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Inhalt

Valentin ist schwul, hält sich selbst für unattraktiv und hat Minderwertigkeitskomplexe. Als er Martin kennenlernt, kann er zuerst gar nicht glauben, dass dieser tolle Mann sich wirklich für ihn interessiert. Aber Martin ist bis über beide Ohren verliebt und fest entschlossen, Valentin für sich zu gewinnen. 

 

~~***~~

 

Valentin

Irgendwann musste ja ein dummer Spruch kommen. Das ist immer so. Ich hätte nicht mitgehen sollen zum Feierabendbier. Nicht heute, denn morgen ist Valentinstag. Eigentlich habe ich gehofft, das Thema wäre für heute schon durch. Offenbar nicht. Im Moment reden die Kollegen gerade darüber, wie sie ihre Partner überraschen wollen. Ich halte mich dabei zurück, sage kein Wort dazu. Das hilft leider auch nichts.

»Und du, Val?« Bettina schaut mich neugierig an. »Was hast du dir einfallen lassen?«

Von Markus kommt prompt: »Muss er doch nicht. Die haben jeden Tag Valentinstag. Nicht wahr, Valentin

Haha. Wirklich witzig. In solchen Momenten nehme ich es meinen Eltern echt übel, dass sie mir diesen Namen gegeben haben. Eigentlich nennt mich jeder »Val«, englisch gesprochen, also »Wel«. Das ganze Jahr über juckt mein Vorname niemanden. Am Valentinstag schon.

Innerlich seufze ich tief auf. Zum einen nervt mich der Spruch und zum anderen … Ich bin Single, schon eine ganze Weile. Morgen auf den Tag genau drei Jahre. Da bin ich früher von der Arbeit gekommen, um meinen Freund zu überraschen. Der Überraschte war dann ich, denn Andreas war gerade dabei, einen fremden Kerl zu vögeln. In meiner Wohnung. In meinem Bett. Das war das Ende unserer fast zweijährigen Beziehung.

Den Gedanken an die unschöne Szene verdränge ich lieber. Mit dem gehässigen Spruch, den Andreas mir an den Kopf geknallt hat, als ich ihn rausgeworfen habe, ist das leider nicht so einfach. Dann schau doch mal, ob du jemanden findest, der dich so will, du Klops.

Das nagt immer noch an mir, wenn ich ehrlich bin. Ja, ich habe Übergewicht, das weiß ich selbst. Während der Kummerphase nach der Trennung ist es mehr geworden. Fast zehn Kilo, um genau zu sein, und ungefähr fünfzehn hatte ich vorher schon zu viel. Als endgültig keine meiner Jeans mehr gepasst hat, habe ich die Reißleine gezogen. Und zwar richtig.

Ich habe mein ganzes Leben umgekrempelt. Neue Stadt, neuer Job, neue Hobbys. Ich habe endlich Kochen gelernt – Fastfood ade – und angefangen, Sport zu treiben. Das hat geholfen. Zwanzig Kilo sind inzwischen runter. Ungefähr fünf habe ich noch zu viel, aber das wäre nicht weiter schlimm, wenn ich mich innerlich nicht noch immer wie der dicke Valentin fühlen würde. Tue ich aber, und dieser gehässige Spruch, der geht mir nicht so leicht aus dem Kopf.

»Mann, bist du jetzt eingeschnappt?«, holt Markus mich aus meinen Gedanken.

»Nein, aber genervt, denn diese Sprüche kenne ich zur Genüge. Davon mal abgesehen – ich habe derzeit keinen Freund«, gebe ich unwirsch zurück. Als mich die anderen anstarren, wird mir klar, dass ich mich gerade geoutet habe. Uuups! Nun ja, was soll's. Das war ohnehin längst überfällig. Ich stehe dazu, dass ich schwul bin, auch wenn ich damit nicht unbedingt hausieren gehe.

»Was? Habt ihr ein Problem damit?«

Kopfschütteln und einige »Nein« aus der ganzen Runde. Das glaube ich ihnen sogar. Sven, unser Juniorchef, ist auch schwul, und ich habe noch nie gehört, dass jemand eine abfällige Bemerkung gemacht hat, auch nicht hinter vorgehaltener Hand. Auf Toleranz wird in unserer Werbeagentur viel Wert gelegt.

»Ich habe kein Problem damit«, erwidert Markus nun ohne seinen üblichen spöttischen Unterton. »Du hast nur nie ein Wort gesagt, und immerhin arbeitest Du schon mehr als zwei Jahre bei uns. Ich bin ganz einfach bisher nicht auf den Gedanken gekommen, dass du schwul sein könntest.«

So ähnlich äußern sich auch meine anderen Kollegen, und ich schlucke meinen Ärger hinunter. Wenigstens ist die Sache mit meinem Namen jetzt vom Tisch. Das ist doch mal was. Es stellt auch niemand neugierige Fragen und das Gespräch wendet sich anderen Themen zu. Lange bleiben werde ich nicht mehr, obwohl ich ja ausschlafen könnte. Es haben so viele Mitarbeiter für den Valentinstag Urlaub beantragt, dass unser Chef beschlossen hat, den Laden an diesem Freitag komplett dicht zu machen.

Wir haben also ein langes Wochenende vor uns. Nützt mir nur nicht viel, ich sitze eh meistens alleine Zuhause. Ja, ist meine eigene Schuld, das weiß ich. Aber ich bin nun mal nicht der Typ, der gerne allein ausgeht, und Freundschaften schließen, das fällt mir auch nicht gerade leicht. Manchmal vermisse ich die alte Clique aus Düsseldorf. Aber das waren eigentlich Andys Freunde, nicht meine. Somit hatte sich das Thema nach unserer Trennung erledigt.

Markus schnippt mit den Fingern vor meinem Gesicht und reißt mich nun schon zum zweiten Mal heute Abend aus meinen Gedanken. Als ich ihn anschaue, deutet er hinter mich. »Dein Typ ist gefragt.«

Verwirrt drehe ich mich um und schlucke dann erst einmal, als mein Blick an dem Mann hängen bleibt, der nun vor mir steht. Der ist echt heiß. Durchschnittsgröße, knapp eins achtzig schätze ich. So ein sehniger Läufertyp. Kurze braune Haare, ein markantes Gesicht und ein tolles Lächeln. Der kann unmöglich mich meinen. Oder? Vielleicht ja doch, denn seine braunen Augen schauen mich direkt an. Aber okay, nachdem er mich jetzt von vorne gesehen hat, wird er sicher gleich wieder gehen.

»Darf ich Dich auf ein Bier einladen? Oder was immer du auch trinken magst.« Echt jetzt? Dieser Wahnsinnstyp lädt mich auf ein Bier ein? Ich kann es nicht fassen. Aber ich wäre schön blöd, wenn ich ablehnen würde. Mit einem strahlenden Lächeln quittiert er mein Nicken und streckt mir die Hand entgegen. »Ich bin Martin, und du heißt Valentin, wenn ich das richtig mitbekommen habe. Oder?«

Irgendwie niedlich, wie er den Kopf ganz leicht schräg legt, während er mich fragend anschaut. Ich ergreife die angebotene Hand und bringe kein Wort heraus. Seine Haut ist warm. Angenehm. Die langen Finger schließen sich um meine, mit genau dem richtigen Druck. Immer noch schaut er mich durchdringend an.

»Hallo Martin«, bringe ich schließlich doch noch heraus.

»Hallo Valentin«, erwidert er leise, und erst jetzt lässt er mich los. Am liebsten würde ich mir sofort wieder seine Hand schnappen. Aber hallo! Ich sollte mich echt zusammenreißen.

Er hat einen Platz an der Theke, direkt hinter unserem Tisch. Kein Wunder also, dass er das Gespräch mitbekommen hat. Das stört mich erstaunlicherweise nicht. Als ich mich auf den Hocker neben seinem setze, wirft er mir ein weiteres Lächeln zu.

»Willst du noch ein Bier?«

»Lieber einen Kaffee. Eins reicht, ich muss noch fahren.«

»Ist mir schon aufgefallen, dass du meistens nur ein Bier trinkst«, erwidert Martin leise, wendet sich Frank zu, der heute hinter dem Tresen Dienst schiebt, und bestellt zwei Kaffee. Derweil versuche ich, das eben Gehörte zu verdauen. Ihm ist aufgefallen, dass ich nur ein Bier trinke? Soll ich nun daraus schließen, dass ich ihm aufgefallen bin? Das kann ich kaum glauben. Aber er bestätigt es mit seinen nächsten Worten, als er sich mir wieder zuwendet.

»Ich habe dich schon öfter bemerkt, mich aber nie getraut, dich anzusprechen.« Er wirkt etwas verlegen, während er das sagt, und weicht meinem Blick aus. »Ich war mir nicht sicher, ob … also, ob wir am gleichen Ufer fischen.«

Im ersten Moment habe ich den Verdacht, dass er mich verarschen will. Aber nein, ich glaube doch nicht. Er wirkt echt verlegen, als er mich nun doch wieder anschaut.

»Erst vorhin, als du sagtest, du hast im Moment keinen Freund. Ich wollte nicht lauschen, aber … doch, um ehrlich zu sein, wollte ich das schon. Ich habe mich extra direkt hinter euch an die Theke gesetzt. Sonst sitzt ihr ja immer an dem Tisch da drüben, da wollte ich mir die Gelegenheit heute nicht entgehen lassen. – Das hört sich ziemlich schräg an, ich weiß. Keine Sorge, ich bin kein Stalker oder so, aber ich versuche schon seit Wochen, meinen Mut zusammenzunehmen und dich einzuladen.«

Jetzt ist er wirklich verlegen. Und ich ziemlich baff. Ich meine – hallo? Dieser tolle Typ hat sich nicht getraut, mich anzusprechen? Mich? Das kann ich kaum glauben, der könnte doch an jedem Finger mindestens einen Mann haben.

Martin

Sein ungläubiger Blick geht mir irgendwie durch und durch, und ich frage mich, warum er gerade so schaut. Hält er mich vielleicht doch für einen Stalker? Na ja, in gewisser Weise bin ich das wohl. Er hat es mir einfach angetan, seit ich ihn Anfang Dezember hier in der Kneipe zum ersten Mal gesehen habe. Ich hab mich nur nie getraut, ihn anzusprechen. Mein Gayradar funktioniert eigentlich ganz gut, aber bei ihm war ich mir bis vorhin total unsicher, ob er nun schwul ist oder nicht.

Es war Zufall, dass ich ihn vor einigen Tagen bei Sven in der Werbeagentur gesehen habe. Er saß mit einigen Kollegen in einem der verglasten Konferenzräume und wirkte ganz anders als sonst hier in der Kneipe. Gelöster, nicht so schüchtern. Eine gefühlte Ewigkeit stand ich da im Flur und habe ihn beobachtet, wie er mit den anderen lachte und redete. Ein Wunder, dass niemand gemerkt hat, wie ich ihn angehimmelt habe.

Okay, Sven ist es aufgefallen, aber der hat Verständnis für so was. Seit Silvester schwebt er auf Wolke sieben, weil er endlich mit seiner langjährigen Liebe zusammen ist. Sven ist total verliebt in seinen Florian. Und ich wohl in Valentin, auch wenn ich ihn eigentlich nicht kenne. Noch nicht, jedenfalls. Das will ich so schnell wie möglich ändern.

Mein Kumpel hat sich gerne ausquetschen lassen, aber viel weiß er auch nicht über Valentin. Doch seitdem kenne ich seinen vollen Namen und ein paar Stunden später wusste ich auch seine Telefonnummer und wo er wohnt. Jedenfalls habe ich gehofft, dass der Valentin König aus dem Telefonbuch mein Valentin ist. So häufig kommt der Name ja nicht vor, aber ich wollte sicher gehen.

Sven hatte mir verraten, wann Valentin normalerweise Feierabend macht. Glücklicherweise gibt es schräg gegenüber seinem Wohnhaus ein kleines Café. Dort habe ich über eine Stunde gesessen und auf den Hauseingang gestarrt. Als er dann die Straße runterkam und ins Haus gegangen ist, war ich erleichtert. Passt. Und ehrlich, ich habe es mir verkniffen, nochmal dort aufzutauchen. Also bin ich wohl kein richtiger Stalker.

Zugegeben, es ist kein Zufall, dass ich heute Abend hier bin. Sven hat mich angerufen und mir erzählt, dass die Leute aus der Agentur schon heute hier ihr »Es-ist-Wochenende-Feierabend-Bier« trinken. Normalerweise machen sie das freitags, aber die Agentur hat an diesem Freitag zu. Weil Valentinstag ist und viele Mitarbeiter Urlaub beantragt haben, hat Sven gesagt. Dazu hat er wohl seinen Vater überredet, schätze ich. Jedenfalls sind die Kollegen aus der Agentur einen Tag früher hier als sonst.

Deswegen bin ich auch da. Normalerweise gehe ich mitten in der Woche eher selten aus, aber ich bin meinem Freund wirklich dankbar, dass er mir Bescheid gesagt hat. Es hätte mir ziemlich die Laune verdorben, wenn ich morgen umsonst hier auf Valentin gewartet hätte. Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht. Nicht nur, ob er schwul ist, sondern ganz allgemein, ob er vergeben ist. Dann wäre er morgen wohl ohnehin nicht aufgekreuzt.

Aber er ist nicht vergeben. Mir ist ein riesiger Felsbrocken vom Herzen gepoltert, als er vorhin gesagt hat, dass er im Moment keinen Freund hat. Warum er Single ist, kann ich zwar nicht nachvollziehen, aber ich bin einfach sehr froh drum. Trotzdem frage ich mich, ob die Kölner Schwulen plötzlich blind sind. Denn, hey …

Mann, Valentin ist so … seufz. Er ist niedlich, und sehr sexy. Hm, früher dachte ich immer, das eine schließt das andere aus. Bei ihm nicht. Er ist wirklich hübsch. Seine Haare haben einen ganz leichten Rotstich, wenn das Licht drauf fällt. Er hat sie neulich schneiden lassen. Steht ihm gut. Sie sind immer noch irgendwie verwuschelt, aber es sieht wirklich cool aus. Die graugrünen Augen kommen nun noch besser zur Geltung.

Jetzt, wo er so nah bei mir sitzt, sehe ich zum ersten Mal, dass er auf der Nase eine paar Sommersprossen hat. Im Moment sind sie ziemlich blass, aber im Sommer sieht das bestimmt süß aus. Die Nase ist vielleicht einen Tick zu lang, aber nicht zu sehr und es passt zu ihm. Und sein Mund … Ich frage mich, ob diese sinnlichen Lippen so weich sind, wie sie aussehen.

Um diesen Mund zuckt es gerade. Als ob er sich ein Lächeln verkneift. Mein Blick wandert wieder zu den tollen Augen – und ich spüre, dass mir das Blut ins Gesicht schießt. Valentin schaut nicht mehr fragend, sondern definitiv amüsiert, und fängt an zu grinsen. Kein Wunder, denn ich starre ihn die ganze Zeit einfach nur an. Ich bin so ein Idiot! Da sitze ich neben dem Mann meiner Träume und bringe kein Wort heraus.

»Sorry«, murmele ich und kann doch den Blick nicht abwenden.

»Weswegen?«

»Weil ich dich so anstarre.« Gott, ist das peinlich.

»Gefällt dir denn, was du siehst?«, will er wissen.

Das könnte man jetzt für einen coolen Spruch halten. Ist es aber nicht. Er lächelt zwar immer noch, aber jetzt wirkt es eher wieder schüchtern und etwas … verunsichert? Hat er denn im Ernst Zweifel daran, dass er mir gefällt? Das gibt es doch wohl nicht, oder? Aber offenbar schon, denn als ich nicht gleich antworte, verblasst das Lächeln und er wird rot. Wendet den Blick ab.

»Vergiss die Frage«, murmelt er. »Ich bin nicht gut in so was.«

»In so was?«, frage ich leise, obwohl ich mir denken kann, was er meint. Er nickt nur und deutet dabei mit der Hand zwischen uns beiden hin und her. Ohne nachzudenken, greife ich nach dieser Hand und halte sie sanft fest. Überrascht schaut er mich an. Am Rande nehme ich wahr, dass Frank zwei Tassen auf dem Tresen abstellt. Der Kaffee interessiert mich im Moment nicht die Bohne.

»Ja, mir gefällt, was ich sehe. Sehr sogar.«

Einen Moment lang hängen meine Worte zwischen uns. Valentin sagt nichts, aber ein Lächeln erscheint um seinen Mund. Diesmal ist es kein Grinsen, sondern ein süßes, schüchternes Lächeln, das mich genau ins Herz trifft.

Valentin

Wir sind umgezogen an einen kleinen Tisch in der Ecke. Meine Kollegen sind längst weg, ich hingegen habe es nicht mehr eilig nach Hause zu kommen. Seit Stunden reden wir und halten dabei Händchen. In Martins Gegenwart fühle ich mich so wohl wie schon lange nicht mehr.

Als er mir gestanden hat, dass er mich in der Agentur gesehen und Sven nach mir ausgefragt hat, fand ich das zuerst ziemlich schräg. Erst recht, als er dann noch einen drauf gesetzt und erzählt hat, dass er im Café gegenüber von meinem Haus auf mich gewartet hat. Aber als er sich verlegen dafür entschuldigte, wurde mir klar, dass er nichts Böses im Schilde führt. Er hätte mir das ja nicht zu erzählen brauchen.

Es ist aufregend, dass dieser tolle Mann sich für mich interessiert. Dass dem tatsächlich so ist, daran habe ich inzwischen keine Zweifel mehr. Im Lauf des Abends sind wir von allgemeinen Themen zu sehr persönlichen übergegangen. Martin hat erzählt, dass er sich vor einigen Monaten von seinem Freund getrennt hat, weil der ihn betrogen hat.

»So ein Idiot«, hab ich leise gesagt, und es ist mir erstaunlich leicht gefallen, von dem Fiasko mit Andreas zu erzählen. Auch was er mir an den Kopf geworfen hat.

»Der wirkliche Idiot ist dein Ex, Valentin. Er hat dich nicht verdient. Sein Pech, mein Glück.« Martin hat dabei so süß gelächelt, dass ich ihn am liebsten geküsst hätte. Dabei ist es gar nicht meine Art, in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten auszutauschen.

Keine Ahnung, ob ich ihn wirklich geküsst hätte, wenn Frank nicht ausgerechnet in dem Moment aufgetaucht wäre, um uns mitzuteilen, dass er die Kneipe schließen will. Erstaunt haben wir festgestellt, dass außer uns nur noch ein südländisch aussehender Typ anwesend ist.

Das war vor einigen Minuten. Widerwillig ziehe ich meine Jacke an und trete dann vor Martin auf den Gehsteig. Warm umfasst seine Hand die meine, er verschränkt unsere Finger miteinander. Mein Herz klopft wie verrückt. Was jetzt? Einerseits will ich mich noch nicht von ihm verabschieden, andererseits will ich auch nicht, dass dieser Abend mit einem One-Night-Stand endet. Was, wenn er …?

»Steht dein Wagen noch an der Agentur?«, fragt er leise.

Als ich nicke, setzt er sich wie selbstverständlich in Bewegung. Er hat mir erzählt, dass er ganz in der Nähe wohnt, aber seine Straße liegt in der anderen Richtung. Offenbar hat er nicht vor, mich zu fragen, ob ich mit zu ihm komme. Was mich jetzt schon ein wenig enttäuscht, obwohl ich gleichzeitig auch erleichtert bin. Total bekloppt, oder?

Es sind nur ein paar Minuten Fußweg bis zu dem Parkplatz, auf dem die Mitarbeiter der Agentur feste Stellplätze haben. Schweigend laufen wir nebeneinander her. Ob er sich wohl auch gerade fragt, wie es weitergehen wird?

»Das ist mein Wagen«, bringe ich heraus und bleibe neben meinem schwarzen Sandero stehen. Martins Griff um meine Hand wird ein wenig fester, als er sich mir zuwendet. Sein Daumen streichelt über meinen Handrücken.

»Ich möchte dich sehr gerne wiedersehen, Valentin.«

Unsere Blicke treffen sich, halten einander fest. »Ich dich auch.«

Bilde ich mir das nur ein, oder atmet er erleichtert auf? Egal, denn seine freie Hand legt sich in meinen Nacken und zieht mich sanft näher. Nur zu gerne komme ich ihm entgegen, während mein Herz wilde Purzelbäume schlägt. Im Lauf des Abends habe ich mich zigmal gefragt, wie sich sein Mund wohl auf meinem anfühlt.

Fest und weich zugleich, warm und sinnlich. Seine Lippen schmusen sanft über meine, bringen mein Herz noch mehr zum Rasen. Ich stupse ihn mit der Zungenspitze an, will mehr, und das bekomme ich auch. Leidenschaftlich und zärtlich zugleich erkundet Martin meinen Mund, und ich stehe ihm da in nichts nach.

Von null auf hundert in fünf Sekunden. Das ist mir so noch nie passiert. Wann hat er meine Hand losgelassen und mich fest an sich gezogen? Wann habe ich die Arme um ihn geschlungen? Keine Ahnung, es ist auch nicht wichtig. Das einzige was zählt, sind dieser Kuss und der eng an mich geschmiegte Körper. Unsere warmen Winterjacken sind zu lang und zu dick, um es wirklich zu spüren, aber die Art, wie Martin sich an mir reibt, lässt mich ahnen, dass er genauso hart ist wie ich.

Mit einem leisen Stöhnen beendet er den herrlichen Kuss. Sein Atem geht schnell und unregelmäßig, als er die Stirn an meine lehnt. »Wenn wir nicht aufhören, komme ich gleich nur vom Küssen«, gesteht er heiser.

»Nicht nur du.« Die Versuchung ist groß, ihn gegen den Wagen zu pressen und zu Ende zu bringen, was wir angefangen haben. Der letzte Funken Vernunft hält mich davon ab. Viel los ist um diese Uhrzeit zwar nicht mehr, dennoch könnte uns jederzeit jemand überraschen. Zuschauer brauche ich keine.

Martin sieht das wohl ähnlich. »Falscher Ort«, murmelt er an meinen Lippen und gibt mir noch einen kurzen Kuss, bevor er sich zögernd von mir löst. »Dann sehen wir uns also morgen, oder besser gesagt heute?«

»Du weißt ja, wo ich wohne. Ich bin den ganzen Tag zuhause.«

»Dann bis später.«

»Soll ich dich nach Hause fahren?«, biete ich an. Die paar Minuten würde ich gerne noch mit ihm zusammen sein.

Martin schüttelt den Kopf. »Besser nicht. Es fällt mir ohnehin schwer genug, dich nicht einfach in mein Bett zu zerren. Aber ich will das nicht überstürzen.«

Das kann ich verstehen, und insgeheim gebe ich ihm recht. Wenn ich erst mal vor seiner Wohnung stehen würde, könnte ich der Versuchung vielleicht nicht länger widerstehen. »Okay.«

Er lächelt mich an, streicht mit dem Daumen sanft über meine Lippen, dann seufzt er, wendet sich ab und geht. An der Straßenecke dreht er sich nochmal um, lächelt mir zu und verschwindet dann schließlich aus meinem Blickfeld.

Am liebsten würde ich ihm hinterher rennen. Stattdessen steige ich in mein Auto, um nach Hause zu fahren. Gleich darauf piept mein Handy. Ich lese die Nachricht, die er mir geschickt hat.

»Komm gut nach Hause und schlaf gut.« Dahinter ein Smiley.

Rasch tippe ich meine kurze Antwort. »Du auch.« Ich zögere nur einen Moment, dann setze ich ein Herz dahinter. Irgendwie bin ich enttäuscht, dass nichts mehr zurückkommt. Seufzend stecke ich mein Handy ein und mache mich auf den Heimweg.

Auf meinem Lieblingssender verkündet der Radiosprecher gerade gutgelaunt, dass anlässlich des angebrochenen Valentinstags den Rest der Nacht Lovesongs laufen. Die Ansage lässt mich lächeln. Noch vor 24 Stunden hätte ich wahrscheinlich innerlich geflucht und den Sender gewechselt. Jetzt singe ich mit einem Lächeln sogar die Songs mit. In diesem Jahr werde ich am Valentinstag nicht alleine zuhause sitzen.

Als ich vor meinem Haus stoppe, ziehe ich das Handy hervor. Vielleicht habe ich den leisen Ton für eingehende Nachrichten nicht mitbekommen und er hat ja doch noch geantwortet? Ja, das hat er. Da stehen drei Herzen auf dem Display. Während ich drei Herzchen zurücksende, erklingen die ersten Takte von einem alten Whitesnake-Song.

»Is this love, that I‘m feeling?«, fragt David Coverdale in dem Lied. Das frage ich mich gerade auch. Mein Herz sagt ja, als ich Martins Antwort lese. »Träum was Schönes. Ich freu mich auf dich.«

Martin

Um sieben Uhr morgens klingelt unbarmherzig mein Wecker. Einen Moment bleibe ich noch schläfrig liegen. Lange geschlafen habe ich nicht. Als mir der Grund dafür in den Sinn kommt, bin ich schlagartig hellwach und ein breites Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Valentin.

Wir haben in der Nacht noch etliche Nachrichten hin und her geschickt, es ist darüber fast drei Uhr geworden. Irgendwann kam von ihm ein »Shit, du musst doch sicher arbeiten!«, und wir haben uns verabschiedet. Mit Herzchen!

Ich schüttele über mich selbst lächelnd den Kopf. Ich habe vorher noch nie per WhatsApp Herzchen versendet. Aber mit Valentin ist das völlig okay für mich. Schon bei der ersten Nachricht an ihn, als ich gerade erst um die Ecke gebogen war, hätte ich gerne eines verwendet. Stattdessen habe ich ihm einen Smiley geschickt, für das Herzchen fehlte mir der Mut. Er hatte ihn, und ich bin wirklich froh darüber.

Himmel, ich bin so was von verliebt in ihn! Ich war ja schon verschossen, bevor ich mich gestern Abend endlich getraut habe, ihn anzusprechen. Aber jetzt? Herzrasen und Sehnsucht bei den Gedanken an ihn. Und ja, natürlich auch Erregung. Meine Morgenlatte ist nicht zu verachten. Das wird nicht besser, als ich jetzt daran denke, wie gut Valentin küssen kann.

Gestern Nacht habe ich es mir verkniffen, mir beim Gedanken an ihn einen runterzuholen. Es kommt mir auch in diesem Moment nicht richtig vor. Seufzend stehe ich auf, gehe hinüber in die Küche und schalte den Kaffeeautomaten ein. Zuerst ein starker Espresso, dann ab unter die Dusche.

Während ich genüsslich den Wachmacher trinke, denke ich schon wieder an Valentin. Sicher schläft er noch tief und fest. Seine Haare sind vom Schlafen bestimmt zerzaust, wenn er aufwacht. Was er wohl an hat? Bei ihm würde ich wahrscheinlich sogar einen Schlafanzug erotisch finden, trotzdem stelle ich mir viel lieber vor, dass er nur enge Pants trägt.

Keine gute Idee. Meine Morgenlatte, die gerade ein wenig am Abklingen war, meldet sich mit voller Wucht zurück. Da hilft wohl nur noch kalt duschen. Oder auch nicht, wie ich kurz darauf feststelle.

Ich friere mir zwar fast den Arsch ab unter dem kalten Wasser, aber beim kleinsten Gedanken an Valentin ist mein Schwanz sofort wieder hart. Mit einem Stöhnen gebe ich dem Bedürfnis nach, drehe das warme Wasser wieder an und umschließe meine harte Erektion mit der Hand. Einige feste Stöße in meine Faust beim Gedanken an den leidenschaftlichen Kuss genügen schon. So schnell und heftig bin ich schon seit langer Zeit nicht mehr gekommen. Keuchend lehne ich mich an die Wand der Duschkabine und warte, bis die heißen Wellen des Höhepunkts abgeklungen sind. Dann dusche ich die Spermaspuren weg, und mache mich kurze Zeit später auf den Weg ins Büro.

Gegen zehn Uhr schalte ich entnervt meinen Rechner wieder aus. So kann ich nicht arbeiten. Der süße Typ geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich muss ihn sehen, sofort. Auf dem Weg nach draußen bleibe ich an Sandras Schreibtisch stehen. »Den Rest des Tages nehme ich mir frei. Wenn nichts dringendes anliegt, mach auch Feierabend.«

Ein erstaunter Blick trifft mich. Kein Wunder, Sandra kennt mich als Workaholic. Von nichts kommt nichts, und ich wäre längst nicht so erfolgreich als Architekt, wenn ich nicht hart arbeiten würde. Aber manchmal gibt es Dinge, die sind nun mal wichtiger. Valentin zum Beispiel ist es für mich.

Mit hochgezogenen Brauen schaut meine Sekretärin mich an. »Was ist mit dem Termin heute Nachmittag?«

Da ist kein Zögern in mir. »Verschieb ihn bitte. Sag Michael, mir ist etwas Dringendes dazwischen gekommen.«

»Bist du in Ordnung?«, fragt Sandra mich besorgt.

»Mir ging es nie besser.« Gutgelaunt grinse ich sie an. »Sag den Termin ab, und dann sieh zu, dass du nach Hause kommst. Schönes Wochenende.«

Bevor sie mir weitere Fragen stellen kann, bin ich schon zur Tür raus und gleich darauf auf dem Weg zu Valentin. Er hat ja gesagt, er ist den ganzen Tag zuhause. Es tut meiner guten Laune keinen Abbruch, als ich eine Weile nach einem Parkplatz suchen und dann ein ganzes Stück laufen muss.

Keine Ahnung, ob und was er normalerweise frühstückt, aber ich habe Lust auf was Süßes, ein Abstecher in das Café gegenüber muss daher sein. Der Käsekuchen sieht echt lecker aus, ich lasse mir die Hälfte einpacken. Mein Blick fällt auf die herzförmigen Muffins. Total kitschig, aber irgendwie … Ich fische das Handy aus meiner Tasche und wähle Valentins Nummer. Er klingt ziemlich verschlafen, als er sich meldet, und einen Moment lang hab ich ein schlechtes Gewissen. »Hi. Ich hab dich geweckt. Sorry.«

»Martin?«, fragt er und bei den nächsten Worten klingt er deutlich munterer. »Das macht nichts. Ich freue mich, dass du anrufst.«

Mein Herz galoppiert los, als er das sagt. »Magst du Schoko-Muffins?«

Er lacht leise. »Ja, obwohl ich das nicht sollte. Ohne Muffins wäre ich das restliche Übergewicht auch schon los.«

»Du bist genau richtig, wie du bist. Ich bin in fünf Minuten bei dir. Mit Muffins.«

Ich höre ihn erstaunt Luft holen. »Gib mir zehn Minuten, ich muss duschen. Bis gleich.« Dann legt er einfach auf, aber das stört mich nicht.

»Packen Sie mir bitte noch vier Muffins ein«, lächele ich die Verkäuferin an. Wenig später stehe ich vor dem Haus und sehe andauernd auf meine Uhr. Als acht Minuten seit dem Anruf vergangen sind, klingele ich bei Valentin und lächele, als der Türöffner summt. Er wohnt im dritten Stock des Altbaus, der wie die meisten Häuser in dieser Gegend sorgfältig renoviert ist. Als ich oben ankomme, bin ich leicht außer Atem, weil ich die Treppe förmlich rauf gerannt bin.

An der offenen Wohnungstür steht Val, in einem langärmeligen Shirt und einer engen Jeans. Keine Ahnung, wo er noch fünf Kilo zu viel haben will. Ich finde ihn sexy.

»Hi«, bringe ich heraus, als ich bei ihm ankomme.

»Hi.« Sein Lächeln geht mir durch und durch. Die Haare sind noch nass und völlig zerzaust. Stört mich nicht im geringsten. Ich folge ihm in die Wohnung, durch einen Flur in eine helle moderne Küche. Schick, stelle ich am Rande fest. Aber das einzige, was ich wirklich richtig wahrnehme, ist Valentin.

Er riecht unglaublich gut, und er ist so … hungrig nach Muffins und Kuchen? Ich bin etwas perplex, als er mir beides regelrecht aus der Hand reißt und auf dem Küchentresen ablegt. Nun ja, frühstücken wir also erst einmal, schätze ich. Vielleicht aber auch nicht, geht es mir noch durch den Kopf, als Valentin mich gegen die Arbeitsfläche drängt und leidenschaftlich küsst.

Valentin

Ich kann irgendwie nicht richtig fassen, was ich da tue. Aber es fühlt sich total gut und richtig an. Martin macht mich völlig verrückt, also ist er wohl selbst dran schuld, dass ich gerade wie ein Neandertaler über ihn herfalle. Was das Erstaunlichste ist: Es scheint ihm sogar zu gefallen. Er schlingt die Arme um meinen Nacken und erwidert den heißen Kuss.

Diese Situation ist neu für mich. Ich war nie ein Draufgänger, bisher war ich immer der Passive. Und das hier ist nicht nur neu für mich, sondern auch ziemlich aufregend. Mit den Hüften habe ich Martin gegen die Arbeitsfläche gedrängt, die Arme links und rechts von ihm aufgestützt und küsse ihn, als ob es um unser Leben gehen würde. Er küsst mich genauso leidenschaftlich zurück. Ich löse die Hände von der Arbeitsfläche und schlinge fest die Arme um seinen schlanken Körper.

Wir sind fast gleich groß, er ist höchstens fünf Zentimeter größer als ich. Das und die Tatsache, dass er sich eng in meine Umarmung schmiegt, gibt mir das Gefühl, dass wir einander ebenbürtig sind. Dieses Gefühl hatte ich bei Andreas nie, ihm fühlte ich mich immer unterlegen. Den Gedanken an meinen Ex verdränge ich rasch, er hat hier nichts zu suchen. Nur Martin ist jetzt wichtig.

Er reibt sein Becken an meinem und stöhnt rau auf. Wie er auf mich reagiert, macht mich erst recht heiß. Ich löse den Mund von seinem und schaue ihn an. In seinen braunen Augen sehe ich das gleiche Verlangen, das auch in mir brennt. »Schlafzimmer«, bringt er heiser hervor. Mehr nicht, aber das reicht auch.

Keine Minute später stehen wir vor meinem großen, ungemachten Bett und küssen uns wieder leidenschaftlich. Eng umschlungen landen wir auf der Matratze, Martin unter mir. Vielleicht sollten wir das nun doch langsam mal klären. Als wir das nächste Mal den Kuss unterbrechen, um Luft zu holen, schaue ich tief in diese schönen braunen Augen. »Bist du lieber aktiv oder passiv?«

Martin lächelt. »Ich mag beides gern. Und du?«

Okay, mit der Gegenfrage hätte ich eigentlich rechnen müssen. Ich spüre, wie mir das Blut ins Gesicht steigt, was ihn dazu veranlasst, die Augenbrauen etwas hochzuziehen. Wie peinlich ist das denn? Ich bin 26 und war noch nie der Aktive.

»Was ist denn?« Martins Stimme ist sanft, und sein Blick lässt mich nicht los. »Geht es dir doch zu schnell?«

»Nein!« Tief Luft holen, Augen zu und durch. »Nein, es geht mir nicht zu schnell. Ich kann dir nur keine Antwort auf deine Frage geben. Ich … ich war bisher immer passiv.«

Er lacht nicht darüber, grinst nicht mal. »Hattest du kein Interesse oder war dein Ex ein absoluter Top?«

»Letzteres.« Dass es vor Andreas keinen anderen gab, hatte ich Martin gestern Abend gesagt, als ich von dem Fiasko erzählt habe. Auch darüber hat er nicht gelacht. Er fand es völlig okay.

»Der Typ war echt ein Idiot«, murmelt Martin an meinem Mund. Im nächsten Moment ist Andreas schon vergessen. Alles, woran ich noch denken kann und will, ist dieser leidenschaftliche, aber dennoch zärtliche Kuss. Martins Hände auf meiner Haut. Meine Hände auf seiner Haut. Er fühlt sich unglaublich gut an.

»Hör auf damit«, flüstert er, als er mir den Pulli über den Kopf zieht.

»Womit?« Ich bin ehrlich verwirrt, denn im Moment tue ich gar nichts, außer die Ärmel über meine Handgelenke zu streifen, um den verdammten Pulli loszuwerden.

»Du ziehst den Bauch ein.«

Erwischt, denn das tue ich wirklich, auch wenn es mir bis zu diesem Moment selbst nicht klar war. Aber er hat es bemerkt. Mein Gesicht macht einer Tomate Konkurrenz, ich kann es spüren.

»Das hast du nicht nötig«. Martin hat die Hand auf meinen Bauch gelegt und streicht darüber. Das ist mir wirklich unangenehm. »Ich finde dich sexy.«

»Speck findest du sexy?« Das ist mir zynischer raus gerutscht als beabsichtigt. Ich bin auf dem besten Weg, die sinnliche Stimmung zwischen uns kaputt zu machen.

»Wenn du welchen hättest, ja.« Die braunen Augen blitzen mich ärgerlich an. Toll, hab ich es also tatsächlich geschafft. Seufzend will ich mich von ihm lösen, aber er hält mich fest. »Abhauen ist nicht drin.« Bevor ich irgendwas erwidern kann, nimmt er meine Hand und drückt sie auf seine Körpermitte. Mit einem leisen Stöhnen hebt er das Becken und erhöht so noch den Druck.

»Glaubst du, ich wäre so hart, wenn ich dich nicht sexy finden würde?« Keine Ahnung. Nein, wohl nicht, denn er ist wirklich sehr hart. Ohne darüber nachzudenken, reibe ich mit dem Daumen über seine Erektion, die durch die Jeans ganz deutlich zu spüren ist. Entlocke Martin damit ein weiteres Stöhnen. Das erstaunt mich fast so sehr wie die Tatsache, dass er überhaupt hier in meinem Bett liegt.

»Du machst mich total an, Valentin. Haargenau so, wie du bist.«

Ich komme nicht dazu, zu antworten, denn er zieht mich zu sich runter und küsst mich. Heiß und leidenschaftlich. Dabei noch an irgendwas zu denken, ist unmöglich.

Wenig später sind wir beide nackt, eng umschlungen, meine Hände wandern ebenso gierig über seinen schlanken Körper wie seine über meinen. Es macht mir nichts mehr aus, dass er meinen Bauch streichelt, ich habe weder Zeit noch Lust, mir noch länger Gedanken deswegen zu machen.

»Ich will dich in mir.« Martins Worte dringen leise an mein Ohr. Es dauert einen Moment, bis ich es kapiert habe. Wow.

Einen Vorteil hat es, dass ich so lange der Passive war: Ich weiß, wie wichtig gute Vorbereitung ist. Kurz löse ich mich aus der engen Umarmung und ziehe die oberste Schublade meines Nachttischs auf. Neben mir stützt sich Martin auf den Ellbogen. »Nette Sammlung an Spielzeugen«, kommentiert er lächelnd den Inhalt der Schublade. Jetzt werde ich doch wieder rot. »Irgendwann probieren wir die mal zusammen aus. Aber jetzt will ich nur dich«, raunt er mir zu. Was für eine Ansage. Mein Herz schlägt noch schneller.

Als ich mir das Gleitgel schnappe, wird mir klar, was in meiner Sammlung fehlt, und ich stöhne frustriert auf. »Verflucht. Ich habe keine Kondome da.«

Sanft beißt er mir in die Schulter. »Ich habe zwei mitgebracht. Wo ist meine Jacke?« Die liegt achtlos auf dem Boden vor dem Bett. Ich hangele danach. »Innentasche links«, haucht er an meinem Hals und bläst seinen Atem über die empfindliche Stelle hinter meinem Ohr. Eine wohlige Gänsehaut überläuft mich. Gleich darauf lasse ich die Jacke achtlos fallen und lege die beiden Kondome auf die Matratze.

»Bist du sicher?« Meine Stimme klingt rau bei der Frage.

»Ganz sicher.« Mit einem Lächeln hält er mir das Gleitgel hin und zieht mich an sich. Küssen. Streicheln. Necken.

Mein Herz rast wie verrückt, als ich schließlich meine Finger um Martins Rosette kreisen lasse, Gleitgel verteile. Im ersten Moment verkrampft er sich, als ich meinen Finger vorsichtig in ihn schiebe. Doch gleich darauf seufzt er und drängt sich an meine Hand.

Bei einem anderen Mann habe ich das noch nie gemacht, aber ich weiß, wie ich selbst es mag und gebe einfach meinen Instinkten nach. Sanft gleite ich vor und zurück, bis Martin leise stöhnt.

»Mehr«, fordert er heiser.

Er kommt mir entgegen, als ich den zweiten Finger hinzunehme. Nach kurzem Tasten habe ich die kleine Erhebung gefunden, reibe leicht darüber. Martins Reaktion lässt mich fast die Beherrschung verlieren. Er stöhnt laut auf, stößt mir sein Becken entgegen.

»Nimm mich endlich«, keucht er wenig später heiser, entzieht sich mir und greift nach einem der Kondome. Als er es über meine harte Erregung rollt, bin ich derjenige, der laut stöhnt.

Ganz egal, wie oft ich ihn noch nehmen werde, dieses erste Mal werde ich nie vergessen. Da ist keine Unsicherheit mehr in mir. Mit jedem Millimeter, den ich tiefer in diese warme Enge eindringe, fällt es mir schwerer, mich zurückzuhalten. Aber ich will ihm auf keinen Fall wehtun, lasse ihm Zeit, sich an die Dehnung zu gewöhnen.

Ganz tief in ihm verharre ich, warte darauf, bis er sich entspannt hat. Er drängt sich an mich, nimmt einen langsamen Rhythmus auf. Als er die Beine um meine Hüften schlingt, ist es mit meiner Beherrschung vorbei. Meine Stöße werden schneller und fester. Ich ändere den Winkel minimal und weiß sofort, dass es so genau richtig ist. Sein langgezogenes Stöhnen zeigt mir deutlich, dass ich so seinen Lustpunkt treffe.

Wieder und wieder, bis wir beide es nicht länger aushalten. Keinen Moment lang lassen sich unsere Blicke los. Ich sehe es in seinen Augen, bevor ich es spüre, als er kommt. Seine Muskeln ziehen sich eng um mich zusammen und ich erlebe einen unglaublich intensiven Höhepunkt. Da ist so viel mehr, als nur körperliche Befriedigung.

Minutenlang liegen wir so da, eng aneinander geschmiegt. Ein irres Glücksgefühl durchflutet mich, als ich Martins leise Stimme höre. »Jetzt bist du mein Valentin. Wenn du das willst.«

Natürlich will ich, und das sage ich ihm noch ganz oft. Mit Worten, mit vielen Küssen, mit meinem Körper.

Martin

Um sieben Uhr morgens klingelt unbarmherzig der Wecker. Lange geschlafen habe ich nicht. Als mir der Grund dafür in den Sinn kommt, bin ich schlagartig hellwach und ein breites Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Valentin.

Sein Rücken ist eng an meine Brust geschmiegt, ich halte ihn fest im Arm und genieße es, seine warme Haut zu spüren. Murrend wacht er auf. Mein Süßer kann ein Morgenmuffel sein, aber ich weiß inzwischen ganz genau, wie ich seine Laune heben kann. Wir sind beide angenehm erschöpft, als wir eine halbe Stunde später zusammen unter die Dusche gehen. Unsere gemeinsame Dusche.

Heute ist Freitag, der 13. Februar. Ein absoluter Glückstag für uns beide. Vor genau einem Jahr habe ich mich endlich getraut, die Liebe meines Lebens auf einen Kaffee einzuladen. Heute ziehen wir in unsere gemeinsame Wohnung ein.

Bisher steht nur das große, neue Bett im Schlafzimmer. Letzte Nacht haben wir es gründlich eingeweiht. Der Gedanke daran zaubert ein glückliches Lächeln auf mein Gesicht.

Valentin dreht sich zu mir um, erwidert mein Lächeln, beugt sich vor und gibt mir einen sanften Kuss. »Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch.« Die Worte kommen tief aus meinem Herzen. Morgen ist offiziell Valentinstag, aber den habe ich eigentlich jeden Tag. Denn ich habe meinen Mann, meinen Valentin.


~~~ Ende ~~~


Impressum

Texte: Christina McKay
Bildmaterialien: Pixabay.com, Covergestaltung: Christina McKay
Tag der Veröffentlichung: 08.03.2015

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