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Familie Wurlinger

Familie Wurlinger …

 

… wohnt in einem kleinen Ort in der Nähe von Wien

Papa Wurlinger, Vorname Leopold. Lehrer in der Unterstufe für Rechnen und Turnen. Steht auf gesunde Ernährung. Naschsachen kommen ihm nicht ins Haus. Obwohl er selber gerne nascht. Heimlich.

Mama Wurlinger, Vorname Elfriede. Mag ihren Namen nicht. Sie ist Buchhalterin, Teilzeit, weil Stefanie noch in den Kindergarten geht. Macht den Einkauf, die Wäsche und möchte hin und wieder lieber Single sein.

Lisa Wurlinger, 18 Jahre alt, hat im Frühjahr maturiert und ist jetzt als Au Pair in London, einer sehr traditionellen, indischen Familie namens Patel. Will zu Weihnachten nach Hause kommen, hauptsächlich wegen dem Essen.

Thomas Wurlinger, dritte Klasse Volksschule. Wünscht sich einen Playstation, einen iPod, eine Softgun, ein Skateboard, ein Snowboard, einen 3 D Fernseher und tausend andere Sachen vom Christkind. Weil sein Freund Lorenz das auch alles hat.

Stefanie Wurlinger, fünf Jahre alt. Kindergartenkind. Nesthäkchen. Papas Liebling. Nevt ihre  Geschwister, besonders Thomas, denn Lisa ist ja in London. Kann ganz schön gemein sein, schaut aber immer aus wie eine süße, kleine Prinzessin.

Oma, richtiger Name Ulli Fink, wohnt nur vier Reihenhäuser weiter und ist schon in Pension. Passt auf Thomas und Steffi auf, wenn Mama und Papa arbeiten. Ist von Opa geschieden und lebt mit vier Katzen zusammen und im Geräteschuppen wohnt eine wilde Katze die sie unbedingt zähmen will.

1.

  1. Dezember

 

„Thomas!“

Gebannt sitzt Thomas auf dem Sofa. Seine Daumen hacken in Rekordgeschwindigkeit auf dem Controller der Playstation herum. Nur noch ein Level, dann kriegt er die Panzerung-Upgrades. Er legt sich in die Kurve, als Ratchet auf seinem Hoverbike den Feuerwanzen ausweicht.

„Thomas!“ schallt es von unten.

„Gleich!“ schreit er. Da passiert es auch schon. Das Hoverbike überschlägt sich und explodiert. Game over. Er sackt zusammen. So ein Schmarrn, jetzt muss er wieder neu laden.

„ Bitte hilf mir, den Einkauf wegzupacken!“

Langsam geht er nach unten ins Wohnzimmer und guckt durch die Durchreiche in die Küche. „Wieso schon wieder ich?“

Elfie Wurlinger stopft die leeren Plastiksackerl in den Plastikmüll. Sie sieht kurz hoch. „Weil sonst keiner da ist.“

Er schlurft in die Küche. „Hast du Schokolade gekauft?“

Mama seufzt. „Du weißt doch, was Papa dazu sagt.“ Sie öffnet den Kühlschrank, wischt die leeren Flächen sauber und schlichtet Biojoghurt und Sauerrahm ins obere Fach. „Wer sich gesund ernährt, hat keine Lust auf Schokolade.“

Thomas brummt vor sich hin.

„Hier“, sie zeigt auf die Tüte. „Das Obst.“

Geschwind legt Thomas Äpfel, Birnen und Mandarinen in den Korb. Weil er schon mal dabei ist, holt er auch noch Dinkelflocken, eine Nussmischung, ein Paket komischer, verrunzelter, roter Beeren und eine Packung mit Trockenfrüchten raus. „Nutella! Du hast Nutella gekauft! Woa!“ Er stemmt das Glas auf die Anrichte. „750 Gramm.“ Andächtig starrt er auf die braune Köstlichkeit.

 „War im Angebot.“ Mama verbarrikadiert ihm den Weg, als er einen Löffel aus der Bestecklade fischen will. Sie kreuzt die Arme vor der Brust. „Nix da! Erst wird was Ordentliches gegessen.“ In diesem Moment läutet ihr Handy. Sie schaut auf den Display. Es ist Oma. „Hallo, Mutti.“ sagt sie. „Ja, gerade eben.“

Thomas kann die Stimme seiner Oma hören. Oma wohnt im letzten der Reihenhäuser in ihrer Gasse, deshalb hat sie einen ziemlich großen Garten. Jeden Tag holt sie Steffi, Thomas‘ kleine Schwester, mittags vom Kindergarten ab. Er geht auch zur Oma, nach der Schule. Außer am Freitag. Da darf er immer eine Weile alleine zu Hause sein und mit Lisas Computer spielen.

Lisa ist Thomas ältere Schwester. Sie ist schon 18 und hat im Juni ihren Schulabschluss gemacht. Im Juli war sie mit ihrer Klasse in Griechenland auf Urlaub. Den Rest des Sommers hat sie sich entweder im Zimmer verbarrikadiert oder ist auf irgendeiner Party gewesen. Um ihre Freiheit zu genießen. Seit Mitte August ist sie als Au Pair Mädchen in London. Seit Lisa weg ist bleibt alle Arbeit an Thomas hängen.

„Gut, in Ordnung“, hört er Mama sagen. „Nein, ich hol‘ sie ab. Nein, Leo ist beim Tennis. Wie? Ach so. Ja, um Sechs.“ Sie legt den Kopf schief und verdreht die Augen. „Ja. Ist gut. Wie du meinst. Bis dann.“ Sie legt das Handy aufs Fensterbrett. „Steffi will noch drüben bleiben.“

„Habe ich gehört.“ Thomas grinst. Bis Sechs. Da kann er locker noch zwei Levels spielen. Mindestens. Er läuft einmal um den Küchenblock, feuert mit seiner unsichtbaren Laserwaffe auf die Einkaufstüte. Seine Explosionsgeräusche klingen genau wie die vom Computerspiel, das sagt sogar Lorenz, sein bester Freund.

„Thomas!“

Er bremst sich auf der Treppe ein.

Mama schaut zur Durchreiche raus und grinst verschmitzt. „Du kannst dir schon mal ein gutes Versteck fürs Nutella ausdenken!“

 

2.

2. Dezember

 

Samstag früh wird Thomas wach, weil etwas Schweres auf ihn drauf plumpst. Als er die Augen aufmacht, sieht er Steffis schokoverschmierten Mund. Er schiebt sie weg und setzt sich auf. „Wo hast du die Schokolade her?“

„Adventkalender.“ Steffi grinst. Ihre Milchzähne sind genau so braun wie ihre Lippen.

Thomas springt aus dem Bett und saust ins Vorzimmer. Dort hängt sein Adventkalender. Ein dicker Nikolaus aus Filz, aufgenäht auf grünem Stoff, der Bauch und der Sack mit den Geschenken sind dick mit Watte ausgepolstert. Er trägt eine Bischofsmütze verziert mit Gold. Darauf sind 24 kleine Ringe und an jedem Ring ist mit einem Wollfaden ein Säckchen befestigt. Eines ist schon weg, gleich ist das zweite dran. Da! Neben dem dicken Bauch vom Nikolaus, da ist die Nummer 2. Thomas löst den Bindfaden, hockt sich auf den Parkettboden und schüttelt den Inhalt raus. Ein weiteres Puzzleteilchen fällt zu Boden. Gestern war auch schon eins drin. Er wickelt die Alufolie auf. „Schon wieder so ein Körndlfutter“, seufzt er. „Das ist nicht fair!“

„Ich hatte eine Mini-Dinkelbrezel“, meint Steffi tröstend. Sie hat auch einen selbstgebastelten Kalender. Es ist aber kein Nikolaus drauf, sondern ein Weihnachtsbaum. Anstatt der Sterne gibt es 24 Kerzen mit Ringen und Säckchen drauf.

Thomas runzelt die Stirn. „Ja aber …“ Er zeigt auf ihren Mund, den sie sich gerade mit dem Nachthemd sauber wischt.

 „Aber die Schoki ist doch nicht in dem Kalender vom Papa sondern in dem von Oma!“

„Echt?“ Thomas springt auf. „Wo?“

Steffi dreht sich um und läuft den Gang entlang und die Stufen runter. Thomas hinterher. Im Vorzimmer, wo normalerweise ein Spiegel hängt, ist tatsächlich ein Prachtstück von einem Adventkalender. Er ist so fast so groß wie eines von Lisas Postern, er ist aus Pappe und ziemlich dick. Ein Weihnachtsmarkt ist drauf zu sehen, mit vielen Lichtern und vielen fröhlichen Leuten. Am Himmel sieht man den Weihnachtsmann mit seinem Rentierschlitten vorbeifliegen. Zwei Türchen sind offen. Das, was drinnen war, ist verschwunden. „Mama hat ihn gestern am Abend aufgehängt“, erklärt Steffi. Als sie mich von der Oma abgeholt hat.

„Cool“, meint Thomas. „Und wo ist meiner?“

Stefanie macht ein wichtiges Gesicht. „Aber Thomas“, sie stemmt ihre Hände in die Hüften, „Der ist doch so groß. Und der war sehr teuer, hat die Oma gesagt, und dass der uns beiden gehört. Ein Tag ich, ein Tag du.“

„Ach ja?“ Thomas stemmt auch die Fäuste in die Seiten. „Weshalb hast du dann schon zwei Türchen leergefressen?“

Sie macht die Augen ganz schmal und kneift den Mund zusammen. So schaut sie immer, wenn sie etwas ausheckt.

„Na?“ Thomas stößt sie an der Schulter. „Sag schon!“

„Ich habe entschieden“, sie redet auf einmal wie Frau Mayerhofer, seine Religionslehrerin, die der Papa immer Frau Maiglöckchen nennt. „Ich habe entschiiieden“, wiederholt sie, „dass wir heute tauschen. Ich krieg deines vom Oma Kalender und du kriegst meines vom Papakalender.“

Thomas stürzt sich auf Steffi, will sie packen. Doch sie duckt sich und flitzt unter seinen Armen durch, in die Küche. Mit einer angebissenen Dinkelbrezel kommt sie wieder. „Da“, sagt sie. „Das Puzzleteil muss ich leider behalten.“  

 

3.

3. Dezember

 

Als die Kinder am Sonntag in die Küche kommen, steht der Papa am Herd und brät Speck und Spiegeleier. Mama deckt den Tisch im Esszimmer mit dem roten Weihnachtstischtuch und vier weißen Servietten. Sie legt die Teller hin, das Besteck und natürlich den Adventkranz, den Mama immer selbst bindet, mit dem Reisig vom Christbaumwald in ihrem Dorf. Die Kerzen und Maschen sind schneeweiß. Ein feiner Silberdraht mit glitzernden Sternchen ist um den dunkelgrünen Tannenkranz geschlungen. Die erste Kerze ist angezündet. Aus der Stereoanlage kommt Weihnachtsmusik. Es ist Lisas Lieblings-Pop-Weihnachts-CD. Thomas findet das gut. Wenn schon seine große Schwester nicht da ist, dann sorgt wenigstens ihre CD für Krach.

Es riecht nach Kaffee und Kirschtee. Gerade als Thomas und Steffi sich auf ihre Sessel setzen, kommt Papa mit einem großen Tablett aus der Küche. Es gibt knusprige Semmeln, Butter, Marmelade und Honig. Speck mit Eiern, rote und gelbe Paprika, Käse und sogar eine Schüssel mit Obstsalat. Am Sonntag ist das Frühstück immer gut, aber heute haben sich die Mama und Papa besondere Mühe gegeben.

Thomas angelt sich eine Semmel und das Brotmesser.

„Vorsicht mit dem Messer!“ sagt Mama. „Soll ich dir helfen?“

„Geh, Elfie“, Papa blinzelt Thomas verschwörerisch zu. „Unser Tom ist doch kein Baby mehr!“

Thomas grinst verschwörerisch zurück. Das stimmt. Er passt trotzdem auf, damit er sich nicht die Hand zersägt. Die eine Hälfte der Semmel bestreicht er dick mit Butter. Für die andere Hälfte nimmt er sich zwei von den kleinen, roten Käselaibchen. Die gibt es selten, weil Papa meint, dass da mehr Verpackung dran ist, als zum Essen drin ist.

Steffi mag lieber Speck und Ei und Ketchup. Obwohl sie schon fünf Jahre alt ist, gibt es dabei immer eine Sauerei. Da, es geht schon los. „Steffi, wisch dir den Mund mit der Serviette ab, nicht mit dem Pulli!“ und „Achtung, alles

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 08.12.2018
ISBN: 978-3-7438-8957-6

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Es ist nie zu spat für eine glückliche Kindheit. Danke Martin, Hanna, Diana, Nicola und Andrea für die Inspiration.

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