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Vorwort

 

Schön das du hier verweilst.

Ich möchte vor dem Beginn der Geschichte ein paar Worte an dich richten und danke dir, das du mir zuhörst.

Die Steinerne Krone ist ein Prozess. Wie du bemerkt haben wirst, ist sie unvollendet und im ständigen Wandel begriffen. Die Geschichte scheint kein definiertes Format inne zu haben oder sich in eins pressen zu lassen. Die Kapitel sprengen den gewohnten Rahmen der Plattformen, auf denen ich veröffentliche und es scheint keinen festen Turnus zu geben, an welchem eine Fortsetzung folgt.

Das liegt an dem Ursprung der Geschichte. An ihrer Idee.

Manchmal kommt ein Gedanke, der wie ein unscheinbarer Samen auf fruchtbarem Grund fällt. Ein Gedanke in einem Haus voller Vorstellungen und Ideen. Das war Aether zuerst. Ein Gedanke, eine Vorstellung, ein Samen. Dieser nährte sich an anderen Ideen und Vorstellungen und schlug seine Wurzeln in meinem Geist. Immer wieder kehrten meine Überlegungen zum ursprünglichen Gedanken zurück, der mehr und mehr von anderen Ideen verschlungen wurde, welche sich vom ursprünglichen Gedanken nährten.

Ich kehrte immer wieder zum Wort zurück. Wenngleich meine Leidenschaft in Gaming, Büchern, Pen and Paper und Film und Serien liegt, so war das selbst geschriebene Wort immer mein Liebstes.

Vielleicht ging es dir auch so? Das du nach einem Videospiel, einem Film oder Buch oder Serie zurückbliebst und du immer wieder an den einen Charakter, die eine Szene zurückdenkst. Weil der Charakter sich anders hätte entwickeln können und du überlegst was das eigentlich für das Game/Film oder Buch bedeutet hätte und vielleicht gehörst du sogar zu jenen, die sich den anderen Verlauf vorstellen?

Fanfiction war jedoch nicht mein Steckenpferd. So sehr ich gewisse Settings liebte und liebe und Charakterzüge verehre, so war es noch nie meine Begabung etwas von jemanden anderem Geschaffenes fortzusetzen. Vielmehr verblieb das Gefühl das ich beim Genuss des vom anderen Geschaffenen hatte.

Um ein Beispiel zu nennen, das Gefühl der rauen Wildnis von Himmelsrand aus Skyrim. Ich möchte das Gefühl ausdrücken, das mir das Bewegen in dieser Welt verschafft hat, aber ich möchte nicht die Welt selbst zu Papier bringen (abgesehen davon ist das Elder Scrolls Universum ziemlich gewaltig, da waren andere schon fleißig genug).

Habe ich dir gerade ein Lächeln abgerungen? Du weißt wovon ich spreche oder? Ich denke jeder hatte schon einmal einen Moment in dem ein Werk etwas in einem auslöste.

Ich erinnere mich als ich Herr der Ringe sah und Gandalfs Schicksal im Kinosaal einige Tränen kullern ließ.

Für mich verbleibt das Gefühl und ich halte es fest in einem Gedanken, der aus diesem Gefühl erwächst.

Aether erwuchs aus einem Gedankenspiel zu Pen an Paper. Mein Spielleiter sinnierte mit unserer Gruppe darüber wie er die Kamapagne in der von ihm erschaffenen Welt fortführen könnte und welche Herausforderungen sich kreativer gestalten ließen. Solche Prozesse sind enorm kreativ und regen den eigenen Geist an zu Ideen, Gedanken, Samen. Und dann fiel der Samenkorn.

Ich überlegte an einem eigenen Beispiel wie das Gleichgewicht einer Welt in einem Fanatasysetting geschaffen sein könnte und schlief darüber. Am nächsten Tag, im Stau, sinnierte ich über die Entstehung unserer Welt und darüber wie Regionen die Entstehung der Welt betrachten und wie viel sich davon in den meisten Fantasysettings wiederfindet und der Samen schlug Wurzeln.

Irgendwann wuchs ein Trieb, der hervorbrechen musste, Licht brauchte, Platz um weiter zu wachsen.

Und ich begann zu schreiben.

Zu Beginn der ersten Worte, als auch jetzt wo die ersten Kapitel veröffentlicht sind, gab und gibt es keinen Faden dem ich folge. Der Plot ist umringt von Ranken und Laub und ich mag ab und an ihm folgen können, jedoch weisen die Verästlungen auf weitere mögliche Aspekte hin, die den eigentlichen Stamm formen.

So entstand Zeile für Zeile, Seite für Seite und irgendwann der Wunsch, das bereits Entstandene zu teilen.

Du siehst, die Plattformen kamen nach dem Werk. Ich wollte herausfinden was Leser beim Lesen fühlen und ich bekam bereits das erste Feedback.

Es ist eine Sache selbst etwas wachsen zu sehen, eine andere ein unbekanntes Werk zu betrachten.

Aether ist unvollendet.

Die steinerne Krone auch.

Und du, mein Leser, bist dabei diesen kräftigen Trieb wachsen zu sehen, wenngleich du im Prozess erleben wirst, das ich manche Triebe entferne und andere stütze.

Kapitel werden sich wandeln, Texte werden sich wandeln, Geschichten verändern und ich danke dir, das du dabei bist.

 

Prolog-Brüder

Am nördlichsten Punkt der Welt ruhte der schwarze Berg.

Er ragte aus einem unpassierbaren Bergmassiv, das sich über die Welt selbst erhob und wie ein schweigender Wächter die Zeiten überdauerte.

Wo Kriege die Länder verheerten, Stürme die Meere brachen und Titanen das Land formten, ruhte der schwarze Berg und wachte.

Sein Massiv umschlang die Erde und durchbrach die Wolken. Kalt, schroff und schwarz überschattete er den weißen Norden.

Doch in seinem Inneren schlug ein glühendes Herz.

In der Tiefe des Berges, wo Magma aus dem Inneren sprudelte, befand sich das schwarze Tor. Flankiert von zwei Tauren. So hoch wie das Tor selbst, vor dem eine sterbliche Seele nicht viel größer erschien als ein Käfer unter den Stiefeln.

Wer den Berg hinab stieg, die Magmaströme überwand und den schroffen Fels überlebte, trat auf eine glatte Straße aus schwarzem Stein, glatt geschliffen, das keine Unebenheit, kein Kiesel, kein Hügel den Anblick der Straße verschandelte. Zu beiden Seiten der Straße erstreckte sich Lava in welcher sich Stalagmiten daraus und Stalagtiten darüber aus dem gleichen merkwürdigen Stein erhoben.

Dahinter die Pforten des schwarzen Tors. Dieses, bogenförmig, war schlicht gestaltet, bis auf einen Bogen aus einer runenartigen Schrift in welcher Magma zu fließen schien, pulsierende Magma.

Die Tauren zu beiden Seiten standen auf zwei Bienen mit gewaltigen schwarzen Hufen.

Ihre Körper waren von schwarzem Fell bedeckt und sie trugen schwarze Rüstung auf den Schultern und den Hüften. In Ihren Pranken, die Tür zu beiden Seiten bewachend, hielten sie goldene Lanzen, mit Piken so breit und lang, das sie mit einem Hieb ein Dorf auslöschen könnten.

Aus ihren Nüstern stob ihr Atem wie glühender Dampf. Ihre Augen stierten leuchtend rot auf die geschliffene Straße hinaus. Ihr stierartiger Schädel war gleichfalls von zwei geschwungenen schwarzen Hörnern besetzt, deren Ausmaße die Vorstellungskraft eines jeden Jägers sprengte.

Die Rüstungen waren aus demselben, geschliffenem Stein, wie das Tor und die Straße.

Als die Götter in die Welt kamen, waren es diese Tauren, die das Tor erschufen und seitdem bewachten, sie harrten an der Grenze zwischen den Welten und behüteten sie vom Anbeginn der Zeit.

Plötzlich stieß einer der Tauren ein Grunzen aus. Weißer Dampf wirbelte in der Luft, als er seinen Huf voran setzte und ein kleines Beben die Magma erzittern ließ. Er senkte den Kopf und fixierte die Straße, auf der eine für sie kleine, für Sterbliche immer noch viel zu große Gestalt sich näherte.

Der Taur stampfte mit seiner Lanze auf und seine Nüstern blähten sich. Der andere Taur, legte den Kopf schief.

„Haemon.“ Dröhnte der erste Taur und seine Stimme erfüllte die Halle wie ein dunkles Donnergrollen.

Die Gestalt hielt inne.

Das Magma zu den Seiten der geschliffenen Straße beleuchtete ihn mit flackerndem golden-orangem Licht. Es handelte sich augenscheinlich um einen Mann. Muskulös mit dunkler Haut. Am Laib in schlichten Lederriemen über Brust bis Hüfte gebunden, darin eine gewaltige zweihändige Doppelaxt.

Seine Hüfte und Beine in silberner Rüstung, jedoch großteils gebrochen und zerstört. Ein Krieger, der viele Schlachten geschlagen hatte.

Das Haupt kahl doch einen Bart, der die Hälfte seines Gesichtes bedeckt.

Unter der dunklen Haut pulsierten rotglühende Adern.

Seine dunklen Augen waren von einem bedrohlichen dunklen Schimmer geprägt.

Seine Schritte pulsierten auf dem glatt geschliffenen Stein in dunklem Rot.

Er blickte zu den Tauren empor. Zwischen ihm und ihnen lag ein weites Stück der Straße, doch für die Tauren nur wenige Schritte.

Der erste der Wächter stampfte erneut mit der Lanze.

„Du bist nicht willkommen!“ dröhnte die tiefe Stimme. Die Muskeln unter dem schwarzen Fell spannten an und die Hufe scharrten über den Stein. Ein vibrierendes Beben ließ die Stalagmiten innerhalb der Magmaseen erzittern.

„Ich bin immer noch ein Gott. Euer Gott, Titanen!“ erhob Haemon seine Stimme und sie war die Stimme eines Generals, eines Schlachtenführers, eines Befehlshabers. Die Stimme, schneidend scharf wie seine Axt, übertönte das Grollen des Tauren.

Dieser schnaubte erneut und legte die zweite Pranke an seine Lanze.

„Ich, Toron, erster Wächter des Tors, frage dich Heamon, was tust du hier?“ donnerte der erste Taur. Der zweite Taur setzte ebenfalls einen Fuß voran.

„Taron, zweiter Wächter des Tors.“ Dröhnte dieser und streckte die Lanze aus, sodass sie die Tür versperrte. „Ich entscheide wer eintritt. Also sprich, Heamon, Gott der Schlacht, Herr des Blutes.“

„Toron, die Welt. Taron, die Ewigkeit. Ich gab euch diese Namen!“ donnerte Haemon und seine Worte zerschmetterten am schwarzen Stein in blutrote Adern, die kurz aufblitzten und wieder erloschen. „Ich fordere Einlass, hinter das Tor der Welten. Aether hat ein Recht, das Schicksal der Welt selbst zu bestimmen.“

Toron hob den Kopf und sah den zweiten Wächter Taron an. Die Stieraugen glühten leuchtend Rot.

„Was wirst du tun?“ fragte Taron.

Haemon seufzte. „Ich sorge für Ordnung. Das ist selbst im Sinne meines Bruders. Ihr seid die Welt, ihr seid ewig. Ihr wisst, was in Aether geschieht. Es ist notwendig und jetzt tretet bei Seite. Euch zu töten ist ein Verlust. Zwingt mich nicht dazu.“

Haemon schritt während er sprach weiter voran. Die Tauren tauschten Blicke.

„Das Gleichgewicht ist ins Wanken geraten.“ Sagte Toron.

„Das ist in Haemons Sinn.“ Sagte Toron.

„Es bedeutet Krieg, das ist die Domäne von Haemon, weshalb strebt ihr danach den Krieg zu verhindern?“ fragte Taron, setzte seinen Huf zurück und stellte die Lanze wieder neben sich.

„Ich führe keinen Krieg mehr gegen mein Blut!“ donnerte Haemon gereizt.

„Dies ist ein Grund.“ Sagte Taron, setzte den Huf zurück und kehrte gleichfalls in seine ursprüngliche Haltung zurück.

Die schwarzen Tore begannen sich scheinbar von allein langsam auf zubewegen. Sie schoben sich hinter den Tauren in das Bergmassiv und gaben den Weg frei.

Haemon schritt zwischen den Beiden in die Halle dahinter, die von einem merkwürdigen Licht erfüllt war.

Die Halle war rund, weitere gewaltige Türen führten scheinbar hinaus, doch vor allem führten sie weg von diesem Ort.

Auf einem Podest schimmerte etwas in sich pulsierendes. Es war von weißem Licht umgeben, das sich immer wieder in schillernd bunte Farben brach. Die Lichtstrahlen tanzten um das Podest und schienen einem festen Rhythmus zu folgen. Es pulsierte wie ein Herz. Und es war ein Herz, Aetherius Herz und somit Aethers Herz.

Aetherius hatte in seiner Liebe zum Leben sein eigenes Herz genutzt um Aether zu erschaffen und er Haemon erschuf die Tauren über das Herz zu wachen.

Obwohl er die Tauren erschaffen hatte, waren sie doch mächtig genug, sich selbst ihm entgegen zu stellen. Haemon verlangte es danach, das die Titanen das Herz seines Bruders vor anderen Göttern schützen würden. An diesem Ort hatten die Götter Aether verlassen und aus diesem Grund ruhten die Tore am Herzen seines Bruders.

Haemon blickte auf das pulsierende Herz herab und streckte seine Hand aus. Sein kantiges Gesicht auf das Herz fokussiert, verharrte er einen Moment.

Dann senkte er die Hand.

„Die Saat ist gesät.“ Raunte er, „Wenn der Magier der Prophezeiung lauscht, wird die Prinzessin das Schicksal erfüllen.“ Er verfiel in Schweigen und begann das Herz zu umrunden. Er blickte darin auf Aether, suchte nach Erfolg und sah hinab auf die Sterblichen. Und er sah seinen Einfluss. Ein weißhaariger Magier, ging vor einer alten Frau in die Knie.

Haemon runzelte die Stirn und blickte auf das Gesicht des Magiers. Es war nachdenklich, bleich. Haemon nickte. Er hatte eine gute Wahl getroffen, der Magier verstand die Prophezeiung. Er würde die Prinzessin auf den rechten Pfad zurückführen.

„So ist das also.“ Ertönte eine Stimme, ölig, warm, sanft, benebelnd.

Zu Haemons Füßen sprossen saftige grüne Grashalme und Blumen hervor. Und verschleiert doch blitzschnell sehr deutlich trat ein weiterer Mann hervor. Er überragte Haemon um einen Kopf, war von blasser, dünner Gestalt und hatte goldene lange Haare. Er trug einen Umhang, der bis zu seinem Bauchnabel offen war und lief barfuß über den Felsen.

Seine goldenen Augen funkelten und in einer Hand hielt er einen goldenen Kelch mit schimmernd roten Wein.

„Mein Bruder greift nach meinem Herz.“ Sagte er und Haemon grunzte.

„Ich greife nach dem Schicksal, Aetherius.“

Aetherius griff mit der freien Hand an seine Brust, über die eine breite verzerrte Narbe lief. „Du hast nicht vor mein Herz in den Krieg zu stürzen? Oh Haemon. Du bist weich geworden.“

„Nein, Bruder. Der Krieg wird kommen.“ Haemon umrundete das Herz weiter, er liess erneut seine Hand darüber schweben.

„Und du willst meine Kinder ins Leid stürzen? Weshalb sonst schert es dich, was diese erbärmliche Sterbliche treibt?“ Aetherius blickte auf sein Herz herab. Das Gesicht einer jungen Frau, umrahmt von verzaustem, schwarzen Haar, die Augen in Angst verzerrt tauchte darin auf.

„Ihr Scheitern-“ begann Haemon doch Aetherius hob die Hand.

„Eine Mücke in einem Schwarm.“ Wischte der Goldhaarige die Worte hinfort.

„Du verachtest meine Kinder.“

Aethrius blickte zu seinem Bruder auf und warf seinen Kelch auf den Boden. Seine goldenen Augen funkelten zornerfüllt.

„Deine Kinder?“ brüllte er, „Deine? Du hast sie mir entrissen, als du ihr die Worte sagtest, du-“

„Ich habe die Weberin befragt, wieder und wieder und dies- “ Haemon deutete auf das Gesicht, das sich nun in Agonie verzog, schwarze Adern traten hervor und im nächsten Augenblick war es von Blut benetzt. „Ist der einzige Weg. Wenn die Weberin sich nicht getäuscht hat, dann hast du eine Seele verloren, die dafür dein Herz retten wird.“

Aetherius atmete schwer. „Wie kannst du es wagen, die Weberin der Zeitlinien...“ Er hielt inne, verzog das Gesicht schmerzverzerrt. „Du hast zu lange in die Finsternis geblickt und nun spricht sie aus dir.“ Aetherius wandte sich ab und verschleierte im Nichts. Ein Hauch von Frühling verglühte in der kalten steinernen Halle. Das saftige Gras verging unter Haemons Füßen zu schwarzer, lebloser Asche.

Die Gottheit seufzte schwer. Die schwarze Brust hob und senkte sich und ein Pulsschlag durchflutete die Adern mit glühend rotem Blut.

„Für das Leben, für meinen Bruder.“

 

Roggvir kratzte sich gedankenverloren an seinem Ellenbogen. Vor ihm auf der steinernen Arbeitsplatte stapelten sich in Leder gebundene Bücher und Schriftrollen, die aufgrund ihres Alters allmählich in Vergessenheit zerfielen. Neben einem Bücherstapel flackerte das Licht einer langsam schrumpfenden Kerze in einer Holzlaterne und trieb ihm die Müdigkeit in die Augen. Mit zwei Fingern rieb er sich die Augenlider.

Er drehte den Kopf und im Nacken knackte es. Unwirsch rollte er eine Schriftrolle auseinander und kniff die Augen zusammen. Das Licht der Laterne schien die Schriften zu verzerren.

Das Leben als Bewahrer erschien ihm als junger Mann als das Sicherste.

Die Bewahrer gehörten zu den großen unabhängigen Ritterorden. Doch anders als die meisten Ritterorden, strebten die Bewahrer nicht nach Eroberung und Ruhm. Sie waren Ritter des Wissens und der Schriften. Sie horteten und sammelten das Wissen der gesamten Welt und sie hielten die Ereignisse der Welt fest.

Aus diesem Grund dienten sie keiner Krone und keinem geringeren Volk, als der Welt selbst.

Hinter den massiven Festungsmauern wähnte sich Roggvir sicher vor den Kriegen der Monarchen und den blutigen Raubzügen von Banditen und Söldnern. Er erwägte ein sicheres Leben mit dem Studieren alter Schriften und dem Wissen der Welt, doch es gehörte zu den Aufgaben der Bewahrer ebenjenes Wissen zu sammeln.

Sei es aus einstürzenden Ruinen oder als Beobachter auf den Schlachtfeldern der Monarchen.

Er kratzte sich am Ellenbogen und kniff die Augen zusammen. Die Schriften verschwammen, wurden deutlich und verschwammen wieder. Grummelnd senkte er seinen Kopf über das gelbliche Pergament.

Von Jahr zu Jahr fiel ihm das Lesen der kryptischen Schriften schwerer. Murrend strich er durch seinen dunklen Bart, der sowohl einen Großteil seines Gesichtes als auch seines Halses bedeckte. Kleine graue Härchen kräuselten sich unter seinen Fingern.

Ihm behagte das Gefühl des Älterwerdens nicht. Er empfand eine Ohnmacht dem gegenüber, wenngleich er seine Ordenspflichten auf das Studium der Schriften beschränken konnte, so vermochte auch sein Geist nicht jünger zu werden und er spürte wie ihm auch mit den Jahren das Verständnis für die Schriften schwand.

Roggvir erhob sich und streckte sich. In seinem Rücken knackte es unangenehm. Seine mitternachtsblauen Roben glitten über den staubigen Steinboden und verwirbelten kleine Staubwölkchen.

Er begann einige der Wälzer in die umliegenden Bücherregale zurück zu räumen. Das Archiv und die Bibliotheken befanden sich unterhalb der Festung. Die Anwärter auf einen Platz im Orden dienten den Ordensbrüdern, indem sie die Werke in die Studierzimmer lieferten und nach Ende der Arbeit des Ordensbruders wieder zurück in die Bibliothek brachten. Die Bewahrer selbst schrieben Bücher über die Erkenntnisse die sie aus ihren Studien erlangten. Roggvir hatte dutzende Bücher verfasst. Über Titanen, über seine Heimat, den rauen Norden und die Sammlung sämtlicher Skaldenlieder war ebenfalls von ihm.

Er schob die Bücher in das hölzerne Regal und griff sich mit grimmigem Gesichtsausdruck in den Rücken.

„Roggvir.“

Obgleich das Alter Tribut forderte, Roggvir war immer noch ein kräftiger Kämpfer.

Ruckartig drehte er sich um, die Fäuste erhoben und blickte in die leuchtend grünen Augen eines Hünen, der im Türbogen stand, mit verschränkten Armen und einem verschmitzten Grinsen, das aus einem weißem stoppeligen Bart hervor blitzte. Er hatte langes weißes Haar, das in vielen geflochtenen Strähnen in einen dicken Zopf auf seinem Rücken zusammenlief. Goldene Perlen schimmerten darin.

Obwohl die Gesichtszüge streng und kantig wirkten, strahlten die Augen Wärme aus.

Er trug ein mit Leder verstärktes Wams aus schwarzem Stoff. Fein gearbeitet und am Bauch einzeln abgesteppt. Die Ellenbogen, Brust und Schultern wurden mit einzelnen Lederplatten geschützt. Eine stabile Arbeit von einem talentierten Handwerker. Ein breiter Gürtel schlang sich von der Schulter bis zur Hüfte und an diesem befanden sich kleine Taschen und Fläschchen. Auf seinem Rücken ragte ein verschlungener Ast mit einem grün schimmernden Smaragd auf.

Seine schwarze Hose wurden von gesteppten Beinlingen geschützt an dessen Ende zerkratzte lederne Stiefel hervorlugten.

Die Beinlinge wurden an der Hüfte und an den Fußknöcheln von Lederbändern gebunden.

Roggvir ließ die Fäuste senken. Abfällig schnaubte er und schnappte nach der aufgerollten Schriftrolle, die soeben von den grünen Augen des Hünen erfasst wurde.

„Hast du dich immer noch nicht zur Ruhe gesetzt?“ fragte der Hüne.

„Das würde dir so passen was?“ knurrte Roggvir und warf für einen Bewahrer und Hüter des Wissens, die Schriftrolle lieblos in das Regal auf einen umfallenden Wälzer.

„So begrüßt du also einen alten Freund.“ Murmelte der Weißhaarige der schmunzelnd Roggvirs liebevollen Umgang mit den alten Schriften beobachtete.

Dieser setzte sich an die leere Steinplatte zurück und trommelte mit den Fingern auf dieser.

„Freund? So nennst du mich nur wenn du etwas von mir brauchst.“

Der Weißhaarige hob ergebend die Hände. „Mein Freund du kennst mich zu gut.“

„Mich zur Ruhe setzen…“ wiederholte Roggvir brummend.

Der Hüne trat in die Kammer und nahm sich einen Schemel, der vor einem Bücherregal stand. Er wischte die Staubspuren der Sandalen der Füße ab, die diesen zum Emporsteigen nutzten. „Nun ich sah, wie du deine fette Nase auf das Pergament drücktest. Entweder du setzt dich zur Ruhe oder lässt dir vorlesen. Schade um das Pergament auf dem deine fettige Nase Spuren hinterlässt.“

„Mir vorlesen lassen? Wie ein alter Sack? Was fällt dir ein!“ Roggvir schlug mit der Faust auf die Steinplatte zwischen ihnen. Die Laterne vibrierte und das Licht der Kerze flackerte darin. „Wie soll ich bei diesem beschissenen Licht die Schriften studieren? Du bist Magier, sorge dafür das hier ein magisches Licht brennt, bei dem ich vernünftig lesen kann, verdammter Dämmlack!“

Der Weißhaarige grinste. „Ich mag unsere Gespräche, außer dir wagt es niemand so mit mir zu sprechen.“

Roggvir grinste nun ebenfalls. „Rede nur länger mit ihnen, dann merken sie schon was für ein Dämmlack du bist, Rias.“

Rias. Roggvirs Freund aus Kindertagen. So wie er davon träumte den Norden zu verlassen um sich den Bewahrern anzuschließen, sehnte sich Rias danach einen Ort zu finden, an welchem seine Talente anerkannt wurden. Diesen Ort hatte er gefunden. Er war der derzeit mächtigste und bekannteste Magier weltweit. Seine Macht überstieg die eines jeden Erzmagiers und der Verantwortung einer solchen Macht heraus, war er der Loge der Magier beigetreten.

Die stärksten und mächtigsten Magier gehörten dieser elitären Gruppierung an, in welchem sie ihre Macht lediglich dazu aufbrachten den Frieden der Welt zu wahren. Wenn Abenteurer auszogen um Banditen zu jagen, so zog die Loge aus um Dämonen zu jagen und das Erwachen der Titanen zu vereiteln. Rias letzte Heldentat. Ein Mann gegen eine Kreatur, die fähig ist die Welt aus den Angeln zu heben. Damit sorgte sein Kindheitsfreund dafür, dass sein Name ehrfürchtig geflüstert wurde.

„Was führt dich her? Eine Schrift? Eine Rune? Frechheiten gegen einen alten Freund?“

Rias schüttelte den Kopf und seufzte. „Mich treiben wichtige Geschäfte her.“

„Pah.“ Roggvir trommelte erneut ungeduldig mit den Fingern. „Wichtige Geschäfte. Wichtiger als einen alten Freund zu besuchen, nicht mal Bier hat der feine beschäftigte Herr mitgebracht.“

Rias lächelte und schnipste mit den Fingern. Aus dem Nichts wirbelten zwei Holzkrüge in der Luft die mit einem dumpfen Geräusch auf der Steinplatte landeten. Vom Krugboden stieg weißer Schaum auf.

„Na also, das einzig Nützliche an euch Magiern. Wie lange ist es her, seit wir zu Letzt miteinander sprachen? Waren es zwei Jahre, oder fünf? Die Zeit ist in diesen Mauern fließend. Ob draußen ein Krieg tobt oder die Jahreszeiten wechseln, man bekommt hier drinnen nichts davon mit.“ Roggvir nahm den Humpen und prostete Rias zu. Dieser erwiderte die Geste mit seinem Humpen.

Roggvir trank einen kräftigen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.

„Ein feines Bier. In der Loge bekommt ihr wohl nur das Beste?“

Rias legte den Kopf schief. „Möchtest du mich anhören, oder muss ich dein Geplapper weiter ertragen?“

Roggvir leerte den Humpen und stieß etwas auf. „Füll meinen Mund damit, dann höre ich besser.“

Rias schnipste und erneut stieg weißer Schaum vom Boden herauf. „Der Herr ist unter Zeitdruck, ein viel beschäftigter Held, der nicht einmal Zeit findet mit mir zu trinken.“ Er nahm einen weiteren Schluck und kratzte sich anschließend am Ellenbogen. „Ist viel passiert. Die Mauern sind dick, aber nicht taub.“

„Ich bedauere es, dass ich dich nicht öfter besuche.“ Erwiderte Rias und trank ebenfalls einen Schluck aus seinem Humpen.

„Hast stattdessen lieber Titanen bekämpft. Ich höre was du treibst. Wohl kaum wirst du entlohnt, für deine Heldentaten. Ein Narr bist du, warst du schon immer.“ Roggvir schwenkte den Humpen und blickte grimmig drein. „Ein Held aller. Wir waren kaum aus dem Schnee raus, da hattest du die Einladung in die Loge. Ein Leben fernab von Familien, Freunden. Ich habe mich schon immer gefragt, ob du das überhaupt wolltest.“

„Roggvir.“ Rias stellte den Humpen ab und erhob sich. „Lassen wir die alten Geschichten. Du jammerst herum wie ein alter Mann und willst nicht für einen gehalten werden. Du machst es mir schwer.“

Roggvir blickte auf. Im flackernden Kerzenlicht bemerkte er die tiefen dunklen Schatten unter Riaas augen, die Falten an seinen Mundwinklen und die dunklen Erinnerungen hinter seinen Augen.

In den Stämmen im Eis wurden selten Magier geboren. Die meisten waren Jäger, Krieger, allenfalls Druiden und begabt im Kräuterbrauen und Geister anbeten. Doch er und Rias hatten schon früh die Enge ihrer Heimat satt. Roggvir zog es ständig hinaus in die Wildnis in verlassene Ruinen und weit, weit weg von seinem Stamm. Die Welt war groß und er Roggvir, strebte danach alles von ihr zu lernen. Dabei lernte er Rias kennen. Er erinnerte sich an den schmalen Jungen mit dem damals noch dunklen Haar. Dürr und schwächlich war er und talentiert. Obwohl er in Magie nicht unterrichtet wurde, erschuf er wärmendes Feuer, teilte das Wasser und die Erde und beeinflusste das Wetter. Er war von ihrer ersten Begegnung an verzaubert von dem dürren Magier und blieb bei ihm, erlebte mit ihm kleinere Abenteuer, bis seine Lehrmeisterin sie fand und aus dem Norden in den Süden führte, nach Orsin, der Stadt der Magie und der Beginn von Rias ruhmreichen Erfolgen. Sie war eine Magierin, frei und entschlossen dies zu bleiben. Sie gehörte keiner Schule und keinem Orden an.

Roggvir dachte einen Augenblick an die Zeit zurück, als sie Rias vor einen Bären warf und ihn zwang sich mit Hilfe von Magie zu wehren, während sie ihn Roggvir an einen Baum fesselte. Kurz schmunzelte er. Sie war eine Hexe.

Seine Augen wanderten über Rias breite Schultern und breiten Nacken.

Doch ihre Lehrmethoden hatten einen Helden geboren.

„Hmpf, na schön, mein Freund. Was kann ich für dich tun?“

Rias lächelte ihn an. „Höre mir gut zu, mein Freund. Du wirst den Drang verspüren mich wieder einen Narren zu schimpfen, mir ins Wort zu fallen und mich fort zu jagen, darum bitte ich dich, höre mich an. Höre mich an, wie ein Bewahrer einen Bericht anhören würde. Tu mir den Gefallen.“

Roggvir brummte und der Weißhaarige nickte.

„Es geht um Prophezeiungen. Verzieh das Gesicht nicht, mein Freund. Ich bin viel herumgereist und traf viele Spinner. Reiche Tölpel die sich von Scharlatanen weissagen ließen, dass ihre Zukunft strahlend sei. Bauernmädchen die an weiße Ritter auf hohem Ross glaubten. Gläubige die ihre heiligen Schriften zu ernst nehmen. Was erzähle ich einem Bewahrer. Die Bücher sind sicherlich voll von Berichten solcher Spinner.

Ich weiß sehr gut, dass es keine verlässlichen Propheten gibt. Die Weissagungen sind allgemein gültig, werden vom Zuhörer als das verstanden, was dieser hören will. Oder sie sind zu hanebüchen, als dass sie wahr wurden. Ich bin auch solchen oft begegnet, doch diese hier war anders.“

Rias hielt inne.

Roggvir runzelte die Stirn. „Sag mir doch was anders war, weshalb dies dein Interesse weckte.“

Rias kratzte sich im Nacken und blickte zur Seite. Er schien um Worte zu ringen.

„Ich war auf dem Rückweg, ich ließ mir Zeit. Das mit dem Titanen war kräftezehrend. Also machte ich einen Umweg. Besuchte, ähm…“

„Freunde?“ fragte Roggvir und formte mit seinen Händen Rundungen vor seiner Brust an. Rias hustete galant, über ging die obszöne Bemerkung jedoch.

„Ich erfuhr jedenfalls von einer Streitigkeit zwischen einem Lehnsherrn und einer Söldnergruppe, die sich um eine Frau stritten, welche die Zukunft vorhersehen könne. Der Lehnsherr mobilisierte bereits seine Truppe, so auch die Söldner. Ich dachte, ich sehe es mir an. Ich weiß, niemand bezahlt mich dafür. Doch ich war neugierig und kreuzte die Lande ohnehin auf meinen Reisen. Die Seherin erwartete mich. Soweit nicht unüblich. Sie wissen angeblich immer schon im Voraus, wer sie besuchen wird, doch es sorgte dafür, dass ihre Anhänger mich herzlich empfingen und zu ihr führten.“

„Anhänger?“ wiederholte Roggvir und schmunzelte.

„Du hörst, Recht. Narren die an ihren Lippen hingen. Sie trugen die gleiche Kleidung und lebten im Wald, überzeugt, dass sie dies ihrer Herrin näherbringt. Spinner allesamt.“ Rias setzte sich wieder auf den Schemel und hob einen Finger. „Doch die Alte war anders. Eine alte Frau, die Augen blind, kleine Gestalt, fast zahnlos im Maul. Ich habe nach Magie gesucht.“

„Und?“

„Keine Spur. Sie hat mir von dir erzählt und von mir. Es war merkwürdig. Sie sprach von Augenblicken wie diesen. Momenten in denen wir unter uns waren. Ich habe ihr zugehört und mich gefragt, woher sie die Details kennt, sag mir Roggvir. Was weißt du über Prophezeiungen? Bitte mach mich nicht lächerlich. Sie wusste auch von meiner Lehrmeisterin. Und nur wir beide wissen von ihr.“

Der Bewahrer kratzte sich am Ellenbogen und schnalzte mit der Zunge. Die Hexe also. Kurz sinierte er darüber ob sie sich vielleicht einen Schabernack mit ihrem ehemaligen Schüler erlaubt hätte, doch sie war seit ihrer Ankunft in Orsin nicht mehr erschienen.

„Prophezeiungen. Nun, wie du schon sagst, die Meisten sind kryptischer Natur, der Zuhörer versteht was er verstehen möchte. Manche sind völlig abstrus und überdies, sind viele ungehört geblieben. Wenn ein Bauernmädel schlechtes Wetter prophezeit, so war nicht immer ein Schreiber zugegen, dieses Wunder festzuhalten.

Aber es gibt einige wenige, wohlbehütete Prophezeiungen. Wahre und detaillierte, da schaust du. Ich sage nur von 100 Sehern, kann gerade mal einer das Wetter richtig erraten. Es ist selten, aber in der Geschichte der Welt kam es durchaus vor. Darunter die Prophetin Amalia selbst, du weißt schon. Die Gattin von Atherius. Sie verfasste ein gesammeltes Werk mit ihren Vorhersagen. Das hütet die Kirche. Doch bislang sind ihre Weissagungen eingetroffen. Dann gab es noch ein paar weitere. Spektakulär darunter eine Weissagung über den Werdegang eines Königreiches.“

„Welches?“

Roggvir grummelte etwas Unverständliches und trank einen weiteren Schluck. Er schnalzte erneut mit der Zunge. „Was spielt das für eine Rolle?“

„Vielleicht gibt es Zusammenhänge.“ Sagte Rias und faltete seine Hände ineinander, die Ellenbogen auf seine Knie gestützt.

Roggvir schwenkte den Humpen. „Zufälle. An Zufälle wollen Magier nicht glauben. Alles hängt miteinander zusammen. Den Kopf verdrehst du mir mit solchen Sprüchen. Immer wieder hast du davon geschwafelt, seit du die Magie studiertest. So sehr, dass auch ich Zufälle hinterfrage. Dein Glück, oder dein glücklicher Zufall, dass ich aus diesem Grund die Prophezeiung kenne. Ich glaubte hinterfragen zu müssen, ob es Zufall sei, dass jenes Königreich eine Weissagung erhalten hat. Wie dem auch sei. Der vorhergesagte Putsch ist eingetreten.“

„Donnerfels.“ Murmelte Rias und Roggvir nickte.

„So ist es. Die schwarze Armee die den Felsen spaltet. Der goldene Recke der die Trümmer verwaltet. Diese Prophezeiung ist vor über hundert Jahren ausgesprochen worden. Da war nicht absehbar, was in dem Reich geschah. Aber Präzise war die, meine Fresse. Es ist eine gesungene Ballade von einer Bardin. Eine Ballade. Die Idee kam ihr im Traum und dieses Lied sang sie in unzähligen Tavernen, weshalb es niedergeschrieben wurde, von einem der zuhört.

Es gibt sie also, die paar Wunder die tatsächlich die Wahrheit sprechen. Und deine Seherin? Du glaubst sie hat wahrhaftig gesehen?“

Mochte etwaas dran sein?

Seher tauchten immer wieder auf. Roggvir hatte nach dem Fall von Donnerfels und ihrer Untersuchung im Schloss des Königreichs sich Wochenlang in den Archiven vergraben. Viele Prophezeiungen waren so allgemeingültig formuliert, das ihre Treffer ebenso zufällig waren wie das Erraten des Wetters. Doch die Bardin die vor hundert Jahren eine Ballade verfasste war erstaunlich präzise. Was aufgezeichnet wurde als Mär eines Königreiches, beschrieb das letzte Königshaus von Donnerfels, dessen Politik und die Verstrickungen der gesamten östlichen Kronen. Er hatte Rias seiner Zeit von dieser Prophezeiung berichtet, doch es war nicht mehr als eine nette Information. Denn mit dem Fall des Königreiches endete die Ballade.

Der Weißhaarige seufzte. „Sie kannte Details. Belassen wir es dabei. Ich hörte ihr eine Weile zu. Ließ sie reden und sie sprach von allerlei Kryptischem. Bis dahin hielt ich sie für eine talentierte Informationssammlerin. Dann sagte sie, hmm, warte ich habe es mir aufgeschrieben.“ Er fing an in seinen Täschchen und Beutel an seinem Gürtel zu wühlen und zog schließlich ein kleines, zerknittertes, gefaltetes Pergament heraus. Er überreichte es seinem Freund und dieser faltete es auf. Er kniff die Augen zusammen und zog die Laterne zu sich heran:

Gebeine gierend nach Blut

Verzehrt, unter den Felsen, von Wut

Erwache, glühender Zorn

Erwache aus schlummerndem Stein

Erbe des Throns in Finsternis verloren

Irrt in Angst und Verzweiflung daher

Ein Bastard geopfert, vom Erben aus den Flammen gerissen

Wird die Drachenschuld einlösen müssen

Beide Seelen verbunden, sind voneinander zu trennen

Zurück zum Ursprung der Magie,

wird der Erbe des Throns, das Königreich erretten.

Doch sei gewarnt, es gibt kein Zurück.

Die Höllen fordern einen Tribut,

Zahl die Schuld an Drache und Hölle zurück.

Zahl die Schuld,

Bevor Haemons grausiger Blick Atherius trifft.“

„Wa?“ erwiderte Roggvir und überflog die Zeilen erneut. „Drachenschuld, davon habe ich gehört.“

Rias sah auf, er griff nach seinem Humpen und musterte die nachdenklichen Gesichtszüge seines alten Freundes.

„Das ist Legende, alles Legende. Nicht mehr. Willst du es dennoch hören?“

Rias legte den Kopf schief und lächelte. „Wozu suche ich einen Bewahrer auf?“

„Wozu, wozu. Offensichtlich nicht um mit mir zu trinken.“ Murrte Roggvir und griff in den Ausschnitt seines Gewands und holte ein ledergebundenes Buch heraus. Die Ecken waren gerissen und geknickt und manche Seiten wellten sich.

Er blätterte darin und murmelte unverständliches dabei vor sich hin. Rias glaubte, dass er die Jahre zurück zählte.

„Wann waren wir in Donnerfels?“ fragte er an den Weißhaarigen gewandt.

„Vor sieben Jahren, kurz nachdem der derzeitige Thronhüter Evelias von den Weiden in der Hauptstadt eintraf, verlangte er eine Untersuchung durch die Loge und die Bewahrer.“

„Vor sieben Jahren. Ich erinnere mich gut daran. Ein prächtiger Thronsaal. Die Felsenhalle. Die Geschichten die allein über diesen Saal erzählt wurden, füllen ein gesamtes Regal. Ich habe sie alle gelesen. Du und ich waren dort. Ich war dankbar, das du mich vorschlugst. Wir haben uns alles angesehen.

Wie dem auch sei. Sieben Jahre, ah hier… Die Wache sagte, dass jedes Jahr zum Todestag des Bastards des Drachenkönigs ein Ritual zelebriert wird, bei welchen ein Tropfen Blut auf den Boden der Felsenhalle von der Königsfamilie geopfert wird. Die Gebeine des Drachen ruhen angeblich unter der Felsenhalle und werden durch das Blut in ihrem Zorn besänftigt. Es ist eine Tradition zur Befreiung von der Tyrannei des Drachen. Des richtigen Drachen und des Drachenkönigs. Beide sind seit tausend Jahren tot, dennoch wird ihrer jährlich gedacht, sie nannten es die Drachenschuld begleichen. Traditionen, pff. Ich habe mich umgesehen. Die Wände, erinnerst du dich an die Wände? Zwergische Fresken. Ein tolles Handwerk und überall darin Runen und Kritzeleien. Doch nichts was die Eroberung des Königreiches erklärte. Es warf hingegen noch mehr Fragen auf.“ Roggvir schlug sein Buch zu und legte es vor sich auf die Steinplatte. Der Zettel mit der niedergeschriebenen Prophezeiung segelte leicht über den Tisch davon. „Erwache… damit könnten diese Gebeine gemeint sein. Die Donnerfelser fürchten, dass der Drache wieder auferstehen könnte. Soll ja ein Titan gewesen sein, die sterben nicht so einfach. Erbe des Throns…“ Roggvir runzelte die Stirn.

Der Weißhaarige fuhr nachdenklich mit seiner Hand durch seinen Bart und raunte: „Kennst du die Geschichte von der verfluchten Prinzessin? Jetzt lehre ich dich, mein Freund. Die Bürger glauben vehement, das die Thronerbin überlebt habe aber seit der Eroberung verflucht sei. Angeblich durchstreife sie das Königreich und sinnt auf Rache.“

„Tolle Geschichte, wenn die Göre nicht tot wäre. Genauso wie der Rest der Familie.“

„Das sahen wir mit eigenen Augen.“

Roggvir schlug mit der geballten Faust auf die Steinplatte. Der Stein erzitterte leicht. „Verdammt, ganz genau. König Evelias zitierte uns in das Schloss. Wir suchten nach den Eroberern, suchten nach einem Ursprung und was wir fanden, waren die Leichen der Königsfamilie in den Gemächern der Prinzessin.

Die Diener des Schlosses erkannten sie, ohne jeden Zweifel. Das Blutbad, bei den göttlichen Brüdern, das vergesse ich meinen Lebtag nicht. Niedergemetzelt, sie hatten keine Chance. Du haast die Leiche der Prinzessin selbst in deinen Armen gehalten um sie anzusehen! Wir haben uns auch die Verliese angesehen und du konntest nichts Ungewöhnliches feststellen. Kein Drache, die Tradition nicht mehr als eine alberne Tradition.“

Rias atmete tief ein und blickte zur Decke.

„So ein Schwachsinn. Fluch, Prinzessin. Das Volk redet wie immer Blödsinn. Die sind alle tot.“

„Roggvir, die Prophezeiung.“

„Prophezeiung! Es geht dir wieder um dieses vermaledeite Königreich. Nein, ich habe bis heute nicht herausgefunden, wie Donnerfels erobert werden konnte, ohne das die Angreifer eine Spur hinterlassen. Die schwarze Armee kam, eroberte und verschwand. Der Zweck? Eindeutig der Tod der Königsfamilie, weshalb? Du glaubst das es darum geht einen Drachen auferstehen zu lassen? Unsinn. Die Verliese unter dem Schloss reichen weit. Doch selbst wenn dort ein Drache beerdigt wurde, nach tausend Jahren ist nicht mehr genug übrig das auferstehen kann. Wenn es je einen Drachen gab. Es gibt Geschichten, aber keine Beweise. Keine eindeutigen. Donnerfels füllt ganze Hallen an Büchern. Ich habe sie gelesen und bereiste das Königreich. Es wurde geformt vor Jahrtausenden. Das leugne ich nicht, viele Bewahreer haben es nieder geschrieben. Das Tal unter dem Bergmassiv weist Einschläge auf. Viele kleine Täler, doch von höherem betrachtet scheint es das schwere Einschläge die Täler formten. Der Fluss des Königreichs bricht aus einem Wasserfall, der bei genauem Betrachten so wirkt, als sei er aus dem Fels geschlagen worden. Doch mein Freund bedenke, vor tausenden Jahren bedeckte Eis fast ganz Aether. Es mögen die Eisberge und Steine im Eis gewesen sein, die Donnerfels formten. Für das einfache Volk schwer zu verstehen.“ Er winkte ab und schnaubte, „Und langweilig noch dazu. Drache klingt tausend mal spannender.“

Bewahrer. Hüter und Sammler des Wissens der Welt. Und die größten Kritiker dieses Wissens. Mehr noch als Magier, glaubten Bewahrer stets nur, was sich zweifellos belegen ließ, selbst wenn sie selbst Augenzeugen eines Ereignisses wurden, so zweifelten sie es an.

Aus diesem Grund fühlte sich Roggvir den Bewahrern zugehörig. Sie blieben bei den Fakten. Sie spekulierten nicht und interpretierten nicht. Was ein Bewahrer sprach war stets die reine und unverfälschte Wahrheit.

Kein Glaube und kein Fanatismus fand Platz im Geist eines Bewaahrers. Sie waren Forscher und Entdecker und fühlten sich verpflichtet das gesammelte Wissen zu schützen und an die Welt von Morgen weiterzugeben.

„Das mit dem Thronerben und der Seele klingt nach der verfluchten Prinzessin. Kann man so verstehen. Aber das ist auch alles. Die Alte hat jemanden gefunden, der mit ihren Worten etwas anfangen kann. Wenn es stimmt… König Evelias heuerte uns an, das Gerücht, das einer aus der Familie überlebt hätte und verflucht sei, zu überprüfen. Es war brisant. Ein Fluch, wie der, der der Prinzessin angedichtet wurde. Das wäre übel. Das hält keiner durch.“

„Flüche gibt es viele.“

„Dieser Fluch behauptet, das ein Dämon an die Prinzessin gebunden worden sei. Ein Dämon des Zorns der Rache üben soll an den Mördern der Familie. Wenn dies stimmt, dann ist das übel. Richtig übel. Das lässt die Leute durchdrehen. Unmöglich das da etwas dran ist!“

„Roggvir, als du damals das Gemach der toten Königsfamilie untersucht hattest, sagtest du nur eines: Merkwürdig.“

„Merkwürdig war das alles auch. Der König konnte immerhin seine Haut verteidigen. Doch offenbar in dieser Nacht nicht.“

Roggvir seufzte und trank einen Schluck. Grübelnd musterte er die jadegrünen Augen seines Freundes, der wie gbannt zurückblickte. Die Anspannung im Gesicht erinnerte ihn an alte Zeiten, als sie verlassene Ruinen erforschten und als sie ihrer Lehrmeisterin Streiche spielten. Sie war streng, doch den meisten Blödsinn stellte sie selbst an. Sie liebte es mit ihnen zusammen unschuldige Reisende zu erschrecken. Es war eine unbeschwerte Zeit. Lange bevor Rias auszog und sein Leben als Held aufs Spiel setzte. Er seufzte.

„Aber… Scheiße, du bist ein guter Kerl und lässt eh nicht locker. Du erinnerst dich das die Kammer der Stallburschen abgebrannt war?“

„Bis auf die Grundfesten.“

„Die Diener sagten, dass die Gänsemagd somit auch verbrannt sei, da sie bei dem Stallburschen schlief, oder mit. Ich habe das schon verstanden. Die Gänsemagd sah der Prinzessin ähnlich. Die gleichen Haare. Im Gemach wiederrum lag die Prinzessin, nahezu bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.“

Roggvir schnippte sein Buch zu Rias. Es rutschte über die Steinplatte und stoppte vor ihm. Rias runzelte die Stirn und nahm es in die Hand. Er liess die Seiten zwischen seinen Fingern hindurch gleiten bis es an einer Stelle von allein aufschlug. Darin war ein Gegenstand geklemmt. Das Datum der Seite deutete auf seine Niederschriften in Donnerfels hin. Der Gegenstand darin wirkte wie eine Mahnung, eine Erinnerung.

Rias hielt es empor. Es handelte sich um eine Gänsefeder. In den Seiten des Buches stand ein Satz: ‚In den Händen der Prinzessin gefunden‘.

 

Kapitel 1- Verbündete

Aether, der blaue Planet umkreiste das goldene Licht, die Sonne, zusammen mit seinen Wächtern, die einst gemeinsam mit der Gottheit Aetherius das Leben über Aether brachten.

Nachdem Aetherius die Finsternis verdrängte, riss er sein Herz aus seiner Brust und verbarg es in einem Felskoloss, aus welchem mit der Zeit Aether erwuchs. Aus Liebe zum Leben und Licht brachte Aetherius seine Wächter auf den Planeten und sie riefen die Titanen, die Wächter der Welten, welche die Meere zähmten und das Land aus ihnen stemmten.

Die Titanen stampften auf dem neuen Land auf, und so schossen die Wälder hervor. Sie packten die Erde und schleuderten sie den Wolken entgegen, so erschufen sie die Winde. Sie gaben der Erde, den Wassern und den Winden ihre Wünsche und erschufen das Leben.

Aetherius segnete das erste Leben und nannte die ersten Völker seine Kinder. Sie huldigten Aether und dienten den Wächtern und Aetherius selbst. In ihren Adern pulsierte der göttliche Wille. So wirkten sie Magie.

Die Götter lebten friedlich mit den ersten Völkern. Bis die Menschen über Aether kamen. Ihr Verständnis des göttlichen Willens fehlte gänzlich, doch meisterten sie die Magie mit ihrem Verstand.

Zunächst lernten sie von Aetherius Kindern. Doch dann erkannten sie, dass sie die Grenzen der Magie überwinden konnten, wenn sie mehr als ihr eigenes Leben gaben.

Für mehr Magie und mehr Macht opferten sie Leben, was den Lehren Aetherius widersprach.

Aus Zorn über die Gräuel der Menschen, wandten sich die Götter ab von Aether.

Haemon selbst richtete seinen Zorn über die Welt und die Götter zollten dem Herzen ihres Herrn Tribut. Sie versprachen, das sie über die Seelen wachten, sobald sie Aether verließen und Haemon selbst verschloss das Herz seines Bruders im schwarzen Berg, auf das den Sterblichen jedwede Hoffnung, das die Götter zurückkehrten, genommen wurde.

Als Aether geboren wurde- Theologische Abhandlung der heiligen Schriften (Orsins Biblica)

 

 

Ein süßlicher, schwerer Duft hing in der Luft. Die Obstbäume am Drachenstrom hingen schwer voller süßer Früchte und glänzten verführerisch im Mondlicht.

Unweit des Fallobstes wogen Weizenfelder in der kühlen Nachtluft. Im Westen strahlten die weißen Türme Orsins, das Tor zur Welt. Der Drachenstrom brach im Osten aus dem Bergmassiv, der wie ein Lindwurm vom Norden bis weit in den Süden den Kontinent teilte. Der Fluss brach in einem gewaltigen Wasserfall ins Tal und gewann durch weitere Zuflüsse an Größe. Neben den Handelsstraßen, ermöglichte es der Drachenstrom das Königreich Donnerfels zu Wasser zu bereisen. Wer vom Meer kam, durchquerte mit seinem Schiff die Stadt der Magie und des Handels: Orsin. Die weiße Perle genannt, da die Architektur der Stadt aus weißem Stein bestand und weithin hell strahlte.. Die berühmtesten Magierakademien trugen zum Reichtum der Stadt bei.

Wichtige Städte und Handelswege führten am Drachenstrom entlang bis zur Quelle, den donnernden Fällen nebst der Zwergenfeste und Hauptstadt von Donnerfels, die Stadt Donnerfels. In das Bergmassiv geschlagen, überragte sie das Königreich und blickte gen Westen.

Vor Orsin, unmittelbar am Drachenstrom gelegen, lag das Dorf Riam, der letzte Hafen vor der reichen Stadt. Es war ein kleines Fischerdorf, umgeben von einem hölzernen Palisadenzaun. Umgeben von Feldern und Fallobstwiesen. Im Osten grenzte der westlichste Ausläufer des alten Waldes Schlummerholz an. Die hügeligen Felder wurden teils von den Bewohnern Riams bestellt, doch manches Feld lag seit einigen Jahren brach. Der Tod des ehrenwerten Königshauses Donnerfels, hatte das Volk von Donnerfels schwer getroffen. Seit sieben Jahren regierte ein junger Prinz aus dem Osten als Thronhüter und verwaltete das Königreich. Der Handel war schwer eingebrochen und das Volk zahlte teuer für den Tod ihrer Krone.

Viele verließen das Land und suchten ihr Glück in den Städten. Die Felder lagen brach, verwilderten und manche leere Hütte verkam zu einem Versteck für Halunken und Banditen.

 

Sie trat aus den Ähren. Zitternd, und blutverschmiert. Eine kühle Brise kam auf, verwehte den Staub der Straße und streifte ihren Laib und wog wie eine sanfte Welle über die Ähren, die sich hell im Mondlicht unter der Brise beugten.

Ihre schwarzen, zersausten Locken klebten starr vom schwarzrotem Blut.

Sie streckte das verschmierte Gesicht in den Wind und roch den süßen Duft des Obstes, auf der anderen Seite der Straße. Riam lag links von ihr, im Westen. So konnte sie sich dem Dorf nicht nähern.

Ihr Atem ging schnell. Sie schwitzte und griff sich an die Seiten ihrer schmalen Taille. Mit vorsichtigem Blick prüfte sie die Straße. Sie war allein.

Beherzt überquerte sie die Straße. Sie konnte das Wasser des Drachenstroms hinter den Obstbäumen rauschen hören.

 

Vor den Palisaden Riams hielt eine Dorfmiliz Wache. Sie saß auf dem Boden, die Lanze umarmt und die Beine von sich gestreckt. Der Tellerhelm war über das Gesicht gerutscht und darunter grunzte und schnarchte die Wache.

Sie trat an ihn heran und runzelte die Stirn beim Blick auf eine Tonflasche, die scheinbar leer neben ihm lag. Das Tor war unbewacht, offen und sie konnte einfach herein marschieren.

Wie friedlich sich die Bewohner Riams wähnten, dass die Wachen so nachgiebig sein konnten.

Ein kühler Luftzug zerwühlte ihre Haare und sie zitterte unwillkürlich, als die nassen Leinen sich an ihre Haut hefteten.

Einige wenige Fackeln beleuchteten die Handelsstraße die durch Riam hindurch führte. In den meisten Hütten war es dunkel. Es roch nach Schlamm, gammeligen Fisch, süßem Obst und feuchtem Holz.

Die Hütten waren einfach aus Holzplanken gebaut und nicht größer als ein paar Fuß, doch groß genug um eine Familie warm zu halten, wenn sie sich in kalten Tagen um ein Feuer darin scharten.

Ihre Füße betraten schon bald Holzplanken, die den staubigen Weg hier festigten.

Viele Füße konnten an Regentagen die einfachen staubigen Straßen in rutschige Schlammflüsse verwandeln, was insbesondere für Kutschenräder das Ende einer Reise bedeuten konnte.

Im Herzen des Dorfes fiel ihre Aufmerksamkeit auf ein langgestrecktes, zweistöckiges Gebäude. In den schmutzigen Fenstern flackerten Kerzen und es waren Köpfe dahinter zu erkennen. Über der doppelflügeligen Tür hing ein schiefes Schild, mit einem aufgehängtem Mann. Daneben der Text: Fischers End.

Sie blickte sich um.

Gegenüber der Dorftaverne lag der Hafen. Eine große Scheune, davor einige leere Stände aus Holz und Anleger am Ufer des Flusses, ließen keinen anderen Schluss zu, das es sich um den Hafen Riam's handelte.

Sie bemerkte, das sämtliche Anleger besetzt waren. Ein Schiff fiel ihr dabei besonders auf. Es lag nicht unmittelbar im Hafen, sondern hatte seinen Anker im Fluss geworfen. Es war eine wendige Karavelle mit blutroten Segeln und einzigartigen, prunkvollen Verzierungen.

Sie war diesen Segeln gefolgt.

Doch wo dieser Anblick vor Tagen noch Hoffnung in ihr erweckte, fühlte sie sich nun beklommen. War sie zu voreilig?

Aus der Taverne tönte schallendes Gelächter. Sie blickte sich um.

 

Sie schob eine goldene Münze über den schmutzigen Holztisch, zwischen zwei Holzhumpen hindurch und behielt ihren Gegenüber im Blick.

Der Dunkelhaarige taxierte die Goldmünze und anschließend das bissige Gesicht des Mädchens. Aus schwarzen Locken funkelten ihn dunkelrote Augen an. Ihr blasses Gesicht war schmutzig und unter ihrem rechten Auge schimmerten bläuliche Blutergüsse. Reste eines Veilchens. Sie trug Leinen, hier und da gerissen und fleckig. Unsauber gefertigte Lederlappen bedeckten die empfindlichsten Stellen.

Ihre Arme und Hände waren mit schwarzem Leinen bandagiert.

„Was sagt Ihr?“ fragte sie mit einer rauen Stimme als hätte sie lange nicht mehr gesprochen.

Der Dunkelhaarige schüttelte den Kopf und lachte leise.

In der Taverne herrschte Stille. Es war eine einfache kleine Dorfschenke. Die Tische aus Holz, jedoch schnell und einfach zusammengezimmert. Die Tischplatten waren gezeichnet von den Spuren unzähliger Krüge die über das Holz glitten im Laufe der Zeit. Der Boden der Taverne war nicht mehr, als festgetretener Staub und es hing der Geruch nach Schwein und Vieh in den Dielen, der Wänden und der Decke.

An den Wänden reihten sich einige wenige aus Holz und Metallbeschlägen gefertigte Wandkerzenhalter, ausgehärtete Tränen von schmutzigem Wachs ummantelten sie nahezu vollständig. Der Tresen der Taverne war aus alten Fässern mit einer Holzplatte gezimmert und abseits davon loderte ein Feuer in einem steinernen Kamin, darauf ein schwarzer Topf in dem eine wohlriechende Suppe blubberte.

Wo sonst Bauern und Fischer die Humpen erhoben, saßen jedoch seine Männer. Freibeuter. Manchen fehlte ein Teil ihres Körpers, ein Bein, eine Hand, ein Auge und wer noch im scheinbaren Vollbesitz seiner Körperteile war, trug zumindest Spuren, die bezeugten, dass es Versuche gab sie ihrer Körperteile zu erleichtern. Ihre Kleidung war ein bunter Haufen an Stoffen und Fetzen, mit großer Bewegungsfreiheit. Keiner trug Platten wie es Ritter taten, dafür jedoch Kurzschwerter, Säbel und Dolche.

Ihr Anführer, saß ihr gegenüber. Er hatte recht sanfte Gesichtszüge. Sein gestutzter Bart bedeckte sein Kinn bis zu seinen Ohren und besonders am Kinn ähnelte dieser einem Anker. Zweifellos verbrachte er viel Zeit mit dem Stutzen. So auch seine schwarzen Haare gepflegt die in einem dünnen Pferdeschwanz im Nacken endeten, abgesehen von den welligen Strähnen die seine Schläfen einrahmten. Als sie genauer hinsah fiel ihr auf, dass er die Haare regelrecht in Form gebracht hatte. Sein Pferdeschwanz wurde von einer goldenen Klammer gehalten. In seinen Ohren glänzten schwere goldene Ohrringe, die die Läppchen bereits in neue Formen zogen. Er hatte dunkle Haut und dunkle, tiefliegende Augen mit einem gerissenen abschätzenden Blick.

Er fläzte hinter dem Tisch wie ein ungehobelter Lehnsherr. Seine Füße lagen auf dem Tisch und an seinen Stiefeln glänzten dicke goldene Schnallen. Er war eine Lichtgestalt in dieser schmutzigen, muffigen Taverne. Als er lachte offenbarte sich dabei ein Mund voller weißer Zähne, hingegen kaum einer seiner Männer noch im Vollbesitz seiner Kauleiste war und weiß war an denen rein gar nichts.

Mit den Fingern trommelte er leicht auf seine Knie und hier schimmerte der Ursprung seines Spitznamens: Goldfinger.

Denn die Finger waren über und über besetzt von Goldringen, sodass sie beim Trommeln klimperten.

„Woher hast du das Gold?“ fragte er und seine Worte kratzen. Er sprach die Handelssprache der Königreiche des östlichen Kontinents. Doch seine Muttersprache war zweifellos eine der vielen aus den Wüsten. Er rollte das ‚R‘ und das ‚H‘ klang hart.

Sie schluckte. Er war es. Der echte Goldfinger. Eine lebende Legende. Seine Taten wurden Kindern als Abenteuergeschichten erzählt und junge Männer die als Abenteurer das Glück suchten, eiferten ihm nach. Als Freibeuter hatte er bereits bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr eine eigene Flotte aufgebaut und im Süden des Königreiches nannte er eine Inselgruppe sein Lehen. Ein Geschenk das ihm der König überließ nachdem Goldfinger ihm einen Gefallen tat. Doch Goldfinger blieb ein Freibeuter und es war ein offenes Geheimnis das seine Inseln die Hochburg von Piraten und Schmugglern der gesamten Welt war. Doch im Vergleich zu anderen Lehnsherren zahlte er eine beträchtlich hohe Summe an das Königshaus und der Drachenstrom war frei von jeglicher Piraterie. Keiner raubte in Goldfingers Revier. Er besaß Charme und ein feines Gespür für die richtigen Verbündeten.

Die Geschichten die sich über ihn erzählt wurden, mochte er selbst verbreitet haben, doch nebst den Adeligen war er ein einflussreicher und mächtiger Mann.

Und ihr Plan unausgereift.

Sein Anblick desillusionierte sie und sie ahnte das sie einen gewaltigen Fehler gemacht hatte.

Sie schluckte ihre Angst herunter und raunte: „Erarbeitet.“

Er strahlte und seine dunklen Augen blitzen.

Goldfinger schnippte mit den beringten Fingern. Sie hörte Stühlerücken und zwei Kerle tauchten an ihrer Seite auf. Einer ziemlich fett und vernarbt, der andere kräftig gebaut mit schwarzen Schatten unter den Augen.

Sie packten ihre Oberarme und zerrten sie mit einem Ruck aus dem Stuhl in die Höhe. Der Stuhl fiel um und kullerte unter den Holztisch. Der Griff der Beiden schraubte sich zangenartig um ihre Arme und sie konnte sich des Drucks nicht erwehren. Sie hatte seit Tagen nichts mehr gegessen und fühlte sich schwach. Mit den Fußspitzen kämpfte sie nach Halt auf dem staubigen Tavernenboden, um den Druck an ihren Armen zu erleichtern.

Goldfinger indes sagte nichts. Er griff nach einer Tonflasche und entkorkte sie mit seinen Zähnen. Anschließend goss er seinen Humpen voll und trank einen Schluck. Er schwang seine Beine vom Tisch und stellte den Tonkrug ab.

„Ich kann Lügen nicht ausstehen.“ Knurrte er und sie spürte wie der Griff der Männer fester wurde. Er nahm die Münze in die Finger und hielt sie empor sodass das Licht einer Kerze an der Wand sie näher beleuchtete. Sie war grob mit einer Ziffer und einem Gesicht geprägt. „Das ist das Gesicht des alten Königs von Donnerfels. Seit sieben Jahren gibt es eine andere Währung in Donnerfels. Diese Münzen nutzen Patrioten die auf die Rückkehr des alten Königshauses hoffen. Wie kommt eine Hure wie du an so eine Münze? Damit bezahlt ein Mann nicht.“

Goldfinger ließ die Münze über seine Finger gleiten und an jedem Ring klimperte sie auf dem Metall. Seine dunklen Augen waren prüfend auf ihre Gestalt geheftet.

„Ich habe sie nicht gestohlen.“ Presste sie angestrengt hervor.

Goldfinger runzelte die Stirn und wedelte mit der Hand. Die Männer ließen sie los. Als sie auf dem Boden aufkam gaben ihre Knöchel nach und sie landete im Staub der Taverne. Sie stemmte ihre Hände in den Dreck und schob sich langsam auf die Knie. Ihr gesamter Laib zitterte. Die Männer standen weiterhin neben ihr und warfen ihr gierige Blicke zu. Als sie zu ihnen blickte leckte sich einer über die rissigen Lippen. „Ich habe sie aufbewahrt.“ Fügte sie leise hinzu und konnte sich des ängstlichen Schauderns nicht mehr erwehren.

Goldfinger blickte wieder zu ihr. Seine dunklen Augen fassten die ihre ins Visier und er hielt den Augenkontakt lange aufrecht. Lange genug, das sie mehrfach blinzelte und schluckte. Letztendlich glitt seine Hand über sein Kinn und er nickte den Männern zu. Die sich zögernd entfernten.

Sie warf ihnen einen kurzen Blick nach.

„Ich mache dir einen Vorschlag.“ Er füllte ihren Humpen mit Met und stellte diesen auf den freien Platz neben sich. „Du setzt dich und beginnst von vorn.“

Sie sah sich erneut um. Die krumme Holztür der Taverne wurden von zwei Tafeln flankiert an welchen Goldfingers Männer saßen. Auf den Tischen lagen Schwerter, Dolche und Säbel. Ihre Blicke huschten immer wieder zu ihnen herüber. Sie nickte und ging langsam und zitternd auf den ihr angebotenen Platz neben ihm.

„Musik!“ bellte er und einer der Männer zog eine Geige hervor und begann ein heiteres Lied zu spielen. Die Anspannung löste sich in Heiterkeit auf und niemand schenkte ihnen länger Beachtung.

„Trink, das ölt die Kehle.“ Er schob den Becher vor ihre Nase. Sie griff danach und trank einen Schluck. Wie seidenes Gold rann der Met ihre Kehle hinab. Ihre Gedanken kreisten. Sie fühlte sich als bewegte sie sich auf dünnem, brechendem Eis.

Sie spürte die Erschöpfung, die ihre Arme und Beine bleiern werden ließen, als die Wärme der Taverne und des Mets sie die Kälte ihrer klammen Kleidung vergessen ließen. Die Erschöpfung legte sich wie eine Decke um ihren Verstand und sie mahnte sich zur Vorsicht und Konzentration.

„Eine lockere Zunge ist tödlich. Ich hätte euch nicht behelligen dürfen. Es heißt Goldfinger weist keine Magd zurück.“ sagte sie und Goldfinger gluckste.

„Das kommt darauf an, wie sie mich für meine Hilfe entlohnt. Sieh dich an, in Lumpen, schmutzig. Eine Bettlerin. Ich bin ein Geschäftsmann und du stinkst nach Verlust.“

Er seufzte und griff nach seinem Humpen. Goldfinger mochte über den Drachenstrom herrschen, doch er war auch ein Freibeuter der Meere und obgleich Piraten der Meere ihr Berufsstand anzusehen war, schien Goldfinger den Klischees zu trotzen. Dieser Mann achtete auf sich, seine Erscheinung mehr als auf seine Männer. Als sie den Blick über die abgerissenen Männer schweifen ließ, gestand sie sich ein, das diese Männer wohl auch Söldner oder Banditen hätten sein können. Goldfinger heuerte sicherlich an, wer für ihn arbeiten wollte und wenn er Männer verlor, so besorgte er sich neue. So hielt er es wohl auch mit den Frauen.

„Du bist aus Donnerfels, oder Mädchen? Der Stadt meine ich. Du sprichst den schroffen Dialekt, der den Bürgern der Hauptstadt gemein ist.“

Sie lächelte. „In Riam trefft ihr wohl selten auf Huren aus Donnerfels? Zweifellos kennt ihr die gesamte Vielfalt des Königreichs.“ Ihre Worte purzelten über ihre gerissenen Lippen und ihr Herz hielt für einen Augenblick still, als ihr klar wurde, das sie den Mann, der ihr Leben in den Händen hielt, beleidigt hatte.

Doch Goldfinger lachte schallend auf.

„Was für eine bissige Zunge. So wie du sprichst, Mädchen, sprechen Huren nicht. Nicht einmal jene aus Donnerfels!“

Sie atmete auf. Wenn sie ihn nicht bei Laune heilt, war es um sie geschehen. Sie beschloss daher seinem Drang zu plaudern nachzugeben und dabei herauszufinden, was er bereits über sie zu wissen glaubte.

Seine dunklen Augen fassten die ihren und er beugte sich zu ihr. Das Licht der Kerzen funkelte in seinen goldenen Ohrringen und einige Strähnen glitten hinter seinen Ohren hervor und fielen ihm ins Gesicht.

„Wie eine Adelige sprichst du. Als läge dir die Welt zu Füßen.“

Sie schluckte und lächelte zaghaft. Unsicher wich sie ein Stück von ihm zurück. „Sich mit Worten zu verkaufen ist billiger als das eigene Leben in Gold zu wiegen.“ , gab sie wieder und seine Hand glitt unter ihr Kinn. Sie spürte klamme Angst in sich aufwallen und das Verlangen den Tisch umzureißen und davon zu rennen. Doch wenn sie diesen Mann nicht von sich überzeugte, dann gab es keinen Ort an den sie fliehen konnte.

Er hob ihr Gesicht an und seine dunklen Augen huschten über die ihren, ihre Stirn und Wangenknochen. Sein Lächeln erstarb und mit seiner zweiten Hand hob er die zotteligen Strähnen, die teils ihre Augen verdeckten, hoch. Mit dem Daumen wischte er etwas Dreck von ihrem Kinn. Sie verharrten einen Moment, der sich für sie wie eine Ewigkeit zog, in welcher die Angst und Panik mit ihrem Verstand rangen. Plötzlich weiteten sich Goldfingers Augen entsetzt und die markanten Augenbrauen zogen sich über seine Stirn zusammen. Schmerzerfüllt wisperte er: „Prinzessin.“

Seine herrische Stimme klang weich, mitleidig und das gehauchte Wort schlug in ihrem Bauch ein, wie ein Faustschlag. Das Gefühl enttarnt worden zu sein und gleichzeitig mit einem Wort, ihrer Herkunft erinnert und doch zerschmettert, raubte ihr den Atem. Ein schwerer, dicker Kloß wuchs in ihrem Hals an, als sie sich zitternd losriss.

Sie wollte davon rennen und doch klammerte sie sich an die Bank auf der sie saß und schluckte und schluckte, bis der Kloß in ihrem Hals schrumpfte.

Goldfinger griff nach seinem Humpen, strich mit den Fingern über seinen Bart und blickte in die Taverne, ohne in die Taverne zu blicken. Er trank einige Schlucke und angespannte Minuten des Schweigens verstrichen.

„Eure Augen. Ich habe euch nicht gleich erkannt. Die augen des Königshauses sind von sattem Gold und Eure sind von dunklem Rot.“

„Ich trage keine Krone mehr. Lasst die förmliche Rede sein.” murmelte sie. Den Kopf wandte sie von ihm. Sie war sich gewiss, weitere Enttäuschung nicht ertragen zu können.

Goldfinger seufzte. “Mein rüdes Benehmen tut mir Leid.”

“Pff.” stieß sie aus und sah ihn wieder an, das Gesicht in Bitterkeit verzogen. “Das Königshaus ist tot, lang lebe der König. Die Blutlinie ist versiegt. Ich bin nicht mehr, als die Lumpen am Leib. Belasst es dabei. Wenn Euch so viel an meinen alten Titeln liegt, dann bringt mich fort von hier. Raus aus Donnerfels.”

Goldfinger antwortete nicht sofort. Er trank aus seinem Humpen und blickte grübelnd in die Taverne. Am Tresen schenkte eine füllige Magd einigen seiner Männer nach und schlug mit der flachen Hand auf die Finger eines Halunken, der nach ihrer Oberweite greifen wollte.

Ein dürrer Barde tanzte mit seiner Violine über die Tische, bejohlt und besungen von einigen zahnlosen Freibeutern, Mancher hatte Tücher um den Kopf geschlungen, ein anderer stieß ein Holzauge in einen Humpen voller Wasser, welches überschwappte. Das Auge schwamm unheilvoll an der Oberfläche.

“Was haltet ihr davon, wenn ich euch berichte, wie es um das Königreich bestellt ist?” sagte Goldfinger schließlich und schob die Münze mit dem Gesicht des alten Königs vor sich auf den Tisch. Sie spiegelte das Kerzenlicht und das markante Profil des alten Königs hob sich deutlich ab.

“Als Rauch über der Feste Donnerfels aufstieg und weithin sichtbar die umliegenden Königreiche in Alarmbereitschaft versetzte, war es die Kornkammer des Ostens, die mit ihren Truppen als erste aufbrach. Die Belagerung durch die dunkle Armee dauerte Wochen an und die ehrenwerte Felsengarde, die stolze Armee des Königreiches, hatte sich hinter den Mauern der Stadt zurückgezogen.”

Sie schwieg, lehnte sich zurück und bändigte die quälenden Stimmen der Erinnerung. Schreie ertönten dumpf in ihrem Kopf und der Geruch von brennenden Häusern und Blut und brennendem Fleisch kribbelte in ihrer Nase.

“Als die Armee durchbrach, stürmten die Bürger der Stadt dem Feind entgegen. Eine Farce. Der König überzeugte die Bürger der Stadt mit Spitzhaken und Mistgabeln gegen die Ritter zu ziehen.” Goldfinger schüttelte den Kopf und sie schnaubte.

“Es war ein Blutbad der Verzweiflung.” murmelte sie leise und Goldfinger senkte den Blick. “Er hatte die Gabe mit seinen Worten zu überzeugen und trieb somit sein Volk ungeschützt in die Klingen der dunklen Armee.”

“Indes war die goldene Armee von Königin Falla auf dem Vormarsch. Doch als die Armee, angeführt von ihrem Ältesten, die Stadt erreichte, war die Armee verschwunden. Keine Eroberer, keine Insignien oder Wappen. Was blieb, war eine Stadt in Flammen.” Goldfinger hielt inne, trank einen Schluck und strich dann mit seinen Fingern über seinen Bart.

“Die Straßen in Blut getränkt, die Kanäle voller Leichen. Ich kenne die Geschichte bis hierhin.” sagte sie verbittert und schloss die Augen. Mit zusammengezogen Augenbrauen und gerunzelter Stirn schüttelte sie den Kopf und schauderte. “Sie brachen in die Gemächer des Schlosses ein und erschlugen alles was sich ihnen in den Weg stellte. Die Gänsemagd stieß mich in einen verborgenen Gang, der mich aus dem Schloss brachte, ungesehen und ich irrte auf den Straßen der Stadt umher, bis mich eine beherzte Soldatin in die Kanalisation stieß. Ich entkam bevor die goldene Armee eintraf, mit einer Gruppe fliehender Bürger. Ich floh, soweit mich meine Füße trugen. Bis nach Schlummerholz. Der Wald ist alt und ein guter Ort um verborgen zu bleiben.”

Der Freibeuter musterte die schmale Gestalt des Mädchens. Ihre Wangen waren eingefallen. Ihre Augen blutunterlaufen. Sie hatte gehungert. Für eine Adelige war das Leben im Wald ein hartes Brot.

“Ihr habt im Wald gelebt.” murmelte er und stieß einen Laut der Verwunderung aus, “Sieben Jahre im Wald.”

“Ich bin an jenem Tag gestorben und etwas Dunkles ist in mir erwacht. Ich trage etwas in mir, was mir mein Geburtsrecht genommen hat. Ich habe sehr gute Gründe dafür, Donnerfels zu verlassen. Haltet euer Urteil zurück, Goldfinger.”

Goldfinger gluckste. Hielt die Luft an, blinzelte, schüttelte den Kopf und lachte schließlich laut auf. Mit der flachen Hand schlug er auf die Tischplatte, das die leeren Tonflaschen klirrten und Holzteller erzitterten.

“Verzeiht, Hoheit! Ihr redet den gleichen hanebüchenen Blödsinn den diese dummen Fischer quatschen. Die verfluchte Prinzessin. Glaubt ihr diesen Schwachsinn? Ist euch das als Ausrede recht, eurem Land den Rücken zu kehren?”

Sie sah ihn an. Seine dunklen Augen funkelten und sein Gesicht wirkte erheitert und gelöst. Mit einer Hand bändigte er seine losen Strähnen im Gesicht und strich sie über den Hinterkopf. Eine goldene Kette glitt in den weiten Ausschnitt seines roten Hemdes.

Sie erinnerte sich an ihn.

Das Königreich bestand aus Lehen, deren Lehnsherren der Krone die Treue schworen. Im Süden, nahe den Wüsten und Steppen, wo ein mediterranes Klima herrschte, lag des Lehen der südlichen Inseln. Keinem war es je gelungen das eigenwillige Volk der Inseln zu regieren, mit Ausnahme von Goldfinger. Er errichtete im Süden einen Freistaat der Piraterie und das Volk gehorchte ihm. Er wurde ihr Richter, ihr Kapitän, ihr Lehnsherr. Konkurrenz schaltete er gnadenlos aus, sodass er zum Herrn der Freibeuter der Gewässer des Königreiches wurde.

Der König von Donnerfels ließ ihn lange Zeit gewähren, bis Goldfinger eine eigene Flotte aufgebaut und das gesamte südliche Lehen unter seine Kontrolle gebracht hatte.

Dann lud er den Piraten auf sein Schloss ein. Es war ein Treffen unter vier Augen, über das die Donnerfelser auch Jahre danach spotteten und rätselten. Der König ernannte ihn anschließend offiziell zum Lehnsherren der Inseln und gewährte ihm einen Freibeuterfreibrief über die Gewässer Donnerfels’. Es war ein strategischer Schachzug. Mit einem Schlag hatte der König die Gehorsamkeit des störrisches Südvolkes zurückgewonnen und hatte die Piraterie in seinem Land gelöst.

Seitdem war Goldfinger sein treuester Lehnsherr. Die Lehnsherren trugen zumeist ihre Insignien und wenn sie den König aufsuchten, so waren sie in edle Gewänder gekleidet und strahlten ihre Adeligkeit mit jeder Naht aus. Doch Goldfinger trug weder Insignie noch edles Gewand. Er schmückte sich mit Gold und kleidete sich mit roten Stoffen. Eine satte rote Kleidung war selbst unter Adeligen ein prunkvolles Stück. Die Farbe wurde in einem zähen Prozess gewonnen und kein einfacher Bürger mochte in seinem Leben jemals ein rot gefärbtes Hemd tragen. Wenngleich Goldfinger mit Farben und Schmuck seinen Reichtum präsentierte, trug er dennoch offene Hemden, die seinen Oberkörper entblößten, Haremshosen und Pluderhosen, breitkrempige Stiefel und Lederriemen für seine Waffen. Kein anderer Lehnsherr trat so vor den König.

Er stach heraus. Sein Dialekt, sein charmantes, gewinnbringendes Auftreten, seine unadelige Erscheinung. Obgleich keiner die Entscheidung des Königs hinterfragte, da sie ohne jeden Zweifel zwei Probleme im Reich löste, hinter vorgehaltener Hand tuschelte alle Adeligen über ihn und die Adelsfrauen schwärmten von ihm. Er war gutaussehend, gepflegt und sein Dialekt rundete seine einnehmende Erscheinung ab.

Sie seufzte. Es war lange her, seit sie ihm im Schloss begegnet war. Sie hatte gehofft, das er sie nicht erkennen würde. Seine Treue zur Krone verbesserte ihre Lage nur geringfügig. Sie war sich sicher, das es ihre Lage womöglich verschlechterte. Denn sein Patriotismus mochte ihrem Wunsch nach Flucht widerstreben.

„Wie dem auch sei. Nachdem also die goldene Armee in Donnerfels eintraf, erkannte Evelias von den Weiden, der älteste Sohn von Königin Falla, das dies nicht mit rechten Dingen zu ging und er lud einen Vertreter der Magierloge und der Orden ins Königreich.

Die Stadt war in einem verheerenden Zustand. Die verwesenden Leichen drohten Krankheit und weiteren Tod über die Bürger zu bringen.“ Goldfinger lehnte sich zurück und legte einen Arm auf die Fensterbank in seinem Rücken. Er fläzte noch mehr als zuvor. „Der Logenmagier und die Orden stellten den Tod der gesamten Königsfamilie fest, doch über ihre Untersuchungen zu den Eroberungen wurde nichts bekannt. Danach übernahm Evelias den Thron als Thronhüter. Immer wieder, in all diesen Jahren, erzählt sich das Volk Geschichten darüber das die Prinzessin entkommen sei und das sie verflucht sei. Das sie über ihr Volk wache und jene, die ihr Volk bedrohen durch ihren Fluch verschlänge. Ich persönlich halte nichts von diesem Geplapper.“ Er hielt inne und trank einen Schluck. Seine Augen huschten zu ihr, doch sie schwieg und widmete sich selbst ihrem Humpen.

„Der neue König, oder Thronhüter versteckt sich hinter den Mauern der Stadt. Der König empfing früher die Lehnsherren. Er bereiste die Lehen. Nichts davon geschieht seit dem.

Die Kronen des östlichen Kontinents haben in den Versammlungen einer neuen Krone für Donnerfels nicht zugestimmt. Sie alle erheben Anspruch auf das Land und werden sich seit sieben Jahren nicht einig. Aufgrund der zwergischen Abstammung der Königsfamilie, hatte das Volk ebenso Hoffnung, das die Zwerge zurückkämen und den Thron übernähmen. Ich bezweifle das dies eine bessere Wahl ist, als durch eine der anderen Kronen übernommen zu werden.“

Sie strich einige lockige Strähnen hinter ihr Ohr und lauschte angespannt. Als Goldfinger inne hielt räusperte sie sich. „Das klingt nach Krieg.“ Sagte sie und Goldfinger nickte.

„Die Lehnsherren sind außer sich. Es gibt unter ihnen genug, die den Platz auf dem Thron sofort einnähmen, aber auch genug, die dem bisherigen Königshaus die Treue halten. Dieses Königreich pflegt Traditionen.“

„Die Blutlinie Donnerfels, begründet vom ersten Zwergenkönig Durindar von Donnerfels, ist versiegt. Sollte dies jemals geschehen, so haben die Zwerge Anspruch auf den Thron.“ Sie seufzte und blickte nachdenklich in ihrem Humpen, während sie diesen in der Hand leicht schwenkte. „Über die Jahrhunderte hinweg hat sich diese Blutlinie in der Welt verteilt. Gäbe es jemanden, dem wirklich etwas an der Tradition läge, so hätte schon längst ein Donnerfels den Thron übernommen.“

„Wenn dieses Märchen nicht wäre. Die Lehnsherren sind zerstritten. Wenn es nach meiner ginge, so bliebe ein Donnerfels auf dem Thron, einer der würdig ist. Stattdessen herrscht Uneinigkeit. In den letzten Jahren hat Evelias den Handel eingeschränkt, die Steuern erhöht und er verbleibt in der Stadt. Er bereist weder die Lehen, noch lässt er die Lehnsherren in die Stadt. Einigen ist nach Widerstand zu Mute.“

„Scheisse.“ Fluchte sie und Goldfinger blickte sie überrascht an. Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist große Scheisse. Entweder werden die Kronen einen Krieg beginnen oder die Lehnsherren beginnen einen Bürgerkrieg. Wie angespannt ist die Lage bereits?“

„Mit jedem Tag schlimmer. Es findet vorerst kein weiteres Treffen der Lehen statt. Und zusätzlich sind in Orsin vor einigen Wochen Menschenhändler aufgetaucht. Ihr schwarzes Schiff ankert im Meer vor der Stadt, doch nahezu täglich verschwinden Menschen. König Evelias hat nun die Häfen geschlossen, kein Schiff wird in den nächsten Wochen Donnerfels verlassen oder in Donnerfels anlegen. Seit einer Woche liegt mein Schiff hier in Riam und es sieht nicht danach aus, als würde sich das ändern. Ihr seht, selbst wenn ich wollte, könnte ich euch nicht über die Grenze bringen.“

„Scheisse.“ Fluchte sie erneut und schlug mit ihrer Faust auf den Holztisch, Das Leinenhemd verrutschte und Goldfinger sah, das ihre Leinenverbände sogar ihren Unterarm bedeckten und dennoch waren die Arme schmal und dürr. „Es den Orden und der Loge zu überlassen, wer hinter dem Angriff steckt und sich dann über Jahre zu zerfleischen, wer die Krone bekommt, ist typisch für jeden adeligen Stiefellecker. Sie scheren sich nicht um das Volk, scheren sich nicht um die Last, die auf der Krone ruht. Wie sagt Ihr? Dieses Königreich pflegt Traditionen. Manche sind starrköpfig, veraltet und manche von enormer Bedeutung. Wenn nicht einmal die Lehnsherren dies achten, dann sind sie die Krone nicht wert.“

Ein breites Lächeln erhellte Goldfingers Gesicht. Er hob den Arm, der im Fenster ruhte und winkte die Schankmagd heran. Er bestellte ein reiches deftiges Mahl und allein der Klang der Leckereien ließ ihren Magen knurren. Beschämt legte sie eine Hand auf ihren Bauch und drehte den Kopf weg, als ihre Wangen warm wurden.

„Trinken und essen und reden wir.“ Sagte Goldfinger schließlich an sie gewandt und schenkte reichlich nach.


In Donnerfels Westen erhob sich an der Küste die Stadt der Akademien, Orsin. Die weiße Stadt gehörte zu der prächtigsten und berühmtesten weltweit. Ihr günstige Lage am Fluss und am Meer sorgten für Reichtum und blühenden Handel. Am Hafen landeten Seefahrer aus fernen Küsten und die Flussschiffer Donnerfels. Neben wendigen für den Fluss geeigneten Booten ragten gewaltige Vier und Fünf Master über dem Hafen auf.

Die ganze Welt schien auf den zwergischen Pflastern zu treten. Neben Menschen auch allerlei Kinder des alten Volkes, Zwerge, Elfen, Halbblüter.

Mit spitzen Türmen und eigenen Mauern grenzten sich die Akademien der Magier ab. Doch ihre Studenten stolzierten in feinen Roben durch die Straßen. Auf den Märkten wurden zahlreiche bunte Waren angeboten. Früchte und Stoffe aus fernen Ländern. Gewürze so intensiv und wohlriechend das ihr Duft den gesamten Markt erfüllte. Abseits eines solchen belebten Marktes befand sich die Lotusblüte. Eine Teestube mit kleinen Tischen und Kissen statt Stühlen. Ein würzig süßlicher Geruch umwehte die kleine Stube. Auf den Tischen standen kleine Gefäße aus denen es dampfte.

Rias kreuzte die Beine im Schneidersitz und nahm sein töpfernes Schälchen neugierig in die Hand. Er schnupperte am pastellfarbenen Inhalt. Es roch nach Blüten, nach Wüste und Wärme. Verdutzt hielt er die Schale von sich.

Sein Gegenüber lachte. Der Magier trug dunkle purpurne Roben und hatte schelmische Gesichtszüge. Seine grauen Haare trug er glatt mit einem geraden Mittelscheitel, umrahmten sie das feine Gesicht mit stahlgrauen Augen.

„Trink nur. Das ist nicht so benebelnd wie Bier oder Wein, aber es schmeckt hervorragend!“

Rias runzelte die Stirn, trank jedoch einen Schluck. Etwas vergleichbares hatte er noch nie getrunken. Der Geschmack war herb, warm und seidig zu gleich. Der Geruch verwandelte sich in einen unbeschreiblichen Geschmack. Überrascht nahm er einen zweiten Schluck.

„Sieh nur, du wirst zu einem Teetrinker.“

„Du sagtest Tee, heißt das?“ fragte der Weißhaarige und stellte das Schälchen auf den kleinen Tisch.

„So ist es. Ich dachte mir das es dir gefällt. Nun, du kamst aber nicht deswegen her.” Der Magier grinste schief und Rias nickte.

„Dank dir konnte ich die Grenze passieren. Ich wusste nicht das du derzeit in Donnerfels bist, Xaravas. Herr der Raben. Das du jetzt in hier lebst überrascht mich. Insbesondere da die Loge nach einem Gerücht sucht. Bist du etwa deshalb hier?“

Xaravas grinste. „Eine verschwundene Prinzessin und ein Gerücht dazu. Damit vergeude ich keine Zeit. “ Er kraulte ein schwarzes Federbündel an seiner Seite das verschlafen den großen Rabenkopf aus einem Flügel streckte und mit den dunklen Knopfaugen blinzelte. „Donnerfels ist ein Land mit außergewöhnlicher Geschichte. Die Titanen prägten dieses Königreich. Jeder Magier kommt irgendwann her um das Land zu studieren. Da verwundert es mich nicht, dass der große Rias hier herreist. Er wird die Stadt sehen wollen, so dachte ich. Aber du suchst nach einem lächerlichen Gerücht, so wie die anderen Narren aus der Loge vor einigen Wochen?“

Rias zuckte mit den Schultern.

„Wie gut das dich jemand über die Grenze brachte, nicht wahr? Was für eine Schmach wäre es, wenn der Logenmagier auf dem Meer festsäße! Zweifellos hält der Stadthalter viel auf mich, mein Wort hat Gewicht. Doch dieses Gerücht... Als ich gestern in Riam war, ein Fischerdorf nur unweit von hier, waren die Bewohner aus dem Häuschen. Sucht Ihr nach der Prinzessin, fragten sie. Alles Idioten.“

Rias schwieg. Er blieb höflich, doch im Grunde konnte er den Herrn der Raben nicht ausstehen. Er war ein Mitglied der Loge und als solches beschränkte er sein Engagement auf das Mindestmaß, das er an Verpflichtungen zu erfüllen hatte. Die Vorteile schöpfte er jedoch aus. Er hatte eine eigene Vorstellung von Moral, die sämtliche Nichtmagische ausschloss. Er betrachtete Nichtmagische mit der gleichen Art, mit der ein Waschweib auf Ratten blickte.

„Was kümmert es dich, ob eine Adelstochter die Eroberung überlebt hat? Ein verwöhntes Töchterchen überlebt dort draußen nicht.“

„Und der Fluch? Ist das nicht euer Gebiet, Xaravas?“

Der Magier rollte mit den Augen. „Der Fluch ja. Zugegeben das habe ich mir angehört. Angeblich sei sie im Bunde mit einer Seele aus den Schatten. Ein rotäugiger Dämon der ihre Kämpfe austrägt. Ich habe diverse Riten und Zauber durchgeführt um herauszufinden ob ein Dämon sein Unwesen in diesem Königreich treibt.“ Er seufzte, „Natürlich nicht. Der derzeitige König ist etwas schwächlich im Vergleich zum Vorherigen. Viele sehnen die Härte des verstorbenen Königs herbei und so erfinden sie Geschichten. Rias, wusstest du das er seine Kinder zur Härte erzog? Nein? Nun das findet man heraus, wenn man eine Weile hier ist. Es gibt Spottlieder die die blauen Flecken der Prinzessin beschreiben. Ein Gespött fürs Volk, das ein König seine Familie misshandelte um sie auf das Regieren vorzubereiten. Das ist das Gemüt der Leute.“

„Also kein Fluch.“

„Was für ein Fluch sollte das sein, ein Fluch der für den Verfluchten agiert? Wo liegt der Fluch? Wenn es ein Dämon wäre dann sähe ich einen Fluch. Ein Geist kann es nicht sein, diese sind nicht in der Lage zu kämpfen. Ein Großteil ist gar zu verwirrt zum Reden.“

Der Weißhaarige hatte das befürchtet. Er grummelte etwas Unverständliches und fuhr mit einer Hand durch seinen Bart. Bis zur Prophezeiung hätte er das genauso gesehen. Selbst sein Freund, Roggvir, sah nach wie vor keine Notwendigkeit darin, der Sache nach zu gehen, tat ihm dennoch den Gefallen die Hallen der Bewahrer nach Prophezeiungen über Donnerfels ab zu suchen. Seher gab es viele doch selten sagten sie genug, dass ihre Weissagungen einer Erwähnung wert wären. Häufig oblag das Gesehene der Interpretation und somit stand am Ende statt einer Weissagung ein Wunsch in den Köpfen der Seher oder der Zuhörer. Rias wusste selbst nicht was es war, welche Unruhe ihn antrieb, diesen seichten Gerüchten nach zu gehen.

„Danke für deine Einschätzung.“ Erwiderte der Weißhaarige und Xaravas lachte.

„Einschätzung? Du höflicher Bastard. Das wusstest du bereits selbst. Du suchst nur Bestätigung zum Zweifeln. Schau nicht so, ich weiß das du schlecht von mir denkst und wenn jemand den man nicht ausstehen kann einen Zweifel bestätigt, so fällt es leichter den Zweifel anzuzweifeln.“

„Du könntest Prediger werden.“

„Wir Magier predigen den lieben, langen Tag.“

„Es sei denn wir hausen in Türmen und lassen uns aushalten"

„Neid steht dir nicht Rias. Such dir ein Stück Land mit einem vermögenden Lehnsherrn und lass dich nieder. Keiner verlangt Heldentaten. Erst recht nicht solche die dir nachgesagt werden.“

„Dir steht Neid gut zu Gesicht.“

„So viel Vergnügen mir unser Tänzchen bereitet, hast du doch nicht etwa vor, länger zu bleiben?“

Rias nippte den verbliebenen Schluck aus der Schale und zuckte mit den Schultern. „Wenn ich hier bin, werde ich wohl einige alte Freunde aufsuchen. So ich ihren Aufenthaltsort ausmachen kann. Du hast Recht mit der Prinzessin. Es wird wohl nichts dran sein.“

Rias stand auf. Seine hünenhafte Gestalt ragte empor und landete in einer Girlande aus bunten Stofffetzen.

„Wenn du mich suchst, sprich mit den Raben, dann finde ich dich.“ Sagte Xaravas und überging höflich, Rias Mühen, die Bänder aus seinem Gesicht zu wischen.

Rias nickte und verließ geduckt die Teestube. Stirnrunzelnd warf er einen letzten Blick zur bunten Inneneinrichtung, ehe er seinen Stab gerade zurrte und die gepflasterten Straßen der Stadt betrat.

 

Goldfinger stellte ihr eine Kammer in der Taverne und tischte ihr reichlich auf. Seit langer Zeit war ihr Bauch gefüllt und sie schlief auf einer mit Stroh gefüllten Matte so gut wie schon lange Zeit nicht mehr. Als sie sich in ihre Kammer zurückzog, verblieb die Angst, das seine Männer sie nachts besuchen würden, doch nichts dergleichen geschah. Ihr Schlaf war so tief und fest, dass sie wohl nicht einmal bemerkt hätte, das sich jemand nähert.

Der Morgen brach bereits an und zaghafte Sonnenstrahlen kämpften sich durch schmutzige Schleier des Fensterglases. Es kroch über ihr schwarzes Haar über ihre Augen und Wangen und unter ihren Augenliedern kreisten die Augäpfel. Ihr Atem beschleunigte sich und ihre Füße und Hände zuckten, als sie plötzlich die Augen aufschlug und ruckartig hochschreckte.

Schwer atmend und panisch riss sie ihre Hände hoch und drehte sie im einfallenden Licht. Die Schwarzen Leinenverbände waren unangetastet. Ihre Gesichtszüge entspannten sich. Sie rieb die Hände aneinander und blickte sich um. Die Kammer war schmal, gerade ihre Strohmatte samt eines Schemels und einer Schüssel am Boden passte hinein. Neben der Matte war gerade mal genug Platz für einen schmalen Gang.

Plötzlich öffnete sich die Tür, langsam und vorsichtig, fast lautlos. Sie hielt den Atem an und ihr Herz schlug schmerzhaft bis zu ihrem Hals, als die Schankmagd auftauchte und sie überrascht anblinzelte.

„Ach Liebes, du bist wach? Die Männer sind wohl zu laut hm?“

Sie atmete tief durch.

Tatsächlich drangen die Stimmen aus der Taverne unter ihr, allzu deutlich durch die Holzplanken, doch ihre Erschöpfung war Schlafmittel genug, bis zu ihrem abruptem Erwachen.

„Ich habe ein Bad für dich vorbereitet. Wenn du möchtest?“ Die Magd lächelte und auch ihr fehlte der ein oder andere Zahn.

Sie erwiderte das Lächeln dankbar. Ein Bad. Ein richtiges Bad. Eilig sprang sie auf und der Magd entgegen. „Nichts ist mir lieber.“


Die Taverne erwies sich als erstaunlich groß. Hinter dem Schankraum lag die Küche, die ehemals ein Stall war, so die Magd. Nichts Unübliches für solche Hütten. Dahinter hatte der Wirt eine weitere Hütte gezimmert. Zwei Räume in welchem er mit der Magd lebte. Der Holzzuber dampfte und es roch nach Blüten. Die Magd half ihr, das Haar zu entwirren und ließ es zu, das sie ihre Bandagen nicht entfernte.

Der Schrecken, die Erschöpfung und das Grauen der letzten Tage wich allmählich von ihr. Sie fühlte sich gestärkt, ausgeschlafen und nach langer Zeit erfrischt. Die Magd hatte ihr von Goldfinger gestellte Kleidung bereit gelegt.

Schwarze Leinen, jedoch neu und fast auf den Leib geschneidert. Stiefel mit hohem Schaft in die ihre Füße sanft hineinglitten und ihr das Gefühl gaben, selbst auf Nägeln laufen zu können.

Die Hose war etwas zu lang, doch sie lag perfekt an. Sie krempelte die Hosenbeine etwas hoch und schnürte die Lederbänder an den Seiten fest. Es war geschmeidig und an keiner Stelle brüchig. Sogar das Leder war neu. So perfekt wie die Hose anlag, konnte sie darüber noch Beinkleider tragen, sollte es erforderlich werden. Sie drehte sich und streckte sich. Es waren Kleider die für den Kampf geschaffen waren. Kleider wie sie Jäger trugen oder Diebe. Sie schob das Leinenhemd in den Hosenbund und griff anschließend nach den ledernen Stücken. Als sie diese auffaltete, bemerkte sie, das Goldfinger ihr eine Lederrüstung bringen ließ. Keine vollständige, doch für ihre Zwecke genug. Darunter Lederplatten für die Schultern, die sich ineinander verschoben, wenn sie die Arme anhob und ein Waffenrock aus schwarzem Leder. Die Arme frei, die Form weiblich. Er wurde vom Schlüsselbein bis zum Bauchnabel geschnürt und mündete in einer Art Rock aus Lederstücken, die über ihre Hüfte fielen bis zur Hälfte ihrer Oberschenkel. Sie beugte sich und streckte sich in dem Waffenrock und bemerkte die feine und durchdachte Verarbeitung. An all jenen Körperstellen, wo das Leder ihre Bewegungsfreiheit einschränken könnte, hatte der Handwerker mit einer Art Lederschuppen und einem dehnbaren Stoff gearbeitet. Sie bewegte sich völlig frei und uneingeschränkt.

Mit einem breiten Lächeln zupfte sie die Kapuze des Leinenhemdes heraus und zog schwarze, schnürbare halbe Lederhandschuhe bis zu ihrem Ellenbogen empor, die sie mit ihren Fingern und Zähnen zurecht zurrte.

Neu eingekleidet folgte sie der Magd in die Taverne.

Goldfinger lehnte am Tresen und verpasste einem abgerissenen Freibeuter einen Schlag auf den Kopf, worauf dieser sich unterwürfig den Kopf rief, entschuldigend drein blickte und langsam vom Tresen entfernte.

Goldfinger schüttelte den Kopf und wandte sich dem Tresen zu als sein Blick auf sie fiel.

Er lächelte. „Das sieht doch anders aus, nicht wahr?“ sagte er und sie erwiderte sein Lächeln.

„Ich weiß nicht wie ich euch das vergüten sollte.“

Goldfinger winkte mit den Fingern und sie folgte seiner Geste, breitete die Arme aus und drehte sich unter den musternden Blicken des Piraten.

„Hmmm, fast, meine Liebe, fast. Ihr erlaubt?“ fragte er und griff, ohne eine Antwort abzuwarten nach den Verschnürungen des Waffenrocks. Gezielt zog er mit Zwei Fingern die Lederbänder lose und mit der anderen fest.

„Ihr werdet feststellen, richtig festgezogen, sitzt die Kleidung wie eine zweite Haut.“ Murmelte er.

Überrumpelt ließ sie ihn gewähren. Sie hob die Arme an und mühte sich bei jedem Festzurren sich auf ihren Füßen zu Halten.

Die Magd beobachtete sie schmunzelnd und stieß dem Wirt in die Seite.

„Wo habt ihr die her?“ fragte sie, als Goldfinger ihr erneut bedeute zu drehen und die andere Seite des Waffenrockes nach zurrte.

„Ich hatte vor diese einer Elfe zu schenken, die mein Schiff vor einiger Zeit verlassen hat. Sie wurden von Elldruin gefertigt. Ein Jäger aus Orsin, Er weiß welche Ansprüche ein Jäger an seine Rüstung stellt. Die Schnallen können noch ein wenig fester gezogen werden. Mit der Zeit kommt das Gefühl für diese Art von Rüstung. Im Schloss bestand keine Notwendigkeit dafür.“

Er ging einen Schritt zurück und begutachtete sie, als sie die Schnallen des Waffenrocks vor ihrer Brust und ihrem Bauch fester anlegte.

„Es liegt perfekt an.“ Sagte sie begeistert und beugte sich vornüber und richtete sich wieder auf. „Es fühlt sich an, als sei es eine steife Rüstung, aber es passt sich an. Wundervoll.“

Goldfinger nickte und hob ihre Arme an. „Es wird Pfeile abwenden können, sofern ihren Schüssen nicht zu viel Kraft innewohnt, manche Klinge wird abrutschen, aber ein kräftiger Stoß dringt durch.“ Er zog ihren Arm in die Waagerechte und zurrte die ledernen Handschuhe fester. Die Hände waren aus weichem seidigen Leder gefertigt. An Zeigefinger und Ringfinger reichte das Leder bis über dem zweiten Fingerglied, an den anderen gerade bis über den ersten. Hinter den Handgelenken hatte der Handwerker steifes, festes Leder verarbeitet. Sie konnte, ohne sich die Finger einzuschneiden, einen Bogen spannen, aber schnelle Schwerthiebe mit dem Unterarm abwehren.

Nachdem er beide Arme fester geschnürt hatte, schlug er in die Hände.

„Gerüstet und gekleidet. So wird euch keiner so leicht erwischen, fehlt nur noch eines.“ Er drehte sich zum Tresen um und nahm ein kleines Bündel. Als er daran zog erkannte sie darin ein aus Leder gefertigten Waffengürtel, daran kleine feste Taschen und ein Dolch. „Künftig-“ begann er und schlang den Gürtel um ihre Hüfte, „Solltet ihr euch verteidigen können.“ Und zog den Gürtel fest. Sie blickten sich in die Augen. „Steht euch gut.“

„Ich kann euch kein Gold dafür geben, Goldfinger, ich-“

Doch er lachte. Seine Ohrringe klimperten als er den Kopf in den Nacken warf.

„Bleibt am Leben, dann ist die Schuld bezahlt.“

Daraufhin bestellte er reichlich beim Wirt und der Magd und bedeutete ihr sich an den Tisch vom Vorabend zu setzen. Mit einer Flasche Met setze er sich dazu.

„Nun zum Geschäftlichen.“

„Alles hat einen Preis.“ Murmelte sie und Goldfinger entkorkte die Flasche.

„Wie ich euch sagte, ich kann euch nicht von hier fortbringen und ...“ er zögerte, sah sie durch dringlich an, „…Ich will es auch nicht. Was euch auch so verschreckt hat, das ihr das Exil sucht, eure Verantwortung bindet Euch.“

Sie seufzte. „Ich bin keine Närrin. Es beunruhigt mich, was ihr mir erzählt habt. Alles in mir sträubt sich, möchte auf euer Schiff steigen und diesem Königreich den Rücken kehren, aber meine Beine sind schwer wie Stein, bei dem Gedanken daran. Ich gehe erst, wenn ich mir sicher bin, das Donnerfels sicher ist. Es ist mehr als der Streit von Königen und Lehnsherren. Ob Evelias den Thron übernimmt oder ein Zwerg von unter den Bergen. Völlig gleich. Doch etwas Anderes hält mich hier. Der Träger der steinernen Krone trägt eine große Verantwortung gegenüber dem Königreich, dem Kontinent, Aether selbst. Ich muss dafür sorgen, das der Frieden um diese Verantwortung willens, gewahrt bleibt. Ihr seht nachdenklich aus. Manches ist Tradition innerhalb des Königsblutes geblieben, um … ähm… keine unnötige Unruhe auszulösen. Glaubt mir, das es wichtig ist, das der nächste Kronenträger, davon erfährt.“

Der Lehnsherr hob skeptisch die Augenbrauen lehnte und lehnte sich zurück.

Die Magd trat an ihrem Tisch, mit einem kräftig, würzig duftenden Leib Brot und frischem, gebratenem Fisch.

Als die Magd ging ergriff Goldfinger das Wort: „Geheimnisse, hm?“

„Mehr als das Goldfinger. Stellt euch vor, das unter der Festung ein Pulverfass ruht, umgeben von unzähmbaren Flammen. Jede Krone hat seit dem ersten Zwergenkönig, Jahr für Jahr, Wasser auf diese unlöschbaren Flammen gegeben. Seit sieben Jahren ist das nicht mehr geschehen. Ich befürchte zumindest das es nicht mehr geschehen ist und bete zu den Göttern, das irgendjemand im Schloss darauf achtete das es geschah.“

„Irgend so ein magischer Quatsch oder was Göttliches?“ fragte er und klang etwas abwertend.

Sie ließ sich nicht beirren. Vorerst war sie sicher. Er war der Krone verschworen. Sie hatte das Gefühl das er sie auf den Thron zurückbringen wollte. Solange sie ihn in diesem Glauben sicher wägte, legte er keine Hand an ihr.

Sie wusste von seinem Pragmatismus. Er ging die Dinge unmittelbar und direkt an und hielt nichts von Glauben oder magischen Ritualen. Mit der Loge der Magie geriet er regelmäßig in Konflikte, da er sich nicht um die Gefahr magischer Artefakte scherte die er erbeutete. Gleichfalls war er kein Anhänger von Religion oder Kirche. In seinen vergangenen Plünderungen machte er vor heiligen Stätten keinen Halt. Er scheute keine Gruselgeschichten, Traditionen oder Aberglaube.

„Es ist mehr als das, es ist etwas Reales.“ Sie seufzte, „Evelias ist im Herzen wie die Ähren seiner Heimat im Wind. Ich zweifle an seinem Durchsetzungsvermögen.“

„Blumige Worte. Ich nenne ihn Weichei.“ murmelte Goldfinger kaum verständlich , doch sie blickte ihn mit gerunzelter Stirn an.

„Was sagt Ihr?“

„Nichts, fahrt nur fort. Das Pulverfass unter dem Schloss.“

„Natürlich. Angenommen die Tradition wurde gepflegt, wer auch immer den Thron übernimmt, wird es nicht tun. Bis hierhin, könnte ein anderer aus dem Schloss es getan haben. Doch sobald der Thron mit einem neuen König besetzt ist, bringt dieser seine Truppen in die Stadt. Die Felsengarde stellt sich dem Thron nicht entgegen. Sieben Jahre.... Ist es denn nicht merkwürdig, das Königin Falla sich den Thron nicht bereits geholt hat.?“

„Nun...“ Goldfinger schluckte das Bissen Brot herunter und klopfte die Krümmel von seinen Händen. „Sie ist das Warten leid. Von all ihren Kindern ist ihr ältester Sohn ihr ein Dorn im Auge. Sie hat ihn sofort mit einer recht kleinen Armee nach Donnerfels geschickt, als sie vom Rauch über der Stadt Bericht vernahm. Die Krönung ihres Ältesten zum König über Donnerfels sichert ihr eine freie Thronfolge über ihr Königreich um ein liebsameres Kind zu ernennen und gleichzeitig bekommt sie ein weiteres Königreich. Soweit ich weiß, will sie die Krönung schon sehr bald vollziehen. Die Patrioten sammeln sich auch bald und an den Grenzen von Donnerfels die Truppen der Kronen.“

„Wann findet die Krönung statt?“

„Es gibt kein offizielles Datum, aber mir ist zu Ohren gekommen, das Königin Falla sich auf die Reise nach Donnerfels begeben hat. Offiziell um nach dem rechten zu sehen und mit den Donnerfelsern in einen Dialog zu treten.“

„Dialog, so ein Blödsinn.“ murmelte sie. Sie legte den Finger an ihr Kinn und dachte nach. So wie es aussah stand Donnerfels kurz vor einem Krieg. Entweder wandten sich die Adeligen gegen ihr Volk oder die Kronen oder beide.

Das Königreich, mit seiner offenen Lage zum Meer, dem Tor in das Gebirgsmassiv Donnerfels, den Reichtümern aus den Bergen, war insbesondere für Ährental ein Gewinn. Die Kornkammer des Ostens blickte auf eine Gesichtete von zerrütten Fürstentümern zurück und war bis dato ohne die Gemeinschaft der Kronen kaum fähig allein zu bestehen. Donnerfels würde Ährental festigen. Sie wusste, das Königin Falla nicht zögern würde.

„Ich kann nicht einfach in die Stadt marschieren und Evelias vorschreiben was er zu tun hat. Nein, ich will es auch nicht....“ murmelte sie.

Goldfinger überließ sie ihren Selbstgesprächen und wartete schweigend, leicht lächelnd ab.

„In meinem Zustand geht das auch nicht. Ein behutsames Vorgehen ist notwendig. Aber die Lehen werden nicht zögern. Sie wissen schon von der Königin...Wenn sie eintrifft.... Ach, Scheiße.“ fluchte sie und stemmte ihre Stirn mit ihren Händen auf der Tischplatte ab. Etwas hoffnungslos stierte sie auf die Maserung der Tischplatte und zischte unverständlich vor sich hin.

„Ich halte nichts von Magischem und von Legenden, Geschichten,-“ sagte Goldfinger vorsichtig und schob ihr einen Humpen Met unter die Nase, „- aber wenn ich Euch zuhöre, so seid auch ihr der Überzeugung, das ganz andere wirkliche Probleme vor den Stadtmauern lauern. Und glaubt mir, es ist in Eurem und meinem Interesse, diese zu lösen. Ich sage, Frieden geht vor. Wenn der Frieden gesichert ist, dann kann immer noch jemand Wasser auf unlöschbare Flammen kippen.“

Sie griff nach dem Humpen und hielt ihn empor, „Verzichten wir auf Titel, denn ich trage eure Kleidung und keine Krone. Nennt mich Malis.“

Er lächelte und stieß freundschaftlich mit seinem Humpen an. Das Holz schlug aneinander und der Met schwappte mit einem Glucksen.

Sie trank einen Schluck und stellte den Humpen ab. „Ich bleibe in Donnerfels.“

„Schön, Malis. Es wird nicht leicht, einen Krieg zu verhindern. Stell dich darauf ein, das du ihn nicht verhindern wirst. Zunächst...“ Goldfinger trank nun gleichfalls, stellte den Humpen ab und senkte seine Stimme, „... halte ich es für das Beste, das du dafür sorgst, das die Suche nach dir endet. Du brauchst keine Aufmerksamkeit. Du brauchst Verbündete.“

„Wie dich.“ sagte sie und lächelte zaghaft. Goldfinger lachte und zwinkerte.

„Ich bin der Krone treu ergeben. In diesem Dorf lauert eine weitere Verbündete. Die wird schwerer zu überzeugen sein. Sie war kein Anhänger deines Vaters.“

„Ich auch nicht, das wird ein Kinderspiel“ erwiderte sie matt lächelnd. Goldfinger hüstelte und vermied höflich einen Kommentar, indem er sich dem reichhaltigen Frühstück vor ihnen widmete.

Sie war eine berühmte Prinzessin, nicht zuletzt, da sie zum Symbol der Härte des Volkes wurde. Da ihre Geschwister aufgrund des Zwergenblutes eingeschränkt waren, beschloss der König das ihnen die Krone verwehrt blieb. Sie verstand nie, weshalb er einen solch großen Wert auf optische Stärke legte.

Über Jahrtausende hinweg kam es vor das Menschen und Kinder Aetherius sich aufeinander einließen und Kinder gebaren. Doch oft starben diese Kinder oder wiesen Missbildungen auf. Bis zur Krönung ihres Vaters kam es auch in der Familie Donnerfels vor, das das Königsblut mit zwergischem 'aufgefrischt' wurde. Ihr Vater ging aus einer Reihe Totgeburten als einzig lebend möglicher Thronfolger hervor und beendete die sture Tradition. Er sah in dem Zwergenblut Gift für seine Kinder und ganz Unrecht hatte er nicht. Abgesehen von möglichen Missbildungen und Beeinträchtigungen konnte aber das Blut der anderen Völker auch andere optische Auffälligkeiten mit sich bringen. In ihrer Familie war es es die Farbe der Augen. Das Wappen Donnerfels war nicht ohne Grund ein goldener zerborstener Stein auf blauem Grund. Der zerborstene Stein als Symbol des Namens Donnerfels. Blauer Grund für das Meer und den Drachenstrom und Gold, aufgrund der Schätze in den Bergen und der Farbe ihrer Augen: sattes Gold.

Sie entsann sich der Ahnengalerie im Schloss. Sämtliche vorhergehende Könige hatten die gleichen stechend goldenen Augen unter einer dunklen Haarpracht.

Nachdem ihr Vater sie zur Thronerbin ernannte, wandelte er sich. Er war der Ansicht, seine Tochter abzuhärten. Doch gehörte er nicht zu den geduldigsten Mentoren. Vor ihrer Ernennung nahm er keine Notiz von ihr, nach ihrer Ernennung, widmete er ihr zu viel Aufmerksamkeit. Fortan zwang er sie jeden Morgen zum Zweikampf mit ihm, um den Umgang mit Schwert und Schild zu lernen. Doch statt sie zu lehren, schlug er erbarmungslos auf sie ein. Er verbarg seine Wut über seine schwachen Kinder, wie er sie nannte, nicht. Auch andere seiner Lektionen mündeten in Blessuren und Knochenbrüche. Auf offiziellen Anlässen war sie nicht vorzeigbar und er ließ eine Magd ihre Rolle spielen, die ihr bis auf das Gesicht, aufs Haar glich. Mit einem Schleier bemerkte keiner den Betrug, außer den Donnerfelsern selbst. Die Dienerschaft trug ihre Geschichte aus den Mauern des Schlosses heraus und so wurde sie zur Prügelprinzessin über die in Tavernen Spottlieder gesungen wurden, welche selbst die Felsengarde überhörte. Das Volk spottete über sie und sie glaubte nicht, das sich etwas daran geändert hatte.

Die Geschichten über die verfluchte Prinzessin und die Hoffnungen dahinter erschienen ihr wie ein Hohn. Nun wo den Bürgern des Königreiches noch mehr Unheil drohte, hofften sie das die Prügelprinzessin sie retten würde.

„Diese Verbündete... ist das die Elfe, für die diese Kleidung gedacht war?“ fragte sie und hoffte, das Goldfinger weiterhin höflich die Erwähnung ihrer Blessuren unterließ.

Der Freibeuter nickte. „So ist es. Sie hat mich in Orsin versetzt und ist stattdessen in Riam geblieben. Wegen ihr kam ich her, doch sie will sich meiner Truppe nicht anschließen. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was sie will. Sie stammt ursprünglich aus der Stadt Donnerfels. Möglich das sie unser Unterfangen deshalb unterstützen wird. Da ist noch etwas anderes, etwas, das du für mich tun kannst.“

Goldfinger lächelte charmant und Malis hob skeptisch die Augenbrauen.

 

In Orsin herrschte ein stetes, reges Treiben. Die Schiffe spülten täglich Fremde in die zahlreichen Anleger und aus den Toren strömten die Bürger des Königreiches.

Seit der Eroberung vor einigen Jahren blühte Orsin auf. Der Handel hatte sich erholt und die Händler und Handwerkszünfte lebten wie die Maden im Speck. Mehr denn je zog es Reisende und Händler nach Donnerfels die sich die unsichere Situation im Königreich zunutze machten. Wenn Krieg drohte, konnten Schmiede und Handwerker ihre Fähigkeiten für gutes Gold anbieten und fanden stets Arbeit.

Der Drachenstrom, der große Fluss, der aus den Donnergebirge im Osten, an der Hauptstadt Donnerfels, entsprang und das Land in Norden und Süden teilte mündete in Orsin ins Meer. Die Reichtümer der Berge wurden mit Schiffen den Strom hinab verschifft und brachten das Gold ins Land. Aus diesem Grund nannten die Donnerfelser den Drachenstrom ‚Das blaue Blut‘.

Blaues Blut bezeichnete für gewöhnlich jene die dem Adelsstand angehörten, da ihre Arme, die selten der Sonne auf den Feldern oder dem Schmutz in den Minen ausgesetzt waren, so hell schienen,dass ihre Blutadern bläulich hindurch schimmerten. Doch betrachteten die Donnerfelser ihren Fluss mit der gleichen, ja nahezu einer größeren Ehrfurcht, als ihre Adeligen.

Was der Fluss hinabspülte und nicht in den Dörfern am Fluss hängenblieb landete in Orsin. Händler, Seefahrer, Abenteurer, Träumer, Handwerker und Magier. So überstand die Stadt seit jeher jeglichen kriegerischen Versuchen und Katastrophen und schien in jeder noch so dunklen Stunde, Profit zu schlagen. Dieser Stolz schlug sich im Antlitz der Stadt nieder.

An den Mauern, auf den Türmen und an den Gebäuden wehten Flaggen und prangten Banner mit dem Emblem Donnerfels'. Ein in der Mitte zersprungener gelber Fels auf dunkelblauem Grund. Die Stadtwachen stolzierten mit den gleichen Farben durch die Gassen und ihre glänzenden Hellebarden blinkten im einfallenden Sonnenlicht. Magier in bunten Roben stapften in Eile an ihm vorbei. Niemand nahm Notiz von Rias. Er schlenderte eine Weile genüsslich die Gassen entlang bis er an einer Taverne hielt. Die Taverne umfasste drei Stockwerke und wirkte zwischen zwei steinernen Gebäuden hineingepresst. Das Fachwerk wölbte sich an mancher Stelle. Die schiefen Fenster standen weit offen und Geplapper und Musik drang daraus hervor.

Gerüstete, schräge und vernarbte Gestalten gingen ein und aus, durch eine weit geöffnete, verzierte Flügeltür. Daneben prangte das Banner einer Vereinigung. Es zeigte ein Schild mit einer weißen Hand.

Diese Gruppe, bestehend aus Abenteurern, Söldnern und Priestern breitete sich zunehmend in der Welt aus und übernahm logistische Aufgaben. Sie verwalteten das Geld ihrer Schützlinge und sorgten gegen einen Obolus dafür,dass im Falle des Todes die Gebeine in die Heimat überführt wurden.

Die weiße Hand band ihre Mitglieder jedoch auch an Regeln und überführte Verbrecher ihrem jeweiligen Heimatort zurück um über sie richten zu lassen.

Rias trat durch die Flügeltür. Eine Gruppe übel zugerichteter grobschlächtiger Männer wichen ihm ehrfürchtig aus. Auch andere im belebten Raum erspähten Rias weißen Schopf und begannen aufgeregt miteinander zu tuscheln.

Die Holzdielen zu seinen Füßen knarrten und die Abenteurer blickten neugierig drein. Das zuvor laute Treiben wurde immer leiser und ehrfürchtiger. Er hörte seinen Namen aus vielen Ecken, gezischt, gewispert.

Im hinteren Teil des, wie eine Taverne gestalteten Raumes, stand ein langer Tresen an welchem eifrige Mitglieder Gold entgegennahmen, ausgaben und auf Schriftrollen alles festhielten. Zwischen diesen stach eine Gestalt hervor. Er trug ein grünes Wams und seidiges schwarzes Haar das locker bis zu den Ohren fiel, die spitz geformt waren. Von seinem linken Auge zog sich eine feine, wellenartig verlaufende Narbe bis über die Lippen zum Kinn. Eine Tätowierung schlängelte sich über seinen Hals, bis zum Haaransatz, mit feinen Linien die Blätter und Verästlungen darstellten.

Als sich ihre Blicke trafen, blitzen seine grünen Augen und er grinste.

Da der Rest vor Angst zurückwich, beschloss Rias mit diesem Halbblut vorlieb zu nehmen.

Er trat an den Schalter und der Halbelf trat zu ihm heran.

„Was kann die weiße Hand für euch tun, Abenteurer?“ Seine Stimme hatte einen starken Akzent. Der Buchstabe ‘R’ rollte in seinen Worten und seine ölige Stimme fand sicherlich bei den Damen Anklang.

Seinem Akzent nach stammte er aus den südlichen Wüsten.

„Ihr seid ein Mitglied der weißen Hand?“

„Nun, mein Herr, ein Spitzohr tut was ein Spitzohr kann. Darendar mein Name, so wie mein Vater hieß, bevor er durchbrannte. Jetzt nenne ich ihn Da-rennt-er. Ich diene der weißen Hand. Was ihr wünscht ist mir Befehl.“ Er verneigte sich förmlich.

„Mein Name ist-wozu die Floskeln, vernehmt meinen Namen aus dem Getuschel.“

Der Halbelf strahlte. „Zweifellos ein ruhmvoller Gast.“

„Darendar…“ Rias strich sich nachdenklich durch den Bart, „Wollt ihr mich verarschen?“

Der Halbelf legte den Kopf schief und lachte schließlich lauthals. „Nur ein Späßchen, alter Freund. Ich musste mir eine neue Beschäftigung suchen, nachdem ihr meinen Ruf beschmutzt habt. Ich arbeite wirklich hier.“

„Mit eurer neuen Frisur und dieser Tätowierung habe ich euch zunächst nicht erkannt, respektlos von mir.“ Stirnrunzelnd kratze Rias sich den Hinterkopf. Sein Zopf mit den geflochtenen, perlenbesetzten Zöpfen klimperte.

„Es war respektloser als, mich aus der Stadt zu jagen, zweifellos fühlte ich mich meinem Vater näher, während ich rannte, doch meine Geschäfte waren ruiniert.“

„Eure Kreuzungen brannten ein Haus nieder. Wie nanntet ihr die Chimäre?“

„Koch-Brat-Huhn. Ein Huhn das seine Eier kochen und braten kann. Nun das es feuerspeiend Amok lief, sah ich nicht voraus. Aber die Fische die ich mit Feenstaub fütterte, leuchteten hell im Fluss. Die Fischer konnten sie besser fangen.“

„So auch, Vögel, Katzen und Raubfische. Ich erinnre mich an den Vogelschwarm der den Fluss beinah leer fischte.“ Rias Mundwinkel zuckten als er sich erinnerte. „Ihr seid ein Spinner. Ich kam her, weil die weiße Hand gut informiert ist.“

Darendar schmunzelte, ihm war Rias Zucken nicht entgangen. „Nach wem sucht ihr?“

„Die verfluchte Prinzessin.“

Augenblicklich kehrte Stille ein. Alle Augen wandten sich Ihnen zu. Rias nahm dies beunruhigt zur Kenntnis und fuhr erneut mit einer Hand durch seinen Bart. „Ich möchte wissen woher das Gerücht kommt.“

„Zweifellos ein schauerliches Gerücht. Eine Prinzessin in Lumpen, begleitet von einem Dämon der andere ermordet. Unheimlich, nicht wahr?“ Darendar lächelte, „Ein hanebüchenes Gerücht, als das es euer Belang wäre. Ich meine die Loge hat sich erst neulich diesen Erzählungen gewidmet. Ist euch auf euren glorreichen Abenteuern sicherlich entgangen? Ist es wahr, das ihr einen Titanen zur Ruhe gebettet habt?“

Rias grunzte und das ehrfürchtige Flüstern wurde durchsetzt von einigen `Oh´s und `Ah´s.

„Ich würde sagen er ist gar nicht erst erwacht, aber davon sprachen wir nicht. Die Loge hört selten auf das, was der kleine Mann berichtet. Also, sagt mir, wie kommt es, dass solche Schmähungen verbreitet werden?“

„Wer spottet nicht über tote Monarchen? Ich bitte euch, Rias. Euer Humor wird euch in der Loge nicht weggehext worden sein. Wenn sie tot sind, wehren sie sich weniger gegen Spott.“

Sollte er seinem Instinkt trauen?

Seit der Prophezeiung schienen alle Zeichen die Seherin Lügen zu strafen. Die wenigen Details die tatsächlich der Wahrheit entsprachen wurden überschattet von Zufällen und unbewiesenen Möglichkeiten.

„Es scheint ja eine heftige Beleidigung zu sein, so etwas einer Prinzessin nach zu sagen.“ Holte Darendar aus und erhob die Stimme, „Die Tote ist in aller Munde. Ganz anders als die toten Banditen nördlich von Riam. Angeblich sei ein Geist über die Narren gefahren. So ein Geist verbirgt sich sicherlich in der ersten Taverne in Riam. Ich hielt die Bauern für bekloppt, so wie der Rest der Abenteurer auch. Aber für Flüche und Getratsche haben sie Ohren.“

Ihre Blicke trafen sich und Rias verstand.

„Ihr wollt sicherlich zur Loge zurück? Das Portal der weißen Hand in unseren Kellerräumen steht besonderen Gästen frei zur Verfügung.“ Darendar zwinkerte, „Empfehlt uns weiter.“



Nach dem üppigen Mahl verließ Malis die Taverne. Goldfinger verblieb vorerst in Riam, bis sie seine Bitte erfüllt hatte. Mit einer Hand zog sie die Kapuze über ihre Schwarzen Locken. Sie glitt bis zu ihren Augenbrauen und warf über ihre Augen einen leichten Schatten. Somit würde die ungewöhnliche Augenfarbe nicht gleich jedem auffallen.

An diesem frühen Morgen herrschte reger Betrieb in dem kleinen Fischerdorf.

Da die große Handelsstraße durch das Dorf führte, polterten bereits große Kutschen durch das offene Tor und wirbelten Staub auf.

Die Fischer waren schon vor dem Sonnenaufgang auf den Fluss hinaus gefahren, doch ihre Frauen standen unweit der Taverne um einen Brunnen versammelt und schöpften Wasser. Am Hafen in der Nähe ertönten Rufe von Frauen die Waren Pfeil boten und den vorbeifahrenden Kutschen hinterherriefen.

Sie näherte sich den Frauen am Brunnen und lehnte sich etwas abseits, aber in Hörweite, an einer der einfachen Hütten.

Die Frauen trugen einfache Kleider aus Leinen, farblos grau und braun mit einer grauen Schürze darüber. An den Füßen Schuhe aus Holz, was ihnen nützlicher war, auf schlammigen Straßen, als Schuhe aus Leder zu tragen.

Manche hatten eine graue Haube auf dem Kopf.

Drei schienen etwas älter zu sein. Sie hatten Falten unter den Augen und aus ihren Hauben linsten graue Strähnen. Unter den drei anderen bemerkte Malis insbesondere eine sehr junge Magd. Sie hatte kupfernes Haar in einem geflochtenen Zopf und hielt in den Armen einen kleinen Zuber. Es war fassartig geformt und Malis hatte solche schon einmal bei Weinbauern gesehen, im Süden des Königreichs. Der Zuber war alt, das Holz farblos und es lugten braune und graue Stoffe daraus hervor. Ihre hellbraunen Augen blickten gelangweilt. Sie hatte helle Haut und braun gesprenkelte Sommersprossen im Gesicht. Sie war wie eine schillernde Blüte in diesem grauen Dorf, mit seinem Staub und seinen alten Holzhütten. Doch noch mehr stach ihr Blick heraus. Die Frauen tuschelten, lästerten und kicherten und jedes Wort der Frauen schien sie zu langweilen.

„Ein feiner Herr, dieser Freibeuter.“ sagte eine der Frauen.

„Ein schmutziger Herr in feinen Gewändern!“ krächzte eine Alte.

„Habt ihr das Rot gesehen? So ein feines Rot, das hat bestimmt viel Gold gekostet.“

„Und sein Schmuck!“

„Gestohlen, eines wie das andere.“ erwiderte die Kupferhaarige und rollte mit den Augen. „Er spricht süße Worte und nimmt sich was er will.“

„Oho, Mathilde. Du hast mit ihm gesprochen?“

„Das schickt sich nicht als Jungfer. Wenn das dein Vater hört!“

„Mein Vater wird euch kaum hören, er ist ständig betrunken und versäuft all das Geld das ich auf dem Markt verdiene. Selbst wenn mich ein Fremder in unserer Hütte nähme, so bezweifle ich, das ihn das interessiert.“ Sie stellte ihren Zuber ab und trat an den Brunnen. Die anderen Frauen wichen vor ihr zurück und tauschten verurteilende Blicke untereinander. „Hört auf Gerda, ein schmutziger Herr ist der rot Gewandete. So wie alle Männer die in dieses stinkende Fischdorf kommen.“

„Du plusterst dich auf wie ein Gockel und bist doch wie wie wir ein einfaches Huhn.“ krähte eine andere Alte und die restlichen Frauen lachten.

„Mag sein, doch irgendwann komme ich hier raus, verlasst euch darauf.“ murmelte die Kupferhaarige und blickte auf. Ihre Augen wanderten zu Malis, die sich bereits abwandte und den Weg zum Hafen einschlug.

Hier wiederum befanden sich einige Handwerker. Manche Kutscher hielten und bezahlten sie dafür, die Achsen ihrer Kutschen zu überprüfen oder kleinere Reparaturen vorzunehmen.

Die nächste Station für die Kutscher war Orsin. Und die Handwerker Orsins verlangten andere Preise als die einfachen Männer Riams.

Ein Kutscher feilschte mit einem Tischler, der seine kräftigen Arme vor der Brust verschränkt hatte. Er trug einen breiten Gürtel in welchem er einen Hammer und Hobel trug. Seine Kleidung war voller Staub und Späne. Sie wich den wild gestikulierenden Armen des Kutschers aus und vor ihr breitete sich der Fluss aus. Das andere Ufer erahnte sie anhand der Baumkronen die sich wie verzerrte Punkte abhoben. Davor sah sie Segel und schimmerndes grünliches Wasser. Der Drachenstrom.

An manchen Anlegern taumelten kleine Fischerboote und einige Fischer waren bereits zurückgekehrt und luden in Kisten und Netzen ihren Fang auf die Holzplanken der Stege. Einige junge Burschen eilten herbei und brachten die Fische zu Ständen ringsum und sogar zu Kutschen, die ihrerseits noch in Kürze den frischen Fang gen Orsin brachten um ihn vor der Stadt teuer zu verkaufen.

Sie ließ den Trubel eine kurze Zeit auf sich wirken, erfasste das raue Gebaren der Dorfbewohner und das Gebrüll und Geschrei der Frauen hinter den Ständen, ehe sie ihr Interesse dem Lagerhaus widmete.

Es war ehemals wohl ein Stall oder etwas in der Art. Das Lagerhaus bestand aus verschiedenen Holzbohlen und war mehr praktisch als ästhetisch vergrößert wurden.

Am Ufer, vor den Stegen und Anlegern reihten sich einige schlicht gezimmerte Stände, an denen ein paar Frauen Fische verkauften.

Sie schritt an den Ständen vorbei und musterte das Lagerhaus genauer, als ihr Blick auf einen großen Anker fiel. Der Anker lag unweit des Lagerhauses und schien schon lange Zeit dort zu ruhen, im Gegensatz zu der Person, die an diesem Anker gekettet war.

Sie hatte kinnlanges, seidenes, hellblondes Haar und eine helle feine Haut. Sie war feingliedrig und schmal und aus ihrem glatten Haar lugten spitz geformte Ohren hervor. Ihre hellblauen Augen erfassten sie und wanderten prüfend über ihre gesamte Erscheinung. Sie war wie Mathilde, eine Blüte in einem grauen, schmutzigen Ort.

Sie trug Stiefel die ihr bis zum Knie reichten, mit Lederbändern geschnürt, eine braune Lederhose und einen Waffenrock der ihr bis zur Hüfte ging, aus dunkelbraunem Leder. Um Schulter und Brust hing eine Gugel aus dunkelbraunem Stoff. Unter dem Waffenrock lugten am Ärmel schwarze aufgeplusterte Ärmel hervor. Es war städtische Kleidung, wie sie für Orsin typisch war. Praktisch aber mit einem Hauch Extravaganz.

Die Elfe hob eine Augenbraue und lächelte schief und Malis bemerkte den spöttischen, schelmischen Ausdruck. Sie hatte einige Zeit mit Goldfinger verbracht. Sie mochte einen Weg gefunden haben, mit seiner Art klar zu kommen. Und Malis fragte sich, ob Sarkasmus der Weg der Elfe war.

Malis sagte nichts. Sie trat näher und ging vor der Elfe in die Hocke.

Die hellblauen Augen folgten ihr.

Malis hatte die Unterarme auf ihre Knie gestützt und musterte die Lage ihrer neuen Verbündeten. Um ihre Taille und Handgelenke war eine schwere Kette mit einem eisernen Schloss geschlungen. Malis blickte über die Schulter der Elfe die ihren Kopf senkte und etwas entschuldigend lächelte.

Dann schob Malis die Kapuze von ihrem Kopf.

Die Elfe sah auf, das Lächeln erstarb und eine kleine Falte bildete sich zwischen ihren feinen blonden Augenbrauen.

„Du bist mir etwas schuldig, wenn ich deine Ketten löse.“ sagte Malis und grinste unsicher.

Die Elfe stieß einen schnaubenden Laut aus und blickte zu ihr empor. „Was darf es denn sein? Meine Rüstung trägst du ja schon. Sollte Preis genug sein.“ Sie hatte eine sehr klare voll tonige Stimme. Stark und kräftig. Malis blinzelte überrascht, der zarte Bau der Elfe täuschte. „Oder.... Wir verhandeln. Es gibt mehr, was du für mich tun kannst. Dann bin ich vielleicht in Laune mehr zu geben.“

„Starke Worte von jemanden in Ketten.“ wisperte Malis und richtete sich auf.

„Dein Name.“ erwiderte die Elfe und ihr Ton war schneidend. Malis zuckte zusammen. Sie hatte dass Gefühl diesen Ton schon einmal vernommen zu haben. Wie in einem Deja Vú antwortete sie mechanisch.

„Malis, und deiner?“

„Lafina. Goldfinger schickt dich?“

„Goldfinger sagt, du würdest dich mir anschließen.“

Die Elfe schüttelte den Kopf und gab einen abwertenden Laut von sich. „Dieses Schwein.“ murmelte sie und sah wieder zu Malis auf. „Das würde ich wohl. Doch wohin und wozu?“

Hinter ihnen begann eine der Fischerfrauen zu brüllen. Ein Mann, der soeben angelegt hatte brüllte Verwünschungen zurück.

„Schlechter Ort zum Verhandeln.“ murmelte Malis.

„Schlechte Position.“ erwiderte Lafina und legte den Kopf schräg. Eine Strähne glitt über ihre Augen bis zu ihrer Nase. Mit einem gequälten Lächeln blickte sie empor. „Ich sag dir was, hole mich hier weg und bis ich frei bin, hast du eine Antwort die mir gefällt.“



Xaravas fuhr mit einem Finger über den Rand eines silbernen Kelches, gefüllt mit dunkelrotem, herb duftenden Wein.

Er lehnte in einem steinernen Sitz an einer großen runden Platte um geben von einem Ausblick über Orsin und das Meer.

Als er sich in Orsin niederließ wählte er einen abgelegenen Leuchtturm nahe der Stadtmauer, als sein neues Domizil. Die Stadt war in ihrer Geschichte immer größer geworden und so musste auch der Hafen wachsen und wurde an eine günstigere Stelle verlegt. So wurde der Turm überflüssig und verriet ihn Vergessenheit. Doch Xaravas erkannte sein Potenzial und mit Hilfe geschickter Steinmetze und seiner Magie, hatte er aus dem Leuchtturm einen beeindruckenden Magierturm erschaffen.

Über der Fackelschale hatte er eine runde Steinplatte gelegt. Die Leuchtkammer ringsum hatte er mit magisch verstärktem Glas versehen. Kein Sturm mochte diese Scheiben zu brechen.

Eine Hand auf der steinernen Lehne, die andere kreisend am Rand des silbernen Kelches, war Xaravas vollends in Gedanken versunken. Der Anblick des großen Helden Rias in der kleinen Teestube, entlockte ihm hämisches Grinsen. Ein höflicher Kerl. Es mochte ihn Überwindung gekostet haben, diese Teestube aufzusuchen.

Xaravas schüttelte den Kopf. Er mochte den nordischen Mann nicht. Rias war in sämtlichen großen Ereignissen rund um Aether verwickelt. Er ruhte nicht und spielte ständig den Helden. Er verstand nicht, welches Privileg er genoss, ein Magier der Loge zu sein.

Xaravas hob den Kelch an und schwenkte ihn. Mit der anderen Hand stützte er sein Kinn und grübelnd beobachtete er das Funkeln des Kelches.

Für einen großen Helden, der sich Titanen stellte und dem sterblichen, hilflosen Volk beistand, war seine Frage ungewöhnlich.

Die Loge der Magier hatte schon einige Wochen zuvor eine Information an sämtliche Mitglieder herausgegeben, den Wahrheitsgehalt der verfluchten Prinzessin zu überprüfen.

Da Xaravas bereits in Donnerfels weilte, führte er über Wochen im gesamten Königreich eine Suche durch mit Hilfe seiner Begleiter und seinem Verständnis von Flüchen, war es unmöglich, das ihm eine adelige, flüchtige Göre entgangen sein sollte. Ein Fluch, wie der, der seinen Träger sieben Jahre am Leben erhält, hinterlässt Spuren. Doch er fand keine Hinweise darauf.

Um sicher zu gehen sprach er mit jenen, die behaupteten die Prinzessin gesehen zu haben und sämtliche Berichte stellten sich als Seemannsgarn heraus. Lächerliche Geschichten die die langweilige Wirklichkeit ausschmückten.

Folglich berichtete er der Loge die Wahrheit. Das Volk von Donnerfels sehnte sich nach ihrem Königsblut zurück und erfand Geschichten.

Xaravas trank einen Schluck und unwillkürlich dachte er an Evelias von den Weiden. Der ungeliebte Sohn der Königin aus Ährental.

Im Rahmen seiner Suche nach dem Ursprung der Gerüchte hatte er den jungen König kennengelernt. Er verbarg sich in der Feste Donnerfels und zeigte sich betroffen und viel zu hoffnungsvoll als Xaravas ihn von den Gerüchten erzählte. Es schien, das sich der Thronhüter selbst wünschte, das etwas dran wäre. Und er konnte es ihm nicht verdenken. Seine Mutter sähe ihn lieber tot, als auf dem Thron von Ährental zu sehen und wenn er zum König von Donnerfels ernannt wurde, so kam der Tod von den anderen Kronen und Lehnsherren.

Er konnte weder vor noch zurück.

Das plötzliche Auftauchen eines rechtmäßigen Thronerben würde die Unruhen beenden und das Leben des blonden Narren retten.

Xaravas ahnte von dem Ärger der sich in diesem Königreich zusammenbraute und teilte der Loge mit, das er über den Frieden Donnerfels‘ wachen werde. Wenn es zum Krieg zwischen den Königreichen kam, so mischte er sich nicht ein.

Dies untersagte das Gebot der Loge.

Die Loge der Magier stellte die höchste Instanz in Aether.

In der Geschichte der Welt war eine der verheerendsten Naturkatastrophen die Magie selbst. So hatten sich die mächtigsten Magier zusammengefunden und die Loge der Magier gegründet. Wann immer ein Magier einen gewisses Grad an Talent und Begabung besaß, erhielt er eine Einladung in die Loge. Dies diente einer gewissen Kontrolle. Jene, die in der Lage waren ganze Landstriche zu vernichten überwachten ihresgleichen.

In Folge dessen war Einladung ein blumiges Wort. Denn wann immer ein Magier dieser Einladung nicht folgte, folgte ihm die Loge.

Gleichwohl war es die höchste Auszeichnung die ein Magier in Aether erlangen konnte. Die Loge schrieb Gesetze nach denen sich Magier aller Welt zu richten hatten. Sie legten die Studieninhalte der Akademien fest und schrieben die Titel der Bücher und Schriften in den zahlreichen magischen Akademien vor. Sie ernannten die Erzmagier, die Leiter der Akademien und sie stellten sich Titanen und Dämonen.

Die herausragenden Talente der Logenmitglieder waren jedoch so verschieden wie Tag und Nacht.

Rias war zweifellos ein Genie. Er hatte im zarten Alter von sechzehn Jahren die Einladung in die Loge erhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seinen Erzmagier in Geschick und Wissen weit überholt. Die Magie lag ihm im Blut. Das Studium der Magie schlossen die Studenten in der Regel nie vollends ab. Die wenigsten absolvierten die höchsten Arcana und noch weniger absolvierten sie vor dem Erreichen des fünfzigsten Lebensjahres. Doch Rias war anders. Zauber beherrschte er vom ersten Hören an und er entwickelte die Zauber neu, verkürzte und optimierte sie. In der magischen Welt herrschte lange das Gerücht, das in den Adern des nordischen Hünen das Blut einer Gottheit oder eines anderen Wesens einer anderen Existenz fließe. Doch Xaravas kam mit ihm in die Loge und er wusste es besser. Der Weißhaarige war ein Genie. Seiner Intelligenz war es zu verdanken, dass er so weit kam und gleichzeitig blieb er seinen moralischen Prinzipien treu, selbst wenn die Loge anderes von ihm verlangte.

Von Beginn an, verstand er sich mit Rias kein Stück. Ihre Prinzipien waren zu verschieden, doch er respektierte den Genius des weichherzigen Riesen.

Rias übernahm im Auftrag der Loge häufig die gefährlichen Missionen. Zuletzt stellte er sich einem Titanen auf dem westlichen Kontinent.

Keiner der noch bei Verstand war, stellte sich einem Titanen entgegen. Nach allem was Xaravas über Titanen wusste, waren diese Kreaturen fähig einen Gott zu besiegen. Sie waren es, die Aether prägten. Dem Glauben der Kirchen nach, nach dem Wunsch der Götter, doch in seinen Studien schien es, das es viel eher die unglaubliche Macht der Titanen war, die Spuren auf Aether hinterließ.

Doch Rias tat genau dies und er hatte es geschafft. Seine Heldentaten sorgten für Raunen in der gesamten Welt. Und es waren generell solche Herausforderungen die er suchte.

Einem erbärmlichen, haltlosen Gerücht nachzugehen passte nicht ins Bild.

Xaravas rieb sich mit einer Hand den Punkt an seiner Stirn über seiner Nase und kniff die Augen zusammen.

Sein silbergraues Haar glitt hinter seinen Ohren hervor und verdeckte sein Profil.

Insbesondere Rias achtete die Gebote der Loge und hielt sich aus der Politik fern. Selbst Xaravas war es gleich, was mit Donnerfels geschah, doch die einzigartige Geschichte des Königreichs erforderte es, das ein Logenmagier darauf achtete, das keine dunkle Macht hinter alldem steckte.

Wenn am Ende die Armeen in einer blutigen Schlacht die Königsfolge klärten, so würde Xaravas seine Dienste weiterhin auf das Nötigste beschränken, sobald er sich sicher sein konnte, dass nichts Magisches dahintersteckte, so würde er in Orsin sein bequemes Leben fortführen.

Rias.

Xaravas erhob sich und stellte den Kelch auf die Steinplatte. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und trat an die Glasfront seines Turms. Vor ihm erstreckte sich das weite Meer in welchem in weiter Ferne auf einer sturmumtosten Insel die schwarze Festung der Loge der Magier ruhte.

Das Treffen mit ihm lag nur wenige Stunden zurück und doch ließ es ihm keine Ruhe. Er schnalzte mit der Zunge und dachte an einen Namen, der nicht von dieser Wirklichkeit stammte.

Das Tageslicht, das seinen Turm erfüllte schien plötzlich abzuschwächen und ein kalter Hauch bewegte seine Roben. Hinter ihm, auf der Tischplatte segelte eine schwarze Feder nieder. Plötzlich erwuchs aus der Feder etwas unförmiges Schwarzes, das sich streckte und aus dem Tisch hervorbrechen zu schien. Xaravas indes regte sich nicht, sondern blickte gelassen weiter aus dem Turm heraus. Um die Turmspitze sammelten sich jedoch immer mehr Krähen und Raben. Sie kreisten lautlos um den Turm und drangen schließlich durch die Dachfenster ein. Wie eine schwarze Wolke um flatterten sie nun das Innere des Turms und umkreisten den Tisch. Sie gaben keinen Laut von sich und einzig das Schlagen ihrer Flügel erfüllte den Raum.

Aus der schwarzen Masse auf dem Tisch drang ein widerliches Glucksen, gefolgt von einem Krächzenden Schrei.

Der Magier wandte sich mit erhobener Augenbraue um und ging langsam darauf zu. Aus der flatternden Wolke über ihn blickten dutzende schwarze Augenpaare auf ihn herab.

Die Masse wuchs an und formte einen Vogelkörper. Es streckte seine Schwingen, die einen bedrohlichen Schatten über den Tisch warfen. Der Vogelkopf war fast so groß wie der des Magiers. Die Masse festigte sich zu glänzenden schwarzen Feder, die merkwürdig blau schimmerten. Seine klugen Augen fassten die des Magiers, der schelmisch grinste.

Am Schnabel und an den Krallen trug das ungewöhnliche Wesen filigrane, verzierte silberne Schmuckstücke.

Xaravas hatte seinen Logenplatz mit diesem Kunststück gesichert. Er hatte den König der Raben an sich gebunden. Dieses Geistwesen wandelte zwischen den Welten um verlorene Seelen auf den rechten Pfad zurückzuführen. Zudem band er die Seelen von Beschwörern an sich. Wenn ein Magier die Beschwörungsmagie studierte so kam in den höheren Arcana für ihn der Moment, wo er das Beschwören von Geistwesen und Kreaturen erlernte. Bei der ersten Beschwörung einer solchen Kreatur schloss der Magier einen Pakt mit dem König der Raben. So stand den beschworenen Kreaturen der Pfad in die Existenzebene des Magiers offen und der Rabenkönig erhielt eine Seele nach dessen Tod für seinen Hofstaat. Es war ein grundlegendes Gesetz der Welt, das der König der Raben nicht beschworen werden konnte. Ein Gesetz, das Xaravas mit Gewalt gebrochen hatte.

Die Loge konnte dies nicht mehr verhindern und sah sich gezwungen ihn in die Loge einzuladen.

Xaravas wusste, das eines Tages, wenn er sterben würde, dieser Geist dafür Sorge trug, das seine Seele nicht ihren Bestimmungsort erreichen würde. Zweifelsfrei sah er in den Augen des mächtigen Geistes das Verlangen seinem Herrn die Augen auszupicken.

„Ich will das deine Untertanen nach Malissandra von Donnerfels suchen. Und behaltet den Magier Rias im Auge.“

Der Rabenkönig klackerte mit dem bedrohlich aussehenden Schnabel, jedoch scharte eine Klaue über den Stein und er breitete seine Schwingen aus, als er sich elegant verbeugte.

Der Geist erhob sich anschließend und stürzte in den Tisch, wo er in einer glucksenden Masse verschwand. Aus den Dachfenstern des Turmes flatterten dutzende Krähen und Raben davon.

Eine einzelne schwarze Feder segelte über den Tisch. Xaravas blickte wieder aus den Fenstern.

Über Orsin stiegen schwarze Vogelschwärme auf, die sich auf den Dächern und Segeln der Schiffe am Hafen niederließen.

Krähen umkreisten die Fischerboote und stahlen Möwen die fette Beute.

Über den Drachenstrom flatterten an jenem Tag einige dutzend Schwärme flussaufwärts davon. Auf dem Fluss bemerkten die Fischer das ungewöhnliche Verhalten und beteten, dass dies kein dunkles Omen sei.

 

Sie überließ die Elfe ihren Ketten und umrundete das Lagerhaus. Es sah morsch und alt aus. Etwas besorgt blickte sie an den schiefen Bohlen empor und entschied sich etwas Abstand zum Gebäude zu halten. Der abgetretene Pfad führte direkt zu einer kleinen Schreibstube hinter dem Lager. Hier befand sich ein weiterer Anleger mitsamt einem schiefen Steg. Am Pfosten des Stegs hing ein Fischernetz. Kisten und Fässer stapelten sich und im Wasser des Flusses trieben zwei verlassene Boote.

Ein Junge lief barfüßig über den Steg. Er trug ein graues Hemd und eine zerschlissene Leinenhose. Diese Hose trug er sicherlich schon lange, den sie war ihm zu kurz und hing über seinen Knöchel. Er hatte ein schmutziges Gesicht, doch seine kindlichen Gesichtszüge ließen sich noch erahnen. Er mochte elf oder zwölf Jahre sein.

Er hatte ein Netz geschultert und blickte zum Himmel hinauf.

Sein seltsames Gebaren machte sie neugierig und sie folgte seinem Blick. Über den Drachenstrom bewegte sich eine schwarze flatternde Wolke aus Krähen den Fluss hinauf.

„BURSCHE!“

Malis zuckte zusammen, als der Brüller unweit von ihr ertönte.

Die Tür der Schreibstube flog auf und heraus kam ein pummeliger alter Mann. Er war einen Kopf kürzer als sie und seine Augen huschten ziellos umher. Sie bemerkte das ein undurchdringlicher grauer Schleier auf ihnen lag. „BURSCHE!“ brüllte er erneut und stapfte auf Malis zu, die sich hilflos zum Steg umblickte. Der Bursche war verschwunden. Auf den Holzdielen lag dafür ein Knäuel eines Fischernetzes.

„Du brauchst dich gar nicht zu drücken!“ schimpfte der Alte und deutete mit dem Zeigefinger auf sie. “Hast du dich um die Netze gekümmert?“

Seine Augen schwammen an ihr vorbei. Beherzt antwortete sie: „Ähm, nein.“

Die Augen erfassten sie oder eher den Ursprung der Antwort. Er grunzte und knurrte: „Was soll der Scheiß? Wo ist der Junge?“

Malis räusperte sich. „Er ist weg. Ihr seid der Aufseher des Hafens?“

„Jarim Graufuchs mein Name. Bin seit Ewigkeiten hier. Was willst du?“

Er lächelte nicht, knurrte seine Worte und wirkte insgesamt recht unfreundlich. Malis fragte sich, warum sie sich das antat und als sie mit den Augen rollte streiften die roten Segel von Goldfingers Schiff ihre Augenwinkel. Sie lächelte.

„Ich suche Arbeit.“ Sagte sie fröhlich. „Und ich denke hier gibt es mehr als genug Arbeit.“

„Dein Name?“

„Ma… Marina. Marina Fischbein.“ Malis legte eine Hand auf ihre Brust und schob einen Fuß auf Zehenspitzen zurück. Sie verbeugte sich, wobei sie die freie Hand von sich streckte. „Zu Euren Diensten.“

„Dann wirst du die Arbeit des Burschen übernehmen, kommt mit.“ Der Aufseher ging auf die Schreibstube zu und Malis folgte ihm. Die Schreibstube war eine kleine Hütte, zu klein für ein Bett oder zum Wohnen generell. Es stand lediglich ein Schreibtisch aus massivem Holz darin und Regale voller Bücher und Schriftrollen. Konzentriert erfasste sie alles was in ihren Blick fiel. Sie achtete auf Stempel, Insignien, Unterschriften, Buchrücken und auf alle Gegenstände die neben Büchern und Schriftrollen gestopft waren. Auf dem Boden und neben den Papierstapeln, stapelten sich kleinere Kisten und Fässer. Ein herber Geruch nach abgestandenem Bier und ungewaschenem Mann hing in der Luft. Der Aufseher verbrachte reichlich viele Stunden hier. Doch so blind wie er bereits war, war es wohl kaum sein Werk, all diese Dokumente zu verfassen.

„Diese Kisten bringst du zu Sven.“ sagte Graufuchs und deutete auf eine staubige Ecke. Unweit der Ecke standen zwei kleine Holzkisten. Sie schwieg höflich. „...und Sven wird dir etwas geben was du Ura bringst. Sie lebt außerhalb des Dorfes, du wirst sie schon finden.“

„Zu Sven und dann zu Ura, verstanden.“

„Ach ja und die Elfe...“ murmelte der Aufseher. „Um die muss sich auch jemand kümmern. Wollte für mich arbeiten. Sie macht gute Arbeit, aber ständig spielt sie Streiche. Nimm sie mit. Vielleicht hat Ura eine Verwendung für sie.“

„Verstanden.“

Graufuchs griff nach einem dicken Schlüsselbund den er unter seinem Hemd hervorholte und fühlte blitzschnell die Schlüssel durch, bis er sein Zielobjekt fand und es geradezu penibel vom Bund trennte und den Bund auf den Tisch hinter ihm ablegte. Er streckte den Schlüssel der Tür entgegen. Malis griff vorsichtig danach und die verschleierten Augen zuckten endlich in ihre Richtung. Scheinbar konnte er im Zwielicht der dunklen Schreibstube noch weniger sehen als im Tageslicht.

„Und beeil dich, hörst du?“

 

„Malis, Malis, Malis, Malis.“ Lafina drehte den Kopf soweit sie konnte, als hinter ihr Malis in die Hocke hing und sich am schweren Schloss ihrer Ketten zu schaffen machte. „Meine Retterin in der Not. Du holst mich tatsächlich vom Haken. Ich schätze das habe ich dir nicht zugetraut.“

Das Schloss klackte und sie zog es von den Ketten. Lafina streckte ihre Arme und die Ketten gaben nach. Sie stand auf und Malis klemmte das Schloss an ihren Waffengürtel.

„Also, was will Goldfinger?“ Die Elfe klemmte einige Strähnen hinter ihre Ohren und blickte mit ihren leuchtend blauen Augen Malis erwartungsvoll an.

Diese zweifelte an Goldfingers Überzeugung das sie in diesem Blondschopf eine Verbündete hatte.

„Wir haben zu tun.“ antwortete sie knapp und schritt voran. Die Elfe zuckte mit den Schultern, folgte ihr jedoch.

 

Sie lieferten die Kisten an Sven aus und scheinbar war Lafina allen bekannt. Sven unterstellte ihr, das sie Schulden bei ihm hätte und einige Handwerker reckten die Fäuste in die Höhe als sie an ihnen vorbei liefen. Wann immer sie angepöbelt wurde, wusste Lafina noch eine schlimmere Beleidigung zur Antwort.

Malis war froh als den Hafen hinter sich ließen um ein merkwürdiges Säckchen zu Ura zu bringen.

„Du bist sehr still.“ sagte Lafina und steckte die Daumen in den Waffengürtel. Ihre Bewegung glichen denen der Männer von Goldfingers Freibeutern, als das was sie von einer Elfe erwartete.. „Weißt du wer Ura ist?“

Malis stockte und Lafina überholte, drehte den Kopf und grinste schief. „Sie ist eine Hexe, die für die Loge der Magier arbeitet.“

Wortlos warf Malis das Bündel von Sven Lafina zu, die es erschrocken auffing und dabei ins Straucheln geriet.

„Du machst das.“ sagte Malis und Lafina lachte.

„Ärger mit der Loge? Keine Sorge. Sie ist nicht gut auf die zu sprechen. Sie ist halt `ne Hexe. Gefällt ihr selbst kein Stück denen gehörig zu sein.“

„Ich gehe kein Risiko ein.“ erwiderte Malis, seufzte und stemmte eine Hand in ihre Hüfte. „Diese Magier sind samt und sonders Spinner und sitzen auf ihrem hohen Ross, von welchem.“ Sie hielt inne. Auch Lafina bemerkte es. Die Blonde blickte sich stirnrunzelnd um. „Was ist dass? Ändert sich das Wetter?“

Um sie herum baute sich ein enormer Druck auf. Malis spürte einen eiskalten Hauch. Die Härchen in ihrem Nacken und auf ihrem Arm begannen sich aufzurichten als sie Gänsehaut bekam. Sie spürte einen mächtigen Willen, der ihren Weg kreuzte und scheinbar einen Punkt außerhalb von Riam ansteuerte. Sie konnte sich nicht dagegen wehren das sowohl sie als auch der andere einander wahrnahmen. Etwas in ihr griff nach dem Mächtigen Willen und zerrte diesen aus seiner Existenzebene.

Malis griff sich an die Stirn und dachte nur panisch: Nein.

Als um sie herum die Spannung größer wurde. Lafina wich etwas zurück und griff sich unsicher an ihre Oberarme. Kleine Blitze knisterten in der Luft als hinter Lafina eine Gestalt aus dem Nichts erschien. Riesengroß und breitschultrig. Er trug einen gewaltigen Stab auf dem Rücken und in seinem weißen langen Zopf, glänzten goldene Perlen. Sein kantiges Gesicht machte eine verwirrten Eindruck und grübelnd blickte er sich um.

„Wer war das?“ raunte der Magier und Lafina wandte sich ihm zu.

„Rias?“ sagte sie verwirrt und der Magier sah zu ihr herunter.

„Lafina?“ fragte er.

Malis drehte sich um, sie musste weg von hier. Das die Loge nach ihr suchte war das eine, doch eine gänzlich andere Situation, das der Held Aethers, das berühmteste Mitglied der Loge. Hier, vor ihr auftauchte, nachdem sie-

„Du warst das.“ raunte die dunkle Stimme.

Ein schwerer, kalter Stein fiel in ihren Magen, als sie stocksteif wurde. Kein Entkommen. Unmöglich. Dieser Mann war ihr weit überlegen. Seine Fähigkeiten konnten es mit einem Titan aufnehmen, wie sollte sie ihm entkommen?

„Sie war einen Scheiß, was tust du hier Rias?“ fuhr Lafina dazwischen. Malis drehte sich vorsichtig um und sah das die Elfe sich zwischen ihnen regelrecht aufgebaut hatte. Eine Hand in die Hüfte gestemmt, die andere am Rücken, deutete diese Hand einen Daumen nach oben an.

„Ich hatte vor, vor Riam zu erscheinen, aber diese Dame hatte etwas dagegen.“ Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine tiefe Falte. Sie konnte seinen Unmut in der Luft spüren. Seine Präsenz war geradezu überwältigend. Er griff nach seinem Stab und zog diesen langsam aus einer Halterung an seinem Rücken heraus. „Und ich kann es nicht leiden, wenn sich mir jemand in den Weg stellt. Sei es bei einem Teleport oder aus Selbstüberschätzung.“

Malis wich weiter zurück. Der kalte Stein entflammte in kalter Panik. Wenn dieser Magier sie im Dorf zu einem Kampf zwang, dann würde die Zerstörung verheerend sein. Das Gesicht der Magd Mathilde kam ihr in den Sinn.

„Nein.... Nein.“ Stieß sie aus und rannte los. Sie preschte an der überraschten Elfe und an Rias vorbei raus aus dem offenen Palisadentor und wich knapp einer heranfahrenden Kutsche aus.

„Rias, nein!“ hörte sie hinter sich Lafina brüllen und sie beschleunigte noch mehr. Sie musste nur ein Stück weit vom Dorf weg.

Vergiss das Dorf.

Nein, dachte sie angestrengt. In Ihrem Bewusstsein ruhte etwas Dunkles, das erwartungsvoll darauf lauerte seine Klauen in ihren Geist schlagen zu können.

Sie sprang ins Unterholz als ein kräftiger Griff ihren Oberarm fasste und sie fast das Gleichgewicht verlor.

„Keine Bewegung!“

Hilflos sah sie zum Angreifer empor.

Die Geschichten wurden seiner tatsächlichen Erscheinung nicht gerecht. Er war nicht nur groß, er war gewaltig groß. Auf seinen Schultern würden sowohl sie als auch Lafina bequem sitzen können. Er hatte Muskeln die sich deutlich unter seiner Kleidung abzeichneten und gewiss brauchte er keine Magie um einen Zweikampf zu entscheiden.

Seine dunkelgrünen Augen funkelten zornig und ihn schien eine kribbelnde Atmosphäre zu umgeben.

„Bitte, lasst mich gehen. Rias, ich bin euch nicht im Weg, ich habe nichts vor, was der Loge missfallen könnte.“ erwiderte sie ängstlich. Das Bewusstsein in ihr flüsterte leise : Überlass es mir.

Der Magier blickte zornerfüllt in ihre Augen, deren dunkles Rot in ein glühendes Blutrot entflammt war und etwas schien dahinter zu lauern.

Sangus, nenne deinen Namen und sage mir, weshalb du nach mir gegriffen hast.“ sagte er knurrend und Malis zerrte an ihrem Arm in purer Verzweiflung.

„Nein, Rias, bitte, nein.“ jammerte sie und Tränen stiegen in ihre Augen. Immer wieder blickte zu zu den Palisaden rings um Riam die immer noch viel zu nah lagen. „Bitte.“ flehte sie und schüttelte den Kopf, die Kapuze glitt von ihrem Haupt und ihre zauseligen Locken wippten über ihre schmalen Schultern. „Lasst mich gehen, um Riams Willen, um Donnerfels Willen, lasst los.“ Ihre Sicht verschwamm doch sie zwang sich in die funkelnden Smaragde aufzublicken, die ein hartes Urteil über sie fällten.

Der Magier hob seinen Stab und der grüne Stein an der Spitze funkelte.

Sie keuchte auf und griff mit der freien Hand nach seinem Griff. „Rias!“ kreischte sie und in ihrem Bewusstsein drang das verführerische Flüstern vor: Überlass es mir.

„Rias, lass die Prinzessin von Donnerfels in Ruhe!“ brüllte es hinter dem Magier und Malis erschlaffte. Ihr wurde speiübel. Er sollte es nicht erfahren.

„Nein, hört nicht auf sie, Rias, lasst mich einfach gehen.“ wisperte sie verzweifelt als Lafina an Rias Seite auftauchte. Mit wutverzerrtem Gesicht blickte sie auf Malis.

„Sie ist dünn, ausgehungert und verflucht, aber sie ist von königlichem Blut. Und wenn du Hand an ihr legst, dann werde ich dich jagen, Rias.“ sagte sie ruhig und legte eine Hand auf Rias Unterarm, an dessen Ende der Stab bedrohlich über Malis schwebte. Der Magier sah Lafina verwirrt an.

„Wovon sprichst du?“ murmelte er und musterte Malis, die mit dem Kopf schüttelte.

„Nein, nein. Seht mich nicht an, nein.“

Er musterte ihre Gesichtszüge, ihre Augen, ihre Wangenknochen, ihre Nase, ihr Kinn. Seine Augen weiteten sich, schmerzlich. Er wurde bleich und er sagte etwas, das sie am Abend zuvor schon schwer traf. Er wisperte es leise, fast schon verzweifelt: „Prinzessin.“

Sein Griff lockerte sich und sie konnte sich losreißen. Sie konnte wegrennen, doch sie ging nur einen Schritt zurück. Tränen rannen hemmungslos über ihr Gesicht.

Rias freie Hand fuhr über sein Kinn und Mund, immer noch fassungslos wen er vor sich hatte.

Malis schüttelte den Kopf.

„Ich habe eure Leiche vor sieben Jahren in meinen Armen gehalten.“ murmelte der Weißhaarige leise, entsetzt.

Lafina schloss einen Moment die Augen, seufzte und zuckte mit dem Kopf. „Ich war auch überrascht. Doch es ändert nichts. Ich lasse nicht zu, das du ihr wehtust. Lass von ihr. Wenn du sie töten willst, weil sie eine verfluchte Bluthexe ist, dann wirst du erst mich töten müssen.“ Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und blickte kühl auf Malis. „Wenn dein Herz nicht für einen Sangus erweicht, dann vielleicht für die taffste Elfe ganz Donnerfels.“

 

Nördlich von Orsin, der weißen Perle Donnerfels‘ wurde das Land rauer und wilder. An den nördlichen Grenzen zum nördlichen Königreich lag das Lehen der Tallir. Die Familie Tallir gehörte zu den Ältesten der adeligen Familien in Donnerfels. Sie hatten für das Königshaus schon zahlreiche Schlachten an den nördlichen Grenzen geschlagen. Das Lehen erstreckte sich an der Grenze bis zu den Küsten im Westen.

Doch im Gegensatz zu den sanften, weit auslaufenden Küsten bei Orsin, handelte es sich bei den nördlichen Küsten um Steilküsten. Die Burg der Adelsfamilie ruhte auf einem gewaltigen dunklen Felsen der weit über das Meer hinaus ragte und dessen scharfe Felsspitzen schon manchen Eroberer das Leben kostete.

Der schwarze Stein zählte zu den härtesten und robustesten ganz Aethers und war hin und wieder in der gesamten Welt zu finden.

Den Überlieferungen nach handelte es sich um ein Überbleibsel der ersten Brüdergleiche und wurde nach seinem Erschaffer benannt: Heamons Basalt.

Als die Götter die Welt verließen, so die Geschichten, sei der Gott Haemon mit seinem Bruder Aetherius in einen Streit geraten und habe ein ganzes Gestirn gegen seinen Bruder geschleudert. Überreste des katastrophalen Ereignisses war der schwarze Basalt.

Im Lehen Tallir befand sich ein gewaltiger Felsen dieses besonderen Basalts. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende war er zugewachsen.

Der Orden der Bewahrer hatte die Größe des Felsens vor langer Zeit erfasst und er schien wie ein Zahn in den Kontinent geschlagen zu sein. An seiner westlichsten Spitze hatten sich erst die Bewohner des Lehens angesiedelt, da sie nur dort die Erde bestellen konnten. Über den schwarzen Felsen lag nur eine dünne Erdschicht und in dem rauen Klima wuchsen lediglich einige Gräser, kleine Sträucher und Flechten. Die Steppe war steinig. An vielen Stellen ragten schwarze Auswucherungen hervor, die von einem dichten Moosflaum besetzt waren. Die Winter begannen hier früher und dauerten länger. Die Sommer waren zumeist kurz und verregnet.

Im Süden des Lehens und des schwarzen Zahns ergoss sich ein kleiner Fluss ins Meer und fraß sich langsam in den Kontinent herein. Dort wo der Zahn endete wucherten weite Waldflächen, mit gewaltigen Bäumen. Es war ein wilder Fleck in dessen Herzen eine längst vergessene Gruppe ihren Sitz erkoren hatte. Eine alte Ruine, ehemals eine Festung, zerfallen und überwuchert öffnete den Zugang in einen geheimen Ort.

Der Wald selbst wurde von den Donnerfelsern gemieden, denn in ihm hausten grausame Bestien, die zurückblieben, als der Herr der Festung den Wald verließ. Einzig der Familie Tallir war bekannt, das die Festung nicht verlassen wurde.

In wiederholten Kriegen ausgelöst durch die Macht der Magie, hatte sich vor einigen Jahrhunderten eine Gruppierung in exzessivem Glauben gegründet, Magier zu verfolgen und zu richten. Doch gestaltete sich die Suche nach den Magiern als zäh, weshalb die Inquisition auf eine legendäre Vereinigung zutrat: Die schwarze Schwinge.

Über lange Zeit hinweg hatten Jäger sich über die Grenzen der Königreiche hinaus miteinander gemessen und sich schließlich in einer elitären Vereinigung zusammengefunden. Was als nobler, aus Adeligen bestehenden Loge begann, erwuchs über Jahrzehnte zu einem immer geheimnisvolleren, düsteren Bund. In die Gilde der schwarzen Schwinge erlangten die besten Jäger Zutritt. Diese Jäger jagten jedoch kein Wild. Sie jagten ausschließlich Bestien. Kreaturen die von Magie oder von der Beeinflussung anderer Existenzebenen verherrt wurden und das Land terrorisierten.

In ihrer Jagd auf diese Bestien, zog sich die Gilde immer mehr von der Öffentlichkeit zurück und wann immer ein Jäger der Schwinge gesehen wurde, nährte dessen Erscheinung das Gemunkel der Bevölkerung über sie. Denn diese Jäger besaßen übermenschliche Kräfte.

Als die Inquisition der Magier nicht habhaft wurde, nutzten sie die Fähigkeiten der Jäger, die Magier aufzuspüren. Waren sie bis dahin ein Mysterium, wurden sie daraufhin zu blutigen Legenden. Ihrem Beitrag war es zu verschulden das die Inquisition Tausende aufspürte und hinrichtete.

Den schlechten Ruf verloren sie nicht. Zu stark hatte sich ihr Beitrag ins kollektive Gedächtnis eingeprägt, weshalb die Gilde zerfiel. Bis auf ihren Sitz in Donnerfels im Tallirs Lehen. Die Tallir, die ehemals Mitbegründer der Schwinge waren, gewährten den wenigen verbliebenen Jägern ihren Sitz im Wald und hüllten einen Mantel des Schweigens darüber.

Der Wald wurde von der Gilde zu ihren Hochzeiten als Prüfung für ihre Neueintritte genutzt. Sie hatten gefangene Bestien dort ausgesetzt und Anwärter prüften sich mit der Jagd und ihren Fähigkeiten in diesem Wald zu überleben. Diese Bestien bestanden fort. Den Herren des Landstriches lag zweifelsfrei ein persönliches Interesse daran, dass die Population der Tiere weiterhin den Jägern oblag und dafür eine zerfallene Ruine zu verschweigen mochte ein vertretbarer Tausch sein.

Unter den gewaltigen Baumkronen ertönten wütende Schreie und lautes Gezeter. Vögel flatterten auf und es schien, als würde schon bald der gesamte Wald dem Schauspiel lauschen. Abseits eines schmalen Weges zwischen Sträuchern und Kräutern, saß ein Mann. Er war hochgewachsen und komplett in Schwarz gekleidet. Um seine Schultern und Hüften hingen schwarze breite Ledergürtel mit unzähligen Waffenhaltern und Möglichkeiten Taschen und Tinkturen daran zu befestigen. Er trug Stiefel mit schwarzen Schnallen und Metallbeschlägen an Hacken und Fußspitze.

Er hatte träge Gesichtszüge. Sein schwarzes Haar war in seinem Nacken in einem halbherzigen Knoten gebunden, einige lange Strähnen hingen in seinem Gesicht. Ein Großteil seines Gesichtes war von einem Drei Tage Bart bedeckt.

Er zwirbelte Stücke eines getrockneten Krauts zwischen seinen Fingern in einem braunen Papier.

Unter ihm lag der Ursprung des Lärms. Ein junges Mädchen. Sie strampelte und trat nach Leibeskräften, doch ihre Hände waren gefesselt.

Sie trug einen Wams in dunklem rot mit goldenen Stickereien. Auch ihre Beinlinge waren in dunklem Rot und mündeten in feinen aber festem Schuhwerk. Ihr braunes Haar gebnunden in einem strengen Zopf, der das Haar von der Stirn weg nach hinten band.

Ihre Haut war braun und auf ihrer Stirn trug sie eine gepunktete Tätowierung, die das Symbol der Tallir präsentierte, eine Mondsichel.

„Geht von mir runter!“ schrie sie, doch er bewegte sich nicht. Er saß, sehr entspannt auf ihrem Rücken und reagierte auf ihr Gezeter kein Stück. Stattdessen zwirbelte er das Papier zu Ende und säuselte eine Formel. Auf seinen Fingerspitzen erschien eine kleine Flamme, womit er den Papierstengel entzündete.

„Runter von mir.“

Er blies dichten Rauch aus, streckte seine Füße und blickte gedankenversunken in die Baumwipfel hinauf.

Unter ihm keuchte das Mädchen. Er spürte ihre Erschöpfung und sein Gewicht würde ihr mit jeder Sekunde den Atem mehr abschnüren.

„Also.“ Sagte er und drückte den Glimmstengel auf dem Waldboden aus. Seine Stimme war kratzig und dunkel. „Ihr gebt auf.“

„Ich kann nicht mehr.“ Erwiderte das Mädchen in den Waldboden nuschelnd.

„Ich kann Euch schlecht hören.“ Erwiderte der Jäger, gelangweilt und mit regungsloser Miene.

„Ich gebe auf!“ keifte das Mädchen.

Er nickte und legte seine Hand in ihren Nacken. Sie zischte Beleidigungen in den Waldboden. Er glitt von ihr runter und mit einem Knie hockte er neben ihr.

„Dann kehren wir jetzt zurück, richtig?“

Sie drehte den Kopf und sah ihn zornerfüllt an. „Du bist hier, weil meine Familie-“

„Vor der Ihr weglauft.“

„-Deinesgleichen duldet und wagst es. mich in den Dreck zu werfen und anzufassen?“

Er lächelte und verstärkte seinen Griff in ihrem Nacken, sie spannte sich an und war völlig bewegungsunfähig.

„Adrianne Selana von Tallir. Erste Sichel des Lehens in Donnerfels Namen. Mit dem Tod eurer werten Eltern, seid ihr die nächste Lehnsherrin über diesen stinkenden Landstrich. Doch da ihr zu jung und ungestüm seid, hat ein Vormund das Regieren übernommen. Doch nun habt ihr euer zwölftes Lebensjahr vollendet und werdet eure Aufgabe erfüllen. Stattdessen sendet euer Vormund mich, euch einzufangen und auf euren Stuhl zu fesseln.“

Er erhob sich und packte sie grob am Oberarm. Mit einem kräftigen Ruck hob er sie auf ihre Füße. Ihre gestriegelten Haare lösten sich bereits und ihre edle Kleidung war staubig und voller Grasflecken.

„Glaubt mir, ich habe besseres zu tun, als entlaufene Adelige einzufangen. Es ist eure Gefälligkeit die mich zu diesem Scheiß verpflichtet. Eben jene, mit der Ihr eure Freiheit zu erkaufen suchtet.“

Sie sah ihn böse an und spuckte auf den Boden. „Ich verabscheue euch. Jede einzelne Schwinge. Sobald ich über die Ländereien herrsche, lasse ich den Wald niederbrennen.“

„Tolle Idee. Ich schick die Bestien auf dein jämmerliches Schloss.“ Knurrte er und wirbelte sie herum. Er zog ein Stück des Seils, mit dem er sie gefesselt hatte aus der Fessel heraus und band es an seinen Gürtel fest. Dann schubste er sie.

„Geht“ befahl er und sie setzte sich wutschnaubend in Bewegung.

„Ich hatte meine Gründe.“ Sagte sie nach einer Weile.

„Mhm.“ Er hatte einen Dolch in einer Hand und wirbelte es immer wieder herum. Sein Blick war auf den schmalen Körper geheftet. Er begutachtete die Flecken und teilweise waren Risse im Stoff. Dies würde seinem Lohn sicherlich abgezogen werden. Der Vormund wollte sie unversehrt zurückhaben. Andererseits hatte die verwöhnte Göre ihren Vormund soweit gebracht, das er das Wort ‚schleifen‘ wiederholte, als er ihm den Auftrag erteilte.

„Donnerfels ist in Aufruhr und ich werde nicht darauf warten, bis sie mich im Schlaf ermorden. Sie wollen das wir uns entscheiden. Entweder für den Thronhüter oder für den Kampf gegen ihn. Der schwarze Zahn hat schon seit Jahrhunderten Wacht an der Grenze gehalten. Wir überstehen keinen Krieg gegen den Thronhüter. Gegen die Lehnsherren gewinnen wir auch nicht. Egal welche Entscheidung ich treffe. Die Gegenseite wird mich ermorden lassen.“

„Dann wärst du halt gleich von der Klippe gesprungen, statt meine Zeit zu vergeuden.“

„Wie sprichst du mit mir?“ sie wirbelte den Kopf herum.

Er zuckte mit den Schultern. „Verzeiht, warum seid IHR nicht gleich von der Klippe gesprungen?“

Sie schnaubte. „Weil ich leben will, ist das für einen Drecksmörder unverständlich? Warum springst du nicht von irgendwelchen Klippen, das erspart deine Jagd nach mir.“

Er lachte. „Den habe ich verdient. Weglaufen ändert doch nichts, dann töten sie Euch halt nicht in der Burg, sondern im Wald, was soll's?“

„Ich muss nach Orsin.“ Sie bliebt stehen und er rollte genervt mit den Augen.

Adrianne sah ihn freiheraus an. „Ich bezahle dich wenn du für mich gehst.“

„Wohin? In die weiße Stadt? Wozu?“

„Die Prinzessin suchen.“

Er schwieg. Das lächerliche Gerücht war ihm schon oft zu Ohren gekommen, doch seit bekannt wurde, das Evelias Krönung kurz bevorstand, schien es das aus dem Horrormärchen und Gerücht ein sehnlicher Wunsch wurde. Und er konnte dieses Flehen nachvollziehen, denn Donnerfels stand vor einem Krieg und wenn die Prinzessin tatsächlich am Leben war und ihren Platz einnahm, würde dies einen Krieg verhindern.

„Also?“

„Das ist n‘ Witz, oder?“ antwortete er und sie lief rot an.

„Nein ist es nicht! Sie lebt und ich muss sie finden.“

„Woher stammt diese Überzeugung?“

„Ein Gardist! Ich erzähle keinen Scheiss. Ein Gardist der Felsengarde hat sie bei der Eroberung gesehen, als sie Donnerfels verlassen hat. Sie ist nicht getötet wurden. Und selbst wenn. Bring mir den Beweis ihres Todes und ich werde dich fürstlich entlohnen. Ich gehe zum schwarzen Zahn zurück, aber nur, wenn du sie suchst. Das könnt ihr dreckigen Attentäter am besten.“

Er stöhnte und kratzte sich mit der Spitze des Dolches am Kinn. Seine Verpflichtung gegenüber dem Adelshaus stand außer Frage und ob sie wollte oder nicht, sie würde ihr Erbe antreten.

„Was grübelst du da noch? Wenn Krieg ausbricht, bist auch du betroffen!“

„Was für ein Beweis soll das sein?“ fragte er und dachte bei sich: Verzogenes Gör.

„Etwas plausibles. Sprich mit denen die im Schloss waren. Mir völlig gleich. Wenn sie wirklich tot ist, dann …“

Er grinste. „Fehler im Plan gefunden? Was ändert es dann?“

Sie zögerte und er runzelte die Stirn. Das Mädchen hielt mit ihren wirklichen Absichten zurück.

„Ihr wollt mich anheuern, also sprecht.“ Murmelte er gelangweilt und ließ die Klinge des Dolches immer wieder an seine Wange tippen.

„Das Blut von Donnerfels reicht in die gesamte Welt. Soweit ich weiß, lebt das Haus Donnerfels der Zwerge immer noch fort. Ich weiß, das immer wieder ein Zwerg über Donnerfels regierte, seit dem ersten Zwergenkönig.“

„Mhm. Und die Zwerge wiederum werden von einem Drachen regiert und eigentlich bin ich gar kein Jäger sondern eine Fee. Ihr solltet die Märchen vergessen und euch auf das Regieren konzentrieren.“

„NEIN!“ sie schüttelte den Kopf. „Es war ein offenes Geheimnis. Bis vor fünfzig Jahren verkehrten regelmäßig Zwerge im Schloss. Die Alten erzählen sich immer noch Geschichten davon. Sie haben ein Anrecht auf den Thron. Sie regierten zur Geburtsstunde des Königreiches und sie regierten immer wieder in den Geschichten von Donnerfels. Du kennst die Erzählung von der Belagerung durch die Nordstämme?“

Er runzelte die Stirn.

„Du zweifelst? Glaubst du wirklich der König hat die Waffen damals geschmiedet?“

Die legendäre Belagerung von Donnerfels durch die Stämme aus dem Norden des Königreiches wurde beendet, als der belagerte König die Schmieden der Stadt zum Glühen brachte und seine Gardisten mit schwarzen Rüstungen und Hellebarden ausstattete. Er schmiedete den schwarzen Felsen. Etwas was seitdem keinem wieder gelang und er gab zu, die Geschichte war einem Zwerg eher zuzutrauen als einem menschlichen König.

Sie lächelte triumphierend. „Ich will nicht mehr, als das ein Donnerfels regiert. Für Donnerfels, für das Volk.“

„Für dein beschissenes Leben. Gold reicht nicht.“

„Was?“ sie blinzelte.

„Du hast mich verstanden, biete mir mehr als Gold.“

„Und was genau, du dreckiger Schuft? Das verdammte Lehen oder was verlangst du?“

Er grinste. „Ich will ein Schloss, ja, aber nicht deines. Ich will die Schwingen neu gründen. Eine neue Gilde und du machst das möglich.“

Sie stöhnte. „Wenn es nur das ist, meinetwegen, aber das gilt nur, wenn ein Donnerfels auf den Thron steigt.“

„Abgemacht.“

 

Karte zu Riam

Kapitel 2- Aufbruch

Als der Zwergenkönig den Thron bestieg fertigte er mit Hammer und Meißel eine Krone aus dem Felsen an, auf welchem sich das Schloss erhob. Sie war schwer, grau und feine Arbeit hatte die Geschichte Donnerfels illustriert. Ein Drache schlang sich kunstvoll um das Symbol des zerborstenen Steins, altzwergische Runen zierten die prächtigen Bilder.

Die Krone ruhte auf einem samtenen Kissen in der Schatzkammer des Königshauses. Sie war von Nahem unglaublich filigran und wunderschön doch von Weitem nicht mehr als eine Krone aus grauem Stein.

In mitten der Schatzkammer vor dem Sockel auf welchen die Krone ruhte, stand der Thronhüter. Hochgewachsen, feine Gesichtszüge und dünnes blondes Haar.

Evelias von den Weiden streckte seine schlanken Finger nach der Krone aus und strich sanft über die Schuppen des Drachen.

Er verwahrte sie seit sieben Jahren an diesem Ort und schon bald nahte der Tag, an welchem er fortan ihr Gewicht tragen würde.

Kein Tag war vergangen, an denen er sich nicht fremd fühlte, im Heim seiner Tante. Die Schwester seiner Mutter war seit der Heirat mit dem Haus Donnerfels nie mehr in die Weiden zurückgekehrt.

Evelias lächelte, als er sich an seine Besuche in diesem Schloss zurückerinnerte. Er blickte an den Kisten und Fässern hinauf und sah die Kinder des Königshauses vor sich. Der Älteste der genau dort stand, wo sich jetzt die Krone befand und seine Geschwister ausschimpfte.

Evelias blickte zu seiner Linken auf ein Faß und sah schemenhaft die Prinzessin mit ihrem wallendem, schwarzem Haar, die die Hände in die Hüfte stemmte und ihrem Bruder die Zunge heraus streckte. Die Gestalt verblaßte und zurück blieb Staub und ein schwermütiges Gefühl.

Evelias hatte besonders zu ihr ein gutes Verhältnis gehabt. Er senkte den Blick und seufzte.

Als die Nachricht vom Rauch über der Stadt Donnerfels seine Heimat erreichte, fackelte seine Mutter nicht lange. Schon lange war sie seiner überdrüssig und ihren Sohn in den Krieg zur Errettung Donnerfels zu schicken, erschien ihr als die diplomatischere Lösung, ihren Sohn loszuwerden.

Sei stellte ihm die goldene Armee des Königreiches zur Seite und so rückte Evelias, als Befehlshaber aus. Seiner mangelnden Erfahrung zum Trotz brachte er die Truppen nach Donnerfels, doch als sie eintrafen, schwellten die Brände nur noch schwach und von den Eroberern keine Spur. Die Überlebenden nahmen von Evelias kaum eine Notiz, als er mit der goldenen Armee durch die gesprengten Tore und die zerschmetterten Straßen schritt. Er erinnerte sich an die Brände, die besonders in den Vierteln an der Stadtmauer Wochen andauerten. Da es keine Truppen zu bekämpfen gab, erteilte Evelias seiner Armee, die es gewohnt war, Schlachten zu schlagen, Befehl, die Feuer zu löschen und den Bürgern zu helfen.

Der goldene Sohn gewann an diesem Tag die Dankbarkeit der Bürger der Stadt, verlor jedoch den Rückhalt seiner Soldaten.

In sieben Jahren hatte er er es vollbracht, das die Schäden der Eroberung gänzlich aus dem Stadtbild verschwanden und das Königreich weitestgehend nach den Regeln des alten Königshauses weiter regiert wurde.

Evelias lächelte traurig, als seine Finger über die Darstellung des ersten Zwergenkönigs auf der Krone glitten.

Als er mit seinen Soldaten das Schloss betrat und sich auf die Suche nach der Königsfamilie machte, hatte er die leise Hoffnung das sie überlebt hatten. Die verletzten Männer der Felsengarde faselten immer wieder davon, das sie entkommen sei. Er selbst war in die Gemächer der Königsfamilie gestürmt und fand fünf Leichen in ihrem eigenen Blut, niedergestochen, niedergestreckt und kalt und steif. Der Glanz der goldenen Augen erloschen, das schwarze Haar getränkt in schwarzem Blut.

Die merkwürdigen Umstände der Eroberung von Donnerfels beunruhigten ihn und er rief den Orden der Bewahrer und die Loge der Magier nach Donnerfels, den Mord der Krone zu untersuchen. Der glorreiche Held Rias kam in das Schloss zusammen mit einem anderen Nord, einem Bewahrer. Sie untersuchten die Stadt und das Schloss und fanden keinen Hinweis auf die Eroberer. Ein Heiler und ein Diener bestätigten die Identität der Toten. Die Blutlinie von Donnerfels war versiegt, der König war tot.

Seitdem haderte Evelias mit sich, die steinerne Krone von Donnerfels an sich zu nehmen. Es brächte ihm das Königreich, das ihm seine Mutter aberkannt hatte. Noch dazu hatte Königin Falla von den Weiden in ihrem eigenen Reich genug Sorgen, das sie keine Macht über ihn hätte, doch jedes Mal wenn er vor der Krone stand, ihre filigrane Geschichte berührte, dann spürte einen kalten, schweren Stein in seinem Magen. Wenn auch fernab der Weiden, so würde Donnerfels von seiner Krönung an, zu den Weiden gehören. Der Vereinigung der Kronen, eine Gemeinschaft der Könige des östlichen Kontinents, sähe darin einen Verrat an dem Friedenspakt, den sie vor langer Zeit schlossen um die andauernden Kriege an den Grenzen zu beenden. Auch nach sieben Jahren, sprach keine andere Krone darüber, weshalb sie Donnerfels ihm, Evelias, überließen. Sie sprachen es nicht offen aus.

Der Blonde verzog die Lippen zu einem ledigen Lächeln.

Sie glaubten nicht, das er das Gewicht der Krone tragen würde. Zweifellos vertrauten sie darauf, das einer der Lehnsherren von Donnerfels ihrem Eingreifen zuvor käme und somit säße wieder ein Donnerfelser auf dem Thron und das Gleichgewicht der Mächte wäre wieder hergestellt. Zweifellos würden die anderen Kronen die Lehnsherren im Geheimen dabei unterstützen.

Evelias kam nicht umhin, selbst an einen Komplott zu glauben. Er hatte die Stadt seit seiner Ankunft nicht verlassen, obgleich es zu seinen Pflichten gehörte zu den Lehen zu reisen.

Doch nun nahte der Tag, an welchem er als neuer König von Donnerfels gekrönt werden sollte. Königin Falla hatte die Warterei satt. Keine andere Krone erhob Anspruch auf Donnerfels und sie hatte zweifellos ein großes Interesse daran Ihr eigenes Königreich in den Westen zu erweitern. Weshalb sie jedoch, im Gegensatz zu den anderen Kronen, darauf vertraute, das Evelias dieser Aufgabe gewachsen war, war ihm schleierhaft.

Das Volk war beunruhigt über diese Entwicklung. Es gab Stimmen die behaupteten, das lediglich Zwergenblut ein Anrecht auf den Thron hätte und weitere Stimmen beharrten darauf das die Thronerbin überlebt hätte. An manchen Tagen, wenn die Erinnerung an seine Besuche im Schloss seinen Schlaf raubte, da wünschte er sich, das etwas dran wäre, am Sehnen des Volkes, das die Prinzessin am Leben war.

„Eure Hoheit.“

In der Tür der Schatzkammer stand der Hauptmann der Felsengarde. Ihm fehlte ein Auge und Narben zogen sich hier und da über das Gesicht. Sein schiefer Mund verlieh ihm einen grimmigen Ausdruck.

„Barthas.“ Antwortete der Thronhüter und löste sich von der steinernen Krone. „Habt Ihr die Garde im Hof versammelt?“

„Jawohl, Hoheit. Die verehrte Königin Falla von den Weiden, erste Königin der Annalen des -“

"Die kurze Version bitte.“

Barthas räusperte sich. „Die Königin sandte einen Boten. In drei Tagen wird sie eintreffen.“

„Drei Tage sind eine kurze Zeit, einen guten Eindruck vorzutäuschen.“ Murmelte Evelias und schritt an Barthas vorbei aus der Schatzkammer heraus. Der Hauptmann folgte ihm. Zwei Wachen, die die Tore der Kammer flankierten, schlossen hinter Ihnen die eichenen Holztüren. Sie schwangen donnernd zu und verbargen die Krone aus Stein in Dunkelheit

„Eure Hoheit, es wird nicht notwendig sein etwas vorzutäuschen.“ Sagte Barthas. Er nahm die Arme hinter seinem Rücken und lief aufrecht. Er hatte davon abgesehen innerhalb des Schlosses seine Platte zutragen. Dennoch wirkte er beeindruckend in seinem schwarzen Gambeson. Es war eine edle Arbeit. Die Nähte der einzelnen Polsterungen waren mit einem hellgelben Garn genäht, der auf dem schwarzen Stoff fast golden wirkte. Das Metall des schwarzen Leders der Schnallen war in Gold gehalten. Der Gambeson fiel über ebenso edel genähte und gepolsterte Beinlinge, die wiederrum über schwarze enganliegende Beinlinge getragen wurden. Seine Stiefel zierten Gamaschen mit goldenen Beschlägen. An seiner Hüfte hing ein breites, langes Schwert in einem fein gearbeiteten Schwertgürtel.

Er bewegte sich aufrecht und steif, als trüge er seine Plattenrüstung unsichtbar am Leib. Als Hauptmann der Felsengarde, war Barthas das erste Gesicht, das Evelias vor sieben Jahren in Donnerfels erblickte, von schweren Wunden gezeichnet, die ihm als üble Narben geblieben waren. Barthas wurde über die Zeit mehr als ein Hauptmann für ihn. Er kannte das Königreich und das Gemüt der Menschen des Landes und Evelias schätzte seinen Rat.

„Barthas.“ Sagte Evelias und klopfte dem Hauptmann freundschaftlich auf die Schulter, „Ich bin dankbar, Euch an meiner Seite zu wissen. Doch ich bin kein Narr. Ich weiß, das sich ein Aufstand gegen mich regt. Dies wird auch meine teure Mutter wissen. Ich höre sie bereits, wie sie ein vernichtendes Urteil über mich fällt.“ Er seufzte und seine hellbraunen Augen blickten schwermütig zur Decke herauf. „Ihr nichtsnutziger Sohn und seine nicht enden wollende Liste des Scheiterns.“

Barthas grunzte, „Die werte Königin wird verstehen, das dieses Land nicht das Ihre ist.“

Evelias stoppte und sein goldenes Gewand strich sanft über die steinernen Platten. „Wie meinst du das?“

Barthas lächelte. Aufgrund seiner Narben wirkte es bösartig. „Ihr befehlt in diesem Land, Hoheit, nicht die werte Königin Ährentals.“

Evelias runzelte die Stirn, nickte und schritt voran. Gefolgt vom Hauptmann. „Ich dachte bereits daran, das die kommenden Tage eine Menge Ärger bringen werden. Ich sehe es genau wie du, Barthas. Sie wird sich mir fügen müssen und glaub mir, der Gedanke erscheint mir unheimlicher, als mir ihre Predigten über mein Versagen vorzustellen. Ich werde in der Zeit ihrer Anwesenheit mehr Rückhalt benötigen als in den Jahren zuvor.“

„Ihr könnt euch auf mich verlassen, Hoheit.“

Der Gang endete an ein paar Stufen die sie emporstiegen.

Sie betraten die Felsenhalle. Das Herz des Schlosses. Ihrem Namen gerecht werdend befand sich im Zentrum ein eben geschliffener Felsen. Die Schöpfer des Baus hatten die Form des Felsens beibehalten, ihn jedoch so glatt und eben geschliffen, das keine Unebenheit darauf verblieb. Darauf stand der steinerne Thron, nebst zwei kleineren. Der Thronsaal war rund gehalten und ragte hoch auf. Der prächtigste Raum, war zugleich der Kälteste im gesamten Schloss. Die Fackelschalen am Fuße der prächtigen, von Amethysten durchsetzten Säulen, vermochten es kaum diesen großen Raum zu wärmen.

Der Thronhüter wandte sich ab vom glatten Felsen und schritt durch die Flügeltore hinaus in den Hof.

Die Gardisten schlugen die Füße zusammen und richteten ihre Hellebarden auf, als der Thronhüter vor Ihnen trat. Evelias ließ den Blick über die Tellerhelme streifen. Sie trugen Kettenhemde und an ihrem blauen Waffenrock prangte der gelbe, zersprungene Fels. Die Felsengarde war so alt und legendär wie das Königreich selbst. Der erste König, der Zwergenkönig Durindar Donnerfels soll die ersten Gardisten im Kampf gelehrt haben. Seitdem pflegte die Garde ihre eigenen Traditionen und schwor dem Königreich zu dienen und das Volk zu schützen.

„Vor mir stehen tapfere Männer, Gardisten, der ehrenwerten Felsengarde.“ Evelias verschränkte die Arme hinter dem Rücken und begann auf und ab zu schreiten. Im einfallenden Sonnenlicht schimmerten die goldenen Nähte und Stickereien seines Gewandes. „Männer die schworen, das Volk von Donnerfels mit ihrem Leben vor Unheil zu bewahren und dennoch…“ er erhob die Stimme und sie hallte über den Innenhof, „… glauben diese Männer an Ammenmärchen! In Orsin versteckt sich ein räudiger Hund, der der das einfache Volk von Donnerfels einfängt und versklavt, doch diese Männer, hier vor mir-“

Die Gardisten tauschten vereinzelt Blicke.

„-jagen lieber einem verdammten Gespenst nach!“ donnerte Evelias und wandte sich mit seinem Oberkörper den Gardisten entgegen. „Mir ist nicht entgangen, das die Felsengarde an die Gerüchte über die verfluchte Prinzessin von Donnerfels glaubt. Mir ist ebenso nicht entgangen, dass die Gardisten Zweifel an mir, als ihrem König, haben. Fortan steht meine Tür offen für jeden Zweifler. Es ist mir eine Freude euch persönlich den Kopf von euren unnützen Schultern zu schlagen.“

Evelias hielt inne. Er atmete tief ein und strich mit einer Hand über seine glatten, blonden Haare, die in einer seidigen Bewegung über seinen Rücken fielen.

„In einigen Tagen wird Königin Falla von den Weiden das Schloss erreichen. Sie wird eine Krone tragen und sie wird Befehle erteilen. Doch sie ist die Königin der Weiden und somit-“

Evelias lächelte warm, „-nicht eure Königin.“

Er wandte sich ab und der Hauptmann trat an seiner statt vor die Gardisten und donnerte ihnen weitere Befehle entgegen.

Evelias schritt rasch in die Felsenhalle zurück. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Soeben hatte er die Felsengarde angewiesen den Befehlen seiner Mutter nicht zu folgen. Barthas Worte hatten ihn bestärkt. Sie war fern ihrer gemeinsamen Heimat und die Donnerfelser würden zweifellos keinem König folgen, der einer fremden Königin die Befehlsgewalt überließ.

„Starke Worte.“ Säuselte eine ölige Stimme, die im weitem Raum der Felsenhalle von den prächtigen Säulen echote, wie ein Flüstern und zischelndes Wispern.

„Xaravas.“ antwortete Evelias und hinter dem Thron kam eine Gestalt hervor, die sich lässig an den kalten Stein lehnte.

„Es scheint, als würde dieses Land euer Herz zu hartem Stein schmieden, Hoheit.“

„Und ihr genießt euren Aufenthalt in Orsin.“ Entgegnete der Thronhüter verbissen. „“Ihr sagtet, das Ihr euch um die Sklavenhändler in Orsin kümmert. Ihr verspracht innerhalb von sieben Tagen sei die Angelegenheit erledigt. Nun bricht bald der achte Tag an, an welchem die Häfen geschlossen sind. Und Ihr erscheint ohne den Kopf des Bastards?”

Xaravas lächelte. Es war ein kaltes, hochnäsiges Lächeln. “Mit Verlaub Majestät, nannte ich euch dieses Ergebnis, so Ihr mir freie Hand lasst. Stattdessen sind eure Soldaten durch die Häfen gezogen und plünderten die Kammern der Schiffer. Die Sklavenhändler wurden dadurch gewarnt und halten sich seitdem bedeckt. Dies ist zweifellos eine Angelegenheit der Loge und somit meine Angelegenheit. Ich verstehe das Ihr eurem Volk gegenüber, eine Verantwortung habt, gerade angesichts eures wackelnden Throns-”

„SCHWEIGT!” donnerte Evelias und sein Gesicht verzog sich vor Zorn.

„Hoheit.“ Barthas trat in den Thronsaal an die Seite seines Königs. Die Hand ruhte auf dem Griff seines Schwertes. Evelias hob die Hand und Barthas liess die Seine wieder sinken. „Es mag eure Angelegenheit sein, abtrünnige Magier zu jagen, so ist es meine mich um den Thron zu scheren. Hinter euren Büchern verborgen, blickt ihr Magier auf die Welt, als sei sie nicht mehr als eine interessante Geschichte aus euren staubigen Bibliotheken. Ich habe den Eindruck, das ist auch genau das was ihr bisher getan habt: Zugesehen.”

Xaravas Lächeln wurde breiter. “Majestät ist sehr scharfsinnig. Meine Raben sind überall. Sie sitzen auf Dächern und schauen und lauschen. Ich bin den Sklavenhändlern auf der Spur. Scheinbar hatten sie sich nördlich von Riam in einer Hütte niedergelassen und überfielen von dort Reisende auf dem Weg nach Orsin. Nur...” Xaravas legte den Kopf in den Nacken und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Er wippte auf seinen Fußballen vor und zurück. “Es war reichlich merkwürdig, dass diese Hütte scheinbar von einem Magier aufgesucht wurde. Sämtliche Sklavenhändler tot, ermordet, auf bestialische Art.”

„Ein Magier, der gründlicher arbeitet als Ihr?”

„Wohl kaum, es erregt Aufsehen und Aufsehen erregen ist nicht meine Natur. Angeblich sei der Fluch der Prinzessin die Ursache gewesen.”

Evelias Zorn wuchs. “Ihr sagtet, dieses Gerücht wäre Humbug.”

„So ist es, Hoheit. Unsinn, Geplapper des einfachen Volkes. Möglich das der Magier der Sklavenhändler, selbst dahinter steckt um sich jener zu entledigen, die zu viel Aufsehen erregen um meinen Blick von sich abzuwenden. Seht, sie wissen, das sie beobachtet werden und einige ihrer Männer überfallen Reisende und besetzen einen Hof. Es ist einfacher, sich solcher Narren zu entledigen, als zuzulassen, von mir entdeckt zu werden. Nun, wie dem auch sei. Ich werde in Kürze den abtrünnigen Magier zur Strecke bringen und so die Götter es zulassen, wird sich das Gerücht um die Prinzessin auflösen. Wenn die verehrte Königin eintrifft, so wird ihre Schönheit jegliches Schauermärchen aus den Köpfen vertreiben und die Schiffe verlassen Orsins Häfen.” endete Xaravas und legte eine Hand auf seine Brust und beließ die andere auf dem Rücken. Er beugte sich leicht vor, den Blick gesenkt, in demütiger Haltung.

„Drei Tage.” erwiderte Evelias mit monotoner Stimme.

Der Magier blickte auf. “Die Hoheit hat es eilig ihren Sohn zu sehen. Drei Tage sind mehr als genug.”

Er verbeugte sich abermals tief und schnipste mit den Fingern. Mit einem breiten Grinsen trat er einen Schritt zurück und löste sich in Nichts auf.

“Ich trau dem Kerl nicht.” grummelte Barthas und steckte das Schwert zurück in die Scheide. Evelias blickte noch einen Augenblick auf die Stelle wo der Magier verschwunden war.

„Ihr hättet mit eurem Schwert nichts ausrichten können, mein Freund. Der Magier war nicht wirklich hier.“

Barthas blinzelte und Evelias lächelte. „Magier, Barthas.“ Er klopfte ihm auf die Schulter. „Elendige Magier.“

 

II

 

Hebt die Humpen und hört die Mär,

Vom Herrn unter dem donnernden Berg.

Stampft mit den Füßen und ruft seinen Namen

Donnerfels, der König unter den Zwergen

 

Als Smodur das Land verheerte

Und jegliche Hoffnung mit seinen Flammen verzehrte,

Erhob sich ein Krieger, von schmaler Gestalt

Ergriff sein Schild und sein kurzes Schwert.

 

Seine Füße trugen ihn über das g’schundene Land

Obgleich seine Hoffnung zusehends schwand.

Keine Seel verweilte in der Ödnis

Keiner folgte ihm in sein Wagnis.

 

Hebt die Humpen und hört die Mär,

Vom Herrn unter dem donnernden Berg.

Stampft mit den Füßen und ruft seinen Namen

Donnerfels, der König unter den Zwergen

 

Vor den Donnerfelsen schreckte er nicht zurück

Mit Picke und Seil wagte er sein Glück

Erklomm das schroffe Gestein

In Sehnsucht, das Ziel möge nicht mehr ferner sein.

 

Da sah er die Zinnen, der Zwergenfeste gar

Sich abhoben von weißem Berg, als sei sie immerdar

Er schlug mit den Fäusten ans steinerne Tor

Heda, Zwerge! Ich bin der Held der Sterblichen, Hört meinen Namen:

Galor

 

Hebt die Humpen und hört die Mär,

Vom Herrn unter dem donnernden Berg.

Stampft mit den Füßen und ruft seinen Namen

Donnerfels, der König unter den Zwergen

 

Der Herr der Zwerge erhöhte sein Flehen

Mensch, ich werde mit dir gehen

Das der Wurm sein Ende findet

Durch meine Axt und euch den Frieden bringet

 

So zogen sie aus und erschlugen das Vieh!

Ich sage euch, das war ein Sieg!

Galor ernannte seinen Freund zum König

So endet die Mär vom Zwergenkönig

 

Hebt die Humpen und hört die Mär,

Vom Herrn unter dem donnernden Berg.

Stampft mit den Füßen und ruft seinen Namen

Donnerfels, der König unter den Zwergen

 

Hebt die Humpen und hört die Mär,

Vom Herrn unter dem donnernden Berg.

Stampft mit den Füßen und ruft seinen Namen

Donnerfels, der König unter den Zwergen”

 

Lafinas Stimme erfüllte den Schankraum bis hinaus auf die matschigen Straßen Riams. Manche zurückgekehrte Fischer warfen einen neugierigen Blick in die Taverne, in der Goldfingers Männer ausgelassen mitjohlten. Trotz dieser Lautstärke, schaffte Lafina es, dass ihre Stimme darüber tönte, sanft und kräftig zugleich.

Ihre Finger glitten über die Saiten der Geige und sie wog ihren Körper im Takt ihres eigenen Liedes über den Tresen.

Goldfinger lächelte sanft während ihres Gesangs. Rias trank schweigend und Malis sah bewundernd und überrascht dem Spiel der Elfe zu.

Goldfingers Männer brachen in Jubelrufen aus. Lafina verbeugte sich übertrieben und kehrte zu der Runde zurück.

Malis war völlig eingenommen von dem wundervollen Gesang der Elfe und gleichzeitig überrascht.

„Das ist es doch, oder?“ sagte Lafina. Ihre Wangen glühten und ihre Augen glänzten.

„J-Ja.“ Sagte Malis, „Im Groben. Die wahrhaftige Geschichte ist weitaus komplexer, doch elementar ist Smodurs Tod. Er starb durch die Axt eines Zwerges. Er war ein Titan. Titane sterben nicht einfach, sie kehren zurück. Nachdem Tod des Drachen sorgte ein Magier der Abenteurer dafür, das die Gebeine nicht wieder auferstehen. Doch der Zorn des Titanen hielt an. Um den Zorn zu bändigen, tränkte er die Gebeine regelmäßig mit Zwergenblut. Nur ein wenig. Diese Tradition lebt bis heute fort. Einmal im Jahr, ein Tropfen Blut.“

Rias schwenkte seinen Humpen und ohne sie direkt anzusehen begann er: „Das ist Blutmagie. Ein Königreich fussend auf Blutmagie. Das ist wirklich bezaubernd. Was passiert, wenn das sieben Jahre lang nicht passiert?“

Malis schluckte, angesichts dessen was sie möglicherweise ausgelöst hatte. Würde er das vor die Loge bringen?

„Smodur erwacht.“

„Was? Quatsch, das ist doch Blödsinn?“ fuhr Goldfinger dazwischen.

„Ich halte es für möglich. Der Magier legt einen Bann gebunden an den letzten Gedanken des Besiegten. Ein Drache in Zorn und im Todeskampf wird dem Zwerg, der ihn tötet den Kopf abbeißen wollen. Damit braucht der Magier nur eine Quelle, die die Magie des Banns aufrechterhält, eine Quelle die der Natur der Magie entspricht. Das Zwergenblut. Das Blut der Familie Donnerfels.“ Er seufzte. „Jedes Jahr also. Wenn es jedes Jahr notwendig war, dann ist es zu spät.“

Malis letzte verbliebene Hoffnung zerschellte. „Zu spät?“

Die grünen Augen blickten sie an, ernst und besorgt zugleich. „Es stimmt. Smodur gehört zu den Titanen. Wenn es nach der Kirche geht, war es Smodur, der die Berge formte. Aber was er formte, war das Land vor den Bergen. Es war eine weite Ödnis und er tat es, weil es ihm Spaß bereitete. Das Wesen der Titanen ist schwer zu beschreiben. Sie kennen weder Gut noch Böse. Sie tun, was ihnen beliebt und Recht erscheint.“ Rias beugte sich vor und stellte seinen Humpen vor sich. „Eine Gottheit folgt einer Tugend, einer Regel und einem eigenen Gesetz. Sie sind daran gebunden. Aetherius ist das Leben, er nimmt es nicht, er gibt es und was immer Aetherius tut es strebt danach Leben zu schaffen. Seine Regel, Tugend, daran ist er gebunden. Wir wissen, das sogar Dämonen solchen Gesetzen folgen.

Titaten allerdings sind an kein Gesetz gebunden.“ Er stellte eine Tonflasche dem Humpen gegenüber. „Während Götter über ihre Domäne herrschen, bewegen sich Titanen zwischen den Welten. Sie sind die einzigen, mir bekannten Wesen, die es mit einem Gott aufnehmen können. Wenngleich es eine zähe und knappe Entscheidung wäre. Sie sind frei von der Beeinflussung höherer Wesen.“ Er drehte seinen Zeigefinger und aus dem Humpen stieg golden schimmernder Met empor. Wie eine Schlange verdrehte der Met sich in der Luft und verformte sich schließlich zu einer kleinen Gestalt, mit einem Kelch in der Hand. Die Metgestalt lief über den Tisch. Aus seinem Humpen wiederrum reckte plötzlich eine Klaue hervor, gefolgt von einer zweiten und ein kleiner Echsenkopf geformt aus Bier kletterte auf den Rand des Humpens. Im Inneren des Bierdrachens waberte weißer Schaum und als die Miniechse ihr Maul öffnete spie sie den Schaum aus. Die Bierechse blickte auf die Metgottheit herab.

„Es widerspricht Aetherius Tugend, das der Drache tut, was er tut, aber er kann nicht gegen den Drachen ziehen, denn auch das widerspricht seiner Tugend.“

Die Mettgottheit wandte sich ab und formte sich wieder in eine Schlangengestalt und entschwand zurück in die Flasche.

„Du sollst doch einen Titanen am Erwachen gehindert haben?“ mischte sich Goldfinger ein. Der Bierdrache hüpfte indes vom Krug und spie weiter Schaum aus, der sich auf dem Tisch verteilte. Malis und Lafina blickten fasziniert auf das kleine Kunststück.

„Das stimmt. Ashia. Ich wäre fast draufgegangen. Auf dem Westlichen Kontinent herrscht völliges Chaos. Es waren jedoch keine sieben Jahre vergangen, sondern weniger als eine Woche.“

Malis sah zu Rias auf. „Wenn Smodur erwacht hat das verheerende Folgen. Ich muss etwas unternehmen.“

„Vorher bricht Krieg aus.“ Fiel Goldfinger dazwischen. „Solange der Krieg droht, wird es unmöglich einen Titanen aufzuhalten, der sich nicht mehr aufhalten lässt.“

Der Magier drehte den Zeigefinger erneut und der Bierdrache tapste in den Humpen zurück.

„Wenn es so dramatisch ist, warum steht Donnerfels noch?“ fragte Lafina an Rias gewandt. Der zuckte mit den Schultern. „Damals ist mir aufgefallen, dass das Schloss voller Magie ist. In den Wänden und auf den zahlreichen Säulen sind zwergische Schutzzauber verewigt. Möglich, dass das die Auferstehung bislang verzögert. Doch da ist noch ein anderes Problem. Dieses Ding, das in der Prinzessin haust.“

Malis spürte heißbrennenden Zorn der nicht ihrer war, welcher durch ihre Adern pulsierte.

Sie biss sich auf die Lippen doch Rias funkelnde Augen, hatten sie bereits ins Visier genommen.

Lafina nutzte den Moment und fingerte nach dem Papierstück auf welchem die Prophezeiung stand und zog sie zu sich heran.

„Es hört zu, richtig?“ fragte Rias und Malis nickte. Sie spürte Empörung und verdrängte das Verlagen des anderen Bewusstseins, in Erscheinung zu treten. „Diese Art von Besessenheit ist merkwürdig. Diese Kreaturen fressen ihren Wirt innerhalb kurzer Zeit. Dieser hier scheint keine Anstalten zu machen seinen Wirt zu vernichten.“

„Oh.“ Entfuhr es Malis, als sie ein gänzlich anderes Gefühl vernahm, das nicht das ihre war. Sie konnte es nicht anders benennen, aber es schien als würde das Andere lächeln.

Rias runzelte die Stirn. „Was?“

„N-Nichts, ich weiß nicht. Ich… Ich habe nicht den Eindruck das es mir schaden will. Erst zwei-… einmal habe ich die Kräfte des Wesens gebraucht. Wie ich erzählte, es rettete mich vor den Soldaten.“

Rias schwieg und sah sie weiterhin eindringlich an.

Sie spürte Belustigung und vernahm erneut eine leise Stimme: Er weiß, das du lügst.

„Vi…Vielleicht ist es nochmal passiert.“ Gestand sie ein.

„Mhm.“ Murmelte Rias.

„Vor Riam scheinen Banditen die verlassenen Höfe übernommen zu haben.“ Sagte Malis und Unruhe stieg in ihr auf. Fern von diesem Ort roch sie das Blut, den Schweiß und spürte die Griffe an ihren Armen, das Zerren an ihren Kleidern.

„Eine Plage. Die Felsengarde unternimmt nichts dagegen.“ Sagte Goldfinger.

Rias indes musterte Malis sehr scharf. „Ich nehme an, das Problem ist beseitigt?“

Lafina sah von dem Papierstück auf und auch Goldfinger blickte beide mit gerunzelter Stirn an. Malis sagte nichts. Rias stöhnte und bedeckte mit beiden Händen sein Gesicht. „Bei Roggvirs Selbstgebrautem, wo bin ich da nur reingeraten.“ Nuschelte er hinter seinen Händen.

„Was soll das mit den Banditen?“ fragte Lafina.

„Nichts.“ Gab Rias wieder und liess die Hände sinken. „Ich kümmere mich darum. Diese Prophezeiung spricht auch von zwei Seelen.“

Ich sagte dir, fackele es nieder.

Malis schluckte und ignorierte das Andere.

„Ja das tut sie und das sie zu trennen sind, das ist doch ein Anfang.“ Lafina breitete den Zettel aus und deute mit einem Finger auf die Stelle. „Zwei Seelen sind voneinander zu trennen. Zurück zum Ursprung der Magie. Ist das ein Hinweis, wie das Ding von Malis zu trennen ist?“

„Diese kryptische Scheiße.“ Brummte Rias. „Ich habe Vermutungen. Für gewöhnlich halte ich nichts von solchen Prophezeiungen. Hier war das anders. Ich weiß selbst nicht weshalb und jetzt das hier.“ Er wirkte müde. Lafina grinste jedoch schief.

„Das ist doch das was du täglich machst. Also jammere nicht.“

„Ist dir bewusst, das wir hier von Blutmagie reden?“

„Dämmliche Magier.“

„Dumme Elfe.“

Lafina holte Luft doch Malis hob eine Hand. „Können wir bei der Sache bleiben? Was geschieht jetzt? Wird die Loge über Donnerfels richten?“

„Nicht heute.“ Rias winkte ab, „Donnerfels wird eine verfluchte Prinzessin nicht willkommen heißen. Ich habe noch nie davon gehört, das eine Besessene einfach so geheilt werden kann. Es sei denn…“

Rias griff nach der Prophezeiung. Lafina beugte sich zu ihm rüber: „Aber was ist das mit dieser Urmagie, ist das nicht ein Hinweis?“

Nicht heute.“ Wiederholte Malis leise. „Ausgerechnet ein Logenmagier.“

Goldfinger neben ihr lächelte. „Es war eine, verzeih den Ausdruck, dumme Idee ihn zu packen. Aber besser ihn als andere. Er ist fürchterlich, alt, verkopft und stur. Aber, auch wenn ich nachher kotzen muss, weil ich das jetzt sage, er hat ein gutes Herz.“

Malis sah zu Goldfinger auf, der ihr zuzwinkerte.

„Ich bin weder alt, noch verkopft. Du hast wiederholt Artefakte der Loge-“

„Blahblahblah. Der Drache, die Prinzessin. Zurück zum Thema.“

„Du elende Ratte. Möglicherweise wissen die Kinder Aetherius etwas. Die alten Völker sind vertrauter mit der Urmagie. Die ursprüngliche Magie ist entfesselter und folgt eigenen Regeln, es ist im Übrigen die Magie, die Titanen gemein ist. Menschen verstehen davon nichts. In meiner Zeit an den Akademien habe ich kaum etwas darüber herausfinden können. Die Einzigen die etwas wissen könnten, sind die alten Völker.“ Er seufzte. „Schlummerholz ist nicht weit, dort leben Elfen. Also, richtige Elfen.“

Er grinste breit.

„Ja und die verstehen was von richtiger Magie.“ Erwiderte Lafina grinste jedoch ihrerseits.

„Ich habe die letzten sieben Jahre in Schlummerholz verbracht, nahe am Gebiet des Herrn des Waldes. Ich habe mich in einer verlassenen Halle der Bewahrer versteckt gehalten.“ Malis dachte an die Zeit zurück, als sie den Wald erreichte und sich durch das Unterholz schlug. Als sie von dem lebte was sie fand und ständig Hunger litt. „Ich habe mit einigen Waldläufern gehandelt, doch dann vertrieben sie mich. Ich war ihnen…. Unheimlich.“

„Vertrieben? Wir werden gute Argumente brauchen, diese Reise treten wir gemeinsam an.“

Goldfinger räusperte sich. „Heißt das du gehst mit ihr?“

„Das heißt es, was dagegen? Was wolltest du mit ihr? Soll sie in deinen Tavernen auf den Inseln tanzen.?

Goldfinger schnalzte missbilligend mit der Zunge und Rias beugte sich vor und sprach direkt zu Malis. „Die Banditen, wo?“

„Ähm… Also…“

„Ich weiß was ich vorfinde, wo?“

„Das verwilderte Feld direkt gegenüber den Obstwiesen.“ Erwiderte sie resigniert.

Rias nickte. „Gleich morgen früh brechen wir auf.“

Er stand auf und ging zum Tresen, im Vorbeigehen zwinkerte er den angespannten Freibeutern zu.

Malis seufzte. Sie griff in eine ihrer Taschen und holte einen dicken Schlüsselbund heraus und streckte ihn Goldfinger entgegen. Goldfinger lächelte. „Ich danke.“ Sagte er und Lafina sah beide verblüfft an.

„Das ist der Bund des Aufsehers.“ Sagte sie.

„Dir entgeht nichts, Goldkehlchen. Damit, ist Riam mein. Der räudige Hund ist Sache der Felsengarde. Er hat Menschenhandel getrieben mit den Banditen, die ja nun auch Geschichte sind.“ Wohlwollend grinsend ließ er den Schlüsselbund in seinen Taschen verschwinden und füllte Malis einen Humpen voll Met.

„Und du spannst die Prinzessin ein?“

„Ich hatte einen Mangel an Freiwilligen, zugegeben, nicht der edelste Zug von mir.“

Malis schüttelte jedoch den Kopf. „Nein, ich habe zugestimmt und die Sache war es wert.“

„Der Alte braucht davon nichts erfahren.“ sagte Goldfinger augenzwinkernd.

 

Am nächsten Morgen wartete Malis außerhalb der Taverne auf ihre Gefährten. Sie hatte in der Nacht wenig geschlafen. Obwohl Rias und Goldfinger es sich nicht eingestanden, verstanden sie sich abends zuvor sehr gut. Sie tranken viel zu viel und mit jedem Humpen wurde ihr Umgang miteinander versöhnlicher.

Malis hatte die Kapuze ins Gesicht gezogen. Die Sonne war noch nicht gänzlich aufgegangen. Es lagen Nebelschelier über dem Fluss und Hafen und dennoch herrschte erneut reger Betrieb.

Als Goldfinger ihr das Treiben des Aufsehers eröffnete, machte sie das wütend. Sie konnte es nicht bei dem Diebstahl des Schlüsselbundes belassen und hatte sich abends zuvor aus der Taverne geschlichen. Sie hoffte das sie nun am Morgen die Früchte ihres Werkes genießen würde.

Sie verschränkte die Arme und stemmte einen Fuß gegen das Holz der Taverne.

Eine Kutsche rollte des Weges und hielt am Hafen an. Der braune Kaltblüter scharrte im Dreck und schnaubte. In der kühlen Morgenluft stieß das Tier weiße Atemwolken aus. Östlich von ihr hörte sie ein näher kommendes Plappern.

Sie blickte sich um und sah die Frauen vom Vortag die in einer Gruppe geschlossen an ihr vorbeiliefen.

Das kupferne Haar von Mathilde wog mit jedem ihrer Schritte mit, unter ihren Armen der kleine Zuber.

„Ich war mir sicher, dass ich alles mitgenommen habe.“ Schimpfte sie und eine andere antwortete.

„Wer weiß, so wie du über Riam schimpfst, hast du deine Kleider bestimmt liegen gelassen. Ist ja nicht so, das dich darin bald einer heiratet.“

Schallendes Gelächter brach aus.

Mathilde rollte mit den Augen und beschleunigte ihren Schritt.

Malis lauschte gespannt.

Als die Frauen den Brunnen erreichten schrien sie panisch auf. Sie hörte Tumult und scheinbar ging ein Holzzuber zu Bruch.

Sie lächelte und kehrte in die Taverne zurück.

Lafina saß am Tresen und biss von einem dampfenden Brot ab. Das Geschrei vom Brunnen war sogar im Inneren der Taverne zu hören.

Die Blonde sah zu ihr auf.

„Ganz schöner Krach da draußen.“

„Waschweiber.“ Erwiderte Malis.

Lafina lächelte und stellte eine kleine Flasche auf den Tresen. Sie war aus Glas und leer.

„Kleine Diebin.“ Sagte Lafina, „Hättest mich auch fragen können. In Schlummerholz bekomme ich Nachschub. Dennoch, ich hätte mitgemacht.“

Malis zuckte mit den Schultern. Außerhalb der Taverne wurde der Tumult lauter und an den Fenstern lief ein pummeliger Mann in Frauenkleidern eilig vorbei, verfolgt von einer Gruppe Frauen.

Sie hatte tags zuvor bemerkt, das Lafina an ihrem Waffengürtel ein gläsernes Fläschchen mit brauner Rinde trug. Aus Schlummerholz kannte sie das Material. Es war der Namensgeber des Waldes. Die Rinde einer Trauerweide die nur in diesem Wald nahe des Drachenstroms wuchs, hatte eine einschläfernde Wirkung.

Sie hatte in einem unachtsamen Moment, der Elfe das Fläschchen abgenommen und dann den Aufseher aufgesucht mit einer Flasche schweren Wein aus der Taverne. Er trank die ganze Flasche aus und kippte von seinem Stuhl. Anschließend weihte sie den Burschen ein, der vor Mathildes Fenster lungerte und mit ihm zusammen schafften sie den Aufseher zum Brunnen vor der Taverne. Der Bursche hatte die Idee ihn in Matildes Kleider zu stecken.

Siegessicher nahm sie ein Stück Brot. „Der Bursche war auch Feuer und Flamme.“ Sagte Malis und Lafina lachte. „Wo ist Rias?“

Goldfinger unterhielt sich mit einigen seiner Männer doch vom Weißhaarigen keine Spur.

„Ist in der Früh gegangen.“ Antwortete Lafina. „Wohl wegen deiner Banditen.“

„Oh.“ Malis schluckte und fühlte sich unruhig. Wie würde der Magier auf sie reagieren, sobald er den Bauernhof gesehen hatte?

 

Entlang der Hauptstraße zog ein Tross gen Donnerfels. Eine Kutsche begleitet von ehrbaren Rittern und deren Knappen die zu Fuß im Tross marschierten. An den Rüstungen prangte,auf den Waffenröcken auf grünem Stoff ein goldener Baum mit einzelnen goldenen Blättern.

Die Kutsche selbst wurde von vier schwarzen Rössern gezogen und schien groß genug für zwei Reisende.

Schlicht gehalten, aus dunklem massivem Holz. Die Fenster in den Türen mit grünem Stoff verhängt.

Eine feingliedrige Hand, nahezu weiße Haut und leicht faltig, schob den samtenen Vorhang beiseite.

Fels und Gestein türmten am Wegesrand und in der Ferne ragten die Berge Donnerfels auf, doch eine Zinne hinter Baumwipfeln ließ die Königsstadt bereits erahnen.

Der Vorhang fiel zu.

Königin Falla lehnte sich zurück und streckte ihren schmerzenden Rücken. Die hübsch gepolsterten Holzbänke trügten ihre Knochen nicht, dass es bequemer sei. Die Fahrt um das Gebirge herum in das Königreich verlief holprig und das Poltern schlug sich mit jedem Stein schmerzhaft nieder.

Doch die Stadt war nicht mehr weit. Zweifellos hatte ihr Sohn dafür gesorgt, dass sie ein königliches Gemach im Schloss erhielt. Königin Falla strich mit den Händen über den grünen Saum ihres Kleides. Sie war hochgewachsen von dünner Statur und trug ihr blondes Haar in mit goldenen Bändern geflochten, in einer kranzähnlichen Frisur. Von Haaransatz zu Haaransatz, über die hohe Stirn, glänzte ein feines Diadem mit kleinen Smaragden. Auch hier war ein goldener Baum abgebildet.

Ihre blauen Augen blickten streng, aus nahezu Mandelförmigen, Augen. Das Gesicht spitz, eine Stupsnase und dünne Lippen von zartem Rosa. Am Hals und den Augenlidern zeichneten sich kleine Falten ab.

Ihr gegenüber saß Prinzessin Amalla. Vierzehn Jahre jung, von elfengleicher Schönheit. Das zartblau ihres Kleides ließ ihre hellblauen Augen strahlen.

„Ist es weit?“ fragte sie mit glockenheller Stimme. Falla lächelte. Sie beugte sich vor und zupfte die goldenen Zöpfe ihrer Tochter zurecht. Dann nahm sie das Gesicht in ihre Hände.

„Nicht mehr weit, Liebes.“

„Ob Evelias mich wiedererkennt?“

„Wie könnte er nicht?“

„Es ist lange her.“ Amalla zuckte mit den Schultern.

„Ach Liebes, es ist dein halbes Leben, aber für ihn sind es ein paar Jahre. Er wird glücklich sein, dich wohlauf zu sehen.“

Amalla nickte und schob den Vorhang beiseite um hinaus zu blicken.

Falla lächelte warmherzig. Das Mädchen war ihr ein und alles. Falla zögerte den Tag der Verlobung hinaus. Die Briefe von Freiern wuchsen von Monat zu Monat, doch Falla behielt ihre Blume für sich. Sie wusste zu gut was für ein Leben die Bräute von Königen führten und ihre Amalla sollte so lang wie möglich verschont bleiben.

Plötzlich hielt die Kutsche an.

„Mutter, wieso halten wir?“

Die Königin runzelte die Stirn und blickte aus dem Fenster. Sie hörte ein gemurmeltes Gespräch. Dann das Klappern einer Rüstung und Schritte.

Einer ihrer Ritter erschien vor der Kutschentür und verneigte sich leicht. Er schob das Visier empor und nickte der Königin zu.

„Majestät. Verzeiht. Der Weg ist versperrt.“

Falla runzelte die Stirn. „Versperrt?“

„Ein Felssturz.“

„Gibt es keinen Weg drumherum?“

„Nein, Majestät. Wir- Augenblick.“ Der Ritter zog sein Schwert, da hörte sie es selbst. Ein Rumpeln, wie rollende Steine und weitere knirschende Schritte.

„Heda!“ brüllte eine raue dunkle Stimme. „Seid Ihr in Ordnung?“

„Der Sturz lag bereits als wir eintrafen, Zwerg.“ Antwortete einer der Ritter.

„Gut für Euch, das wäre übel ausgegangen.“

„Und Ihr? Ihr seid doch nicht mit den Felsen gekommen?“

Falla hörte ein Glucksen gefolgt von einem tiefen, grölenden Lachen.

„Doch Blechdose das bin ich. Siehst du das Blut? Kommt von der Wunde hier, einer der Brocken hat mich übel erwischt. War bewusstlos.“

Sie hörte ein Scharren und Rumpeln.

„Ihr macht Witze, Zwerg.“

„Wenn du meinst, Blechhaufen.“

Sie hatte genug. Falla raffte ihr Kleid und beugte sich zu Amalla. „Bleib hier, Liebes.“

Amalla nickte und die Königin stieß die Tür auf und sprang in den Staub.

Die Ritter flankierten umgehend die Seite der Königin.

Vor dem königlichen Tross lag ein Felssturz der von den Bergen und Klippen neben der Straße gekommen sein musste. Er hatte auf seinem Weg ein gutes Stück Land mit Stein und Fels gepflügt.

Auf dem Schutt stand ein ungewöhnlicher Zwerg. Kräftig gebaut, auf einen Hammer gestützt, der so groß wie er selbst war. Er trug eine lederverstärkte Hose und ein ledernes Wams. An seinen Handgelenken lederne Armschienen mit kantigen Verzierungen. Quer über seine Brust und Schultern ein Gürtel mit Taschen und Beuteln und weiteren kantigen Verzierungen. Er hatte wirres schwarzes Haar das ihm bis zu den Ohren reichte und einen gestutzten Vollbart. Aus einem grimmigen Gesicht blickten goldene Augen auf die Königin herab. Seine Augen weiteten sich und huschten über die Ritter und die Kutsche, wieder zurück zur Königin. Er verbeugte sich und breitete die Arme aus.

„Ich bin untröstlich. Majestät, ich hatte nicht vor euch im Weg zu stehen. Aber-" er hob die Zeigefinger. „Ich kümmere mich darum.“

„Halt, rührt euch nicht!“ donnerte die Königin und musterte den Zwerg. Am Haaransatz über seine Schläfe klebte dunkles geronnenes Blut, eine nicht unerhebliche Menge. „Wie schafft ihr es, euch auf den Beinen zu halten?“

„Majestät sorgt sich um einen Zauselbart? Ha! Das ist eine Ehre. Ich bin zäh, Hoheit und noch dazu einer magischen Zunft angehörig.“

Er sprang von Fels zu Fels bis er vor den Rittern landete und seinen Hammer in seinem Gurt auf dem Rücken verstaute. Ein schönes Stück aus einem hellglänzenden Metall. Er klatschte in die Hände und drehte den Kopf im Nacken bis es knackte.

„So!“ rief er aus und streckte die Handflächen dem Schutt entgegen. Vor seinen Händen erschien nach und nach hellblaues Licht das sich mehr und mehr ballte

Die Luft vibrierte und knisterte als der Zwerg die Kraft entfesselte. Ein Stoß von großem Druck schoss im Schleier des hellblauen Lichts gegen das Geröll und zerschmetterte es zu Staub.

Anschließend schüttelte er seine Hände die leicht dampften.

Die Ritter regten sich nicht. Sie standen fassungslos vor dem langsam sich niederlegenden Staub.

„Beim Stein, das war fast zu viel.“ Sagte der Zwerg und lächelte als er sich zur Königin umwandte, „Aber Ihr könnt eure Reise fortsetzen.“

Königin Falla räuspert sich und rang um Fassung. „Wie lautet euer Name?“

„Meine Manieren! Ich bin Stanor Rivendick Donnerfels vom Zirkel des Wandernden Steins. Zu euren Diensten.“ Er verneigte sich tief vor ihr.

Einer ihrer Ritter warf der Königin einen bedeutungsvollen Blick zu. Sie nickte und widmete sich dem Zwerg.

„Von woher kommt ihr?“

Stanor lächelte und deutete auf das Gebirge hinter ihm. „Mein Stein, mein Gebein, Hoheit. Ich komme aus Donnerfels. Sagt, Euer Trupp kann einen Geoden auf der Reise in die Stadt sicherlich gut gebrauchen. Wir könnten reden.“

Falla lächelte herablassend.

„Eure Gesellschaf ist mir ein Vergnügen. Trabt doch nebenher so Eure Füße euch tragen.“

 

Rias saß auf einem Stein. Umgeben von Ähren und Mohnblumen die sich sanft im Wind wogen und im Licht der Mittagssonne herrlich erblühten.

Die Felder waren lange nicht mehr bestellt, wild wucherte eine bunte, von Korn geprägte, Wiese um ihn herum auf und vermochte vom Schrecken das es verbarg ablenken. Rias stieß dichten Rauch aus und drehte einen qualmenden Stengel zwischen seinen Fingern. Er schob einen Fuß voran und stützte seinen Ellenbogen auf seine Knie. Seine Zöpfe fielen über die Schultern und die goldenen Perlen klimperten leise, doch ihr Klang verlor sich fast in einem anderen Geräusch, das hinter ihm, mitten im Feld toste.

Wie ein wütendes Monster schoß eine flammende Säule inmitten des Felds empor und baute sich zu einem alles verschlingenden rot glühenden Tornado auf. Die Flammen verschlangen etwas im Inneren und brüllten zornig. Ein Zorn der dem Herzen desjenigen entsprang der die Flammen beschwor.

Rias grüne Augen blickten zum Himmel empor in denen sich grauer und schwarzer Rauch sammelte.

Inmitten des wütenden Tosens zerbarst ein Bauernhaus, das Lehm und Holz der Hütten löste sich in glühende Funken auf, die hinauf wirbelten und von den Flammen beiseite gestoßen wurden, jedoch am Rande des Feuersturms an einer merkwürdig kühlen, bläulich schimmernden Barriere abkühlten und zu Asche zerfielen.

Mit einem roten Glühen verging auch allmählich der Stengel in der Hand des Magiers. In Gedanken versunken zog er daran und stieß weißen, dichten Qualm aus.

Das Tosen stieg an zu einem tiefen, bedrohlichen Brüllen, als die Flammen versiegten.

Schwarzer Rauch verschlang das Sonnenlicht und kurz darauf segelte schwarze Asche über das Feld und wurde vom Wind weit hinfort getragen.

Rias verließ den Stein nicht und nach und nach segelte die Asche auf sein weißes Haupt nieder.

Es widersprach den Gesetzen der Loge, sich in die Politik einzumischen. Dennoch war er dort. Nach seiner Ankunft fand er das Haus vor, wie die Prinzessin es beschrieb. Doch war er nicht der erste Besucher. Die Waffen, die Kleidung, Säcke, Bücher oder andere Hinweise hatte irgend jemand bereits weggeschafft und die Leichen den Maden überlassen. Der süßliche Geruch der Verwesung hatte auch seinen Magen auf eine harte Probe gestellt. Die Wunden der Leichen waren tief und mit bestialischer Gewalt hinzugefügt worden. Irrte er sich? War es doch gar ein Dämon, den die Prinzessin in ihren Geist eingeschlossen hatte?

Die roten Augen der Prinzessin erschienen vor seinem geistigen Auge. Ihre Tränen, ihr Zittern und in jedem Augenblick ein glühender Schatten, hinter diesen entschlossenen Augen.

Rias drückte den nahezu verglühten Stengel auf dem Boden aus und atmete tief ein. Ein wohlig warmes und entspannendes Gefühl erblühte in seinem Inneren und kroch kribbelnd bis in seine Glieder.

Ein Lächeln huschte über seine Lippen und er senkte den Kopf. Da erblickte er einen Raben. Er saß unweit von ihm entfernt, auf dem getrampelten Pfad der zum Aschehaufen des Bauernhofs führte. Seine schwarzen Augen blickten ihn neugierig an. Rias hob langsam und behutsam eine Hand. Der Rabe hüpfte und drehte den Kopf. Als Rias die Hand zu einer Faust schloss.

Der Rabe platzte. Eingeweide, Gefieder und seine Krallen zerstreuten sich.

Die andere Hand hatte Rias an seinem Bart. Seine grünen Augen funkelten zornig auf die Stelle, an welcher der Rabe geplatzt war.

 

Der Morgennebel hatte sich verzogen und die Sonne stieg immer höher. Die Fischer kehrten von ihrem Tagewerk bereits zurück und am Hafen herrschte buntes Treiben.

Neben der Taverne stand Lafina. Sie stemmte sich auf ihren Langbogen und mühte sich mit gerunzelter Stirn eine Sehne einzuspannen. Malis hockte neben ihr auf dem Boden, zwei Rucksäcke zu ihren Füßen. Beide gefüllt mit einem Schafsfell, einer Leinendecke, etwas Zunderzeug und einer Wasserflasche aus Leder. Dazu ein kurzer Dolch, der sich gut eignete zum Häuten von Tieren. Ein Schleifstein und anderes was sie für ihre Reise benötigten.

Durch das Palisadentor schritt indes Rias. Sein weißes Haupt leicht verrußt. Er erblickte den Blondschopf, welche angestrengt und hochkonzentriert die Sehne über das glatte Holz schob und darunter Malis, die einen Rucksack verschloss.

Mit einem finsteren Gesichtsausdruck wandte er sich von ihnen ab und trat in die Taverne. Kurz darauf kam er mit ein paar kleinen Päckchen heraus und trat auf die Beiden zu. Malis erschrak und sprang auf.

„Rias.“ Sagte sie und ein Knall ertönte.

„Och Scheiße.“ Fluchte Lafina, stampfte mit den Füßen auf und zog aus einer runden Tasche an ihrem Waffengürtel eine neue Sehne heraus.

Rias schwieg und nickte mit dem Kopf in Richtung des Feldes das er aufgesucht hatte. Malis folgte mit den Augen seiner Bewegung und sah eine sich ausdünnende Rauchwolke. Ein schwerer Kloß erstickte ihre Worte. Sie nickte lediglich und Rias seufzte und tat etwas Unerwartetes. Er drückte sie an sich und sagte leise: „Es ist vorbei. Sie sind verbrannt. Nicht mehr als Asche.“

Malis kämpfte mit sich und nickte nur.

Lafina indes spannte probehalber den Bogen und kniff die Augen zusammen. „Wir haben uns auf die Reise vorbereitet. Ich gehe davon aus, das du immer vorbereitet bist?“

Rias tätschelte Malis den Kopf und hob eine Augenbraue. „Natürlich bin ich das. Hier.“

Er überreichte ihnen die Pakete. Es beinhaltete ein Brot, das besonders für Reisen geschaffen war. Es trocknete nicht sonderlich schnell aus und es setzte auch in ständiger Nässe nur schwer Schimmel an. Noch dazu war es nahrhaft und füllte den Magen. Allerdings hatte es beim Kauen den Nebeneffekt, das es im Mund immer mehr wurde, weshalb es im Volksmund einen eigenen Namen hatte: „Klatschbrot? Ist das das feine Essen der Logenmagier?“

„Íst es.“

Malis nahm es entgegen und verteilte es auf die Rucksäcke. „Brechen wir auf.“ Sagte sie mit erstickter Stimme.

„Ja, jetzt wo die Stimmung am Tiefpunkt ist tut ein Spaziergang gut.“ Erwiderte Lafina nahm ihren Rucksack und schritt voran, gefolgt von Rias.

„Malis.“ Rief plötzlich jemand von der Taverne aus.

Sie hielt inne und drehte sich um. Goldfinger kam ihnen entgegen. „Ich warte in Donnerfels auf euch.“

Malis lächelte und fiel ihm in die Arme. Dann glitten ihre Hände auf seine Oberarme. „Gehe kein Risiko ein. Königin Falla ist bissig.“

„Keine Sorge, mit solchen Damen kenne ich mich aus.“ Er zwinkerte.

„Danke für alles Goldfinger.“

„Bleib am Leben.“

Er vewuschelte ihr Haar und Lafina schüttelte den Kopf.

 

Südlich von Donnerfels, im Schatten der Berge lag Graustein. Eine Burg, die nahe des Drachenstroms ehemals über den Strom vor der Hauptstadt wachte. Die alte Burg war ein Relikt sehr ferner Tage und ihre grauen Mauern waren inzwischen von wildem Kraut und Baumwuchs erobert worden. Der Fluss hatte seinen Lauf über die Jahrhunderte verändert und zurückblieb die alte Burg. Am Fuße der Burg ruhte ein kleines Dorf, welche nahe des Flusses von hügeligen Feldern umgeben war. Hinter den Feldern, südlich von Graustein erhoben sich bereits die dichten Wälder von Schlummerholz.

Die Bäume schluckten sämtliches Tageslicht und ihr breites geschlossenes Laubwerk grenzte am Ufer des Flusses.

Das Lehen zwischen der Hauptstadt und Donnerfels war das kleinste und gleichzeitig das bedeutendste Lehen. Östlich von der Burg begann der steinige und uralte Pfad in die Berge hinein. Wer die Zwerge des Gebirges von Donnerfels suchte, der begann seine Reise auf diesem Pfad.

Das Volk des Königreiches empfand eine tiefe Verbundenheit zum Zwergenvolk, das seit jeher unter den Bergen des Kontinents lebte. Der erste König des Königreiches war Durindar Donnerfels, der seine menschliche Gefährtin Alasandria, die Kriegerin ehelichte. Den Legenden nach war eine Gruppe an menschlichen Abenteurern über den Pfad bei Graustein zur Stadt der Zwerge gelangt und sie seien über diesen Pfad in Smodurs Ödnis zurückgekehrt um den Drachen zu stellen.

Der legendäre Pfad wurde über Jahrhunderte hinweg zu einem Pilgerpfad. Der Pfad stieg steil und im Zickzack an, bis zur Kirche von Thanor, dem Zwergengott des Felsens und Steins.

Ab der Kirche wurde der Weg von Schnee und Eis erschwert. Bis dorthin sorgten die Priester des Thanor dafür, das der Weg frei von Felsstürzen war und sie pflegten Schreine und Fackelschalen am Rand des Pfades und versorgten die Pilger in der Kirche des Steins.

Die Gläubigen des Thanor sahen es als Teil ihres Glaubens dem Stein durch beschwerliche Wanderungen in den Gebirgen näher zu kommen.

Thanor war der Gott der Beständigkeit und die Zwerge als auch die Schmiede beteten zu ihm, um den Felsen im Bergbau gnädig zu stimmen. Sein Segen sicherte ertragreiche Adern.

Die Burg, südlich des Pfades dem Verfall preisgegeben, war ehemals die erste Festung Durindars im Kampf gegen den Drachen. Auch in der späteren Geschichte des Königreiches wurde die Burg vor dem heiligen Pfad immer wieder Schauplatz wichtiger strategischer Schlachten. Die Hauptstraße, der Königstritt, der von Orsin nach Donnerfels führte lag nur unweit davon und viele Reisende und Händler nutzten die Möglichkeit in Graustein zu rasten.

Der Königstritt vereinte nahezu sämtliche Handelsrouten und Wege des Königreiches und Graustein lag als letzte Station vor der Hauptstadt an ebenjener Route.

Das Dorf war recht klein und nur einige Leibeigene bestellten das Land, doch eine Taverne, umzäunt mit einem ausladenden Hof, war dank der Nähe zum Königstritt rege besucht.

Im Schatten der Burg, ruhten die Scheunen der Taverne und Kutschen und Pferde besiedelten den Hof.

Lange war Graustein sich selbst überlassen. Der letzte Lehnsherr verteidigte das Lehen, lange bevor die Kirche Atherius gegen die Magier auszog. Seitdem war das Lehen sich selbst überlassen.

Lange war dies der amtierenden Krone von Donnerfels ein Dorn im Auge. Nachdem letzten Angriff aus dem Norden, ernannte der König einen seiner Ritter zum Lehnsherren über Graustein.

Seit seinem Titel, baute dieser die Burg wieder auf. Die Arbeiten liefen zäh und schleppend voran, denn das Lehen selbst warf kaum genug Erträge ab, die weitere Steinmetze entlohnen könnte oder gar das Material heranschaffen würden. In den Unruhen erwies sich der Ritter, dem das Lehen zugesprochen wurde, als eigensinnig. Er traf im Schlachtfeld auf eigene Faust Entscheidungen, ohne den Befehl der Krone abzuwarten. Da die Vorgehensweise des Ritters zum Frieden beitrug, sah der König davon ab, seinen Ritter wie einen Verräter zu strafen. Dem Willen des Volkes entsprechend entlohnte er ihn mit dem Lehen und dem Einzug in den herrschenden Adel von Donnerfels, doch er überließ ihm das ärmlichste und zugleich kleinste Lehen des Königreiches, mit der Ruine Graufstein als neuen Wohnsitz.

Der Ritter, Raloff von Graufeste, nahm seinen Titel dennoch mit Freuden an und auch wenn es sich über Jahre zog, so baute er das Lehen nach und nach auf. Er befestigte die Wege im Dorf und lehrte den Burschen den Kampf und zog sie zu einer funktionalen Dorfmiliz heran.

Raloff lebte in der Burg. Die höheren Stockwerke waren nach wie vor überwuchert und ließen bei Regen das Wasser durchsickern, doch er hatte mit der Zeit sich ein gemütliches Heim geschaffen.

Entgegen seines Disputes mit dem König, glaubte er an das Volk und die Krone.

Als vor sieben Jahren Rauch über Donnerfels aufstieg und die goldene Armee des benachbarten Königreiches Graustein passierte, blutete ihm das Herz. Doch er konnte nichts Anderes tun, als seine Leibeigenen in das Innere der Burg zu schaffen. Dieses kleine Lehen besaß kaum genug Männer um das Feld zu bestellen. Zu den Ernten und zur Aussaat trat Raloff selbst neben den Bauern aufs Feld. Seinem Königreich nicht dienen zu können, wurmte ihn seit sieben Jahren.

Seit der Thronhüter Evelias von den Weiden in Donnerfels regierte, teilte Raloff den Unmut des Volkes. Ein Monarch der sich hinter den Mauern seines Schlosses verbarg und nicht ein einziges Mal vor die Lehnsherren trat, erwartete, in Kürze, von den Lehnsherren zum König ernannt zu werden.

Raloff saß auf einem hölzernen Stuhl. Er war von kurzer Gestalt. Seine kurzen dünnen Haare bereits ergraut, waren stets zersaust. Ihm fehlte das linke Auge, eine Verletzung die er sich bei einem Turnier beim Lanzenreiten zuzog. Da die Narbe der Verletzung die gesamte Augenhöhle verzerrte trug er eine lederne, breite Augenklappe.

Mund und Kinn waren von einem Bartflaum bedeckt und insgesamt wirkte er gedrungen und nicht sonderlich elegant oder gar adelig. Er trug einen Waffenrock in gedeckten Farben und eine Stickerei auf seinem Herzen symbolisierte das Wappen von Donnerfels, darunter eine Stickerei von Steinblöcken vor einem Berg, das Wappen von Graustein.

In seinen Fingern drehte er eine goldene Münze auf denen das kantige Profil des letzten Königs von Donnerfels geprägt war. Auf dem Holztisch vor ihm lag eine Depesche, eine Schriftrolle mit mehreren Wachssiegeln versehen. Die Wachsiegel entsprachen all den Lehnsherren, die die Depesche vor ihm erhalten hatten, sie versiegelten und dem Boten für den nächsten mitgaben. Hinter dem Tisch stand ein junger Bursche. Schlaksig und schwer atmend und erschöpft. Seine Kleidung war staubig und von seiner Reise gezeichnet.

„Herr, ich bin beauftragt Ihre Antwort weiterzutragen.“ Sagte der Bursche und rieb seine Handflächen. Er blickte demütig drein.

Raloff grunzte. Er beugte sich vor und hob die Depesche an. „Hast du eine Ahnung was das ist, Bursche?“ knurrte er mit einer kratzigen Stimme.

„Eine Depesche, Herr. Die Herren sagten ich solle zu jedem auf der Liste persönlich reisen und sie überbringen. Ich weiß nichts von den Dingen darin, Herr. Ich verstehe auch nichts davon, ich bin nur euer Bursche.

Der alte Ritter grunzte. „Was soll ich nur antworten, Bursche.“ Er stand auf und begann im Raum auf und ab zu laufen. „Diese Narren. Und du, Bursche!“ Der Bote zuckte zusammen. „Würdest du für dein Land kämpfen? Würdest du gegen die Invasoren antreten?“

„Ich bin ein Bursche, mein Herr. Ich weiß es nicht.“

Raloff schlug mit den Fäusten auf den Holztisch. Die Depesche erhob sich kurzzeitig und kullerte dann über den Tisch.

„Ich frage dich, was du tust, wenn der Feind an deine Tür hämmert!“

„Herr, meine Tür gibt nach wenn einer hämmert. Wenn einer hämmert, um mir Leid zu tun, so wird meine Tür mich nicht schützen und wer dort hämmern will, wird wohl auf mir hämmern.“

Raloffs Augenlied unter seinem faltigen rechten Auge zuckte. „Kein Ehrgefühl im Laib, was? Schön!“

Der Ritter beugte sich über den Tisch und bekam mit den Fingerspitzen die Depesche zu fassen. Aus einem Tintenfässchen zog er eine Feder. Er kniff das verbliebene Auge zusammen und schob seine Zunge zwischen seine Lippen als er sich mühte seine Antwort leserlich nieder zu schreiben.

Anschließend wartete er einen Augenblick bis die Tinte ins Papier eingetrocknet war und rollte die Depesche zusammen. Das Wachs erwärmte er über dem Feuer einer Kerze und tröpfelte es vorsichtig auf das Papier, dann presste er seinen Siegelring darauf. Kurz hielt er inne und betrachtete sein Werk.

Eine einfache Papierrolle mit mehreren gebrochenen und einem frischen Wachs Siegel und doch wog es schwerer als seine Beschaffenheit es vermuten ließ. Der Bursche, der dieses gewichtige Stück quer durchs Königreich trug, wirkte nicht, als sei er in der Lage, dieses Stück mit seinem Leben zu verteidigen. Auf der anderen Seite, war er unscheinbar genug, dass niemand ihn verdächtigen würde, einen geheimen Auftrag auszuführen.

Als das Siegel getrocknet war übergab er es dem Boten.

„Vielen Dank, Herr, ich beeile mich, Herr.“

Der Bote verneigte sich mehrfach und ließ die Depesche in einer Kartusche verschwinden, die er wiederrum in seiner Kleidung verbarg.

Dann eilte er sich, die Burg zu verlassen.

Raloff verblieb in seiner Schreibstube. Grübelnd marschierte er auf und ab, die Münze zwischen den Fingern. Die kleine Kammer war vollgestopft mit Karten, stumpfen Waffen, verbeulten Rüstungen und Bauplänen von Steinmetzen. Eiserne Kerzenhalter an den Wänden spendeten dauerhaft Licht im dunklen Raum.

Er war beunruhigt. Die Lehnsherren, die der Krone die Treue hielten, verweigerten dem Thronhüter die Krone und planten einen bewaffneten Aufstand zur Krönungszeremonie. Die Depesche war unterzeichnet von sämtlichen Patrioten, die sich diesem Aufstand anschließen wollten.

Obgleich Raloff, das Bestreben, das ein Donnerfels regieren sollte, unterstützte, so haderte er mit seinen Überzeugungen. Graufeste mochte im Falle eines Angriffs auf die Hauptstadt einen wichtigen strategischen Punkt darstellen, dennoch war die Burg in einem erbarmungswürdigen Zustand und eigene Männer hatte er nicht. Die Bauern vermochten ihrem Nachbar mit ihren Hacken die Augen ausstechen, aber wohl kaum die Rüstungen der Felsengarde durchdringen. Zweifellos wollten ihn die anderen Adeligen lediglich aufgrund der Lage des Lehens und somit endete ihre Freundschaft sobald die Truppen gen Donnerfels marschierten. Sollte die Krönung Evelias‘ verhindert werden, so verblieb er im Lehen, mit viel Glück und Gnade des nachfolgenden Königs. Wahrscheinlicher war es aber, das einer der Adeligen sich krönen ließ und jeden, der gegen die Krone aufbegehrte, seines Postens beraubte. Auch die vorherigen Könige versahen die Lehen mit Adeligen, die in ihrem Sinne handelten.

Raloff stoppte vor einer zerbrochenen Klinge, die im Staub vor ihm lag.

Sie war mit einer schweren Waffe grob zerschmettert worden und sehr alt, stumpf, verblichen und kantig lag es im Staub vor ihm.

Aus den Schlachten die er ehemals führte, war ihm nicht mehr geblieben als stumpfe Klingen und zerbeulte Rüstungen. Weder einflussreiche Verbündete noch Kämpfer oder gar Söldner. Gleichwohl seine Strategie den Frieden nach Donnerfels brachte, galt er als Deserteur der Königskrone und ein solcher Ruf haftete wie ein Schandfleck an ihm. Keiner würde an seiner Seite kämpfen, es sei denn es ging um den Verrat an der Krone.

Raloff hob die stumpfe Klinge auf und schwang sie. Die linke Hand ruhte auf seinem Rücken, als er das Schwert vorstieß.

Auch seine Leibeigenen sprachen davon das eine rotäugige Hexe, die der Prinzessin ähnelte, seit sieben Jahren sich versteckt halte und darauf warte, den Thron zu besteigen.

Er schlug die Klinge von oben nach unten. Sie sauste zischend durch die Luft und wirbelte Staub auf.

Wohl kaum würde die Prinzessin sich sieben Jahre verstecken, ehe sie ihren Anspruch erhob. Er erinnerte sich an die berühmte Versammlung der Kronen, in denen sie einem einfachen Mann der Felsengarde das Leben rettete. Der König war exzentrisch und besaß kein Mitgefühl für die nicht menschliche Bevölkerung seines Königreiches. Sein brutales Vorgehen, gegen die Elendsviertel seiner Stadt sorgten über die Landesgrenzen hinaus für Schrecken. Auch war es ein offenes Geheimnis, das er seine Familie misshandelte und seine Thronerbin selten an offiziellen Anlässen teilnahm, da die Blessuren die er ihr zufügte sie ans Bett fesselten. Die Geschichte ihres Widerstandes gegen seine Gewalt bewegte das Herz eines jeden in Donnerfels und auch er erwischte sich bei dem Wunsch, die Prinzessin möge am Leben sein und Anspruch auf den Thron erheben.

Das einfache Volk hoffte auf ein Wunder zur Krönung von Evelias, doch die Adeligen erwarteten keine Wunder mehr. Sie riefen zu den Waffen und Graustein sollte die Truppen beherbergen.

Die Klinge stieß voran, mit einem ausfallenden Schritt.

So wie sich die Dinge entwickelten, erstarkte in ihm der Wunsch auf die Rückkehr der toten Prinzessin. Das Königreich steuerte auf einen verheerenden Bürgerkrieg zu.

 

Sie hielten sich am Rand des Weges und ließen die Felder schon bald hinter sich. Rias hünenhafte Gestalt veranlasste jedoch Kutscher immer wieder, anzuhalten und ihn für die Weiterreise als Söldner anzuheuern.

Immer wieder lehnte er höflich ab.

Jedesmal wenn sie aus diesem Grund stoppten, murmelte Lafina etwas verwünschendes, genervt, das ihre Reise verlangsamt wurde.

Der Drachenstrom lag zu ihrer nördlichen Seite und die Segel der Schiffer auf dem Fluss waren ihre ständigen Begeliter.

Gegen Mittag sahen sie die roten Segel von Goldfingers Schiff das gen Osten nach Donnerfels segelte.

Die goldenen Verzierungen blinkten über den Fluss hinweg und Malis fragte sich, wann er Donnerfels erreichen würde.

Gegen Nachmittag erreichten sie die Ausläufer von Schlummerholz. Die Handelsstraße führte mitten hindurch und sie legten am Waldrand eine Rast ein. Rias zog eine Karte und Malis erklärte an welcher Stelle sie grob schätzte. wo die verlassene Halle der Bewahrer lag. Rias markierte die Stelle und erwähnte das es in der Nähe einen Pfad in die Berge gäbe wo sich das Lager der Elfen befände.

Anschließend setzten sie ihre Reise fort. Der Wald wurde schnell dichter und sie verloren den Drachenstrom aus den Augen. Ebenso wurde der Weg hügeliger und allmählich spürbarer, das sie sich den Donnerfelsen näherten. Schon bald hatte der Wald das Licht vollends geschluckt. Die Baumkronen waren dicht belaubt und einige begannen bereits sich zu verfärben. Der Sommer endete und der Herbst hielt Einzug. Die Kutschen, die ihren Weg kreuzten hielten jedoch nicht mehr an um Rias anzuheuern. Das lag an dem Wald.

Schlummerholz gehörte zu den ältesten Wäldern des östlichen Kontinents. Im Herzen des Waldes befand sich ein nahezu undurchdringlicher Wald, der vielen Jägern bereits den Tod brachte. Denn dort wachte ein Aspekt des Geistes Harun. Eine dämonische Kreatur die als Gottheit der Jagd verehrt wurde. Auch Malis war ihm begegnet.

Die Kutscher kannten die Geschichten und meiden es, sich länger im Wald aufzuhalten als notwendig.

Malis erzählte unterwegs davon, dass sie eines Tages einer Wolfsbestie gegenüberstand, nachdem sie vor sieben Jahren den Wald erreicht hatte und das die Bestie sie akzeptierte, weshalb sie im Wald blieb. Sie erzählte, dass sie nahe des Herzens des Walds lebte und immer wieder auf tote Jäger stieß, die sich zu weit vorwagten und ihre Todesursachen waren vielzählig. Sie erzählte von Jägern, die von Insekten übersät waren und von Jägern um deren Hälse Wurzeln von Bäumen geschlungen waren.

„Ich denke es wird uns nicht anders ergehen, die Elfen haben mir deutlich zu verstehen gegeben, das ich nicht mehr erwünscht bin.“ Schloss sie ihre Erzählung.

„Die Elfen sind nicht Harun.“ Erwiderte Rias. „Harun ist ein Wesen, das aus der Geristerwelt stammt Er wird dich aus diesem Grund in Ruhe lassen, er nimmt die andere Seite in dir wahr und urteilt nicht darüber. Geisterwesen sind anders als Götter oder Dämonen. Das den Elfen das zuwider ist, ist nicht verwunderlich.“

Als die Sonne sich senkte waren sie bereits tief in den Wald vorgedrungen. Mit der Dämmerung schränkte sich auch ihre Sicht ein und Rias beschwor eine weiße Lichtkugel die vor ihnen her tanzte.

„Es gibt hier eine Fläche wo wir die Nacht verbringen können.“ Sagte Malis plötzlich und ging am Rand der Straße in die Hocke. „Folgt mir, hier ist es auf jeden Fall.“

Lafina runzelte die Stirn und Rias zuckte mit den Schultern. Mit einer Handbewegung schob er die weiße Lichtkugel voran die nun für Malis den Weg leuchtete.

Das Unterholz reichte ihnen bis zu den Knöcheln und gab schnell nach, scheinbar war es schon einmal niedergetrampelt worden. Schon nach wenigen Schritten hatte der Wald sie verschlungen. Lafina blickte sich unsicher um, konnte jedoch die Handelsstraße nicht mehr sehen. Rias schob sie ungeduldig voran.

Sie erreichten schließlich eine kleine Lichtung. Drei große Findlinge lagen übereinander am Rand der Lichtung, davor weiches Moos und etwas Gras.

In der Mitte der Lichtung lag eine abgekühlte Feuerstelle. Einzelne Äste, verkohlt in einem runden Kreis.

„An der Straße zu lagern ist zu gefährlich.“ Sagte Malis und blickte sich auf der Lichtung um.

„Aber im Wald ist besser?“ fragte Lafina ungläubig.

„Ja, siehst du dort?“ Malis deutete in die Finsternis und Lafina kniff die Augen zusammen. Auch Rias folgte ihrem Fingerzeig. Sie deutete auf eine Stelle, an der drei Bäume besonders dich beieinander wuchsen. Sie waren zusätzlich behängt mit Efeu und aus ihren Stämmen wuchsen große Pilze hervor. Keiner der Bäume davor oder daneben war derart dicht bewachsen.

„Pilze?“

„Ja, oder vielmehr, dort beginnt das Herz des Waldes. Wir sollten hier nichts beschädigen oder gar jagen. Dann tötet uns der Wald.“

„Beruhigend.“

Rias schien es ähnlich zu sehen den er begann einige Zauber zu murmeln die die Lichtung umgaben und sie zu schützen schienen.

Lafina setzte sich auf den Waldboden und Malis sammelte in der Umgebung abgefallenes Holz und Äste. Die Elfe indes errichtete ihre Lager.

„Wie hast du es geschafft im Wald zu leben ohne von ihm zu nehmen?“ fragte die Blonde und glättete ein Schafsfell. Malis legte die Äste ab und ging an der erkalteten Feuerstelle in die Knie.

„Ich habe dem Waldgott Opfer gebracht. In der Halle des Bewahrers gab es viele interessante Dinge. Die habe ich auch mit den Waldläufern getauscht. Allerdings… ist etwas mit ihnen passiert und ich glaube das die Elfen mir die Schuld dafür geben.“

Rias setzte sich zu ihnen und mit einem Fingerschnippsen loderte das Feuer auf.

„Praktisch.“ Sagte Lafina und schob ihr Zunderzeug zurück.

„Was ist mit ihnen passiert?“ fragte der Magier und auch Malis setzte sich.

„Tot. Allesamt. Sie hatten ein Lager südlich der Halle. Dort jagten sie. Eines Tages ging ich hin um mit ihnen zu handeln und fand alle fünf ermordet vor. Die Kehlen aufgeschlitzt. Könnten Banditen gewesen sein, andererseits gehörte einiges an Geschick dazu fünf von ihnen mit einem Mal zu überwältigen. Ich habe sie bestattet und ihre Gebeine dem Wald übergeben. Zwei Wochen später musste ich den Wald verlassen.“

Sie nahm ein Stück des Klatschbrotes und brach es entzwei. „Sowas passiert in den Wäldern häufig.“

Lafina schüttelte den Kopf.

„Woher wusstest du, wie sie beerdigt werden? Ungewöhnlich für eine Tochter aus hohem Hause.“ Sagte Rias und Malis kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Ich war oft bei den Elfen, bevor es zum Angriff kam.“

„Du weißt nichts über sie, elendiger Magier.“ Lafina lehnte sich an die Findlinge und hüllte sich in ihre Leinendecke. Sie blickte in die Flammen und lächelte. „Sie war die Prügelprinzessin. Ganz Donnerfels zerriss sich das Maul über sie. Der König, der seine Tochter in den Thron prügelte. Ich erlernte schon damals das Singen und kannte sämtliche Schmählieder. Nun ja, aber das änderte sich.“

Malis runzelte ungläubig die Stirn.

„Ach ja?“ sagte Rias.

„Oh ja. Donnerfels hat ein Viertel, elend und stinkend, dort leben die Elfen. Malis ging regelmäßig dort ein und aus und hörte einfach nur zu. Sie lernte unsere Gebräuche und erkannte was den Elfen dort fehlte. Aufgrund der Zustände dort, brachen häufig Krankheiten im Viertel aus und der König befahl das gesamte Viertel niederzubrennen um das Ausbreiten der Krankheit zu verhindern. Die Felsengarde zog los und kehrte unverrichteter Dinge zurück. Es fand ein Treffen der Kronen statt und der König wollte dafür sorgen, das in seiner Stadt Ruhe herrschte. Da seinem Befehl nicht entsprochen wurde, ließ er den Soldaten der seinen Befehl verweigerte vor die Kronen treten um höchstpersönlich das Urteil zu vollstrecken.“

Lafina legte eine Pause und Malis murmelte „Oh, die Geschichte.“

„Ja, die Geschichte. Der König erhob sein Schwert, als die Prinzessin die Versammlung störte. Humpelnd und voller blauer Flecken stellte sie sich zwischen der Klinge ihres Vaters und dem Soldaten und wollte ihn mit ihrem Leben verteidigen. Mehr noch gestand sie vor sämtlichen Kronen, das sie es war, die der Felsengarde befahl sich zu widersetzen. An diesem Tag wurde die Prügelprinzessin neu geboren.“

Malis seufzte. „So ein Theater wirklich.“ Sie schüttelte den Kopf, „Hätte ich ihn sterben lassen sollen? Ich war es doch gewesen, die den Befehl gab, den Mord zu stoppen.“

Lafina hob die Hand. „Und dann hat sie im Folgenden die Verhandlungen mit den Halbblütern im Sumpf aufgenommen-“

„Aber doch nur weil-“

Lafina schüttelte den Kopf und sah sie eindringlich an. „Wäre all das und vieles mehr nicht gewesen, ich hätte dich in Donnerfels statt in die Kanalisation auf die Klingen der Eroberer geworfen. Doch was du getan hast, kann ein Leben nicht vergelten. Ich schwor damals, das ich sterben würde für dich.“

Stille kehrte ein und Malis stand der Mund leicht offen. Die Elfe lächelte zufrieden und lehnte sich wieder an die Findlinge. Malis sah sie genau an und ihre Augen wanderten zum Hals der Elfe. Eine feine Narbe verlief quer über den Hals.

Als sie durch die Stadt irrte, während der Eroberung, wurde sie gerettet. Eine blutüberströmte Soldatin mit einer schweren Wunde am Hals hatte sie gepackt und in die Kanalisation gestoßen und sich den Angreifern entgegengestellt.

„Du…“ flüsterte Malis entsetzt.

„Ja, ich. Ich übernehme die erste Wache.“

Malis fehlten die Worte. Die letzten zwei Tage hatten das Bild, das sie von sich selbst hatte, gänzlich auf den Kopf gestellt. Sie fand Verbündete wo sie Feinde erwartete und Zuspruch wo sie Schuld wähnte.

Sie teilten anschließend die Nachtwache unter sich auf und Lafina übernahm die ersten Stunden, dann folgte Rias und Malis übernahm die Morgenstunden.

Sie hüllten sich in ihre Leinendecken und Schafsfelle und Malis beobachtete verstohlen Lafinas Rücken. Plötzlich wurde ihr klar, weshalb Goldfinger sich sicher war, das diese Elfe sie unterstützen würde und darüber hinaus hatten sich die Dinge sehr rasant entwickelt. Sowohl Goldfingers als auch Lafinas bedingungslose Zuversicht verunsicherten sie. Sie haderte mit sich, ob sie den Beiden gerecht würde. Noch dazu war das Andere präsenter als je zuvor. Es schien, das es in ihr schlummerte bis zu ihrer Begegnung mit den Banditen und seit jeher war es bei ihr. Ein Flüstern, ein Drängen das sie nur mit Mühe zurückhalten konnte. Sie verdrängte ihre Sorge darum und schlummerte schließlich ein.

 

Sie wurde plötzlich wach. Seit sieben Jahren hatte sie diese Träume. Der Augenblick als sie einen Blick in die Höllen warf hatte ihren Geist nachhaltig geprägt und immer wieder spürte sie die Flammen.

Sie schlug die Augen auf. Lafina lag neben ihr, selig schlummernd. Die feinen Gesichtszüge entspannt, das goldene Haar zum Teil ihr Gesicht verdeckend. Rias hatte indes ihren Platz eingenommen.

Er saß mit den Rücken zu ihnen und blickte in den dunklen Wald.

Malis erhob sich und schlang die Leinendecke um ihren Leib. Langsam kroch sie an die Seite des Magiers der sie verwundert anblickte. „Es ist noch Zeit.“

Malis zuckte mit den Schultern. „Ich bin wach und löse dich gern auch jetzt schon ab.“

Sie verschlang ihre Beine im Schneidersitz und umhüllte sich mit dem Leinen.

„Alpträume?“

„Hmm.“

„Die Höllen sind kein schöner Ort.“

Malis seufzte. Dem Magier entging nichts.

„Du sagtest das ein Aspekt von Harun im Wald lebt?“

Sie nickte. „Ja, wieso?“

Rias kratzte sich am Bart und nickte in Richtung der Bäume, die die Grenze zum Herz des Waldes markierten und Malis Herz machte einen Satz. Sie zuckte zusammen und wollte aufspringen, doch Rias legte seine Hand auf ihre Schultern.

„Er sitzt seit schon einer ganzen Weile dort.“

Vor den Bäumen saß ein Wolf. Das Tier war so groß wie ein Bär, ob der Entfernung vielleicht sogar größer als ein Bär. Es hatte eine lange Schnauze und glühende goldene Augen, die böse und raubtierhaft dreinblickten. Das Fell schimmerte silbern und schien von einem merkwürdigen Wind in Bewegung zu bleiben.

Seine Pranken ruhten auf dem Stamm eines umgefallenen Baumes und unter diesen wirkte der Baum geradezu lächerlich.

„Ich frage mich warum er da sitzt. Kommt er nicht durch meine Barrieren? Wartet er bis er durch kommt? Wird er uns angreifen?“ Rias sprach in Seelenruhe und stützte sich mit seinen Händen ab. Malis schluckte. Einen Magier vom Format eines Logenmagiers mochte dieser Aspekt kalt lassen. Doch sie wollte in jenem Augenblick nichts sehnlicher, als Lafina wecken und wegrennen.

Die Raubtierauggen hefteten sich nun auf Malis. Sie schreckte zurück.

„Ruhig.“ Murmelte Rias.“

Der Aspekt erhob sich und ging einige Schritte in ihre Richtung.

Malis schüttelte den Kopf. „So nah war er noch nie.“

Je näher die wolfsartige Bestie kam umso deutlicher erkannte sie die tatsächliche Größe des Wesens. Ein Hüne wie Rias konnte ihm auf Augenhöhe in die goldenen Bestienaugen blicken.

Das Wesen näherte sich ihnen bis auf wenige Schritte. Seine Bewegungen waren fließend und lösten auf dem Waldboden keinen Laut aus. Kein Zweig beugte sich, kein Blatt raschelte.

Wenige Schritte vor ihnen, blieb der Wolf stehen und setzte sich. Er stierte unverändert Malis an.

Ihr Atem ging schnell. Das Maul des Wolfes war so gewaltig, es würde ihren Kopf mit einem Biss verschlingen.

„Ruhig, Malis.“ Murmelte Rias, der den Wolf unentwegt anblickte.

Der Aspekt senkte sein Haupt und sie bekam das Gefühl das den goldenen Augen nichts verborgen blieb, das gleiche Gefühl, das sich mit Rias Blicken bei ihr einstellte.

Malis kam ein Gedanke und sie sprang auf und eilte zu ihrem Rucksack. Sie wühlte darin nach dem Klatschbrot und holte einige Stücke heraus. Dann eilte sie zurück. Sie senkte den Blick und schob das Brot behutsam aus dem Kreis heraus.

Der Aspekt blickte auf das Brot und schnüffelte daran.

„Ein Opfer?“ murmelte Rias.

„So haben es die Elfen gehandhabt und ich auch.“

Die gewaltige Nase rümpfte sich und die goldenen Augen erfassten Malis glühend rote. Dann nahm die Kreatur ein Stück des Brotes und drehte sich um. Langsam ohne einen weiteren Laut verschwand der Aspekt zwischen den Bäumen und Dunkelheit legte sich über den Wald.

„Sogar Götter hassen Klatschbrot.“ Flüsterte es hinter ihnen.

Malis drehte sich um. Lafina kniete mit gezogenem Bogen auf ihrer Schlafstätte. Blitzschnell musste sie reagiert haben und noch dazu lautlos.

„Pah, Götter.“ Flüsterte Rias, „Geist ist das Wort, wie ich gestern sagte,“

Malis zog den Rest des Brotes heran. Schweigend stimmte sie der Blonden zu. Bei ihren anderen Opfergaben hatte der Aspekt großzügiger zugegriffen. Dennoch war sie verwirrt. Den Elfen nach war sie nicht mehr erwünscht und nun kam ihr der Aspekt so nahe um sein Opfer zu verlangen?

„Scheinbar wollten die Elfen dich loswerden.“ Rias schien den gleichen Gedanken zu haben. „Harun selbst scheint dich als Wesen des Waldes zu betrachten. Er war wohl beleidigt, weil du deiner Pflicht nicht nach gekommen bist.“

„Mir wäre dennoch lieb, wenn wir schnell weiterreisen.“ Murmelte Malis und blickte sich zu Lafina um die seufzte und den Bogen senkte, sichtlich erleichtert, nicht gegen die Kreatur antreten zu müssen.

Sie packten ihre Sachen zusammen und brach noch in der Dämmerung auf. Malis wies den Weg durchs Unterholz. Nach kurzer Zeit kehrten sie auf die Handelsstraße zurück und setzten schweigend den Weg fort. Mit den ersten Sonnenstrahlen kamen ihnen auch wieder Kutschen entgegen. Malis war in ihrer Zeit im Wald aufgefallen das die Kutscher nicht einmal im Wald nächtigten. Sie vermieden es so gut sie konnten länger als notwendig in Schlummerholz zu verweilen.

Schon bald wendete sich der Weg gen Süden und Malis verlangsamte ihre Schritte.

„Ist es hier?“ fragte Rias und Malis nickte. Sie setzte die Kapuze ab und eine kühle Brise zerwühlte ihre schwarzen Locken. Inzwischen hatte sich der Morgennebel verzogen und durch die Baumkronen fielen tanzende Flecken Sonnenlichts. Malis sah zu den Bäumen auf und kniff ein Auge zusammen. Sie ging einen Schritt zurück und als das Sonnenlicht über ihr offenes Auge glitt glühte es tiefrot. Rias runzelte die Stirn und löste seine Augen von ihr. Lafina jedoch beobachtete sie belustigt.

Malis hob eine Hand und öffnete nun das andere Auge. Dann drehte sie sich zum Unterholz am Rand der Handelsstraße um und schob mit beiden Händen ein Gebüsch zur Seite.

„Hier ist es.“ Sagte sie zu den anderen gewandt.

Lafina zog einen Dolch und grinste. „Hast du den Weg gerade gesucht indem du nach der Sicht suchtest, die sich dir bot als du hier herausgetreten bist?“

Malis blinzelte. Ihre Wangen wurden heiß. „Ich.. also, vielleicht schon. Ich habe es nicht markiert oder so. Ich habe halt nur…“ Sie blickte zu den Bäumen, „… mir gemerkt das einer der Bäume gegenüber sehr überrascht aussieht.“ Ihre Wangen glühten als Lafina ihrem Blick folgte und tatsächlich wies einer der Bäume einige Wölbungen und Narben auf die mit etwas Fantasie wie ein überraschtes Gesicht aussahen.

Malis wandte sich den Büschen zu und wartete Lafinas Reaktion nicht ab. Diese schlug eine Hand vor ihren Mund und Tränen standen in ihren Augen als sie ggigelnd folgte. Rias Mundwinkel zuckten, doch er schwieg höflich.

Sie schritten zunächst durch Büsche und Sträucher und Lafina nutzte ihren Dolch um sich den Weg etwas freizuschneiden.

Doch Rias bemerkte das ihre Füße auf sehr festem Grund liefen. Aufgrund seiner Größe, erkannte er nicht woran es lag. Die Äste der Sträucher versperrten ihm die Sicht.

Plötzlich lichtete sich der Weg und sie standen auf einer Art Straße. Lafina und Malis zogen Äste und Blätter aus ihren Haaren, doch Rias ging zunächst in die Hocke. Von seinen Schultern rieselte allerlei Laub. Mit der flachen Hand wischte er etwas von der Erde weg und ein Plasterstein kam zum Vorschein. Stirnrunzelnd ließ er den Blick wandern und sah eine Art Pfad. Der Wald hatte sich den Weg nach Kräften zurückerobert, doch die Bäume wuchsen am Rand des Pfades wie eine Allee und ragten etwas herüber. Sträucher und Büsche flankierten den Pfad.

„Ich finde ja Blumen würden dir besser stehen.“ Sagte Lafina und zog einen besonders langen Ast aus den geflochtenen Strähnen. Die goldenen Perlen klimperten und Rias blickte zu Lafina auf. Seine grünen Augen funkelten und sie lächelte zaghaft. „Vielleicht rote Blumen? Ein paar Rosen.“

Er stand auf und fuhr mit den Fingern in seine Haare und schüttelte sie. Blätter segelten zahlreich herab. „Du hast mir wirklich nicht gefehlt.“ Murrte er. „Dieser Pfad ist alt.“

Malis nickte. „Er führt uns direkt zur Halle.“

„Dieser Pfad ist alt.“ Widerholte Lafina geschwollen. „Ich bin froh das wir dich dabei haben.“

„Irgendjemand wird in elfisch sprechen müssen, du wirst es nicht sein.“

„Wenn du ihnen sagst das der Pfad alt ist, macht das mächtig Eindruck, insbesondere auf Elfisch.“ Lafina steckte den Dolch weg und zog mit ihren Händen ihre Langbogen hervor, den sie hinter ihren Rucksack gesteckt hatte. Der Köcher ragte seitlich heraus.

„Vielleicht bleibst du einfach bei ihnen und lernst ihre Sprache? Und ihre Zurückhaltung?“

„Vielleicht, von dir lerne ich etwas über alte Pfade.“

„Da ist es.“ Für Malis lauter dazwischen.

Vor ihnen schimmerte zwischen dichten, in herbstlichen Farben gezeichneten Laub ein Gebäude hervor. Es war eingefallen, Moos wucherte an vielen Stellen. Sie traten näher und erkannten einen gepflasterten Vorplatz, dahinter eine Art Festung in den Waldboden hinein, mit einem Gebäude das aus grauen Stein gefertigt wurde. Teile der Mauer waren durchbrochen von Bäumen und eingestürzt. Malis schritt entschlossen voran, Rias jedoch blickte sich um.

Lafina lächelte und flüsterte: „Blitzmerker.“

Der Magier knurrte: „Wie kommt es das du nichts gesagt hast, sonst redest du auch ständig?"

„Sie beobachten und es sind zu viele.“ Gab sie Schulterzuckend wieder. „Ich denke wir warten ab.“ Trotz ihrer gleichgültigen Worte bemerkte Rias, das der Griff um den Bogen angespannt war und sie die andere Hand in der Nähe ihres Köchers beließ.

Sie folgten Malis und traten durch die Mauer, als hinter ihnen das Laub raschelte. Sie hörten Umhänge flattern und das Zurren von Bögen die gespannt wurden.

Malis vor ihnen stockte. Rias sah an ihr vorbei. Vor Malis war jemand. Sie war einen Kopf kürzer als Malis, hatte kurze kastanienbraune Haare, leicht gebräunte Haut und Haselnussbraune Augen. Sie saß auf einem abgestürzten Wandstück und hatte ihre Arme auf ihre Knie gestützt. Sie saß vornübergebeugt und ihre Ohren verliefen spitz.

Auf ihren Wangen, über ihre Nase hatte sie Sommersprossen.

Um sie herum sahen sie einige Waldläufer, mit Kapuzen tief im Gesicht und gespannten Bögen.

Ihre Kleidung war in dunklem Grün und braun gehalten. Sie mochten im Wald kaum auffallen.

„Du bist zurückgekehrt.“ Sagte die Elfe mit dem braunen Haar. Sie blickte auf. „Und du hast Verstärkung mitgebracht.“

„Ich suche keinen Ärger.“ Erwiderte Malis hastig.

„Das sieht anders aus.“ Die Elfe erhob sich und Rias bemerkte, das sie eine Hand zur Faust geballt hatte. Die andere stemmte sie in die Hüfte. „Wissen deine Freunde von deinem Schatten? Oder hast du ihnen erzählt das die gemeinen Elfen dich aus dem Wald vertrieben?“

„Sie sind wegen des Schattens hier.“ Antwortete Rias und einer der Elfen um sie herum flüsterte: „Ist das nicht Rias?“

Die Waldelfe mit den Haselnussaugen hob die Brauen. „Ach wirklich?“ fragte sie und dann schmetterte sie unerwartet etwas, das sie in ihrer Faust verschlossen hatte, auf den Boden. Eine kleine Murmel, gläsern und merkwürdig funkelnd erblickte Malis noch, ehe sie auf dem Steinboden in funkelnden Staub zerschellte. Eine silbrig weiße Wolke schien darin gefangen gewesen zu sein und verwirbelte sich in Nichts. Stille kehrte ein und die Anführerin der Waldläuer sah Malis an und sagte: „Enttarnung.“

Ihre Eingeweide zogen sich zusammen. Wie ein Herzschlag pulsierte etwas glühend Heißes in ihr. Sie stöhnte auf und griff mit den Fingern ihren Kopf. Ihre Beine verkrampften und ihre Knie gaben leicht nach.

„Malis?“ fragte Lafina doch ihre Stimme klang dumpf, wie aus einem anderen Raum.

Malis fühlte wie ihr Rückgrat sich beugte und ein weiterer Pulsschlag liess ihren Körper erglühen. Ihr Blut schien zu kochen und tief in ihrem Geist wurde ein Tor aufgestoßen.

Mit all ihrem Willen kämpfte sie gegen das was daraus hervordringen wollte. Versuchte es zurückzuschieben.

Ein weiterer Pulsschlag. Glühend heiße Klingen bohrten sich in ihre Schläfen. Sie schrie. Ihr Schrei klang fern und dunkel, nicht von dieser Welt. Sie sah ein grünes Blitzen, als Rias den Stab zog. Dann wurde ihre Sicht von einem dunklen Schleier vernebelt.

Ihr Geist brach und sie wurde hinter die Tür in ihrem Geist gezerrt. Ketten umschlangen ihren Willen und ihr Schrei verhallte, indes ihr Körper zu erschlaffen schien. Sie stand schweigend, obwohl sie panisch schrie, bewegten sich ihre Lippen nicht. Die Arme senkten sich und der Kopf sank auf ihre Brust.

Dunkelheit und ein erneuter Pulsschlag. Aus der Finsternis um sie herum tauchten glühend rote Krallen auf, die das Tor zerschmetterten, etwas kreuzte sie, berührte sie und sie spürte Trauer, Verzweiflung und Kälte. Im nächsten Augenblick hob sich einer ihrer Arme und fuhr durch ihre schwarzen Locken. Der Kopf hob sich und sie sah zu. Unfähig etwas zu unternehmen.

Malis dunkelroten Augen leuchteten in einem kräftigen hellen Rot. Ihre Pupillen waren kleiner und leicht elipsenhaft verformt. Sie hob ihre Hände, ballte sie und streckte die Finger wieder aus und lächelte schief, fast schon mitleidig.

„Seht hin, das ist das wahre Gesicht dieses Menschen. Sangus.“ Zischte die Anführerin. Die Waldläufer richteten ihre Pfeile auf Malis.

Sie blickte zu ihrer Rechten und Linken, seufzte und hob ergebend die Hände.

„Und was jetzt, Waldläufer?“ fragte Malis und es war ihre Stimme doch gleichzeitig lag darunter eine andere tiefe Stimme. „Deine Pfeile schaden mir nicht.“

„Ich will das du dem Wald den Rücken kehrst, Dämon.“ die Anführerin hob ihre Hand und die Bögen zurrten unheilvoll als sie gespannt wurden. Rias trat einen Schritt vor, in einer Hand seinen knorrigen Stab, die andere beschwichtigend erhoben.

„Augenblick. Einen Dämon herauszufordern ist eine tödliche Idee. Dalim Garen.“ Fügte Rias in Elfisch hinzu. Die Waldelfen stockten. Manche Bögen senkten sich und mancher blickte sich an.

Galem Shiron!“ schimpfte die Anführerin. Sie sah wütend und beleidigt aus. „Was fällt dir ein, Menschenmagier!“

„Nun.“ Sagte Malis mit dunkler Stimme. „Es ist ebenso tödlich die Klinge am Hals unscharf zu nennen. Mir machen die Pfeile nichts aus. Ihr, Rias, könnt euch schützen, aber sie hier-“ Malis Kopf ruckte in Lafinas Richtung, die neben Malis stand mit einem undurchdringlichen Gesichtsausdruck. Sie hatte den Bogen gesenkt aber statt angespannt in Richtung der Waldläufer gewendet zu sein, war sie Malis zugewendet. „-stirbt im Pfeilhagel. Das würde die Prinzessin verärgern.“

Rias grüne Augen huschten zu Malis, die erneut lächelte. „Ich sage es nur.“ Sagte sie schulterzuckend.

„Was bist du?“ fragte Rias. Der gewaltige grüne Stein an der Spitze seines Stabes schimmerte aus dem Inneren heraus grünlich.

Malis schrie. Das war nicht sie, das waren nicht ihre Worte, ihre Bewegungen. Etwas war zerbrochen. Wenn das andere in Erscheinung trat, dann bislang in einer schattenhaften Gestalt. Doch nun war es wie eine Naturgewalt heruasgebrochen und doch war es nicht da. Sie hatte es mit dem Widererlangen ihrer Fassung gezügelt, konnte es zurückdrängen. Doch der eine Punkt in ihrem Geist, wo sie das Andere bislang stets verdrängte, war zerstört. Sie befand sich an einem düsteren Fleck, Ketten die schwer an ihr zogen und kein Ort, den sie versperren konnte.

Sei still, ich kann nicht denken.

Die dunkle Stimme dröhnte wieder und sie schwieg. Verdutzt und verunsichert.

Malis Körper seufzte. Eine Hand rieb an der Schläfe. „Das ist auch für mich seltsam. Dieser Körper ist… fürwahr… ungewohnt.“ Sagte das andere durch Malis Stimme. „Das ist neu. Ich hatte einen Platz und dieses Spitzohr hat den Platz zerstört und mich beschworen.“

Gedanklich stimmte Malis zu. Das Andere gab wieder was sie fühlte, was sie sah?

Rias sah zu der Anführerin die siegessicher grinste. „So ist es, ich habe ihr wahres Gesicht gezwungen zu erscheinen.“

Das Andere grinste mit Malis Lippen. „Wäre ich ein Dämon, dann wäre es wohl so.“

Das Grinsen der Braunhaarigen erstarb. Die Bögen der verunsicherten Waldläufer wurden wieder angehoben. Lafina wich einen Schritt von Malis zurück. Sie blickte unsicher zwischen ihrer Prinzessin und Rias hin und her.

„Was bist du dann?“ fragte Rias. „Ein Geist?“

„Mhm.“ Der Andere legte eine Hand an Malis Kinn.

Sie fühlte Verwirrung die nicht die ihre war und ein leises Wispern. Gute Frage Magier, was bin ich?

„Für einen Geist, fühle ich mich zu … anders. Für einen Dämon, bin ich zu sehr ich selbst. Ihr wisst wohl besser was ich bin.“ Sagte das Andere.

Doch Malis fühlte Verunsicherung. Allmählich wurde ihr bewusst, dass sie die Plätze getauscht hatten. War es das was das Andere von ihr wahrnahm? Gefühle? Gedanken?

Doch was sie spürte, waren Gefühle. Menschliche Gefühle.

Rias seufzte. Er stellte seinen Stab neben sich. „Meine Erfahrung sagt mir, dass du ein Geist bist, der so lange in den Höllen verweilte, dass ein Teil von ihm dämonisch wurde.“

„Ein dämonischer Geist?“ wiederholte die Anführerin.

„Ja, so etwas. Ein Dämon hätte alles hier zerstört und ihr wärt tot.“ Antwortete Rias.

Das Andere nahm eine entspanntere Haltung ein.

Sie hörte erneut ein dunkles Wispern. Sag meinen Namen.

Malis spannte sich an, sie spürte Ketten wo kein Körper war und blickte durch ihre Augen ohne den Blick lenken zu können.

Malis schloss die glühenden Augen und über ihre Lippen kam ein Wort in einer knurrenden anmimalischen Sprache: „Dragunvyr.“

Sie öffnete schlagartig sie Augen und stolperte zurück. Ihr Körper fühlte sich kalt und fremd an. Ihr Herz schlug rasend schnell und sie stieß in ihrem Schreck gegen die Waldläufer hinter ihr.

„Sie ist zurück.“ Murmelte Rias.

„Malis.“ Lafina griff nach ihrem Handgelenk, als Malis sich panisch umblickte. „Malis, du bist es. Du bist hier.“

„J-Ja…“ Ihre Augen verglühten etwas und die Pupillen nahmen eine menschliche Form an, doch richteten sich diese auf die Anführerin. „Was fällt dir ein?“ Malis Stimme erhob sich mit jedem Wort. „Stichst du in einen Bienenstock, weil die Bienen dich stören? Du hast deine Brüder und Schwestern in Gefahr gebracht nur um Recht zu behalten?“ Sie brüllte und spürte in ihrem Inneren Schadenfreude die nicht die ihre war. Ihr Zorn brachte sie vollends zurück. Sie ballte die Fäuste und das Gesicht der Anführerin erstarrte. Die Bögen der Waldläufer um sie herum wurden entspannt, die Pfeile von der Sehne genommen und ein leises Tuscheln setzte unter ihnen ein.

„Ich dachte… Ich…“

„SCHWEIG!“ Brüllte Malis und sie war überrascht von ihrem plötzlichen Selbstbewusstsein, doch die Wut über die vergangenen Augenblicke ritt ihren Verstand weiter. „Was für eine Tochter Aetherius bist du, deinesgleichen den Höllen auszusetzen aus purem Egoismus. Eine Schande ist das! Es sind bereits zu viele deinesgleichen gestorben. Von einer gebürtigen Donnerfelserin erwarte ich mehr!“

Sie bemerkte Unruhe zwischen den Waldläufern die inzwischen von der Braunhaarigen zurückwichen. Lafina nahm Haltung an und Rias blinzelte überrascht. Sie selbst vermochte nicht mit Sicherheit zu sagen was gerade mit ihr geschah. Sie hatte vor sieben Jahren ihr Selbst in sich verschlossen und dieser Augenblick der Machtlosigkeit hatte dieses Selbst wiedergeboren. Ihre Stimme war im Zorn so felsenfest wie einst im Schloss.

„Du magst mich Sangus schimpfen und auf mich spucken. Du magst deine Geschwister vor mir schützen, indem du ihnen zeigst was für eine Kreatur ich wirklich bin, doch gehst du dafür über die Leichen deiner Geschwister?“ Ihre Lautstärke senkte sie, doch ihre Stimme war bestimmt. Sie stemmte eine Faust in ihre Hüfte während sie sprach und ihr Gesichtsausdruck war steinern, hart und ohne jegliche Wärme.

Rias fuhr mit einer Hand über sein Bart. Für einen kurzen Augenblick sah er den alten König in ihr.

Die Anführerin mit den Haselnussbraunen Augen wirkte niedergeschlagen. Leise flüsterte sie: „Das war dumm von mir.“

„Das war es!“ Malis atmete tief ein. „Saudämmlich.“ Fügte sie hinzu. Ihre Augen huschten über die Kleidung der Waldläufer. „Ihr seid die Jäger nahe des Herzens.“ Murmelte sie.

„So ist es Hoheit.“ Antwortete die Anführerin. Sie seufzte und bedeutete den Waldläufern die Waffen zu senken. Die wenigen die dies noch nicht taten, steckten die Bögen weg. „Ihr habt unsere Geschwister bestattet.“

„Das ist wahr. Wisst Ihr denn was mit ihnen geschehen ist?“

Die Anführerin schüttelte den Kopf. „Ich glaubte, dass ihr der Grund für dieses Massaker wart und aus Schuldgefühlen die Leichen bestattet habt.“

Malis schüttelte den Kopf. „Bis vor einigen Momenten, hatte ich alles im Griff.“ Knurrte sie und sie spürte das ihr Selbst noch immer da war, so wie auch das Andere, das seither wacher und aufmerksamer und präsenter war, als je zuvor.

Die Anführerin schnaubte.

„Also…“ begann Rias, „Beruhigen wir uns?“

„Ich bin ruhig.“ Sagte Malis scharf.

Lafina beugte sich vor. „Das ist sie, die Prügelprinzessin, die den König bloßstellte.“ Sie deutete mit dem Zeigefinger auf Malis und die freie Hand hielt sie neben ihrem Mund, als wollte sie verhindern, das Malis sie verstand.

Diese hörte die Worte sehr deutlich und ihre Wangen wurden warm.

Rias lächelte. „Legendär. Wir kamen nicht her, um Streit zu suchen.“

„Als läge es an mir, ich-“ Malis hielt inne, atmete tief durch und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht in der Position für Diplomatie.“

„Also, mich hast du beeindruckt.“ Flüsterte Lafina und obwohl sie sich mühte ihren Humor zu finden, steckte sie den Bogen weg und nahm eine soldatsiche Haltung ein, kampfbereit.

„Ich übernehme die Diplomatie." sagte Rias ,,Wie kommt es, das ihr von dem Schatten wisst und die Prinzessin diesem Schatten überlasst?“

Die Anführerin runzelte die Strin. „Glaubt der Menschenmagier, wir helfen einer Bluthexe? Einer Bessenen? Sie war ruhig, hat niemanden etwas getan. Sogar Harune duldet sie. Darum mühten wir uns, sie zu akzeptieren, bis meine Geschwister starben. Sie ist nicht mehr willkommen.“

„Und ihr wusstet, wer sie ist?“

Erneut ging ein Raunen durch die Waldläufer. „Wir haben sie versteckt. Das war besser so, für Donnerfels.“ Erwiderte die Anführerin.

„So kann man es sehen.“ Sagte Rias.

Lafina beugte sich erneut vor. „Jetzt wird er raus hängen lassen das er zur Loge der Magier gehört.“

Die Anführerin funkelte Lafina an. „Das wissen wir. Dieser Riese ist so auffällig wie der Akzent dieser Schwester. Menschengeborene.“ Sie spie das wort nahzu aus und Lafina rollte mit den Augen. „Wenn es das Verlangen der Loge ist, die letzten Elfen aus Schlummerholz zu verurteilen, so werden wir uns dem Schicksal fügen.“

„Bei den Göttern. Es wird nicht besser.“ Murmelte der Magier resignierend. „Nein, ich bin nicht hier um … Noch nicht hier jedenfalls. Wie dem auch sei. Kinder Aetherius besitzen ein natürliches Verständnis von Magie. Wir suchen jemanden aus eurem Volk, der…“ Er deutete auf Malis und zögerte. Lafina mischte sich erneut ein: „Wäre doch gut wenn der Schatten nicht mehr da drin wäre, oder?“

Die Anführerin riss die Augen auf. „Ist das denn erlaubt?“

Rias hob die Augenbrauen, liess die Frage jedoch unbeantwortet.

 

„Dies ist eine Abhandlung über die Orden der Welt.“ Sagte Rias und hielt ein in Ledergebundenes großes Werk empor das so groß und schwer war, das er beide Hände benötigte um es zu halten. „Eine kurze Abhandlung.“ Fügte er grinsend hinzu und Lafina hob die Augenbrauen. „Du findest das wohl lustig?“

„Ein wenig, komm schon Elfe, vielleicht finden wir für dich ein Buch über Manieren? Oder ein Werk mit dem du Elfisch lernst?“

Die Waldelfin wartete mit ihrer Truppe in der Eingangshalle und ließ es zu, das die drei zu Malis Versteck im Keller der Ruine hinabstiegen.

Die Halle darunter fasste gewaltige Aufmaße und war durchsetzt von Reihen an Reihen an Bücherregalen, Schritfrollenhalter, Kisten und Fässern. Jeder Gelehrte würde sich hier vollends verlieren und ein ganzes Leben benötigen um alles zu erkunden. Rias hatte sich einen groben Überblick verschafft. Die Werke stammten aus grauer Vorzeit und viele Abhandlungen waren schon unlängst von neueren Erkenntnissen abgelöst, dennoch hatte diese zeitlose Bibliothek ein großes Geheimnis.

Die Bewahrer widmeten ihr Leben dem Schutz und der Jagd nach Wissen. Ihr Ordenscodex widersprach es, soviel Wissen zurück zu lassen. Er spürte keine Magie, keinen Fluch nicht einmal den Tod. Dies war eine verlassene Ruine.

Malis verschwand hinter umgestürzten Bücherregalen. Während Lafina durch die Reihen wanderte, folgte er der Prinzessin und erblickte einen kleinen Bereich aus Tierfellen und Überresten eines kargen Mahls.

Malis kniete sich nieder und zog einen kleinen Sack unter einem Fell hervor. Darin stopfte sie ein kleines Buch und eien stumpfen Dolch mit einem schmutzigen Griff.

Vor der Schlafstätte, stapelten sich einige Bücher auf.

Rias beugte sich herunter und nahm eines in die Hand.

Es war ein Reisebericht eines Abenteuers zu den Elfen. Der Abenteurer berichtete darin ebenso von der Sprache der Elfen

„Lar’shiin Darsano.“ Sagte Malis und erhob sich. Sie band den kleinen Sack an den Gürtel ihrer Hüfte.

„Darsano dres.“ Erwiderte Rias lächelnd, „Du hast also die letzten Jahre studiert?“

„Elfensprachen, Zwergisch. Alles ein wenig, meine Aussprache ist nicht gut. Ich habe viel über Magie gelesen, hier.“ Sie hob ein anderes Buch auf. Rias kannte es sehr gut, es gehörte zu den Lehrbüchern der Lehrlinge an jeder Magierakademie.

„Die Kreise der Zirkel, die Gesetzmäßigkeiten, die Grenzen der Magie und die dunkle Magie.“

Malis nickte. „Magie beruft sich auf das umgebende Element und das Element des Wirkenden, wobei die Magie nur so weit Wunder wirkt, wie der Magier sie wirken kann. Anders jedoch verhält es sich, wenn der Wirkende seinen Zaubern Komponenten hinzufügt. So vermag er es die Wirkung über seine Grenzen hinaus zu steigern, jedoch auch nur bis zu den Grenzen der Komponente. Hierbei zeigt sich jedoch, das das Leben als Komponente grenzenlos ist. Dies kostet jedoch das Leben der Komponente und ist, als Teil der dunkeln Magie, die Blutmagie genannt.“

Rias hatte die Zeile im Lehrbuch mitgelesen und nickte anerkennend.

„Steht am Anfang.“ Entgegnete Malis. „Ich habe so vieles hier gelesen und immer wieder studiert. Aber ich fand keine Lösung für den Fluch. Diese Magie die bei mir wirkt ist zu alt. Sie entstammt einer Zeit, in der es all das hier nicht gab.“ Sie deutete auf die dunkle Halle durch die hier und da aus Rissen an Wänden und Rissen im Boden der Eingangshalle schummriges Licht fiel. „In den Fresken der Wände von Donnerfels’ Schoß ist jedoch eine Menge davon zu finden. Der Fluch den ich trage, war als Spruch für Rettung in der Not niedergeschrieben. Rettung. Was für ein Mist.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich war so dumm. Rias, ich habe es noch nie sprechen gehört. Ich…“ Sie beendete den Satz nicht, sondern griff sich an den Oberarmen und wandte den Blick ab.

Rias durchforstete die anderen Bücher des Haufens. Die meisten davon befassten sich mit Flüchen und Magie. Eines jedoch schien ein Kindermärchen zu sein, über eine Amsel und einen Raben. Er steckte dieses kleine Werk ein, als Malis den Blick abwandte und seufzte.

"Du bist anders, Malis." erweiderte Rias und die Prinzessin sah ihn groß an. Ihre Augen leuchteten nach wie vor heller als je zuvor. Die Waldelfe hatte etwas an diesem Mädchen verändert, nachhaltig. Bis zu dem Erscheinen des Geistes war dieser ein Schatten in ihr, doch nun hatte Rias den Eindruck mit dem Blick in Malis Augen auch in die Augen des Anderen zu blicken. "Die Macht die du erhalten hast, durch diesen Fluch... du hast sie nicht genutzt. Mancher würde dies als dumm bezeichnen, doch ich sehe darin Stärke. Deine Zurückhaltung ist der Grund, warum ich an deiner Seite bin."

Sie schluckte, biss sich auf die Unterlippe und hielt mit einer Hand ihren Oberarm fest. "Was wäre andernfalls?"

Rias hob die Augenbrauen. "Andernfalls wärst du ein Sangus, eine Bluthexe und ich hätte dich schonungslos aufgehalten. Königsblut hin oder her. Allerdings..." er brach ab und atmete tief ein. "Ich weiß selbst nicht so recht, ob das wirklich der Grund ist, warum ich bei dir bin. Ich habe zuviel gehört." gestand er in resignierendem Ton ein.

Malis nickte. "Und es ist dir nicht aufgefallen. Das mit Smodur und dem jährlichen Ritual.... Die Gänsemagd anstatt meiner..."

Der Magier lächelte. "Reibe mir mein Versagen weiter unter die Nase und ich überdenke meine Entscheidung."

Malis erweiderte zaghaft das Lächeln und Rias klopfte ihr auf die Schulter. Gemeinsam wandten sie sich von der Schlafstätte ab und Malis warf einen Blick zurück. Sie sah sich selbst dort. Mit zerkratzten Armen und Beinen. Hunrig und tagelang weinend, als ihr klar wurde das sie ihre Geschwister verloren hatte, ihre Mutter, ihr Selbst. Die Erinnerung vreblasste und zurückblieb ein kaltes Nachtlager. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und folgte Rias.

Lafina hatte indes selbst ein Buch in der Hand in welchem sie mit angestrengtem Gesicht blätterte.

„Muttersprache, schwere Sprache?“ fragte der Magier und Lafina drehte ihm wortlos die erste Seite zu: Tausend Flüche um ihren Widersachern das Leben zu erschweren.

 

Anschließend folgten sie den Waldläufern in den Wald hinein. Sie führte die Gruppe von der Halle der Bewahrer fort und sie näherten sich dem Herzen des Waldes. Der Wald wurde dichter und das Tageslicht wurde großteils verschluckt. Sie bewegten sich in schummrigen Zwielicht. Um sie herum bunte Wildnis. Bäume mit Stämmen so dick, das sie sie kaum umfassen vermochten, überwuchtert und umrankt von Pflanzen mit dichtem Blätterwek. Dazwischen lugten mit breiten Schirmen Pilze hervor. Manche Baumpilze überdachten die Gruppe nahezu vollständig. Im dichten Unterholz verahmen sie immer wieder Rascheln und Bewegung. Mal von vierbeinigen, mal von vielbeinigen Wesen. Käfer so groß wie ihre Fäuste summten durch die Luft.

Die Anführerin voran, gefolgt von Malis, Lafina und Rias, flankiert von den Waldläufern.

Malis flüsterte: „Wenn du auf einen Käfer trittst, rächt sich der Wald.“

Lafina stockte, schluckte und setzte den Marsch im Storchenschritt fort. Rias schüttelte den Kopf, während Malis vor sich hin grinste.

Nach einer Weile wurde der Weg steiniger. Der dichte Wald lichtete etwas auf und zwischen den Baumstämmen erblickten sie zusehends Geröll und die Laubbäume wurden durch andere Gehölze abgelöst.

Und zu ihrer Erleichterung wechselten sie auf einen schmalen Pfad der von sämtlichen Geröll befreit war. Sie näherten sich den Ausläufern der Donnerfelsen. Die Gegend war hügelig und der Weg wurde steiler.

Als die Sonne sich senkte erreichten sie einen schmalen Durchgang. Über ihnen ragte ein Felsen auf, der in der Mitte gespalten war, scheinbar schon vor sehr langer Zeit. Eine Hälfte des Felsens, war leicht zur Seite gekippt. Als die drei empor blickten sahen sie einen gewaltigen Felsen vor sich, nahezu eine Klippe.

Die Anführerin schritt entschlossen durch den Spalt und der Rest folgte. Der Spalt war breit genug, dass zwei Pferde nebeneinander trotten konnten. Der Fels war vom Wind geschliffen und wirkte weniger schroff als der erste Eindruck vermuten ließ.

Der Wind pfiff hindurch und ein verführerischer würziger Duft kitzelte ihre Nasen. Ebenso hörten sie Stimmen und Klappern von Waffen.

Als sie den Spalt verließen lag vor ihnen ein Tal. Am tiefsten Punkt schimmerte ein hellblauer See und aus den Felsen ringsum flossen kleine Bäche hinein. Am See selbst ragte eine alte Trauerweide auf. Die silbrig grünen Blätter schimmerten weiß mit jeder Brise und kräuselten sanft über die Wasseroberfläche. Die Wurzeln brachen aus dem Felsen. Vor dem See standen Jurten, sie waren wie eine Allee auf eine große Jurte ausgerichtet, aus welcher weißer Rauch aufstieg.

„Meine Geschwister.“ Sagte die Anführerin mit einem warmen Lächeln auf den Lippen. Die Waldläufer hinter ihnen verteilten sich und aus dem Camp kam ein kleines Mädchen angerannt. Es hatte wellige braune Haare und sie hatte Sommersprossen auf ihrer Nase und ihren Wangen. Sie rannte auf einen der Waldläufer zu, der in die Hocke ging und die Arme ausbreitete und das Mädchen auffing. Er drehte sich mit ihr auf den Armen und sie lachte glockenhell.

Ein anderer Waldläufer winkte und eine weibliche Gestalt winkte von der großen Jurte zurück.

„Ihr könnt gehen.“ Sagte die Anführerin und die Waldläufer warteten nicht länger und ließen sie am Felsen zurück.

„Ihr kommt mit mir.“ Fügte sie zu den Dreien hinzu und ging auf die prächtige Trauerweide zu. Sie folgten ihr.

Vorsichtig und umsichtig schob sie die Zweige beiseite und sprach leise mit jemanden dahinter. Eine sanfte Stimme antwortete. Malis strengte sich an, das gesprochene Elfisch zu verstehen. Doch der Akzent war zu stark.

„Bitte.“ Sagte die Anführerin und schob die Zweige beiseite.

Sie traten nacheinander hindurch.

Im Inneren stand eine hochgewachsene Frau in violetten und grünen Roben. Ihr langes schwarzes Haar reichte ihr über den gesamten Rücken. Die Trompetenärmel gaben die Arme frei, welche von perlweißer Haut waren. Sie hatte fliederfarbene Augen und ein sanftes, warmes Lächeln.

Sie bewegte sich leichtfüßig, fast schwebend und ein süßer, würziger Geruch entstieg ihren Roben. An der Hüfte trug sie einen breiten Gürtel voller Säckchen und Fläschchen.

Lar’shiin Darsano .“ Sagte Rias und verneigte sich leicht.

Auch Malis verneigte sich und wiederholte den Gruß: „Lar’shiin Darsano, Gal Malis ele Rias, ele Lafina.“ Und deutete dabei auf ihre Gefährten.

Die Druidin lächelte breit. Weiße Zähne blitzten zwischen den zartrosanen Lippen hervor.

Darsano dres , Gal Satri.“ Sie nickte und verbeugte sich gleichfalls. „Du sprechen Sprache meines Volkes, ich sprechen ein wenig Sprache des Kontinents.“

Malis lächelte. „Ich habe in der Halle der Bewahrer ein wenig gelernt und eure Jäger brachten mir ein wenig bei.“

„Tod von Jägern schrecklich. Auch deine Freunde.“ Satri lächelte traurig und Malis nickte.

„Ja… das waren sie.“ Gab sie zu und seufzte. „Sie sind jetzt bei Harun.“

Satri legte eine Hand auf Rias Unterarm. „Als suchen Jäger, wir finden Grabstätte von Tradition. Prinzessin ehrt Tradition aller Völker Donnerfels. Ich froh das ihr kommen. Du sprechen meine Sprache sehr gut?“

Rias lächelte. Satri nickte. Sie sprach in ihrer Sprache und Malis konnte diesen schnellen Worten, von einem seidigen Akzent geprägt, nicht mehr folgen.

„Sie… sagt, das sie schon sehr lange darauf wartet, das du, Malis zu ihr kommst. Sie dachte das du eine Lösung für dein… in diesem Kontext heißt es wohl Problem… suchst. Weshalb… weshalb du nach Schlummerholz kamst. Sie fragt, warum du sie nie zuvor aufgesucht hast?“ übersetzte Rias.

„Ich hatte nicht vor den Fluch ins Herz des Waldes oder gar zu den Elfen zu tragen.“

Rias übersetzte. Satri nickte und lächelte warmherzig, dann fuhr sie fort.

Rias runzelte die Stirn. „Hmm… sie sagt das… Magie… Satri, Urmagie? Magron Elfas?“

Satri lachte und ihr Lachen war warm und unwillkürlich mussten auch Lafina und Malis grinsen.

„Du sagen alte Magie. Sehr gut, fast, großer Magier, fast. Ja Urmagie. Selten genutzt in eurer Sprache, daher elfisch Wort nicht kennen, nicht wahr? Ja. Urmagie.“

Sie fuhr fort.

Rias schüttelte den Kopf übersetzte jedoch weiter.

„Urmagie ist den alten Völkern gemein, ja stimmt, das Wort steht für Alt, mein Fehler…gemein ist und du das weißt und deine Furcht dich ehrt. Doch sie kann helfen… Satri, inwiefern kannst du helfen? Satri, Malon. El Prina maleus eris libane?“

Sie lächelte geheimnisvoll und sprach weiter.

Rias runzelte die Stirn und wirkte etwas beunruhigt.

Lafina seufzte. „Hallo, Übersetzer?“

„Ja… Moment noch. Nein, ich halte das für waghalsig.“

Satri hielt inne. „Zwei Seelen sich trennen lassen. Magier denken, wie Magier denken, die nicht verbunden mit Urmagie. Nicht böse meinen, aber Menschenvolk nicht verstehen. Menschenvolk sehen Wlt wir Blatt." Sie zupte ein Blatt von der Weide und hilet es em,por. Die silbrig weiße Seite zu ihnen gewandt. "Glauben alles zwei Seiten. Die Gute, ihre Seite." Sie drehte das Blatt und die grüne Seite zeigte sich ihnen "Die andere, fremde, dunkle Seite. Doch das was sehen nur ein Blatt von großem Baum in großer Welt." Sie deutete auf den gewaltigen Stamm. Eine Brise strich durch die Blätter und ein sanftes, beruhigendes Rauschen umgab sie. Zu ihren Füßen kräuselte das Wasser am bemoosten Ufer. Durch das Blätterwerk hörten sie Kinderlachen und Rufe von besorgten Müttern. Sie hörten ein monotones Schleifen von einem Handweerker der Pfeile herstellte. Satri lächelte als ihr Blick über die Drei wanderte die sich umsahen und zu verstehen schienen. "So auch Magie, so auch Höllen, Blätter von großem Baum in großer Welt. Zu einfach, sagen das böse, sagen das gut. Sehen sich immer gut, doch auch scheinbar böse oft gute Absichten. Wirken Magie immer wirken auf Welt, immer wirken auf Baum.“

Rias atmete tief ein und kratzte sich im Nacken.

Satri winkte die drei näher zum Baumstamm und schritt etwas ans Wasser heran. Als sie näherkamen, sahen sie das zwei Steine auf einer besonders moosigen Fläche lagen, mit einem Schafsfell bedeckt. Sie selbst setzte sich auf den weichen Moos. Ihre fließende Bewegung mündete in einer eleganten Haltung. Malis und Rias setzten sich auf einen Stein, und Lafina nahm zu Malis Füssen auf dem Moos Platz. Sie drückte mit der flachen Hand auf das Moos, das wie ein besonders weiches Schafsfell nachgab und kein Wasser abgab. Fasziniert hob sie ihre Hand und drückte dann erneut darauf.

„Wenn du kochen Moos, es ähnliche Wirkung wie Rinde von Schlummerholz.“ Sagte Satri und Lafina wandte sich ihr zu.

„Ach echt?“

„Ja, es machen müde und wer trinken Wasser mit Moos, sein wie zuviel müde. Unkonzentriert, wie Schlaftrunken. Ich wollten erklären, warum ich helfen.“ Sie legte ihren Zeigefinger an ihr Kinn und hob ihren Kopf.

Malis sah gerade noch einige kleine Büschel Moss in Lafinas Taschen verschwinden.

Rias nahm das Übersetzen wieder auf.

„Sie … sagt das sie nicht den Eindruck hat, das in den letzten sieben Jahren ein Dämon im Wald lebte. Was … in dir haust, ist ein Geist…. Aber Satri, wir sprachen mit ihm. Geister sind nicht Herr ihrer Selbst, seine Augen…“ Satri schüttelte den Kopf und blickte Malis direkt an. Ihre fliederfarbenen Augen prüften sie und sie spürte, wie das Andere neugierig zurückblickte. Rias bemerkte es und grunzte. „Die Augen sind die der Höllen, Blutrot, wie es den Sangus ergeht, Aber die Form, die eines Dämons.“

„Nein, nicht Dämon. Verheerte Seele, berührt von Höllen, aber Seele nicht menschlich bei Sterben. Seele zu Lebzeiten anders.“

„Anders?“ fragte Rias und beugte sich etwas vor. Einige geflochtene Strähnen glitten über seine Schultern und die goldenen Perlen klimperten sanft.

Satri blickte Malis an. „Dravon Gerlim Hraghar.“ Sprach sie und ihre Stimme klang wie ein tiefes Knurren.

Malis fühlte eine Berührung ihres Geistes und über ihre Lippen kam die Stimme des Anderen: „Dragunvyr.“

Sie zuckte zusammen und hörte ein Flüstern in ihrem Geist: Widerliche Druiden!

Sie dachte: Was war das?

Sie hat mich gezwungen meinen Namen zu nennen. Sie ist mächtig.

Malis blinzelte. Dies war das erste Mal das sie direkt miteinander sprachen und noch während sie das dachte hörte sie eine Antwort: Das liegt nicht an mir.

Sie dachte, schweigend war mir lieber.

„Ihr nicht kennen diesen Namen?“ fragte Satri und die Drei sahen sich an.

Malis überlegte. Dieser Name löste etwas in ihr aus, eine Errinnerung. Sie dachte an die Felsenhalle mit ihren Amethystsäulen und den Fresken an den Wänden, auf denen die Geschichte Donnerfels abgebildet wurde. Gedanklich schritt sie die Fresken ab und erreichte einen Altar.

Und Erkenntnis und Schrecken packten sie: „Der Bastard von Donnerfels.“ Hauchte sie und sie fühlte Schwermut, die nicht die ihre war.

Satri nickte. „Genau. Nachdem Smodur gefallen, so Legenden, König von Zwergen regieren. Doch so nicht zugetragen. Zwerge nur gekämpft gegen Smodur mit Galor dem Helden aus Westen und Afrir, Magier aus Westen.

Nachdem Drache gefallen, Geschichte anders.“

Malis nickte und Satri vollführte eine einladende Geste.

„Also, wie Satri sagte. Der Zerg Durindar von Donnerfels tötete Smodur, aber anschließend kehrte er in die Berge zurück. Er hatte nicht vor über Smodurs Ödnis zu herrschen.

Die Nachricht über den Tod des Drachen verbreitete sich schnell und viele kamen in Smodurs Ödnis. Die Helden Galor und sein Gefährte der Magier Afrir blieben in der Ödnis und belebten sie neu. Die Abenteurer und Schatzsucher liessen sich hier nieder und die alten Völker kehrten zurück und schon bald sollten Galor und Afrir über die Ödnis regieren. Jedoch hatte auch Galor kein Interesse an einer Krone und er überließ sie seinem Gefährten. Afrir baute das Königreich rasant auf. Smodurs Körper faszinierte ihn. Er nutzte den Körper und wirkte mit dem Drachenblut Magie. Möglicherweise war er der erste Sangus. Ihr erinnert euch, das ich in Fischers End davon erzählte, das der Magier der Abenteurer die Gebeine Smodurs versiegelte? Nur er hatte Zugang zu Smodur."

„Merkwürdig. Warum ist darüber so wenig bekannt?“ fragte Lafina und Malis zuckte mit den Schultern.

„Keine ruhmvolle Geschichte. Er lebte lang genug um das Reich zu festigen und er hatte viele Kinder. Mit dem Drachenblut verlängerte er sein Leben. Er wurde besessen. Besessen von Macht. Auch Smodurs Körper war endlich und er nutzte Gefangene um seine magische Macht zu steigern und schließlich vergriff er sich an seinem Volk.

Sein alter Freund Galor brach erneut zu den Zwergen auf und mit letzter Kraft berichtete der Durindar von den Ereignissen der Ödnis.

Der Zwerg stellte eine Armee auf. Er erkannte das Verbrechen Afrirs.

Als die Armee sein Schloss stürmte, war er in die Ecke gedrängt. Ihm blieben als Opfer seine Frau, seine Kinder, seine Männer. Doch einer seiner Söhne stellte sich gegen ihn. Es war sein Bastard. Das Kind einer Mätresse. Er hielt Afrir auf, lange genug, das Durindar den Altarraum erreichen konnte und in jenem Augenblick, als Durindar die Axt hob um Afrir zu töten, ermordete dieser seinen Sohn auf dem Altar. Noch bevor der Ritus endete, köpfte Durindar Afrir.“ Malis hielt inne.

Das Andere in ihr antwortete nicht. Sie hoffte auf ein Gefühl der Bestätigung.

„Wir huldigen ihm. Seine Seele wurde den Höllen geopfert und rettete das Königreich. Und ging in die nicht erzählten Legenden von Donnerfels ein: Der Bastard von Donnerfels. Ein dunkles Kapitel ein unehrenvoller Titel."

Satri nickte. „Tolle Geschichte. Freundschaft, Helden! Barden könnten tolles Lied machen.“

Bist du es, dachte Malis verbissen.

Lafina lachte. „Das könnten sie wohl!“

Antworte mir.

Satri stimmte in das Lachen ein. „Ballade hätte viele Strophen. Dauern ganze Nacht das zu singen!“

Rias sah Malis an und Malis erwiderte Rias Blick.

Sie hielt inne, lauschte den Gedanken und holte dann Luft. „Er ist es. Womöglich….“ Lafina sah zu Malis auf. „Er … ähm, schweigt.“

„Aber war er ein Mensch?“ fragte Rias.

Ich will es selbst erzählen.

Malis schluckte, schloss die Augen und öffnete sie wieder. Rias zuckte zusammen. Die Pupillen nahmen erneut eine Raubtierhafte Form an und sie sprach mit der fremden Stimme durch ihre eigene. „Es fühlt sich fremd an, doch ich spreche selbst.“ Malis Arme erhoben sich. „Ruhig, Magier. Hört mir zu. Was war bevor ich in die Höllen kam, ist ein Traum, unwirklich, fern. Ich habe lose Bilder. Mein, ich denke Vater… Hat seine Kinder… verändert. Das Blut des Drachen floss in seinen Adern. Er war irgendwann nicht länger ein Mensch, er war ein Teil von Smodur oder gar Smodur selbst." Malis seufzte. Ihre Haltung veränderte sich. Sie saß entspannt, sehr entspannt. Die Beine etwas auseinader gestellt, die Ellenbogen auf den Knien gestützt. Beugte sich Malis etwas vor. Ihr Gesichtsuaadruck nahm einen nachdenklichen Zug an. "Ich weiß, das er etwas mit sich und seinen Nachkommen tat. Er war ein mächtiger Magier und er hat das seine und das unsere Blut mit dem Smodurs verbunden. Er nannte sich selbst und uns die Drachenblütigen."

Rias schwieg und musterte Malis Gestalt in einer ihr uncharakteristischen Haltung. Als Magier war er empfindsam gegenüber magischen Präsenzen und nahezu alles Leben besass eine eigene Präsenz. Manche stärker ausgeprägt, manche schwächer. Jene die Magie wirkten oder gar von ihrem Wesen selbst magsicher Natur waren, strahlten eine für ihn wahrnehmbare Präsenz aus. Satri neben ihm war umgeben von einer unbestimmten, warmen Präsenz. Sie wirbelte um Satri herum, ohne Muster, ohne Rythmus. Malis umgab eine dunkle, kalte Wolke. Jetzt, wo das Andere die Führung übernommen hatte, spürte er eine glühend heiße, bestialische Präsenz, wie die eines Feuers oder vielmehr eines in Flammen stehenden Raubtiers. Alles in ihm war angespannt. Dieses Gefühl bedeutete Gefahr. Es fühlte sich an, als ruhten die Augen einer Bestie auf ihn und lauerten darauf zuzuschlagen.

"Kein Mensch mehr." sagte Satri und riss Rias aus seinen Gedanken. "Etwas anderes."

Malis lächelte. "Habe ich es etwa diesem Hurensohn zu verdanken, das ich meinen Verstand nicht verloren habe?"

Satri legte den Kopf schief und Lafina zu Malis Füßen hauchte ein Wort der Verwunderung.

"Rias, was bedeuten Huren?" fragte Satri und Rias schüttelte den Kopf.

"Er meint Afrir."

"Hurensohn anderes Wort für Vater?" fragte die Druidin verwundert und Lafina gluckste.

"Für Manchen." erwiederte Malis mit der fremden Stimme und Rias stellte fest, das das Andere und Lafina sich sicherlich gut verstehen würden.

"Satri, ich kenne kein elfisches Wort dafür. Nahem." entschuldigte er sich lächelnd und sagte ihr auf elfisch, was das Andere gefragt hat.

Satri nickte und blickte Malis und das Andere mit ihren fliedernen Augen an. "Das wohl. Zum Teil es schützen vor Einfluss. Smodur ein Titan. Titan widerstehen Einfluss von anderen Wesen anderer Ebenen. Doch gehören Wille dazu, nicht nachgeben dem Einfluss. Kreaturen können nicht beeinflussen magisch, wohl mit Worten und Taten." Satri blickte Rias an. Dieser nickte und sie fuhr in elfisch fort.

"Sie sagt, das Malis einen alten Zauber gesprochen hat, über den sie nur wenig weiß... Sie sagt, er sei... Zwergisch... Das Wort dafür in unserer Sprache ist wohl.. Anker... Seelenanker?"

Satri nickte und fuhr fort.

"Beim Übergang vom Tod in eine andere Form haben Zwerge ihre Seele an einen Anker gebunden. Ein geliebtes Wesen, einen Ort... Und ihrem Geist.... eine Rückkehr ermöglicht. Malis ist nicht magisch bewandert, sie hat ihren Geist an einem Anker in die Höllen gezogen... Das Wort hierfür ist vielleicht... verbunden. Sie hat eine Verbindung zu der Seele die sie in sich geschlossen hat ... einen ... Wunsch."

Satri lächelte Malis und das Andere an. Rias jedoch blickte beunruhigt zu ihr herüber. Doch Malis Gesichtsausdruck blieb steinern. Die Augen nach wie vor raubtierhaft. Das Andere behielt die Führung. Er hatte das Gefühl das sie ihm diesen Wunsch nicht verraten würden.

Die Macht eines Wunsches war groß in dieser Welt. Ganz Aether war, so die heiligen Schriften es lehrten, aus einem Wunsch erhaus entstanden. In der Magie wurden die mächtigsten Zauber unrsprünglich aus einem Wunsch heraus geboren. Auch die Existenz der Blutmagie, der Sangus, entwuchs dem Wunsch nach mehr Macht. Ein Wunsch in Verbindung mit einer Energie wie der Magie, konnte die Welt aus dem Gleichgewicht bringen. Rias fragte sich, wie mächtig der Wunsch im Herzen der Prinzessin war um einen Trip in die Höllen zu überstehen und mehr noch dem Einfluss der Ebenen vollkommen zu entgehen. Sie hatte eine Seele mit sich gezerrt und kein Dämon, kein böser Geist hatte sie auf ihrem Weg niedergerungen. Satris Worte eröffneten ihm einen neuen Blick auf die Prinzessin. Nicht nur das Andere war dem Einfluss entgangen, sondern auch eine sterbliche Seele. Vielmehr noch wiederstand sie seit sieben Jahren. Aus den Höllen zurückgekehrt war sie in der Lage Magie zu wirken und tat es nicht, nur in Notfällen.

Er grübelte über seine Erfahrungen, doch ihm kam kein Bericht in den Sinn, an dem ein Sangus dieser Macht widerstanden hätte.

"Magier fangen an zu verstehen." sagte Satri und boxtre Rias mit ihrem Ellenbogen in die Seite. Er lächelte. "Dies anders. Besonders. Starkes Herz trägt straken Wunsch. Daher ich glücklich euch treffen. Prinzessin tragen jedoch Fluch und Fluch wachsen."

Malis blickte auf. Sie richtete sich auf und schob ihre Beine zusammen. Kurz schloss sie ihre Augen und als sie sie öffnete begann sie die ledernen Armschienen aufzubinden. Rias musterte ihre Augen und erkannte die Prinzessin.

"Lafina, sei so gut." murmelte sie leise und Lafina nickte zöglerlich und half ihr die Armschienen zu lösen.

Malis bewegte ihre Finger und griff dann nach dem Dolch von Goldfinger an ihrem Gürtel. Sie legte die Klinge an ihre Verbände, zögerte einen Augenblick und atmete tief ein. Dann schnitt sie die Leinen auf.

Nach und nach segelte das Leinen herunter und Lafina keuchte auf.

Malis Finger und Hände waren komplett schwarz. Die Verfärbung ihrer Haut wuchs bis zum Großteil ihres Unterarms wo es sich in schwarzen, feinen Adern bis fast zum Ellenbogen verlief. "Es bagann an den Fingern." sagte Malis und streckte ihre Handflächen der Druidin entgegen.

Diese sprang auf und ergriff eine von Malis Händen mit der ihren.

Lafina beugte sich über Malis Schulter und sah skeptisch auf die schwarzen Hände.

"Mit jedem Zauber gewachsen, nicht wahr?"

Malis nickte.

"Sehen aus wie Verbrennung. Seele also aus Flammen gezogen. Sicher deine Seele gespürt, was Bastard gespürt?"

Sie nickte erneut.

Satri lächelte und formte mit ihrer anderen Hand Malis Hand zur Faust. Sie hielt diese Faust fest und sah ihr in die Augen. "Feuer geschmiedet Seele aus Gold und Wille aus Stahl."

Malis erwiederte ihr Lächeln.

Satri liess von ihr und nahm ihren Platz neben Rias ein. "Darum ich helfen können. Wir lösen andere Seele und geben eigenen Körper. Doch auch wenn Seele gelöst, verbunden beide bleiben. Geist ist verbunden durch Wunsch. Fluch wird weiter wachsen, wenn Wunsch nicht erfüllt."

"Wie lange bleibt ihr noch?" fragte Rias und Satri tippte mit einem Finger an ihr Kinn und blickte nachdenklich auf Malis schwarze Hände.

"Wenn verfolgen Wunsch, mehr Zeit. Fluch gewöhnlich anders ablaufen. Verfluchte äußern Wunsch, bekommen Wunsch erfüllt und seien dafür verflucht. Hier beide gleichen unerfüllten Wunsch."

Lafina half Malis die Armschienen anzulegen und runzelte die Stirn. "Wie kann es dann sein, das das Erfüllen des Wunsches den Fluch verlangsamt?" fragte sie und zurrte die Lederbänder fest, sodass Malsi fast von ihjrem Stein rutschte.

"Falsch ausgeführter Zauber. Eigentlich Prinzessin gesprochen Seelenanker, aber hierbei Anker in Hölle geworfen und Hölle Seele entrissen. Höllen fordern Seele zurück, das sein Fluch. Wenn Scheitern, Höllen bekommen Seele zurück plus Seele der Diebin. Prinzessin in sieben Jahren nicht verfolgen Wunsch und zuwider handeln Essenz des Wunsches, daher schwarze Male."

"Und wenn der Wunsch sich erfüllt?" fragte Rias.

Satri seufzte. "Dann vielleicht Fluch gebrochen? Ich nicht sicher. Immer noch Seele entrissen Höllen. Höllen sowas nicht ignorieren. Sobald wir Bastard aus Körper der Prinzessin holen, wir müssen versiegeln Verbindung zu Höllen, sonst heimgesucht von Kreaturen von dort."

"Heimgesucht?" wiederholte Malis mit einer ungewöhnlich hohen Stimme und großen Augen.

"Wir das hoffentlich unterbinden." sagte Satri augenzwinkernd. "Sobald trennen Seelen, Prinzessin verlieren Fähigkeit Blutmagie zu wirken, dafür andere Magie in Körper zurückbleiben. Prinzessin erlernen Umgang mit Urmagie. Werden sein erste Mensch mit Urmagie." Sie strahlte doch Rias runzelte die Stirn und auch Lafina wirkte nicht überzeugt.

Es gab keiner von ihnen zu, doch sie hatten sich mehr erhofft als ein verzögertes unvermeidliches Ende. Satri mochte ihre Worte optmistisch verpacken, doch eine Magie wirkende Prinzessin, noch dazu eine Urmagie wirkende Prinzessin war nicht fähig die Krone des Landes zu tragen. Die Loge der Magier schrieb vor, das kein Magier einen Titel erwarb oder gar Besitz. Egal in welcher Form, das Königreich würde weiterhin vor einem Krieg stehen.

"Keine Krone für mich." erwiederte Malis gleichgültig und streckte ihre Arme. Ihre schwarzen Finger lugten aus den Fingern der Armschienen hervor und auf den ersten Blick fiel nicht auf, das es ihre Haut war, die schwarz war und kein Bestandteil der Rüstung selbst. "Doch das ändert nichts an der eigentlichen Bedrohung. Smodur."

Satri sah sie fragend an.

Rias erzählte ihr in elfisch von Malis Bedenken und der Prophezeihung die er erhalten hatte. Mit jedem Wort erstarb Satris Lächeln und ihr Gesicht wurde ernster.

"Ich denken wir schnell handeln." sagte sie als Rias endete. Dieser sah sie verwundert an.

"Du kennst die Geschichte?" fragte er und die Druidin nickte.

"Ich oft in Schloss. Dein Großvater, " sie sah zu Malis, "schwören auf druidische Heilkunst. Oder schwören auf mich. Wenn krank nur von mir heilen lassen. Schloss erfüllt von Zorn des Titanen, doch ich gespürt, das Zorn gebunden. Keine Gefahr. Wenn vorstellen, das gebunden Zorn schon spürbar, was wenn entfesselt?" Sie schüttelte den Kopf. "Vielleicht schon zu spät?"

Niemand antwortete ihr.

Auch Rias hatte dies vor ein paar Tagen erwähnt und doch dachte Malis verbissen an die Armeen die in Bälde auf Donnerfels zumarschierten. Wenn Weglaufen ihre einzige Rettung war, so war es ihre Aufgabe sie alle zu warnen. Sie war verändert und doch, so glaubte sie, musste ihre Stimme noch Gewicht haben. Das Volk würde ihr zuhören. Es würde zuhören müssen.

"Ich sehe, wir keine Zeit, sofort beginnen mit Vorbereitung. Magier mir helfen Ritaulkreis. Blonde Schwester und Prinzessin zu Elliz gehen. Lager immer brauchen Helfer. Zugleich, blonde Schwester lernen von uns." Sie zinkerte und Lafina zuckte mit den Schultern.

Karte zu Schlummerholz

 

Kapitel 3- Blutopfer

Vormittags herrschte eine beschauliche Stille in der weißen Hand. Darendar fläzte in einem Holzstuhl, die Füße überschlagen auf dem Tresen, las er in Ruhe eine Zeitung. Der Orsiner Kurier.

In einer Stadt in der Magierakademien miteinander konkurrierten und Händergilden um den besten Preis wetteiferten, passierte nahezu stündlich etwas Neues.

Darendar schlug die erste Seite um und verschwand hinter der großen Zeitung die auf dem Titelblatt vom Unmut der Bürger über die Ausreisesperre berichtete.

Neben ihm saß Levia. Sie war hochgewachsen, hatte langes blondes Haar und trug die Uniform der weißen Hand. Eine weiße Robe mit einem blauen Talar, der an der Hüfte von einem Gürtel mit dem Siegel der weißen Hand gebunden wurde. An den Schläfen hatte sie ihre Haare in Zöpfe geflochten die am Hinterkopf in einer Art Rose

gesteckt, endeten.

Darendar schielte zu ihr rüber. Sie sortierte Schriftrollen in einem aus Holz gefertigten System, das von der Holzplatte des Tresens abgedeckt war. Vor ihr auf dem Tisch, stapelten sich einige Schriftrollen mit Siegeln von verschiedenen Farben und Symbolen. Die Rollen entsprachen Aufträgen und die Symbole und Farben entsprachen dem Grad der Herausforderung. Die weiße Hand vergab die Aufträge die ihnen zugetragen wurden nach den Fähigkeiten der Abenteurer. Besonders Erfahrene Abenteurer erhielten Auszeichnungen in Form von Orden, was ihnen komplexere oder herausfordernde Aufträge ermöglichte. Die Hand und die Abenteurer profitierten voneinander. Die Hand erzielte an den Aufträgen eine Provision und die Abenteurer hatten Zugriff auf eine Bank, stets neue Aufträge und Kost und Logis frei. Levia summte beim Einsortieren leise vor sich hin.

Sie war von den Mitgliedern der weißen Hand, eine der Attraktivsten. Bislang hatte er es nicht vollbracht, dass sie seinen Avancen nach gab. Er musterte ihr Profil, schlug dann jedoch die nächste Seite des Kuriers auf.

Plötzlich ertönte das Klingeln einer kleinen Glocke, die ausgelöst wurde, sobald die Türen aufschwangen.

Darendar vernahm das Klingeln und obgleich er und Levia allein am Empfang waren, legte er seine Zeitung nicht weg.

Auch Levia sortierte weiter ihre Schriftrollen. Um diese Zeit besuchten sie in der Regel nur Mitglieder der weißen Hand. Abenteurer waren selten so früh in der Hand. Sie erfüllten um diese Zeit Aufträge oder erholten sich von ihrer Siegesfeier am Abend zuvor. Schritte folgten dem hellen Glockenklang und ein Schatten schimmerte durch das graue

Zeitungspapier.

Mit einem merkwürdigen Glucksen landete etwas neben Darendars Stiefel.

„Hallo Abenteurer.“ Sagte Darendar, ohne aufzusehen, „Willkommen bei der weißen Hand, mein Name ist-“

Eine Hand in einem schwarzen ledernen Handschuh drückte die Zeitung herunter und Darendar erkannte den Besucher und ahnte, dass ihm Ärger drohte.

Der Fremde trug einen langen Mantel mit vielen Taschen und Möglichkeiten Waffen, Tränke und andere nützliche Dinge zu verstauen. Der Fremde hatte dunkle Augen und wirres schwarzes Haar das ihm über Gesicht und Ohren hing. Sein Gesicht wirkte eingefallen und pechschwarze Augenringe zeugten von einigen Nächten der Schlaflosigkeit. Hingegen stachen seine hellen Augen heruas. Sie waren von einem hellen Grau.

Eine Narbe verlief über seine linke Schläfe bis zur Wange in einen stoppeligen mehrere Tage Bart. Seine Haut war blass und er wirkte kränklich.

„Hey…. Freund….“ Darendar legte die Zeitung weg und sowohl ihm, als auch Levia, die ihre Sortierei beendete, offenbarte sich der Ursprung des Glucksens: Ein Huhn.

Einzelne Federn standen ab und manche Federn hatten ihren Flaum verloren. Der Kopf zuckte zu ihm, zu Levia, zum Fremden und wieder zu ihm. Um den gelben Schnabel herum war eine Schnur mehrfach gewickelt. Die braunen Augen begutachteten das Holz auf dem es saß und immer wieder die drei Anwesenden. Um den kräftigen Laib herum war ein Seil gewickelt. Das Huhn erhob sich und plusterte das Federkleid auf. Wackelig spazierte es über den Tresen und setzte sich schließlich wieder. Levia verfolgte das Huhn mit gerunzelter Stirn. Darendar spürte jedoch beim Anblick des Huhns kalten Schweiß, der ihm langsam auf die Stirn trat.

„Es… lebt noch… wie schön.“ Sagte Darendar und schwang die Füße vom Tisch. Er fuhr mit einer Hand über seine Haarpracht und wischte dabei den Schweiß von der Stirn. „Ein prächtiges Tier, nicht wahr.“

Der Fremde schnaubte und beugte sich über den Tresen.

„Du gibst mir mein Gold zurück.“ Raunte er und ein Knurren schwang in jedem Wort mit.

„Aber, aber. Ein Geschäft ist ein Geschäft. Ich gab dir, was ich dir versprach.“ Darendar schlug seine Hände ineinander und lächelte vorsichtig.

Der Fremde hob eine Augenbraue und zog seine Handschuhe aus. Er warf sie unwirsch auf den Tresen, was das Huhn erschreckte. Es sprang auf und wollte davonlaufen, stolperte jedoch und landete bäuchlings, glucksend. Ohne den Blick vom Halbelfen zu lösen, griff der Fremde nach dem Huhn, schob es zurück, wo es aufstand.

Er stützte sich auf den Tresen mit seinem Ellenbogen. Er war hochgewachsen, etwas größer als ein Waldelf. Er hatte ein breites Kreuz und obgleich seine Kleidung abgetragen war, beladen mit allerlei Zeug und klimpernden Waffen, machte der Kerl einen sehr bedrohlichen Eindruck. Mit trägem Blick und angespannten Mundwinkeln sah er den nervöser werdenden Darendar weiterhin an. Levia runzelte die Stirn und blickte vom Fremden zu Darendar hin und her. Als wäge sie ab, ob sie etwas unternehmen sollte.

Der Fremde griff nach der Schnur um den Schnabel des Huhns und zog daran.Die Schnur wickelte sich ab und das Huhn drehte ruckartig den Kopf zwischen den Dreien. Der kleine rote Kamm wackelte dabei. Dann öffnete das Huhn den Schnabel.

Was eigentlich ein Gackern sein sollte, war ein infernalischer Schrei. Ein Schrei, wie eine merkwürdige Mischung zwischen einem schreienden Baby und einer schreienden Frau , nur dass sich diese Stimme überschlug.

Levia’s Gesichtsausdruck entgleiste. Mit großen Augen und einem stummen Schreck starrte sie das Huhn an.

Darendar hatte die Augen geschlossen und rieb sich die Nase. Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen.

Der Fremde verzog jedoch keine Miene.

Das Huhn hielt inne. Es plusterte sich auf und pickte auf dem Holz des Tresens. Dann blickte es Darendar an, dann den Fremden und öffnete wieder den Schnabel. Der Fremde schnappte nach dem Tier und schnürte den Schnabel wieder zu. Das Huhn plusterte sich auf und gab unterdrückte glucksende Geräusche von sich. Mit den Füßen kratzte es und schlug um sich, sodass er das Tier mit seinem Oberarm in die Mangel nahm und den Schnabel verschloss.

„Du gibst mir mein Gold zurück.“ Wiederholte er daraufhin.

Levia drehte sich steinern dem Halbelfen zu. „Darendar?“ fragte sie und ihre Stimme klang höher als sonst.

„Mein Freund.“ Darendar sprang auf und breitete die Arme aus. Er lächelte breit. „Ich gab dir, wofür du zahltest.“

„Ich war besoffen, Verdammt nochmal. Du hast mich über den Tisch gezogen!“ donnerte der Fremde und schlug mit einer Faust auf den Tresen. Das Huhn sprang auf und flitzte stolpernd über den Tresen davon, unter Levias ungläubigen Blicken.

Am Ende des Tresens gluckste es und setzte sich. Der Kopf ruckte zur Tür und zur Gruppe.

„Ich sagte dir, keine Garantie, keine Rückgabe.“

„Du schleimiger Hund sagtest auch, das sei abschreckend für jegliche Kreatur!“

„Irre ich mich etwa? Levia?“ Darendar wandte sich an Levia, die das Huhn immer noch fassungslos anstarrte. Es begann nun damit hinter den Tresen zu schauen.

„Keineswegs, das Ding erschreckt alles was Gehör hat.“ Murmelte sie mit hoher Stimme, „Ist das eines, von deinen Tieren, Darendar?“

„Siehst du Freund, es erschreckt alles was Gehör hat. Wer hat Gehör? Richtig! Kreaturen!“

Der Fremde stützte seinen Arm in seiner Hand und massierte mit geballter Faust seine Stirn.

Der Halbelf pokerte auf sein Verhandlungsgeschick. Er stimmte ihm zu, er hatte den armen Kerl über den Tisch gezogen als sie sich in einer Taverne begegneten. Er prahlte mit seinen kürzlich erworbenen Errungenschaften vor den Damen in der Taverne und gab eine Tavernenrunde aus. Ein einladendes Opfer, das er im Handumdrehen von seiner neuesten Züchtung überzeugt hatte. Dennoch bewegte sich der Halbelf auf dünnem Eis. Seine Augen huschten über die Gestalt des Fremden.

Sein Mantel stand offen und seine verschiedenen Waffen, die an seinem Waffengürtel hingen lugten

hervor. Ein Schwert, eine Handaxt, ein Dolch, ein Kürschnermesser.

Dieser Kerl nannte sich Jäger. Nur das seine Beute weder ein Hase noch ein Reh waren. Viel eher

jagte er Trolle, Orks und Bestien. Zeitweise verdiente er sich einen Sold als Schläger. Der Verdienst

solcher Aufträge viel sehr viel höher aus, als gewöhnliche Aufträge, die durch eine Gemeinschaft

vermittelt wurden. Die Weiße Hand vermittelte derlei Aufträge ebenfalls, wählte hierbei jedoch eine Gruppe aus und zog vom Gewinn eine Bearbeitungsgebühr ab. Des Weiteren unterlag die weiße Hand einem Codex. Dieser Kerl agierte nach seinem eigenen Codex. Während die Hand die Regeln und Gesetze des Landes achteten in denen sie ihre Dienste anboten, waren Jäger wie er dafür bekannt solche Gesetze zu ignorieren. Darüber hinaus waren Jäger der schwarzen Schwinge bekannt, als die Schlächter der Magier. Ihre Geschichte war blutig rot.

Für die meisten Abenteurer wardie Zusammenarbeit mit der weißen Hand von großem Vorteil. Die Hand half bei der

Zusammenstellung der Mitstreiter, stellte notwendige Hilfsmittel zur Verfügung und kümmerte sich im Falle des Ablebens um die Bestattung der sterblichen Überreste. So es welche gab.

Darendar wusste das der persönliche Codex von der allgemeinen Moral abweichen konnte.

Der Fremde seufzte und blickte den Halbelfen böse an.

„Ich will hier keinen Ärger machen. Gib mir einfach mein Gold zurück.“

„Ich kaufe es dir ab, was sagst du?“

„Schön!“

„Ich gebe dir….“ Er sah sich nach dem Huhn um das seinen Schnabel über das Holz schrammte und sich mühte die Schnur loszuwerden. „Sagen wir fünf Goldstücke.“

Der Fremde knirschte mit den Zähnen. „Ich gab dir zwanzig.“

Die Blonde kicherte. „Zwanzig Gold, für ein schreiendes Huhn? Ihr wart wirklich betrunken.“ Sagte sie und lachte herzhaft.

Darendars Mundwinkel zuckten, doch er bewahrte die Fassung und blickte ernst drein. „Fünf Gold ist ein guter Preis. Es wird schließlich nie Eier legen. Ein Hahn wird vor so einer Dame nur fliehen wollen. Seid dankbar, dass ich kein Gold dafür verlange, dass ich es euch abnehme.“

Das Huhn hüpfte ihnen entgegen. Mit jedem Sprung gluckste es. Während Darendar und der Fremde sich finstere Blicke zuwarfen, sprang ein roter Kamm zwischen ihnen hindurch und hielt vor einer kleinen Schale mit Walnüssen.

Das Huhn legte den Kopf seitlich, erkannte die Nüsse und pickte in der Schale. Da der Schnabel zugeschnürt war, erreichte das arme Ding nicht das erhoffte Ziel und pickte stärker. Nüsse flogen aus der Schale und Levia brach am Tisch über ihre Schriftrollen lachend zusammen.

Der Fremde betrachtete das Huhn mitleidig. „Kannst du es nicht… verbessern? Das Schreien ist störend.“

Darendars Mundwinkel zuckten erneut doch er antwortete gefasst: „Es schreit nur wenn es Angst hat. Wenn du es gut behandelst, schreit es nicht.“

„Das Huhn hat Angst?“

„Es ist ein Huhn, es wird geboren um gefressen zu werden. Natürlich hat es Angst. Sieh es dir an…es… ähm..“ Die Schale flog vom Tresen und auf dem Tresen schob das Huhn verzweifelt eine Walnuss vor sich her. „… Ist fest verschnürt und offensichtlich hungrig.“

Levia wischte sich Luft schnappend Tränen aus den Augen.

Der Fremde nickte. „Ich soll es gut behandeln, dann schreit es nicht. Ich glaub es nicht. Dieses Viech schadet meinem Geschäft. Ich kann es nicht… Darendar. Gib mir doch einfach mein Gold wieder.“

„Wenn es dir an Geld mangelt, die weiße Hand bietet lukrative Aufträge für Groß und Klein in Groß und Klein.“ Der Halbelf lächelte und hielt einladend eine von Levias Schriftrollen empor. „Oder aber, ich teile meine Informationen mit dir.“

„Was soll das für Wissen sein? Lachende Pferde?“ entgegnete der Fremde trocken.

Darendar schüttelte den Kopf. „Das habe ich versucht, doch sie bekommen dann schlecht Luft und ersticken. Nein, ich sammle die speziellen Informationen.“

„Nicht das schon wieder.“ Murmelte Levia und rollte mit den Augen.

Der Fremde packte das Huhn, als es vom Tresen springen wollte und platzierte es zwischen ihnen.

Der Halbelf zog die Brauen hoch. „Es sei denn du wünschst mit der fedrigen Dame allein zu sein, dann vermittle ich euch gern einen Raum in-“

„Was? Nein. Ich hab nur… Darendar, Du weißt, das ich dir den Kopf abschlagen könnte, noch bevor du deine Witzchen beendest?“

Darendar schluckte, lächelte jedoch. „Das wäre wirklich schade für die Damenwelt.“ sagte er und zwinkerte Levia zu, die mit den Augen rollte.

Der Jäger blickte Darendar jedoch nachdenklich an. Schweigend und abwägend, während dieser freundlich lächelte und gedanklich seine letzten Worte formulierte.

„Vielleicht hast du wirklich brauchbare Informationen.“ murmelte der Jäger. Er stemmte eine Hand auf den Tresen und stützte einen Teil seines Gewichtes darauf. Der Mantel folgte der Bewegung und an seiner Linken offenbarte sich ein langer breiter Griff eines eindrucksvollen Schwertes. Auf seinen Schultern, unter seinem Mantel lugten Metallplatten hervor, die allerdings auch schon einige Dellen und Kratzer aufwiesen. Am Abend zuvor war der Jäger nicht so schwer gerüstet und Darendar gestand sich ein, das er sich erneut den falschen Tölpel für seine Geschäfte gewählt hatte.

„Ich will wissen, was an der Geschichte von der verfluchten Prinzessin dran ist. Kannst du mir mehr dazu sagen, als das was die Leute für Schwachsinn verbreiten?“

Darendar runzelte die Stirn. Der Jäger suchte die Prinzessin? Zuerst Rias und jetzt ein Massenmörder. Die Geschichte wurde zunehmend interessanter.

„Merkwürdige Beute.“ sagte er in ernstem Ton.

Dem Jäger entging der Stimmungswechsel nicht. Er lächelte kühl und wirkte um ein vielfaches bedrohlicher.

„Ich habe den Auftrag einen Beweis zu finden das sie tot ist. Scheinbar ist die Geschichte ihres Todes nicht glaubwürdig.“

Der Halbelf verschränkte die Arme und blickte skeptisch auf das Huhn, das den Kopf zwischen ihnen hin und her zuckte und recht mitleidig wirkte. Ein Jäger diesen Formates käme dem Logenmagier gewiss zuvor. Darendar bezweifelte nicht, das Rias außergewöhnliche Fähigkeiten besaß, doch Jäger der schwarzen Schwingen trugen den Schmähtitel Bluthunde zu sein. Sie waren es die Magier aus den unerwartetsten Verstecken zerrten und nieder schlachteten. Ob mit oder ohne sein Zutun, der Jäger würde seine Beute finden. Er musste herausfinden, wie dieser Jäger gesinnt war.

„Und wenn sie lebt?“ fragte Darendar und Levia seufzte.

„Bei den Göttern, jetzt fängt der auch noch damit an.“ stöhnte sie und widmete sich wieder ihren Schriftrollen. Offenbar gelangweilt vom Gespräch.

Der Jäger blickte verwundert zu Levia und dann wieder zurück zu Darendar. In seinen hellen Augen blitze Schalk.

„Ja, na klar.“ sagte er und Sarkasmus triefte in jedem seiner Worte. „Ich bin sicher sie reitet auf einem Einhorn.“ Er lachte über seinen Witz, doch als seine Augen die Darendars trafen, erstarb sein Lachen. Er seufzte.

„Wenn es solche Wunder gäbe, so ist meinem Auftraggeber viel daran gelegen, das ich ihr beistehe. Wenn sie tot ist, so gibt es einen anderen Donnerfels. Irgendwo.“ Er blickte gelangweilt zur Decke und beim Wort 'irgendwo' drehte er die freie Hand.

„Auch ich kenne derlei Interessenten.“ gab Darendar wieder. „Mit interessanten Belohnungen.“

„Die da wären?“

Darendar lächelte. Er hatte den Fisch am Haken.

„Ein Lehen und ein Landgut sowie der zugehörige Titel. Das Stück ist beschaulich. Liegt an einem See. Nicht weit vom Meer entfernt. Die Bauern holen große Erträge ein.“

„Das ist der Preis? Ein Titel und Land?“

„Mein Freund, als solcher steigst du in den Adel auf. Eine gruselige Vorstellung, bei deiner scheußlichen Erscheinung, aber der Ritter von Graustein ist auch kein schöner Anblick.“

„Platz für noch mehr Hühner.“ Murmelte Levia glucksend und erhob sich um weitere Schriftrollen aus einer Holzkiste zu holen.

„Oh ja, naja, wenn du mir dieses verkaufst....“

„Nein. Das Huhn bleibt bei mir. Ich habe zwanzig gezahlt.“

„Natürlich. Also?“

„Wo beginne ich mit der Suche?“

 

Evelias rieb sich den Nasenrücken. Den Ellenbogen auf den massiven Tisch gestützt. Sein Hauptmann verneigte sich und marschierte aus der kleinen Kammer davon. Es handelte sich lediglich um die Schreibstube, doch auch hier waren die Wände aus massivem Fels mit prächtigen Steinmetzarbeiten, die von fantastischen Geschichten erzählten. Aus einem großen Bogenfenster fiel buntes Licht durch die prächtigen gläsernen Mosaike und malten das Bild einer steinernen Krone auf den Boden, in tausend Farben tausendfach schöner als das Original.

Zu Sonnenaufgang fiel dieses Lichtspektakel auf die blanke Wand über dem Schreibtisch um die Herrlichkeit des Königs zu untermalen und überdeckte eine Karte von Donnerfels.

Dem gegenüber stand ein edler Schreibtisch aus Holz gefertigt. Massiv und alt. Als Evelias das erste Mal die Stube betrat, löste sie gemischte Gefühle in ihm aus. Das Holz erzählte eine Geschichte. Die Geschichte derer, die an diesem Tisch schon saßen. An den Rändern befanden sich Dellen in Form von Metallplatten wie sie an den Fingern von Rüstungen zu finden waren, so als hätte eine gepanzerte Faust sich immer wieder darauf abgestützt. Zur Rechten des Sitzplatzes befanden sich kreisförmige Spuren, Spuren von überlaufenden Humpen, Tonkrügen und Flaschen. In der Mitte eingebrannte und in den Tisch gekratzte Spuren von Wachs von unzähligen Siegeln die hier gebrochen und gesetzt wurden. An den Wänden der Schreibstube standen dicht aneinander gereiht Kommoden und Regale aus dem gleichen Holz, voller Bücher, Schriftrollen, Kästchen und losem Papier, mit einem Fels oder einem Humpen beschwert. Hinter dem Schreibtisch hatten die Steinmetze eine präzise bunte Karte von Donnerfels verewigt.

Vor dem edel verarbeiten Schreibtisch saß ein Zwerg. Mit dunklem Haar und goldenen Augen. Sein Hammer lehnte am Tisch.

Der königliche Tross kam vor einigen Tagen im Schloss an. Die Königin fand Gefallen daran ihre zwergische Begleitung des Schlosses zu verweisen und Evelias erfuhr erst zwei Tage später von dem ungewöhnlichen Gast, der vor den Toren des Schlosses ausharrte. Er hatte den Zwerg unmittelbar ins Schloss holen lassen und seinen Ausführungen gelauscht. Ihm kam die Geschichte sehr abenteuerlich vor. Noch dazu stand er unter großem Druck. Seine Mutter, Königin Falla, durfte nicht erfahren, das er hinter ihrem Rücken mit dem Zwerg plauderte. Davon abgesehen bedrohte eine solche Geschichte seine unsichere Zukunft auf dem Thron von Donnerfels.

„Hoheit, ein Magier wird meinen Bericht betätigen können. Mir ist bewusst, wie merkwürdig das klingt. Doch ich versichere euch, das schnelles Handeln erforderlich ist.“

„Ein Magier sagtet Ihr?“ Evelias setzte sich aufrechter hin und verschränkte die Arme. „Was ist es, was der Magier feststellt? Wird er die Felsenhalle umgraben?“

„Das ist nicht notwendig. Ein Magieanwender spürt die Präsenz des Drachen bereits im Thronsaal.“

Evelias überlegte ob er hier einem humpelnden Pferd aufgesessen war. Dieser Zwerg trug den Namen seiner Berge im Namen und behauptete seinen magischen Instinkten zu folgen,welche ihn bis nach Donnerfels selbst führten.

Als der Zwerg von Barthas vor ihn geführt wurde und er in die goldenen Augen blickte, musste er den Zwerg einfach anhören. Das satte, warme Gold, das er zuletzt vor sehr vielen Jahren gesehen hatte. Doch überalldem, er glaubte dem Zwerg nicht Schließlich stand vor einigen Tagen ein Magier in seinem Thronsaal und sprach von keiner Bedrohung.

Ein Magier. Evelias lächelte.

„Nun gut, ich werde einen Magier konsultieren.“

 

Das Huhn gluckste und pickte Samen vom Boden auf. Hier und da scharrte es im Dreck und suchte nach weiteren Körnern und Würmern. Am Hals trug es ein dünnes Seil das an einer Kutsche festgebunden war. Es handelte sich um eine kleine Kutsche, fast ein Karren und ein schwarzer Hengst graste unweit des Karrens. Auf dem Wagen türmten sich merkwürdige Dinge. Der Schädel eines Trolls war mit Seilen und Nägeln an die Rückfront gebunden. Schwerter, Schilde, Bestandteile von Rüstungen lugten hervor.

Das Huhn stockte und öffnete den Schnabel. Ein infernalischer Schrei ertönte.

Er warf dem Huhn noch mehr Körner zu, als er sich näherte

Es pickte sofort nach den Körnern und hörte auf zu schreien.

„So geht das mit uns nicht weiter.“ murmelte er.

Genervt warf er einen Sack mit Körnern in den Karren und wühlte klimpernd und klirrend zwischen Schwertern und Rüstungen nach einer Karte von Donnerfels. Er fand sie unter einer leeren Tonflasche. Fleckig und rissig, jedoch gut genug.

Er faltete sie auf und blickte auf eine Stelle nördlich Orsins.

Er leckte seinen Daumen an und kratze über die Stelle die sofort verschmierte.

Braune Streifen durchbrachen die Stadtmauern Orsins.

„Scheisse.“ Er stoppte den Versuch und strich die Karte stattdessen so glatt es möglich war. Hier und da wehrten sich Knicke und Risse, aber im Großen und Ganzen rollte und knickte sie sich nicht mehr zusammen.

Laut Darendars Information hatte sich Rias nach Donnerfels begeben, wahrscheinlicher sei jedoch nach Riam. Da dort der Geist zu Letzt gesehen wurde.

Er zog seinen Dolch und nagelte die Karte damit an seine Kutsche.

Dann holte er aus den Untiefen seines Karrens eine Fleischkeule heraus und biss ab. Grübelnd und kauend musterte er die Karte.

Das Huhn stockte und blickte ihn an. Er zuckte mit den Schultern.

„Hase. Kein Geflügel.“

Das Huhn pickte weiter.

„Hmmm. Ich könnte einen Ortungszauber einsetzen…“

Er biss erneut ab.

Diese Art von Jagd hatte er schon länger nicht mehr gehabt. Die Geschichten über Verfluchte waren ihm wohl vertraut, insbesondere die Art des Fluchs die auf die Geisterprinzessin zu treffen könnten. Er hatte die Gerüchte für ausgewachsenen Blödsinn gehalten, doch wenn die Loge dem nachging, musste etwas dran sein.

Er selbst hatte in den letzten Jahren ein paar Biester gejagt, hier und da den böse guckenden Söldner gemimt und zuletzt die verwöhnte Tochter aus dem Haus Tallir festgenommen.

Niemand brauchte mehr einen Jäger.

Dies war eine gute Entwicklung. Weniger Aufträge umso friedlicher das Land, umso schlechter für seinen Magen.

Doch scheinbar wurde sein Handwerk wieder benötigt. Die Zeiten in denen die Kirchen sie zur Jagd anheuerten mochten vorbei sein, doch von Blutmagie Verfluchte tauchten immer wieder auf.

Die Geschichte der Prinzessin klang nach einem Blutschwur. Er hielt es für möglich das sie einen niederen Dämon an sich gebunden hatte. Halbwegs magisch Begabte, fernab der Aufsicht eines Zirkels, vermochten die grausamsten und verheerendsten Flüche zu wirken.

Er streckte seinen Arm aus. Die Handfläche gen Himmel gerichtet, legte er die Keule auf diese.

Er fokussierte sich auf den Gedanken an die Prinzessin von Donnerfels. An die Geschichten vom goldenen Feuer ihrer Augen verborgen unter wallendem schwarzem Haar.

Der Knochen erhob sich und drehte sich im Kreis bis er zitternd in der Luft stehen blieb. Er runzelte die Stirn und hob und senkte den Arm. Doch die Spitze des Knochens verweilte auf eine kleine Stelle hinter dem Herzen des Waldes Schlummerholz.

 

Malis atmete tief ein. Hier im Tal wehte ein kühler frischer Wind der von den Bergen herunter rauschte wie ein leichter Wasserfaall mit einem kräftigen strom. Er trug den Geruch von Stein und Schnee herunter.

Der Sommer neigte sich dem Ende und schon bald würde der Herbst Einzug halten. Der Winter mpochte in den Bergen bereits an Kraft gewinnen.

Zwischen der kühlen Brise vermengten sich andere Gerüche aus der großen Jurte. Um das Feuer in der Mitte scharten sich Kinder, eine ergraute Waldelfe und zwei Burschen. Aus dem Kessel über dem Feuer entstieg in sich verschlingenden Rauchschwaden ein verführerisch würziger Duft. Malis schloss die Augen. Die Gewürzte weckten Erinnerungen an ihre Zeit im Schloss. Die Kräuter aus Schlummerholz hatten einen eigenen Geruch und intensiven Geschmack. Die Köche im Schloss verwendeten sie um das Fleisch besonders schmackhaft werden zu lassen.

Die Dielen des Holzboden in der Jurte knarrten und sie hörte Schritte näher kommen.

Malis öffnete die Augen und sah Lafina, die sich neben ihr in den Eingang der Jurte setzte. Ihre schulterlangen blonden Haare waren nun auf einer Seite mit mehreren Zöpfen zum Hinterkopf geflochten. Die andere Hälfte hing über ihr Profil. Sie lächelte. „Die Kleinen sind geschickt.“

„Es passt zu dir.“ sagte Malis.

Lafina streckte die Beine aus und stemmte ihre Hände auf den Holzboden. Entspannt lehnte sie sich etwas zurück.

„Ich hatte meinen Spaß in Riam. Für Goldfinger zu arbeiten ist zwar lohnenswerter, aber Riam war eine feste Bleibe. Schon merkwürdig, wie die Dinge gelaufen sind.“

„Ich hatte großes Glück.“ antwortete Malis.

„Ja das hattest du.“

Sie schwiegen. Malis biss sich auf ihre Unterlippe. Bei all den Dingen die Lafina nun über sie gehört hatte, erstaunte es sie, das die Elfe blieb. Fragen brannten auf ihrer Seele, doch sie vermochte kein Wort zu finden, die Fragen auszusprechen.

Sie überlegte hin und her und beschloss darüber zu sprechen was in ihr vorging.
"Lafina, ich weiss nicht was ich sagen soll."
Die Elfe sah sie überrascht an. Die hellblaurn Augen groß und verwundert.
"Weshalb?"
"Es ist viel gesagt worden, vieles offengelegt. Als hätten viele ein wunderschönes Bild schwarz übermalt. Was du letzte Nacht sagtest, gilt das noch?"
Lafina seufzte. Sie winkelte ihre Knie an und verschränkte ihre Arme darauf. "Wäre es anders hätte ich es wohl gesagt. Ich halte nichts von zu viel Blablah. Warum zweifelst du an mir, habe ich dir Anlass dazu gegeben?"
Malis schüttelte den Kopf. "Ganz im Gegeteil und doch sind Dinge über mich und das Königreich ans Tageslicht gekommen, die an jeder Treue kratzen würden."
Von den Bergen wehte ein frischer Wind, der Laub und Staub zwischen den Jurten aufwirbelte und wie sich kräuselnde Wellen zu ihren Füssen trug.
Lafina lächelte. "Es ist schwer rechtschaffen zu sein." Sagte sie und streckte die Beine wieder. "Ja es ist viel erzählt und viel geschehen. Die Prügelprinzessin bessesen und eine Bluthexe. Das Schloss auf den Gebeinen eines Drachen. Geschichten die tatsächlich wahr sein sollen." Sie hilt inne und runzelte die Stirn "Es war viel. Entscheidungen wurden getroffen und ich habe mich gefragt ob ich wie du gehandelt hätte. Ich hänge an meinem Leben und hätte wohl alles getan. Doch wie würde ich mit deiner Macht umgehen? Wahrscheinlich.... nicht so vorsichtig wie du. Du hast dich entschieden diesen Weg zu gehen und auch entschieden ihn nicht endgültig zu gehen. Das alles ist genau das Gleiche wie die Sache mit der Wache die du verteidigt hast. Also fast gleich. Du hättest den Weg endgültig gehen können und es wäre möglicherweise zum Bürgerkrieg gekommen."
Malis schüttelte den Kopf. "Es wäre der falsche Weg."
"Du wirst zur Bluthexe und bist doch keine. Alles in allem, warst du bemüht das Richtige zu tun. Du bist ein Symbol der Hoffnung für meinesgleichen. Goldfinger wusste das ich dir helfen würde. Er weiß das ich für meines Gleichen einstehe und wenn es bedeutet die verfluchte Prinzessin zu schützen dann ist das so. Aber ich ...." sie sah Lafina direkt an. "Glaube an dich."
Aus der Jurte rannte ein Elfenkind und rief etwas zu einigen Jägern, die am See Wasser schöpften. Diese hörten das Rufen und winkten.
Malis blinzelte und seufzte. "Danke."
"Das ist kein Lob, es ist Druck." Lafina grinste. "Druck diesen Glauben nicht zu enttäuschen."
Aus einer der Jurten vor ihnen trat Ethraniel heraus, die Anführerin die sie ins Lager brachte.
Gefolgt von einem männlichen Waldelf, der ihr sehr ähnlich sah. Er hatte gleichfalls kurzes Haar bis auf eine geflochtene Strähne, die um seinen Nacken hing.
Er nickte Ethraniel zu und ging dann auf sie zu.
"Seid gegrüßt, mein Name ist Risan." Er verbeugte sich und Malis sprang auf und verbeugte sich ihrerseits.
"Ich bin Malis, seh erfreut."
Lafina winkte von unten.
Risan sah sie groß an und lächelte erwartungsvoll.
Die Blonde seufzte. "Lafina mein Name."
Risan grinste. "Ist das dein Talent?"
Lafina rollte mit den Augen und sagte zu Malis: "Lafina ist das hochelfische Wort für Langfinger." Sie sah zu Risan auf. "In Donnerfels handhaben wir das anders mit den Namen. Ich kannte einen der hiess Idiot."
"Meine Schwester nannte dich Menschengeborene, du bist also unter den Menschen aufgewachsen. Ich würde gern mehr über die Menschen hören."
Lafina stand auf und stemmte eine Jand in die Hüfte und Malis bemerkte, das Risan der Blonden besonders viel Aufmerksamkeit widmete. Er hatte nur Augen für sie.
Auch Lafina bemerkte das und sie sah nicht begeistert aus. Sie hatte eine Augenbraue erhoben und sah verdriesslich drein.
"Ja, über die Menschen." Sagte sie trocken. "Was ist mit Satri, brauch sie nicht unsere Hilfe?"
Risan schüttelte den Kopf. "Sie lässt rufen wenn sie jemanden braucht. Wie hast du in der Stadt gelebt?"
Lafina stöhnte und Malis grinste.
Risan zeigte ihnen daraufhin das Lager und das Tal.
Nach dem Tod der Jäger befehligte er die Späher und sie beschränkten die Jagd auf das umliegende Gebiet und sahen davon ab ausserhalb ihres Lagers weitere Lager zu errichten.
Be ihrem Rundgang bemerkten sie eine offene Jurte in der ein kleines Kind sass, das stumm auf einen leeren Köcher blickte, daneben eine weibliche Elfe die das bemerkte und plötzlich in Tränen ausbrach.
Sie nahm das Kind auf den Arm und drückte es leise flüsternd an sich.
Risan führte sie rasch fort.
Im Lager gab es viel zu tun und da Malis der Kopf schwirrte war sie dankbar für die Ablenkung. Sie errichteten eine eigene kleinere Jurte für die kommende Nacht und die Waldläufer betrauten sie mit dem Schleifen von Üfeilspitzen und anderen Aufgaben. All dies vertrieb dir Angst vor dem Ritual, das Satri durchführen würde.

Die Sonne neigte sich gen Westen und warf goldene Sonnenstrahlen über die Ährenschweren Felder Donnerfels. Einige Bauern holten bereits die Ernte ein und stapelten die Ernte auf großen Karren hoch auf.

Er trieb seinen Hengst voran, im Sattel saß das Huhn. Fest verschnürt und mit jedem Galopp gluckste es. Auf seinem Rücken klimperten Schwert, Schild und ein großer Rucksack. Sein Mantel bäumte sich im Galopp hinter ihm auf.

Der Drachenstrom funkelte im Licht der untergehenden Sonne. Im Westen wogen die Laubkronen von Schlummerholz im Wind.

Er verlangsamte den Hengst und zog den Knochen aus einer Tasche seines Mantels, legte diesen auf die Hand und überprüfte die Richtung. Das Ziel blieb unverändert.

Mit dieser Gewissheit trieb er den Hengst wieder an.

In diesem Tempo legte er eine große Strecke zurück.

Im raschen Galopp erreichte er die erste Lichtung. Er zügelte seinen Hengst, der leicht schnaufend sich aufbäumte. Er klopfte den Hals des Tieres und schwang sich aus dem Sattel. Seine Metallbeschlagenen Stiefel schlungen auf dem Waldboden auf und die Schulterplatten gaben einen metallischen Klang von sich. Eine Kutsch kam des Weges und der Kutscher musterte ihn zunächst neugierig doch als er die vielen Waffen bemerkte die durch den Matenlstoff stachen blickte er weg und trieb seine Pferde an. Der Jäger lächelte und sah sich um. Die schien eine kleine Lichtung zu sein.

Er bemerkte jedoch das eine Spur an gebrochen Zweigen und Fußspuren, welche von der Lichtung weg führten.

Er folgte den Spuren und fand drei Findlinge. An den Felsen entdeckte er die Überreste eines kalten Lagerfeuers. In Boden und Moos waren drei verschiedene paar Fußspuren.

Ein Hinweis, wer hier rastete, fand er jedoch nicht. Doch die Fischer aus Riam sagten, das eine Elfe, der Magier Rias und eine Dunkelhaarige nach Schlummerholz aufgebrochen seien. Zwei der Fußspuren waren recht schmal und eine Spur war etwas tiefer und größer. Die Spuren passten zum den Dreien. Sie hatten womöglich hier die Nacht verbracht und warend ann weitergezogen.

Daher kehrte er zur Straße zurück und setzte seinen Ritt fort.

Nach Einbruch der Nacht erreichte er eine Kurve der Straße. Bevor er dieser folgte befragte er seinen Knochen. Dieser richtete sich nach kurzem Rotieren auf den Wald, abseits der Straße, aus.

Stirnrunzelnd untersuchte er das Unterholz, doch die Dunkelheit verschlang jegliche Spur.

Weder Mond noch Sternenlicht drangen durch die dichten Baumkronen. Mit einem resignierten Blick nach oben, setzte er seinen Rucksack ab und wühlte darin bis er ein Fläschchen fand, in welchem ein dicker Korken mit kleinen Luftlöchern steckte. Prüfend hielt er sich das Glas vor die Augen und tippte mit dem Zeigefinger dagegen. Zwei runde Käfer begannen mit den Flügeln zu schlagen und zu brummen. Er lächelte zufrieden und schüttelte das Glas. Die Käfer schwirrten wütend im Glas herum und ihre Körper begannen in flammenden Gelb zu leuchten. Das Glas glühte hell auf und beleuchtete sowohl ihn, als auch einen beachtlichen Kreis um ihn herum.

Der Hengst schnaufte und schüttelte den Kopf, was das Huhn zu einem warnenden Glucksen veranlasste.

„Ruhig, Großer.“ Murmelte er und tätschelte den Hengst. Dann ging er vor dem Unterholz in die Hocke und fand einen Fußabdruck, der einem von denen an den Findlingen ähnelte.

„Soso, ihr seid also zum Herz des Waldes aufgebrochen.“ Murmelte er und setzte seinen Rucksack auf. „Also Pferd, Huhn, wir haben ein neues Ziel.“

Das Laub der Bäume in Schlummerholz ging sm Ende des Sommers langsam in eine bunte Färbung über die bereits in der Abenddämmerung golden zwischen grünem Laub schimmerte. Zwischen den Felsen senkte sich bereits kühle Nachtluft und ein Schwarm Krähen erhob sich über die Baumwipfel und flatterte zum Drachenstrom davon.
Im Waldelfenlager gerrschte angespannte Stimmung. Satri war ins Lager gekommen und hatte Ethraniel, Risan, Lafina und Malis in die neu aufgebaute Jurte gebeten.
Sie blickte sich um und lächelte.
"Nicht viel Erfahrung in solchen Dingen?" Sagte sie und Ethraniel lächelte schadenfroh.
Lafina schüttelte den Kopf. "Wir buddeln uns normalerweise ein und schlafen unter der Erde."
"Blonde Schwester weiss stets Antwort." Sie lachte und auch Lafina lächelte.
"Nun ernste Thema. Ethraniel muss wissen." Sie senkte die Stimme. "Ich nicht alles erzählen. Als Druidin ich deuten Sterne, Willen der Geister und Geisterwelt. Vor sieben Jahren, Dinge entrückt. Merkwürdig Sterne und Geister verschwunden. Ich gespürt göttliches Wirken." Sie schüttelte den Kopf. "Götter von Aether abgeschworen und ich glauben ich verwirrt gewesen. Doch dann der Rauch. Donnerfels angegriffen und bald darauf verfluchte Prinzessin. Sieben Jahre gewartet, doch Prinzessin nicht kommen zu mir. Dann tote Brüder und Schwestern. Ethraniel war überzeugt, Prinzessin hat Schuld." Satri blickte etwas leidend. "Ich also gedacht, das Ausnutzen um Prinzessin zu mir zu zwingen. Ich befürchtet, wenn einfach Auftauchen, dies gefährlich für mich und Sippe, da nicht sicher ob Recht mit Fluch. Also Zauber in gläserne Perle, Zauberspeicher Menschen nennen, und Ethraniel geben."
Ethraniel ergriff Satri an der Schulter. "Worauf willst du hinaus?" Und Wut schwang in ihren Worten mit.
"Ethraniel beim ersten Mal Speicher nicht nutzen."
"Ich dachte eine Warnung reicht."
Satri nickte und fuhr fort. "Aber dann zurückkehren und Ethraniel nutzen Zauber... Nun dies keine Enttarnung. Enttarnung nur zeigen wahres Wesen. Ich verändern Zauber das mit Wort 'Enttarnung' entfaltet wird. Zauber aber in Wahrheit zerschmettern Mauern des Geistes welche Seele in Geist fesseln. Ich gedacht dann Prinzessin auf jeden Fall handeln, weil andere Seele frei agiert in Gesit von Prinzessin."
Malis Herz schlug schneller. Die Erinnerung in ihr war lebhaft frisch. Da waren Tore, zerschmetterte Tore, als Ethranile den Zauber frei liess.
"Das war Absicht?" Hauchte sie und Satri nickte.
"Nicht nur Ethraniel übermütig. Rias schimpfen wegen Zauber und Erignisse in verlassener Halle." Sagte sie und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Rias meinen, möglicherweise Wille stärker und Mauern noch da?"
Malis schnaubte und flammende Wut kochte in ihr hoch.
"Nein, sind sie nicht." Presste sie zwischen zusammengepressten Lippen hervor.
"Oh gut, dann Ritual einfacher." Sagte Satri fröhlich.

Malis ballte eine Hand zur Faust, ging in die Knie und schlug kräftig auf den Boden. Ihre schwarzen Locken fielen in ihr Gesicht, Staub wirbelte auf. Sie blickte auf und lächelte. "Wie schön." Sagte sie gefasst.
Ethraniel wich etwas von ihr zurück.
Satri lächelte zaghaft. "Nun, das geklärt. Ritual. Ich brauche Dolch von Familie."
Die Prinzessin blieb in der Hocke und schüttelte gerade ihre Hand als Satri sprach. Ihre Bitte folgend zog sie aus ihrem Waffengürtel einen Dolch. Jedoch nicht Goldfingers Dolch sondern jenen aus ihrem Versteck. "Mein Grossvater hat wohl davon gesprochen?"
Satri nickte. "Griff aus Drachenknochen von Smodur." Sie rieb mit dem Stoff ihres Umhangs am dunklen Griff bis dieser fast zu Elfenbein aufhellte.
"Alle in der Königsfolge hatten einen." Bestätigte Malis. Als Satri den Dolch in ihr Gewand verschwinden liess.
"Körper geschmiedt aus Knochen von Drachen und Erde aus Fels. Dies sehr alte Urmagie. Titanen so erschaffen Körper einst. Rias mich halten verrückt. Magier noch so viel lernen. Doch mit Knochen und Fels, Körper robuster. Werden sein schwer zu bezwingen. Ritual jedoch einen Haken. Ethraniel, übersetzen."
Ethraniel nickte, sie ging neben Malis in die Hocke und lauschte den Worten der Druidin.
"Sobald das Ritual startet wird sie an der Seele zerren. Sie sagt sie ist zum Teil in den Höllen verankert. Die Hölle wird versuchen die andere Seele und deine in die Tiefe zu holen.... Sie werden euch foltern. Euren Geist.... Sie sagt... sie sagt das du möglicherweise Erleichterung empfindest wenn du nachgibst. Solltest du nachgeben, bricht der Fluch aus. Eure Seelen in landen in der Hölle und der Dämon der sich durchsetzen kann, wird deinen Körper übernehmen."
Satri nickte und Lafina flüsterte: "Sie wird gefoltert?"
"Beide, sowohl Prinzessin aber auch Bastard. Höllen empfindlich wenn Seele geraubt. Ihr euch bewusst werden. Wir heute rauben Seele aus Hölle und Hölle fordern Seele zurück. Wir verschaffen Zeit. Genug Zeit zum Handeln, doch Fluch nicht aufgehoben. Ich glauben, das Höllen versuchen werden zurückzuholen was ihnen genommen. Von jetzt an immer auf Hut sein."
Wir sollten es lassen.
Nein, wir sollten es versuchen, wir-

"Malis, meinst-" doch Malis hob eine Hand.
"Augenblick."
Wir wären in eigenen Körpern und noch dazu wäre ich die Blutmagie los. Wir hätten Zeit nach Lösungen zu suchen.
Und wenn es keine Lösung gibt?
Ich gebe nicht auf.

"Jetzt."
"Malis hast du gerade mit Es gesprochen? Ich will es gar nicht wissen, meinst du wirklich das du das tun solltest?" Fragte Lafina.
Malis spürte Empörung die nicht die ihre war, doch sie ging nicht weiter darauf ein. Sie dachte nach. Es blieb dabei, Satri bot einen Weg der den Fluch beschränkte und Dragunvyr befreite. Sie hatte verstanden das dies mit Risiken verbunden war. In Anbetracht des Wachstums des Fluchs musste sie jedoch etwas unternehmen. Und der Verlust der Blutmagie war das entscheidende Kriterium.
"Ja, ich bin dabei."
Satri lächelte.
"Dann wir legen los."
Plötzlich kam ein Waldläufer in die Jurte.
"Risan, unsere Späher sahen ein Huhn auf einem Pferd. Vielleicht gehören sie zu unseren Gästen?"
Risan blickte Lafina an. "Nein, das stinkt. Vielleicht wurden wir verfolgt."
Ethraniel schnalzte mit der Zunge. "Wir gehen auf Nummer sicher." Sie blickte zu Risan.
"Die Menschengeborene wird mit den Spähern gehen. Sie befiehlt. Ich bleibe im Lager, wir sichern die Zugänge." Risan blickte Ethraniel verwundert an. "Mir ist aufgefallen das sie sicherer ist als du. Du stehst ihr bei, du kennst den Wald besser. Langfinger-" Ethraniel grinste, "Bring sie unversehrt nach Hause."
Lafina grinste zurück. "Das werde ich."
Lafina sah Malis an. "Du gibst nicht nach."
Malis schüttelte den Kopf. "Auf keinen Fall."
Risan verliess die Jurte gefolgt von seiner Schwester und Satri.
"Wir sind irgendwie Freunde, oder?" Fragte Lafina und Malis nickte.
"Ja, schon."
"Na dann." Und unerwartet umarmte Lafina sie und drückte sie fest. Malis erwiederte die Umarmung. Sie war warm und Malis blinzelte einige Male. "Du gibst kein Stück nach, was auch geschieht, hörst du?" Flüsterte sie in Malis Locken. "Denk daran das Goldfinger auf dich wartet und der blöde Magier riskiert alles für dich. Obwohl um den ist es nicht schade, aber ich bin noch hier. Mit dem Moos von der Weide könnten wir einiges anstellen."
Sie löste sich und lächelte. Malis wischte mit dem Handrücken über ihre Augen. "Du bist doof."

 

 

Stanor wusste sich im Recht. In seinem bisherigen Leben galt sein Wort als Gesetz. Niemand wagte es je, ihn in Frage zu stellen.

Seit langer Zeit deutete er die Erinnerungen des Steins und trug die Weisheit an alle nicht gesegneten weiter. Als der Fels ihm zuletzt die Gebeine eines Drachen zeigte, wusste er was er zu tun hatte. Seine Reise durch die Berge war beschwerlich. Lange hatte er die Heimstatt nicht verlassen und noch nie war er so weit weg von seinem Berg.

Raue Felsen, aggressive Tiere, unberechenbare Winde, lose Felsen.

Seinen Sturz ins Tal hatte er nur knapp überlebt. Als er in den Felsen zu sich kam, waren seine Beine gebrochen, seine Rippen angebrochen und bohrten sich langsam in seine Lungen. Er spürte wie sein Mund sich mit Blut anfüllte. Er brauchte nahezu seine gesamten Kräfte um sich wiederherzustellen. Ohne die Felsen um sich herum, wäre er dort gestorben. Das eine Königin seinen Weg kreuzt, hielt er für die Fügung der Götter. So konnte er direkt ins Schloss reisen. Doch ihre Gunst endete noch bevor er sein Ziel erreichte.

Und dann der derzeitige König. Eher ein Elf als ein Donnerfelser König. Unentschlossen und eigen. Seiner Mutter gehörig. Doch die Wachen respektierten ihn, obwohl es auch daran liegen konnte, das der Hauptmann der Wachen ihn respektierte.

König Evelias führte ihn in den Thronsaal. Die Felsenhalle. Er bat um Geduld und entschwand kurz darauf.

Stanor nutzte die Zeit sich satt zu sehen. Die Säulen aus Amethysten, die Felsenblöcke die nahtlos aufeinander saßen. Die Fresken im Stein die Zwerge, Menschen und Drachen präsentierten.

Er bewunderte ein Fresko das den ersten Zwergenkönig zeigte, der über den Tyrannen Afrir gesiegt hatte.

„So, so. Ein Kunstliebhaber seid ihr auch.“

Stanor wandte sich um und erblickte einen Magier mit kinnlangen grauem Haar und verschmitzten Gesichtszügen.

„Der König unterrichtete mich bereits von eurem magischen Geschick.“ Sagte er ölig und rümpfte die Nase. „Ihr glaubt, das das Königreich in Gefahr ist.“

Hinter ihm kam der König heran geschritten begleitet von seinem Hauptmann. Stanor ahnte Übles. Er nahm Haltung an und blickte zum Magier hinauf.

„Wollt Ihr mir sagen, das ihr nichts spürt?“

„Spüren? Außer der Kälte des Steins und der Härte des Bodens, spüre ich nur Zorn wegen eines Märchens gerufen worden zu sein. Herr Zwerg, Ihr seid doch nicht wirklich wegen eines Märchens hier? Denn wenn dem so ist, dann müsste ich mich doch sehr wundern. Ich denke das ihr andere Absichten hegt.“

„Wie bitte?“ donnerte Stanor zutiefst beleidigt. Er griff nach seinem Hammer, doch da war der Magier schon entschwunden. Er spürte leichten Stoff der seinen Rücken streifte und sah einen Mannshohen Schatten der hinter ihm aufragte.

Er drehte den Kopf und spürte einen eiskalten Schnitt. Die Klinge fuhr über seinen gesamten Hals und er spürte wie das wallende Blut in einem dicken Strom hervordrang. Wie im Nebel sah er den König wutentbrannt brüllen.

Sein Blut benetzte den Boden der Felsenhalle und eine Stimme flüsterte: „Das Tribut des Zwergenkönigs, das wolltet ihr doch.“

 

Satri führte Malis am Lager vorbei entlang des Sees. Lafina wurde von Risan zum Felsspalt geführt und Malis blickte zurück und sah gerade noch wie Risan rot wurde und Lafina mit den Fingern ihren Nasenrücken rieb, ehe sie sich auf den Weg vor ihr fokussierte.
Die Dämmerung schritt fort und zunehmend wurde die Sicht schlechter. Der steinige Boden ringsum den See erforderte ihre Aufmerksamkeit. Sie liefen eine ganze Weile und die Geräsuche des Lagers ebbten ab, Vor ihnen tauchte eine bemooste Fläche auf. Kreisförmig standen grobe Felsen in der moosigen Fläche. Malis Augen gewöhnten sich an das Zweilicht. Die Sonne war endgültig hinter den Felsen des Tals versunken.

Im Inneren des Steinkreises war ein weiterer Kreis in das Moos gebrannt. Sie kniff ihre Augen zusammen und erkannte das der Kreis aus merkwürdigen Symbolen bestand.

"Hey." sagte plötzlich jemand und sie zuckte zusaammen und sah wie Rias Haupt hinter einer der Felsen auftauchte. Er lächelte."Bist du bereit?"

"Ich habe bereit zu sein." antwortete Malis. Sie trat in den Kreis um sich die Symbole anzusehen. Rias kam zu ihr. Er blickte mit einem gemischten Gesichtsausdruck auf die Symbole.

"Allein dieser Kreis kostet mich Überwindung." gestand er und ging davor in die Hocke. "Er besteht aus Smbolen der Hölle und der Geisterwelt. Laut Satri sind sogar Primus Symbole dabei, die Sprache der Götter. Ein gifitger Mix."

Malis umrundete den Kreis. Sie ahnte was für fremde Magie diese Nacht betrieben wurde und wie schwer es einem Logenmagier fiel, Teil des Ganzen zu sein. Lafina hatte Recht, er riskierte viel.

"Rias, warum gehst du soweit?"

Der Magier blickte auf und selbst in der einbrechenden Dunkelheit schienen seine Smaragdenen Augen zu glühen. Er hatte seinen Stab auf den Boden gestemmt und hielt diesen mit einer Hand fest. Die andere Hand ruhte auf seinem Knie.

Er atmete tief ein, ehe er antwortete. "Die Loge der Magier mag die strengen Regeln der Magie bestimmen, doch die Aufgabe der Loge geht weit darüber hinaus. Es ist unsere Aufgbae das Gleichgewicht in der Welt zu halten und dieser Weg, wahrt das Gleichgewicht. Wenn ich nicht an dich glauben würde, wären wir nicht hier. Du wirst das hier durchstehen und damit verhindern wir beide, das dein Fluch zeitnah ausbricht und ein Dämon in Donnerfels wütet. Um solche Ziele zu erreichen ist es manchmal erforderlich unkonventionelle Wege zu beschreiten." Er erhob sich. "Satri hat dir schon erzählt was auf dich zukommt.Ich weiß das du stärker bist als das. Diese Elfe, Lafina..."

Rias erhob sich und kam zu Malis."Ich begegnete ihr bei der Feste Graustein das erste Mal. Sie hat den Lehnsherren und seine Leibeigenen auf mein Bitten hin zusammengerauft und sich mit ihnen und mir gemeinsam einer kleinen Untotenplage gestellt. Sie ist laut und erkennt keine Autorität an. Sie hat den armen Ritter ganz schön zum Narren gehalten. Doch bei dir ist sie anders. Vielleicht bist du die Einzige die dieses vorlaute Ding in den Griff bekommt. Wenn du scheiterst wäre sie wieder unerträglich."

Malis lächelte und schüttelte den Kopf. "Eigentlich habt ihr beide euch gern, ihr wollt es aber nicht wahrhaben."

Rias lachte und sein bellendes Lachen hallte von den Felsen wieder.

"Gerüchte, Prinzessin."

Die Druidin Satri trat zu ihnen. "Beginnen wir."

Rias nickte.

Malis legte am Rand des Ritualkreises ihre Rüstung ab und behielt lediglich die Beinlinge und das Leinenhamd an.

Malis trat in den Kreis aus unheilvollen Symbolen und Rias als auch Satri traten zwischen die Felsen, einander gegenübergestellt.

Rias hob seinen Stab empor und der grüne Smaragd begann zu pulsieren.

Satri warf die Ärmel ihrer Robe zurück und ihre weißen Arme streckte sie von sich. Sie murmelte, raunte merkwürdige Worte und begann mit den Händen seltsame Bewegungen auszuführen die fast einem Ziehen glichen. Über Malis erglühte eine schimmernd bläuliche Kuppel, als es begann.

Ihr Herz machte einen Satz, der schmerzhaft in ihrer Brust widerhallte. Sie stöhnte und griff mit ihrer Hand an ihre Brust. Zu ihren Füßen begannen die ersten Symbole zu glühen, fast so als würden sie sich in Kürze entzünden. Leichter Qualm stieg von ihnen auf. Malis atmete zsichend ein und blickte auf die glühenden Runen. Sie sahen urtümlich aus und der Anblick gab ihr das Gefühl, als blicke sie etwas bösartiges an.

Rias stellte seinen Stab neben sich und streckte die freie Hand aus. Er begann nun auch in einer fremden Sprache zu murmeln. Seine Worte waren wie Federn im seichten Wind und fegten über das Moss zu ihr herüber. Als die Worte sie erreichten begannen die nächsten Runen zu glühen. Auch diese schienen sich zu entzünden, allerdings nicht wie die bösartigen Smbole in rotem Glühen sondern in gleißendem Weiß.

Die Erde außerhalb des Ringes begann sich zu bwegen, als wäre es das Wasser eines stillen Sees in welchen viele kleine Steine gefallen sind.

Malis atmete ein und spürte einen weiteren Schlag ihres Herzens, dieses Mal stärker. Die Symbole entflammten nun vollends. Die Bösartigen in blutroten Flammen die Federleichten in gleißend Weißen.

Aus dem Nichts begann es in ihren Ohren zu rauschen. Der Klang von wild tosenden Feuern. Sie fühlte Hitze um sich herum um hörte Schreie. Seine Schreie.

Nein!

Ihre Sicht verschwamm und sie blickte auf ein Meer aus Feuer.. sie stand mittendrin und in den Flammen kamen Schemen auf sie zu. Groteske Schemen von merkwürdiger gar bestialischer Gestalt. Aus den Flammen peitschten mit Dornen besetzte Ketten und schlugen in ihr ein.

Sie schrie.

Ihr Schrei entsprang ihrer Kehle und aus dem Schrei drang die Verzweiflung einer anderen Seele.

Satri und Rias hielten inne. Sie blickten sich an und Satri nickte.

Sie stellte einen Fuß voran und rammte den Dolch von Malis zur Gänze in den sich bewegenden Erdboden. Eine Welle aus Moos und Erde verschluckte die Klinge.

Satri's Augen begannen weiß zu glühen und sie warf eine Phiole Wasser auf die Erde. Auch diese wurde von einer Welle verschlungen.

Dann sah sie zu Rias und nickte erneut. Beide begannen nun mit dem gleichen Singsang und zu Malis Füßen erglühten in grünen Flammen die verbliebenen Symbole.

Malis riss den Kopf in die Höhe. Ihre Augen leuchteten glühend rot und über ihre Ellenbogen wuchs mit jedem Herzschlag der schwarze Fluch und erreichte zunehmend in schwarzen Adern ihr Gesicht.

Sie schrie, das ihre Stimme brach. Aus ihren Augen und ihren Ohren lief Blut.

Rias mühte sich, die Konzentration zu wahren, als der Körper der Prinzessin vor Schmerz verkrampfte. Die Finger ihrer Hände nahmen eine Krampfhaltung ein und er konnte deutlich die schwarzen Adern hervortreten sehen.

Um den Kreis herum begannen die Felsbrocken zu zittern.

Die Formel näherte sich dem Ende. Das Beben der Felsen wurde stärker und mit einem Mal rauschten sie zur Mitte des Kreises und prallten vor Malis aufeinander. Die Felsen zerbarsten und wurden von einer aufbäumenden Welle aus Moos und Erde umhüllt. Sie schluckten den Fels und drückten ihn gen Boden wo sie einen wabernden Haufen formten und etwas im Inneren zu kneten schienen.

Aus dem inneren Kreis traten orange Flammen hervor und formten glühend heiße Ketten die schlangenartig um Malis herumtanzten und zu lauern schienen.

Malis löste plötzlich ihren Krampf und das Schreien ebbte ab.

Die Bewegung des Bodens ließ nach, bis auf den knetenden Haufen vor ihr. Die tanzenden Ketten um sie herum schlugen in den Haufen ein und ihre Enden schlangen sich um ihre Handgelenke. Sie stöhnte und wickelte die Ketten um ihren Unterarm.

Rias und Satri konzentrierten sich nun auf die Masse aus Stein und Erde.

Malis keuchte schwer und zerrte schließlich mit ihrem gesamten Gewicht an den Ketten die in jenem Moment abkühlten und silbrig weiß in der Nacht schimmerten. Mit ihrem Ruck wurde der Erdhaufen empor gezerrt und fiel herab. Am Ende der Ketten, dort wo der Erdhaufen sich vorher befand, hockte eine Gestalt. Menschlich und splitterfasernackt.

Er hatte langes wildes Haar, das seinen gesamten Rücken bedeckte. Seine Haut war hell und er atmete schwer. Er hob den Kopf und in seiner Brust steckte eine Kette, zwei weitere an seinen Händen.

Seine Augen glühend hellrot und waren nahezu Echsenartig. Er keuchte und griff nach der Kette an seinem Herzen. Ein Knie am Boden das andere angewinkelt sah er zu ihr auf. Malis, noch in halber Drehung, die Ketten in der Hand, sah zu ihm herunter. Ihre Augen glühten und schwarze Adern pulsierten in ihrem Gesicht.

„Dragunvyr bere Malissandre.“ sagte sie mit einer dunklen knurrenden Stimme.

Er atmete schwer und sein Gesicht sah schmerzlich aus. Rias und Satri lenkten ihre Kräfte auf den inneren Ring. Die blutroten Flammen hatten an Stärke gewonnen und beide schrien aus voller Kehle: „Versiegelung!“

Die Flammen erloschen.

Sie keuchten und blickten auf die Beiden im Inneren des Kreises.

Die kniende Gestalt schloss die Augen. Rias bemerkte, das sein Gesichtsausdruck einen leidenden annahm.

Er sah wieder zu ihr auf. „Wie ihr befehlt, meine Königin.“ sprach er mit einer knurrend dunklen Stimme, die sie schon zuvor vernahmen, als das andere Bewusstsein durch Malis sprach.

 

“Ihr seid des Wahnsinns!” donnerte Evelias und seine Faust schlug auf den Schreibtisch ein. Das Holz erbebte leicht und eine Schreibfeder fiel aus ihrem Tintenfass und besprenkelte das Holz. “Einen Zwerg! Ein Mord! In der Felsenhalle!” brüllte er aufgebracht. Hinter dem Schreibtisch stand Xaravas. Er hatte sein Handgelenk hinter seinem Rücken umfasst und wippte leicht auf den Fußballen auf und ab.

Seinen Umhang hatte er bereits magisch gesäubert. Ebenso wie die Felsenhalle.

“Majestät. Niemand hat etwas davon mitbekommen. Ich habe sämtliche Spuren beseitigt.”

“Beseitigt? Und was ist mit meiner Erinnerung? Was für eine Schande für dieses Königreich, für dieses Schloss. Ich dachte du sprichst mit ihm, setzt ihn vor die Tür oder zauberst ihn in die Berge zurück! Aber das! DAS!”

Xaravas lächelte verschmitzt. “Es ist nicht eure Tradition und Ehre, sondern die eines toten Monarchen. Die Ehre der Familie Donnerfels ist nicht die Eure. Das Blut der Königsfamilie Donnerfels ist ausgelöscht, nicht wahr?”

Evelias Kopf zuckte herum und er nahm Xaravas scharf ins Visier. Doch dieser lächelte noch breiter.

“Wenn jemand nach dem Zwerg sucht, so war er vor dem Schloss und kam nicht hinein. Niemand wird sich an ihn erinnern. Dafür trage ich Sorge, Majestät. Angesichts des hohen Besuchs der Königin, sollten wir jeden Störenfried umgehend beseitigen. Überlasst es mir, für Ruhe im Schloss zu sorgen. Eure Herrschaft in Donnerfels soll erblühen. Ich versprach euch, dass ich dafür Sorge tragen werde. Geht euren Geschäften nach, Majestät und ihr werdet sehen, schon bald wisst ihr nichts von einem Zwerg.” Xaravas verbeugte sich. “Ich werde nun die notwendigen Vorkehrungen treffen. Entschuldigt mich.”

Er verließ umgehend die Schreibstube und folgte dem langen Gang bis zu den Treppen im Turm, die sowohl hinauf, als auch hinab führten. Er rauschte die Treppen hinab und betrat die Verließe unter dem Schloss.

Sie reichten weit verzweigt sogar bis unter die Berge des Königreichs. Seit er dem König diente, hatte er damit begonnen die Gänge zu erkunden und eine Karte anzufertigen, doch immer wieder entdeckte er neue Gänge und Verzweigungen. Die Wände wurden von kantigen Säulen, verziert mit zwergischen Runen, gestützt und an ihnen hingen massive Fackeln. Die Runen entsprachen einer sehr alten Sprache der Zwerge und er hatte einige Zauber darin erkannt. Zumindest Zauberformeln, doch handelte es sich um Zauber, die er noch nie zuvor gesehen hatte. In Anbetracht des Alters des Gebäudes, schloss er die Wahrscheinlichkeit nicht aus, dass es sich um Urmagie handelte. Doch er wagte es nicht diese Zauber zu wirken. Manche der Zauber schienen ebenso einen Schutz auf das Schloss zu legen.

An anderen Säulen waren jedoch Ruhmeslieder der Zwerge von Donnerfels niedergeschrieben.

Xaravas rauschte voran und mit jedem Schritt durch ein Säulenpaar hindurch, entflammten die Fackeln am folgenden Säulenpaar und erloschen am Säulenpaar hinter ihm. Ab und an öffneten sich neben ihm Gänge oder Räume, doch er schritt energisch an ihnen vorbei, bis er auf der Höhe der Felsenhalle angelangt war. Vor ihm breitete sich Dunkelheit aus, bis er den Raum betrat.

Von seiner Position aus entflammten sich kreisförmig Fackeln und Feuerschalen in der gesamten Halle die wie ein Dom tief abfiel und hoch aufragte. Mit wehendem Gewand rauschte er die Stufen zu seinen Füßen hinab. Der Boden des Doms schien im Zentrum zu einer kreisförmigen Fläche aus Erde und Fels zu bestehen.

Der Ring war von einzelnen Felsen umringt und eine gewaltige Steinplatte lag im Zentrum. Auf den Steinplatten waren Runen eingeprägt.

Xaravas blickte sich um, als er langsamer voranschritt. Von der Felsenplatte im Zentrum des Rings führten Schleif- und Blutspuren weg. Er verfolgte mit den Augen den Weg der Spuren bis zu einer Säule, vor der eine Fackelschale knisternde Flammen die dunkle rote Spur erhellten. Neben der Fackelschale bemerkte Xaravas zwei Füße in mit Metall verstärkten Stiefeln. Das Metall schimmerte im Licht des Feuers.

“Was für bewegte Zeiten wir doch haben.” sagte Xaravas laut und das Stiefelpaar zuckte. Die Augen des Magiers bemerkten das Zucken. “Zwerge steigen aus ihren Bergen herab, Könige übernehmen Throne anderer Königreiche. Als Ihr aufgetaucht seid, war ich dankbar, dass ihr euch opfert. Meine Lüge tut mir leid. Es stimmt, dass die Gebeine des Drachen sich regen. Ich habe dies an meinem ersten Tag im Schloss bemerkt und nach der Quelle des bösen Willens gesucht und fand diese Grabstätte. Wirklich beeindruckend nicht wahr?”

Er umrundete den Ring und folgte der Blutspur. Langsam tauchten zu den Stiefeln ein paar Beine in sein Sichtfeld.

“Ich dachte schon, die Kreatur würde auferstehen, aber dann seid ihr zum Glück für uns alle hier erschienen, euch zu opfern. Ich war schon verzweifelt. Zwergenblut ist in diesen Tagen eine schwer zu besorgende Komponente.”

Er gelangte an der Fackelschale an und fand den Zwerg an die Säule gelehnt vor. Die Wunde an seinem Hals pulsierte glühend und schloss sich langsam.

Xaravas lächelte und verschränkte seine Arme vor der Brust. “Beeindruckend eure druidischen Fähigkeiten. Dies dürfte der letzte Zauber sein mit welchem ihr euer Leben retten könnt. Lasst mal sehen, was ist das in eurer Hand? Ein Stein mit einer Rune.... Ach sagt an, ihr seid Geode? Ihr beherrscht ein großes Repertoire an Heilzaubern, doch wirken könnt ihr hintereinander nur wenige. Ihr seid vor einigen Tagen vom Berg ins Tal gestürzt? Seht mich nicht so an.” Xaravas Lächeln wurde breiter zu einem bösartigen Grinsen. “So wie ihr ausseht und so langsam wie der Zauber seine Wirkung entfaltet, seid ihr am Ende mit euren geodischen Fähigkeiten. Nun denkt ihr sicherlich, das ihr euren Berg nie verlassen hättet. Wo wir gerade so schön plaudern. Habt ihr bemerkt das Smodur’s Steinplatte einen Riss aufweist? Das hatte nichts mit eurem Fall auf diese zu tun. Euch sollte klar sein, wie wichtig euer Opfer war. Nun.” Xaravas beugte sich zum Zwerg hinunter. Seine goldenen Augen sprühten vor Wut und Hass. Sein Atem ging schnell und rasselnd. Aus seinem Mund quoll immer noch Blut. Obgleich er die Wunde magisch verschloss, eine Narbe würde zurückbleiben und er hatte viel Blut verloren. “Was mach ich jetzt mit euch? Schneide ich euch den Bauch auf und hänge euch über Smodurs Gebeine? Viel hilft vielleicht viel? Ihr habt es bemerkt, oder? Obwohl euer Blut das Grab benetzt, ist der Wille noch präsent, nicht so kräftig wie zuvor. Oh nein, Euer Opfer war nicht umsonst. Ich spürte Smodurs Groll erst, als ich seine Grabstätte betrat. Über uns in der Felsenhalle ist davon nichts mehr zu spüren. Dennoch sollte sich der Groll gänzlich legen. Wenn ich euch aber jetzt ausbluten lasse, dann benötige ich im kommenden Jahr einen Neuen. Eine schwere Entscheidung.” Der Magier sprach von seinen grausamen Gedanken, als wäge er ab, was er zum Mittag essen möchte.

 

Der Zwerg spürte das der Heilzauber endete und kein Blut mehr aus seiner Wunde quoll. Er fühlte die Hitze des Zaubers langsam abebben und eine beklommene Kälte die seinen gesamten Laib erfüllte. Und er spürte den Groll. Knisternd lag es in der Luft. Als er auf der Platte auf Smodurs Grab krachte, war er sich sicher, etwas gespürt zu haben. Etwas das sich unter ihm regte.

Sieben Jahre war es her, seit das letzte Opfer gebracht wurde. Den Lehren seines Volkes nach sollte Zwergenblut ausreichen um den Groll des Drachen zu bändigen. Doch dies schien nicht mehr auszureichen. Er war sich sicher, dass sein Blut auf diesem Grab nicht mehr bewirkte als Zeit zu gewinnen. Dieser verrückte Magier würde ihn töten oder Foltern, er würde hier sein Leben geben, ohne die Warnung in die Welt zu bringen. Ohne die Welt davor zu warnen, was sich unter der Felsenhalle regte.

Der Magier überlegte immer noch was er mit dem Zwerg anstellen solle und seine Gedanken schienen mehr und mehr Wahnsinn zu gewinnen.

Stanor fühlte sich nicht bereit zu sterben. Nicht hier, an den Gebeinen eines verdammten Drachen, nicht durch die Hand eines Menschenmagiers.

Er dachte an seinen Gott. Den Herrn des Steins, den Willen des Felsens. Er dachte an die Kraft des Berges und die Wut des flüsigen Steins tief in den Bergen.

Seine Hand strich über den kalten Stein auf welchem er saß. Fühlten die glatte Fläche, geschliffen und gemeißelt von seinen Vorffahren vor langer Zeit. Er spürte die meisterliche Arbeit, die den Willen des Steins formte und aus dem Felsen brach.

Seine Augen waren fest auf den Magier gerichtet der auf und ab schritt, mit einer Hand am Kinn.

In seiner Handfläche manifestierte sich ein Wille.

Der Stein antwortete.

Vor dem Magier schoss eine Platte empor und traf diesen am Kinn, er verlor sofort das Bewusstsein und fiel leblos nieder.

Stanor lächelte zufrieden. Die Steinplatte fuhr indes rumpelnd langsam an ihre vorige Position zurück.

Der Zwerg kroch auf Knien und Händen zum leblosen Körper des Magiers und warf diesen auf den Rücken. Dann wühlte er durch dessen Taschen und fand einige nützliche Dinge. Das Zauberbuch des Magiers betrachtete er kurz und warf es dann in die Fackelschale hinter sich.

Mitunter fand er ein paar Kräuter und einen konzentrierten Trank, dessen Rezeptur ihm durchaus vertraut war. Stanor steckte alles ein, was ihm nützlich vorkam.

Dann rappelte er sich auf. Langsam, Stück für Stück, mit rasselndem Atem. Er schloss die Augen und spürte den Stein und fühlte die Brise des Berges. Seine Augenlider schlugen auf.

“Dort geht’s raus.” murmelte er und schleppte sich voran. Er musste die Katastrophe verhindern und dies konnte er nur, wenn er herausfand, weshalb die Gebeine sich wirklich regten.

 

Die Nacht war inzwischen zur Gänze über Schlummerholz eingebrochen.

Lafina blickte zu den Baumkronen empor die sanft im Wind wogten und deren Laub beruhigend rauschte. Risan stand neben ihr mit gezogenen Bogen und hinter ihnen sechs Waldfläufer. Die Gugeln über den Kopf gezogen und die Bögen in der Hand.

„Hier sah ich es.“ sagte einer von ihnen und Risan nickte. Lafina stemmte eine Hand in die Hüfte.

„Das ist verdammt nahe.“ murmelte sie.

Sie hatten nur wenige Fuß zwischen dem gespaltenen Felsen und diesem Punkt gebracht.

Ringsum sie herum herrschte Stille. Das Laub wog im Wind und kein anderer Laut war zu vernehmen.

„Jemand hat die Tiere des Waldes hier aufgeschreckt.“ flüsterte Lafina, „Versteckt euch.“

Risan nickte und er tauchte mit den Waldläufern im Unterholz unter. Lafina sah sich um. Sie konnte die sieben nur mit Mühe ausmachen. Diese Gruppe wusste, was sie tat.

Plötzlich hörte sie Zweige knacken und ein Rascheln. Sie zog ihren Bogen und spannte diesen. Der Pfeil zielte auf die Stelle wo sie das Rascheln hörte.

Zweige bewegten sich und ein Huhn tauchte auf. Es stieg über die Zweige und Äste und gluckste leise. Der rote Kamm wackelte und das Huhn zuckte den Kopf in sämtliche Richtungen.

Lafina runzelte die Stirn, als sie hinter sich eine Bewegung wahrnahm.

Sie entspannte den Bogen und sprang mit einem Satz vorwärts. Das Huhn flatterte aufgeschreckt auf und im nächsten Augenblick blitzte Stahl und bohrte sich in das Unterholz, an der Stelle wo Lafina zuvor stand. Am Griff des Schwertes eine Hand und dahinter ein Mann. Groß und mit hellgrauen Augen und einem kalten, mörderischen Blick.

Lafinas Augen huschten über das dichte Unterholz und sie bemerkte Pfeilspitzen die auf die Gestalt gerichtet waren.

Der Fremde zog sein Schwert aus dem Boden und lächelte verheißungsvoll.

„Du bist flink.“ sagte er. Er schwang das Schwert auf seine Schulter und sein Mantel folgte der Bewegung und offenbarte einen Waffengürtel voller Waffen.

Lafinas Herz schlug schneller. Die Waffenvielfalt des Mannes und sein Vorgehen ließen eine dunkle Ahnung zu: Er war eine schwarze Schwinge. Sollte ihn jemand angeheuert haben um Malis zur Strecke zu bringen?

„Was treibt Euch her, Schwinge?“ fragte Lafina und warf ihren Bogen auf den Waldboden. Stattdessen zückte sie das Kurzschwert an ihrer Hüfte.

„Die Jagd.“ antwortete die Schwinge und grinste bösartig. „Du willst mich daran hindern?“

„Was jagt Ihr? Hühner?“ Lafinas Blick folgte dem Huhn das an ihr vorbei stakste auf den Jäger zu.

Der Jäger gluckste. „Nein. Ich habe schon ein Prächtiges. Ich habe es Schreihals genannt. Gefällt es dir?“

Lafina hob eine Augenbraue. „Es ist ein Huhn.“

„Oh das hier ist besonders. Wie dem auch sei.“ Er ließ das Schwert langsam von seiner Schulter gleiten. „Stehst du meiner Jagd im Weg?“

„Was jagt Ihr?“ wiederholte Lafina und hob das Schwert an. „Verlangt es euch nach Harunes Kopf?“

„Ich habe kein Interesse an dem Geist. Ich jage die verfluchte Prinzessin.“

Also doch, dachte Lafina und sah spöttisch drein. „Ihr jagt ein Ammenmärchen? Eure Zunft ist erbärmlich, zuerst jagt ihr die Euren und dann Gerüchte.“

„Ein Märchen also.“ murmelte der Fremde. Er hob sein Kinn an und kratzte seinen stoppeligen Bart. „Wie dreist du doch lügst, Elfe. Bist du nicht vor zwei Tagen mit der Prinzessin und Rias aus Riam aufgebrochen?“

Die Fischer hatten also von ihnen erzählt. Lafina seufzte. Natürlich hatten sie das. Ein Kerl wie Rias erregte Aufmerksamkeit.

„Das ändert nichts daran. Ammenmärchen.“ bluffte Lafina.

Der Jäger grinste.

Sie musste die anderen im Lager warnen. Schwarze Schwingen widerstanden Pfeilen, selbst wenn es derer sieben waren. Sie verbrachten ihr Leben damit ihre Körper zu verändern und Schmerzen zu widerstehen. Sie stemmte einen Handrücken in ihre Hüfte und wechselte das Standbein. Der Jäger folgte ihrer Bewegung. Dann richtete sie die Klinge aus und wie erwartet achtete der Jäger auf die Klinge und nicht auf die Hand an der Hüfte die ein Zeichen gab. Lafina blickte nur auf den Fremden sah aber im Augenwinkel das die Pfeile aus den Büschen verschwanden. Wenn der Jäger es ernst meinte, dann waren sie auch zu siebt, mit ihr zu acht unterlegen. Kerle wie er hatten in der Vergangenheit sogar Magier vom Format eines Logenmagiers zur Strecke gebracht. Sie sollten Ethraniel warnen und sie würde ihnen die notwendige Zeit verschaffen.

„Soso, dann bist du nicht mit der Prinzessin unterwegs?“ fragte der Jäger und seine hellgrauen Augen hafteten an ihrem Gesicht, ihren Wimpernschlag, ihrem Atem an der Kehle, ihren Mundwinkeln.

„Was hast du mit der Prinzessin vor?“ fragte Lafina und dachte innerlich daran ihren Atem und ihr Herz zu beruhigen.

Der Jäger lächelte. „Na schön, du bist meinem Hieb meisterlich entgangen, also sollst du eine Belohnung erhalten. Ich suche sie um sie auf den Thron zu bringen oder einen Beweis ihres Ablebens. Das kann sie frei entscheiden. Mein Auftraggeber will eins davon.“

Lafina runzelte die Stirn. „Dein Auftraggeber ist ein Lehnsherr?“

„Oh, scharfsinnige Elfe.“

„Keine Kunst. Schließlich steht die Krönung des Thronhüters kurz bevor.“

„So ist es. Genug geplaudert.“

Lafina blinzelte überrascht, denn der Jäger war verschwunden, doch im nächsten Augenblick tauchte er vor ihr auf. Sie ging in die Knie und verlagerte ihr Gewicht und wich somit einem kräftigen Schwerthieb aus der über ihren Kopf die Luft zerteilte.

Sie stemmte sich hoch und zog das Schwert an ihrer Seite hoch, gerade noch rechtzeitig, das ein weiterer Hieb auf sie niederging und an ihrem Kurzschwert abglitt.

Mit einer Fußdrehung befreite sie sich aus der Klemme und stieß das Schwert voran.

Der Stoff des Mantels des Fremden tanzte an der Klinge vorbei.

Das Unterholz zu ihren Füßen raschelte.

Plötzlich erschütterte ein ferner Schrei die Nacht. Er echote in den Felsen hinter ihnen wieder und beide hielten inne und blickten sich um. Der Schrei nahm infernalische Ausmaße an und klang wie aus einer fremden Welt.

„Was war das?“ raunte der Jäger unheilvoll und Lafina sah bleich zu den Bergen auf. „War das etwa die Prinzessin?“

Lafina sah ihn an. Wütend riss sie das Schwert empor und stieß erneut auf ihn zu. Der Schrei verstummte.

Er hob seine Klinge leicht und ließ ihr Kurzschwert darüber gleiten. Durch ihren Schwung kam sie ihm sehr nahe, doch sie bremste sich und sprang zurück.

Er grinste und ballte seine Metall bewehrte Faust und klappte den Mittelfinger aus.

„Du Elender!“ knurrte Lafina und stieß erneut voran.

Der Jäger grinste breiter. Er senkte seinen Schwertarm und als ihr Schwert seine Reichweite erreichte, riss er den Schwertarm ruckartig empor, sodass ihr Schwert nach oben flog. Seine freie Faust flog mit großer Gewalt voran und traf sie mitten im Gesicht. Blut spritzte und Lafina verlor das Bewusstsein.

 

Im Lager der Waldelfen herrschte Aufregung. Der Schrei der Prinzessin hatte alle beunruhigt. Das merkwürdige Leuchten des Ritualkreises war erloschen und sie sahen drei Gestalten, die vom See her zurückkehrten. Zwei der Gestalten erkannten sie sofort. Zum einen der Hüne Rias und ihre Druidin Satri. Rias trug eine erschlaffte Gestalt in seinen Armen. Zwischen ihnen lief eine unbekannte Gestalt. Hochgewachsen und scheinbar männlich. Als sie in Sichtweite kamen tuschelten einige Frauen und eine von ihnen rannte in eine der Jurten und kam mit einem bodenlangen Umhang zurück. Mit roten Wangen flitzte sie auf die Drei zu und zuckte zusammen als sie die glühend roten Augen des Unbekannten sah. Dieser erblickte den Umhang und lächelte. „Danke.“ sagte er in einer dunklen Stimme und warf sich den Umhang um. An den Handgelenken rutschen die Ärmel hoch, aber das Empfindlichste war bedeckt.

Satri redete in elfisch auf die Elfin ein, die nickte und zu den anderen zurückkehrte. Sie entzündeten Fackeln und machten Rias den Weg frei.

Er brachte Malis' bewusstlose Gestalt in ihre Jurte und legte sie auf den Boden. Die schwarzen Adern in ihrem Gesicht pulsierten und unter ihren Augen, Ohren und an ihrem Hals klebte getrocknetes Blut. Er strich mit dem Handrücken über ihre Stirn. Sie fühlte sich kalt an. Ihr Atem ging rasselnd.

„Du wären guter Vater.“ sagte Satri als sie die Jurte betrat. Mit einem Seil auf der Schulter und vier Pflöcken unter dem Arm geklemmt.

Rias hob die Augenbrauen und musterte die Gegenstände. „Täte ein Vater so etwas seinem Kind an?“ fragte er und Satri blickte nach oben und zuckte mit den Schultern.

Hinter ihr trat Dragunvyr in die Jurte.

„Es bleibt nicht viel Zeit für sie.“ sagte er.

„Was ist geschehen?“ fragte der Magier und nahm von Satri die Pflöcke und das Seil ab.

„Die Druidin hatte meine Seele gepackt als die Dämonen Malis packten. Sie hat mich weggestoßen. Ein Teil ihres Geistes ist noch dort. Wenn sie sich nicht losreißt, war alles umsonst.“

„Sie schafft das.“ sagte Rias und begann die Pflöcke in den Boden zu rammen. Hinter ihnen trat erneut die Elfin ein. Sie lächelte Dragunvyr an.

„Die Kleidung meines verstorbenen Mannes sollte Euch passen.“ und überreichte Dragunvyr einen Stapel.

„Ihr seid zu gütig.“ antwortete er und sah sich zu Rias und Satri um, die damit begannen das Seil um ihre Handgelenke und Fußgelenke zu binden. „Ist die blonde Elfe schon zurückgekehrt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Risan kam zurück. Er sagt das eine schwarze Schwinge im Wald ist.“

Dargunvyr sah sie fragend an. Vom Boden hinter ihm sagte Rias, während er das Seil straffte: „Wenn du hier nicht mit anpacken willst, dann halte diesen Jäger auf, Geist. Die Schwingen sind gefährlich.“

Dragunvyr lächelte und sah zur Elfin, „Bring mich zu ihm.“

 

Die Elfen aus dem Unterholz, welche die Blonde fortschickte waren in Richtung der Felsen verschwunden. Er schulterte die leblose Elfe und steckte sein Schwert zurück in die Scheide. Dann blies er die Wangen auf und stieß einen leisen hohen Pfiff aus. Er wartete und schließlich trabte sein schwarzer Hengst heran. Langsam und mit gesenktem Haupt.

„Guter Junge.“ murmelte er. Zu seinen Füßen scharrte das Huhn im Waldboden.

Der Hengst trabte zu ihm und er warf den leblosen Körper bäuchlings über den Hintern des Tieres. Aus einer Satteltasche zog er zwei Seile und fesselte sie an Händen und Füßen. Immer wieder lauschte er in die Nacht, doch seit dem Schrei lag völlige Stille über dem Wald.

Als er die Elfe verschnürt hatte sah zum Huhn, das sich aufplusterte und den Kopf seitlich legte. Er seufzte und hob es auf den Sattel des Pferdes.

Behutsam griff er nach den Zügeln und zog sie über die Ohren des Tieres.

Dann führte er den Hengst tiefer ins Holz, näher an die Felsen.

Schon nach wenigen Schritten erblickte er einen großen gespaltenen Felsen und er hörte Stimmen aus dem Spalt.

„... nach dem Rechten sehen.“

„Ein Fremder mit glühenden Augen kann große Töne von sich geben. Befehl ist Befehl. Meine Schwester sagte Nein.“

„Sie ist nicht meine Befehlshaberin.“

Aus dem Spalt tauchten zwei Gestalten auf. Die eine war ein männlicher Waldelf mit einem dünnen geflochtenen Zopf und leicht gebräunter Haut, neben ihm allerdings lief ein Mann, der den Jäger verunsicherte.

Der Mann war so hoch wie er und hatte sehr dichtes, wildes schwarzes Haar das ihm über Schultern und Rücken fiel. Er hatte scharfe Gesichtskonturen und glühend rote Augen, deren Pupillen leicht spitz zuliefen. Sähe er diesen Mann nicht in einer so menschlichen Gestalt, so würde er ihn für eine Bestie halten. Ein Schauer krabbelte über seinen Nacken und sein Herzschlag beschleunigte sich. Kalter Schweiß perlte an seinem Haaransatz. Das Gefühl, das gleiche Gefühl wenn er einer Bestie gegenüberstand.

Ihre Blicke trafen sich.

„Da ist sie ja.“ sagte Rotauge und seine Stimme klang wie ein Knurren. Dunkel und Rau. Hätte er die menschliche Form nicht vor seinen Augen so hätte es auch die Stimme einer Bestie sein können.

Rotauge musterte ihn. „Du bist ein Kämpfer?“

Er lächelte. Wenn Rotauge mit ihm reden wollte, warum nicht.

„Sowas in der Art auch, ja. Und was bist du?“

Rotauge sah den Waldelfen an. „Ich habe das hier im Griff.“

„Ach wirklich? Ich habe Ohren, mein Freund und ich weiß-“

„Ich sagte-“ Rotauge hob die Stimme, „Ich habe das hier im Griff.“

Das Waldelf schnaubte und mit einem letzten Blick auf den Jäger eilte er durch den Spalt zurück.

„Sie nannten dich Schwinge.“ sagte Rotauge schließlich an den Jäger.

„So ist es. Ich bin eine schwarze Schwinge. Ich jage Bestien. Bist du eine Bestie?“

Rotauge lächelte und nickte in Richtung der bewusstlosen Elfe, an Händen und Füßen geknebelt.

„Offenbar bis du eine. Blutet sie?“

Der Jäger sah sich kurz zur geknebelten um. „Ich glaube ich habe ihre Nase gebrochen.“

Rotauge hob die Augenbrauen. Seine Augen wanderten über den leblosen Körper zu dunkel verfärbten Faust des Jägers. „Ich weiß nicht was dein Problem ist, mein Freund. Weder kenne ich die Schwingen noch habe ich Geduld für deine Spielchen. Mir ist es gleich Wer du bist, aber ich will dich gewarnt haben."
Rotauge nickte in Richtung des Felsens. "Du machst dir mächtige Feinde."

Er wägte ab.

Als er den Auftrag von der verwöhnten Adeligen erhielt, glaubte er das es ausreichte ein blutiges Kleidungsstück oder etwas anderes Triviales mit einem Wort der Wahrheit zu ihr zu bringen. Seit seiner Ankunft in Riam hatten sich die Ereignisse überschlagen. Er rechnete damit nicht mehr als losen Fäden eines Gerüchtes zu folgen und erfuhr dann von Goldfinger, der Riam erst kürzlich verließ und Rias, der mit einer Elfe und einer Fremden gen Schlummerholz aufbrach. Das ein Logenmagier sich in Donnerfels herumtrieb war nicht ungewöhnlich. Das Königreich war aufgrund seiner Geschichte für viele Magier ein interessanter Ort. Ungewöhnlich war, das er sich wie ein einfacher Abenteurer in einen dunklen Forst begab. Logenmagier wählten keine politische Meinung und keinen Vertreter einer Meinung. Es gehörte zu ihrem Codex das sie neutral blieben. Wenn er nun dennoch selbst nach der Prinzessin suchte, dann musste an dem Gerücht etwas Wahres dran sein.

In Erwartung auf den Helden Rias zu treffen, traf er stattdessen auf Rotauge. Gestalten mit einer solchen Augenfarbe hatten noch viel weniger mit der Loge zu schaffen. Einzig wessen Geist den Verführungen der dunklen Kreaturen erlegen und wessen Seele die Höllen berührt hatten, dessen Augen nahmen das glühende Rot der Höllen an. Es gab zwei Möglichkeiten. Rotauge war ein Bluthexer oder Rotauge entstammte selbst den Höllen.

Er schnalzte mit der Zunge und Rotauge grinste schief.

„Deine Gedanken scheinen dich zu überfordern.“ raunte Rotauge und rieb mit einer Hand die Fingerknöchel seiner anderen.

Beide Möglichkeiten widerten ihn an. Er senkte den Kopf und die Hand, an welchen ehemals silberne Platten vor getrocknetem Blut in der Nacht schwarz erschienen, bedeckte sein Gesicht bis über seine Nase. Seine hellgrauen Augen blickten böse funkelnd in die glühenden, gierigen Flammen des Unbekannten mit der gefährlichen Aura.

„Ich habe eine Entscheidung abzuwägen.“ antwortete der Jäger verhalten, hinter seiner Hand.

Rotauge zuckte mit den Schultern. „Wie schwer wiegt das Gewissen hinter deinem Wort der Entscheidung?“

Aus dem Felsspalt hinter ihm ertönten erneut Stimmen und eine gehetzte Gestalt tauchte auf, die das Fällen einer Entscheidung aussetzte.

Die Geschichten wurden seiner nicht gerecht. Lange bevor er in Sichtweite war, spürte er das Kribbeln seiner Präsenz, das sein Herz und seinen Atem stocken ließ. Wie ein Faustschlag aus dem Nichts traf es ihn, als die weiße Haarmähne hinter Rotauge auftauchte und grün funkelnde Augen die seine trafen.

Für einen Augenblick sahen sie sich schweigend an.

Dann ließ der Jäger die Hand sinken. Lächelte kurz und hob beide Arme ergeben in die Höhe.

Rias hob eine Augenbaraue, doch Rotauge lachte. „Ich hätte mich auch für das Überleben entschieden.“ sagte er mit seiner dunkleren knurrenden Stimme.

„Halt einfach den Mund.“ grummelte Rias und ging auf den schwarzen Hengst zu.

Der Jäger drehte den Kopf leicht. „Ich habe ihre Nase gebrochen. Ein Heiler sollte das richten.“

Der Magier löste die Fesseln mit einer Fingerberührung. Die Seile glitten von ihr und landeten auf dem Boden. Das Huhn flatterte auf und landete auf den Sattel. Es scharrte mit den Füßen und gluckste.

Rias hielt inne. Er musterte das Huhn und sah den Jäger an.

Der Jäger grinste und beide sagten zeitgleich: „Darendar.“

Der Magier schüttelte den Kopf: „Kann es Eier braten?“

„Nein, aber es weckt zuverlässig.“ Der Jäger lachte und verschränkte die Arme. „Ich suche keinen Ärger. Ich suche Antworten. Dieses Spitzohr war übereifrig, selbst überschätzend...“

Der Magier packte die Elfe an der Schulter und an ihrem Gürtel und zog sie vom Pferd. Geschickt warf er sie sich über die Schulter, auf der sie lächerlich klein wirkte und stapfte am Jäger vorbei zu Rotauge. Er klopfte Rotauge auf die Schulter. „Er kommt mit. Satri kümmert sich um den Langfinger.“

 

Die Welt war kalt und dunkel. Sie war umgeben von Dunkelheit, weite und große Finsternis. Immer wieder hörte sie ferne Echos. Stimmen die anders sprachen, fremd und nicht mit ihrer Stimme.
Sie drehte sich auf der Stelle. Dunkelheit.
Was war davor? Sie dachte angestrengt nach.

Dragunvyr. Sie hatte ihn vor sich gehabt, auf Knien, in Ketten. Und dann?
Flüstern in der Dunkelheit. Sie blickte sich um.
Zahrrra Grash Afff.
Fremd, keine Stimme.
Sie war nicht mehr wirklich. Also waren ihre Ohren nicht mehr wirklich. Also war Sprache nicht mehr wirklich.

Die Worte hallten erneut, doch dieses Mal verstand sie sie.
Kind der Sterblichen.
Ich bin sterblich, dachte sie. Was war geschehen?

Sie sah Dragunvyr an und dann? #

Flammen die hervorbrachen und glühende Krallen verbrennenden Fleisches die nach seiner Seele gierten. Doch sie stieß die Seele von sich und die Faust der Klaue entgegen.

Und sie war hier.
Du hast hier nicht zu sein.
Nein. Das hatte sie nicht, doch wo war ihr Ich.
Kehre zurück.
Sie blickte in die Finsternis und sah etwas. Eine Gestalt, gleissend. Sie hielt etwas, einen Kelch?
Sie drehte sich auf der Stelle. Hinter ihr war ein roter Vorhang erschienen. Wunderschöner roter Samt, der sich in sanften Wogen geheimnisvoll bewegte. Mit jeder Woge tönten grauenhafte Schreie durch die Dunkelheit.
Kehre zurück.
Aber das Leid wartet dort. Antwortete sie.
Das ist das Leben.
Sie drehte sich zurück und eine gleissende Gestalt stand vor ihr, sie hatten einen Kelch in der Hand und lächelte. Sie war strahlend schön. Ob Mann oder Frau, sie wusste es nicht.
Heamons Tochter, Leid ist das Feuer das deinen Geist schmiedete. Du wirst leiden und Leid bringen. Du hast mich gerufen, ich habe geantwortet. Kehre zurück. Du wirst leben. Dies ist meine Antwort.
Und dann stieß die Gestalt sie durch den Vorhang. Schreie raubten ihr die Sinne.

Dragunvyr kehrte zur Jurte zurück. Er überließ es dem Magier sich mit dem Fremden auseinanderzusetzen.
Malis lag auf dem Boden. Hände und Füße an Pflöcke gefesselt. Sie bäumte sich und stöhnte. Auf ihrem Gesicht pulsierten schwarze Adern die inzwischen schon ihre Augen erreicht hatten. Er setzte sich neben ihr und dachte krampfhaft an ihren Namen, an Bilder die sie ihm zeigte und faltete seine Hände. Immer wieder dachte er das Gleiche und stützte seine Stirn an die Hände.
Nach einer Weile betrat jemand die Jurte. Er blickte auf und die Gestalt zuckte zusammen.
Er brauchte einen Moment ehe er sie erkannte. Ihr Gesicht war geschwollen und an ihrer Nase waren zwei Äste mit Leinen ringsum ihren Kopf gebunden. Beide Augen waren blutunterlaufen und schwollen an. In ihrem Haar klebte noch Blut.
"Lafina." Sagte er.

Sie nickte und setzte sich zu ihm auf den Boden. Ihre hellblauen Augen wanderten über Malis und ihre Fesseln. Sie hob eine Hand und zog sie wieder zurück.
"Wir müssen warten. Ich versuche zu ihr durchzudringen aber sie antwortet nicht."
Lafina nickte und setzte sich auf ihre Knie. Beide blickten schweigend auf Malis.
Lafina musterte Dragunvyrs Profil und legte vorsichtig eine Hand auf seine gefalteten.
Er sah sie an. Sie lächelte.
"Warum sagst du nichts? Glaubst du ich lache dich aus?"
Lafina rollte mit den Augen.
"Ich würde lachen." Sagte sie und ihre Stimme klang belegt und nasal. Satri hatte scheinbar einen in Kräutergetränkten Stoff in ihre Nasenlöcher gestopft, denn sie umgab ein würziger Geruch.
Dragunvyr wandte angestrengt höflich den Blick ab und Lafina boxte ihn.
"Lach ruhig. Schon in Ordnung." Sie blickte auf Malis. "Und wenn sie nicht zurückkommt?"
"Dann geht es für mich zurück in die Höllen und hier erwacht ein Dämon."
"Das wäre scheiße." Murmelte Lafina leise. Die schwarzen Adern erreichten Malis Stirn und sie stieß ein kehliges Knurren aus.
Dragunvyr und Lafina sprangen auf.
Der Körper bäumte sich auf und sie warf ihren Kopf hin und her. Rasend schnell breitete sich die Schwärze aus und Malis Gesicht wurde Pechschwarz. Ihre roten Augen glühten.
"Scheiße, nein." Hauchte Lafina und zog ihr Kurzschwert.
Malis riss den Mund auf und ein gluterales Knurren ertönte. Sie riss an den Seilen und Dragunvyr stieß Lafina zurück.
"Könntest du sie wirklich töten?" Warf er ihr vor. Sie sah ihn entschlossen an.
"Ich wohl eher als du. Das da ist nicht sie. Es tut mir Leid für dich, doch ich lasse nicht zu das ein Dämon all die artmen Seelen da draußen zerfetzt. Es wäre nicht in Ihrem Sinn.“
Die Seile rissen und Malis sprang ihnen entgegen. Dragunvyr packte ihre Hände.
"Es ist zu spät. Schlagen wir ihr den Kopf ab!" Brüllte Lafina mit tränenerstickter nasaler Stimme. "Ich beende es!!!"

Sie fiel. Der Vorhang verschwand und sie fiel. Es gab nichts wo sie zurückkehren konnte. Da war nichts.
"Ich beende es!!!"
Nein, nein, es darf nicht vorbei sein. Ich konnte nichts für dich tun. Malis! Malis!
Sie fiel. Da war nichts.

Rias stürmte in die Jurte und hob seinen Stab.

Lafina riss ihr Kurzschwert hoch und Dragunvyr streckte den Angreifern eine Hand entgegen.
"Dragunvyr?"
Sie stockten.
Malis blinzelte. Ihr schwarzes Gesicht vor Dragunvyrs. Auf ihren Handflächen glühte ein weißes Symbol auf. Mit jedem Herzschlag zog sich die Schwärze zurück.
"Wie kann das sein... da war nichts..." flüsterte sie und Dragunvyr lächelte.
"Sie ist es."
Lafina stöhnte und Rias senkte seinen Stab.
"Es war zu spät." Hauchte Malis. "Da war... etwas." Sie blickte auf ihre Handrücken. Die Schwärze verschlang sich in eine bösartige Rune umgeben von weißen Symbolen die kreisförmig darum wirbelten und schließlich in die Haut brannten. Sie sog zischend Luft ein. Ein Geruch von verbrannten Fleisch blieb zurück und weiße Narben in merkwürdigen Runenartigen Symbolen ringsum das schwarze Symbol in ihrer Mitte herum.
"Das war Primus." Sagte Rias.
Malis sah ihn an, "Götter?"
Rias Gesicht war undurchdringlich.
Lafina sah Rias an. "Götter? Schwachsinn."
"Ganz Goldfingers Mädchen." Erwiderte Rias. "Ich sage nur das was ich sehe, das ist Primus. Die Sprache der Götter."
Malis blickte zu Dragunvyr auf.
Das Gesicht zu dem Anderen. Es war anders, ausgeprägt und markant. Die Augen echsenähnlich und doch menschlich. Die Haare wild, als hätte er viele Jahrzehnte keine Klinge gesehen.
"Wie merkwürdig." Flüsterte sie.
Er hob eine Augenbraue. "Und für mich erst."
Lafina, das Schwert immer noch erhoben, atmete tief durch. Sie spannte die Schultern. „Es ist für uns alle merkwürdig. Eine merkwürdige Nacht.“

Der Weißhaarige seufzte. „Was ich sehe, ist keine Gefahr, vorerst.“

Die Elfe ließ ihr Schwert sinken und ihre Mundwinkel zuckten. „Glaubst er kennt sich mit alten Pfaden aus?“

Der Magier rollte mit den Augen und verließ die Jurte.

 

Hoch über Donnerfels blickte die Kirche des Thanor in den Westen hinab.
Hinter Graufeste begann der Pilgerpfad welcher an den steinernen Toren der beständigen Kirche des Gottes Thanor mündete.
Hinter der Kirche folgte der Pfad des Aufstiegs.
Thanor selbst blickte an der Pforte finster den Pfad hinab. Der Stiel seiner Axt teilte die steinerenen Flügentore die von vier steinernen Fackelschalen gesäumt waren.
Thanor, einst ein sterblicher Zwerg, wurde sowohl von Zwergen als auch von Menschen angebetet. Als Gott des Felsens und Steins flehten die Bergarbeiter um seine Gnade beim Graben eines Stollens und seinen Segen beim Schürfen nach Erz.
Zu den Tugenden der Anhänger seines Glaubens zählte der Aufstieg zu seiner Kirche in den Donnerfelsen.
Sie war in den Berg Thanors Faust geschlagen. Über dem Kopf des Zwergengottes überblickte ein Balkon den Pfad. Bogenförmige Fenster, umrahmt von kantigen Säulen zeichneten die Größe der Kapelle. Doch im Berginneren verbrachten die Jünger des Steins in verschiedenen Kapellen ihr Leben in Meditation zum Stein selbst.
Beim Fegen von Steinplatten war es notwendig auf die Ritzen zwischen den Platten zu achten. Der Staub verfing sich darin. Deshalb fegte sie auf den Platten einzelne Haufen. Deshalb und weil es die grundlegende Aufgabe unnötig in die Länge zog und somit dafür sorgte, das noch lästigere Arbeiten hinten angestellt werden mussten, was wiederrum dazu führte, das andere Jünger sich darum kümmerten.
Sie umtänzelte mit dem Besen aus Stroh einige ihrer kunstvollen Staubhäufchen und fegte peinlichst genau in den Rillen der Steinplatten.
Ihr kupfernes, nahezu feuerrotes Haar peitschte in ihrem Tanz über ihren Rücken und hob sich grell vom aschgrauen Gewand ab, das die Häufchen kaum streifte. Ihre Füße steckten in schlichten Strohsandalen, das Gewand selbst wurde von einem Seil an der Hüfte gebunden.
An diesem Tag befand sich kein Jünger in der Kapelle, hoch über dem Felsengott.

Sie hatten sich seit der letzten Nacht zurückgezogen in die Tiefenkapelle.
Sie hielt vor einem Mosaik des Zwergengottes inne.
Ein Abbild seines Gesichts war in den Boden kunstvoll eingearbeitet umgeben von Steinplatten mit Segenswünschen in Runen gemeisselt. Diese bedurften des besonderen Fegegeschicks einer Ungläubigen.
Sie blickte nachdenklich auf das Mosaik.
In der Nacht zuvor waren merkwürdige Schreie aus der Ferne zu hören.
Leise und kaum verständlich. Dennoch beunruhigte es die Jünger. Sie selbst hatte es auch vernommen, aber hielt es kaum für mehr als ein verzerrtes Echo.
Die Jünger jedoch glaubten das die Höllen sich gezeigt hätten.
Sie grinste.

Religiöse Spinner.
Behände schwang sie den Besen weiter und tanzte über Thanors Gesicht.
Aus den offenen Fenstern an der Westseite der Kapelle wehte eine frische Brise herein und verwirbelte kleine Staubhäufchen im einfallenden Sonnenlicht der Nachmittagssonne.
Der Besen scharrte über die Mosaike als es kratzte.
Sie stutzte und umklammerte mit beiden Händen verblüfft den Besenstiel.
Es kratzte erneut.
Mit erhobenen Augenbrauen blickte sie zu Thanors Geisicht herab.
„Ich verbitte mir, Thanor, habt ihr unter mein Gewand geblickt und nun juckt euch der Fels? Ihr Widerling.“
Das Kratzen ging in ein Schaben über.
Sie blickte sich um. Als das Sonnenlicht ihr kupfernes Haar streifte glühte es orange wie eine Flamme. Ihre hellbraunen Augen schimmerten in leichtem Orange.
Das Schaben schien aus einem anderen Bereich zu kommen.
Den Besen gepackt folgte sie dem Klang in das Innere der Kapelle und endete vor einer Wand die aus schweren Steinblöcken gesetzt war. Die unterste Reihe bestand aus glatt geschliffenen Blöcken, darüber waren in den Blöcken Stationen von Thanors Leben gemeisselt. Zu Füssen seines Aufstiegs war das Schaben am lautesten.
Sie kniff die Augen zusammen und bemerkte das der Rand des Steinblocks staubte.
Diese Wand führte nirgends hin, dahinter lag Felsen, Stein, der Berg.
Sie runzelte die Stirn und ihre Augen wanderten über das Wandbild. Hinter Thanor war ein Berg abgebildet.
Das Schaben folgte nun einem Rhytmus.
Geheimgänge mochte es dennoch geben.
Sie lehnte den Besen an die Wand und fuhr mit den Händen über die verdächtige Steinplatte. Sie war kalt und aussergewöhnlich glatt für Stein. Ihr fiel auf, das die Farbe dieser Platte sogar keicht von den umgebenden abwich und in Anbetracht de rGenauigkleit, mit der dieser Ort erschaffen wurde, mochte das tatsächlich kein Zufall oder künsterlische Freiehit sein.
Sie drückte mit Kraft gegen die Platte. Ihre Oberatme spannten an und Muskeln zeichneten sich ab. Die Platte gab nach und ein Klacken ertönte.
Das Schaben endete.
Die Platte sprang ihr ein Stück entgegen.
Mit ihren Händen krallte sie die Ränder der Platte und stemmte ihre Füsse entgegen. Mit den Sandalen rutschte sie jedoch an die Platte heran. Unwirsch drehte sie sich auf der Stelle und ein Schlappen nachdem anderen segelte in die Kapelle und schlitterte über Thanors Gesicht.
Dann atmete sie tief ein und packte die Platte erneut.

Diese folgte ihrer Bewegung langsam und über den Boden scharrend. Sie spürte eine Druck der von Etwas hinter der Platte ausgeübt wurde. Und je weiter der Stein in den Raum ragte umso deutlicher vernahm sie ein Ächzen.
Schließlich schafften sie es, das die Platte gänzlich in den Raum ragte. Sie bewegte sich nicht weiter.
Sie atmete schwer und hatte einen Arm auf die Platte grlegt, den anderen in die Hüfte gestemmt.
Sie rang um Luft. Hinter der Platte drang ein Gemisch an Gerüchen hervor aus kaltem Stein, Leder und Eisen.
Sie hörte raschelnde und Schleifende Geräusche. Jemand zog sich ins Innere.
Langsam richtete sie sich auf und setzte ihre blanken Füsse voran.
Vorsichtig blickte sie um fir Platte herum.
Sie erblickte einen Zwerg mit gestutztem Haar und Bart. Er hatte eine schlecht verheilte Narbe am Hals und seine Lederkleidung war voller geronnenem Blut.
Verwirrt sah sie auf ihn und hinter ihm. Es schien sich um einen schlecht behauenen Gang in den Berg hinein zu handeln.
Der Zwerg blickte sie an. Er hatte satte goldene Augen. Ein Lächeln zuckte über ihre Lippen.
Die auffälligen Haare und Augen der Kinder Aetherius hatten ihr schon immer gefallen.
"Thanors Wege sind unergründlich." Sagte sie, "Und schlecht beschaffen und voll schwerer Felsen."
Der Zwerg gluckste.

"Sei ebenfalls gegrüßt." antwortete er. "Ich hätte mich ja angekündigt, aber der Vogel mit dem Brief ist an der Tür verhungert." Er deutete auf die Platte.

Sie grinste. "So hattet Ihr immerhin Nahrung, bis ich euch den Weg öffnete. Sagt, da wo ihr herkommt, gibt es da noch mehr Vögel? Solche wie euch?"

Er stemmte sich hoch. Ihr fiel auf, das er sehr blass war und sich kaum auf den Füßen halten konnte. ER schüttelte den Kopf.

"Dort wo ich herkomme, wartet der Tod." Er atmete tief ein und schloss die Augen. Die Steinplatte vor ihr erzitterte und sie wich ein paar Schritte zurück, als der Stein mit einem Ruck in seine Postion zurück schoß und lediglich Staubspuren auf dem Boden verrieten, das sie noch vor kurzem eine heilige Darstellung Thanors entweiht hatten.

„Magie...“ murmelte sie ehrfurchtsvoll.

„Stanor mein Name, ich bin ein Geode aus den Donnerfelsen.“

Sie blinzelte verdutzt. „Aus den Donnerfelsen?“ betonte sie und deutete mit dem Kopf auf die Darstellung des Berges hinter Thanor.

Der Zwerg sah zur Wand auf. Seine goldenen Augen weiteten sich und wanderten anschließend durch den Kapellenraum. Über die Meißelarbeiten an den Wänden, das Mosaik am Boden, die prächtigen Fackelschalen überall und der halbrunde Chor mit seinen eindrucksvollen runden Fenstern. Die senkende Sonne warf ihr gleißend goldenrotes Licht in den Innenraum und der herum wirbelnde Staub funkelte und brach die Strahlen.

Die Säulen neben den Fenstern wurden von den Gefährten Thanors gehalten. Verschiedene Zwerge, jeder individuell und einzigartig präzise aus dem Fels geschlagen. Bänke aus poliertem Stein waren auf den Chor ausgerichtet, der Gang dazwischen glatt geschliffen und durchdrungen von einer weißen Erzader.

Sein überraschter Blick kehrte zu ihr zurück.

Sie strahlte und breitete die Arme aus. Mit ihren blanken Füßen tanzte sie über den Boden. „Willkommen in Thanors Kirche der Beständigkeit, Stanor von den Donnerfelsen!“

 

 

Karte des Elfenlagers

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.02.2020

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