Logbuch der SY
„Hallodri“
Erzählung nach wahren
Begebenheiten
Donnerstag 03.10.2013, Tag der Deutschen Einheit, Feiertag 06:10 Uhr
Ich bin Werkschützer bei einer riesenhaften Firma mit vielen Lagerhallen. Manche nennen mich auch Pförtner, das ist mir inzwischen auch schon egal. Ich bin ganz alleine im Werk.
Erfahrungsgemäß ist an solchen Feiertagen auch nicht viel los. Darum bereite mich auf einen geruhsamen Tag vor. Meine Schicht wird 12 Stunden dauern.
Ich schaue aus dem Fenster meines Wachlokales. Es ist noch finster, das große Tor ist ins Schloss gefallen. Alles ist friedlich.
Ich war nicht immer Pförtner. Ich denke an andere Zeiten, an bessere Zeiten. Ich denke an meinen Traum, den ich hatte, als ich noch jünger war. Ich denke an mein Segelboot, an den menschenleeren Atlantik Strand, an meine Insel im Atlantik. An die Insel Culatra und an alle meine Freunde, die ich dort zurückgelassen habe.
Neben mir liegen zwei vertraute alte vergriffene Notizbücher. Logbuch nannte ich sie großspurig. Die waren von Anfang an mit dabei, ich schlage die erste Seite auf. Ein etwas muffeliger Duft steigt in meine Nase. Die Umschläge sind abgenutzt und die inneren Seiten etwas vergilbt.
Ist noch gar nicht so lange her, denke ich, als ich die Überschrift der ersten Seite lese.
Logbuch der SY-Hallodri RG
1994
Dienstag 26.04.1994 Marina Saal an der Donau
15:10 Uhr. Endlich unterwegs:
Nach fast zwei-jähriger Vorbereitung konnten meine Frau Carmen und ich schließlich die Leinen losmachen und auf Fahrt gehen.
Die letzten Jahre verbrachten wir mit Lesen von Segelbüchern. Wir besuchten Bootsmessen. Darüber hinaus träumten wir von einer schönen unbeschwerten Zeit im sonnigen Süden. Den kalten Wintern sowie den verregneten Sommertagen Deutschlands den Rücken kehren war unser Ziel.
Was sollte schon schief gehen? Wir waren jung und obendrein voller Abenteuerlust.
Wir bauten uns gegenseitig auf in unseren Plänen und Träumen. Da konnte es gar kein zurück mehr geben, wir waren uns gegenseitig verpflichtet, das zu vollbringen.
Eine richtige Vorstellung, wo es hingehen sollte, hatten wir nicht. Der Weg sollte als Erstes das Ziel sein. Darum entschlossen wir uns, weil man ja ein Ziel braucht, nach St. Carlos de la Rappida zu segeln.
Das war ein kleiner Fischerhafen in Spanien am Mittelmeer, wo wir 1992 unseren Weihnachts-Urlaub verbrachten. Und genau da fassten wir den Entschluss, mit einen Segelboot einen Teil der Welt sehen zu wollen.
Wir setzten uns einen Termin. Anfang April 1994 wollten wir los. Auf diesen Termin arbeiteten wir hin und machten uns gegenseitig Mut. Das machen wir schon, das wird toll! War unser Motto.
Als es dann so weit war, die wichtigste Anschaffung für unser Vorhabens zu besorgen. Wir brauchten ein Schiff. Stellten wir ernüchternd fest, dass wir uns das eigentlich gar nicht leisten konnten. Aber von solchen Kleinigkeiten wollten wir uns da auch nicht aufhalten lassen.
Wir suchten ein Boot in unserer Preisklasse. Was haben wir Kataloge gewälzt, Boots Markt Hefte studiert weiterhin uns auf Boots und Freizeitmessen umgesehen. Da gab es jede Menge Angebote, aber alles etwas, bis viel zu teuer.
Schiffe werden aus den unterschiedlichsten Materialien gefertigt. Schiffe, deren Bootskörper aus Holz gebaut sind. So sagt man, haben Charakter, die leben.
Nachteil Holz modert leicht im Wasser und dann gibt es nicht nur den Holzwurm der versucht das Boot zu fressen. Holz ist bei einer Kollision mit anderen Sachen, die im Wasser treiben, nicht besonders stabil. Vorteil: Kleinere Reparaturen lassen sich allerdings leicht selber ausführen. Zur Not auch mit Primitiven mitteln. Ein Holz Boot muss immer gepflegt werden. Unterwasseranstrich und Lacke schützen das Holz. Ein Holz Boot hätten wir uns schon vorstellen können.
Stahl. Stahl ist ein hervorragendes Material um Schiffe zu bauen. Langlebig, robust und stabil bei Kollisionen. Gegen Rost schützt man es mit Farben und Lacken. Allerdings gibt es Stahlschiffe meist erst ab 9 Metern und in guten Zustand für uns nicht zu bezahlen.
Aluminium ist ein sehr gutes, pflegeleichtes Material um Schiffe zu bauen. Aber sehr teuer. Unerschwinglich für uns.
Beton: Es werden sogar Boote aus Beton gebaut. Wegen der erforderlichen Dicke des Materials und den daraus resultierenden hohen Gewicht, sind Schiffe unter 10 Metern kaum zu gebrauchen.
Boote kann man aus allen möglichen und unmöglichen Materialien bauen. Zum Beispiel: Schilf, Bambus, leeren Wasserflaschen und alten Ölfässern und, und, und. Aber so abenteuerlich wollten wir unsere Reise dann doch nicht beginnen.
Polyester, Glasfaser verstärkter Kunststoff. Dieser moderne Baustoff für Boote hatte uns von vornherein interessiert. Stabil, leicht und vor allen sehr pflegeleicht. Diese Wasserfahrzeuge werden vor allen von Holz Boot Besitzern als Jogurt Becher bezeichnet. Das sollte uns aber nicht stören.
Etwas Besseres als eine Neptun 212 aus Glasfaser verstärkter Kunststoff konnten wir uns nicht leisten. Aber da war alles, was wir brauchten. Ein gemütliches Doppelbett im Bug, eine kleine Küche mit fließend Wasser, Spülbecken und ein zwei–flammiger Benzinkocher. Dann gab es noch 2 sogenannte Hundekojen links und rechts im Mittelschiff. So hatte unser schlichtes Schiff theoretisch 4 gemütliche Schlafplätze. Den Fußraum der Hundekojen stopften wir mit Reisetaschen voll in denen unsere Garderobe, untergebracht wurde. Den Rest der Hundekojen nutzten wir als Sitzfläche. Einen gewaltigen Nachteil hatte unser schwimmendes Heim dann doch. Keine Stehhöhe. Das war nun mal ein Kompromiss, den wir aber Eigehen wollten, ja mussten. Aber wir waren ja noch jugendlich und das kann ganz gemütlich werden, redeten wir uns ein. Außerdem waren wir ja Abenteurer. So redeten wir unser schlichtes Segelboot schön. Ein bisschen weniger als 6,50 Meter hatte unsere Neptun 212. Wenn man genau umrechnete, 21,2 Fuß ergeben 6,46176 Meter. Mit Bugspriet und angehängter Ruderanlage war es weit über 7 Meter. Nach dem Kauf stellten wir das Segelschiff in die Einfahrt vor unserer Doppelgarage in Berhardswald. Von unserem Balkon aus sah das Boot fürwahr ungemein riesig aus. Es war gepflegt und in sehr guten Zustand, mit etlichem Zubehör.
Jetzt stellte sich nur noch die Frage: wo wir die unser Abenteuer beginnen wollten.
Regensburg liegt ja für bayerische Seefahrer sehr verkehrsgünstig an der Donau.
Von der Mündung der Donau im Schwarzen Meer und oder über den Rhein-Main-Donau-Kanal hatten wir Verbindung zu allen Weltmeeren.
Daher fassten wir den Entschluss die Donau abwärtszufahren und übers Schwarze Meer nach Griechenland. Das reichte ja erstmal als grobe Planung, dann konnte man ja weitersehen.
Wir begannen mit der Ausarbeitung und fragten beim Wasser ADAC nach Fluss-Karten. Dann die Ernüchterung, in Jugoslawien war Krieg und gerade an diesen Abschnitt der Donau wurde besonders hart gekämpft. Dieses Risiko wollten wir nicht eingehen. Da würde das Abenteuer selbst für unsere Verhältnisse schon sehr früh und hart beginnen. Und wenn das Abenteuer dann schon wieder zu Ende gewesen wäre, fänden wir mehr als Schade. Risiko O.K. aber das Leben fahrlässig aufs Spiel setzen wollten wir dann doch nicht. Wir wollten überhaupt nicht scheitern und so weit wie möglich unsere Träume leben.
Wir zogen noch in Erwägung unser Boot nach Italien zu Trailern und von dort zu starten, was wir aber gleich wieder verwarfen.
Wir wollten in der Donau starten, und wenn es stromabwärts nicht geht, dann eben stromaufwärts.
Logbucheintrag: 1. Tag
Bei Km 2411 der Donau ging es bei etwas zurückgegangenen Hochwasser mühsam stromaufwärts. Bereits nach 2 Km erreichten wir den Main-Donau-Kanal. Da ging es ohne nennenswerte Strömung, die unseren fünf PS starken Motor sehr entgegenkam schon flotter voran. Von dem geringen Tiefgang des Bootes, und den guten Laufeigenschaften des Außenborders waren wir freudig überrascht. Da wir noch keine Gelegenheit hatten mit unseren erst vor sechs Monaten gekauften Segelbootes eine Probefahrt zu machen.
Das An- und ablege Manöver der ersten Schleuse in Kelheim klappte prima. Was uns auf die noch kommenden 49 Schleusen bis zur Mündung in den Rhein zuversichtlich stimmte. Um 19.15 Uhr erreichten wir glücklich Riedenburg im Altmühltal mit einer langen Kaimauer zum Festmachen direkt im Stadtzentrum. Zurückgelegte Km 19. Nicht viel für den ersten Tag, doch wir waren unterwegs. Wir konnten es gar nicht richtig fassen. Unser Abenteuer hatte begonnen, unser Traum wurde Wirklichkeit, wir saßen glückselig in unserem kleinen Boot.
Mittwoch 27.04.1994 2. Tag
Nach einen knappen Frühstück begaben wir uns reiselustig auf zur nächsten Etappe. Um 16:00 Uhr legten wir in Berching an, um Proviant zu kaufen. Der Liegeplatz wäre günstig gewesen, um die Nacht da zu verbringen, jedoch wollten wir zu dieser frühen Uhrzeit noch ein paar Km zurücklegen. Da wir meinten, die 21 Km bis zur nächsten Schleuse in Hilpoldstein könnten leicht noch zu schaffen sein. Wir tuckerten mit halb Gas dahin und legten so pro Stunde etwa acht Kilometer zurück. Um 19:00 Uhr hatten wir noch 10 Kilometer bis zur Schleuse. Um die Fahrzeit etwas zu verkürzen, wurde der Gasgriff etwas höher aufgedreht. Gemächlich begann es zu dunkeln, ich setzte eine Positionslaterne. Als die Lichter der hellerleuchteten Schleuse vor uns auftauchten, begannen sich die Ereignisse zu überschlagen. Plötzlich begann der Motor zu stottern und ging schließlich ganz aus.
Durch die schnellere Fahrt war der Treibstoffverbrauch höher als wir angenommen hatten. Wir versuchten, das noch in Fahrtrichtung treibende Boot auf Kurs zu halten und den Kraftstoffhahn auf Reserve zu stellen. Des Weiteren den Motor neu zu starten, während unser Boot durch den Wind etwas seitlich zum rechten Ufer getrieben wurde. Der Motor startete auch gleich wieder, etwas Gas geben und den Gang einlegen war ein Handgriff. Jedoch heulte der Motor nur auf und zeigte keine Wirkung eines Antriebs. Wir wurden nervös, uns ging durch den Kopf das wir jetzt manövrierunfähig, vielleicht sogar in Seenot wären. Hoffentlich kommt jetzt kein Frachter, die oft über 100m lang und 10m breit sind und auf den engen Kanal unmöglich schnell Stoppen oder ausweichen könnten. Ein flinker Blick zur Schleuse und in die Gegenrichtung, kein Schiff zu sehen. Wir wurden ruhiger und ließen uns mit dem Wind zum Ufer treiben, währenddessen ich den Anker klar machte. Ungefähr 4 Meter vor dem Ufer ließen wir den Anker ins Wasser fallen, der das Boot auch sofort stoppte. Jetzt waren wir aus der Gefahrenstelle und konnten in Ruhe überlegen, was zu tun sei. Mit den Gedanken an einen Getriebeschaden baute ich den Außenborder aus dem Schacht aus. Als ich die Antriebsschraube löste, waren wir erleichtert. Es war nur ein Bolzen hinter dem Propeller an der Sollbruchstelle gebrochen.
Ich ersetzte provisorisch den Bolzen durch eine abgeschnittene Schraube. Inzwischen war es stockdunkel geworden. Motor angelassen, Anker aufholen und ganz vorsichtig den Gang eingelegt. Bis zur Schleuse, war es nur noch 1 Kilometer die wir mit der Taschenlampe in der Hand zurücklegten. Als wir vor der Schleuse anlegten, war es bereits 22:00 Uhr. Zurückgelegte Kilometer 53.
Donnerstag 28.04.1994
Mit gutem Gefühl, den Motor ausreichend repariert zu haben setzten wir unsere Fahrt fort. Was sich in der Schleuse von Nürnberg jedoch als falsch herausstellte. Den bei dem Versuch, aus der Schleuse herauszufahren, gab der provisorische Bolzen seinen Geist auf. Was uns dazu zwang die Schleuse mit Muskelkraft, nämlich paddelnd zu verlassen. Diesmal wurde die Reparatur schon zur Routine. Um ein erneutes leichtes Brechen des Bolzens zu vermeiden, wurde der neue Metallstift aus einem Schraubenzieher heraus gesägt. Wir stoppten im Yachtclub Nürnberg. Zurückgelegte Kilometer 33.
Freitag 29.04.1994
Diesmal hatten wir sehr lange Wartezeiten an den Schleusen Kriegenbrunn und Erlangen. Zurückgelegte Kilometer 25
Samstag 30.04.1994
Schleuse in Erlangen. Fünf Stunden auf einen Frachter gewartet, mit dem wir in die Schleuse könnten. Endlich tauchte einer auf. Wir folgten im Abstand von etwa fünfzig Meter. Als wir 10 Meter vor der Schleuse waren, meinte ich mich trifft der Schlag. Plötzlich wurde das Schleusentor geschlossen. Sofort legte ich den Rückwärtsgang rein, doch ein leichter Zusammenstoß mit dem Tor war nicht mehr zu vermeiden gewesen. Unvorstellbar, was geschehen wäre, wenn wir schon einige Meter weiter gewesen wären. Mit den nächsten Frachter fuhren wir in die Schleuse ein, hatten aber ein flaues Gefühl im Magen. Dass der Schleusenwärter wider pennt und das Tor zu früh schließt. Von da an ging es schneller voran. Jedoch an der Schleuse Viereth, wo wir um 19:00 Uhr ankamen, war eine Weiterfahrt nicht mehr möglich. Wegen dem Feiertag, am 1. Mai war die Schleuse bereits ab 18:00 Uhr geschlossen. Wir fuhren ein Stück zurück zur Marina Troisdorf. Dort wurden wir freundlich begrüßt. Der Hafen ist sehr gepflegt mit einem Campingplatz und kühlen Bier, waren wir schnell wieder besser gelaunt.
Marina Mainspitze:
Am Samstag 07.05. 21:00 Uhr hatten wir den Main hinter uns gelassen. An der Marina Mainspitze wurden wir in einen Segelclub herzlich in Empfang genommen. Als wir den Skipper einer Bavaria 820, die an einer Boje festgemacht hatte, fragten. Ob wir auch an einer Muring festmachen durften, luden uns die Skipper Manfred und Rosi gleich ein an der Seite Ihres Bootes festzumachen.
Von jetzt an gibt’s keine Schleusen mehr auf den Rhein stromabwärts bis Holland. Auch die Durchfahrtshöhen der Brücken, seien ausreichend um den Mast unseres Segelbootes aufzustellen versicherte uns Manfred. Viele Tipps von dem Rhein und Hollandexperten ließen ein Gespräch bis 01:00 Uhr aufkommen.
Sonntag.
Nach einen kurzem Frühstück auf dem Boot besuchten wir das Clubhaus des Segelklubs. Nach dem Mittagessen haben wir mit Manfreds Hilfe den Mast aufgestellt, jetzt sah unsere Hallodri endlich wieder wie ein Segler aus.
Bisher zurückgelegte Kilometer:
Donau: 2 Kilometer
Main-Donau Kanal: 171 Kilometer
Main: 384 Kilometer
567 Kilometer alles unter Motor mit einen 2 Takter 5 PS Yamaha Außenborder im Schacht.
Jetzt mussten wir nur noch den Rhein runterfahren und könnten bald Salzwasser riechen.
Innerhalb von 13 Tagen. Davon 11 Fahr-Tage haben wir von Saal an der Donau genau 50 Schleusen bewältigen müssen, um in den Rhein zu gelangen.
Als Schleusenexperten können wir uns trotzdem mit Sicherheit nicht bezeichnen. Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist jeder Schleusenvorgang und besonders jeder Schleusenmeister ganz verschieden.
Unser Boot verfügte nicht über Funk und dies war sicher kein Einzelfall. Die Schleusen bis Nürnberg waren noch sportbootfreundlich eingerichtet. An jeder ersten Laterne vor der Schleuse war ein Telefon, wo man mit der Schleuse Kontakt aufnehmen durfte. Die Schleuse vor Erlangen verfügte über kein Telefon. Geduldig warteten wir auf einen Frachter, mit dem wir in die Schleuse fahren konnten. Bis zur Schleuse Erlangen waren es nur wenige Kilometer, dennoch konnten wir den Frachter mit unserem geringen Antrieb nicht folgen. So dass das Schleusentor Erlangen mal wieder geschlossen war, als wir dort ankamen. Die Schleusenwärter waren ganz unterschiedlicher Meinung, wie man sich ohne Funk als Kleinfahrzeug bemerkbar machen sollte, das man durch die Schleuse will.
Wenn ein Frachter kommt, fahren sie einfach in nicht zu
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 09.11.2014
ISBN: 978-3-7368-5461-1
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
liebe Grüße Helmut, Uschi und Mausi.