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Vorwort


Für Elfchen

 

Die Geschichte von Raik und Kim habe ich für Haus Elfe geschrieben.

Raik und Kim

Missmutig starrte Raik aus dem Fenster. Draußen war so schönes Wetter, aber er saß in seinem verdammten Büro fest. Mit einem Seufzer wandte er den Blick ab und betrachtete die Grafik vor sich. Es half alles nichts, er musste zusehen, dass er damit vorankam, denn der Abgabetermin rückte immer näher. Allerdings …

Er warf einen hoffnungsvollen Blick zu seinem neuen Laptop. Mit dem alten hatte das Grafiktablett nicht funktioniert, und Raik hatte noch keine Zeit gehabt, es mit dem neuen Gerät zu testen. Aber die würde er sich jetzt nehmen. Keine 20 Minuten später grinste er zufrieden über das ganze Gesicht und fing an, seine Siebensachen zusammenzupacken.

Gegen 14 Uhr war er gut gelaunt unterwegs zu dem kleinen Badesee, der etwas versteckt nur wenige Kilometer entfernt im Wald lag. Dort war selbst an so heißen Tagen wie heute meistens nicht viel los, weil man mit dem Auto nicht bis zum Weiher fahren konnte. Man musste alles über einen Waldweg transportieren, was viele Leute abschreckte und dafür sorgte, dass auch bei hohen Temperaturen kaum Betrieb herrschte.

Tatsächlich hatte das auch Raik vor ein Problem gestellt, denn die Geräte, die er dabei hatte, waren schwer. Doch zum Glück hatte er sich an den Bollerwagen erinnert, der im Keller stand. Das Ding war etwas eingestaubt, aber ansonsten gut in Schuss und leistete ihm jetzt prima Dienste. Er hatte nicht nur seine Geräte hineingepackt, sondern auch alles andere, was er für ein paar Stunden am Weiher brauchte.

Er freute sich darauf, mal wieder im Freien zu arbeiten. Klar war es ein Risiko, die teuren Geräte mitzunehmen, aber während er sich im Wasser abkühlte, würde er seinen Liegeplatz gut im Auge behalten. Sollte jemand versuchen, etwas zu klauen, würde er Raik sofort auf den Fersen haben. Vielleicht war mit seinen 36 Jahren nicht mehr der Jüngste, aber er trainierte immer noch regelmäßig und war ein schneller Läufer. Seine Größe von gut zwei Metern und die Tatsache, dass er über einige Muskeln verfügte, würden die meisten Diebe wohl ohnehin abschrecken. Mit Raik legten sich die wenigsten gerne an.

Dabei war er überhaupt nicht der Typ für Auseinandersetzungen, auch wenn sein Äußeres es auf den ersten Blick vielleicht vermuten ließ. Der hochgewachsene muskulöse Körper und die kunstvollen Tattoos brachten die meisten Menschen dazu, ihn in eine Schublade zu stecken, in die er einfach nicht gehörte.

»Mein sanftmütiger Riese«, hatte Bernd ihn genannt. Der Gedanke an seinen verstorbenen Mann ließ Raik traurig lächeln. Er vermisste Bernd noch immer, aber es tat nicht mehr so weh. Sie hatten eine gute Zeit miteinander gehabt, und länger, als die Ärzte erwartet hatten. Als damals der bereits weit vorgeschrittene Darmkrebs diagnostiziert wurde, hatte es keine Hoffnung mehr auf Heilung gegeben. Dennoch hatte Bernd tapfer gegen die Krankheit gekämpft.

Einfach war es nicht gewesen, vor allem in den letzten Wochen, als er körperlich immer mehr verfiel und ständig Schmerzen hatte. Dennoch hatten sie jede Minute genossen, die ihnen gemeinsam blieb. Raik war für jede Einzelne davon dankbar.

Die erste Zeit nach Bernds Tod war schlimm für ihn gewesen. Wenigstens hatte er sich nicht auch noch mit dem ganzen Papierkram herumschlagen müssen. Bernd hatte vor seinem Tod alles geregelt und seinen Anwalt mit der Abwicklung beauftragt, und er hatte seinen Mann sehr gut versorgt zurückgelassen. Raik hätte gerne auf das ganze Geld verzichtet, wenn Bernd dafür noch länger bei ihm gewesen wäre.

Mit einem Seufzen kam Raik zurück in die Gegenwart. Bernd war seit fast zwei Jahren tot, aber er selbst war noch am Leben. Dank seines Mannes war es ein gutes und sorgenfreies Leben. Was ihm wirklich fehlte, waren die Nähe eines anderen Menschen und Sex. Raik war noch nie der Typ für One-Night-Stands oder kurze Darkroom-Ficks gewesen, aber in letzter Zeit dachte er öfter darüber nach. Seine Hand und Sextoys waren auf die Dauer ein unzureichender Ersatz. Nur würde er das, wonach er sich wirklich sehnte, in einem Darkroom wahrscheinlich nicht finden.

Aber dieses Problem konnte er heute nicht lösen, also sollte er wohl einfach den Augenblick genießen. Es war herrliches Wetter, ein kühles Bad wartete auf ihn, und an der frischen Luft ließ es sich viel entspannter und besser arbeiten. Vielleicht sollte er endlich den völlig verwilderten Garten in Angriff nehmen, dann könnte er das öfter haben. Verwildert war gar kein Ausdruck – da musste man wahrscheinlich mit dem Bulldozer durch. Aber auch das konnte er jetzt und heute nicht ändern. Also weg mit diesen Gedanken und endlich ab ins Wasser.

Am Weiher war noch weniger los, als Raik vermutet hatte. Auf der Uferseite, wo der Waldweg endete, hielten sich ein paar Gruppen von Jugendlichen und einige Pärchen auf. Am gegenüberliegenden Ufer herrschte Leere, dort entdeckte er nur drei Decken, die nah beieinanderlagen. Die zusätzliche Strecke nahm Raik gerne in Kauf und zog seinen Bollerwagen über einen schmalen Waldweg an den ruhigen Uferabschnitt auf der anderen Seite des Weihers.

Dort angekommen, suchte er sich ein schattiges Plätzchen, holte erst einmal nur seine Strandmatte und ein Handtuch aus dem Wagen und streifte schnell seine Kleider ab. Die Badeshorts hatte er schon daheim angezogen, so konnte er sich direkt ins kühle Nass stürzen. Und wie kühl es war! Im ersten Moment nahm es ihm fast den Atem, aber dann genoss er es einfach nur. Es war herrlich erfrischend, und obwohl er immer wieder zu seinen Sachen sah, konnte er sich endlich richtig entspannen.

Er blieb lange im Wasser, und in der Zwischenzeit kehrten die Besitzer der Decken zurück. Es waren drei Männer, vielleicht einige Jahre jünger als er, die offenbar befreundet waren. Sie lachten und plauderten miteinander, und insgeheim seufzte Raik sehnsüchtig. Das war noch so etwas, was ihm fehlte: Freunde. Klar telefonierte er ab und zu mit den Freunden in Berlin, aber je mehr Zeit verging, desto seltener wurden diese Telefonate.

Als er nach Bernds Tod aufs Land gezogen war, zeigten die Freunde zwar Verständnis, aber so richtig nachvollziehen konnte es keiner. Sie waren alle Großstadtkinder, die sich ein Leben auf dem Land nicht vorstellen konnten. Da machte man mal ein paar Tage Urlaub, ja, aber dort leben? Raik hingegen war in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Nach Berlin hatte ihn ein Job verschlagen und geblieben war er wegen der Liebe zu Bernd. Richtig heimisch gefühlt hatte er sich dort nie.

Als er vor eineinhalb Jahren hierher gezogen war, stand ihm nicht der Sinn danach, Bekanntschaften zu schließen. Aber mittlerweile vermisste er das, was die drei Männer dort drüben ganz offensichtlich hatten: jemanden zum Reden, mit dem er auch mal etwas unternehmen konnte. Seufzend wandte Raik den Blick von den Männern ab. Heute war offenbar der Tag der schwermütigen Gedanken.

Vielleicht sollte er in den nächsten Tagen mal ernsthaft über all das nachdenken. Aber nicht jetzt, beschloss er. Die Arbeit würde ihn hoffentlich ablenken. Gründlich trocknete sich ab und frottierte kräftig seine Haare, denn er wollte nicht, dass Wasser auf die Geräte tropfte. Raik räumte den Bollerwagen aus und drehte ihn kopfüber um. So ergab der Boden eine Ablagefläche, auf der er den Laptop abstellen konnte.

Sobald er seinen bequemen Klappstuhl und das Ablagepult aufgebaut hatte, ließ Raik sich gemütlich nieder. Er zog das Pult heran und stellte sicher, dass es einigermaßen geradestand. Das Ding stammte noch aus den Berliner Zeiten, wo er oft auf der Terrasse gearbeitet hatte. Damals hatte Bernd es extra für ihn anfertigen lassen, denn das große Grafiktablett mit dem integrierten Monitor wog fast 10 Kilo und war damit einfach zu schwer, um es auf den Beinen zu balancieren.

Raik rief auf dem Laptop sein 3D-Programm auf und war kurz darauf in die Arbeit vertieft. Während er mit den Lichteinstellungen experimentierte und dann ein Testrendering durchführte, griff er nach der Thermoskanne und gönnte sich einen Becher Kaffee.

»Wow!«, sagte eine tiefe Stimme hinter ihm und er hätte vor Schreck fast den Kaffee verschüttet. Irritiert drehte er den Kopf und sah hinter sich einen großen Mann stehen. Es war einer der Kerle, die nicht weit von ihm am Ufer ihren Liegeplatz hatten.

»Sorry, ich wollte Sie nicht erschrecken«, entschuldigte sich der Dunkelhaarige und verließ seinen Platz hinter dem Stuhl. Dabei lächelte er und streckte Raik die Hand hin. »Hallo, ich bin Joakim Olsson, oder einfach kurz Kim.«

»Raik Petersen, einfach Raik und sag ruhig du.« Fast widerwillig ließ Raik die kräftige Männerhand wieder los. Der Gedanke, wie sich diese warme Hand auf seiner Haut anfühlen würde, jagte einen angenehmen Schauer durch ihn. Wie erbärmlich, so auf einen einfachen Händedruck zu reagieren.

»Ein friesischer Name? Die trifft man in dieser Gegend nicht allzu oft an.«

Raik grinste. »Schwedische sicher auch nicht. Das ist doch schwedisch, oder?«

Kim nickte und lächelte. »Ja, ist es. Meine Eltern sind vor einer halben Ewigkeit hierher gezogen, da war ich erst ein Jahr alt. Und was ist mit dir?«

»Ich bin ungefähr 50 km von hier entfernt aufgewachsen, war dann für einige Zeit in Berlin und wohne seit eineinhalb Jahren wieder in der Gegend.«

»Stadtflucht?« Als Raik nickte, ließ sich Kim neben dem Stuhl im Gras nieder.

»Kann ich irgendwie gut nachvollziehen. Mich hat es für einige Jahre nach Köln verschlagen, aber ich konnte der Stadt nie viel abgewinnen. Köln ist schön, ja, aber für meinen Geschmack zu laut und zu hektisch. Ich bin wohl ein echtes Landei.«

Raik musste lachen. »Ich auch. In der Großstadt zu leben, das habe ich mir als Teenager immer toll vorgestellt. Aber wirklich gefallen hat es mir nicht. Es hat wohl alles seine guten und schlechten Seiten.«

»Hm«, machte Kim und sah einen Moment lang sehr nachdenklich aus, dann deutete er auf das Grafiktablett. »Ich habe noch nie ein Pen-Display in der Realität gesehen. Immer nur im Internet auf der Seite des Herstellers bewundert.«

»Du kennst dich mit so was aus?«

»Ich bin Hobby-Grafiker. Vor gut einem Jahr habe ich mir ein großes Tablett vom gleichen Hersteller zugelegt. Von einem Pen-Display träume ich schon länger. Die Dinger sind nur leider schweineteuer.«

»Stimmt, leider. Ich hatte schon das Vorgängermodell mit 21 Zoll und habe mir dann letztes Jahr dieses hier geleistet. Was machst du so an Grafiken?«

Kim fing an zu erzählen und sie gerieten schnell ins Fachsimpeln. Raik fand den Mann sehr sympathisch. Nach einer Weile wurden sie durch einen Zuruf unterbrochen. »Hey, ihr zwei! Die Steaks sind fertig, kommt rüber!«

Kim grinste. »Deshalb bin ich eigentlich hergekommen. Wir wollten dich fragen, ob du keine Lust hast, dich zu uns zu setzen.« Er deutete mit dem Kinn auf die Geräte. »Aber vielleicht ist es besser, wenn wir rüber zu dir kommen. Falls das für dich okay ist.«

»Ich kann leider nicht viel beisteuern. Nur etwas grünen Salat, kaltes Wasser und einige Scheiben Brot. Mehr habe ich nicht mit. Wenn das für euch okay ist, dann gerne.«

»Klar«, erwiderte Kim und stand auf. Wenig später saßen sie zu viert auf zwei weichen Decken direkt neben Raiks Stuhl. Die anderen beiden Männer, die sich als Jo und Lukas vorgestellt hatten, waren genauso sympathisch wie Kim. Es entspann sich schnell ein angeregtes Gespräch. Sie fanden problemlos Gesprächsthemen. Sport, Autos, ihre Jobs.

Als Kim erzählte, dass er sich vor ein paar Jahren im Gartenbau selbstständig gemacht und mittlerweile sogar einige Angestellte hatte, hakte Raik sofort nach. »Bringt ihr auch verwilderte Grundstücke auf Vordermann?«

»Klar, wieso?«

»Weil mein Garten völlig verwahrlost ist. Ich meine, so richtig. Das Haus, das ich gekauft habe, stand zwei Jahre leer, und der Garten sah schon schlimm aus, als ich eingezogen bin. Innen ist alles renoviert, aber außen sieht es furchtbar aus. Alleine schaffe ich das nicht. Wie wäre es, wenn du es dir mal ansiehst und einen Kostenvoranschlag erstellst?«

»Klar, sehr gerne. Morgen Nachmittag habe ich Zeit, wenn dir das nicht zu kurzfristig ist. Jetzt im Hochsommer ist nicht ganz so viel zu tun, sonst könnte ich es mir auch nicht erlauben, an einem Freitag hier am Weiher zu liegen.« Kim schaute ihn fragend an.

»Morgen Nachmittag ist prima.«

Kim zog sein Handy hervor, tippte kurz darauf herum und sah Raik dann auffordernd an. »Okay, gib mir bitte deine Adresse und auch deine Handynummer, falls kurzfristig was dazwischen kommen sollte.«

Als gleich darauf Raiks Handy klingelte, zwinkerte Kim ihm zu. »Jetzt hast du auch meine Rufnummer.«


Stunden später wälzte Raik sich schlaflos im Bett. Er hatte sich in der Gegenwart der drei Männer wirklich wohlgefühlt, bis Jo zum Aufbruch gedrängt hatte. Da hatte Kim etwas gesagt, was sicher nicht böse gemeint war, Raik aber dennoch verletzt hatte.

»Sorry, wir sind noch mit Freunden verabredet. Ich würde dich ja fragen, ob du mitkommst, aber die Location ist ganz sicher nichts für dich. Wir sehen uns dann morgen Nachmittag gegen 15 Uhr«, hatte Kim sich verabschiedet.

Offenbar hielt Kim ihn für zu alt, um in ihre Clique zu passen. Sooo viel Unterschied war da doch gar nicht! Er war gerade mal vier Jahre älter als Kim. Oder hielt der ihn für zu langweilig? Klar, jemand, der seine Arbeit sogar mit zum Badeweiher nahm, musste ja wie ein fader Spießer erscheinen. Das versetzte Raiks Stimmung noch mal einen gehörigen Dämpfer.

Als er dann endlich einschlief und mitten in der Nacht aus einem heißen, erotischen Traum aufwachte, in dem Kim die Hauptrolle spielte, gestand sich Raik ein, dass er sich mehr erhofft hatte, als er wohl je von Kim bekommen würde. Ein beschissenes Gefühl, das seine Erregung aber in keinster Weise dämpfte. Sein Schwanz war knüppelhart, und während er sich Erleichterung verschaffte, hatte er Kims große, durchtrainierte Gestalt deutlich vor Augen.


***


Raiks Laune war wirklich nicht die Beste, als er Kim am Samstagnachmittag die Tür öffnete. Er hatte den Mann nicht mehr aus dem Kopf bekommen, was ihn daran gehindert hatte, wieder einzuschlafen. Auf seine Arbeit hatte er sich auch den ganzen Tag nicht konzentrieren können.

»Hi, komm rein«, begrüßte er Kim kurz angebunden.

Der warf ihm einen forschenden Blick zu und begrüßte ihn in deutlich freundlicherem Tonfall.

Ohne ein weiteres Wort stapfte Raik vor seinem Gast her zur Terrassentür, die weit offen stand.

»Wow, du hast nicht übertrieben. Das Grundstück ist ja wirklich total verwildert«, bemerkte Kim mit einem Grinsen, während er in den Garten schaute.

»Dachtest du, ich locke dich unter einem Vorwand her, um dann über dich herzufallen, oder was?«

Die barschen Worte waren heraus, bevor Raik nachdenken konnte. Shit! Was war nur in ihn gefahren?! Kim konnte schließlich nichts dafür, dass er plötzlich zum Star von Raiks erotischen Fantasien avanciert war. Er hatte keinen Grund, den anderen Mann so schroff anzufahren. Von seiner Wortwahl mal ganz abgesehen!

Kim starrte ihn verblüfft an und wusste offenbar nicht, was er sagen sollte. Das Blut schoss warm in Raiks Wangen, er spürte, wie er rot wurde.

»Tut mir leid, ich … Sorry.«

»Nicht dein bester Tag?«, fragte Kim und klang dabei so freundlich und verständnisvoll, dass Raik seine Worte noch mehr bereute.

»Nein. Tut mir wirklich leid.«

»Schon gut. Im Übrigen hätte ich nichts dagegen, wenn du über mich herfällst.«

Jetzt war Raik derjenige, der erstaunt die Augen aufriss. »Was?«

Kim lächelte. »Ich steh' auf dich. Aber du musst dir keine Sorgen machen, ich habe nicht vor, dir an die Wäsche zu gehen. Ich gehöre nicht zu den Schwulen, die unbedingt einen Hetero flachlegen wollen.«

Okeee ... Ein ungläubiges Lachen entkam Raik. »Du stehst auf mich?«

»Ja. Ich dachte, das sollte ich klarstellen, bevor ich für dich arbeite. Aber wie gesagt, du musst dir kei-«

Ohne nachzudenken, küsste Raik den anderen Mann. Himmel, Kims Lippen fühlten sich so gut auf seinen eigenen an. Weich und doch fest, warm und … einfach wunderbar.

Das war so ziemlich der letzte klare Gedanke, denn Kim ergriff die Initiative, zog ihn fest an sich und erwiderte den Kuss leidenschaftlich.

Ja, Kim stand offenbar wirklich auf ihn. Die harte Erregung, die sich fest gegen Raiks eigene drückte, war unverkennbar. Als Kim die Hände bis zu seinem Hintern gleiten ließ und ihn noch enger an sich presste, stöhnte Raik lustvoll auf. Es war verdammt lange her, dass ihm ein Mann so nah gewesen war. Er wollte mehr davon, unbedingt mehr. Als er sich an Kim rieb, entkam dem ein keuchender Laut. Kim presste ihn für einen Moment noch enger an sich, doch dann beendete er den Kuss und lockerte die Umarmung etwas.

»Warte!«, stieß Kim atemlos hervor, als Raik ihn wieder küssen wollte. »Stopp.«

Raik erstarrte geradezu, als die Enttäuschung ihn durchflutete. Seinem Körper war das offenbar egal, was es nur noch schlimmer machte. Dennoch brachte er es nicht fertig, sich von Kim zu lösen. Der seufzte jetzt leise.

»Nur um das klarzustellen: Du bist nicht hetero, sondern schwul?«

Raik brachte nur ein Nicken zustande, während sich Ärger unter die Enttäuschung mischte. Würde ein Hetero einen anderen Mann küssen? Noch dazu so?

»Wirke ich auf dich irgendwie hetero?«

Kim lächelte. »Jetzt im Moment? Nein. Aber gestern war ich mir eigentlich sicher, dass wir nicht am gleichen Ufer fischen. Ich hab' auf Teufel komm raus mit dir geflirtet, aber du hast keine Reaktion gezeigt. Ich dachte echt, du bist hetero.«

»Du hast mit mir geflirtet?« Raiks schlechte Laune hatte sich schlagartig wieder gelegt. »Davon hab ich nichts mitbekommen.«

»Nein, offenbar nicht. Vielleicht sollte ich mir Gedanken über meine Flirtkünste machen. Mann, wenn ich auch nur die geringste Ahnung gehabt hätte! Ich hätte den Abend so gern mit dir verbracht.«

»Ach ja. Die Location, die nicht die richtige für mich ist.«

»Ein Schwulenclub in der Kreisstadt. Da wollten wir den vermeintlichen Hetero nicht unbedingt hinschleppen.« Kim grinste. »Jo und Lukas flippen aus, wenn sie das mitbekommen. Die hielten dich auch für hetero.«

»Dann sind die beiden ebenfalls schwul?«

»Hm, ja. Sie führen schon seit ein paar Monaten eine etwas seltsame On-/Off-Beziehung. Sie lieben sich, aber keiner will es zugeben. Beide behaupten, es wäre nur Sex. Ich kann das echt nicht nachvollziehen. Sie sollten doch froh sein, dass sie einander haben. Gestern Abend hat Lukas im Club einen anderen Kerl mit in den Darkroom geschleppt. Wenn das Mal nicht noch Stunk gibt.«

»Und du?«, fragte Raik etwas irritiert. Wie waren sie denn von ihrem Kuss auf das Liebesleben von Jo und Lukas gekommen? Außerdem interessierte ihn Kim viel mehr als die beiden. »Hast du auch jemanden abgeschleppt?«

Kim seufzte. »Nein ... Ich habe mich nicht einmal nach einem Kerl umgeschaut. Du bist mir einfach nicht aus dem Kopf gegangen, ich musste ständig an dich denken. Obwohl ich es da ja noch für aussichtslos hielt. Den halben Abend musste ich mir Scherze von meinen Freunden anhören, und bin dann ziemlich früh wieder nach Hause.«

Warme Finger streichelten über Raiks Wange. »Ich bin ohnehin nicht so der Typ für unverbindlichen Sex«, murmelte Kim an seinem Mund und dann küsste er ihn wieder. Diesmal hielten sie sich beide etwas zurück, und schließlich war es Raik, der den Kuss beendet.

Die Stirn an die von Kim gelehnt, atmete er tief durch. »Ist es okay, wenn wir das langsam angehen? Um ehrlich zu sein, ich bin etwas aus der Übung.«

»Das ist okay für mich. Aber was meinst du mit aus der Übung?«

Raik seufzte und deutete zum Sideboard. Er spürte, dass Kim sich verspannte, als er das Foto entdeckte. Es zeigte einen lachenden Raik, der hinter einem zierlichen hübschen Mann stand und die Arme um ihn geschlungen hatte.

»Das ist mein verstorbener Mann Bernd«, erklärte Raik leise. »Er ist seit zwei Jahren tot, und seit ihm gab es niemanden.«

»Mann, das ... Es tut mir leid für dich«, erwiderte Kim leise. »Ein hübscher Kerl.«

Raik lächelte. »Ja. Aber das bist du auch.«

Kim gab einen seltsamen Laut von sich. »Im Vergleich zu ihm bin ich der reinste Trampel. Er war ziemlich klein und zierlich. Dem Typ entspreche ich nun nicht gerade.«

»Nein, tust du nicht. Aber ich bin auch nicht auf der Suche nach einem Ersatz für Bernd.«

Raik wusste sofort, dass Kim diese Worte falsch aufgefasst hatte, als der sich mit verletztem Gesichtsausdruck abrupt aus der Umarmung löste.

»Wenn du nur auf der Suche nach Sex bist, dann bist du bei mir an der falschen Adresse. Ich sehe mir jetzt besser den Garten an.«

Sanft fasste Raik nach seinem Arm und hielt ihn auf. Kim sträubte sich im ersten Moment, gab dann aber mit einem Seufzer nach und ließ zu, dass Raik ihn wieder an sich zog.

»Warte. So war das nicht gemeint. Wenn ich nur auf Sex aus wäre, dann hätte ich nicht die letzten beiden Jahre einsam im Bett gelegen. Ich wollte damit nur sagen, dass ich dich als eigenständige Person sehe, nicht als zweite Besetzung. Im Übrigen gab es nie einen bestimmten Typ Mann, auf den ich flog. Ganz ehrlich? Ich finde es toll, dass du fast so groß bist wie ich, und wie ein Trampel wirkst du nun wirklich nicht.«

Sanft lies Raik den Mund über Kims Wange wandern. »Ich muss mich nicht bücken, wenn ich dich küssen will«, flüsterte er mit einem Lächeln. »Und ich kann mich ohne Verrenkungen an dir reiben.« Das bewies er Kim dann auch gleich, während er ihn küsste. Sie waren beide ziemlich erregt, als sie den Kuss schließlich beendeten.

»Du hattest also seit zwei Jahren keinen Sex mehr?«

»Hmhm. Ist schon etwas länger her. Bernd war sehr krank, und irgendwann hat Sex keine große Rolle mehr gespielt.«

Kim stieß den Atem aus. »Damit setzt du mich ziemlich unter Druck.« Sein schelmisches Lächeln deutete an, dass er es nicht so meinte. »So lange kein Sex mehr, da sollte ich wohl zusehen, dass es gut für dich wird.«

Raik grinste. »Ja, solltest du!«

»Weißt du, was man sagt? Gut Ding will Weile haben? Also lassen wir uns lieber Zeit.« Kim löste sich erneut aus der Umarmung und fasste nach Raiks Hand. »Und jetzt zeig mir diesen Urwald da draußen.« Zwei Minuten später grinste Kim breit. »Okeee ... Ich glaube, da brauchen wir erst einmal einen Bulldozer.«


***


»Wann verschwindet endlich dieses Ding aus meinem Garten?« Raik deutete amüsiert auf die schwere Maschine, die seit einem Monat am Rand des Grundstücks stand.

Kim war tatsächlich mit einem Bulldozer angerückt. Okay, es war ein kleiner, aber immerhin.

Jetzt drehte sich sein Freund zu ihm um und grinste breit. »Von welchem Garten redest du? Ich kann noch keinen sehen. Und der Bulli bleibt da stehen, bis ich ihn nächste Woche bei einem anderen Auftrag brauche.«

»Meinst du, ihr seid bis nächste Woche hier fertig?«, fragte Raik überrascht. Momentan sah es nämlich nicht so aus, als ob das zeitlich klappen würde.

»Nö«, meinte Kim. »Ganz sicher nicht. Einen Großteil werden wir schaffen, und am Wochenende können wir hier auf der Terrasse gemütlich miteinander sitzen.«

Er deutete auf die Ecke des Gartens, die am weitesten vom Haus entfernt war. »Das da wird allerdings ein Problem.«

Verwirrt sah Raik in die angedeutete Richtung. Er konnte nichts entdecken, was dort zum Problem werden könnte, denn da war nichts mehr außer nackter Erde. »Ich dachte, du willst Rasen einsäen und ein paar Büsche pflanzen?«

»Ja, genau. Es wird mich Jahre kosten, das so hinzubekommen, wie ich mir das vorstelle.«

Raik bemerkte, dass der Schalk aus Kims Gesicht verschwunden war, und seine Stimme klang plötzlich ernst. Er ahnte, worauf sein Freund hinaus wollte.

»Hm. Dann sollte ich wohl so eine Art Servicevertrag mit meinem Gärtner abschließen«, erwiderte er leise. »Wie wäre es denn mit etwas Langfristigem?«

Kim schluckte. »Hört sich gut an, aber das kommt darauf an, was genau du dir vorstellst.«

Raik fasst nach seiner Hand. »Komm mal mit.« Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er Kim hinter sich her zum Haus und geradewegs zum Badezimmer. Vor der großen Duschkabine blieb er stehen und küsste seinen Freund, während er anfing, Kim auszuziehen.

»Weißt du, ich dachte mir, du könntest zuerst mal dein Vorhaben in die Tat umsetzen.«

»Welches Vorhaben?« Kim war sichtlich verwirrt und stöhnte leise auf, als Raik seine Hüften umfasste und sich an ihm rieb.

»Dafür zu sorgen, dass der erste Sex seit Langem gut für mich wird.«

»Bist du sicher?«, fragte Kim sanft.

»Ja, bin ich. Versteh mich nicht falsch. Die letzten Wochen waren sehr schön. Das Küssen und Streicheln ... Dass du mir Zeit gelassen hast ... Aber vier Wochen sind lange genug. Ich will endlich mehr.«

»Dann wirst du mehr bekommen«, flüsterte Kim und küsste ihn. »Lass uns duschen gehen.«


***


Nasse, warme Hände auf seiner Haut schienen alle Nervenfasern in Brand zu setzen. Erregende Schauer liefen über seinen Körper, als Kim ihn mit Duschgel einschäumte. Ihre Küsse wurden immer leidenschaftlicher, und als Kim seinen harten Schwanz umfasste, musste Raik sich zusammenreißen, um nicht sofort zu kommen.

»Lass das besser, sonst ist es schneller vorbei, als uns beiden lieb ist.«

»Das ist mir völlig egal. Der Tag ist noch lang, wir haben Zeit. Komm einfach«, flüsterte Kim an seinem Mund.

Raik stöhnte leise in den Kuss und drängte sich an den harten, durchtrainierten Körper. Alles in ihm schrie danach, einfach loszulassen, aber er wollte nicht allein kommen.

Er zog Kim noch näher, schob dessen Hand zur Seite und presste seine harte Erregung an die des anderen Mannes. Kims raues Stöhnen ging ihm durch und durch. Raik rieb sich an seinem Freund und umfasste ihre Schwänze, presste sie aneinander und rieb auf und ab. Kims Finger schlossen sich um seine und erhöhten den Druck. Immer schneller bewegten sich ihre Hände gemeinsam auf und ab, bis sie fast zeitgleich zum Höhepunkt kamen.

»Lass uns ins Bett gehen«, flüsterte Raik Minuten später, als sie wieder ruhiger atmeten.

Kurz darauf schmiegten sie sich nackt auf dem breiten Bett aneinander. Kim streichelte träge über Raiks Rücken, während sie sich küssten.

Als seine Hand tiefer zu den festen Pobacken glitt, stöhnte Raik genüsslich und schmiegte sich noch enger an ihn. Kim grinste, als er spürte, dass sein Freund schon wieder hart wurde. Allerdings ging es ihm genauso.

Raik streckte sich, zog die Schublade des Nachttischs auf und legte Kondome und Gleitgel neben sich auf das Bett.

»Hm, du hast es wohl wirklich eilig«, neckte Kim ihn.

»Es ist verdammt lange her.« Raik holte tief Luft. »Ich will dich endlich in mir haben.«

»Mehr als zwei Jahre, ich weiß, und ich will dir ganz sicher nicht wehtun.«

Raik räusperte sich. »Nein, fast zwölf Jahre. Bernd wollte nie ... Er war ein absoluter Bottom.«

Kims streichelnde Hand hielt inne. »Wow. Hör mal, wenn es dir andersherum erst einmal lieber ist, mir macht das nichts aus. Ich mag beides gern.«

Raik hob den Kopf und sah ihn an. »Nein. Ich will dich in mir. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich so spüren möchte. Ich war nie auf die Rolle des Tops festgelegt, bevor ich Bernd begegnet bin. Das hat mir gefehlt, und ich will dich. Außerdem ... Ich habe einige Dildos in der Schublade.« Er zwinkerte Kim grinsend zu. »Allzu vorsichtig brauchst du also nicht zu sein.«

Kim sagte nichts mehr, er küsste ihn einfach, während seine Hände über Raiks durchtrainierten Körper glitten. Raik konzentrierte sich ganz auf den Mann in seinen Armen, fuhr die Konturen von Kims Muskeln nach, während er gleichzeitig dessen Berührungen genoss.

Das leise Klacken, als Kim das Gleitgel öffnete, bekam er nur am Rande mit. Kurz verspannte er sich, als ein Finger sanft in ihn eindrang. Doch dann kam er ihm bereitwillig entgegen. Er spürte, dass Kim den zweiten Finger hinzunahm, und genoss das Gefühl der Dehnung. Gleich darauf stöhnte er laut auf, als die Fingerkuppen über den Lustpunkt in seinem Inneren strichen, dort blieben und ihn beharrlich reizten. Das war so gut! Aber er brauchte mehr, er wollte Kim in sich haben!

»Kim ...« Er zog seinen Freund näher an sich und küsste ihn voller Leidenschaft. »Nimm mich endlich!«

Er seufzte erleichtert, als Kim die Finger zurückzog, hastig eines der Kondome öffnete und es überstreifte. Gleich darauf spürte Raik die dicke Eichel an seiner Rosette und zog die Beine an, während Kim sich langsam in ihn schob. Einen Moment lang war die Dehnung schmerzhaft, aber selbst das genoss er, weil es ein lustvoller Schmerz war.

Bei jedem Stoß drang Kim ein Stück tiefer in ihn ein, rieb dabei mit seinem Schwanz immer wieder über Raiks Lustpunkt. Mit einem rauen Stöhnen schloss er die Beine um Kims schmale Hüften und holte ihn ganz dicht zu sich. Sie hielten beide keuchend inne, als Kim dabei ganz tief in ihn eindrang.

Dann fielen sie gemeinsam in einen schnelleren Rhythmus. Jeder Stoß trieb Raik näher auf den Höhepunkt zu. Kim stöhnte rau auf.

»Lange halte ich das nicht mehr durch«, brachte er hervor und umschloss Raiks harten Schwanz mit der Hand.

»Dann komm. Jetzt. Zusammen mit mir«, stöhnte Raik, drängte sich dem harten Stoß entgegen und ergoss sich in Kims Hand, während sein Freund sich noch tiefer in ihm versenkte und mit einem lauten Stöhnen ebenfalls zum Höhepunkt kam.


***


»Kim?« Schläfrig lagen sie eng aneinander geschmiegt da, Arme und Beine ineinander verschlungen.

»Hm?« Kim hob den Kopf von Raiks Brust und küsste seinen Geliebten sanft.

»Das mit uns ...« Raik schluckte. »Für mich ist das mehr als Sex.«

Kim stützte sich neben seinem Kopf mit dem Ellbogen auf und strich ihm durchs Haar. »Für mich auch. Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: Ich bin total verliebt in dich.«

Raiks Lächeln ging Kim durch und durch. »Das trifft sich gut, denn ich liebe dich. Was den Vertrag betrifft: Ich will meinen ganz persönlichen Gärtner für eine lange, lange Zeit.«

»Ein Gärtner für Raik, sozusagen?«

»Hmhm, unter anderem. Gärtner, Geliebter, Partner, bester Freund, Mann ... Und es wäre schön, wenn du bald bei mir einziehst.«

»Bald? Von mir aus sofort, aber an welchen Zeitraum hast du dabei gedacht?«

»Wie lange brauchst du denn, um einen Nachmieter zu finden?«

Kim grinste. »Fünf Minuten? Sofern ich Jo direkt erreiche, der ist schon lange scharf auf meine Wohnung.«

»Okay, du hast eine Woche Zeit. Dann will ich dich mit Sack und Pack hier haben. Für ungefähr ... Wie wäre es vorerst mit fünfzig Jahren?

»Einverstanden, aber ich behalte mir das Recht vor, dann neu zu verhandeln.«

»Das ist in Ordnung. In fünfzig Jahren können wir gerne noch mal über die Bedingungen reden.«

»Okay. Ich werde dich dran erinnern.«

»Tu das, Schatz«, murmelte Raik, zog Kim eng an sich und lächelte zufrieden. Das Leben hatte es echt gut mit ihm gemeint.


~~~ Ende ~~~

Impressum

Texte: Christina McKay
Bildmaterialien: Shutterstock Bild 251121793 / Christina McKay, Coverdesign: Christina McKay
Tag der Veröffentlichung: 31.10.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Haus Elfe

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