er ruhig und augenblicklich spürte ich den Schlag der durch Lexis Körper ging.
„Ich? Aber...aber ich bin kein Vampir. Ich kann kein Vampir sein!“ Panik war in ihre Augen gestiegen und sie drehte sich das erste Mal seit sie hier saß, zu mir herum, hilfesuchend, flehend, ich möge ihr sagen, dass sie keiner war und ihr damit die Angst nahm.
„Ich bin nicht kalt....“ als müsse sie sich noch einmal davon überzeugen, rieb sie über ihre nackten Arme. „Und ich habe einen Herzschlag. Ich habe einen Herzschlag!“ wiederholte sie und als Jasper näher an sie heran rücken wollte, um sie zu beruhigen, floh sie, indem sie hastig aufstand und vom Tisch floh.
Wie ein gefangenes Tier suchte sie nach einem Ausweg aus der Situation und wusste doch wie wir anderen auch, dass es keinen gab.
Ihr ganzer Leib zitterte und ich beeilte mich zu ihr zu kommen und meine Arme fest um ihren bebenden Körper zu schlingen, sie beruhigend zu streicheln, während sie sich an mich klammerte.
„Ich habe einen Herzschlag, ich bin nicht tot, ich bin kein Vampir.“ schluchzte sie gegen meine Brust und ich küsste ihren Haaransatz.
„Shhht, mein Herz. Alles ist gut. Du hast einen Herzschlag. Den wundervollsten, den ich je gehört habe.“ flüsterte ich beruhigend auf sie ein und wusste, dass dies der Moment war, an dem sie kurz vor dem Zusammenbruch stand und das meine Umarmung allein nicht ausreichen würde, um ihr zu helfen.
Und so erlaubte ich es Jasper, sie aus meiner Umarmung in seine eigene zu ziehen und machte einen kleinen Schritt zurück, als seine kalte Haut brennend über meine strich.
Doch ich ließ es mich nicht nehmen, ihre Hand zu halten, mit dem Daumen über ihren Handrücken zu streicheln und in ihrer Nähe zu bleiben, sollte sie die meine wollen.
Nur langsam beruhigte sich ihr Zittern und ihr Schluchzen, das mein Herz zum Bersten brachte und ich sah, dass es Jaspers volle Konzentration verlangte, sie allmählich wieder zurück zum Tisch zu führen.
Ich bezog wieder meinen Posten hinter ihrem Stuhl, doch als ich meine Hand erneut auf ihre Schulter legen wollte, hielt sie sie fest in der ihren und ich machte keine weiteren Anstalten, sie ihr zu entziehen.
Jasper blieb dicht an sie gedrängt neben ihr.
Ihre Gestalt war in sich zusammen gesunken und ich wusste, dass in ihr immer noch ein kleines Feuer der Hoffnung flammte, dass wir ihr nun sagen würden, dass sie kein Vampir war. Wenn es doch nur so einfach gewesen wäre.
„Lexi?“ Carlisle richtete wieder das Wort an sie und mit einer sanften Bewegung seiner Hand strich er ihr ihre Tränen von den Wangen.
„Dein richtiger Name ist Alexis Mér-Chateufort. Du wurdest im Jahr 1793 in Paris kurz vor dem Ausbruch der Revolution geboren...“ setzte er an, während Lexi immer wieder den Kopf schüttelte, als würde es die Wahrheit zu einer Lüge machen, weil sie sie nicht akzeptierte.
„Ich habe einen Herzschlag.“ wiederholte sie wie ein immerwährendes Mantra, als letzten Beweis, dass sie nicht sein konnte, was ihr offenbart wurde.
„Deine Mutter war ein Mensch, dein Vater ein Vampir. Deswegen ist deine Haut warm, dein Herz kräftig und das Blut in deinen Adern rot.“ sagte der Doc beruhigend und ich hatte das Gefühl ihr Leid so deutlich zu spüren, als wäre es mein eigenes. Und das war es auch. Sie so vollkommen derangiert zu sehen, so panisch und traurig und zu wissen, dass dies alles nur die Spitze des Eisberges ihrer Gefühle war, weil Jasper sie besänftigte, ließ mich ebenfalls beinahe durchdrehen.
„Ich habe keine besonderen Fähigkeiten, nichts von dem, was ihr mir erzählt habt, trifft auf mich zu. Ich bin nicht schnell, nicht stark oder in sonst irgendeiner anderen Weise übermenschlich.“ warf sie ein, als würde sie ein Plädoyer vor Gericht halten, um die Todesstrafe abzuwehren.
„Du bist sogar schneller, als die meisten von uns.“ lachte Emmett leise, wohl in dem Versuch, die angespannte Stimmung ein wenig aufzulockern, was jedoch gründlich misslang.
„Ich vermute, dass der lange Verzicht auf Blut dich sehr geschwächt haben muss und damit auch deine Fähigkeiten nicht mehr so ausgeprägt sind, wie sie es sind, wenn du gestärkt und gesund bist.“ erklärte der Doc ruhig.
„Blut? Ich trinke Blut?“ Ihr Blick war angewidert und ich hatte das Gefühl, dass ihr Magen allein bei der bloßen Vorstellung zu rebellieren begann.
„Ja.“ nickte Carlisle. „Wie wir erfahren haben, schaffst du es eine ganze Weile ohne, länger und kontrollierter als wir anderen, aber nichtsdestotrotz wirst du früher oder später wieder damit anfangen müssen. Es wird dich am Anfang vielleicht Überwindung kosten, aber glaube mir, es ist ein notwendiges Übel, an das du dich gewöhnen wirst.“
Sie schüttelte ihren Kopf so heftig, dass ihre Haare zu einem verwaschenen, roten Schimmer wurden.
„Niemals! Ich bin kein Vampir!“ insistierte sie aufgebracht und es war offensichtlich, dass wir noch einige Zeit brauchen würden, um sie davon zu überzeugen, dass sie einer war und dass es nicht ganz so schlimm war, wie sie es sich gerade vorstellte.
Mit einem Ruck befreite sie sich von Jasper und stand erneut auf. Wut und Verzweiflung standen auf ihrem Gesicht.
„Ich bin ein Mensch!“ rief sie verzweifelt aus und griff nach der Obstschale auf dem Tisch, die sie dann mit voller Wucht zu Boden schmetterte.
„Ich will das nicht hören! ICH BIN EIN MENSCH!“
Aufgebracht drehte sie sich um und ich vernahm noch das Zucken in Edwards Gesicht, bevor auch er aufsprang und sie daran zu hindern versuchte, eine Scherbe vom Boden aufzuklauben.
Doch er war zu langsam. Lexi zog die scharfkantige Seite über ihren Unterarm und tiefrotes Blut quoll hervor.
„Seht ihr? Ich bin ein Mensch.“ Sie streckte den Arm in unsere Richtung, als Beweis ihrer Menschlichkeit.
Ich schloß die Augen und verstand den Leidensdruck, der sie fest in seinen Fingern hielt. Ich hatte zunächst auch alles abgestritten und versucht Beweise zu finden, dass ich kein Werwolf war. Aber ebenso wie ich gescheitert war, würde nun auch sie scheitern.
Hastig verließ ich meinen Platz und ging zu ihr hinüber. Ich griff nach ihrem Arm, von dem das Blut mittlerweile auf den hellen Teppich tropfte.
Zitternd ließ sie mich gewähren und seufzend nahm ich ein Stück meines Shirts, um das Blut von ihrer Haut zu wischen. Die Wunde begann sich langsam, sehr langsam zu schließen und doch war deutlich zu erkennen, dass es schneller von Statten ging, als es normal gewesen wäre.
Lexi keuchte, als sie auf ihren Arm blickte. Mit weiten Augen blickte sie zu mir und ihr Blick war ein glühender Schürhaken, der sich durch meine Eingeweide grub.
„Das ist nicht möglich...“ sie rang nach Atem und ich hätte sie am liebsten in die Arme geschlossen.
Sie strauchelte und ich hielt sie fest, bevor sie den Boden treffen konnte.
Nun stand auch Carlisle auf und näherte sich uns.
„Alexis.“ Carlisle legte seine Hände an ihre Wangen, brachte sie dazu still zu halten und ihn anzusehen. „Du bist was du bist, aber das ist nicht das Ende der Welt. Sieh dich um, ist hier auch nur eine Person, die du für böse hältst?“
Starr von seiner Berührung geworden blickte Lexi in die Runde und schüttelte dann ganz leicht den Kopf, soweit Carlisles Hände es zuließen.
„Und du bist ebenso wenig ein Monster. Wir sind anders. Du bist anders.“
Ich konnte die Qual in ihrem Gesicht nicht mehr ertragen und so unterbrach ich den Doc.
„Vielleicht sollten wir eine Pause machen.“
„Nein!“ Lexi wand ihren Blick in meine Augen und das Grün der Ihren hatte die Farbe des aufgepeitschten Meeres im Sturm.
„Bist du dir sicher? Wir haben alle Zeit der Welt. Ich glaube, für heute ist es genug.“ pflichtete der Doc mir bei, aber Alexis wehrte sich.
„Ich will meine wahre Geschichte hören. Alles.“ verlangte sie stur und erneut entfuhr mir ein lautes Seufzen.
„Schatz. Das ist keine gute Idee. Du bist vollkommen fertig.“ versuchte ich sie umzustimmen, aber sie löste sich aus meiner Umarmung und stieß mich fast unsanft zur Seite.
„Du hast lange genug bestimmt, was ich weiß und was nicht. Jetzt bestimme ich.“
Ich hatte das Gefühl, meine Ohren würden bluten, nach den knapp 24 Stunden, die wir fast nonstop nur geredet hatten. Mein Schädel zerbarst unter der Fülle an Informationen, die ich erhalten hatte und ich konnte mir nur im Ansatz vorstellen, was diese Geschichten erst in Lexi anrichten mussten.
Sie weinte still. Jede Träne, die über ihre weichen Wangen rollte, tropfte wie eine verlorene Perle in ihren Schoß und zerrte an meinen Eingeweiden.
Carlisle hatte sein Wissen über Lexis Leben so detailliert, wie es ihm möglich war an uns weiter gegeben und dabei trotz sanfter Stimme, nicht um den heißen Brei geredet.
Ich hatte jedes Zucken ihres Körpers vernommen, als er von ihrer Geburt, ihrem Vater und schließlich von Caius und ihrer Aufgabe bei den Volturi gesprochen hatte.
Wie es aussah, erfuhren dabei nicht nur Lexi und ich Neuigkeiten, wie ich an den Gesichtern der anderen Vampire sehen konnte.
Mittlerweile hatte sich die Sonne wieder dem Horizont angenähert und ich spürte jeden Knochen im Leib, weil ich meinen Platz hinter Alexis Stuhl nicht für einen Moment verlassen hatte und auch wenn allmählich die Natur ihr Recht von mir verlangte, ignorierte ich diesen Umstand geflissentlich.
„Das heißt also...“ Lexi hob den Blick ihrer glasigen Augen zu Carlisle. „Ihr seid nicht meine Familie? Und das hier ist nicht mein Zuhause?“
Ihre schmale Silhouette zitterte unter diesen Worten und ich verstärkte den Griff um ihre Schulter. Ich wollte sie wissen lassen, dass egal was sie heute vielleicht verloren hatte, ich nicht dazu gehörte.
„Wir waren immer deine Familie.“ antwortete Edward anstelle vom Doc und schenkte Lexi ein sanftes Lächeln.
„Wir wollten dir immer ein Zuhause geben, aber du warst stets dagegen.“
Lexi nickte, seufzte dann lang und gequält, bevor sie sich über die Lippen leckte.
„Und ich habe nichts gemerkt. Dass ihr nicht esst, nicht schlaft und...naja...ich war wohl einfach zu überzeugt davon, dazuzugehören.“ sie schluckte hart und zwang sich zu einem gekünsteltem Lächeln, das mich fast noch mehr schmerzte, als ihre Tränen.
„Du gehörst dazu. Wir kennen einander schon so lange und du musst nicht denken, dass sich nun etwas zwischen uns ändert.“ sagte Esme liebevoll und erneut nickte Lexi schwach, bevor sie meine Hand von ihrer Schulter nahm und sich erhob.
„Es tut mir leid, dass ich euch soviele Umstände gemacht habe. Ich möchte jetzt ein wenig allein sein.“
Ich folgte ihr auf dem Fuß, doch als sie kurz stehenblieb und sich zu mir wand, wusste ich, dass ihr Wunsch nach Einsamkeit auch meine Abwesenheit mit einschloss.
Wir tauschten für einen stummen Moment einen tiefen Blick miteinander aus, dann griff sie nach meiner Hand und zog mich wortlos mit sich, während mir ein ganzes Gebirge von der Brust fiel. Scheinbar hatte sich zwischen uns wirklich nichts geändert. Zumindest hoffte ich das.
Als wir ihr Zimmer erreichten, ließ sie sich kraftlos auf ihr Bett sinken und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Ich beeilte mich, mich neben sie zu setzen und so sanft wie ich konnte, meine Arme um sie zu legen. Für einen kurzen Augenblick zögerte sie, dann drängte sie sich an meine Brust.
Ich hatte Angst gehabt, dass sie mich wegstoßen würde, weil ich derjenige gewesen war, der ihr all die Lügen erzählt hatte, doch scheinbar war dieser Umstand noch nicht in ihr Bewusstsein gesickert und ich gab ihr Halt, solange sie ihn wollte.
Immer wieder strich ich sanft über ihr Haar und küsste ihre Stirn, während ich versuchte, sie mit meinem Körper gegen den Schmerz abzuschirmen, der in ihr tobte.
Ich wollte ihr Geborgenheit geben und sie spüren lassen, dass ich immer für sie da sein würde.
Ich hielt sie fest, Minuten oder Stunden, es war mir egal, bis ihr Körper langsam aufhörte zu beben und scheinbar all ihre Tränen geweint waren und neben ihrem Blut mein Shirt durchtränkten.
Erst als ich ihren ruhigen Atem bemerkte, wurde mir klar, dass sie eingeschlafen war und vorsichtig bettete ich ihren Kopf in meinem Schoß, griff zur Decke hinter mir und legte sie über sie.
Die letzten Tage hatten soviel an Aufregung geboten, dass ich nur zu gut verstand, dass die Kraft sie verlassen hatte. Meine Augen brannten ebenfalls schmerzlich, doch ich erlaubte mir nicht, mich ebenfalls Morpheus Armen hinzugeben. Ich würde ihren Schlaf bewachen und da sein, wenn sie wieder aufwachte.
Draußen verfärbte sich der Himmel von tiefem Blau zu Schwarz und ich hörte nicht auf, sacht über ihren Rücken zu streichen. Es war alles, was ich im Moment tun konnte und ich tat es gern.
Und während sie schlief wurde mir ein weiteres Mal klar, wie sehr ich sie brauchte. Dass ich sie zum Atmen brauchte und dass mich nichts und jemand, jemals von ihr würde trennen können.
Lexis Schlaf war unruhig und ein ums andere Mal hörte ich sie schmerzlich stöhnen. Ich konnte mir vorstellen, dass unsere Gespräche keine angenehmen Bilder in ihren Kopf transportiert hatten.
Und so war es immer noch dunkel, als ich spürte, wie ihr Körper begann sich wieder zu regen.
„Guten Morgen mein Engel.“ flüsterte ich sacht und wusste, dass es noch mitten in der Nacht war.
Lexi richtete sich leicht auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen, bevor ihr Blick auf den verfärbten Stoff meines Shirts fiel.
„Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass es nur ein böser Traum war.“ seufzte sie leise und an ihrer Stimme konnte ich hören, dass sie kurz davor stand, wieder zu weinen.
Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und ließ meine Daumen behutsam über ihre Schläfen streichen.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin bei dir.“
Sie schlug die Augen nieder, erhob sich dann und ging zu ihrem Kleiderschrank, wo sie ein frisches T-shirt für mich herausholte und es mir entgegen streckte.
„War ziemlich dumm von mir, oder?“ fragte sie gequält und ich wusste nicht genau, was sie meinte.
„Was meinst du?“ fragte ich zurück, während ich mich umzog.
„Mir in Gegenwart einer ganzen Horde Vampire den Arm aufzuschneiden.“
Ich wusste, dass sie diesen Scherz nur machte, um sich selbst abzulenken und ich half ihr, indem ich leise lachte.
„Ja, ziemlich dumm.“ entgegnete ich behutsam und zog sie zurück zu mir aufs Bett.
„Wie lange wird es dauern?“ sie sah mich fragend an. „Ich meine, wie lange wird es dauern, bis der Schock vergeht?“
„Ein paar Tage vielleicht. Aber wir sind alle da, um dir dabei zu helfen, ihn schnell zu überwinden. Du wirst sehen, dass es nicht halb so schlimm sein wird, wie du es dir gerade vorstellst. Du hast vor deinem Gedächtnisverlust einen wirklich guten Vampir abgegeben.“
„Halbvampir!“ korrigierte sie mich und ich nickte.
„Meinetwegen auch das.“ lächelte ich weich und ließ mich nach hinten auf die Matratze fallen, während sie sich auf meine Brust legte.
„Ein Werwolf und ein Halbvampir also? Irgendwie klingt das nicht richtig.“ sagte sie ernst und ich schüttelte den Kopf.
„Du liebst, wen du liebst.“ antwortete ich ruhig und genoß ihren weichen Körper auf meinem.
„Auch wenn er der gegenüberliegende Teil eines Spektrums ist?“
„Ich sehe uns eher als zwei verschiedene Farben ein und desselben Regenbogens.“ scherzte ich und spürte, dass Lexi fast lachte.
„Welch blumiger Vergleich. Es klingt trotzdem nicht richtig. Wenn ich richtig gerechnet habe, bin ich gute 200 Jahre älter als du. Findest du das nicht irgendwie...befremdlich?“
„Befremdlich? Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen. Du liebst, wen du liebst. Und ich liebe dich. Auch als uralte, tattrige Vampirfrau.“ Ich versuchte sie ein wenig abzulenken und aufzumuntern, indem ich sie triezte und freute mich, als sie mich spaßeshalber in die Seite boxte.
„Ich hab mich ja wohl verdammt gut gehalten.“ schalt sie mich und ich nickte.
„Verdammt gut, ja.“ antwortete ich und so schnell die lockere Stimmung gekommen war, so schnell war sie wieder verschwunden, als sie seufzte.
„Ich werde wirklich gejagt, oder?“
„Ja, aber ich werde nicht zulassen, dass dir noch einmal etwas passiert. Und wenn es mich selbst das Leben kostet. Ich werde dich beschützen. Du brauchst keine Angst haben.“
„So etwas will ich nicht hören, Jake. Ich könnte es nicht überwinden, wenn dir etwas geschieht, wegen mir. Zudem habe ich nicht wirklich Angst vor Caius...eher davor, zu verdienen was er mir antun will.“
Ich richtete mich leicht auf und sah sie schockiert an.
„Warum um alles in der Welt, solltest du so etwas verdient haben?“
„Ich habe Menschen getötet, oder nicht? Und andere, die so waren wie ich. Das ist irgendwie das Schlimmste an der ganzen Sache. Mir vorzustellen, dass ich so eiskalt sein konnte.“
„Das ist 200 Jahre her. Ich denke, du hast genug dafür gesühnt. Mach dir darüber bitte keine Gedanken mehr. Du kannst nicht ändern, was geschehen ist. Aber du hast es lange genug bereut.“
Sie lachte schwach und es war mehr der Ausdruck von Schmerz, als von Einsicht.
„Kann man so etwas lange genug bereuen? Jemand anderen das Leben zu nehmen?“ sie drehte sich auf den Rücken und starrte zur Decke hinauf.
„Ich weiß nicht, aber ich glaube, 200 Jahre sind genug um sich nicht mehr deswegen zu geißeln. Vielleicht wirst du eines Tages dafür zur Rechenschaft gezogen, aber nicht von Caius.“
Ich ließ mich wieder neben sie sinken und verschlang meine Finger mit ihren.
Wir schwiegen. Einen endlos erscheinenden Moment, hing jeder von uns seinen eigenen Gedanken nach und als ich wieder sprach, wurden meine Worte von dem heftigen Klang meines schlagenden Herzens begleitet.
„Bist du mir sehr böse?“ Ich drehte mein Gesicht zu ihr und es dauerte lange, bis sie den Kopf schüttelte.
„Ich bin zwar der Meinung, dass du mir von Anfang an, die Wahrheit hättest sagen müssen, aber ich verstehe deine Beweggründe, warum du es nicht getan hast. Aber bitte, ab jetzt keine Lügen mehr, okay?“
Ich nickte und zog sie nah an mich heran, um sie zu küssen. Ihre Lippen schmeckten immer noch salzig und dennoch war es das süßeste Gefühl der Welt für mich.
Klammheimlich begann der Morgen sich zu uns ins Zimmer zu stehlen, während wir uns immer noch aneinander festhielten und küssten.
Es war bittersüß.
Auf der einen Seite war ich froh, dass sie die Wahrheit wusste und auf der anderen Seite, schmerzte es mich, dass sie so sehr darunter zu leiden hatte.
Immer wieder sahen wir uns in die Augen und ich konnte die Erleichterung nicht in Worte fassen, dass sie mich immer noch bei sich duldete und ich scheinbar immer noch wichtig für sie war.
Ich hätte für alle Ewigkeiten hier liegen können, ihr Gesicht in meinen Händen und ihre Augen so tief in meinen versunken.
Sie war alles, was ich brauchte und sie war so unendlich kostbar für mich. Ich würde sie beschützen, mit allem was ich hatte. Ohne sie, würde die Welt ihre Bedeutung für mich verlieren. Ich war ganz und gar erfüllt, von dem was sie mich spüren ließ.
„Wie fühlst du dich?“ flüsterte ich schließlich leise, als die Sonnenstrahlen das Bett erreicht hatten und einen goldenen Schimmer in ihr Haar zauberten.
„Als hätte man mir das Leben einer Fremden angezogen, wie ein Kleidungsstück, das mir nicht passt.“ wisperte sie zurück und ich strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Du wirst noch hineinwachsen.“ sagte ich sanft und schenkte ihr ein warmes Lächeln.
Ich hatte das Gefühl, als würden wir uns wie in Zeitlupe bewegen. Abgetrennt von der Hektik vor den Türen dieses Hauses. Als seien nur wir beide auf dieser Erde existent.
Um uns herum war Ruhe. Wir waren umgeben von einer Stille, die so sehr im Gegensatz zu dem Sturm stand, der in uns beiden tobte.
Für den Moment gefangen im Auge des Orkans, der trügerischen Ruhe ergeben, von der wir beide wussten, dass sie nicht von Dauer sein würde und trotzdem dankbar für jede Sekunde, die uns vergönnt war.
„Du wirst zu spät zur Schule kommen.“ flüsterte ich rau, während ich immer noch, genau wie sie auf der Seite ihr zugewandt lag und meine Hand über ihre Wange strich.
„Ich werde nicht mehr in die Schule gehen.“ antwortete sie ruhig und ich bemerkte, wie ihre Augen jeden Zentimeter meines Gesichtes erforschten.
„Warum nicht?“
„Ich glaube nicht, dass es ein Ort ist, an den ich gehöre. Es war schön, solange es dauerte, auch wenn es nur eine Woche war.“ entgegnete sie ruhig und ihre Hand streckte sich nach meiner eigenen Wange aus, um sie zart zu berühren.
Ich schloß die Augen, als ich ihre warmen Fingerspitzen auf meiner Haut spüren konnte und drehte leicht den Kopf, um ihren Handinnenfläche zu küssen.
„Okay...ich war ohnehin kein Freund von dieser Geschichte.“
„War deine Sorge um mich so groß?“ fragte sie leise und ich schenkte ihr ein kurzes Lächeln.
„Ich sorge mich immer um dich. Das wird nie aufhören.“
„Ist das alles, was du für mich fühlst? Sorge? Den Drang, mich beschützen zu müssen?“
Ihre Hand glitt von meinem Gesicht und sie richtete sich leicht auf, zog ihre Beine vor ihre Brust und schlang ihre Arme darum, während sie ihren Kopf auf ihren Knien ablegte.
Ich konnte nicht anders, als leise zu schmunzeln und den Kopf zu schütteln.
Langsam folgte ich ihrem Beispiel und richtete mich ebenfalls auf, rutschte nah an sie heran und legte meine Arme von hinten um ihre Schultern, während ich mein Gesicht nah an ihre Wange brachte.
„Du bist die einzige Person, auf der ganzen Welt, die mich alles fühlen lassen kann. Sorge, Schmerz und Leid....aber auch Freude, Glück und Euphorie. Weil du ein Teil von mir bist.“
Ich machte eine kurze Pause, bevor ich weitersprach.
„Weil du in mir bist. Mit jedem Herzschlag, mit jedem Atemzug, den ich mache, bist du in mir und bei mir und weil ich nie wieder ohne dich sein kann, sorge ich mich um dein Wohlergehen. Nenn es Egoismus, wenn du willst. Denn indem ich mich um deine Unversehrtheit bemühe, bemühe ich mich um meine eigene.“
Sie drehte ihren Kopf leicht, um mich anzusehen und ihre Augen waren getränkt von den Tränen, von denen ich gedacht hätte, dass sie alle bereits geweint hatte.
„Warum bedeute ich dir so viel?“
„Warum ist das Gras grün, warum der Himmel blau und warum ist Rosalie so eine verdammte Nervensäge?“ ich lachte leise, als ich sah, dass auch Lexi unter ihren Tränen schmunzelte und zog sie noch enger an mich.
„Ist es nicht unwichtig, warum? Solange die Dinge sind, wie sie sind und wir nicht planen, sie zu ändern, kann uns doch egal sein, warum sie sind, wie sie sind.“
Alexis lehnte sich gegen meine Schulter und erneut entstand diese wunderbare Stille zwischen uns, einzig durchbrochen durch den Schlag unserer Herzen in der Ruhe dieses Zimmers.
„Bin ich gefährlich?“ Sie sah mich nicht an, während sie fragte und ich verstärkte meinen Griff um ihre Silhouette. „Ich meine, bin ich gefährlich für dich?“ Nun wandte sie doch den Blick.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Im Moment würde ich dich wahrscheinlich sogar mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen besiegen können. Du bist schwach geworden und ich bin ganz gut darin, dich zu lesen.“ antwortete ich ruhig und es war die Wahrheit. „Ohne, dass deine Sinne geschärft sind, bist du nicht mehr als ein kleiner Schmetterling.“ neckte ich sie und stubste sie sacht mit der Nasenspitze an.
„Und was ist, wenn ich Blut getrunken habe? Wenn ich wieder stark bin?“ fragte sie nun und ich wusste nicht genau, was ich darauf antworten sollte.
„Wir haben uns nie wirklich bekämpft. Nie unsere Kräfte miteinander gemessen. Ich denke, du kannst mir durchaus die Stirn bieten, wenn du gestärkt bist. Aber ich plane nicht, dich anzugreifen und ich werde dir keinen Grund geben, dass du mich angreifen willst. Du hast dich bisher so gut geschlagen, trotz deines Durstes, hast du mir nichts getan. Also wirst du es auch nicht tun, wenn er gestillt ist.“
„Was heißt das? Trotz meines Durstes?“ sie runzelte die Stirn und sah mich ohne Verständnis an.
„Carlisle meinte...“ ich seufzte und distanzierte mich leicht von ihr. „...er meinte, dass es sein könnte, dass du dich vergisst, sobald wir zuviel Nähe teilen. Dass dein Durst dich vielleicht übermannt und du mich beisst. Das ist der Grund, warum ich dich immer so auf Abstand gehalten habe, wenn....“ ich brauchte nicht mehr zu sagen, sie verstand mich auch so.
„Und du hast es trotzdem zugelassen...“ sagte sie geschockt und stand abrupt vom Bett auf. Ich konnte den schnellen Schlag ihres Herzens hören, der das Blut in ihren Adern zum pulsieren brachte.
„Weil ich dir vertraue. Und das zu Recht. Ich wusste, dass du mir niemals etwas antun würdest.“
„Du hast dich bewusst einer Gefahr ausgesetzt, nur weil ich dich darum gebeten habe?“ sie starrte mich fassungslos und anklagend an und ich wusste, dass ich meine Worte lieber zurückgehalten hätte.
„Nein. Weil ich es selbst wollte und weil ich mir sicher war, dass nichts passieren wird.“
„Wie konntest du dir da sicher sein? Kannst du dir vorstellen, wie es gewesen wäre, herauszufinden, was ich bin, weil ich meinen Freund getötet habe?“
„Ich hätte nicht zugelassen, dass du mich tötest.“ sagte ich ernst und erwiderte ihren Blick selbstsicher.
Sie wandte sich demonstrativ von mir ab und starrte zum Fenster hinaus.
„Ich kann nicht glauben, dass du so leichtsinnig warst.“ murmelte sie vor sich hin und ich stand nun ebenfalls auf, um ihr ans Fenster zu folgen.
„Ich war niemals leichtsinnig. Und selbst wenn du mich in dieser Nacht angegriffen und getötet hättest, wäre ich als der glücklichste Mensch der Welt gestorben.“
Sie drehte sich so schnell zu mir um, dass ich zu zweifeln begann, dass sie all ihre Stärke verloren hatte.
„Sag das nicht! Sag sowas nicht. Ich will so etwas nie wieder hören, hast du mich verstanden?“
Ich machte einen erschrockenen Schritt zurück, nicht vorbereitet auf die Härte in ihrer Stimme.
„Du musst mir versprechen, dass du dich nie wieder meinetwegen in Gefahr begibst, hörst du? Versprich es mir! Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas meinetwegen geschieht. Versprich es Jacob, versprich es mir.“
Der flehende Blick in ihren Augen machte es mir schwer etwas zu erwidern, dass nicht der Wahrheit entsprach. Ich konnte ihr nicht versprechen, dass dies nicht mehr geschehen würde.
Ich würde jederzeit mein Leben aufs Spiel setzen, wenn es galt, ihres zu retten.
Meine Hand streckte sich nach ihr aus und ich zog sie trotz Gegenwehr wieder an mich.
„Versprich es mir.“ wiederholte sie angestrengt, aber ich blieb ihr jede Antwort schuldig.
Seufzend schlug ich das Tagebuch zu und verstaute es wieder in der Schublade meines Schreibtisches. Ich hatte mir nicht durchgelesen, was ich dort zu Papier gebracht hatte und würde es wahrscheinlich auch nie wieder tun. Es waren die selbst bemitleidenden Äußerungen einer 17-jährigen, die nicht verstand, dass sie keine 17 mehr war.
Ein Teil von mir, klein, mickrig und verkommen, konnte immer noch nicht akzeptieren, dass ich jetzt erwachsen werden musste. Er wehrte sich und ertrank immer mehr in Pathos und Heuchelei.
Der andere, größere Teil von mir, war einfach nicht mehr da.
Er war durchsichtig geworden und zerbrochen, wie zu dünn gezogenes Glas.
Nur hin und wieder, wenn ich in Jakes Augen sah, dann begann ein Licht auf den Scherben zu glitzern.
Wieder ging mein Blick zur Uhr und als ich leidlich feststellte, dass der Sonnenaufgang noch auf sich warten lassen würde, erhob ich mich und ging zum Fenster. Ich lehnte meine Stirn gegen die kühle Glasscheibe und blickte hinaus in die Nacht. Ich erkannte die nahestehenden Bäume klar und deutlich. Ich hatte keine Schwierigkeiten, in der Dunkelheit zu sehen. Ehrlich gesagt hatte ich nie Probleme damit gehabt, im Dunklen zu sehen. Ich hatte nur nie besonderen Wert darauf gelegt, weil ich es nicht anders gekannt hatte. Es war nichts besonderes gewesen und ohne Vergleichswerte, war es schwierig gewesen, das Besondere daran festzustellen.
Anders war es mit meinem Gehör gewesen. Erst langsam entfaltete sich wieder das ganze Potenzial, das es beinhaltete. Carlisle hatte mir dabei geholfen, mich darauf zu konzentrieren und allmählich war ich in der Lage, bewusst zu hören. Die mich umgebenden Geräusche zu erkennen und voneinander zu trennen.
Wenn ich mich darauf konzentrierte konnte ich von hier das Rascheln der Blätter im Wind hören, ein Käuzchen, das in die trügerische Stille der Nacht seinen Ruf entsandte und...
Ich schloß die Augen, drehte mich um und ging zur Wand hinüber, die mein Zimmer, vom nächsten trennte. Ich legte meine Hände auf die Tapete und brachte meine Lippen nah an die Wand.
„Jasper?“ flüsterte ich leise, wusste aber, dass er mich würde hören können.
„Was hat mich verraten?“ hörte ich seine Stimme gedämpft zu mir dringen und konnte erkennen, dass er ebenfalls flüsterte.
„Der Stoff deines Hemdes. Er raschelt.“
„Du bist besser geworden.“
„Ich versuche es, um Carlisle nicht zu enttäuschen.“ Ich legte meine Wange an die Wand und schloß die Augen.
„Du weißt, dass du das nicht tun musst?“ fragte ich ruhig.
„Ich tu doch gar nichts.“ entgegnete er ebenso ruhig und fast hätte ich ihm diese Lüge abgekauft.
„Aber du hattest es vor.“ stellte ich ungeniert fest und nahm sein Schweigen, als Eingeständnis.
„Ich hatte nur gedacht, ein klein wenig Trost und Ruhe würde dir vielleicht helfen, einzuschlafen.“ sagte er, ohne dass es wie eine Verteidigung klang.
„Du weißt genau so gut wie ich und wie jeder andere in diesem Haus, dass ich nicht schlafen kann.“ Ich ließ mich mit dem Rücken an der Wand hinunter gleiten, lehnte meinen Hinterkopf dagegen und zog die Knie an.
„Dann hol ihn zurück.“
„Ich kann nicht.“
Meine Hände begannen einander unruhig zu kneten und wieder schloß ich die Augen, als ob es mir helfen würde, meine Gedanken unter Kontrolle zu halten.
„Du bist stärker, als du denkst. Du bist nicht über Nacht zu einer bluthungrigen, besessenen Bestie geworden. Hör auf, dir das einzureden.“
„Weißt du, dass ich müde bin, das immer wieder zu hören?“ Ich wandte den Kopf, als könne ich Jasper durch die Wand hindurch sehen.
„Was?“ kam es leise zurück.
„Dass ich so stark bin. Ihr werdet alle nicht müde, mir zu sagen, ich sei mutig und kontrolliert.“ raunte ich.
„Weil du es immer warst und auch jetzt noch bist.“
„Warum bin ich dann fortgelaufen? Wenn ich so mutig bin, warum bin ich geflohen? Warum habe ich mich nicht gestellt, für das was ich getan habe? Warum habe ich nie zurückgeschlagen?“
„Weil man dich getötet hätte. Egal, ob du Reue gezeigt hättest oder nicht.“
Ich seufzte still.
„Vielleicht wäre es besser gewesen. Gerechter.“ Ich zog meine Knie noch enger an meinen Körper und schlang die Arme darum.
„Soll ich zu dir rüber kommen?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, ich will allein sein.“
„Das heißt wir unterhalten uns weiter durch die Wand?“ ich hörte in Jaspers Stimme, dass er lächelte.
„Ist das ein Problem für dich?“ fragte ich zurück und blickte erneut flüchtig auf die Uhr.
„Nein, ist schon okay.“
„Jasper?“
„Ja?“
„Wie bin ich früher gewesen? Was hat mich ausgemacht?“
„Ich weiß nicht. Irgendwie hast du mich immer an eine Feder erinnert.“
Ich schlug die Augen auf und starrte wieder auf die Wand, als könnten meine Blicke die Mauer durchdringen.
„Warum ausgerechnet eine Feder?“
„Ich wusste nie, ob du fliegst oder fällst.“
Stille entstand zwischen uns, während ich darüber nachdachte, was genau er damit wohl meinte.
„War ich ein guter Mensch...Vampir? Abgesehen von den Dingen, die ich getan habe?“
„Ich hab dich zumindest immer gemocht und was bedeutet schon ein guter Mensch zu sein? Du warst immer eigen und voller Sorge. Sorge um dich und um die, die dir nahe standen. Glücklicherweise konnte ich mich immer dazu zählen. Ich hoffe, dieser Umstand hat sich nicht geändert?“
„Nein. Du gehörst zu den einzigen Menschen, die ich habe und die mir etwas bedeuten. Das hat sich nicht geändert.“
„Hmm.“
Wieder schwiegen wir.
„Wird wirklich wieder alles gut werden?“ fragte ich schließlich und hatte damit die alles entscheidende Frage gestellt.
„Wer weiß. Ich kann dir nicht versprechen, dass sich alles wieder zum Guten wendet. Aber wir können hoffen. Du kannst neu anfangen und hinter dir lassen, was gewesen ist.“
„Wenn Caius mich lässt.“ entgegnete ich rau.
„Wenn Caius dich lässt, ja.“
Wir redeten lange, schwiegen eben so lange und obwohl ich Jaspers Gesicht nicht sehen konnte, wir durch die Wand zwischen uns getrennt waren, hatte ich mich, von Jake abgesehen, niemandem mehr so nahe gefühlt.
Im Morgengrauen erhob ich mich, streckte meine leicht schmerzenden Glieder und ging unter die Dusche. Ich war immer noch müde, aber die Nacht mit Jasper war besser gewesen, als es Schlaf hätte sein können. Ich föhnte meine Haare und zog mich an, wobei ich nicht darauf achtete, was ich aus dem Kleiderschrank zog.
Ich hörte, wie wieder Leben ins Haus einkehrte. Bella hatte bei Edward geschlafen und daher ruhte das Haus in der Nacht, damit auch sie ungestört ruhen konnte. Wahrscheinlich wäre es angenehmer für sie gewesen, wenn sie einen eigenen Platz zum Bleiben hätten, aber da sie planten bald zu studieren, lohnte es sich jetzt kaum noch ein anderes Haus zu suchen. Ohnehin hatte ich das Gefühl, dass Bella es nicht im Geringsten störte, mit allen zusammen zu sein.
Mein weg führte mich schließlich in Richtung Küche und als ich dort ankam, begrüßte mich Bella bereits, während sie am Herd stand und ein paar Rühreier machte.
„Hey...Guten Morgen, Süße.“ sie lächelte offen in meine Richtung, doch mein Blick durchsuchte den Raum nach Edward oder einem anderen Cullen.
„Guten Morgen.“ entgegnete ich unsicher und blieb zögernd im Türrahmen stehen. „Wo ist Edward?“
„Der wuselt hier irgendwo rum. Er wird bestimmt gleich da sein.“ antwortete sie gutgelaunt und schenkte zwei Tassen Kaffee ein, während ich immer noch wie festgewachsen an meinem Platz stand und mich nicht traute, ihr näher zu kommen.
„Na komm schon rein. Ich werde dich bestimmt nicht beißen.“ sie zwinkerte mir zu und lachte.
„Ja, ich weiß.“ entgegnete ich schwach und blieb trotzdem stehen.
Mit ihr allein zu sein, war eine Sache, die ich absolut vermied und ich würde jetzt nicht damit anfangen, diesen Umstand zu ändern.
Plötzlich legte sich eine kalte Hand auf meine Schulter und ich nahm Edwards süßen Duft wahr.
„Schon okay, Lexi.“ flüsterte er sanft in mein Ohr und ich atmete erleichtert auf. Ich fühlte mich sicher, wenn er dabei war. Und so folgte ich ihm in die Küche, wo er Bella einen sanften Kuss gab, ihr eine der Tasse abnahm und mir reichte.
„Danke.“
Unsere Hände berührten sich für einen kurzen Moment und Edward stutzte.
Er sah mich skeptisch an und trat einen Schritt näher, während sich seine kühle Hand auf meine Stirn legte.
„Hast du Fieber?“ seine Augenbrauen zogen sich zusammen und meine Stirn legte sich in Falten.
„Kann ich sowas überhaupt bekommen?“
Ich konnte nicht umhin, die Kühle seiner Haut als angenehm zu empfinden.
„Du hast wieder nicht geschlafen, oder?“ fragte er mahnend und ich zuckte mit den Schultern.
„Mir geht es gut, ich bin nicht müde.“
Er blickte an mir vorbei zur Tür und ich kam mir vor, als würde er mit einem kleinen Kind reden.
„Carlisle?“ er hob seine Stimme kaum und doch war kaum eine Sekunde vergangen, bevor Carlisle erschien. „Ich glaube, Lexi hat Fieber.“ Edward machte einen Schritt zur Seite und ließ Carlisle an seine Stelle vor mir treten.
Ganz wie der Doktor, der er war, fühlte Carlisle meine Stirn und Wangen ab und warf einen kritischen Blick auf meine Pupillen.
„Du fühlst dich tatsächlich ein wenig fiebrig an. Du hast wieder nicht geschlafen, oder?“
Ich ließ den Blick zu Boden fallen. Ich würde nicht antworten müssen. Es war auch ohne Worte offensichtlich.
Carlisle seufzte und strich mir väterlich das Haar hinters Ohr.
„Ich denke nicht, dass es etwas ernstes ist. Viel mehr vermute ich, dass durch den Blutverzicht deine Heilkräfte ein wenig zurückgehen und die letzten Tage waren anstrengend. Du wirst es nicht mehr lange aufschieben können. Aber du kannst so nicht auf die Jagd gehen. Ich werde dir ein paar Blutkonserven aus dem Krankenhaus mitbringen, dann wird auch dein Fieber wieder sinken.“
„Fieber? Wer hat Fieber?“
Jake kam wie jeden Morgen der letzten Tage ungeniert und ohne zu klopfen in die Küche und ich schloß seufzend die Augen. Bei den ganzen Sorgen, die er sich ohnehin um mich machte, wäre es besser gewesen, er hätte sich jetzt noch ein paar Minuten Zeit gelassen.
„Niemand.“ sagte ich und warf einen bedeutungsschwangeren Blick in die Runde, konnte damit aber nicht verhindern, dass Jake sich an Carlisle vorbei schob und mir näher kam, als ich es wollte.
Als er jetzt auch noch seine Hand hob, in dem Versuch sie auf meine Stirn zu legen, schlug ich unsanft gegen seinen Arm und durchkreuzte damit seine Pläne, mich berühren zu wollen.
„Nicht.“ zischte ich und zog mich aus dem Kreis der drei Männern zurück.
Mein Herz schlug schneller als gewohnt, allein von der Erwartung Jakes Berührung zu spüren.
Es fiel mir nicht leicht, darauf zu verzichten, ich selbst sehnte mich danach, ihn an mich heran zu lassen. Aber ich musste strikt sein. Eine unachtsame Berührung konnte zu so viel mehr werden und ich wollte den Anfängen wehren.
Ich umfasste meine Tasse eine Spur fester und wandte mich ab.
„Ich werde draußen frühstücken.“ nuschelte ich kurz angebunden und flog die Stufen nach unten förmlich hinab und nicht daran denkend, dass ich außer meinem Kaffee nichts hatte, was ein Frühstück darstellen konnte.
Ich durchquerte das Wohnzimmer, schob die Glastüre nach draußen auf und ließ mich murrend auf einen der Gartenstühle sinken.
Ich wusste nicht wirklich, warum ich so verstimmt war. Jakes Versuch mich zu berühren, war aus Sorge heraus entstanden.
Sorge...
Dieses Wort hatte mich ebenfalls überdrüssig werden lassen. Ich war kein kleines Kind mehr. Oder zumindest versuchte ich, keines mehr zu sein und diese übermenschliche Besorgnis um mich herum, rang mich Stück für Stück zu Boden und nahm mir die Luft zu atmen.
Ich nahm einen Schluck des Kaffees und stützte meinen Kopf auf den Händen ab, während ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis Jake hier auftauchte.
Manchmal kam ich mir wirklich vor, als sei ich sein Herrchen und nicht seine Freundin.
Wie ich es geahnt hatte, lehnte er kaum eine Minute später im Türrahmen und sah mich herausfordernd an. Ich konnte an seiner Miene erkennen, dass ich ihn deutlich verstimmt hatte.
Eigentlich hatte er sich in den letzten Tagen sehr viel Mühe gegeben, sich mir gegenüber stets gut gelaunt zu verhalten, wahrscheinlich um mich nicht unnötig zu deprimieren.
„Wird es ab jetzt immer so sein?“ er verschränkte die Arme vor seiner Brust und starrte fast demonstrativ an mir vorbei, als könne er mir bei meiner Antwort nicht in die Augen sehen.
Ich senkte nur hilflos den Blick, ebenfalls unfähig ihn jetzt anzublicken. Warum tat ich mir das nur selbst an?
„Wirst du mir jemals wieder erlauben, dich zu berühren? Deine Hand zu halten, ...dich zu küssen? Werde ich jemals wieder neben dir einschlafen und aufwachen?“
Seine Stimme klang schmerzerfüllt und fügte mir allein durch diesen leidenden Unterton, ebenfalls Schmerz zu.
„Ich...ich weiß nicht.“ stammelte ich nervös und kämpfte gegen den Kloß in meinem Hals an , der sich unweigerlich bei der Vorstellung eingeschlichen hatte, Jake nie wieder nahe zu sein.
„Habe ich dich so sehr verärgert, dass ich nur noch von dir geduldet werde?“ fragte er rau und nur unter immenser Anstrengung schaffte ich es, seinen Blick zu erwidern, der verletzt auf mir lag.
„Du weißt, dass es darum nicht geht.“
„Nein, das weiß ich nicht.“ er machte eine kurze Pause und einen Schritt auf mich zu, bevor er vor mir in die Hocke ging. Er berührte mich nicht, aber ich sah ihm an, dass er es gerne getan hätte und sich nur zurückhielt, weil ich es wollte.
„Alexis? Sind wir noch zusammen? Bin ich...bin ich noch dein Freund?“
Als er mir nun in die Augen sah, erinnerte mich der Ausdruck in ihnen, an einen geprügelten Hund.
Etwas zu schnell nickte ich, bevor ich wirklich darüber hätte nachdenken können. Es war eine instinktive Antwort gewesen und eben dieser Umstand schien Jake zu erleichtern.
„Liebst du mich?“
Ich machte große Augen und nun war es an mir, ihn verletzt anzusehen.
„Wie kannst du das nur fragen? Du weißt genau, was ich für dich empfinde.“
„Woher soll ich das wissen, wenn du es mir nie sagst?“
„Ich habe es dir schon gesagt und auch den Grund, warum ich es sonst nicht tue.“ ich schluckte hart und versuchte erneut, an ihm vorbei zu sehen nur um dem Ausdruck seines gequälten Gesichtes zu entgehen.
„Klar.“ Jake rieb die Lippen aneinander und richtete sich seufzend wieder auf.
„Versteh schon.“ er wandte sich ab und ich konnte nicht verhindern, dass meine Hand vorschnellte und sich im Stoff seines Shirts verfing, um ihn davon abzuhalten zu gehen.
Ich traute mich nicht aufzusehen, seinen Rücken zu erblicken, während ich mir wünschte ich könnte ihn berühren, ich mir wünschte ich wäre stark genug und könnte mir selbst vertrauen.
„Was willst du, das ich tue, Lexi?“ seine Stimme war ruhig, aber ich spürte die unterschwellige Verzweiflung darin. „Du willst mich bei dir haben und dann wieder nicht. Du sagst, du brauchst mich und dann stößt du mich wieder von dir. Welchen Weg soll ich gehen? Sag mir, was ich tun soll.“
Mein Unterkiefer begann zu zittern, während ich meine Lippen fest aufeinander presste, in dem haltlosen Versuch nicht zu weinen. Wie konnte er annehmen, dass ich ihn nicht liebte? Und wie könnte ich ihn nicht lieben, wenn er so vor mir stand und alles in mir nach ihm schrie.
„Jake...ich...“ Trotz aller Anstrengungen schluchzte ich seinen Namen und hielt noch fester an dem Stoff in meinen Fingern fest. Die Anspannung aus seinem Körper wich nur langsam und es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis er sich zu mir umdrehte. Ich spürte die Tränen, die ich nicht mehr weinen wollte, über meine Wangen fließen und sie schwemmten die trügerische Stärke hinfort, die ich in der letzten Woche gedachte hatte, bekommen zu haben.
Ich ließ meine Hand sinken und verbarg mein Gesicht in meinen Händen. Ich wollte nicht schon wieder schwach sein, mir nicht erneut die Blöße geben, dass ich überfordert war.
„Ich kann das alles nicht.“ Mein Körper zuckte unter dem Beben der Tränen und ich wusste, dass jetzt der Punkt erreicht war, an dem ich vollständig zusammenbrach.
Ich hatte erwartet, dass Jake mich nun umarmen würde, er meine feuchten Wangen küssen und seine Hand über mein Haar streichen würde.
Aber nichts dergleichen geschah. Er machte keinen Schritt auf mich zu und seine Hand streckte sich nicht nach mir aus.
„Das ist nicht mehr deine Entscheidung, Lexi.“
Diese wenigen Worte brachen sich Bahn zu mir und ich war so verwirrt, dass ich darüber sogar vergaß weiter zu weinen. Ich hob den Kopf und sah ihn an, während er schluckte und seine Augen hart auf mir lagen.
„Keiner von uns hat die Freiheit zu entscheiden. Ich ebenso wenig wie du, oder der Rest von uns. Glaubst du, du bist die Einzige, die sich wünscht, die Dinge wären nicht so, wie sie sind? Denkst du, du wärst die Einzige, die ihre Träume aufgeben muss? Wenn du das denkst, bist du pathetisch.“
Ich runzelte die Stirn. Noch nie hatte Jake so mit mir gesprochen, noch nie hatte er sich dazu hinreißen lassen, mir eine Lektion zu erteilen. Doch wie es aussah, gab es für alles ein erstes Mal.
Ich rieb mir über die feuchten Augen und unterdrückte einen Schluckauf, während ich ihn immer noch fassungslos und benebelt anstarrte.
„Es liegt mir fern, dir zu sagen, wie du dich fühlen sollst, oder zu schmälern, was du gerade durchmachst, aber es wird Zeit, dass du dich zusammenreißt. Das Schiff hat den Hafen längst verlassen und die Segel sind gesetzt. Wir können nicht mehr entscheiden, ob wir an Bord gehen wollen, weil wir uns bereits auf offener See befinden.“
Nun berührte er mich doch, als seine Hände sich an meine Schultern legten und mich dazu brachten, mich ihm und seinen Worten zu stellen.
„Das einzige, was wir noch in der Lage sind zu entscheiden, ist ob wir einfach an der Reling stehen bleiben und warten wohin uns der Wind trägt, oder ob wir das Steuer selbst in die Hand nehmen und unseren Weg selbst bestimmen. Ich bin bei dir, ich will dir helfen, aber du musst mich lassen.“
Ein unkontrolliertes Hicksen bahnte sich in meinem Hals den Weg und das Atmen bereitete mir Schmerzen. Ich wusste, was er mir sagen wollte, aber ich wusste nicht, ob ich schon so weit war, das Steuer an mich zu reißen.
„Es ist okay, nicht okay zu sein. Aber du darfst dich darüber nicht verlieren.“
Er ließ mich los, erhob sich wieder und streckte mir seine Hand entgegen, während seine Augen abwartend auf mir lagen. Ich sah das Zittern in seinen Fingerspitzen. Er hatte Angst, dass ich sie nicht ergreifen würde.
Ich schloß die Augen, atmete tief durch und kniff den Mund zusammen, um einen weiteren Weinkrampf zu unterdrücken. Ich wusste, dass ich ohne ihn verloren war. Aber ich hatte Angst, dass er sich mit mir verlieren würde.
Schließlich konnte ich nicht weiter gegen den Drang in mir ankämpfen und bevor ich wieder klar denken konnte, hatte ich seine Hand mit meiner ergriffen.
Ein Seufzen der Erleichterung seinerseits folgte meiner Handlung und mit einem Ruck zog Jake mich aus meinem Stuhl und ich verspürte das lange vermisste Gefühl seiner Brust an meiner Wange und seiner Arme, die sich um mich legten.
„Ich habe immer noch Angst.“ flüsterte ich hilflos und schloß die Augen, während er mir sanft durch das Haar strich.
„Wenn du Angst hast, von mir getrennt zu werden, dann bleib einfach immer in der Nähe meiner Stimme, dort wo ich dich rufen kann und wenn du Angst hat, dass jemand kommt, um dich zu holen, dann bleib in der Nähe meiner Hand, damit ich dich festhalten kann und wenn du Angst hast, mich zu töten, dann werde ich alles daran setzen, stärker zu sein als du und dich mit einer Hand besiegen.“
Texte: Alle bekannten Figuren, gehören Stephenie Meyer. Ich besitze keinerlei Rechte an Ihnen.
Unterschiede zum Original sind teilweise gewollt und Absicht.
Das Cover ist selbst erstellt, mit einer Vorlage von Deviantart.
Tag der Veröffentlichung: 29.01.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für all meine fleissigen und lieben Leser von Shattered und im Besonderen für meine Schwester im Geiste Ekaterina.
Wer eine Nachricht bekommen möchte, wenn es weiter geht, der schickt mir bitte eine Freundschaftsanfrage. Das erleichtert mir das Benachrichtigen :D