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Einführung

Es ist schon beinahe ungewöhnlich,  wie viele Menschen behaupten,  sie glaubten nicht an Übernatürliches, gar an Geister. Und doch schalten sie nur ungern das Licht ihrer Schlafzimmer aus, bevor sie in das Land der Träume gehen. Mir selbst ging es so. Ich stand mit beiden Beinen auf der Seite der Wissenschaft und dennoch konnte ich nie gut schlafen, wenn nachts die Deckenlampe in meinem Zimmer ausgeschaltet und es komplett ruhig war. Vorsichtig sah ich vom Bett aus über das von Dunkelheit überfüllte Zimmer, nur um nachzuprüfen,  dass da nicht etwa eine Gestalt wäre,  die mich in Angst und Schrecken versetzen könnte. Jede Nacht das selbe Prozetere...

1. Der letzte Schultag

"Aufstehen, Kalypta!", dringt es durch meine Zimmertür. Ich bin todmüde, möchte die Augen gar nicht öffnen, lieber weiterschlafen. Es ist Freitagmorgen in der letzten Woche vor den Herbstferien. Meine Mutter kommt in mein Zimmer. "Komm! Es ist schon halb sieben. Um sieben fahren wir los!" - "Ja ist gut.", antworte ich und stehe nur ungern auf. Ich habe keinen Bock auf Schule, hatte ich noch nie. Nur gerade jetzt in der 10. Klasse  muss ich mich besonders anstrengen, da am Ende dieses Schuljahres zu entscheiden ist, ob ich meinen Realschulabschluss schaffe. Ich war nie sonderlich schlecht in der Schule, dennoch habe extreme Angst, bei den Prüfungen zu versagen. Somal ich ich noch aufs Gymnasium möchte, ist der Druck noch größer. Angekommen am Schulgebäude steige ich aus dem roten Auto meiner Mutter aus und gehe total verschlafen zum Schultor, wo ich jeden Morgen auf meine Klassenkollegen warte. Nach gut 10 Minuten kommt endlich Sophie.Trotz dessen, dass ich sie nicht sonderlich mag, bekommt sie eine morgentliche Umarmung von mir. In der heutigen Gesellschafft kommt man eben ohne Schleimbeutelei nicht sonderlich weit. Jetzt kommt auch Patricia und bald sind alle aus meiner Klasse anwesend außer Berta und Jennifer, die der Meinung sind, sie müssten vor dem Unterricht noch eine Zigarette rauchen, um sich konzentrieren zu können. Aber wie auch immer. Den gesamten Unterricht über sitze ich nur stumm da und träume vor mich hin, wie jeden Tag. Ich zerbreche mir darüber den Kopf, wie es daheim weitergehen könnte, allein schon, da mein meine familiäre Situation nicht gerade die beste ist. Es ertönt ein schrilles Klingeln. Die letzte Stunde ist vorbei und ich kann endlich nach Hause gehen. Im Bus hält mir etwas von hinten die Augen zu. "Na? Erschreckt?" Es ist Mina, meine kleine, 12-jährige Schwester. "Wie war dein Schultag, große Schwester?" - "Wie immer, nichts Besonderes.", antworte ich. "Und wie war deiner?" - "ich habe eine 2 in Deutsch geschrieben.", erzählt Mina voller Stolz. Zum Lob gebe ich ihr einen schwesterlichen Bussi auf die Wange. Ein sehr nettes "IIIIEEEEHHHH!!!!" bekomme ich als Reaktion von ihr. Wir kommen endlich daheim an und werden sofort von Halloween, unserem Beagle, begrüßt. Eigentlich ist sie mein Hund, aber ist ja auch egal. Seit Wochen mache ich mir mehr oder weniger Sorgen um Halloween, da sie ungewöhnliche Dinge zu sehen scheint. Dauernd fängt sie mitten in der Nacht an zu bellen, scheinbar völlig grundlos. Das Merkwürdigste aber ist: Zeitgleich wenn sie bellt, läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Jedes Mal! Dieses 'Phänomen' habe ich auch meiner Mutter schon geschildert. Sie ist der Meinung, es könnte ja ein Geist in unserem Haus sein. "Nein! Das kann nicht sein! Ich glaube so einen Scheiß nicht! Ich bin doch nicht verrückt!", ist immer meine Reaktion auf ihre Äußerung gewesen. Nur mittlerweile wird es schon fast zur Routine, dass ich mitten in der Nacht aufwache, weil ich ein merkwürdiges Geräusch oder eine Unruhe wahrneme, manchmal auch ein Luftstoß durch mein Zimmer wandert, obwohl alle Fenster und Türen im Haus geschlossen sind. Es ist auch schon vorgekommen, dass mich irgendetwas berührt hat. Jeden Abend gehe ich mit einer inneren Unruhe ins Bett, da ich weiß, dass fast jede Nacht irgendwas Ungewöhnliches passiert. Erst letztens fing Halloween Punkt 12 Uhr an, kläglich zu jaulen. Ich sah aus dem Fenster und beobachtete, wie sie in den Partyraum am anderen Ende unseres Hofes schaute und dann total verängstigt bellte. Ich ging hinaus zu ihr und schaute durchs Fenster in den Raum. Nichts. Ich öffnete vorsichtig die Tür, trat ein und schaltete das Licht an. Sehen konnte ich nichts, aber ich wusste, dass Halloween und ich nicht die Einzigen waren, die sich in diesem Raum befanden. Der Hund tappelte total verstört und voller Angst durch den Raum. An einer Stelle blieb sie stehen und sah mich an. Ich sah diese klägliche Furcht in ihren Augen. Ich selbst hatte panische Angst. Ich ging dann wieder ins Bett und Halloween machte auch keinen weiteren Lärm.

 

Ich gehe in mein  Zimmer und schmeiße meinen Ranzen in die Ecke. Zwei Wochen lang muss ich nicht mehr über die Schule nachdenken. Am Abend gehe ich gemütlich eine große Runde mit Halloween - natürlich im Dunkeln. Ich gehe am Tag nicht gerne raus, weil es hier in der Gegend viele Leute gibt, die ich aus bestimmten Gründen überhaupt nicht leiden kann und die ich beim Gassi gehen treffen könnte. Und genau das würde mir so gar nicht passen! Und wie jeden Abend gehe ich mit meinem Hund über den großen, alten Friedhof. Ich weiß, es klingt komisch, aber hier fühle ich mich wohl. Ich mag lebende Menschen nicht unbedingt und meide sie eher. Heute ist irgendwas anders als sonst. Es ist die Atmosphäre. Ich kann (Und soweit ich weiß, konnte ich das schon immer) spüren, wenn Menschen in meiner Nähe sind. Und meinem Gefühl zufolge müsste hier eine ganze Menschenschar sein. Aber hier ist nichts. Rein gar nichs! Wir gehen ein Stück weiter auf dem Friedhof. Halloween und ich schrecken zeitgleich zusammen. Den Grund sehen wir in knapp 10 Metern Entfernung: Es sind weiße, durchsichtige Gestalten, Geister. Ich schätze die Zahl auf 70. Sie machen ganz normale Dinge. Sie reden miteinander über das Wetter, tanzen, singen und lachen. Manche spielen sogar auf Instrumenten, welche ebenfalls geisterhaft waren. Beispielsweise sehe und höre ich ein kleines Geistermädchen traumhaft Harfe spielen. Sie scheinen, uns nicht zu bemerken. Plötzlich fängt Halloween mit Bellen an und alle starren uns an. Aus der Menge dieser Wesen tritt eine ältere Dame heraus und fängt kurz vor mir an, vor Freude zu weinen. Ich will es zuerst gar nicht glauben, aber es ist meine Oma. Sie war vor 2 Jahren an Krebs gestorben. Sie kann gar nicht aufhören zu weinen und versucht vorsichtig, mich zu umarmen. Selbstverständlich habe ich panische Angst, auch wenn es meine Oma ist. Sie ist und bleibt tot! Trotz meiner  Furcht versuche ich, ihren Annäherungsversuch zuzulassen. Mein Körper ist steif. Ich kann mich nicht bewegen. Obwohl sie mich nicht direkt berührt, kann ich ihre eiskalten, leblosen Arme spüren. Nun fange auch ich an zu weinen. "Kalypta, Liebes. Wie geht es dir, mein Schatz?" Die Tränen in meinen Augen hindern mich daran, ihr zu antworten. Nachdem ich mich etwas beruhigt habe, spreche ich schließlich: "Mir geht es gut, Oma. Ich habe dich so vermisst!" Wir unterhalten uns ein wenig und sie stellt mir ein paar der anderen Geister vor. Einige kenne ich noch aus ihren Lebzeiten. Es sind aber auch welche dabei, die schon vor über 200 Jahren gestorben sind. "Wieso kann ich euch überhaupt wahrnehmen geschweigedenn sehen und hören?", frage ich meine Oma ganz forsch. "Es gibt Menschen, die bemerken uns überhaupt nicht, es gibt aber auch Menschen wie dich, die uns wahrnehmen, sehen und hören können.", gibt sie mir zu verstehen. "Es gibt allerdings nur sehr wenige Menschen auf der Erde, die diese 'Gabe' besitzen." - "Seid ihr jeden Abend hier?" - "Nein. Nur in Vollmondnächten." Es ist Vollmond? Darauf habe ich heute gar nicht geachtet. Meine Oma wendet sich kurz von mir ab, blickt mich wieder an und erklärt mir: "Es gibt zwei Arten von Geistern. Es gibt uns und es gibt Halbgeister." - "Halbgeister?" - "Halbgeister sind Wesen - halb Mensch, halb Geist, bei welchen, meist durch Unfälle z.B. mit Ectoplasmen, die DNA in 2 Teile gespalten ist. Einen Teil bildet die gewöhnliche DNA eines Menschen und der andere Teil ist vollkommen durch Ectoplasma ersetzt. Halbgeister können nach Belieben ihre Gestalt von Mensch zu Geist und anders herum ändern. Außerdem sind sie 24 Stunden am Tag aktiv und immer für jeden sichtbar, es sei denn, sie machen sich unsichtbar, was sie auch können." Meine Oma erzählt mir noch, was diese 'Halbgeister noch alles so können, was 'normale Geister' nicht können. "Aha. Gut zu wissen", sage ich. Nach gut 2 Stunden, die ich mich noch mit ihr unterhalten habe, muss ich langsam wieder nach Hause. Daheim angekommen muss ich immer wieder über die Worte meiner toten Großmutter nachdenken. Diese Nacht konnte ich das erste Mal seit langem wieder ruhig einschlafen.

 

2. Ein Problem kommt selten allein


Die folgenden Vollmonde bin ich immer auf den Friedhof gegangen, um meine Oma zu sehen - selbstverständlich ohne Halloween. Jedes Mal erfuhr ich mehr über Geister und auch über diese anderen Wesen, die Halbgeister. Um ehrlich zu sein, interessierten mich diese eher. Allein schon, da jeder (soweit mir die Geister das erklärt haben) nach dem Tod die Wahl hat, ob er, seiner Familie und seinen Freunden zuliebe, auf Erden als Seelensgestalt weiterwandelt in der Hoffnung, diese irgendwann wiederzusehen oder in das so genannte "Paradies" geht. Ein Halbgeist wird man dagegen eher unfreiwillig und es gibt auch nur sehr wenige. Außerdem sind sie im Gegensatz zu Geistern frei. Während diese an ihren Todesort gebunden sind beziehungsweise nur einen Kilometer um das Grab ihrer leblosen Körper wandeln können, haben die Halbgeister die freie Wahl ihres Aufenthaltsortes. Des Weiteren können sie sich teleportieren. Die beiden Geisterarten haben aber auch viele Gemeinsamkeiten: Beide können fliegen, haben bei Vollmond die meiste Energie, können automatisch alle Sprachen sprechen, sind extrem schnell (dementsprechend haben sie auch eine unnormal hohe Reaktionsfähigkeit) und können auch beide Ectoplasma erzeugen und dieses abfeuern.

 

"Kalypta! Halloween ist weg!", schreit mich Mina voller Angst und Sorge an. "Ach du Scheiße!", antworte ich völlig entsetzt. "Das Tor ist offen und jetzt ist sie nicht mehr auf dem Hof! Außerdem lag da ein Brief auf dem Boden, der anscheinend an dich gerichtet ist." - "Zeig mal her!" Mina reicht mir den Brief, auf dem in verschnirkelten, alten Buchstaben mein Name steht. Mit ungutem Gefühl öffne ich den Umschlag.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.11.2013

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