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Wo Herzen sich finden...

 

„Nein! Bitte! Gebt mich frei! Ich – oh gnädiger, Ich bitte euch!“

Die verzweifelte Stimme hallte durch die Gänge des Palastes und riss Amun aus dem Schlaf. Die Nacht war noch nicht herein gebrochen, doch sein Kopf plagte ihn mit Schmerzen und so hatte er sich frühzeitig zu Bett gelegt. Nun jedoch, schlüpfte er eilig aus den warmen Laken und lauschte an der zimmerhohen Tür.

Die flehende Stimme wurde leiser und so schlich Amun aus seinem Gemach, sah sich um und folgte dann unbemerkt der Stimme.

In Richtung Kerker…

In ihm stieg die Neugier auf, liess sein Herz pulsieren, doch der Fremde, der so ergreifend um seine Freilassung bat, klang jung und verängstigt, was Amuns Mitgefühl erwachen liess.

Angekommen in den dunklen, feuchten Kellergewölben, verbarg sich Amun in einer Nische, hörte wie die königlichen Wachen den Verbrecher in Ketten legten und ihn in einem der Verliesse, sich selbst überliessen. Dicht an die Wand gedrückt, verschmolz Amun mit den Schatten und blieb im Geheimen, doch alsbald die Wachen an ihm vorbei gezogen waren, verliess er sein Versteck und wagte einen Blick auf den Neuankömmling. Dieser lag gefesselt in einer Ecke, sein Kopf war verhangen mit einem alten Leinebeutel. Vorsichtig und von Neugier getrieben, umfasste Amun die Gitterstäbe und lehnte sich vor. Mit schräg gelegtem Kopf musterte er dieses zarte Häufchen Mensch vor ihm. Die knochige Statur wurde verhüllt von einem verschmutzten Gewebe, eines Lumpen gleich. Kurz kam Regung in den Insassen, verschwand jedoch sogleich wieder. Amun betrachtete ihn etliche Herzschläge lang. Dieser Junge… Es schien ihm, als ob er nicht viel älter sei, als Amun selbst. Vielleicht trennten sie nur wenige Monde, doch Körper und Seele konnten auch Wahres verschleiern. Wie nur, kam der Junge zu solch einem Schicksal, seine noch jungen Tage im Verliess des Pharaos zu verbringen? Amun vermochte es nicht zu sagen und jegliche Frage wurde ihm verwehrt, denn die Wachen näherten sich hörbar. Eiligst verliess Amun den Kerker, doch nicht ohne noch einen letzten Blick ins Verliess zu werfen…

 

 

Auch tags darauf, verweilte der Fremde in Amuns Gedanken. Es geschah nicht oft, dass er Kinder seines Alters begegnete und noch viel seltener, dass diese in Ketten vor ihm lagen. Ziellos wandelte er durch den Palast, dem Jungen nachhängend, als er dem Hohepriester des Herrschers begegnete, welcher mit einem Wachposten sprach.

„Er ist gefasst und hinunter geführt worden“, verkündete einer der Wachen.

„Horus sei Dank, der Prinz ist wieder in Sicherheit und die Freveltat des Jungen wird gesühnt werden“

Amun begann zu verstehen und ging rasch zum Hohepriester, der diesen bemerkte und den Wachen signalisierte, sie mögen wegtreten. Noch bevor der erste Diener des Pharaos auch nur einen Laut hatte von sich geben können, sprach Amun: „Ein neuer Gefangener?“

„In der Tat. Es ist gelungen, den Attentäter, der der königlichen Familie Leid zufügen wollte, zu fassen“

„Meriptah, seid Ihr euch sicher, den Richtigen in Gewahrsam genommen zu haben?“ Amun flehte, dem sei nicht so, denn er wollte nicht glauben, dass dieses Bündel Knochen und Haut, dieser Junge im Kerker, den Prinzen Ägyptens hatte verletzten wollen. Warum sollte ein Kind so etwas tun wollen?

„Wir sind uns gewiss“ Amun atmete tief aus, wusste er doch, dass das Schicksal des Jungen besiegelt schien.

„Wie lautet die Strafe?“ Meriptah sah auf den jungen Amun nieder, wunderte sich über dessen Neugier, doch es war ihm nicht erlaubt diese zu hinterfragen.

„Der Pharao hat noch kein Urteil ausgesprochen. Er hat schwerwiegendere Entscheidungen zu treffen. Die Lage im Osten unseres Landes ist prekär und spitzt sich weiter zu. Er wird den Attentäter zu späterer Zeit verurteilen“

Ein weiterer Diener eilte heran und sprach leise mit dem Hohepriester, ehe er wieder verschwand.

„Eure Hoheit verlangt nach mir“ Somit war das Gespräch beendet und Amun entliess Meriptah mit einem knappen Nicken. Er wusste wo ihn seine Wege nun führen würden…

 

Trotz der glühenden Hitze Ägyptens, war es in den Kellergewölben, feucht und kühl. Wie am Abend zuvor hatte sich Amun unbemerkt hinunter geschlichen und stand nun erneut vor den Gitterstäben, den Jungen dahinter betrachtend. Allein der Anblick schmerzte ihn. Der Fremde lag am Boden, die Hände, welche ihm hinter dem Rücken mit Ketten gefesselt worden waren, wurden in einer unnatürliche Position gehalten, da die Fesseln am anderen Ende in die Wand eingelassen waren und es nicht erlaubten, die Arme zu senken.

Nervös strich sich Amun die langen, pechschwarzen Haarsträhnen hinters Ohr, nur um sie Sekunden später wieder zu lösen. Ermutigend nickte er sich selbst zu und räusperte sich. Der Gefangene zuckte zusammen und versuchte sich etwas aufzusetzen.

„Hallo?“, kam es zögerlich, die Stimme klang kratzig und heiser wie von Sand gestrahlt. Er hob den Kopf, der nach wie vor von einem Leinenbeutel bedeckt war, und reckte ihn in Richtung Amun.

„Wie heisst du?“, Amun versuchte seine Stimme distanziert und kühl zu halten, wie es sein Vater immer tat, doch er war eben noch ein Kind und so gelang ihm das nur kläglich.

„Seth“, kam es zögerlich.

„Wieso willst du den Sohn des Pharaos tot sehen?“ Die Frage war keinesfalls zornig gestellt, viel eher wirkte sie unsicher, denn Amun konnte diesen Wunsch nicht nachvollziehen. Weshalb wünschte sich ein Mensch den Tod eines anderen?

„Das will ich nicht!“, erwiderte Seth, seine Ketten klirrten beim Rucken seines Körpers.

„Nein? Doch warum wolltest du den Prinzen dann töten?“ Amun vernahm ein leises Geräusch, das klang wie ein verzweifeltes Seufzen.

„Ich werde des Attentats auf unseren zukünftigen Pharao bezichtigt, das mag wahr sein… Aber mir liegt nichts ferner, als jemandem – ganz gleich wem! – Schaden zuzufügen“

Verunsichert schüttelte Amun den Kopf, das ergab doch keinen Sinn?

„Wenn das stimmt, warum stürztest du dich auf den Prinzen?“

Obgleich Seths Kopf bedeckt war, wandte er diesen ab, sah beschämt weg und zog die Knie an den Körper. Nun wirkte er noch kleiner, noch zerbrechlicher. Ein Anblick, den Amun stärker erschütterte, als er es erwartet hatte.

„Ich… ich hatte doch solchen Hunger… die Früchte sahen so süss aus“, begann Seth vor sich hin zu murmeln. „Der Mann, dem sie gehörten, erwischte mich beim Diebstahl. Ich wollte fliehen und… ich schwöre bei den Göttern! Der Prinz tauchte aus dem Nichts aus! Ich konnte nicht mehr ausweichen…“ Seine Stimme, war sie anfangs doch noch gut verständlich gewesen, erinnerte nun nur noch an ein sachtes Flüstern. Seine anfängliche Aufregung war gewichen und liess ein flehendes Bündel zurück.

„Ist das wahr?“ Ohne es zu beabsichtigen, war Amuns Stimme sanft geworden.

„So wahr ich hier stehe…ääh… liege“, wäre es nicht absolut unangebracht, hätte Amun diese Antwort zum Lächeln gebracht. Doch eben dies war der Fall: Die Situation war verheerend. Sollte Seth tatsächlich die Wahrheit sprechen, so war er im Begriff unschuldig bestraft zu werden. Ein Attentat gegen die Herrschersfamilie war unverzeihlich und wurde immer mit dem Tod gesühnt. Amun war hin und her gerissen zwischen Glaube und Misstrauen. Er hatte auch mit seinem jungen Alter bereits viel Verrat miterlebt und wusste wie glaubhaft Lug und Trug wirken konnte. Aber galt das auch für Seth? Er wollte nicht daran glauben. Seth strahlte nichts Feindseliges aus, wirkte einfach nur schwach und verängstigt. Dass er aus Hunger so gehandelt hatte, war für Amun mehr als verständlich, sah er doch die vielen Knochen, die Seths magerer Körper zeigte.

„Hast du das dem Pharao gebeichtet?“ Erneut raschelten die Ketten und der Leinensack bewegte sich, als Seth stumm verneinte. Natürlich wusste Amun, dass es beschämend war, dem Pharao einen Verstoss gegen die Maat – das Recht des Landes Ägypten- gestehen zu müssen. Doch Diebstahl und ein Attentat auf den Prinzen, waren doch zwei völlig verschiedene Sterne.

„Er ist ein gnädiger und rechtsliebender Herrscher. Sag ihm die Wahrheit und er wird Gnade walten lassen“

Seth erwiderte nichts darauf, versuchte jedoch sich anders hin zu setzen und stiess dabei seinen Kopf an der Verliessmauer, was ihm ein schmerzvolles Wimmern entlockte. Amun umklammerte die Gitterstäbe fester, doch als er sah wie sich der Leinenbeutel mit Blut tränkte, konnte er nicht länger zusehen. Kurz sah er sich um, lauschte in die Stille, ob sie ihm einen Hinweis auf den Verbleib der Wachen ins Ohr flüsterte, doch da war nichts. Er und Seth waren allein. Vorsichtig streckte er einen Fuss durch das Gestänge und schob sich langsam seitlich durch. Wegen seiner schmalen Statur, gelang es ihm mit etwas drücken und schieben, ins Innere der Zelle zu gelangen. Dieses Gefängnis war eben nicht für Kinder oder schmächtige zwölfjährige gedacht. Kurz zögerte Amun, ob er das Richtige tat, wog Risiken und Gewinn miteinander ab, doch der Blick auf den rotglänzenden Fleck, der sich immer weiter ausbreitete, liess kein weiteres Zweifeln zu.

„Seth“ Dieser zuckte stark zusammen, war von der plötzlich so nahen Stimme, verängstigt und ruckte mit dem Kopf hin und her.

„Warte, bitte halt still, ich will dir nichts tun.“, versicherte Amun und kniete sich vor Seth hin. Tatsächlich hielt dieser inne.

„Was..?“

„Ich werde dir helfen“ Vorsichtig legte Amun seine Hände auf die dürren Schultern seines Gegenübers.

„Beug dich vor“, bat er leise. Seth gehorchte und senkte langsam seinen Kopf. Nur mit Mühe schaffte es Amun die Verschnürung des Sacks zu lösen und zog ihn dann sachte über den Kopf des Jungen.

Braunes Haar fiel Seth ins Gesicht, verdeckte es. Doch als er aufsah, verlor Amun das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Unfähig sich zu bewegen, starrte Amun in Seths eisblaue Augen. Blau traf Braun. Amuns Herz pumpte aufgeregt gegen seine Brust und verwirrte ihn mit dieser Geste. Er fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Was hatten die Götter mit ihm gemacht? War er vor ihnen gerade in Ungnade gefallen? Wieso erzitterte sein Körper? Möget ihr mir verzeihen, bat er die Götter, setzte sich wieder auf und betrachtete Seth, genau wie dieser ihn. Erst als das Blut Seth nun ungehindert über sein Haupt floss, konnte Amun sich wieder bewegen und seinen Blick vom Antlitz Seths lösen.

Mit zitternden Händen, ergriff er den Leinenbeutel und presste ihn vorsichtig auf die Wunde an Seths Schläfe. Dabei zuckte dieser unter Schmerzen zusammen.

„Entschuldige bitte“, bat Amun schuldbewusst, doch Seth blieb stumm, lehnte sich nur vor und vertraute Amun seine Pflege an. Während Amuns Herz sich scheinbar nicht mehr zu beruhigen wusste, stoppte Seths Blutung allmählich, sodass Amun schliesslich das Gewebe entfernte und die Wunde begutachtete.

„Es blutet nicht mehr“ Seth hob den Kopf an, sah erneut in Amuns Augen und verunsicherte diesen abermals. Wurde er etwa krank? Waren seine Verletzungen doch schwerwiegender, als der Heiler zuerst angenommen hatte? Was geschah da mit ihm? Unbehagen stieg in Amun auf, konnte er sich diese merkwürdigen Gefühle doch nicht erklären. Was stimmte nicht mit ihm? Oder lag es gar an Seth? Wieso zogen ihn dessen Augen wie magisch an?

„Ich danke dir…“, durchbrach Seth die Stille und sah Amun fragend an, aber noch ehe Amun etwas sagen konnte, hörte er das Hallen der sich nähernden Wachen. Schuldbewusst sah er Seth an, welcher nur traurig nickte und den Kopf senkte, sodass Amun ihm den Beutel überstülpen konnte.

„Es tut mir leid, Seth“, voller Schuld schob sich Amun durch das Gitter und entschwand ungesehen dem Kellergewölbe.

 

Zwei Tage, war es nun her, seit ihn die Götter scheinbar verlassen hatten. Seit dem Augenblick in dem Seth ihn angesehen hatte, war etwas in ihm anders. Amun konnte dieses Gefühl weder beschreiben noch greifen und das trieb ihn in den Wahnsinn. Die Vernunft in ihm, hatte Amun davon abgehalten sich ein weiteres Mal in den Kerker zu stehlen. Doch liessen ihn die Gedanken an den Jungen nicht los, trieben die Ruhe aus ihm und liessen ihn im Palast herum tigern.

„Wie sollen wir mit dem Attentäter verfahren?“ Intuitiv bog Amun den Weg entlang, aus welchem die Frage ertönt war und verbarg sich hinter einer der, aus den Wänden ragenden Säulen.

„Ich werde morgen über ihn richten“, hörte Amun eine, ihm nur allzu verhasste Stimme sagen.

„Aber Karim Ihr – “

„Schweigt, Meriptah. Meine Entscheidung ist gefallen“ Schritte entfernten und nährten sich, während Amun langsam begreiflich wurde, was diese Worte zu bedeuten hatten...

Als Meriptah an ihm vorbei schritt, stellte Amun sich in dessen Weg.

„Meriptah, was hat das zu bedeuten? Wieso liegt die Entscheidung über das Urteil des Attentäters, in Karims Macht?“ War das doch Aufgabe des Pharaos. Der Angesprochene fühlte sich sichtlich unwohl, wippte von einem Fuss auf dem anderen.

„Nun, seine Hoheit der Pharao wird heute noch in den Osten reisen um dort die Auflehnung gegen die Krone zu beenden, es ist sonst ein Krieg zu befürchten, weswegen der Pharao entschieden hat, höchst selbst dort die Verhandlungen zu führen“

„Was?! Ja aber - ! Karim wird -!“ Amun war ausser sich, wenn Karim über Seths Leben richten durfte, würde er ihm keine Gnade lassen.

„Nun so sieht es die Maat vor. Karim, als des Pharaos Wesir, ist sein rechtmässiger Stellvertreter und somit –“

„Bei Horus! Das darf nicht geschehen!“ Amun dachte nicht nach, war nicht mehr dazu in der Lage, angesichts Seths nahendem Tode. Er liess den Hohepriester stehen, rannte die Gänge hinunter und liess sich, in einem menschenleeren Flur, an der Wand zu Boden sinken.

Seth würde sterben. Frei von Schuld, denn es war Aufgabe des Pharaos dafür zu sorgen, wie es seinem Volk erging. Wenn Seth stehlen musste um zu überleben, so hatte der Herrscher versagt. Doch Seth würde dies nichts bringen, denn ihm wurde nicht Diebstahl vorgeworfen, sondern fälschlicherweise, ein Attentat auf den Prinzen...

Amun zog die Knie an, machte sich klein und presste die Handwurzeln gegen seine Augen. Sein Kopf pochte schmerzhaft. In seinem Geiste tauchte Seths Gesicht vor ihm auf. Die klaren blauen Augen.

Ab morgen würden sie sich starr gen Himmel richten. Verzweifelt versuchte sich Amun damit abzufinden. Sich einzureden, dass so nun mal die Gesetzte lauteten. Er musste ihn einfach vergessen, schliesslich kannte er Seth doch nicht. Er wüsste nicht einmal um dessen Existenz, hätte er sich nicht verbotener Weise zu ihm geschlichen.

Sohn, ich verbiete es dir, dich in den Kerker zu begeben. Wieso hatte er nicht auf seinen Vater gehört?!

Nun jedoch war es zu spät für diese Erkenntnis. Er hatte sich über seinen Vater hinweg gesetzt und war Seth begegnet… Dem Jungen mit den eisblauen Augen, der morgen zum Tode verurteilt werden würde.

Seth wird sterben…

Seth wird sterben…

Sterben…

Die Worte hallten in Amuns Kopf, verhöhnten und verurteilten ihn gleichermassen. Seufzend öffnete er die Augen. Seine Entscheidung war gefallen. Sein Vater hatte Amun zu einem gerechten Menschen erzogen und so konnte er es nicht zulassen, dass Seth Unrecht wiederfuhr. Ermutig erhob er sich und straffte die Schultern. Verzeiht mir, mächtige Götter Ägyptens, muss ich mich doch über die Gesetze der Maat hinweg setzen… Ich vertraue auf mein Herz… betete er im Stillen und begab sich auf seinen Weg in den Kerker. Doch noch bevor er in die feuchten Gewölbe hinunter steigen konnte, hatte er eine andere Aufgabe zu bestehen. Leider war er schneller bei den Wachen angekommen, als dass Amun eine Lösung erdacht hatte. Die Aufseher senkten den Kopf, war es ihnen ja nicht gestattet ihn anzusehen. Amun hingegen brannte der Kopf und tat schliesslich das erste und einzige was ihm einfiel. Er trat sich unbemerkt selber in die Ferse und ging zu Boden, den Wächtern direkt vor die Füsse. Augenblicklich brach ein Stimmwirrwarr über Amun zusammen, doch er verstand nicht eines ihrer Worte, viel zu sehr war er auf sein Vorhaben konzentriert. Hände wurden ihm gereicht, wollten ihm helfen und Amun nutzte die Gelegenheit, ergriff eine der Hände und zog sich, äusserst umständlich an dem Wächter hoch, schwankte kurz gegen einen der Körper und löste sich dann von ihm.

„Habt Dank, für eure Hilfe“, sagte er förmlich und schritt dann eiligst weiter. Lächelnd. Und vor Aufregung fast vergehend. Sein Herz schlug hart gegen seine Lungen, erschwerten es ihm Luft zu atmen. Einzig und allein die Glücksgefühle, welche durch seinen Körper gepumpt wurden, hielten ihn auf den Beinen. Die Hand fest zur Faust geballt, die Schlüssel, die er dem Wärter unbemerkt hatte abnehmen können, darin haltend. Beschwingt setzte Amun seinen Weg fort, nur um bald vor Seths Zelle zu stehen. Lautlos öffnete er das Schloss und trat dann neben den Zelleninsassen.

„Seth“, hauchte er leise und machte sich bereits daran, diesem die Kopfbedeckung zu entfernen. Als der störende Stoff gewichen war, sahen ihn die blauen Augen verwundert und zugleich erleichtert an. Einen Moment lang, erlag Amun seinem Wunsch und blickte Seth in die Seelenfenster ehe er sich resolut löste und sich Seths Fesseln annahm.

„Was?“

„Du musst weg hier, oder dein Urteil wird der Tod“

„Du sagtest doch, der Pharao würde Gnade zeigen“, allmählich wurde Seth unruhig, versuchte immer wieder über seine Schulter zu Amun zu blicken.

„Es wird aber nicht der Pharao sein, der über dich richten wird“ Amuns Hände begannen allein beim Gedanken zu zittern, doch er schaffte es die Ketten von Seths Handgelenken zu lösen.

„Komm“, wies er diesen an und reichte ihm die Hand. Nur zögernd ergriff Seths sie, sich zu erheben fiel ihm sichtlich schwer. Seine Glieder waren vom ungelenken Liegen steif geworden. Fast wäre er gestürzt, hätte Amun nicht seine Handgelenke ergriffen und ihm Halt gegeben.

„Lass uns verschwinden“ Amun wandte sich zum Gehen, hielt mit einer Hand Seth weiter fest und zog ihn vorsichtig mit sich. Sehr bald schon, musste Amun erkennen, dass dies keine schnelle Flucht werden würde, Seth war es kaum möglich zu gehen, aber selbst für diese zitternden Schritte, zollte Amun ihm grossen Respekt, denn Seth war sogar noch ausgehungerter, unterernährter als Amun es zuerst wahrgenommen hatte.

Unvermittelt blieb Seth stehen und brachte so auch Amun zum Stillstand.

„Seth- “

„Shht! Da kommt jemand“, flüsterte er Amun kaum hörbar zu. Und tatsächlich! Amun lauschte und vernahm leise Schritte, alsbald würden die Wachen hier sein. Rasch drückte er Seth an die Wand, wo er von einer Säule verdeckt wurde.

„Bleib still“

„Warte! Was ist mit dir? Es ist Kindern doch sicher nicht erlaubt, frei im Palast des Pharaos herum zu wandern!“ Amun lächelte nur milde, trat hinter der Säule hervor und sah die Wachen, welche unweit entfernt von ihm, auf Amun zukamen.

„Stehengeblieben!“, riefen ihm die Wachen zu und waren so gleich bei ihm. Als sie ihn dann erkannten, senkten sie beschämt ihre Häupter.

„Verzeiht mein Prinz, dass wir euch nicht sofort erkannten“

„Euch sei verziehen“, sprach Amun und straffte sich. Er musste Ruhe bewahren. Die Wachen nickten unterwürfig und wollten weiter gehen. „Halt! Wohin des Weges?“

„Das Protokoll sieht vor, dass nun die Gefangenen kontrolliert werden müssen“

„Das muss warten!“ Amun brach der Schweiss aus, sie würden Seths Verschwinden bemerken, er musste das verhindern. Die Wachen, sahen sich gegenseitig fragend an.

„Der… Der Pharao verlangt nach euch. Sofort. Er will aufbrechen. Wollt ihr meinen Vater, den Pharao etwa warten lassen?“, fragte Amun autoritär, als die beiden zögerten.

„Gewiss nicht. Eure Hoheit“, sie verbeugten sich vor Amun und verschwanden wieder. Masslose Erleichterung liess Amun erzittern und zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. Beschwingt drehte er sich um, wollte Seth Entwarnung geben, aber dieser stand bereits vor ihm. Sein Antlitz zeigte Fassungslosigkeit, der Schmerz in Seths Augen brannte sich tief in Amuns Seele. Was war passiert?

„Du…! Du bist Prinz Amun!“ Angst und Trauer, schwangen in Seths Stimme mit, unwillkürlich begann er zu zittern. Ja ich bin der, denn du fast überrannt hättest. Beantwortete Amun, Seths nicht gestellte Frage, in Gedanken. Es verwunderte Amun nicht, dass Seth ihn nicht erkannt hatte, schliesslich war sein Haupt, wann immer er einmal den Palast verlassen durfte, mit einem Tuch verdeckt.

„Ja“

„Aber, wieso? Du – “

„Seth dafür haben wir keine Zeit, die Wachen werden die Lüge bald durchschaut haben“ Ohne weiter auf Seths Erwiderung zu warten, ging Amun auf ihn zu und nahm seine Hand.

„Komm“, forderte ihn sanft auf. Seth sah Amun entgeistert an, folgte ihm schliesslich jedoch.

Amun wurde vor Erleichterung beinahe schwarz vor Augen, als sie endlich einen der Ausgänge erreichten und niemand sie entdeckt hatte. Alsbald sie nach aussen traten, schien die Sonne auf sie nieder, hiess Seth willkommen in der Freiheit. Doch dieser sah nur unschlüssig zu Amun.

„Warum tust du das für mich?“

Amun lächelte sanft. „Weil du es nicht verdienst bestraft zu werden. Du bist unschuldig. Geh“, hauchte er und liess Seths Hand los. Beide sahen sich in die Augen, verabschiedeten sich stumm und nahmen sich in die Arme.

„Ich schulde dir mein Leben“, flüsterte Seth an Amuns Schulter.

„Nicht wenn du jetzt nicht gehst und dich von den Wachen töten lässt. Los“ Amun schob den dürren Körper von sich, warf einen letzten Blick in die eisblauen Augen und prägte sie sich ein. Seth hob die Hand zum Abschied und entschwand in die Freiheit.

Lange noch, starrte Amun ihm nach.

Auf Wiedersehen Seth… Lebe wohl…

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Sämtliche Rechte der Texte liegen bei mir
Tag der Veröffentlichung: 12.03.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Liebe ist Liebe. Egal in welcher Zeit. Egal zwischen wem. Egal wo. Einfach Liebe...

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