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#1

Zu viert standen wir um den kleinen, braunen Karton mit der roten Schleife darum. Heute in der Früh, als wir aufgewacht sind, stand es auf unserer Kücheninsel. Niemand von uns wusste wer das kompakte Geschenk in das Haus hinein geschleust hatte. Meine Eltern waren nicht da, die Haustüren waren verschlossen. Nur wir waren hier und hatten im engen Kreise Halloween gefeiert. Horrorfilme, Gruselgeschichten und Alkohol waren unsere einzigsten Gäste an dem vergangenen, schaurigen Abend. Nach einem langer privaten Feier hatten wir uns in mein Zimmer im oberen Stockwerk begeben und fielen dann in einen tranceartigen Schlaf. Wir hatten nichts geträumt, wurden kein einziges Mal wach. Heute Mittag wurde die Erste von uns wach und wollte schon Kaffee zubereiten, da sie sich sicher war, dass wir heute alle einen Kater erleiden werden. Sie ging runter und entdeckte dort das kleine, braune Paket mit der roten Schleife, verwirrt ging sie wieder hoch und weckte mich, fragte ob meine Eltern doch zurück gekommen seien. Ich verneinte. Auf die Frage was los sei, fing sie an wirr durcheinander zu reden und erwähnte immer wieder besagten Karton. Als schließlich unsere anderen beiden Freundinnen wach wurden, gingen wir zu viert hinab um das mysteriöse Paket zu inspizieren. Nun standen wir also im Kreis um die Theke. Ich prüfte schnell, ob irgendwo Anzeichen für einen Einbruch vorlagen, doch dies war nicht der Fall. Als ich wieder zurück in die Küche kam wurde lauthals diskutiert, ob nun die Polizei verständigt werden sollte oder nicht. Es sprachen sowohl Dinge dafür als auch dagegen. Unsere Argumente wurden immer lauter, wobei ich das kleine Paket nicht aus den Augen ließ. Aufgehört hatten wir nicht unter freiem Willen, wir wurden unterbrochen. Vor unserem Küchenfenster, saß eine schwarze Katze und sah zu uns herein und schleckte sich die Pfoten. Ihr Miauen hatte uns so aus der Bahn geworfen, dass nun kompletten Schweigen in der Küche lag. Niemand regte sich, niemand gab ein hitziges Wort mehr von sich. Wir standen alle da und beobachteten Still die Katze, die sich vor unseren Augen putzte. Nach einer gefühlten Ewigkeit, riss ich mich aus der Starre, die über uns geherrscht hatte, und machte der Samtpfote das Küchenfenster auf. Sie richtete sich auf und streckte sich, was auf mich wie eine edle Verbeugung wirkte. Nachdem sie herein gekommen war hüpfte sie von der Theke und umtänzelte unsere Beine. Sie schmiegte sich an jeden von uns und schmiss sich dann auf den Boden. Meine Freundin ging wie hypnotisiert in die Hocke und fing an ihren weichen Bauch zu streicheln, was der Katze ein intensives Schnurren entlockte. Entzückt beugten wir uns alle zu ihr hinab und verwöhnten sie mit Kraulen. Es schien als wären all unsere Sorgen weg und es gäbe nur uns und dieses schwarze Fellknäul. Mittendrin richtete sich meine braunhaarige Freundin auf und ging zurück zu dem Paket auf der Inseltheke. Wir alle ignorierten sie und kümmerten uns weiter um die Samtpfote. Erst als wir hörten, dass etwas zerriss, sprengte dies unsere Trance und wir schrien auf. Wir sprangen hoch und versuchten unsere Freundin zu stoppen, doch diese riss das Paket wie eine Irre auf. Sie wehrte uns ab, als wir merkten, es sei sinnlos gingen wir in Deckung, als der Karton nun völlig frei da stand. Und was passierte? Nichts. Wir nahmen Blickkontakt auf und richteten uns wieder auf, gingen langsam an die Fetzen heran. Die ganze Ablage war voll mit Kartonstücken und einem roten Band, welches sich durch das Desaster schlängelte und die vollkommene Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Tatort sah wie ein modernes Gemälde aus. So wüst und doch so strukturiert. Wir sahen uns an und überlegten. Auf dem Ersten Blick war nichts darin gewesen, kein Messer, keine Bombe, nicht einmal etwas zu Essen. Die schwarze Katze, war nun auch aus ihrem Schnurren gerissen worden und hopste auf die Arbeitsfläche zu den braunen Fetzen. Sie tänzelte elegant durch das Geschehen und grub mit ihren Pfoten einen weißen, abgerissenen Zettel frei. Ich nahm den Zettel in die Hand und las laut vor. „Ihr seid meine nächsten Gäste. -S.“

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Tag der Veröffentlichung: 01.11.2018

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