Cover

Einführung

 

 

 

Dämonenkampf

-

Ein unmoralischer Pakt

 

 

 

 

 

Silvia Leeb

 

 

 

Ein Engel, geboren um zu retten,
die Welt der Lebenden und der Toten.
Doch um retten zu können, verlangt es zwei Wesen,
getrennt durch die Grenze der Erde,
verfeindet durch das Blut ihrer Vorfahren
und verbunden durch das ewig währende Band der Liebe.

Doch das Schicksal wird nicht gnädig sein,
Leid und Trauer wird ihren Weg prägen,
ob am Ende das Ziel der Preis sein möge;
und das letzte Leid,
welches weder geteilt,
noch verhindert werden kann,
kann nur die Zeit uns dartuen.

Liebe wird zum Verhängnis,
Hass zum einzigen Ausweg,
gefolgt von unsagbarem Leid,
Wut über das Verlorene,
Angst um das noch Vorhandene
und nie versiegen wollende Tränen.

Hoffnung wird verdammt werden,
dem Glück wird entsagt werden,
sodass Pech und Verzweiflung
des Lebens neue Begleiter sind.

Himmel und Hölle
werden jenes fürchten,
was der Tod nicht zu nehmen vermag.
Die Erlösung wird ein neuer Anfang sein,
oder aber das Ende der Welt,
wie wir sie kennen.

Kapitel 1 - Vorgeschichte

4. Juli, 1259 n.Chr.

 

Allmorgendlicher Spaziergang. Normal.

Knackende Äste, Gefühl beobachtet zu werden. Auch normal.

Raschelndes Laub und vorbeihuschende Gestalten, die man kaum wahrnehmen kann. Total Normal.

Plötzlich auftauchende Gestalten, die mich mit ausgefahrenen Fangzähnen angreifen und mein Blut aussaugen wollen. Schon längst zu Gewohnheit geworden.

Ich hörte mich um, um auf Nummer sicher zu gehen, dass auch niemand in der Nähe war und, als ich davon überzeugt war allein zu sein, grinste.

„Was denkst du denn? Dass ich dich in Ruhe lasse, weil du mich so lüstern angrinst?“, er leckte sich über die Fänge, „Darüber können wir gerne sprechen, wenn du willst.“

Ich legte den Kopf in den Nacken und fing lauthals an zu lachen. „Du meinst, mit der Voraussetzung, dass du das hier überlebst?“

„Oh, glaubst du denn, dass dein Gott dich beschützen wird? Wie niedlich.“ Sein überhebliches Lächeln verschwand langsam und wurde durch angewidertes ausspucken ersetzt.

Eigentlich ging ich davon aus, dass die Vampire, die mich angriffen, langsam wussten wer und was ich war, aber wie es aussah entsprach das Geglaubte nicht immer der Wahrheit.

Egal wie viele Vampire ich am Tag, in der Woche oder im Monat erledigte, es tauchten immer wieder Neue auf und Vater war nicht zufrieden. Er würde wahrscheinlich nie zufrieden sein.

Langsam wurde das ganze nervig. Nicht nur, dass es immer mehr wurden, sie wurden auch noch immer dreister.

„Vielleicht sollten wir das hier einfach hinter uns bringen.“, meinte ich und legte den Kopf schief.

Das Vampire in der Sonne verbrannten, war einfach nur ein hartnäckiges Gerücht, dass mir eigentlich richtig gelegen kam. So konnte ich zum Beispiel nachts einfach einmal einen Spaziergang machen, oder mich mit dem netten Jungen von nebenan treffen.

„Dann werde ich dir jetzt etwas verraten, Kleines“, er leckte sich lüstern über die Fänge, „ich werde die nächste Nacht erleben und die danach, sowie die danach“, er leckte sich genüsslich über die Lippen, „und du wirst er Drink, mit dem ich sie einleite.“ Er fing an zu Grinsen und stürzte sich auf mich.

Gekonnt wich ich seinem Angriff aus und verpasste ihm einen Tritt gegen das Schienbein, sodass es laut knackte und der Vampir am Boden zusammensackte.

Mit meiner jetzigen Erfahrung konnte ich sagen, dass dieser Vampir erst kürzlich erschaffen worden war, es war noch keinen vollen Mond her, so wild und ungeschickt wie er sich anstellte.

Der Vampir schrie wütend auf und hielt sich sein Bein während es heilte. „Du verfluchtes Weibsstück! Ich reiß dir die Kehle heraus und vergehe mich an deinen toten Körper!“

Dadurch, dass ich mir fast alles bildlich vorstellte, zogen sich meine Mundwinkel angewidert nach unten.

Durch sein junges alter, auch wenn er in menschlichen Jahren vielleicht schon 24 Jahre alt war, konnte ich ihm nicht mehr als zehn Minuten geben, denn egal wie vernünftig er als Mensch war, jetzt war er hungrig und unvorsichtig. Da der heutige Tag nicht berauschend war, wollte ich diese Sache so schnell wie möglich hinter mich bringen, um die restliche Zeit im Wald zu verbringen und die Sterne zu beobachten.

Ich wartete geduldig bis sein Bein heilte, nebenbei konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, was seine Wut noch vergrößerte.

Nachdem das letzte Knacken seines heilenden Knochens ertönte, sprang er auf und setzte seinen Angriff auf mich fort.

Ich duckte mich unter ihm hinweg, schnappte sein Bein und ließ ihn, mit dem Schwung seines Sprungs, in das grüne Gras krachen. Dabei machte sein Kopf leider Bekanntschaft mit einem Grenzstein.

Das knirschende Geräusch seines Genicks ließ mich wissen, dass er sich soeben dieses gebrochen hatte.

„Mist!“, ich stampfte wütend auf, streckte meine Hand aus und rief mein Höllenschert. „Verdammt, schon wieder vermasselt! Da sieht man es wieder einmal, wenn man den Schwung seines Gegners, besonders eines Vampir, nutzt, bricht man ihm auch schon das Genick“, tadelte ich mich, während ich dem Vampir den Kopf abschlug und sein Körper in den, seinem Alter entsprechenden, Zustand zerfiel.

Ich drehte mich um und stapfte enttäuscht davon. Eigentlich hatte ich mir einen längeren Kampf gewünscht, das konnte ich einfach nicht verleugnen.

„Aber Hautsache sie beteuern immer, dass sie gar nicht so viel Kraft aufwenden, wenn sie kämpfen“, meinte ich kopfschüttelnd und stapfte davon.

 

Eigentlich standen nur Vampire auf meiner Jagdliste, da ich diese leichter erledigen konnte, also so manche andere Gestalten, die hier herumwandelten. Denn ich war … sagen wir einmal nicht ganz normal, aber das fiel den Leuten schnell auf. Vor allem dem Pöbel. Vater nannte mich manchmal auch liebevoll eine Ausgeburt der Hölle, die er nur bei sich aufgenommen hatte, weil er an mir ein Exempel an mir statuieren wollte.

Genauer gesagt wollte er mit mir experimentieren. Den Menschen zeigen, dass er, Urteilverkünder und Pfarrer sondergleichen, auch einen Dämon läutern konnte.

Die Hexe wollten sie mir nicht andichten, da ich keinerlei Kräuterkenntnisse hatte und auch sonst relativ ungeschickt in Sachen Versorgung war.

Vampiren war ich meistens überlegen, oder zumindest ebenbürtig. Aber bei einem Dämon brauchte man schon etwas mehr. Einen Dolch, aus den Knochen eines anderen Dämons, und der war wahrlich schwer aufzutreiben.

Salz half normalerweise auch sehr gut gegen alles von Gott verfluchte.

Ich hatte in meinem Leben weder das Glück gehabt einen Knochendolch aus Dämonenknochen zu sehen, noch jemals einen zu besitzen oder auch nur ihn wenigstens in der Hand zu halten.

Klar, ich war im Grunde genommen auch ein Dämon, aber das Risiko eingehen und mir selbst einen Knochen aus dem Leib schneiden? Dazu noch einen, der so groß war, dass ich allein schon an den Schmerzen sterben würde, geschweige denn auf den darauffolgenden Blutverlust. Zu gefährlich, außerdem wusste niemand genau was genau ich war.

Es stimmte, dass Dämonen über ein außergewöhnlich gutes und schnelles Heilvermögen verfügten, aber so genau wusste ich das nicht und wirklich scharf darauf es herausfinden zu wollen und dabei vielleicht zu sterben, war ich nicht.

Deswegen nahm ich den Auftrag auch nicht an, geschweige denn den Streckbrief, den man mir hinhielt.

Mit einem Vampir konnte ich es aufnehmen. Ich könnte ihn töten, gefangen nehmen oder auch, wenn ich gewollt hätte, ihn zu meinem Freund machen.

Dann gab es da aber auch noch die Meistervampire, die nicht ganz so dumm waren, sondern alt und dementsprechend mächtig. Diese Kampfe dauerten meistens länger als erwartet, waren aber nicht unmöglich zu gewinnen.

Bei einem Dämon sah das schon ganz anders aus. Von Grund auf Böse und nichts als Seelen sammeln im Sinn. Wenn sie dann auch noch einen Knochendolch dabeihätten, wäre mein Tod sicher. Definitiv nicht meine Liga.

Ich konnte Gott danken, dass ich noch nie einem von ihnen begegnet bin.

Doch man sollte den Tag nicht vor dem Abend lohnen.

Ich wusste rein gar nichts über meine Rasse, außer die Legenden, die sich die Menschen erzählten. Doch wer konnte schon wissen was davon wahr und was falsch war.

Deswegen konnte ich weder sagen wie alt ich werden würde, noch ob ich niemals einen Dämon begegnen würde.

 

Doch heute würde ich einfach einen normalen Tag genießen.

Vater meinte zwar, dass ich es aufgeben sollte, von meinen dämonischen Fähigkeiten Gebrauch zu machen, aber wenn ich damit Vampirangriffe vorhersehen und verhindern konnte, dann dürfte das doch nichts Schlechtes sein, oder?

Jedenfalls konnte ich heute nicht das geringste Anzeichen eines Angriffs vorhersehen und so war der Tag für mich auch schon gelaufen. Vorhersehen war gut gesagt, aber eigentlich benutzte ich nur meine geschärften Sinne, um herauszufinden, ob sich noch ein paar Untote in der Umgebung befand.

Ich hätte zwar genauso gut normale Arbeit erledigen können, aber die Menschen im Dorf mieden mich und Vater wollte auch nicht, dass ich mich mit, ich zitiere: ‚Diesem widerwärtigen und selbstsüchtigen Pack, von ungehobelten, faulen und stinkenden Bauern zu nahe kommen, denn wer weiß was die im Schilde führen.‘

Da sie mich dazu verführen könnten, ihnen ihre Seele zu rauben und damit würde ich meine Seele verlieren, wenn ich eine hätte, betonte er stets.

Naja, dann würde ich eben einen Entspannungstag einlegen, doch auch wenn ich wusste, dass kein Vampirangriff drohte, so durfte ich trotzdem nicht glauben, dass kein Dämon aufkreuzen konnte.

Sie waren die einzigen Wesen, die ich nicht ausnehmen konnte, da ich erst eines von ihnen hätte berühren müssen, um zu wissen nach welcher Aura ich Ausschau hielt.

Naja, ‚wer nicht wagt, der nicht gewinnt‘, lautete mein Motto.

 

Mein Weg führte mich zu dem kleinen See, nicht weit von dem Schloss entfernt.

An diesem Abend schienen die Sterne hell am Himmelszelt und brachte die Oberfläche des Sees zum Leuchten. Verschiedene Farben spiegelten sich auf ihr wieder: verschiedenste Grüntöne, Blautöne und sogar etwas Violett.

Am Ufer stand eine riesige Trauerweide, unter der ich mich ausruhte. Ihre grün-gelben Äste hingen so tief hinunter, dass man weder von draußen nach drinnen, noch von drinnen nach draußen sehen konnte.

Die Hände hinter dem Kopf verschränkt und die Beine übereinandergeschlagen lag ich im kühlen Gras, welches noch ein wenig feucht vom Morgentau war und lauschte dem Geräusch des Windes, der durch die langen Äste der Weide fuhr.

Das leise Rauschen und der kühle Hauch, der fast zärtlich über meinen Körper streichelte.

„Ich liebe solche Tage“, seufzte ich leise. An diesem Ort verspürte ich so etwas wie Frieden.

Meine Waffen lagen trotzdem neben mir: Mein Bogen, mit den vergifteten Pfeilen; meine Silberdolche, die ich nach hunderten von Kämpfen gegen Vampire gesammelt hatte und mein größter Schatz: Ein Schwert.

Vater erzählte mir, dass es von meinem Vater stamme, meinem Erzeuger; einem hochrangigen Dämon, aus der Schar um Luzifer, einem gefallenem Engel. Den Namen meines Erzeugers hatte ich nie erfahren.

Das Schwert war ungefähr eineinhalb Meter lang, hatte eine breite Schneide aus Silber und einem langem Griff aus schwarzem Stahl. Trotz seiner immensen Größe war es wie für mich geschaffen. Es fiel mir auch nicht schwer es zu heben oder gar mich damit zu wehren.

Es lag neben mir im Gras und wirkte bedrohlich. Allein seine Anwesenheit beschwor meine inneren Dämonen herauf, die ich nun schon so weit im Griff hatte, dass ich nicht mehr blind jeden abschlachtete, der mir begegnete.

Glücklicherweise waren nie Menschen in meiner Gegenwart, als mir diese Ausrutscher passierten. Weder sie, noch Vater wussten von diesem Prachtstück, da es nur auftauchte, wenn ich es rief.

Die Augen geschlossen lag ich so da und lauschte meiner Umgebung, die sich immer mehr zu verändern schien.

Nach ungefähr zwanzig Minuten konnte ich dann nicht mehr still liegen und zog mich aus, um in den See schwimmen zu gehen.

Niemand kam jemals hierher, weil es für viele viel zu weit von den sicheren Burgmauern entfernt war, sodass ich ungestört schwimmen gehen konnte.

 

Ich ließ meine Jutekleidung am Ufer liegen und ging langsam immer tiefer ins Wasser.

Vater bestrafte mich immer mit einem missachtenden Blick, wenn ich die Kleider der Stallburschen mitnahm, um sie zu waschen und für meine Abenteuer zu verwenden.

„Kein Weib sollte sich in diesen Kleidern sehen lassen“, hatte er immer gesagt, doch er sagte schon lange nichts mehr.

Aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Jetzt wollte ich nur die Stille genießen, also legte ich meinen Kopf in den Nacken und tauchte mein Haar bis zum Ansatz ins Wasser.
Die Ohren unter Wasser war alles still. Kein einziger Laut durchdrang das Pulsieren meines Blutes in den Ohren.

Die kühlen Wellen schmiegten sich sanft an meine Haut und je tiefer ich ging, desto kühler wurde das Wasser, doch an einem Tag wie heute, machte mir das absolut nichts. Einen Tag lang entspannen war das Schönste, was mir passieren konnte, nachdem ich die letzten drei Monde nur Ärger hatte.

Als es so tief wurde, dass ich nicht mehr stehen konnte, begann ich zu schwimmen.

Ich spürte die sanften Wellen, die aufkamen, wenn ich die Arme durchstreckte und das Wasser, welches daraufhin durch meine Finger und meine Zehen floss.

In der Mitte des Sees hielt ich inne, holte tief Luft und tauchte unter.

Der See war bis zum Grund hin klar und ich konnte die kleinen Fische sehen, die zwischen den Steinen am Grund nach Nahrung suchten. Die Wasserpflanzen, deren Wurzeln bis tief in den Boden gingen, strahlten in saftigen Grün.

Unter den Blättern einer weißen Seerose schwamm eine ganze Schar kleiner Fische, die sich sofort in alle Richtungen zerstreuten, als ich ihnen zu nahe kam.

Ihre Schuppen schimmerten in denselben Farben in denen auch die Oberfläche des Sees schimmerte. Sie reichten von Saphirblau zu Türkis bis hin zu Smaragdgrün. Durch ihre Flossen zogen sich gelb-grüne Adern, die noch lebendiger wirkten, als sie ihre Rückenflosse aufstellten.

Auf meinen Lippen erschien ein Lächeln, bevor ich wieder an die Oberfläche schwamm und Luft holte. Ich warf meine Haare nach hinten und genoss die Strahlen des vollen Mondes auf meiner bleichen Haut.

Einer der Nachteile an meiner Haut war, dass sie nie braun wurde, sie blieb immer bleich und wenn ich einmal einen Sonnenbrand bekam, heilte sich meine Haut in der Nacht selbst, sodass alles umsonst war.

Von welchem Elternteil ich die immer bleich bleibende Haut geerbt hatte, war für mich unmöglich festzustellen.

Genau genommen konnte ich mich wundern so viel ich wollte, ich wusste nichts über meine Eltern und Vater sprach auch kein Wort mit mir darüber.

Ich war einfach ein Außenseiter, den man duldete, weil er das Dorf einigermaßen unterstützte, denn nur die Wachen wussten von meinen nächtlichen Taten. Und natürlich Vater.

Aber man musste kein Hellseher sein, um zu sehen, dass ich hier nicht hergehörte. Ich war mit 1,68 cm größer als die durchschnittliche Bevölkerung, meine bleiche Haut ließ den Pöbel denken ich gehöre zu den Adeligen, doch mein rotes Haar ließ diesen wiederum glauben ich würde zu den fahrenden Zigeunern gehören.

Ich gehörte nirgends dazu und doch gab es Menschen, die ich meine Freunde nennen konnte. Freigeister, die nicht auffallen wollten, oder gute Ausreden hatten, wenn sie sich mit mir unterhielten.

Schmunzelnd schloss ich die Augen.

Plötzlich hörte ich hinter mir einen Ast knacken und drehte mich erschrocken um, doch das letzte was sich sah, waren die Luftbläschen, die an mir hochsausten, als ich unter Wasser gedrückt wurde.

Ich schlug wie wild um mich und versuchte die Person, die mich untergetaucht hatte, von mir loszubekommen. Die zierlichen Finger, die ich zu fassen bekam, als ich nach den Arm griff, brachten Licht ins Dunkle.

Ein fieses Grinsen tauchte auf meinen Lippen auf, als ich den Arm fester packte und mit mir in die Tiefe zog.

Ein erschrockenes Quietschen gefolgt von unzähligen Luftblasen. Natürlich wusste ich, dass die Person sterben würde, wenn ich sie nicht gleich losließ. Genau das tat ich auch sofort wieder und tauchte mit auf.

„Nira! Bist du wahnsinnig?“, zischte Maria, als ich auftauchte und zu lachen anfing. „Das ist nicht lustig!“, beteuerte sie, doch mein Lachen war ansteckend und sie prustete fast sofort los.

„Sei froh, dass ich dich erkannt habe, Maria. Bei einem Vampir oder einem Fremden, wäre das ganz anders ausgegangen“, meinte ich lachend.

„Du bist so dumm!“, lachte sie und spritze mir das kühle Wasser ins Gesicht.

 

Kapitel 2 – Schicksalhafte Begegnung

5. Juli

 

Diesen Morgen hatte ich schon nach dem Aufwachen gern gehabt.

Denn heute konnte ich ausschlafen. Einer der seltensten Tage in meinem Leben. Was wiederum hieß, dass es Sonntag war und Vater in der Kirche seine Predigt verkündete.

Ich als Dämon durfte diesen heiligen Ort natürlich nicht betreten, da niemand den Zorn Gottes auf sich ziehen wollte, indem er einen Dämon in die Kirche ließ, doch heute klingelten nicht einmal meine inneren Alarmglocken.

Zu Hause zu bleiben gefiel mir immer noch besser, als jeden Sonntag mit dem Hahneschrei aufzustehen und in ein Gebäude zu gehen, dass bis zum Dach nach Weihrauch stank, weil die Menschen darin so müffelten.

Da ich an diesem Tag sowieso nichts zu tun hatte, machte ich einen kleinen Spaziergang durch das Dorf.

Ich wusste nicht wieso, doch irgendetwas schien mich in das Viertel zu locken, das Vater mir immer verbot, da es dort nur ungläubige Menschen gab, deren Seelen allesamt verloren waren.

Als ich meinen Blick so über das Dutzend Leute schweifen ließ, fiel mir auf, dass diese Leute nicht gerade wie Verbrecher aussahen. Eher wie Leute, denen man ihr ganzes Leben lang Pech gewunschen hatte.

Mein Blick blieb an einem kleinen alten Mann hängen, der gegen die Mauer gelehnt am Boden saß. Sein Gesicht war eingefallen und sein Körper hatte sicher seit mehr als einem Monat kein Essen mehr gesehen.

Und diesen Leuten sollte ich ihre Seele stehlen? Was sollte es ihnen nützen?, ging es mir durch den Kopf.

Ich spürte wie jemand an meiner Kleidung zupfte und sah nach, um wen es sich handelte.

Es war ein kleiner Junge, kaum älter als fünf, er sah nicht ganz so schlimm aus, wie der alte Mann, dennoch zerriss es mir fast das Herz, ihn so zu sehen.

„Essen“, meinte der Kleine unmissverständlich.

Ich kramte in meiner Tasche herum, die ich vorhin gepackt hatte, ergriff ein Stückchen Brot und zog es heraus. Kaum war es in Sichtweite, schnappte der kleine Junge es mir aus der Hand und verschwand in einem Haus.

„He!“, rief ich ihm nach, doch er war schon verschwunden.

Gerade als ich auf das Haus zuging, kamen mir sieben Leute entgegen und zupfen mich am ganzen Körper, durchsuchten meine Taschen und stahlen alles was darin war. Ich wurde zu Boden gestoßen und sprang sofort wieder auf, nur um zu sehen wie die Tür vor meiner Nase zugeschlagen wurde.

Die Wucht der Tür ließ mich zurückweichen und ich fiel auf meinen Hintern. Mit einer Mischung aus Verwunderung und Wut starrte ich die Tür an. „Was zur Hölle war das?“

Neben mir tauchte eine in einen Bodenlangen Mantel gehüllte Gestalt auf. „Sie scheinen mir neu hier zu sein“, meinte eine männliche Stimme und streckte mir die Hand entgegen.

Ich ergriff sie und wurde hochgezogen. „Nein, eigentlich bin ich nur noch nie hier gewesen. Der örtliche Priester hält uns von diesem Ort fern, weil er meint-“

„-die Menschen seien unwürdig und ihre Seelen verdammt“, vollendete er meinen Satz.

Ich nickte knapp. „Genau.“

„Eine Dame wie Sie, sollte sich hier nicht herumtreiben. Die Menschen in dieser Umgebung sind zu Dingen fähig, von denen Sie nicht einmal träumen.“

Ich sah ihn an und versuchte etwas unter der dunklen Kapuze zu erkennen. „Ich bin nicht ganz so wehrlos, wie ich aussehen mag, Sir.“ Die Augenbrauen zusammengezogen wurde mir klar, dass dieser Mann hier nicht herzugehören schien. „Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“

Es gab keine Regung. „Ich habe viele Namen, aber der Name ist unwichtig.“ Er sah die Straßen entlang. „Wir sollten hier weg, ich denke nicht, dass wir hier erwünscht sind“, meinte er.

Ich blickte mich um und fühlte mich umzingelt, als ich die Menschen sah, die sich hinter uns gesammelten hatten und uns nachsahen. Selbst bei der Jagd war mir noch nie so unwohl gewesen.

Vielleicht bei meinen ersten drei Jagden, bis ich den dreh raushatte.

Ohne Widerrede folgte ich der gut 1,85 cm großen Gestalt, sie schien hier genauso wenig hinzugehören wie ich, außerdem war ich überall lieber als hier.

 

Wir gingen zurück in mein Viertel, gerade als der Gottesdienst beendet wurde und die Menschenmassen aus der Kirche kamen.

Der Geruch von Weihrauch, der aus den großen Flügeltüren aus Massivholz drang, vernebelte mir die Sinne. Eigentlich war ich mehr als Dankbar, dass meine Sinne um Welten besser waren, als die der „Normalsterblichen“, aber dann gab es Augenblicke wie diesen, in denen ich mir wünschte, mein Geruchssinn würde abstumpfen.

„Denk nicht so darüber. Sei froh, dass du diese Fähigkeiten hast, andere würden dich darum beneiden“, meinte der Mann neben mir, dessen Name mir immer noch nicht verraten wurde.

„ Wir sind also jetzt bei ‚du‘. Soso, also kannst du jetzt auch schon Gedanken lesen. Was bist du wirklich?“

„Das sollten wir nicht hier besprechen.“ Er drehte den Kopf zu mir und sah auf mich herab. „Du weißt schon, zu viele Menschen und so.“

Erst jetzt wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass er um gut zwanzig Zentimeter größer war als ich. Nicht, dass ich es nicht schon vorher bemerkt hätte, aber erst jetzt verspürte ich die Macht, die von ihm ausging.

Beeindruckend, aber nicht angsteinflößend.

„Du meinst also ich sollte dir in eine abgelegene Gasse oder gar in den verlassenen Wald folgen, damit du dich über mich hermachen kannst“, sagte ich nonchalant, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.

Ehrlich gesagt wollte ich so schnell wie möglich weg von hier, da ich eine Begegnung mit Vater vermeiden wollte. Mein Körper erzitterte, als er zu lachen anfing. Ein raues und männliches Lachen, welches mir Gänsehaut bescherte und mich bis in die Zehenspitzen erzittern ließ.

Möchtest du nicht einmal wissen wie es sich anfühlt? Dieser Beischlaf, von dem die Damen am Hof immer reden. Du weißt schon, dieses warme Gefühl, das sich zwischen deinen Beinen breit macht, höhnte meine innere Stimme, doch ich tat sie mir einem Kopfschütteln ab.

„Ich verstehe dein Misstrauen, aber eigentlich wollte ich nur ungestört über gewisse Dinge reden. Aber ich verstehe dein Misstrauen, in letzter Zeit gab es einfach zu viele Seelenraube.“

JETZT hatte er meine volle Aufmerksamkeit. Ich drehte den Kopf zu ihm und sah ihn überrascht an. „Seelenraube? Was weißt du darüber?“, wiederholte ich mit einer Mischung aus Neugierde und Skepsis.

Sein Blick glitt kurz über die Menschenmenge hin zu mir, wo er verharrte. „Nicht hier.“ In seinen Augen blitzte etwas Verräterisches auf, aber es war so schnell wieder weg, dass ich es als Unfug abtat.

Als er sich umdrehte und in Richtung Haupttor ging, folgte ich ihm, wie ein Schaf seinem Schäfer. Blind ließ ich mich von ihm durch das Dorf führen, wo wir vor dem großen, schmiedeeisernen Tor stehen blieben.

„Wenn du mehr über Deinesgleichen erfahren möchtest, folge mir, ansonsten…“, er ließ die Antwort offen und ging voraus.

Wie paralysiert blieb ich stehen. Hatte er gerade gesagt Deinesgleichen? Woher wusste er um mich Bescheid? Hatte ich mich verhört oder mir gar etwas eingebildet?

Nichts destotrotz war mein Verlangen nach Antworten geweckt und wollte nicht mehr vergehen.

Ich sah mich kurz nach ein paar Zeugen um, die mein mögliches Verschwinden sehen konnten, aber alle Menschen waren mit anderen, viel wichtigeren Sachen beschäftigt. Sogar die Wachen ließen sich von den Angestellten des örtlichen Bordells ablenken.

Oh, ja. Für Menschen war alles viel wichtiger, wenn es um sie selbst ging. Es wundert mich nicht, dass dieser Seelenräuber hier einfach ein- und ausgehen konnte wie es ihm gefiel.

Ich folgte dem Fremden über die Brücke in den Wald, fernab von lauschenden Leuten und dem beißenden Gestank nach Ammoniak.

Neugierig blickte ich mich um, denn diesen Teil des Waldes kannte ich nicht. Komisch, wie war das möglich.

Er blieb so abrupt stehen, dass ich gegen ihn stieß. „Was…?“, fragte ich verwundert und wich zurück.

„Wir sind weit genug weg. Hier kann uns niemand hören.“

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, als ich die Veränderung der Lufttemperatur wahrnahm.

Da ich von dieser Person keinerlei Informationen über ihn anhand von Berührungen oder sonstiger Überwachung. Oder einen Magier, redete mir mein, nach Strohalmen schnappendes, inneres Ich ein. Klar waren Magier die Besten wenn es um Körpersprache ging; besser gesagt waren sie dafür bekannt, dass sie fast jeden Muskel einzeln beherrschten.

„Kluges Mädchen. Ja ich bin ein Dämon, aber mehr brauchst du zurzeit auch nicht zu wissen.“ Er drehte sich um und schlug die Kapuze seiner langen Robe zurück.

Bei seinem Anblick verschlug es mir die Sprache. Wenn er mir nicht gerade bestätigt hätte, dass er ein Dämon war, dann hätte ich ihn womöglich für einen Engel gehalten.

Er hatte schwarzes Haar, das in der Sonne von einem rötlichen Schimmer überzogen war und ihm fast annähernd, bis zu den Schultern reichte. Dazu schien es aus feinster Seide zu sein. Sein Gesicht war makellos, die helle Haut wies keinerlei Verletzungen auf, noch gab sie Hinweise auf sein Alter, und seine Lippen so sinnlich, dass ihnen sicher schon mehr als eine Frau erlegen war. Er war perfekt. Ein Gott in Schwarz.

Einzig und allein seine Augen zeugten davon, dass er ein Verdammter war. Sie strahlten in kräftigen rubinrot und ich hätte schwören können, darin eine Flamme züngeln zu sehen.

Ich hatte mir unwissentlich auf die Unterlippe gebissen, da sich in mir nun die Frage auftat, wie er wohl unter dieser viel zu großen, viel zu weiten Robe aussah.

Das Bedürfnis, einfach die Hände nach ihm auszustecken und unter seine Robe gleiten zu lassen, um seine Bauchmuskeln zu berühren, wurde auf einmal viel zu groß. Seine Haut, die wie aus Samt schien, zog mich fast magisch an. Ich wollte sie auf meiner Haut fühlen. Unter meinen Fingern. Unter meiner Hand. Unter…

Das Lächeln, welches auf seinen Lippen auftauchte, riss mich zurück in die Realität und wies mich sofort auf meine unzüchtigen Gedanken hin. Innerlich schallte ich mich für solch irrationalen Gedanken, äußerlich lief ich rot an und wandte den Blick ab.

Wo kommen nur all diese Gedanken auf einmal her, dachte ich entsetzt.

„Schon gut, diese Wirkung ist normal auf einen Menschen. Dass du zur Hälfte Dämon bist, hilft dir da recht wenig.“ Ein vertrauenserweckendes Lächeln umspielte seine Lippen, aber noch wusste ich nicht, ob ihm zu trauen war.

„Ich kann dir zwar etwas über unsere Art erzählen, aber ob du das glaubst was ich sage, oder ob du es als Unfug abtust, das musst du mit dir selbst ausmachen.“ Er drehte sich wieder um. „Sag mir, wenn du es dir überlegt hast. Ich warte solange hier. Aber nur noch zwei Tage, dann ziehe ich weiter.“

Ich brauchte gar nicht zu überlegen. Der Drang zu wissen, wie viele es noch von meiner Sorte gab, oder ob ich sonst noch irgendwelche besonderen Fähigkeiten besaß, war wesentlich stärker. „Ich will es wissen!“

Er nickte und setzte sich auf einen großen Stein. Mit einer Hand deute er mir, mich zu setzten.

Ich ließ mich ihn gegenüber auf einem umgefallenen Baum nieder und sah ihn erwartungsvoll an. „Womit soll ich anfange? Habe ich auch diese … Wirkung auf andere?“, fragte ich zögerlich.

Er zog die Brauen hoch, doch dann wich sein belustigter Ausdruck einem ersten, forschendem. Er sah mich von oben bis unten genau an und langsam kam ich mir nackt vor.

Ich begann unruhig hin und her zu rutschen und kaute auf meiner Unterlippe herum. Die Stille brachte mich fast um den Verstand.

Als er endlich fertig war, kam er zu folgendem Ergebnis: „Du bist nicht perfekt. Vielleicht etwas zu mager für meinen Geschmack. Deine Hüften sind breit genug, dein Hintern und dein Busen haben eine annähernd perfekte Größe und dein Gesicht ist nicht Knabenhaft, sondern zart. Was deine anderen Talente betrifft, kann ich nur raten. Im Bett wirst du wahrscheinlich die untere Stellung einnehmen, keine dominante Frau, also kein Succubus. Deine Haare sind ausreichend lang, wobei sie noch länger sein könnten und wie geschickt du mit deiner Zunge umgehen kannst, kann ich dir auch nicht sagen.“

Ich zuckte über seine Ehrlichkeit zusammen. War es ihm denn nicht unangenehm über so etwas zu sprechen? Es war doch tabu.

Als er fertig damit war, mir mein äußeres Erscheinen vorzutragen, blickte ich ihn fragend an. „Würdest du mir erklären, was ein Sukkubus ist?“ Ich kam mir dumm vor. Ein Dämon, der nichts über seine Art wusste.

„Natürlich. Ein Succubus ist ein weiblicher Sexdämon; die Männlichen Exemplare nennt man Incubus. Diese Art von Dämonen nährt sich indem sie das andere Geschlecht in ihr Bett lockt, um ihren während des Beischlafs die Lebensenergie zu entziehen. Die meisten Menschen sterben dabei, nur wenige überleben diesen Akt und wenn sie es doch tun, dann altern sie sehr schnell und leben nicht länger als drei Monde.“

Ich nickte und kaute an meiner Lippe herum.

„He, nicht traurig sein, Kleines. Kein Halbdämon ist perfekt. Wie lange weißt du es eigentlich schon?“ Sein Blick war nicht bewertend, eher mitfühlend.

Den Kopf zur Seite geneigt, richtete sich mein Blick gen Himmel. „Mir war schon bald bewusst, dass ich nicht normal sein konnte.“ Ich senkte den Blick und verschränkte die Hände auf meinem Schoß. Diese Erinnerungen mochte ich nicht, noch weniger mochte ich es darüber zu sprechen. Doch wann würde sich wieder die Möglichkeit ergeben mit jemandem sprechen zu können, der wusste was ich durchmachte. „Vater gab mir schon sehr früh zu verstehen, dass ich anders war. Gefährlich. Eine Bedrohung. Wenn er heimlich trank hielt er mir meine Fehler auch gerne vor, vor allem weil ich ein einziger großer Fehler sei. Das erste Mal, dass ich selber realisierte, dass ich anders war, war an dem Abend, als er wieder getrunken hatte. Er schlug auf mich ein, da ich an diesem Tag versucht hatte die Kirche zu betreten, weil mich das Gebäude fasziniert hatte. Als er den alten Lederriemen hervorzog, riss ich ihm den aus der Hand und zerfetzte ihn in winzig kleine Stückchen. Plötzlich sah ich seine Faust im Augenwinkel.“ Ich hob den Kopf und sah ihm in die Augen. „Das nächste was ich weiß ist, dass er am anderen Ende der Hütte am Boden lag und sich den Arm hielt.“

Er legte seine Hand auf meine Schulter und sah mir tief in die Augen. „Habe ich richtig verstanden, dass du immer noch bei diesem … Fanatiker lebst?“ Er legte den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. „So etwas habe ich noch nie erlebt.“

„Irre ich mich, oder machst du dich gerade über mich lustig?“ Fragte ein verärgert.

Als Antwort bekam ich ein triumphierendes Grinsen. „Nun, über deine Naivität kann ich nur lachen. Ich bin ein Dämon, kein Mensch, der dir Mitleid entgegenbringt. Ganz ehrlich, zuerst hatte ich es vor, doch diese Geschichte war einfach zu viel.“ Er lachte erneut, bevor er mir in die Augen sah und meinte: „Wie kannst du nur so dumm sein? Du hast eine unglaubliche Macht und nutzt sie nicht. Als würde man einen gezähmten Drachen vor dem Herdfeuer liegen haben.“

War das denn möglich?! Da treffe ich endlich einen anderen Dämon, einen der mich nicht umbringen will, aber ein absolutes, von sich selbst überzeugtes, hochnäsiges, arrogantes…

„Arschloch?“, beendete er meinen Satz.

Meine Augen weiteten sich und ich wandte schnaufend den Blick ab. „Würdest du das mit dem Gedankenlesen bitte unterlassen. Ich fühle mich dabei nicht gerade wohl.“

„Das ist jetzt nicht das Thema. Was soll ich dir noch erzählen? Unsere Entstehung? Die Hackordnung?“

„Ich will wissen, welche Fähigkeiten ich habe.“

„Ah! Ich verstehe! Die Macht des Bösen. Das Verführerischste, das wir zu bieten haben“, meinte er mit rauchiger Stimme. Ich hätte schwören können, dass seine Augen kurz aufgeleuchtet hätten.

„NEIN!“, schrie ich entsetzt. „Ich würde die Macht des ‚Bösen‘ niemals benutzen! Ich möchte nur mal wissen, zu was ich fähig wäre.“

„Ach, so ist das. Ganz die artige Adoptivtochter des Pfarrers. Jetzt wird mir einiges klar.“ Er rieb sich das Kinn und grinste.

Ich sah ihn argwöhnisch an. „Du wusstest doch von Anfang an, dass ich die Pfarrerstochter bin. Was hat mich verraten?“, Er sah mich wieder von oben bis unten an, wobei mir ein Schauer über den Rücken lief. „Es war mir von vorn herein klar. Das Messer in deinem Stiefel“, er deutete auf meinen rechten Stiefel, in dem sich ein Silbermesser befand, dass man eigentlich nicht sehen sollte.

„Wie?“, ich zog meine Hose nach oben und sah irritiert auf meinen Stiefel. Das Messer war selbst für die Vampire, die mich angriffen, nicht zu sehen, wie konnte er es dann sehen.

„Wir Dämonen spüren das Silber. Genauso wie jede andere wertvolle Substanz.“

Ich schüttelte den Kopf und verwarf die Fragen, die mir darauf durch den Kopf schossen. Stattdessen blieb ich beim Thema. „Ok. Ähm, kannst du mir etwas über Luzifer sagen?“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Nun, er ist einer der vier Kronprinzen der Hölle, ein gefallener Engel, wie du bestimmt weißt aber nicht der Herrscher der Unterwelt“, er machte eine kurze Pause und wartete meine Reaktion ab, „Außerdem hat er vom Teufel persönlich ein eigenes Heer bekommen. Was willst du noch wissen?“

„Wie heißt sein oberster Heerführer?“

Er legte den Kopf schief. „Warum interessiert dich das?“ Ich rieb meine Hände auf den Oberschenkeln und rutschte unruhig hin und her. „Ähm…Ich bin sehr an Religion interessiert.“ Oh mein Gott, war ich eine Schlechte Lügnerin. Was hatte der oberste Heeresführer mit Religion zu tun?

„Soso. Religion.“

Eilig sah ich mich nach einer guten Ausrede um, und da kam mir der, sich langsam verfärbende, Himmel ganz recht. Als mir ein kühler Luftzug entgegen kam, rieb ich mir die Arme.

„Ganz schön spät. Ich sollte eigentlich Zuhause sein, Vater wird mich schon erwarten. Wenn du mich entschuldigst.“ Eilig stand ich auf und rannte aus der Lichtung.

Als mir einfiel, dass ich gar nicht wusste, wo und ob ich ihn wiedersehen würde, drehte ich mich um, aber da war er schon weg. Da blitze vor mir die Erinnerung auf, dass er sagte er wüsste etwas über die Seelenraube.

„Mist!“, schimpfte ich. Schnell sah ich zu, dass ich vor meinem Vater heimkam und er nichts von meinen Ausflüchten erfuhr.

 

„NIRA!“, hörte ich Vater im Haus schreien.

Ich kniff die Augen zusammen und fluchte innerlich. Hey, ich war zwar die „Tochter“ des Pfarrers, aber immer noch ein Dämon. Zumindest zur Hälfte.

„Nira, wo bist du?!“ Er klang ernsthaft besorgt. Wunderlich.

„Komme, Vater“, rief ich und ging zur Eingangstür.

Vater kam mir entgegen und ich hätte schwören können, dass sein graues Haar einen Farbton grauer geworden war. „Mensch, Kind! Wo bist du gewesen! Weißt du denn nicht, dass hier ein Dämon sein Unwesen treibt!“

„Nein, das wusste ich nicht.“ Aber ich habe mich soeben mit Ihm unterhalten!, jubelte ich innerlich.

Vater fuhr sich durch seine Haare. „Der hätte dir deine Seele stehlen können!“

„Wieso? Habe ich denn auf einmal eine?“, fragte ich unverblümt.

Ehe ich mich versah, hatte er mich schon geohrfeigt. Wenigstens hatte er heute keinen Gürtel oder Stock bei der Hand.

„Rede nicht so mit mir! Du bist zur Hälfte Mensch und absolut jeder Mensch hat eine Seele! Manche haben sie eben an den Teufel verkauft!“ Er legte mir die Hände auf meine Schultern. „Versprich mir, dass du dich niemals mit so einem Teufel triffst! Er würde es nur auf deine Seele abgesehen haben!“

„Ich werde auf mich aufpassen, Vater.“

„Ich vertraue dir, Tochter, aber lass die Jagd auf Vampire in nächster Zeit. Bis er wieder weg ist.“

„Das werde ich, Vater.“

Er umarmte mich. Das geschah so selten, dass ich erst total perplex war, bis ich schließlich seine Umarmung erwiderte.

Ich löste mich langsam aus seiner Umarmung. „Ich werde morgen zum See gehen. Keine Sorge ich bin vorsichtig und werde mit niemandem reden, ich verspreche es.“

Er nahm mein Gesicht in die Hände und entließ mich mit einem Kuss auf die Stirn.

Kapitel 3 - Nicht mit mir!

 

Den Kopf in den Wolken und vollkommen in Gedanken versunken, begab ich mich wieder einmal zum See.

Die Situation blieb entspannt und ich fühlte keinerlei Bedrohung. Die Vögel sagen ihre Lieder und das Rascheln der Blätter erfüllte die Luft, genauso herrlich wie am Vortag.

Vielleicht würde ich am Nachmittag wieder zum Markt gehen und nach dem Dämon vom gestrigen Tag Ausschau halten, wenn ich Glück hatte, war er vielleicht noch in der Stadt.

Für einen Dämon sah er eigentlich normal aus. Ich hatte mir einen dieser Teufel eher mit Hörnern und Lederflügeln vorgestellt, aber ich war das beste Beispiel dafür, dass nicht alle Gerüchte stimmen mussten. Ok, es lag vielleicht auch an der Tatsache, dass nur ein halber Dämon in mir steckte.

Der See kam in Reichweite und ich musste anfangen zu Grinsen, bei dem Gedanken, wie ich Marie unter Wasser gezogen hatte.

Allerdings ließ meine gute Laune sofort wieder nach, als jedes Geräusch verstummte.

Es war totenstill und die Luft wurde erheblich kühler, als sie eigentlich sein sollte. Lediglich das schöne Wetter täuschte einen, aber mich nicht. Allein schon der Schauer, den mir die veränderte Stimmung über den Rücken laufen ließ, brachte mich dazu, all den unnötigen Ballast, den ich in der Hand hatte, fallen zu lassen und machte mich auf einen Kampf gefasst.

Die Muskeln in meinem ganzen Körper spannten sich bis zum Zerreißen und mein Schwert zitterte unter der Erde. Es wollte heraus. Es wollte kämpfen. Und es wollte Blut fließen sehen.

Zögerlich trat ich einen Schritt nach vorn, bedacht darauf, jedes noch so unwichtige Geräusch zu erfassen und zuzuordnen. Wer konnte schon wissen, was hinter dem nächsten Busch oder Stein lauerte.

„Ganz schön Wachsam. Denkst du nicht, ein Dämon sollte vor nichts Angst haben?“, ertönte eine tiefe, raue und dunkle Stimme.

SO stelle ich mir einen Dämon vor, dachte ich, während mir ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.

Ich konnte nicht zuordnen woher die Stimme kam und das machte mir zu schaffen. Nicht zu wissen wo mein Feind sich aufhielt, bedeutete so viel wie mein Todesurteil.

„Nanu, warum auf einmal so still?“ Die Stimme klang so verzerrt, als ob sie direkt aus der Unterwelt käme. „Das letzte Mal warst du gesprächiger, Halbdämon.“

Ich drehte mich einmal um mich selbst. „Wer bist du! Zeig dich, wenn du dich traust!“, schrie ich, mehr aus Angst, als aus Trotz.

Vor mir tauchte eine dichte Rauchwolke auf, die sich wie ein Wirbel drehte und aus ihr tauchte ein Dämon auf.

Woher ich das wusste?

Vielleicht waren es die Augen, deren Iris aus Flammen zu sein schien. Oder die tiefe Stimme. Aber vielleicht war es auch die Tatsache, dass vor mir eine zwei Meter zehn große, muskelbepackte Gestalt stand, deren Haut Stellenweise wie Leder war, und aus deren Rücken zwei riesige Schwingen aus Leder und Knochen ragten. Ihre Hände waren von ihren, in langen Klauen endenden Fingern, bis zum Ellbogen mit der ledrigen Haut überzogen, genauso wie die Beine. Sie sah aus wie ein Raubtier und die Erscheinung erinnerte an die Zeichnungen eines Werwolfs, die ich einmal in Vaters Büchern gesehen hatte. Aus ihrem Kopf ragten zwei widderartige Hörner und die Zähne waren zu rasiermesserscharfe Klingen geformt und obwohl der Rest seines Gesichts menschlich aussah, tat er es doch wieder nicht. Irgendetwas an ihm kam mir merkwürdig bekannt vor.

Mein Blick wanderte nach oben und ich spürte wie mein Kampfgeist die Flucht ergriff und mir zum selben riet. „Oh-oh.“

Gerade als ich zur Flucht ansetzten und mich umdrehen wollte, packte der Dämon mich mit einer seiner Klauen und hielt mich fest. „Nicht so schnell.“

„Lass mich los! Was willst du! Wer bist du?“

Aus seiner Kehle drang ein rauchiges Lachen. „Meinen Namen kannst du sowieso nicht aussprechen. In deiner Sprache wäre der einzige Name, der auch nur in die Nähe käme: Darius.“

Mein Blut gefror zu Eis. „Darius?“, wiederholte ich mit zittriger Stimme. „Der Seelenfänger.“

„Du hast also schon von mir gehört.“

„Deine, nun seelenlosen, Opfer werden nicht gern gesehen.“

„Aber dennoch lehnst du den Auftrag ab dir mein Kopfgeld abzuholen.“

Ich rang mir ein Lächeln ab. „Warum sollte ich darauf kommen, jemanden anzugreifen, von dem ich nicht einmal weiß, wie man ihn Tötet. Außerdem glaube ich kaum, gegen dich gewinnen zu können.“

„Kluges Kind.“

„Glaube mir, du hast nicht das Recht mich Kind zu nennen. Ich habe mehr in meinem Leben durchgemacht, als ein Normalsterblicher es jemals tun sollte.“

„Du weißt doch, dass Dämonen keine Reue und kein Mitleid empfinden.“

Ich schnaufte missbilligt. „Wie könnte ich auch nur im Traum daran denken.“

Darius trat zurück und ließ von mir ab. „Sarkasmus?“

Mein Mut kam zurück und ich baute mich wieder zu meiner vollen Größe auf. „Nein, nenne es Überlebenswillen.“

Ein Grinsen tauchte auf seinem Gesicht auf. „Du willst es also zu Ende bringen?“

„Naja, wir haben zwei Möglichkeiten. Möglichkeit eins, die ich bevorzuge: Wir ziehen beide von dannen, gehen getrennte Wege und keiner von uns beiden Stirbt. Oder aber du wählst Möglichkeit zwei: Wir liefern uns beide einen Kampf auf Leben und Tod und nur einer von uns beiden bleibt am Leben.“ Ich sah ihn fragend an. „Ich für meinen Teil werde auf jeden Fall, um jeden Preis, am Leben bleiben.“

„Eine Wette? Wie wäre es als Preis mit deiner Seele?“

Ich rief mein Schwert, welches sogleich aus dem Boden geschossen kam, und schwang es. „Lieber würde ich sterben, als meine Seele an einen Dämon zu verkaufen.“

„Dein Wunsch sei mir Befehl.“

Darius rief sein Schwert, welches beträchtlich größer war als meines und noch dazu in Flammen stand.

„Warum kann mein Schwert das nicht?“, meinte ich etwas eifersüchtig.

„Höllenfeuer. Nur diejenigen, die jemals einen Dämon bezwungen und die Unterwelt lebendig betreten und genauso heil wieder verlassen haben.“

„Mist“, meinte ich und griff an.

Schwert traf auf Schwert. Die Wucht des Aufpralls war so groß, dass die Schwerter Funken schlugen.

„Wenn du doch sowieso stirbst, kannst du mir doch deine Seele überlassen.“ Ein rasiermesserscharfes Grinsen.

„Um dann ewig an dich gebunden zu sein? Wohl eher kaum.“

„Ich könnte auch einen ganz anderen Deal vorschlagen. Ich bin ein Dämon, ich kann dir jeden Wunsch erfüllen.“ Sein Blick ging direkt in meine Seele und ließ sie vor Angst erzittern.

Er nutzte diesen Moment der Schwäche, um mich nieder zu drücken und mir überlegen zu sein. Ich hatte weder genug Macht noch genug Stärke, um Darius zurückzudrängen.

Meine Arme fingen an zu zittern, so sehr waren meine Muskeln angespannt.

Mein Wille war ungebrochen und meine Seele schrie nach Leben und Freiheit. Und plötzlich erhob sich aus meinem inneren eine nie gekannte Kraft.

„NIEMALS!“, schrie ich und hatte auf einmal die Kraft, Darius zurückzustoßen und mich zu befreien. Allerdings wurden unsere beiden Schwerter weggeschleudert und verschwanden im Boden.

Hilfesuchend blicke ich mich nach meinem Schwert um, auch Darius schien ein bisschen verwirrt zu sein.

„Schwert“, ich streckte meine Hand aus und wartete auf mein Schwert, doch es geschah rein gar nichts. „Schwert!“, diesmal eindrücklicher, doch es geschah wieder nichts. „Schwert?“ Ich sah mich fragend um.

Plötzlich ertönte hinter mir ein grausames Lachen. „Gib es auf. Unsere Schwerter kommen nicht wieder. Wir müssen das wohl oder übel auf die gute alte Art klären.“ Er ließ seine Fingerknöchel knacken und massierte sich die Finger.

„Na ju-hu.“ Wir liefen aufeinander zu, Darius holte aus und schlug nach mir, während ich mich unter ihm wegduckte - gerade noch rechtzeitig.

Ich stemmte die Hände auf dem Boden und zog ihm mit meinem Fuß die Beine weg, sodass er nach vorne fiel. Auf mich.

Wieder nicht mitgedacht, Nira! Konzentrier dich, sonst gehst du drauf!, schallte mich meine innere Stimme.

Doch dazu war es schon zu spät. Darius fiel und das nächste, was ich mitbekam, war ein stechender Schmerz auf meiner linken Seite, seine Klauen an meinem Bein und der Zusammenstoß mit einer harten, rauen Oberfläche.

Der Geschmack von Eisen machte sich in meinem Mund breit und meine Wange schmerzte, doch ich widerstand dem Drang sie anzufassen und vielleicht etwas festzustellen, was ich lieber gar nicht erst wissen wollte.

Meine Lider öffneten sich flatternd und ich bemerkte, dass ich gegen einen Baumstamm geschlagen wurde. Zusammengekauert lag ich am Boden und wurde von Darius ausgelacht.

„Na, gibst du schon auf?“

Ich versuchte aufzustehen, aber irgendetwas war mit meinem Körper nicht in Ordnung, denn ich konnte nicht aufstehen, aber das brauchte er nicht zu wissen.

„Solange du in deiner wahren Gestalt mit mir kämpfst, kann ich nicht gewinnen. Trau dich doch in Menschengestalt mit mir zu kämpfen, dass mache ich weiter.“

„Du bist es nicht wert, als Dämon bezeichnet zu werden.“

Ich stemmte mich mit aller Kraft auf die Knie. „Du lenkst vom Thema ab.“

„Ich gewinne so oder so.“

„Dann hast du ja nichts zu verlieren.“

Er grinste, verwandelte sich jedoch in einen Menschen. Sehr zu meinem Schrecken erkannte ich den Mann vom Vormittag wieder.

„Du?“, fragte ich verwirrt.

„Sag nicht, dass dich das jetzt überrascht.“

Ich machte den Mund auf, entschied mich aber, es lieber bleiben zu lassen.

Meine Rippen knackten schmerzhaft, aber im nächsten Moment konnte ich wieder aufstehen. „Dann lass und weitermachen.“

Er grinste und blitzschnell tauchte er vor mir auf. „Letzte Chance. Deine Seele oder dein Leben, eines von beiden bekomme ich sowieso. Sterbe ich, reiße ich dich mit in den Tod.“

„Und von was träumst du Nachts?“ Ich war mir sicher, dass dies der letzte Satz in meinem ganzen Leben war.

Darius machte einen Schritt nach vorn und ich schloss mit meinem Leben ab und machte mich auf das unausweichliche gefasst.

Doch es geschah nichts.

Zögerlich öffnete ich die Augen und sah den ruhigen See vor mir. Verwirrt blickte ich mich um, doch nirgends war eine Spur von Darius zu sehen.

„Verdammte Scheiße!“, hörte ich es über mir.

Als ich den Kopf hob musste ich an mich halten, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Belustigt sah ich Darius zu, wie er an einem Seil über mir baumelte.

Ich hatte ganz vergessen, dass ich zu meiner Sicherheit eine Falle aufgestellt hatte, falls mich jemand am See überraschte.

„Hm. Gibst du auf?“, fragte ich belustigt.

„Komm rauf und kämpf mit mir!“

Meine Kletterkünste kamen mir heute zu Gute und ich war blitzschnell am Baum.

Darius stand ebenfalls auf einem dicken Ast und versuchte das Seil von seinem Fuß zu bekommen.

Diesmal war ich es, die sich auf ihn stürzte.

Wir schlugen aufeinander ein, wichen den Angriffen aus, versuchten einen Treffer zu landen und bei alldem versuchten wir nichts vom Baum zu fallen.

Als Darius das Seil mit ins Spiel brachte wurde es heikel. Ein falscher Tritt und man lief Gefahr erhängt zu werden.

Plötzlich packte er meinen Arm und ich klammerte mich ebenfalls an ihm fest, allerdings verlor ich die Balance und rutschte vom Ast.

Alles ging wahnsinnig schnell und erst der harte Boden der Realität brachte mich wieder zurück ins hier und jetzt.

Ich setzte mich auf und rieb mir den Hinterkopf. Mein Rücken schmerzte vom Aufprall, aber was ich sah, als ich mich aufsetzte verschlug mir die Sprache.

Darius hing vom Baum und hatte sich irgendwie so in dem Seil verheddert, dass er sich kurzerhand selbst erhängt hatte.

Trotz der Tatsache, dass ihm dieser Sturz das Genick gebrochen hatte, wusste ich, dass er nicht tot sein konnte.

Aber er war lange genug bewusstlos, damit ich ihn zum Henker schleifen könnte.

Kurzerhand durchtrennte ich das Seil und hievte ihn mir auf meine Schultern. Gerade heute war ich ohne mein Pferd unterwegs und konnte ihn den ganzen Weg nach Hause selber tragen.

Bitte lass ihn nicht aufwachen, betete ich, auch wenn es vielleicht nichts nutzte.

 

Kapitel 4 - Falsches Urteil

 

Es dauerte fast doppelt so lang, Darius zum Schloss zu tragen, als ich normal für den Heimweg brauchte. Die ganze Zeit über war ich angespannt, denn Darius hätte jeden Augenblick wieder aufwachen können und dann hätte er ein leichtes Spiel gehabt, denn gerade leicht war er nicht.

Dementsprechend erleichtert war ich, als das Tor in Sichtweite kam.

Rudolf und Friedrich, die beiden Wachen, die vor dem Tor standen, kamen mir entgegen.

„Nira, welchen Brocken hast du denn hier angeschleppt?“, meinte Rudolf amüsiert.

„Wieder ein Vampir, den wir dem Rat überbringen? Langsam steigt dir das alles über den Kopf. Das ist der Zehnte diesen Monat.“

Friedrich wollte zwar weiterreden, aber ich ließ ihn nicht. „Nimm mir diesen Klotz mal ab.“

Rudolf und Friedrich nahmen mir Darius ab und gingen mit mir hinein.

Die beiden waren meine besten Freunde und zusammen mit Maria stellten wir jeden Sonntag irgendetwas Dummes an. Beim letzten Mal hatte wir die Wäsche von Marias Cousine Felicita in den Fluss geworfen. Wir konnten sie noch nie leiden. Denn eigentlich waren sie uns Maria Adelige, aber Maria war die einzige in ihrer Familie, die am Boden geblieben und nicht mit hoch erhobenen Haupt durch die Stadt spaziert und Ärmere drangsaliert.

Rudolf und Friedrich waren so etwas wie meine Insider. Sie erzählten mir von jedem neun Verbrechen und wo ich wen finden konnte. Meistens half Maria mir beim Einfangen der Verbrecher.

Zusammen hielten wir das Gleichgewicht in unserem kleinen Dorf.

Den König kümmerte das recht wenig. Er ließ uns machen was wir wollten und das sorgte für einige Unruhen.

Ich scheuchte die beiden schneller weiter. „Wir müssen uns beeilen. Das hier ist kein Vampir, sondern ein Dämon. Der Typ da ist Darius.“

Beide beschleunigten ihre Schritte ohne einen Mucks. „Du hast den Seelenfänger gefangen? Nira, bist du jetzt schon vollkommen übergeschnappt?“, zischte Friedrich.

„Es war ein Zufall. Er hat mich angegriffen und ich habe mich nur gewehrt.“

Rudolf schüttelte den Kopf. „Das bringt dich noch um.“

Wir traten durch eine schwere Holztür und gingen hinunter in den Kerker im Kellergewölbe.

Ich liebte den kalten Geruch des Kellers. Er war mir inzwischen schon vertraut geworden, dieser moosig alte Geruch der Mauern.

Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Für diesen schönen, wenn auch kurzen Augenblick fühlte ich mich seltsamerweise irgendwie wohl.

„Erde an Nira. Wir haben hier noch einen Gefangenen zu verwahren“, bemerkte Rudolf unruhig.

„Jaja.“

Ich ließ die beiden vorgehen und behielt Darius im Auge.

Auf einmal veränderte sich die Stimmung und die Temperatur fiel um gefühlte sieben Grad. Als mein Blick auf Darius fiel, sah er mich aus rot glühenden Augen an.

Gerade als ich Rudolf und Friedrich warnen wollte, verdrehte er ihre Handgelenke und in einer gekonnten Bewegung, schlitzte er ihnen die Halsschlagadern mit meinem Silbermesser auf. (Ich wusste nicht wie er an mein Messer gekommen war)

Ich stürzte mich auf ihn, doch er schnappte mich, drückte mich gegen die Wand und grinste finster.

Fragend sah ich an. Tränen standen mir in den Augen, als ich auf Rudolf und Friedrich blickte, die mit durchtrennten Kehlen am Boden lagen, in einer Lache ihres eigenen Blutes.

„Oh, ist der kleine Halbdämon etwa traurig?“

„Ich schick dich zurück in die Hölle, und wenn es das Letzte ist was ich in meinem ganzen verfluchten Leben mache!“, zischte ich ihn wütend an.

„Du willst mich immer noch tot sehen? Gut, aber dich nehme ich mit mir!“

Als Darius mit einen Kuss aufzwang, war ich so perplex, dass ich wie erstarrt vor ihm stand. Im selben Moment betraten zwei weitere Wachen die Kerker und als sie Friedrich und Rudolf erblickten und dann uns, war für sie der Fall erledigt.

Sie zogen ihre Schwerter und Schilde. „Halt, im Namen des Königs! Ihr seid festgenommen!“

Darius ließ von mir ab, mit einem wissenden Grinsen auf dem Gesicht und zu meinem Erstaunen ließ er sich, ohne auch nur den geringsten Widerstand zu leisten, festnehmen.

Ich hingegen versuchte mich herauszureden, doch es nutzte nichts und so musste ich mich geschlagen geben.

 

Seite an Seite schritten wir hinaus auf den Hauptplatz zur Urteilsverkündung.

Es war ein fremdes Gefühl neben meinem Feind zu gehen und dabei zu wissen, dass er mir garantiert nichts antun würde.

Ich hatte schon oft, ja sogar sehr oft, einen meiner Gefangenen zur Urteilverkündung geführt und genau das war das seltsame daran, denn ich führte ihn nicht, sondern wurde mit ihm zum Hauptplatz geführt.

Man hatte uns die Hände hinter den Rücken gebunden und Fußfesseln angelegt. Wir schritten nebeneinander erhobenen Hauptes auf den Platz zu, wo wir von der Menge ausgebuht werden würden.

„Siehst du, ich habe dir gesagt, dass ich nicht alleine sterben werde“, flüsterte mir der Mann, der neben mir stand ins Ohr.

Seine rötlichen Haare fielen ihm ins Gesicht, als ihm die Wache einen Stoß gab. Er fauchte sie an und sie ließ von ihm ab. Ich jedoch wich keinen Schritt auf die Seite.

Oft schon wurde ich angefaucht und am Ende hatte der- oder diejenige ein Messer im Herzen stecken, oder gar keinen Kopf mehr.

„Vampirjäger, das ich nicht lache! Lässt sich mit dem Feind ein und führt uns an der Nase herum!“, beschwerte sich eine der Wachen.

„Ich habe mich überhaupt nicht auf ihn eingelassen!“, fauchte ich ihn an.

„Jaja, erzähl das deiner Oma, kleine Hure!“ Er verpasste mir einen Tritt in den Rücken und ich fiel zu Boden.

Die Wache drückte mir den Schuh ins Genick und bückte sich zu mir herunter. „Aber heute wirst du sowieso sterben, also kann mir das egal sein. Ich beneide nur den Typen der dich töten darf.“ Er lachte und stieß mir in gegen die Rippen. „Und jetzt steh auf du kleines Miststück! Wir wollen deinen Kopf rollen sehen!“

Der Typ dem ich das alles zu verdanken hatte lächelte mich siegessicher an und ging brav weiter.

Ich sprang auf und wollte ihn gerade beißen, als ich an einer Kette zurückgezogen wurde und wieder auf den Boden knallte. „Oh, bist du hingefallen?“, frotzelte er und ging weiter.

Während ich mich hochkämpfte stieg Wut in mir auf. „Ich bring dich um, Darius!“, schrie ich ihm nach und zog an meinen Ketten.

Vor einem Tor blieben wir beide stehen und warteten bis es aufging und uns die Wachen erneut einen Stoß gaben.

Ich kniff die Augen zusammen und musste mich erst an das grelle Tageslicht gewöhnen, bevor ich etwas erkennen konnte, aber die Buhrufe verrieten mir schon, dass ich auf einer Art Bühne stand.

„…und deshalb bin ich schwer enttäuscht von ihr. Ich verlese nun das Urteil über Nira Masters und Darius Federer.“

Ich wusste wer das Urteil vorlas und bemühte mich gleichgültig zu wirken, aber es war schwer nicht zu weinen, wenn der eigene Vater das Urteil verlas.

Seine Stimme blieb wie immer gelassen und strotzte nur so vor Macht. „Darius Federer, oder wie wir dich besser kennen: Der Seelenfänger, du wirst wegen Dreiundvierzig Ermordungen, dreißig Diebstählen und wegen Vergewaltigung zu der Todesstrafe verurteil. Nimmst du dieses Urteil an?“

Nicht dass er die Wahl hätte freizukommen, aber wir ließen den Gefangenen immer die Wahl eine Korrektur an den Taten zu machen.

„Ich bekenne mich schuldig für die Ermordungen und die Diebstähle, aber ich habe niemanden vergewaltigt.“ Ein dickes Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er sah mich an. „Das hat sie alles freiwillig getan“, sagte er ruhig.

Das war der Tropfen, der das Fass in mir zum Überlaufen brachte. „Ich habe mich nicht auf dich eingelassen! Weder freiwillig noch sonst irgendwie!“

„Schweig still!“, fuhr Vater mich verächtlich an. „Nira Masters, du wirst wegen Unruhestiftung und Verbrüderung mit dem Feind ebenfalls zu der Todesstrafe verurteilt. Möchtest du uns noch etwas mitteilen?“

Ich sah ihm in die Augen und musste die Tränen zurückhalten. Wenn der eigene Vater einem schon keinen Glauben schenkt, wie sollte man dann das ganze Dorf überzeugen?

„Ich weise jegliche Schuld von mir. Ich habe mich weder mit dem Feind verbrüdert, noch habe ich mit ihm geschlafen!“ Ich sah Darius wütend an und er lächelte.

Es musste für jeden erkenntlich sein, wie wütend ich war. Ich war für sie genauso ein Monster wie Darius, nur dass ich wenigstens keine Menschen umbrachte, wenn sie unschuldig waren.

Er hatte fast das halbe Dorf seiner Seelen beraubt und war mir durch Zufall in die Falle gegangen. Jeder der ihn jagte blieb erfolglos und jetzt wusste ich auch wieso. Darius Federer war wohl einer der gemeinsten und hinterhältigsten Dämonen, den niemand je gefasst hatte. Jeder war so klug und ließ ihn in Ruhe, denn er konnte überaus überzeugend sein, wie ich am eigenen Leib erfahren musste.

Und jetzt würde er mich mit in den Tod nehmen, das einzige was ihn daran störte war, dass er mich nicht selbst Töten konnte, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit.

„Hiermit verurteile ich euch zum Tode durch Enthauptung!“

„Mein Angebot steht noch. Es ist kein Pakt. Nur ein Bündnis auf Zeit“, flüsterte Darius mir nach.

Ein Bündnis auf Zeit? Wenn ich ihn selber umbringen würde, vielleicht hätte ich dann noch eine Chance meine Unschuld zu beweisen.

Vater führte mich zum Holzblock und stieß mit auf die Knie, sodass mein Hals auf das Holzbrett fiel.

Die Hände hinter dem Rücken gefesselt zu haben, war zwar ungewohnt, doch ich hätte nie im Leben damit gerechnet, einmal wie einer meiner Gefangengen zu enden. (Ok, vielleicht kam es mir ab und zu in den Sinn)

Mein Leben lief an meinem inneren Auge vorbei. Und da passierte es.

„Darius! Ich nehme an!“, schrie ich, als der Henker mit dem Schwert ausholte und es gerade auf mich herabsausen ließ.

Heute war wirklich der Tag des Unmöglichen. Erst Darius Gefangennahme, dann mein Urteil und jetzt ein Pakt mit IHM.

Ich kniff die Augen so fest zusammen, dass ich Sternchen sah, in der Erwartung, jeden Moment das kalte Metall auf meinem Hals zu spüren, doch es geschah nichts.

Langsam öffnete ich die Augen und mir wurde bewusst, dass ich nicht mehr auf der Tribüne kniete, sondern im weichen Gras kauerte.

Ich hob den Kopf und merkte dass ich nicht länger gefesselt war. Nachdem ich mich umgesehen und die Lage gesichert hatte, stand ich auf und suchte nach Anhaltspunkten, um herauszufinden, wo ich gerade gelandet war.

Ich war im Wald, das stand fest, aber an diesem Teil war ich noch nie gewesen.

Wo bin ich hier?

„Im Wald.“

Ich drehte mich sofort um und da stand Darius auch schon vor mir. Du kannst jetzt nicht wirklich meine Gedanken lesen, oder?

Doch! Und wenn ich will, kannst du meine auch lesen. Aber das sollte dir doch schon von unserer ersten Begegnung an klar gewesen sein.

Erst schüttelte ich den Kopf, dann wich ich erschrocken einen Schritt zurück. „Ja schon, aber wieso kann ich das nicht verhindern? Wieso kannst du das überhaupt?“

„Das ist unwichtig. Wir müssen allerdings den Pakt verstärken. Wenn du dich weigerst, werde ich dich unverzüglich wieder zu einem Vater schicken.“

Wie erstarrt stand ich da und schluckte schwer. „Was muss ich tun?“, fragte ich ruhig.

„Ein einfacher Blutaustausch, wäre am leichtesten zu durchtrennen.“

Mein Atem ging ruhig, als er einen Schritt auf mich zumachte und seine Fänge ausfuhr. Ich hielt ihm den Arm hin und wandte den Blick ab.

Ich spürte wie er seine Lippen auf mein Handgelenk legte und die richtige Stelle an der Schlagader suchte, allerdings war das einzige was ich mitbekam, die zwei kleinen Piker. Er machte zwei Züge bevor er die Wunde wieder schloss und sich selbst eine kleine Wunde am Handgelenk zufügte.

„Trink, dann hast du es hinter dir.“ Darius hielt mir sein Handgelenk hin und leckte angewidert das Blut davon ab. Es war widerlich und schmeckte nach Eisen, Kupfer und ein kleines bisschen nach Schwefel.

Ich verzog angewidert das Gesicht und zwang mich zum Schlucken. Während ich den letzten Schluck nahm und mir danach schleunigst das Blut von den Lippen wischte, sah ich ihn nicht an.

Ich hob den Kopf und das war das Letzte was ich von ihm sah, dann grinste er hinterlistig und verschwand in einer Rauchwolke.

Ich blieb allein auf der Lichtung stehen, mit nichts außer den Sachen, die ich am Leib trug. Ohne jeden Plan wie mein Leben jetzt weitergehen sollte.

 

Kapitel 5 - Gegenwart

7. Mai 2013

 

Die Rotorblätter des Hubschraubers rissen mich aus meinem schönen Traum.

Es war schon einige Zeit her, seit ich das letzte Mal von meiner Vergangenheit geträumt hatte, aber ich hatte allen Grund, wenn man so wollte.

Seit ich für das DHS arbeitete war mir die „Ehre“ zu teil geworden, meinen Erzfeind zu verfolgen. Das Kopfgeld, welches anfangs noch die Bedingung hatte, dass er Lebend gefangen wurde, war schnell auf „Tot oder Lebendig“ geändert worden. Vielleicht lag es daran, dass er mittlerweile fast alle neuen Rekruten auf dem Gewissen hatte.

Später wurde mir ein Spezialteam zugestellt, mit dem ich seither auf die Jagd ging, wann immer jemand Informationen zu Darius hatte.

Das Problem war nur, dass sie ihm bisher noch nie persönlich begegnet waren und der Meinung waren, dass ich übertrieb. Ich hoffte sie würden meine Warnungen im Kopf behalten, wenn wir ihm erst einmal gegenüberstanden.

Und dieses Mal war es wahrscheinlich so weit, Darius war aufgetaucht und wir verfolgten ihn. Eigentlich waren wir uns nicht sicher, es war ein anonymer Hinweis.

Ein Mann in schwarzer Montur mit weißen Streifen war über mich gebeugt und hielt irgendeine Art Beutel in der Hand.

„Sie kommt wieder zu Bewusstsein. Passt auf! Wer weiß in welcher Verfassung sie ist und an was sie sich noch erinnert.“

Ich verdrehte kaum merklich die Augen.

So war mein Team. Kannte mich in und auswendig, hatte aber immer noch Angst vor mir.

Ich hob den Arm und nahm die Sauerstoffmaske ab.

Drake, mein Stellvertreter, hielt meine Hand fest und sah mich eindringlich an. „Lass es. Du warst schwer verletzt und brauchst das jetzt.“ Er war mit einer Größe von 1,86 cm der Größte von uns allen und gut gebaut. Er sah aus wie ein richtiger Militärkommandant. Ok, alle in meinem Team sahen so aus. Durchtrainiert, groß und gefährlich.

Seine blauen Augen stachen durch sein dunkelbraunes, fast schwarzes Haar hervor, was ihm einen unglaublich attraktiven Touch verlieh.

Ich schüttelte seine Hand ab und setzte mich auf. „Sagt mal, Leute, wie oft muss habe ich euch schon gesagt, dass ich nicht sterben kann?“

„Boss, wir wissen es, aber du hast uns selbst gesagt, dass es jederzeit aus sein kann“, wendete Mason, der erste Offizier ein. Er ist der fürsorglichere unter meinen drei Kollegen. Rotblondes Haar und braune Augen. Mason schien ungefährlich und seine Sommersprossen ließen ihn unschuldig wirken, aber er ist genauso eine Tötungsmaschine wie wir anderen. Nur netter.

Ich ließ mich wieder zurückfallen. Er hatte recht. Wieso sollte ich mich wehren? Ich könnte jederzeit sterben. Aber ich tue es nicht. Ich habe es schon ausprobiert. Tausend und abertausende Male, aber ich wache immer wieder auf. Für die Menschen, die sich dann um mich kümmern ein riesengroßer Schock.

Mir fiel immer das Gesicht des Leichenbeschauers ein, als er gerade zum Schnitt ansetzte und ich die Augen aufschlug. Der arme hätte fast einen Herzinfarkt bekommen.

Dieses Spiel spiele ich schon seit lange. Nach hundert Jahren hatte ich aufgehört zu zählen.

„Nira, wir machen uns eben Sorgen um dich.“

„Hey, Fletscher, wir sind gleich da, noch ´nen letzten Wunsch? Einen Menschen? Ein Pferd? Größer?“ Jason.

Seit ich den Pakt mit Darius geschlossen habe hat sich in meinem Leben - und in meiner DNA - so einiges geändert.

Für Jason ist es dennoch schwer zu verdauen. In all den Jahren in denen wir nun schon zusammenarbeiten, hat er es so weit im Griff, dass er mich wie einen normalen Menschen behandelt, dennoch lässt er keine Gelegenheit aus, um mich in irgendeiner Weise als Monster zu bezeichnen.

Den Namen Fletscher hat er mir verpasst, als ich so wütend auf ihn war, dass ich die Zähne gefletscht habe und sich meine Eckzähne verlängerten. Nicht so wie bei Vampiren, sondern oben und unten.

Er hat dunkelblondes, kurzes Haar und grüne Augen. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass er der Weiberheld unter ihnen ist.

„Jungs, jetzt lasst ihr mal ein bisschen Freiraum und Zeit zum Erholen, bevor ihr sie mit euren Fragen durchlöchert.“ Joannes Stimme drang durch den Lärm des Rotors zu mir und heiterte meine Stimmung etwas auf. Sie war der Ruhepunkt in meinem Team.

Die schwarzen Locken kräuselten sich leicht und umrahmten ihr olivfarbenes Gesicht, sodass ihre smaragdfarbenen Augen zur Geltung kamen.

„Hey, Josie. Was ist passiert?“, fragte ich immer noch erschöpft.

„Du musstest unbedingt in ein einstürzendes Gebäude rennen, weil du angeblich etwas gesehen hast. Den Rest kannst du dir ja denken.“

Genau! Nicht irgendetwas, sondern jemanden!Darius“, hauchte ich.

„Er war da?!“ Drake drehte sich zu Jason um, der den Hubschrauber lenkte. Sie schenkten sich vielsagende Blicke und er drehte sich wieder zu mir um.

„Versprich mir, dass ihr da nicht ohne mich hingeht! Er ist stark und hinterlistig. Nicht umsonst haben wir ihn Schatten genannt. Glaubt ihr wirklich, dass ihr fünfeinhalbtausend Jahre Überlebenskunst so schnell ausschalten könnt?“

„Einen Versuch ist es allemal wert“, meinte Mason.

Ich griff nach seiner Hand und hielt sie fest. „Versprecht mir, dass ihr nichts gegen ihn unternehmen werdet! Nicht solange ich nicht wieder bei Kräften bin.“

Sie zögerten eine Weile, gaben aber schließlich doch nach. „Aber sieh zu, dass du schnell wieder gesund wirst.“

Ein lächeln huschte über meine Lippen und kurz darauf sank ich kraftlos auf der Trage zusammen und schwärze umhüllte mich.

 

Ich hatte keine Ahnung wie lange ich nun schon bewusstlos war, aber als ich mich aufsetzen und umsehen wollte, fühlte sich mein Kopf wie ein Presslufthammer an. Das stetige Pochen, das in meinen Ohren wiederhallte, war nicht nur nervig, sondern tat auch noch ungeheuer weh.

Mit schmerzerfülltem Gesichtsausdruck hielt ich mir die Hand auf die Schläfe und öffnete meine Augen. Ganz vorsichtig.

Und PENG! Ich hätte es nicht tun sollen, denn was ich sah, oder besser gesagt, was ich nicht sah, brachte mich völlig in Rage. Mein Team.

Ich lag allein und verlassen im Heli auf der Trage.

Verdammte Idioten! Was denken die? Meinten sie es sei einfach gegen Darius anzutreten?

Ich kämpfte mich hoch und schwang meine Beine über den Rand der Trage. Als ich aus dem kleinen Fenster an der Seitentür des Helis hinausschaute erstarrte ich. Die Augen weit aufgerissen sprang ich auf und stürzte mich gegen die Tür, die, wie gedacht, fest verschlossen war.

Draußen stand ein Haus. Oder das, was davon noch übrig war. Die eine Hälfte des Gebäudes war komplett eingestürzt und brannte lichterloh.

Als ich hinausblickte stockte mir der Atem. Mit aller Kraft drückte ich gegen die Tür und demolierte sie so sehr, dass sie schief weg hing.

Den Blick starr vor Schreck auf das oberste Stockwerk gerichtet, welches früher vielleicht der dritte Stock hätte sein sollen, rannte ich hinaus.

Es roch nach verbranntem Holz und Ziegelstaub. Der Himmel war fast grau vom ganzen Rauch, der brennenden Häuser.

Um mich herum herrschte Chaos. Es sah aus wie im Krieg. Nur dass hier keine Leichen lagen. Auch keine Autos. Es schien, als sei das hier eine Geisterstadt.

Dennoch stand dort oben eine Gestalt. Doch auch ohne mein gutes Sehvermögen konnte ich sie erkennen.

Darius.

Er stand dort oben und sein immer noch langes Haar wehte im Wind. Er hatte sich kein Stückchen verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Nur seine Kleidung hatte sich verändert. Schwarzes Hemd und schwarze Jeans waren das einzige, das ich erkennen konnte.

Als habe er nur darauf gewartet, dass ich aus meinem geschützten Versteck kam, erschien auf seinem Gesicht ein zufriedenes Grinsen.

„Nira!“, schrie er zu mir herunter, „Wie geht es dir? Tut dein Kopf noch weh?“, sagte er mit gespieltem Mitleid.

„Komm doch runter und überzeug dich selbst davon!“, gab ich zurück und knurrte.

Die Hände in die Hosentaschen seiner schwarzen Jean gesteckt, sah er mich an und warf dann einen Blick hinter sich. „Ich denke deine Freunde würden sich eher darauf freuen, dich hier oben zu sehen“, sagte er, mir wieder zugewandt.

Ich machte wütend einen Schritt nach vorne. „Hast du ihnen etwas getan?! Wenn ja, dann schwöre ich dir, ich bringe dich um! Und es wird kein schneller Tod sein!“ Drohend hob ich die Hand und biss die Zähne fest zusammen.

„Überzeug dich selbst, aber du solltest dich beeilen.“ Er drehte sich um und ging lässig davon.

Voller Sorge sprintete ich los.

Die Wand des Hauses war fast zur Gänze verbrannt, auch die Ziegel schienen nicht mehr lange zu halten. Ein Grund mehr, sie schleunigst hier heraus zu bringen, schoss es mir durch den Kopf.

Die lose Holztür auf die Seite schmetternd, rannte ich die noch halb vorhandene Treppe hinauf, durch einen Raum, der anscheinend einmal ein Kinderzimmer war.

Hoffentlich hat Darius diese Leute nicht auf dem Gewissen. Aber einem Dämon war alles zuzutrauen. Der würde selbst seine eigene Schwester verkaufen.

Als ich fast oben war, stürzte die Treppe ein und ich konnte mich gerade noch halten. Einen Sturz aus dieser Höhe würde ich zwar überleben, aber ich wäre für längere Zeit bewusstlos und um das Leben meiner Teammitglieder zu retten, brauchte ich jede Sekunde, die mir zur Verfügung stand.

Ich musste husten, als mir die dicke Staubwolke entgegenkam und versuchte dennoch weiter zu kommen.

Ich muss es schaffen! Bitte lieber Gott, ich weiß, dass ich als gebundene auch so eine Art Dämon bin, aber lass meine Teammitglieder nicht darunter leiden. Sie sind ehrliche Menschen, die versuchen den anderen zu retten und die Welt zu beschützen.

Mit einem großen Satz sprang ich über den Abgrund und rannte weiter.

Plötzlich drang mir der Geruch von Blut in die Nase und die Angst um mein Team stieg mit jedem Wimpernschlag. Tränen stiegen mir in die Augen und vernebelten meine Sicht.

Bitte lass es ihnen gut gehen! Bitte lass sie leben!

Als ich den Himmel sah beschleunigte ich meine Schritte noch mehr und stürzte aus dem Treppenhaus auf das Dach, bereit jeden der mir in die Quere kam zu töten.

Mit dem Stilett in der Hand stand ich in Angriffsposition da und sah mich hastig um.

Auf einem Steinhaufen, keine fünfzehn Schritte von mir entfernt, lagen vier Gestalten bewusstlos auf dem Boden.

Joannes Haar war Blutverkrustet und die Jungs sahen auch nicht viel besser aus. Aber sie lebten.

Ich wollte schon zu ihnen eilen, als ich am Rande meines Blickfeldes eine Bewegung wahrnahm. Ich wirbelte herum und duckte mich gerade noch rechtzeitig, sodass Darius Schlag über mich hinwegsauste.

Ich rollte mich ab und verpasste ihm einen Schlag gegen die Kniekehle, dem er nur knapp entkommen konnte.

„Uhhuhuhu, heute in Kampflaune, Niralein“, spottete er.

„Ich Sonne, du Schatten. Verschwinde oder ich mach dich Platt.“

Er legte den Kopf in den Nacken und fing lauthals an zu lachen. „Du willst mich Platt machen? Schon vergessen, dass deine Fähigkeiten bei mir absolut nichts ausrichten? Oder haben dir die letzten paar Jahrhunderte nichts beigebracht?“

„Das werden wir ja sehen!“ Ich wechselte in die Wolfsgestalt und sprang ihn zähnefletschend an. Allerdings hatte ich Darius´ Schnelligkeit unterschätz.

Er wich meinem Angriff gekonnt aus, packte meinen Hinterlauf, zwang mich in meine menschliche Gestalt zurück und nutzte meinen Schwung, um mich gegen die nächstbeste noch stehende Wand zu schleudern.

Mit einem dumpfen Knall schlug ich dagegen und schmeckte Blut. Mein Schädel fühlte sich an, als ob er gespalten wäre und ich wollte in diesem Moment nicht wissen, ob es vielleicht der Fall war.

Er schnalzte verächtlich mit der Zunge. „Nira, Nira, Nira“, tadelte er mich. Er ging vor mir in die Hocke und nahm mein Kinn in die Hand, womit er mich zwang ihm in die Augen zu sehen. „Wie ich sehe hast du das Gestaltwandeln schneller erlernt, als ich dachte. Dabei hast du doch noch so viele viel nützlichere Talente. Feuerbälle, Klauen, Kontrolle und unheimlich viele weitere Dinge. Ich dachte wir könnten hier ein ruhiges Gespräch führen.“

Ich spuckte das Blut aus, welches sich in meinem Mund gesammelt hatte und funkelte ihn an. „Dann solltest du beim nächsten Mal besser nicht sofort nach mir schlagen.“

Er beugte sich zu mir vor, sodass seine Nase die meine fast berührte. „Du solltest nicht mit einem Stilett herumfuchteln. Das ist keine Waffe für eine Frau.“

„Willst du jetzt ernsthaft mit mir über die Waffen einer Frau diskutieren? Ich kann dich auch mit einer Nagelfeile angreifen, wenn die das lieber ist.“

„Kleine, die einzigen Waffen einer Frau, die mich bezwingen können, hast du nicht.“ Er stand auf und drehte mir den Rücken zu. Er murmelte noch etwas, aber er flüsterte so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte, aber ich hätte schwören können, einen Funken Enttäuschung in seinem Gesicht entdecken zu können. Von einer Sekunde zur anderen löste er sich in Rauch auf und war weg.

Mehr oder weniger erleichtert ließ ich mich gegen die Wand sinken, als ich einen stechenden Schmerz im Unterleib spürte. Ich sah nach unten und hielt den Atem an.

Aus meinem Bauch stand ein gutes Stück Stahl heraus, welches aus der Wand herausschaute, an die ich geschleudert wurde.

Ich fühlte wie ich langsam das Bewusstsein verlor, doch zuerst musste ich mein Team in Sicherheit wissen.

Mühsam kramte ich das Handy aus meiner Hosentasche und wählte die Nummer der Zentrale.

„Guten Tag bei DHS, hier Sarah Jones, wie kann ich ihnen helfen?“, erklang die vertraute Stimme der Sekretärin.

„Sarah…ich brauche Hilfe“, presste ich mühsam hervor.

Sofort schlug die Stimmung am anderen Ende der Leitung um. „Oh mein Gott Nira! Bist du das? Was ist passiert? Wo seid ihr? Charles macht sich große Sorgen um euch!“

Ich sog schwer die Luft ein. „Ich weiß nicht wo wir sind.... Orte den Heli…mein Team…ist verletzt… Darius….ein Hinterhalt“, mehr konnte ich nicht sagen, da versagte meine Stimme und ich spuckte Blut.

„Nira, haltet durch! Wir haben einen Rettungstrupp losgeschickt! Er wird gleich da sein! Haltet durch!“

Ich legte auf und ließ kraftlos meine Hand zu Boden fallen.

Mein Blickfeld wurde langsam Schwarz, aber ich versuchte krampfhaft wach zu bleiben.

Plötzlich hörte ich in der Ferne das Geräusch von Rotorblättern.

Gut, sie kommen. Meinem Team geht es gut…jetzt ist es in Sicherheit.

Meine Augen fielen zu, ich ergab mich der Dunkelheit und verlor das Bewusstsein.

 

 

 

Kapitel 6 - Verzweifelt

 

Der Geruch von Desinfektionsmittel drang mir in die Nase und ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch meine Lider waren noch immer schwer und mein Kopf dröhnte.

Schon wieder.

Ich unterließ den Versuch mich aufzurichten und blieb gleich liegen.

Neben mir hörte ich eine Person herumfuhrwerken. Wahrscheinlich eine Krankenschwester, oder jemand aus dem DHS.

„Wie geht es meinem Team?“, fragte ich ohne mich zu bewegen.

Ich bin eben eine soziale Person, bevor ich mich nach meinem Zustand, der mir absolut nie zu schaffen machte, fragte, wollte ich lieber wissen, wie es meinem Team ging.

Die Person stellte sich neben mein Krankenbett und setzte sich dann auf einen Stuhl. „Nun, sie leben. Joanne hat eine Platzwunde. Mason eine ausgerenkte Schulter und zwei gebrochene Rippen. Jason hat eine Gehirnerschütterung und ist zurzeit noch bewusstlos.“

Als er anfing zu reden zuckte ich zusammen. Heute war definitiv nicht mein Tag. „Und jetzt sag mir was mit Drake ist, Darius.“

Er lachte kurz. „Dein Stellvertreter war drauf und dran mich mit einem Stahlrohr zu köpfen. Ich habe zwar keine Ahnung wie er das anstellen wollte, aber ich finde seinen Willen echt bewundernswert.“ Er zwinkerte mir zu. „Guten Fang hast du da.“

Es folgte eine Stille. „Da ist doch noch etwas.“

Er seufzte. „Da er nach der Aktion mit den Ziegelstein, den ich nach dir geworfen hatte, ziemlich sauer auf mich war, ist er in einen starken Adrenalinrausch gefallen. Ich konnte ihn nicht erwischen und musste ihm etwas Blut abzapfen.“

Ich riss die Augen auf und fuhr hoch. Hasserfüllt funkelte ich ihn an. „DU HAST WAS GETAN!“

„Hey, komm wieder runter. Es war nur ein Liter. Vielleicht auch etwas mehr“, murmelte er. Dann sah Darius tief in meine Augen und flüsterte: „Aber dein Blut trinke ich viel lieber.“

Die Schläfen reibend fing ich an zu knurren. „Wenn ich nicht in diesem Zustand wäre, würde ich dir den Arsch aufreißen, Darius.“

Er lehnte sich lächelnd zu mir nach vorn. „Ich muss sagen du heilst mit jedem Tag schneller. Du warst nur zwei Stunden Bewusstlos.“

„Du musst es ja wissen, schließlich werde ich von dir gestalkt und jeden Tag aufs Neue getötet. Sag mal, macht dir das eigentlich Spaß? Mich immer wieder aufs Neue zu töten?“

„Jeden Tag?“, er grinste schief, „sei nicht albern, du hast mich doch eben erst wiedergefunden“, sagte er zwinkernd.

„Denk bloß nicht, ich wüsste nicht, dass du hinter meinen letzten Aufträgen gesteckt hättest. Deine Präsenz ist unverkennbar und wir beide wissen, dass du einen Faible dafür hast, mich immer wieder aufs Neue zu töten.“

Darius legte seine Arme auf die Bettkante und stützte seinen Kopf darauf ab. „Hey, ich könnte mir auch etwas Schöneres vorstellen.“

Ich legte den Kopf schief und sah ihn fragend an. „Wo wir schon bei dem Thema sind. Was hast du auf dem Dach zum Schluss gemurmelt, als du sagtest, ich würde meine Waffen nicht bei dir benutzen?“

„Ich denke du weißt was ich damit gemeint hatte.“

„Willst du damit sagen, du…willst mit mir schlafen?“

„Naja, in Anbetracht der Umstände…ja“, er lächelte mich an.

Ich blinzelte ein paar Mal und hielt die Luft an. „Wehe du fast mich an.“

„Naja, ich denke Joanne würde…“, weiter kam er nicht.

Ich stürzte mich auf ihn und warf ihn zu Boden, wo ich rittlings auf ihm zu sitzen kam. „Wenn du sie auch nur einmal anfasst!“, knurrte ich ihn wütend an.

Er legte die Hände hinter den Kopf und sah mich siegessicher an. „Ich wüsste ziemlich viele Dinge, die wir in dieser Situation tun können und die uns beiden gefallen würden.“

Ich beugte mich über sein Gesicht, sodass meine Haare um ihn herum hingen. „Am liebsten würde ich dich umbringen.“

Jemand kam zu meinem Zimmer, das konnten wir beide hören.

Darius sah mich herausfordernd an, während die Tür geöffnet wurde und Drake mit einem Kopfverband hereinspaziert kam. Als er mich, in meiner misslichen Lage entdeckte, erstarrte er.

„Aber das kannst du nicht.“ Schneller als ich reagieren konnte, hauchte Darius mir einen Kuss auf die Lippen und verschwand.

„Nein!“, ich sah perplex auf den Boden. „Komm wieder zurück! Ich bin noch nicht fertig mit dir!“, schrie ich, während ich mit voller Kraft gegen dem Boden hämmerte.

Drake kam näher und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Hey. Komm schon.“ Er zog mich in seine Arme und stand mit mir auf. „Vergiss ihn. Er ist es nicht wert, außerdem haben wir zurzeit größere Probleme.“

Ich sah zu ihm auf und wischte mir die Tränen aus den Augen. „Wieso? Was ist los? Ist jemanden etwas passiert!?“

Drake schüttelte den Kopf. Er sah ziemlich blass aus. „Wir haben einen neuen Auftrag.“

Ich schnaufte missbilligt. „Wir haben gerade einen Hinterhalt überlebt“, ich sah ihn schief an, „Darüber müssen wir auch noch reden. Aber jetzt will ich wissen was sie uns jetzt schon wieder auf den Hals hetzen, beziehungsweise wen.“

„Nunja, der Boss will, dass wir seinen Sohn in unser Team aufnehmen.“ Er sah mich genervt an.

Ich erstarrte. „Doch nicht etwa Maximilian van Schnösel!“, keuchte ich geschockt.

Drake nickte nur. „Doch, genau den.“

Ich ließ mich aufs Bett fallen. „Der ist doch ein gefundenes Fressen für Darius!“ Entsetzen machte sich in meinen Knochen breit. „Der wird nicht einmal den ersten Einsatz überleben!“

„Die Befürchtung hege ich auch.“ Er legte sich neben mich hin und sah mich von der Seite an.

Maximilian Reaver war zwar der Sohn unseres sehr geschätzten Chefs und gut in der Führung eines Unternehmens, aber eine absolute Niete, wenn es um das Praktische ging.

Er konnte zwar logisch denken, was man von einem Mann Anfang dreißig auch erwarten konnte, aber das Anwenden war nicht gerade seine Stärke.

Waffen waren für ihn ein Instrument, um Leben auszulöschen und ein nützliches Spielzeug, wenn es um Schießwettbewerbe ging, aber mehr auch nicht.

Zum Teufel! Er wusste ja nicht einmal, dass es übernatürliche Wesen gab!

Jetzt versuch einmal einen Menschen, der absolut keine Ahnung von der Welt außerhalb des Vorstellbaren hat, in drei Tagen alles über die Welt des Übernatürlichen beizubringen. Beziehungsweise bring ihn dazu dir das alles auch noch zu glauben, ohne ihn mit der Praxis dieses Themas zu konfrontieren.

Wir hatten schon Leute, die durchgedreht sind, als Darius hinter ihnen in einer Rauchwolke aufgetaucht war und seine Dämonenfänge aufblitzen ließ, da wollte ich erst gar nicht wissen, was passierte, wenn sich seine ganzen Zähne in rasiermesserscharte Reißzähne verwandelten.

Womit wir wieder beim Thema Darius währen. Egal wann wir neue Rekruten bekamen, er fand immer einen Weg, auch noch die Willigsten von ihrem Vorhaben abzubringen, sich der Organisation auch nur wieder zu nähern.

„Und ich dachte jetzt kann es nicht mehr schlimmer werden“, meinte ich, die Arme in die Luft geworfen. Langsam drehte ich den Kopf zu Drake. „Wie geht es den anderen?“ Meine Miene wurde ausdruckslos. „Ich meine jetzt gerade. Darius hat mir erzählt was er mit euch gemacht hat.“

„Kannst du gehen?“, fragte Drake mich besorgt und sah mich mitfühlend an.

Ich nickte. „Doch, ich denke schon.“

Er setzte sich schwungvoll auf und rutsche vom Krankenbett. „Dann lass sie uns besuchen“, meinte er, mir die Hand hinhaltend.

Ich setzte mich auf und versuchte zu lächeln. „Danke.“

Er half mir hoch und stützte mich vorsichtshalber ab. „Du weißt aber schon, dass die anderen davon nie etwas erfahren dürfen“, sagte ich streng.

Drake sah mich fragend an. „Was meinst du?“

„Das Szenario, das du vorhin gesehen hast, als du bei der Tür hereingekommen bist. Die Sache mit Darius.“ Er nickte. „Denn wenn sie das erfahren würden, kann ich mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie ihn solange verfolgen bis entweder er, oder sie tot sind und das ist das Letzte, was ich im Moment gebrauchen kann.“

„Geht klar, Nira.“

 

Nachdem wir zwei Stockwerke nach oben gefahren waren, blieb Drake mit mir vor einer verschlossenen Eisentüre mit zwei Wachen davor stehen.

Er zeigte ihnen seinen Ausweis und sie öffneten nickend die Tür.

Als wir die zwei ein Stück hinter uns gelassen hatten und ich mir sicher sein konnte, dass sie uns nicht mehr hörten, wandte ich mich an Drake. „Warum ist das hier alles so…Abgeschottet?“

„Frag das deinen Meister, der musste sich unbedingt als unser Boss ausgeben und hier einbrechen.“

Schon als er Meister sage hatte ich ihm einen kräftigen Tritt verpasst und entsetzt angesehen, aber nun war ich doch ziemlich überrascht. Und das nicht weil Darius hier eingedrungen war.

Es war eher die Art wie er es getan hatte.

„Warum macht er nicht dieses Rauch-Puff-Ding und erscheint hier?“

Drake musste über meine Bemerkung schmunzeln. „Weil dieses „Rauch-Puff-Ding“ oder Teleportieren“, er zog das Wort in die Länge und sah mich an, als ob ich blöd wäre, „hier drinnen nicht funktioniert.“

Ich zog eine verwirrte Grimasse und Drake musste grinsen. „Hä? Wieso?“

„Die haben hier irgend so eine Technik entwickelt, die es übernatürlichen Wesen unmöglich macht hier einzudringen. Nur mit Erlaubnis der Wachen.“

„Das hört sich ja cool an.“

„In der Tat, aber wie du siehst, ist das Projekt noch nicht ausgereift.“

Als wir wieder vor einer Stahltür stehen blieben, verdrehte ich die Augen. „Drake, eine Frage hätte ich da noch. Ich will ja jetzt nicht überheblich oder so sein, aber warum haben alle außer mir solche Vorsichtsmaßnahmen als Schutz?“

Es folgte eine kurze Pause. „Weil du nicht sterben kannst, außer Darius erledigt das persönlich.“ Er ging stur durch die Tür und würdigte mich keines weiteren Blickes.

Ich packte seinen Arm und hielt ihn fest. „Was verschweigst du mir?“

Drake konnte mir nicht einmal in die Augen schauen, doch als er es tat, bemerkte ich, wie sich seine Augen langsam mit Tränen füllten.

Und plötzlich wusste ich was er mir nicht sagen konnte: Sie wollten, dass ich starb, beziehungsweise sie wollten es nicht verhindern.

Ich konnte es ihnen nicht einmal übel nehmen, schließlich hatte die Organisation nur noch Probleme, seit ich hier aufgetaucht war und andere in meine Schlacht zwischen Darius und mir hineinzog. Nicht selten starben dabei auch einige.

Den Blick gesenkt biss ich mir auf die Unterlippe und versuchte das Gefühl, des Verrats und die Tränen zu unterdrücken. „Ich verstehe“, meinte ich nur mit leiser Stimme.

„Nira, ich…“, fing er an, doch als ich abwinkte verstand er und verstummte.

Vor einer weiteren Tür, diesmal einer ganz normalen, blieb ich stehen. „Sag mir nur wie lange schon.“

Er schluckte schwer. „Seit ungefähr sechs Monaten.“

„Deswegen bekommen wir keine neuen Rekruten mehr. Und wahrscheinlich soll ich Maximilian als meinen Nachfolger ausbilden.“

Drake schüttelte den Kopf. „Nein. Nicht als deinen, sondern als meinen.“

„Oh. Ist sowieso besser, du wirst es und nicht dieser komische Schnösel.“

Drake blieb stehen und warf mir einen besorgten Blick zu. „Nira, bitte sei mir nicht böse. Ich weiß, ich hätte dir davon erzählen sollen, aber ich wollte dir nicht weh tun.“

Tränen stiegen mir in die Augen, als ich Drake stürmisch umarmte. „Ich verstehe dich und die Tatsache, warum du es nicht getan hast. Du musst dich nicht bei mir entschuldigen.“

Drake erwiderte meine Umarmung. „Danke“, hauchte er.

Wir blieben einen kurzen Moment so stehen und hielten uns einfach nur in den Armen. Ein merkwürdiges Gefühl.

Er ließ mich los und legte eine Hand an die Türklinke. Fragend sah mich an. „Bereit?“ Ich nickte und er öffnete die Tür.

Als ich eintrat drehte sich zwei Köpfe in meine Richtung und schenkten mir ein überglückliches Lächeln. In Joannes Augen konnte ich sogar Tränen erkennen.

„Gott sei Dank, es geht dir gut!“, flüsterte sie.

Ich konnte nur nicken, denn mein Hals war wie zugeschnürt.

Joanne lag mit einem Kopfverband im Krankenbett und Mason hatte einen Verband um Arm und Hüfte. Doch von allen tat mir Jason am meisten Leid.

Er lag, an ein Beatmungsgerät geschlossen, im Bett und rührte sich nicht.

Beide bemerkten meinen Blick, doch Mason sagte als erster etwas, denn Joanne schien es wie mir zu gehen. „Die Ärzte beschrieben seinen Zustand als Kritisch. Er hat ziemlich viel abgekriegt und innere Blutungen.“

Als selbst Mason Tränen in die Augen stiegen wurde mir das Ausmaß seiner Schäden bewusst. „Wird er es schaffen?“, fragte ich zögerlich.

Mason schloss die Augen und Tränen rannen seine Wangen hinunter. Es dauerte einen Moment bis er sich wieder gefangen hatte. „Die Ärzte geben ihm keine Chance. Sie meinen er hätte zu viele innere Verletzungen, als dass er sich wieder erholen wird.“

Langsam ging ich auf Jasons Bett zu und setzte mich neben ihn. Mit einer Hand fuhr ich durch sein dunkelblondes Haar und wischte mir eine Träne aus dem Gesicht.

„Was hat Darius mit ihm gemacht?“

„Du solltest dich besser fragen was er NICHT gemacht hat!“, in seiner Stimme war nichts als Zorn zu erkennen. „Er hat ihn nach Strich und Faden verprügelt. Seine Organe sind allesamt beschädigt und er hat vielleicht noch einen Tag zu leben! Diese verdammte Hurensohn hätte ihn auch auf der Stelle töten können, dann würde er wenigstens nicht leiden!“

„SAG SO ETWAS NICHT!“, fuhr ich ihn an. „Es gibt eine Möglichkeit ihn zu heilen!“

„Ach ja? Und welche wäre das? Ihn in einen Vampir zu verwandeln? Oder gar in einen Dämon, wie dich?“, spie er. In diesem Moment hätte sein Blick töten können. „Denkst du das würde er gutheißen? Er würde sich selbst umbringen, wenn du das tun würdest!“, schrie Mason mich an.

„Mason!“, wandte Joanne flehend ein.

„NEIN!“, brachte er sie zum Schweigen. „DU KANNST IHM NICHT HELFEN!“

„Versucht du allen Ernstes mir das Ganze jetzt in die Schuhe zu schieben?“, fragte ich bedrohlich ruhig. „Denn wenn ich mich recht entsinne, habe ich es euch verboten einen Kampf mit ihm anzufangen!“

„DU…“, begann Mason, doch Drake trat zwischen uns und brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.

„Wir haben es uns selbst zuzuschreiben. Nira HAT uns gewarnt, aber wir haben sie ignoriert, weil wir sie rächen wollten.“ Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu und ich nickte, die Arme um mich geschlungen. „Wir haben eine Grenze überschritten, weil es uns reichte. Aber wir hatten ja auch noch nie wirklich gegen Darius Auge um Auge gegenüberstehen müssen.“ Er senkte betrübt den Blick. „Nun müssen wir den Preis für unsere törichte Tat bezahlen.“

„Wir hätten wissen müssen war uns ein Dämon alles antun kann, dennoch sind wir gegen ihn in den Kampf gezogen. Daran können wir Nira nun wirklich nicht die Schuld geben“, meinte Joanne, an Mason gewandt.

Dieser sah mich mit zusammengepressten Lippen an. „Sorry Boss. Ich wollte nicht…“, fing er an, „Das war dumm von mir.“

„Schon gut. Wir hatten alle einen schweren Tag hinter uns.“

„Hör zu, Nira, ich weiß wir…“, fing Joanne an, doch ich brachte sie mit einer Geste zum Schweigen.

„Es war dennoch absolut inakzeptabel, was ihr da getan habt. Ihr hättet alle tot sein können!“ Mir traten Tränen in die Augen. „Was hätte ich machen sollen, wenn ihr jetzt tot wärt? Schon einmal daran gedacht?!“

„Boss, wir…“

„Spar die dein Boss. Darius hätte euch umbringen können! Denkt ihr ich würde euch so einer Gefahr aussetzten?! Denkt ihr, ich setzte euch dem einzigen Wesen, vor dem ich selber Angst habe zum Fraß vor?!“

„Du hast Angst vor Darius?“, frage Mason mich.

Ich nickte kaum merkbar. „Wegen ihm bin ich seit Ewigkeiten am Leben. Nur er ist in der Lage mich umzubringen, schon vergessen? Er könnte jederzeit auf die Idee kommen mich auszulöschen. Vielleicht bin ich gerade dann richtig glücklich.“

Mason bedachte Drake neben mir mit einem mitleidigen Blick.

Ich wusste sofort auf was er hinauswollte. „Ja, deswegen habe ich keine Beziehung. Ich will nicht, dass jemand wegen mir leidet.“ Mein Blick fiel auf Jason. „Aber anscheinend habe ich versagt.“ Kapitel 7

Bleib bei mir

 

„Wie lange?“, fragte ich den Arzt nachdem ich mit Drake das Spitalzimmer verlassen hatte.

Der Arzt blinzelte. „Wie meinen ?“

Den Blick durch das Fenster des Zimmers blickend, verschränkte die Arme vor der Brust und kaute nervös auf meiner Unterlippe herum. „Wie lange geben sie ihm noch?“

Der Arzt folgte meinem Blick und schaute dann auf sein Klemmbrett, welches er in den Händen hielt. Er blätterte es durch und sah schlussendlich wieder durch das Fenster.

Seine Miene war unschlüssig und drückte mir sein Mitgefühl aus.

Anscheinend war er auch der Ansicht, dass Jason nie wieder aufwachen würde. Wie konnte er auch anders denken?

Jasons Organe waren praktisch Matsch, es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte.

Dennoch, einen Jason, der nur so vor sich hinvegetierte? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Er war ein lebenslustiger junger Mann, der nie daran gedacht hätte, dass er jemals so enden würde.

Der Arzt wandte sich wieder zu mir und sah mich betrübt an. „Ich will ehrlich sein, ich möchte Ihnen keine falschen Hoffnungen machen, es steht im Moment sehr schlecht um Ihren Freund. Ganz ehrlich, ich wundere mich, dass er überhaupt noch lebt. Solch ein Fall ist mir in meiner Zeit als Chefarzt noch nie untergekommen.“ Er lachte kurz. „Na gut, ich habe auch noch nie mit dem DHS zu tun gehabt. Bei euch passiert so etwas sicher des Öfteren.“

Ich schniefte und wischte mir die Tränen aus den Augen. Als ich versuchte etwas zu sagen, versagte meine Stimme und ich schloss den Mund wieder.

Der Chefarzt, Dr. Brian hieß er, klopfte mir aufmunternd auf die Schultern. „Wir werden sehen was wir tun können. Die Technologie ist heutzutage schon so weit fortgeschritten, dass es vielleicht eine Möglichkeit gibt ihm zu helfen. Aber…“, er stutzte.

Ich sah ihn mit fragender Miene ins Gesicht. „Was aber? Gibt es eine Möglichkeit ihn zu retten?“ Ich klammerte mich an Strohhalme.

Er legte nachdenklich den Finger an sein Kinn. „Nunja. Eben nur vielleicht.“ Sein Blick glitt zu Jason hinter der Glasscheibe. „Sie sind doch an einen Dämon gebunden, oder?“

Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu, in dem auch ein wenig Irritation lag. „Wieso?“, fragte ich argwöhnisch und ignorierte die Tatsache, dass er von meinem Bund wusste.

Er hob beschwichtigend die Hände. „Oh! Nein, nein! Ich wollte Sie nicht verärgern, aber ich dachte nur“, er ließ die Hände wieder sinken, „wenn er Ihnen Unsterblichkeit verleihen kann, dann kann er Ihnen vielleicht auch helfen Ihren Freund zu heilen.“

Ich schnaufte. „Ja klar. Sie sollten nur wissen, dass wie diesem Dämon das Ganze hier verdanken.“

„Sie meinen…ER war daran schuld, dass Ihr Freund zusammengeschlagen wurde?“, fragte er ungläubig.

„ER war es der ihn zusammengeschlagen hat!“, meinte ich entrüstet.

Ja, ich wusste, dass der Arzt nichts dafür konnte, aber es regte mich auf, dass Darius vielleicht die einzige Chance war, die Jason das Leben rettete.

„Hmmm…Das war mir nicht bewusst, tut mir leid.“

Ich winkte ab. „Es ist nicht ihre Schuld, sie haben damit nichts zu tun. Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte sie nicht so anfahren dürfen, ich bin nur im Moment so unglaublich wütend.“

„Ich verstehe das vollkommen. Sie müssen sich nicht entschuldigen. Ich denke ich hätte genauso reagiert, wenn ich in ihrer Situation wäre.“ Er wandte sich zum Gehen, hielt jedoch einen Moment inne. „Aber sie könnten es dennoch probieren. Mehr als ablehnen wird er wohl nicht.“

Ich nickte Geistesabwesend, während Dr. Brian im Flur verschwand.

„So sehr ich es auch verneine, dass du dich mit Darius triffst, denke ich, dass es einen Versuch wert wäre“, ertönte eine Stimme hinter mir.

Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu erkennen, dass es sich um Drake handelte. „Zu meiner Verärgerung muss ich dir zustimmen.“

„Heißt das, wir werden uns mit ihm treffen?“

Kopfschüttelnd drehte ich mich zu ihm um. „Nicht wir. Ich.

Drake starrte mich vollkommen perplex an. „Du wirst dich auf keinen Fall alleine mit ihm treffen! Das ist reiner Selbstmord!“

„Drake, jede absichtlich herbeigeführte Begegnung mit Darius ist Selbstmord. Ich denke, dass ich sogar eine höhere Überlebenschance habe als du.“

„Nira, bloß weil du mein Boss bist, heißt das noch lange nicht, dass ich alles tue was du sagst.“ Er sah mich besorgt an.

„Nun, doch genau das ist meine Aufgabe: Das Leben meiner Teamkollegen zu schützen. Und zwar um jeden Preis.“

„Aber…“

„Nichts aber!“, brachte ich ihn zum Schweigen. „Genau das wird auch deine Aufgabe sein, sobald du meinen Platz eingenommen hast.“

Er legte mir die Hände auf die Schultern. „Nira, wir werden das schaffen. GEMEINSAM.“

Abweisend schüttelte ich den Kopf. „Nein, diesmal muss ich das alleine regeln.“

„Ich will aber nicht, dass du alleine gehst.“

„Gewöhn dich daran. Ich bin dein Boss und du hast dich meinen Befehlen unterzuordnen. Außerdem, findest du nicht, dass deine egoistische Entscheidung unserem Team schon genug Ärger bereitet? Denn wenn ihr auf mich gehört hättet, wäre das alles nicht passiert und ich wette, dass du ihre Meinung, mich zu rächen unterstützt hast.“ Ich wartete nicht auf seine Antwort, sondern drehte mich einfach um und ging. Es zerriss mir das Herz, Drake dort alleine stehen zu lassen, nachdem was ich ihm an den Kopf geworfen hatte. Aber er würde mich sonst nicht gehen lassen.

 

Ich rannte förmlich aus dem Krankenhaus und in mein Auto, denn niemand sollte sehen, wie sehr ich litt. Meine Augen waren sicher schon rot geweint.

Dass Jason vielleicht nie wieder aufwachen wird, das konnte ich mir nicht vorstellen. Seine Begeisterung am Leben war grenzenlos. In jeder Aussichtslosen Situation hatte er einen Spruch auf Lager, der uns immer wieder zum Schmunzeln brachte.

Und jetzt sollte er sterben? Das ging nicht.

Ich hatte so viel auf mich genommen, hatte Beziehungen vermieden, Freunde und Familie verlassen, damit niemanden etwas geschieht. Sollte das ganze umsonst gewesen sein? Ein Streich von Darius, um mir das Leben noch ein wenig zu vermiesen?

Mit zittrigen Fingern steckte ich den Schlüssel ein und startete den Motor. Ich fuhr geschickt aus dem Parkplatz und fuhr durch die Straßen.

Ich wollte nur so schnell wie möglich raus, aus dieser verdammten Stadt. Weg von dem Krankenhaus und irgendwohin wo ich allein war, oder Darius finden konnte.

Es gab nur einen Platz, an dem ich beides erwartete.

Ich fuhr mit meinem Geländewagen über die Feldwege und das nicht gerade langsam. Mit viel zu hoher Geschwindigkeit raste ich über den unebenen Weg, hin zu einer Burg, in der ich schon seit sehr langer Zeit nicht mehr war.

Der Anfang meines Leidenswegs.

Die Burg in der ich eigentlich hätte sterben sollen. Wenn Darius nicht gewesen wäre.

Der Wagen ratterte den Hügel hinauf und kam mit quietschenden Reifen vor einem riesigen Holztor zum Stehen.

Ich zog die Handbremse an, stieg aus, knallte die Tür zu und ging durch das Tor. Den Wagen musste ich nicht absperren, da im Umkreis von dreißig Kilometern keine Menschenseele war.

Ich betrat den Burghof und blieb stehen. „DARIUS! Ich weiß, dass du da bist! Komm sofort her ich muss mit dir reden!“

Es passierte nichts. War ich am Ende die ganze Strecke umsonst gefahren? Aber er musste hier sein!

Verzweifelt trat ich von einem Fuß auf den anderen und wischte mir die Tränen aus den Augen. Mit gesenktem Blick kaute ich auf meiner Unterlippe.

Darius, ich weiß dass du mich hören kannst. Komm her ich muss dringend mit dir Reden!

Wie schön, ich dachte schon ich müsste dich wieder besuchen kommen.

Als ich seine Stimme in meinem Kopf hörte, wurde mir erst das Ausmaß meiner Tat bewusst. Ich stand mutterseelenallein in einem Burghof, in dem mich keiner im Umkreis von fünfzehn Kilometern hören konnte. Allein mit einem Dämon, der stärker war, als alles was ich kannte.

Die hohen Burgtürme, die in die Burgmauer eingebaut waren, jagten mir ein wenig Angst ein. Dennoch dachte ich nicht, dass er mich töten würde, er hatte seine Chance heute schon.

Ich sah mich um und versuchte Darius ausfindig zu machen, doch er war nirgends zu sehen.

Die Sonne ging langsam unter und der Himmel wurde orange und verlief bis er irgendwo am Ende des Horizonts dunkelblau wurde.

Eine kalte Brise wehte mir um das Ende meines Mantels und ließ mir eine Gänsehaut über den Rücken jagen, der sich bis hinauf zu meinem Genick zog.

Was ist los? Ist dir kalt?, frotzelte die Stimme.

Nein! Ich zittere vor Wut!, gab ich sarkastisch zurück.

Natürlich war mir kalt. Es war Anfang Herbst und ich hatte nur einen Mantel und darunter ein T-Shirt an.

Die kühle Abendluft blies durch die leerstehende Burgruine und erzeugte ein unheimliches Pfeifen.

Plötzlich schien es noch einmal so dunkel und ich wippte unruhig auf den Fußballen hin und her. Meine Finger verkrampften sich und meine Knöchel traten weiß hervor.

Die Stimmung änderte sich drastisch, als ich hinter mir schritte hörte.

Ich wirbelte herum und erstarrte, als mich aus dem dunklen Turm zwei rote Augen ansahen.

Erschrocken wich ich einen Schritt zurück, woraufhin ich ausgelacht wurde.

Die Augen näherten sich mir. Als die Person ins verblassende Licht trat, erkannte ich Darius, der mich höhnisch angrinste.

Ich straffte die Schultern und stellte mich selbstbewusst hin.

Darius verzog abwertend das Gesicht und schnitt eine Grimasse. „Ach komm, lass das. Ich habe doch gesehen, wie du dich fast angeschissen hättest.“ Er schnaufte verächtlich. „Weißt du, ich finde es wirklich schlimm, dass aus der, vor Selbstbewusstsein strotzenden, jungen Frau, ein kleines graues Mäuschen geworden ist. Früher hast du alles und jeden, der dir nicht in den Kram passte, aus dem Weg geräumt“, er zuckte mit den Schultern und hob die Schultern, „und jetzt zuckst du bei jedem noch so kleinen Geräusch zusammen.“

Ich wollte etwas sagen, doch mir fiel nichts ein, denn auf einmal wurde ich mir seiner Worte bewusst und erkannte seine genaue Beschreibung über mich.

In den letzten Jahren hatte ich mich wirklich stark verändert. Seit ich die Verantwortung für mein eigenes Team trug.

Unbewusst senkte ich den Kopf.

Als sich plötzlich zwei Finger unter mein Kinn legten und es nach oben drückte, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.

Darius sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was ist los, Nira?“ Er redete auf einmal mit mir, wie mit einer engen Freundin, nicht wie mit jemanden den man aus einer Laune heraus an sich gebunden hatte.

Sofort wich ich zurück und funkelte ihn an. „Fass mich nicht an!“, fauchte ich.

Langsam zog er seine Hand zurück und schob sie, wie seine Rechte, in die Tasche seiner schwarzen Jeans. „Da ich ungefähr weiß, warum du so sauer auf mich bist, frage ich jetzt mal ganz ungeniert: Warum bist du sauer auf mich.“

Am liebsten hätte ich ihm sein dämliches Grinsen aus der Fresse geschlagen. Doch ich war viel zu schwach, um gegen ihn auch nur den Hauch einer Chance zu haben, also schluckte ich meine Wut hinunter.

„Ich muss mit dir reden.“

Er nickte. „Das sagtest du schon.“

Schnaufend drehte ich mich um und ging ein paar Schritte nach vorne. „Eingebildeter Holzkopf“, flucht ich leise.

„He, man soll seinem Freund nie den Rücken kehren“, kam es hinter mir und einen Augenblick später wurde ich mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt und Darius hielt mich mit einer Hand an der Kehle fest. „Je länger du zögerst, desto höher stehen die Chancen, dass sie Jasons Instrumente abschalten.“ Er löste sich von mir und sah mich abwartend an.

Ich griff mir an die Kehle und sah auf den Boden. „Ich will jetzt nicht mit dir herumdiskutieren, also komm ich gleich zur Sache: Hilf Jason!“

Darius fing an zu Grinsen. „Ja, das dachte ich mir schon.“

Ich sah ihn erwartend an. „UND?“

„Nein.“

„WAS?! Wieso?“, fragte ich fassungslos.

Kurz bevor er sich in Rauch auflöste, packte ich ihn am Arm und verschwand mit ihm.

 

Kapitel 8 - Was soll das Ganze?

 

Als ich mich mit Darius manifestierte, wurde mir speiübel.

Alles drehte sich und ich fühlte mich wie auf einem Schiff. Die Bäume fingen an sich im Kreis zu drehen und das Wasser verschwamm in alle Richtungen.

Ich konnte mich nicht länger aufrecht halten und fiel auf die Knie. Die Hände in das weiche Gras gekrallt hockte ich auf allen vieren da und wartete darauf, dass meine Sicht wieder normal wurde.

„Verdammt!“, hörte ich Darius hinter mir fluchen.

Plötzlich begann mein Schädel dumpf zu pochen und ich ließ mich fallen, die Finger nun in mein Haar gekrallt.

„Nira!“, hörte ich eine Stimme von weit weg.

Als mich jemand berührte, schien mein Kopf zu explodieren und ich bäumte mich vor Schmerzen auf.

„MACH, DASS DAS AUFHÖRT! BITTE! ES SOLL AUFHÖREN!“, flehte ich.

Mein Körper schüttelte sich Krampfartig und meine Atmung geriet ins Stocken.

Der stechende Schmerz in meinem Kopf wurde schlimmer und ich konnte nichts mehr wahrnehmen. Unfähig mir selbst zu helfen rollte ich mich am Boden zusammen und biss die Zähne zusammen.

Mir wurde etwas an den Mund gedrückt, doch all meine Sinne waren mit den Schmerzen beschäftigt und ich bekam nicht mit was es war.

Eine Flüssigkeit ergoss sich in meinen Mund und lief meine Kehle hinab, als ich jäh spürte wie der Schmerz weniger wurde.

Blindlings begann ich das Zeug zu schlucken und je mehr ich zu mir nahm, umso dumpfer wurde der Schmerz, bis er schließlich ganz abklang und ich aufhörte zu schlucken.

Langsam öffnete ich die Augen und konnte kaum glauben was ich sah.

Darius Gesicht über meinem, seine Hand an meinem Mund und ich auf seinem Schoß.

Ich war so verwirrt, von dem was gerade passiert und dem was vorhin geschehen war, dass ich mich nicht bewegen konnte.

Langsam nahm Darius seine Hand von meinem Mund und ich sah zu, wie sich die Wunde langsam schloss, zu einem weißen Strich verblasste und schließlich nicht mehr zu sehen war.

„Ernsthaft Nira, ich habe dich eigentlich für klüger gehalten.“ Er schnaufte vergnügt. „Eigentlich dachte ich du stehst nicht so auf Selbstmord, aber du warst ja schon immer für eine Überraschung gut.“

In Windeseile war ich schon wieder auf den Füßen und sah Darius argwöhnisch an. „Was hast du mit mir gemacht! Wieso sollte ich Selbstmord begehen, wenn ich dich tot sehen will und WO ZU HÖLLE SIND WIR?!“

Darius legte einen Arm auf sein Knie und sah mich amüsiert an. „Das sind ziemlich viele Fragen auf einmal, Miss Masters.“

Ich zuckte zusammen, als er meinen alten Familiennamen sagte. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass er schon längst in Vergessenheit geraten war, aber dem schien nun doch nicht so.

Ich straffte die Schultern und stellte ich gerade hin. „Ich habe diesen Namen abgelegt, nur so zu deiner Information. Jetzt heiße ich…“

„Johnson, Valentin, Redhood, Summers“, begann er aufzuzählen.

„Es reicht!“

Darius sah mich abwartend an. „Denkst du denn ernsthaft, du könntest deine Vergangenheit so einfach auslöschen?“, er schnalzte mit der Zunge, „so leicht geht das nicht.“

Meine Finger verkrampften sich. „Du hast recht.“ Ich schloss die Augen. „Zuerst muss ich dich loswerden“, langsam öffnete ich die Augen und sah Darius entschlossen an.

Er zog die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nira, hatten wir das Ganze nicht schon einmal?“, fragte er gedehnt.

Schneller als er erahnen konnte, verwandelte ich mich in meine vertraute Wolfsgestalt, stieß mich mit den Hinterläufen ab und riss Darius zu Boden.

Doch Darius lebte nicht umsonst schon seit sehr langer Zeit. Er stemmte seine Füße gegen meinen Bauch, während ich versuchte ihm meine Reißzähne in die Kehle zu jagen, und schleuderte mich von ihm.

Ich stieß gepresst die Luft aus, als ich über einen großen Felsen und direkt ins kalte Nass flog.

Wasser drang mir in die Nase und ich konnte mit Pfoten nicht so gut auftauchen, also blieb mir nichts anderes übrig, als wieder zum Mensch zu werden und nach oben zu schwimmen.

Als mein Kopf an die Wasseroberfläche gelangte, holte ich augenblicklich Luft und riss die Augen auf.

Meine braunen Haare, die ich zuvor zu einem Zopf gebunden hatte, hatten sich aus dem Zopf gelöst und hingen mir in Strähnen über mein Gesicht.

Noch etwas perplex von der ungewollten Abkühlung strich ich mir die Strähnen hinter die Ohren und hörte Darius lachen.

„Was sehe ich denn da? Ist das nicht das Monster von Loch Ness? O mein Gott, ich muss ein Foto machen und es an die Zeitung schicken“, schrie er und lachte schallend.

„DARIUS!“, zischte ich als ob es Fluch wäre. Ich öffnete die Augen und sah Darius auf dem Stein sitzen, über den er mich geworfen hatte. Zu meiner Verwunderung war dieser nicht einmal so klein.

„Kommt er dir bekannt vor?“, fragte Darius überheblich. Erst als er das sagte, wurde mir bewusst, dass mit dieser Felsen wirklich ziemlich bekannt vorkam.

Ich ruderte mit den Armen herum, sodass sich mein Körper im Wasser drehte und ich mir ein Bild von der Stelle machte, an der ich mich gerade befand.

„Moment“, mir blieb der Mund offen stehen, „ist das…“

„Der Ort an dem du mir das erste Mal begegnet bist“, vollendete er meinen Satz.

Für einen endlos langen Augenblick hielt ich die Luft an. Wenn das hier wirklich der „See der tausend Tränen“ war, dann war meine alte Heimat nicht mehr weit.

Schnell schaute ich mich um, aber nirgends war das Ufer flach genug, als dass ich hier alleine wieder herausgekommen wäre.

Dennoch schwamm ich zu einer Stelle, von der ich glaubte sie sei flach genug, nur um enttäuscht zu werden.

Die Uferwand war so glitschig, dass ich sofort wieder ausrutschte und zurück ins Wasser fiel.

Immer und immer wieder versuchte ich es, wobei ich die ganze Zeit von Darius beobachtet wurde. Zu meiner Überraschung sah er mich ernst an und lachte nicht ein einziges Mal.

Endlich konnte ich meine Finger in den aufgeweichten Boden graben und mich ein Stück hochziehen. Stück für Stück, immer ein bisschen höher.

Ich biss die Zähne zusammen und alle meine Muskeln spannten sich an.

Gleich habe ich es geschafft! Nur noch ein Stückchen!

Fast wäre ich so weit oben gewesen, doch dann gab der Boden nach und ich rutschte wieder ab.

Ich holte Luft und machte mich darauf gefasst wieder ins Wasser zu stürzen, doch da ergriff er mein Handgelenk und zog mich hoch.

Völlig durchnässt und kraftlos kam ich zum Stehen und holte Luft. „Das hätte ich auch alleine geschafft.“

„Ja genau. Das habe ich gesehen.“

Ich stütze meine Hände auf die Oberschenkel. „Du bringst mir doch sowieso nur Unglück.“

Plötzlich fiel es mir ein und ich richtete mich auf. „Moment. ICH bin dir zum ersten Mal begegnet? Ich habe dich doch am Marktplatz, in diesem düsteren Viertel das erste Mal getroffen! Hast du mir etwas nachgestellt?!“

Er zuckte mit den Schultern. „Was denkst du denn?“

„Und warum zum Teufel hast du mich geküsst?! Das war doch echt nicht notwendig!“

„DAS wirst du vielleicht später erfahren“, meinte er und zwinkerte mir zu.

Ich stampfte mit dem Fuß auf und knurrte. „Jetzt beantworte doch endlich meine Frage! Ich …“, ich sank zu Boden, „Will nicht mehr.“

„Ich fall nicht auf die Mitleidstour herein.“

„MITLEIDSTOUR? Du bist die einzige Chance, die mein Teammitglied hat, um zu überleben und willst mir nicht helfen!“

„Was erwartest du von mir? Ich bin ein Dämon, kein Engel. Außerdem ist er sowieso nicht das, was er vorgibt zu sein.“

„Jahrhunderte lang habe ich mich von anderen Menschen ferngehalten, nur weil du sie mir weggenommen hättest. Jetzt habe ich mich endlich getraut es zu versuchen und schon wird jemand meinetwegen verletzt!“, ich hob den Kopf und sah ihm voller Trotz in die Augen, „Ich will nicht mehr! Brich den Bann und bring mich doch endlich um, wenn du mir schon nicht helfen willst!“

Seine Miene wurde todernst. „Ich kann nicht, selbst wenn ich wollte.“

Er zog mich hoch und hielt mich an den Schultern fest. „Wenn du endlich weißt, um was es hier eigentlich geht, dann werde ich dich aufklären.“

„Dann sag mir doch einfach, was ich wissen muss!“, meine Stimme war fast schon ein Flehen.

Er schüttelte den Kopf. „Du musst selbst darauf kommen, sonst wird das nichts. Außerdem wundert es mich selbst ein wenig, dass du nicht selbst darauf gekommen bist.“

„WORAUF?“

„Ach nichts.“

„Was genau willst du von mir?“

Er drehte sich um. „Vieles und nichts.“

„ZUM BEISPIEL?“, fuhr ich ihn an und trat näher an ihn heran.

„Lass mich überlegen“, es folgte eine kurze Pause, „wie wäre es mit dir?“

Perplex blinzelte ich über seine Direktheit. „Das ist…interessant“

Er sah mich verwundert an. „ Interessant? Das ist alles was du zu sagen hast?“

Meine Verzweiflung war mit einem Mal wie weggeblasen, stattdessen konnte ich nicht an mich halten und fing zu lachen an. Ich legte den Kopf in den Nacken und lachte zum ersten Mal seit Jahren wieder so richtig herzhaft.

Als Darius mich dann argwöhnisch ansah, konnte ich nicht anders, als mich vor Lachen zu krümmen.

„Ich denke die Sache mit dem Teleportieren hat dich ganz schön mitgenommen.“

Da ich noch immer nicht aufhören konnte, wurde seine Miene ernst. „Findest du nicht es reicht. Du solltest den Bogen nicht überspannen.“

Und mit einem Schlag war er wieder der unnahbare Dämon, den ich seit Jahren kannte. Ich versuchte wieder ernst zu werden. „Es ist nur…“, ich kicherte.

„Was“, fragte er kühl.

„Du willst das einzige von mir, das du nie bekommen wirst. Denkst du wirklich, nach alldem, was du mir in den letzten Jahrhunderten meines Lebens angetan hast, dass ich mit dir schlafe?“, fragte ich ihn.

„Ich bin ein Dämon, das ist meine Art.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und“, er warf mir einen anzüglichen Blick zu, „du tust ja fast so, als ob ich abstoßend wäre.“

Ich schnaufte. Ehrlich gesagt hatte ich mir Darius noch nie genau angesehen. Plötzlich überkam mich dieses Gefühl, ihn am liebsten abzuchecken, aber diese Genugtuung würde ich ihm nicht gönnen.

Gelassen behielt ich meine Augen bei mir und verschränkte die Arme vor der Brust. „Tja, Mister Ich-bin-der-Geilste, tut mir echt leid, wenn ich dein Ego verletzt, aber du bist eben nicht so attraktiv wie du zu sein glaubst“, meinte ich trotzig.

Er zog die Augenbrauen hoch und fing an zu grinsen. „Tja, aber deine Körperreaktionen lassen auf etwas anderes hindeuten.“

Ich schnaufte entrüstet. „Woher willst du denn das wissen? Bist du auf einmal allwissend, weil du denkst du weißt alles über mich?!“

„Nein, aber immer wenn du über etwas nicht nachdenken willst, verschränkst du die Arme vor der Brust“, meinte er nonchalant.

WUSCH! Toll gemacht, Nira, wieder in Fettnäpfchen mehr!, frotzelte meine innere Stimme. Klappe!, gab ich genervt zurück.

„Wow, ich wusste gar nicht, dass du schizophren bist. Unsere Nira ist doch immer für eine Überraschung gut.“

„Ich fasse nicht, dass ich gerade mit dir dieses Gespräch führe“, ich warf die Hände in die Luft und starrte ihn fassungslos an.

Sein Grinsen wurde breiter.

THEMENWECHSEL! Ich fasse es nicht! Was bildet sich dieser … grrrr!

Dieser Grrr, macht dich nochmals darauf aufmerksam, dass er deine Gedanken lesen kann.“

„Ich habe gerade dieses Bedürfnis, dir so richtig weh zu tun.“

Seine Augen blitzen auf. „Du kommst aber schnell zur Sache“, meinte er und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.

Ich fasste mir an den Kopf. „Du machst mich wahnsinnig!“

Sein Gekicher ignorierend versuchte ich wieder herunter zu kommen.

Ich setzte mich auf den Stein, auf dem Darius vorher saß, und meine Kleidung machte ein schmatzendes Geräusch. „Kommen wir zu den anderen Fragen zurück“, meinte ich seufzend.

„Wie wäre es damit: Ich beantworte dir jeweils eine Frage, wenn du mir dafür auch meine beantwortest.“

„Ich habe eine bessere Idee: Du beantwortest mir meine Fragen und ich lasse dich dafür am Leben. Deal?“

„Nira, du hast doch sowieso nicht die geringste Chance gegen mich anzukommen, warum belassen wir es nicht bei dieser Tatsache, das würde uns eine Menge Zeit ersparen.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn es sein muss, aber ich fange an.“ Er nickte. „Also, warum meintest du ich würde Selbstmord begehen wollen?“

„Nun, da du anscheinend absolut nichts weißt, weder über mich, noch über dich, erkläre ich es dir. Du bist nicht daran gewöhnt dich zu teleportieren, schon gar nicht über so eine weite Distanz, deswegen ist dein Körper überlastet und schaltet aus. Ein Kurzschluss, sozusagen. Allerdings hätte er für dich tödlich geendet, …“

„Wenn du nicht gewesen wärst und mir dein Blut gegeben hättest“, beendete ich den Satz und verdrehte genervt die Augen.

Wieder etwas, womit er dich aufziehen kann.

Darius lächelte. „Jetzt bin ich dran. Auch wenn ich die Antwort vielleicht schon kenne: Bist du eigentlich noch Jungfrau?“

Ich biss unwillkürlich die Zähne aufeinander und lief rot an. Jetzt hat er dich!

Während ich meine vorlaute innere Stimme am liebsten getötet hätte, überlegte ich mir, wie und ob ich mich aus dieser Sache rausreden konnte.

„Nein, definitiv nicht. Bleib bei der Wahrheit“, meinte Darius gelassen.

Das geht dich überhaupt nichts an!“, gab ich kleinlaut zurück. Und sofort lenkte ich die Aufmerksamkeit auf etwas anderes. „Was passiert wenn ich dich umbringe?“

Eigentlich wollte ich etwas ganz anders fragen, aber mir rutschte diese Frage so ganz einfach heraus, ich konnte nichts dafür.

„Es wundert mich nicht, dass du das fragst.“ Er deutete mir ein Stück rüber zu rutschen und setzte sich, die Hände auf den Oberschenkeln verschränkt, neben mich.

„Wenn du mich umbringst, wirst du auch sterben.“

Das ist unfair!, dachte ich, bevor ich es verhindern konnte.

Er schnaufte. „Du solltest wirklich deine Gedanken in den Griff bekommen.“

Ich senkte den Kopf. „Jap“, meinte ich emotionslos.

„Was hast du gespürt, als ich dich im Krankenhaus geküsst habe?“

Ich sprang auf und rieb mir die Hände auf dem Oberschenkel. „Immer diese komischen Fragen.“

„Beantworte sie mir.“

„Ich war unglaublich wütend! Immerhin hast du meine Teammitglieder fast umgebracht.“ Ich senkte den Kopf. Wobei Jason immer noch sterben kann.

Darius stand auf und ich wich zurück. „Das war alles?“ Er sah mich eindringlich an.

Unter seinem Blick wurde mir unbehaglich. „Doch, ich denke ja.“

Sein Blick änderte sich kein bisschen, also drehte ich mich einfach um, damit ich ihm nicht mehr in die Augen sehen musste, stattdessen fixierte ich den Baum, der vor mir stand.

Eine Trauerweide, deren Blätter die Farbe von Kirschblüten hatte. Sie hatte sich von einem Tag auf den anderen verfärbt, damals, als ich Darius hier geschnappt hatte. „Wirst du mir helfen?“

„Wie gesagt, ich bin kein Engel. Außerdem wird dein Freund wieder.“

Warum bist du dir da so sicher?

„Weil ich, Liebes, in meinem Leben um einiges mehr mitbekommen habe als du“, beantwortete er meine unausgesprochene Frage.

„Lass es mich anders formulieren: Würdest du mir helfen?“

Es folgte eine kurze Pause. „Eigentlich bin ich ja für dich verantwortlich, also denke ich schon.“

Wie bitte?

„Was soll das heißen, du bist für mich verantwortlich?“ Ich drehte mich um und sah ihn entsetzt an.

„Ah-ah! Ich bin jetzt wieder dran.“ Er musste grinsen, als ich ungeduldig schnaufte. „Hast du jemals etwas … Fremdartiges bei dir festgestellt?“

„Bevor oder nachdem du mich verwandelst hast?“

„Danach.“

Unbehaglich trat ich von einem Fuß auf den anderen. „Können wir diese Frage überspringen? Das ist mir ziemlich unangenehm.“

Es war zwar nur in der Anfangszeit, dass ich Veränderungen feststellte, aber DIE waren echt schlimm.

Nicht nur, dass ich der Dorfzicke, Andrea, am liebsten den Kopf abgerissen und mit ihren Gedärmen einen Bändertanz veranstaltet hätte, bloß weil sie einen Typen den ich süß fand anstarrte, nein, auch meine Bedürfnisse hatten dunkle Züge angenommen.

Gott sei Dank hatte ich diese sadistischen Züge in den Griff bekommen. Genauso wie das Gedankenlesen und die Visionen.

Ich schallte mich innerlich. „Ja. Ich konnte durch die Berührung einer Person in ihre Zukunft, oder Vergangenheit sehen. Aber das war noch bevor ich den Pakt geschlossen hatte.“

„Interessant.“ Darius legte nachdenklich seine Finger ans Kinn. „Kannst du das immer noch?“

„Keine Ahnung, ich habe es schon seit sehr langer Zeit nicht mehr gemacht.“ Ich senkte den Blick.

„Erzähl.“

„Damals hatte ich gesehen, wie die Menge der Vorlesung meines Vaters zugehört hatte, als er ein Urteil verlas. Es war meine Urteilsverkündung, danach kamen Bilder von „Hexenverbrennungen“, die sich aber allesamt erst Jahre später verwirklichten. Da bemerkte ich, dass ich sowohl in die Zukunft, als auch in die Vergangenheit sehen konnte.“

Darius machte einen Schritt auf mich zu und streckte die Hand aus. „Versuch es.“

Ich wich einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. „Das ist keine gute Idee. Du bist ziemlich alt und hast sicher schon viel getan, dass ich lieber nicht sehen möchte. Außerdem hat es schon damals nicht funktioniert, wieso sollte es das jetzt tun.“

Genauso wenig wollte ich sehen, was er in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft tun würde.

Langsam zog Darius die Hand zurück. „Was noch?“

„Ähm…sonst nichts.“

Er nickte nachdenklich.

Inzwischen war es dunkel geworden und der Wald wirkte bedrohlicher, als er es war. Jedes Rascheln oder Knacksen hinter mir, ließ mich zusammenzucken.

Plötzlich hörte ich direkt hinter mir, wie jemand, oder etwas durch das Laub getrabt kam. Und es näherte sich schnell.

Ich drehte mich erst gar nicht um, sondern verschwand geradewegs hinter, dem einzigen, das mir wirklich Schutz hätte bieten können: Darius.

Er bedachte mich mit einem Abschätzigen Grinsen, als kurz darauf ein Kaninchen aus dem Gebüsch gehoppelt kam.

„Nira, was jagt dir so Angst ein?“

Ich fühle mich beobachtet. „Ich bin ein Mädchen, ich darf im Dunkeln Angst haben.“

Komisch, ich dachte eigentlich ich hätte mir das nur eingebildet, aber wenn es dir genauso geht…ich denke wir sollte hier schleunigst verschwinden. „Willst du lieber heim, und dort alles in Ruhe besprechen?“, meinte er anzüglich.

„Überall lieber als hier“, gab ich, mit einem abschätzigen Blick, zurück.


Kapitel 9 - Immer diese Ausreden

 

Zugegeben, ich hatte erwartet, dass Darius sich etwas einfallen ließe, als er meinte, er könne sich nicht mit mir teleportieren, wenn ich nicht scharf darauf wäre zu sterben.

Aber mich K.O. schlagen? Das war so ziemlich das Letzte mit dem ich gerechnet hatte.

Mit brummendem Schädel wachte auf und bekam mit, wie Darius mich Stufen hinauf trug.

Ich stöhnte auf und versuchte mich aufzurichten, als wir plötzlich stehen blieben.

„Wir sind da“, meinte Darius sanft, als ob er mich gerade aus einem schönen Schlaf geweckt hätte.

„Hmm?“, grummelte ich, rieb mir den Schädel und öffnete die Augen.

„Bei dir, wie ich schon sagte.“

Da sah ich das Schild auf der Tür, auf dem mein Name stand. „Bei mir?“, fragte ich konzentriert.

„Jap.“ Er legte seine Hand auf meinen Bauch und fuhr langsam unter meinen schwarzen Mantel.

Ich wollte ihm schon eine klatschen, als er meinen Schlüsselbund herauszog und die Tür aufsperrte. „Ich kann alleine gehen, danke“, versuchte ich zu fauchen, aber ich brachte nur ein böses Knurren zustande.

„Die letzten Zehn Meter kannst du dich auch noch still verhalten“, meinte er.

Ich murrte abermals, ließ mich aber von ihm in mein Zimmer tragen. „Wenn du auch nur einem meiner Teammitglieder davon erzählst, bist du dran, Darius“, ermahnte ich ihn.

„Dito. Ich liebe es wenn du so redest.“

„Hör zu, meine dämonische Seite habe ich schon lange abgelegt, also träum weiter. Und glaub ja nicht, dass ich dich nicht verfolge, wenn ich mir wieder von deinem Schlag erholt habe!“

„Soll mir das jetzt Angst einjagen“, meinte er grinsend. Er legte mich aufs Bett und setzte sich neben mich. „Hast du eine Ahnung wer dort war?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nö.“

Langsam aber sicher, wurde mir mulmig. Ich lag ausgesteckt auf meinem Bett und Darius saß aufrecht neben mir und ich hatte das Gefühl, dass er irgendetwas im Schilde führte.

Diesem Dämon konnte man alles zutrauen, wahrscheinlich würde sich über mich hermachen, sobald ich eingeschlafen war.

„Niemals“, flüsterte er.

Die Uhr auf dem Nachttisch, der neben meinem Bett stand, zeigte elf Uhr abends an. „Du solltest dann langsam gehen“, meinte ich und musste gähnen.

Mann, ich war auf einmal so richtig müde.

„Glaubst du unser Verfolger weiß nicht wo du wohnst? Es ist ein ziemliches Risiko für dich, wenn du allein hierbleibst.“

„Wer weiß, ob wir wirklich verfolgt werden?“ Ich schloss die Augen. „Und wenn bringt er dich sowieso zuerst um. Inzwischen kann ich in Seelenruhe meine Sachen packen und mich aus dem Staub machen.

„Nira, ich lebe nicht schon seit langer Zeit, weil ich alles als unwahrscheinlich abstemple. Du solltest das wirklich ernster nehmen.“

„Unglaublich“, stöhnte ich.

„Hm?“

„Seit einem Monat bringst du mich jeden Tag aufs Neue um und jetzt machst du dir auf einmal sorgen, weil ich unter Verfolgungswahn leide. Ich glaub ich bin im falschen Film.“

„Ach ja?“

„Absolut sicher. Wahrscheinlich bin ich noch immer Bewusstlos und du manipulierst gerade meine Träume. Denn genauso fühle ich mich jetzt.“

„Ich denke nicht, dass du träumst, denn sonst hätte ich schon ganz andere Sachen gemacht.“ Er war einen kurzen Blick aus dem Fenster. „Du solltest jetzt schlafen.“

Das brauchte er mir nicht zweimal zu sagen. „Und du hau ja ab!“

 

Rumms!

Ich schreckte hoch und sah mich verwirrt um.

Kaum hatte ich erkannt, dass ich mich in meinem sicheren Zuhause befand, wurde auch schon die Tür aufgerissen und Drake stand in voller Montur in meiner Schlafzimmertür.

„Was zur?“, stammelte ich.

Drake erstarrte in seiner Bewegung und drehte sich um, doch ich konnte erkennen, dass er rot angelaufen war. Der Grund offenbarte sich mir, als ich an mir heruntersah.

Die Decke war bis zu meinem Bauchnabel gerutscht und entblößte meinen nackten Körper, da mir mein Nachthemd hochgerutscht war.

Ich zog sofort die Decke bis zu meiner Nase. Meine Wangen Glühten und ich drohte vor Peinlichkeit berührt zu sterben.

„Sorry, ich dachte du seist in Gefahr. Du hast dich nicht mehr gerührt, seitdem du gestern aus dem Krankenhaus gestürmt bist, um nach Darius zu suchen.“ Immer noch mir den Rücken zugewandt lehnte er sich in den Türrahmen und ließ die Waffe sinken.

„Schon gut. Ich verstehe ja, dass du dir Sorgen gemacht hast, aber klopf beim nächsten Mal doch einfach an, ok?“, meinte ich friedfertig.

„Ja, geht klar.“

„Würdest du mir nun die Ehre erweisen und mein Zimmer verlassen, damit ich mich in Ruhe umziehen kann?“

Drake zuckte zusammen, verschwand aber sofort aus dem Türrahmen und schloss die Tür hinter sich.

Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen und fuhr mir mit den Händen über das Gesicht.

Ich starrte einen Moment an die Decke. Wie PEINLICH! Warum konnte er nicht einfach ANKLOPFEN? Was ist so schwer daran, die Hand zu heben und gegen die Tür knallen zu lassen?

Wieso habe ich eigentlich mein Nachthemd an? Ich kann mich nicht daran erinnern, mich gestern umgezogen zu haben… Ich ließ mir noch einmal alles Geschehene durch den Kopf gehen und kam zu einer bitteren Erkenntnis.

Wenn ich mich nicht umgezogen habe und auch sonst niemand in meinem Zimmer war außer… DARIUS!, schrie ich innerlich.

Absolut super. Ich wachte auf und keine Zehn Minuten später kochte ich schon vor Wut und kralle meine Nägel in mein Bettlaken.

Wenn ich diesen Dämon in die Finger bekam…oh der würde sein blaues Wunder erleben, darauf konnte er setzen.

Aber erst wollte ich auf Nummer sicher gehen, denn wenn ich ihn schon fertig machte, dann ordentlich. Doch dafür musste ich etwas überprüfen, womit ich sicherlich jetzt schon richtig lag.

Ich atmete tief ein, ließ die Hand zum Anfang der Bettdecke wandern und hob sie hoch. Allein der kühle Windzug reichte aus, um mir Bestätigung zu geben, doch ich wollte mir absolut sicher sein. Langsam lugte ich zwischen meinen Liedern hervor und sah unter meine Bettdecke.

Ich hatte keine Unterwäsche an. Gar keine. Ohh, Darius würde sterben, noch ehe er sich eine Entschuldigung ausdenken konnte.

Flott sprang ich auf und suchte meine Sachen zusammen, die allesamt sorgfältig zusammengefaltet auf meinem Schreibtisch lagen. War das wirklich notwendig?

Selbst ich hätte meine Sachen einfach so über die Lehne meines Schreibtischsessels geworfen und die Sache hätte sich für mich erledigt.

Ich schnappte mir meine Jean und zog sie an, genauso wie das Armee-T-Shirt und die schwarzen Socken, natürlich hatte ich mir vorher mein Nachthemd ausgezogen.

Kaum hatte ich die Türschnalle hinuntergedrückt und die Tür nach innen gezogen, da stand Drake auch schon vor mir.

Mit Maximilian im Schlepptau.

Der Versuchung widerstehend genervt die Augen zu verdrehen, weil mein Tag gar nicht schlimmer beginnen konnte, setzte ich ein gespieltes Lächeln auf und richtete mich neben Drake auf.

„Guten Morgen, Boss“, meinte Drake höflich. Maximilian wiederum starrte mich einfach nur stumm an. Und checkte mich von oben bis unten ab.

„Das solltest du gleich einmal unterlassen“, meinte ich und ließ ihn meine Verärgerung spüren.

„Du landest sowieso in meinem Bett, also ist es egal ob ich mir dich jetzt angezogen, oder nachher nackt ansehe.“

Ich rieb mir den Nasenrücken. Wieso werde ich immer mit diesem Holzkopf bestraft?

„Du solltest nicht so mit deinem Boss reden“, fuhr Drake ihn an.

Max schnaufte. „MEIN Boss? Wenn wir hier fertig sind, bin ich der Boss.“

„WOW. Es wundert mich, dass du überhaupt noch etwas sehen kannst, wenn du deine Nase so hoch in den Himmel reckst. Hat der Stock geschmeckt den du gefressen hast?“, meinte ich genervt und stemmte die Hände in die Hüften.

„Die einen tun was sie können, die anderen können was sie tun. Mein aufrichtiges Beileid, dass du zu ersteren gehörst.“

Ich sah Drake gelangweilt an. „Wie lange gibst du ihm?“

Drake sah Max abschätzend an. „Nicht lange. Maximal eine Minute.“ Er sah mich von der Seite aus an. „Du?“

„Darius verarbeitet ihn zu Hackfleisch, bevor er auch nur mit der Wimper zucken kann.“ Ich machte eine unsichere Geste mit der Hand. „Könnte aber auch sein, dass er mit ihm spielt und sich erst sein dämliches Geschwätz anhört, bevor er ihn erledigt.“

Max war mir einen arroganten Blick zu. „Keiner kann mich schlagen. Schon gar nicht so ein …“

Bevor er weiterreden konnte, machte ich einen Schritt nach vorne und hielt ihm den Mund zu. „Überspann den Bogen nicht, Freundchen. Darius ist zwar nicht im Raum, aber er wird sicher schon mitgekriegt haben, dass du dich über ihn lustig machst und das solltest du nicht tun.“

Drake trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Wir sollten wieder in das DHS zurückkehren. Ich fühle mich hier nicht wohl.“

Lag wahrscheinlich daran, dass Darius hier war und ein Hauch von Schwefel in der Luft lag, aber das konnte nur ich wahrnehmen.

Drake führte Maximilian aus der Tür und wartete auf mich.

„Geht schon einmal vor, ich komme gleich nach. Ich muss nur noch schnell etwas suchen.“

Drake wirkte nicht glücklich über meine Entscheidung, ließ mich aber machen und verschwand.

Kaum waren die beiden außer Hörweite, stöhnte ich auf und schlug mir mit der Handkante auf die Stirn. „Womit habe ich das verdient. Kann man mir nicht einmal jemanden zum Ausbilden geben, den ich nicht erst zurechtbiegen muss?“, fragte ich mich laut.

„Das Leben ist nicht immer einfach. Gerade du solltest das wissen.“

„Sag mir etwas, dass ich noch nicht weiß.“

Darius trat neben mich. „DER soll deinen Platz einnehmen?“, er schnaufte missbilligt, „Leute wie den verspeise ich zum Frühstück.“

Mein Magen fing an zu knurren. „Wo wir dabei sind…“

„Soll ich die beiden für eine Weile beschäftigen?“, meinte Darius und ein sadistisches Lächeln umspielte seine Lippen.

„Ich warne dich. Fass sie einmal an und ich mach dich um einen Kopf kürzer“, meinte ich.

„Du weißt, dass ich dich heute wieder umlegen werde?“, meinte er selbstverständlich.

„Was muss ich machen, damit ich einmal meine Ruhe haben kann?“

Er sah mich erstaunt an. „Versuchst du gerade einen Deal mit mir abzuschließen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich möchte nur endlich einmal meine Ruhe haben und nicht jemanden jagen, oder vor jemanden davon rennen.“

„Ernsthaft, wir wissen beide was ich für einen Spaß daran habe, dich andauernd umzubringen und deiner Seele einen weiteren Schnitt zuzufügen, aber in letzter Zeit mache ich mir echt Sorgen um dich.“

Kaum hatte er das gesagt, war er auch schon vor mir und sah mir in die Augen. „Darius, was soll das werden?“, fragte ich genervt.

Es musste massive Probleme geben, denn so leicht war Darius nicht aus der Ruhe zu bringen. Schon gar nicht meinetwegen. Nicht einmal, als ich zur Zielscheibe eines Verrückten wurde, der meinte ich sei ein Dämon, was nur die halbe Wahrheit war, und müsse die Welt vor mir beschützen.

Irgendwann war er verschwunden und keiner stellte Fragen, was wahrscheinlich auch besser so war.

Als Darius Augen rot aufleuchteten, wusste ich was er vorhatte. „Du weißt, dass ich das nicht gerne mache, aber wenn du mir die Informationen verschweigst, die ich brauche, muss ich sie mir selber besorgen.“

Ich wollte zurückweichen, aber da legte er seine Hände auf meine Wangen und zog mich in seinen Bann.

Willenlos stand ich vor ihm und fühlte mich auf einmal so träge und müde. Ich hatte keine Lust mich zu verstellen oder mir irgendwelche Lügen auszudenken.

„Sag mir was du über deinen Verfolger weißt?“, meinte er ruhig aber bestimmt.

„Nichts.“

„Denkst du dieser jemand spioniert dir schon länger hinterher?“

„Ja.“

„Warum hast du mir das nie gesagt.“

„Weil es dich nicht interessiert.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil du mich nur aus rein sadistischem Vergnügen am Leben lässt.“

Darius sah mich zum ersten Mal mit einer Gefühlsregung an, aber das würde ich im Nachhinein nicht mehr wissen, denn ich stand unter Hypnose.

„Warst du immer ehrlich zu mir?“

„Nein.“

„Hast du mich mit dem Kuss angelogen?“

„Nein.“

„Würdest du jemals mit mir schlafen?“

„Nein.“

Er wandte sich von mir ab und ließ mir wieder meinen Willen.

Unwissend was gerade passiert war, schüttelte ich den Kopf und sah Darius verwirrt an. „Was hast du gerade getan?“

Er strahlte und sah mich wissend an. „Nichts, worüber du dir Gedanken machen müsstest“, meinte er beschwichtigend.

„Warum glaube ich dir das nicht. Sag mir einfach was du getan hast.“

„Ich habe unseren Pakt genutzt und dir die Wahrheit entlockt.“

In meinem Kopf machte es Klick. „Was genau hast du gefragt?“

„Was müsste ich ändern, damit du mit mir schläfst?“

Ich riss entsetzt die Augen auf. „NEIN!“

Darius verschwand vor meinen Augen und hinter mir ging die Tür auf. „Nira, was ist los?!“, fragte Drake, als er mich mit an den Kopf gepressten Hände vorfand.

Langsam ließ ich die Hände sinken. „Ich…äh…habe vergessen wo mein Wohnungsschlüssel liegt“, log ich.

„Nira, du hast den Schlüssel in deiner Hosentasche“, meinte er streng und deutete mir an, dass er wusste dass ich log.

Ich zog ihn aus meiner linken Hosentasche und machte ein erstauntes Gesicht. „Ohh! Ich Dummchen!“, gab ich mit gespielter Selbstironie zu.

„Nira, was…“

„HE! Was trödelt ihr da so lange rum! Ich hab verdammt nochmal Hunger und will endlich was essen! Ich will diesen Scheiß endlich hinter mich bringen. JETZT SCHWINGT EURE ÄRSCHE IN DEN WAGEN, ODER ICH LASSE EUCH BEIDE SOFORT FEUERN!“, fluchte Max aus dem Wagen.

Drake verdrehte genervt die Augen. „Du kannst Darius nicht zufällig darum bitten, seinen Tod wie einen Unfall aussehen zu lassen?“

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt willst du auf einmal seine Hilfe? Wer von uns beiden hat hier ein Rad ab?“

Drake machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch ich brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. „Wir sollten gehen“, meinte er bloß und ging voraus.

Ich folgte ihm und warf einen letzten Blick in meine Wohnung. Darius, was immer du auch vorhast, lass es bleiben!


Kapitel 10 - Der Dämon in mir und andere Geheimnisse

 

Die halbe Stunde die wir zum DHS Hauptquartier brauchten, kam mir auf einmal wie drei Stunden vor.

Max konnte einfach nicht den Mund halten. Entweder war es ihm zu kalt, dann wieder zu warm.

Als wir an einer roten Ampel standen, musste ich dem Drang widerstehen, auszusteigen, nach hinten zu gehen und Max eine runterzuhauen.

„… und dann wird er euch den Arsch aufreißen, weil…“

Ich fuhr zu ihm herum und funkelte ihn wütend an. „WENN DU NICHT SOFORT DIE KLAPPE HÄLTST, DANN VERSPRECHE ICH DIR, DASS DARIUS SEIN MITTAGESSEN AUF EINEM SILBERTABLETT SERVIERT BEKOMMT!“

Max erstarrte.

Ich drehte mich wieder um und ließ mich in den Autositz sinken, die Arme vor meiner Brust verschränkt.

Als hinter uns jemand hupte wurde mir klar, dass Drake mich ebenfalls anstarrte.

„Jetzt fahr! Grüner wird’s nicht“, schnauzte ich ihn an.

Drake drückte aufs Gas und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

Den Rest der Fahrt sagte niemand ein Wort und es herrschte Totenstille.

 

Vor dem DHS blieben wir stehen und ich stieg aus. Drake und Max gingen hinter mir, wobei Max mich keines Blickes würdigte und leise Flüche vor sich hermurmelte.

Drake hielt einen Sicherheitsabstand von mehr als einem Meter zu mir und langsam wunderte ich mich über sein Verhalten. Allein schon die Tatsache, dass er kein Wort mit mir geredet hatte, seit ich Max angefahren war, machte mir Sorgen.

Wir betraten den Raum und alle Augen richteten auf mich. Nicht, dass ich das nicht gewohnt war, aber selbst Joanne sah mich schockiert an.

Jetzt reichte es mir. „Warum zum Teufel starrt ihr mich so an? Habt ihr mich noch nie gesehen, oder hat Luke schon wieder irgendein dämliches Gerücht über mich in die Welt gesetzt?“, fauchte ich wütend.

Als ich Luke einen finsteren Blick zuwerfen wollte, sah ich nur, wie er in sein Büro verschwand und die Tür verbarrikadierte.

Einem Angestellten fiel sogar der Kaffee hinunter.

„Ok, was ist hier los?“, fragte ich mit immer größer werdender Sorge.

Niemand sagte etwas, alle wichen zurück und sahen mich einfach nur, mit vor Angst geweiteten Augen an.

Als Greg, mein Boss, am anderen Ende des Raumes, aus seinem Büro getreten kam und mich erblickte, blinzelte er ein paar Mal und rieb sich die Augen.

Wütend kam er auf mich zugestapft und ich wich einen Schritt zurück. Manchmal machte er mir mehr Angst als Darius in Dämonengestalt.

„Nira Masters, wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass das Gebäude hier, für Dämonen nichts übrig hat!“, schrie er mich an.

„Sir?“

Seine Augen verengten sich. „Wenn sie sich nicht beherrschen können, wird das schlimme Konsequenzen mit sich ziehen!“ Er sah abschätzig an mir herunter. „Was wenn die Menschen sie so zu sehen bekommen? Die rufen das Militär an und veranstalten hier ein Massaker!“

Ich sah an mir herunter und hielt vor Schreck die Luft an. Meine Hände waren zu ebenholzschwarzen Klauen geworden und hinter mir zuckte ein ebenso schwarzer, dünner Dämonenschweif. Geschwind rannte ich in die Damentoilette und blickte in den Spiegel.

„Ach du heile Scheiße!“, fluchte ich. Meine Augen waren so rot wie Darius´, wenn er wütend war und meine Eckzähne hatten sich oben und unten zu Fängen gekrümmt. „Nein! Nein, nein, nein, nein!“

Das mit den Zähen war mir ja schon öfter passiert, aber so hatte sich mein Körper noch nie verändert.

Vor Scham rannte ich in eine Kabine, schloss ab und setzte mich. Die Knie angezogen und die Arme darum geschlungen, wippte ich verzweifelt hin und her. Das darf nicht wahr sein! Wie ist das möglich!

„Das bist nicht du! Darius hat irgendetwas mit dir gemacht, dich triff keine Schuld!“, sagte ich mir krampfhaft vor.

Ich hörte das Quietschen der Tür und Schritte die langsam über den Linoleumboden auf mich zukamen.

Die Person hielt vor meiner Tür und lauschte. „Nira?“, hörte ich Joannes Stimme. „Nira, bist du da drin?“, fragte sie ruhig.

„Geh weg. Ich bin gefährlich und will dich nicht verletzten“, meinte ich schniefend. Tränen begannen meine Wangen hinunterzulaufen und auf meine Jean zu tropfen.

„Nira, es wird alles gut. Wir werden das schon schaffen! Komm raus und lass mich dir helfen“, meinte sie beruhigend.

Traurig blickte ich auf die Klauen, die eigentlich meine Finger sein sollten. „Er hat mich gefeuert, nicht wahr? Es würde mich nicht wundern. Jeder würde das mehr als nur gut heißen. Wer will schon einen Dämon im DHS, das entspricht doch genau dem Gegenteil, für das es steht. Demon Hunter Security.“ Mein Schweif zuckte hinter mir und ich legte den Kopf zurück auf meine Knie.

Das Schloss wurde von außen geöffnet, doch ich stemmte sofort meine Füße dagegen. „Lass mich rein Nira!“

„Nein! Du könntest verletzt werden! Geh einfach wieder!“

Joanne versuchte gegen mich anzukommen, doch sie schaffte es einfach nicht. Sie ließ sich auf die Knie herunter und lehnte sich verkehrt gegen die Tür. „Komm schon, wir werden das schaffen! Du bist eben ein Halbdämon, das gehört zu dir wie dein Schwert.“

Ich hob den Kopf und erstarrte. „Woher weißt du von meinem Schwert?“, fragte ich entsetzt. Das Schwert meines richtigen Vaters hatte ich seit über einem Jahrhundert nicht mehr gerufen, also konnte sie doch gar nichts davon wissen.

Es folgte eine Pause, die mir wie eine gefühlte Ewigkeit vorkam.

„Wir haben beide unsere Geheimnisse, Nira“, sagte sie nur.

Ich horchte auf. „Von was redest du da?“

„Lass mich rein, dann erzählte ich es dir.“

Widerstrebend zog ich meine Füße wieder an mich. Joanne stand langsam auf und öffnete die Tür. Sie setzte sich neben mich, auf den Boden und verschloss die Tür wieder.

„Damals, an meinem sechzehnten Geburtstag ist meine Mutter getötet worden und ich kam ins DHS“, sie sah mich an und wartete meine Reaktion ab.

Ich nickte nur. „Das hast du mir erzählt.“

„Aber das was davor geschah, habe ich dir nie gesagt.“ Sie sah gedankenverloren an die weiße Kabinenwand. „Andere Mütter lesen ihren Kinder Märchen vor, bevor sie sie schlafen legen, meine Mutter erzählte mir andere Geschichten, von einer längst vergangenen Zeit. Von meiner Großmutter, die schon vor sehr langer Zeit gestorben war. Im 13 Jahrhundert.“

Ich riss die Augen auf.

„Genau. Als du noch ein freier Halbdämon warst. Du kanntest sie sogar. Diese Großmutter führte ein Tagebuch. Darin beschrieb sie, wie sie mit ihren besten Freunden immer herumgealbert hatte. Zwei Wachen und einer Pfarrerstochter.“

Tränen stiegen mir in die Augen. „Rudolf und Friedrich.“

„Und du.“ Sie lachte geistesabwesend. „Maria hatte alle eure Streiche aufgezeichnet und datiert. Ich dachte immer es wären nur Märchen, bis meine Mutter starb. Es hieß zwar, sie sei einen natürlichen Tod gestorben, doch das stimmte nicht.“ Joanne wischte sich eine Träne aus den Augen. „Ich kam nicht zufällig zum DHS, Nira. Genauso wenig, wie meine Mutter an einem Herzinfarkt gestorben war.“

„Joanne, ich…“

„Nira, du bist nicht die einzige, die nur zur Hälfte ein Mensch ist. Ich bin eine Halbvampirin“, meinte sie trocken. „Wie?“

Sie lächelte unglücklich. „Maria.“

„Aber wenn sie ein Vampir war, konnte sie unmöglich Kinder bekommen.“

„Sie war auch nicht von Anfang an ein Vampir. Maria hatte sieben Kinder, von denen fünf bei der Geburt starben. Nachdem die Pest ausbrach, ließ sie sich verwandeln. Ihre zwei überlebenden Kinder hatte sie einer Nonne mitgegeben, die auf dem Weg aus der Stadt, und damit aus der Gefahrenzone, gemacht. An diesem Tag endet das Tagebuch.“

„Wie alt war sie, als sie verwandelt wurde?“

„Siebenundzwanzig.“

„Sieben Jahre nach meinem Verschwinden“, murmelte ich vor mich hin.

„Du bist zwanzig?“, fragte sie etwas schockiert. „Sei mir jetzt nicht böse, aber du siehst älter aus.“

Ich schnaufte amüsiert. „Damals gab es auch noch keine so gute Medizin.“

„Nein, ich meinte nicht deine Hautbeschaffenheit. Deine Augen hatten mir diesen Verdacht gemacht.“

„Meine Augen“, setzte ich, die Tränen unterdrückend, an, „haben Dinge gesehen, die ich niemanden wünsche.“ Ich hob den Kopf. „Was war eigentlich mit deiner Mutter, ich habe vom Thema abgelenkt.“

„Meine Mutter wurde von Maria verwandelt, als sie mit mir schwanger war. Ihre DNS veränderte sich und meine auch, aber eben nur zur Hälfte. Das DHS wusste das und ließ mich hierher bringen, wo ich ausgebildet wurde.“

„Weißt du, wer es war?“

Sie nickte stumm. „Greg.“

Ich erstarrte. „Oh mein Gott!“

„Was ist?“

„Ich habe damals für ihn nach einer Mary und einer Jane gesucht!“ Ich schlug mir die Hände vor den Mund. „Das wollte ich nicht!“

„Schon gut, es war nicht deine Schuld. Du wusstet es nicht.“

Wir standen beide auf und umarmten uns. „Ach und Nira, du bist wieder ganz normal“, meinte sie lächelnd.

Den Blick auf meine Hände gerichtet, drückte ich sie noch etwas fester. „Danke“, hauchte ich.

 

Wir verließen die Damentoilette, während Greg schon ungeduldig im Flur auf uns wartete. „Wie ich sehe, haben sie sich richtig entschieden“, meinte er emotionslos.

Er war doch wirklich ein richtiges Arschloch, dabei dachte ich immer, Max würde nach seiner Mutter kommen, die ich nicht kannte.

Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, Max käme nach seinem Vater. Allerdings war ich ja auch noch nie in Gestalt eines Dämons ins DHS spaziert. Wie dumm ich doch war.

„Ich hoffe dies wird nicht noch einmal vorfallen, denn dann werde ich nicht so nett sein und sie weiterhin hier beschäftigen.“ Er wandte sich zu den anderen um, die rund um uns herum standen, inklusive Drake. „Worauf wartet ihr? Zurück an die Arbeit, aber dalli!“ Dann verschwand er wieder in sein Büro.

„Der kann doch wirklich jedem den Tag versauen.“

Ich nickte nur stumm und sah zu, wie sich die anderen wieder ihrer Arbeit zuwanden und Drake mit Maximilian im Schlepptau auf uns zukam.

„Training?“ Ein einziges Wort, das mich wieder in die Realität zurückholte und mir meine neue Aufgabe ins Gedächtnis rief.

Ich sah ihm ins Gesicht. „Ich möchte vorher noch etwas mit Joanne besprechen, wenn es euch recht ist.“

Drake nickte knapp. „Klar, Boss.“

Ich zuckte zusammen. Drake war nie höflich. Er nannte mich schon gar nicht Boss. Keiner tat das. Es sei denn sie hatten Angst vor mir und das Drake Angst vor mir hatte, machte mir selbst Angst. ICH machte mir Angst.

Allein Max war kühl wie eh und je. Gerade das machte ihn mir im Augenblick sympathisch.

Drake trat weg und ging Richtung Trainingsraum. Max blieb noch einen kurzen Augenblick stehen und sah mich an. „Ich gebe dir maximal eine halbe Stunde, dann will ich dich im Trainingsraum sehen“, sagte er und verschwand hinter der hölzernen Tür zum Trainingsraum.

„Der führt sich ja schon fast so auf wie Darius!“, bemerkte Joanne.

„Das ist mir auch aufgefallen.“

Wir warfen einander einen schnellen Blick zu, bevor wir beide hinter Max hinterherrannten. „DRAKE“, schrien wir wie aus einem Mund.

Im selben Augenblick, in dem wir den Trainingsraum betraten, war meine Befürchtung auch schon wahr geworden.

Max stand fünf Meter vor uns. Drei Meter vor ihm stand Drake. Und zwischen ihnen stand Darius, den Blick auf Drake gerichtet.

„Ich dachte schon du würdest nicht verstehen.“

„Darius, lass es! Bitte!“

Er drehte sich langsam zu mir und sein Blick ließ mich erschaudern. Er wollte Blut sehen.

Darius machte einen Schritt auf Drake zu und schon stand ich zwischen ihnen. Ich hatte keine Ahnung wie ich das angestellt hatte, aber ich war froh darüber.

„Willst du es wirklich wagen?“

„Seit letztem Mal sind ein paar Jährchen vergangen und ich habe dazugelernt.“ Genau genommen, waren es schon um die siebenhundert Jahre.

„Na dann“, er rief sein Schwert und alle wichen an die Wände zurück, „Lass uns das Massaker beginnen!“

„Aber klar!“ Seit mehr als einem Jahrhundert hatte es gewartet. Auf den Richtigen Augenblick. Jetzt war es so weit. Mit einem gewaltigen Beben stieß mein Schwert aus dem Boden, direkt in meine Hand.

Wir stürmten aufeinander zu, bereit den jeweils anderen zu töten. Wenn ich sterbe, dann reiße ich dich mit in den Tod! Er hatte recht. Wenn er starb würde ich es ihm gleich tun, aber das war mir inzwischen egal geworden.

Der Tot war mein einziger Freund.

Klirrend krachten die Schwerter aufeinander. Stahl auf Stahl. Nur um wie bei unserem ersten Kampf auseinander zu fliegen und wieder im Bode zu versinken.

„Ehrlich, langsam frage ich mich warum sie das tun?“

Als Antwort warf er mir ein Messer entgegen, dem ich knapp ausweichen konnte. Mein Messer.

„Würdest du wenigstens damit aufhören, mir meine Messer zu stehlen? Die waren nicht leicht zu bekommen!“

Blitzschnell sauste Klinge um Klinge vor meiner Nase vorbei.

Ich konnte nicht sagen warum, aber so ein Kampf auf Leben und Tod war erregend. Seit meinem Pakt machte ich mich immer und immer wieder auf die Suche nach solch Haarsträubendem Vergnügen.

„Macht geil, was?“, fragte Darius vergnügt.

„Nicht so sehr, wie die Vorstellung dich tot zu sehen!“

Er fing an zu lachen. „Na dann pass auf.“

Darius wirbelte herum, packte meinen Arm und löste sich mit mir in Rauch auf.


Kapitel 11 - Kann das wahr sein?

 

Wie jedes Mal, wenn er mich mit sich nahm, explodierte mein Kopf. Diesmal allerdings tat es nicht so weh. Es klang auch wesentlich schneller ab, als letztes Mal.

Ich befand mich anscheinend in einer Höhle, denn es war ziemlich dunkel und roch feucht und nach Moos.

„Du wirst stärker“, hörte ich Darius spöttische Stimme hinter mir, als ich mich wieder gefangen hatte.

Knurrend stand ich auf, bereit, ihn in klitze-kleine Fetzchen zu reißen, was ich wahrscheinlich nie schaffen würde.

Als wir uns wieder aufeinander stürzten, tauchte er unter meinem Schlag durch und riss mir die Beine weg.

Mit einem stöhnen flog ich der Länge nach in den Dreck, nur um im nächsten Moment, hochgehoben und gegen die Wand gedrückt zu werden.

Er klemmte mich zwischen seinem und meinem Körper ein, sodass ich mich nicht mehr bewegen konnte.

„Verdammt! Lass mich los! Ich will diesen Kampf hinter mich bringen!“, zischte ich.

Darius lächelte ein breites Lächeln, das mir Angst einjagte. Nicht weil es hinterlistig war, sondern weil ich es noch nie bei ihm gesehen hatte und das hieß ungeahnte Folgen.

Ich wollte etwas sagen, doch er mir den Mund zu. „Sag jetzt nichts. Ich werde dir nicht weh tun. Das wollte ich nie.“

Verwirrt sah ich ihn an. Ich verstand nicht, was er auf einmal von mir wollte. Es dauerte ein kleines Weilchen, bis mir klar wurde, was er gerade gesagt hatte und ich ihn etwas irritiert fragte: WAS? Warum hast du es dann immer getan?

Er lachte kurz und mir lief ein Schauer über den Rücken. Allerdings war es kein schrecklicher. „Das kann ich dir ganz einfach erklären.“

Na da war ich mal gespannt. Wenn Darius mir etwas erklärte, konnte es nur gegen meine Wenigkeit gerichtet sein. Wie immer in solchen Situationen. Wobei, diese hatten wir noch gar nicht.

Darius lehnte sich gegen mich. „Nun, schon als ich dich das erste Mal zu Gesicht bekam, war ich komplett irritiert. Ich wurde auf eine Vampirjägerin angesetzt und du sahst absolut nicht so, wie die Jäger aus, die ich kannte. Wie ich dir damals schon sagte, du hast mich eher an eine verwöhnte Prinzessin erinnert, als an eine Kämpferbraut, aber als ich dich dann kämpfen sah, konnte ich mich nicht mehr von dir losreißen.“

Er legte eine Hand an meine Taille und ich sah ihn argwöhnisch an. Soll das ein Scherz sein? Ich finde es nämlich nicht lustig. Außerdem, was denkst du dir jetzt? Das ich dir glaube und alles Friede, Freude Eierkuchen ist? VERDAMMT! Mann, du machst mir schon mein ganzes Leben zur Hölle, ich werde deine Liebe, oder wie du es nennst, nicht erwidern, KAPISCH! Und jetzt nimm deine Finger da weg! Ein Knurren drang aus meiner Kehle.

„Ich weißt wie verwirrend das für dich sein muss. Mir ging es anfangs nicht besser.“ Seine Hand wanderte unter mein Top, fuhr die Konturen meiner Rippen nach, als ich ihn mit einem unsicheren Blick bedachte. Falls du daran denkst, noch weiter zu gehen, will ich dich darüber aufklären, dass ich dabei nicht mitspielen werde und du mit heftigem Widerstand rechnen musst!

Darius hielt inne und sah mir in die Augen. „Nira, ich wollte und will dich in meiner Nähe haben, doch du hast einen solchen Hass gegen mich, dass es mir unmöglich ist, mich dir zu nähern, geschweige denn, dich zu verführen.“

Dann lass es und such dir ein anderes Spielzeug!

„Oh, Nira“, hauchte er mir ins Ohr, „So einfach ist das nicht. Ich kann dich nicht gehen lassen, denn du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Selbst die Hölle wäre besser, als das Gefühl, von dir getrennt zu sein.“ Er neigte den Kopf noch näher an meinen. „Schon komisch, was.“

Ja, aber das kann mir ja egal sein, denn DICH brauch ich nicht! Ein Dämon kann mir gestohlen bleiben. Du hättest auch einfach mit mir reden können! Dafür hast du das Loch in deinem Gesicht! Aber ein Fluch…Mann, du hast es dir echt verscherzt!

„Nun, es war nicht meine Absicht, dass das Ganze so ausufert, aber was hätte ich sonst tun können damit du mir nicht unter der Nase wegstirbst. Selbst heutzutage würde ich keinen anderen Weg nehmen.“

Ich sah ihn aus halb geschlossenen Augen an. Und du hast sicher auch eine plausible Erklärung dafür, dass du mich immer quälen und foltern musstest.

„Du wärst mir sonst aus dem Weg gegangen, also hab ich dich so wütend auf mich gemacht, dass du nur noch Rache an mir nehmen wolltest.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich war ein Narr, zu glauben deinen Freunden Schaden zufügen zu müssen. Es war vielleicht der schnellste Weg, aber nicht richtig“, er schüttelte den Kopf, „Aber was fasele ich da, ich bin ein Dämon. Es liegt in meiner Natur grausam zu sein.“

Er trat einen Schritt zurück und machte den Mund auf. „E…“, er musste würgen. „Es…“, setzte er wieder an, doch auch diesmal konnte er nicht weiterreden.

Ich machte einen Schritt nach vorne und sah ihn fragend an. „Was?“

Darius ließ den Kopf hängen. „Ich kann es nicht aussprechen.“

„Dann lass es bleiben.“ Da ich nun einen freien Weg hatte, drehte ich mich um. „Ich für meinen Teil haue jetzt ab.“

Darius packte mich am Arm, drehte mich um und zog mich ganz nah an ihn heran, sodass sein Gesicht dem meinem ganz nah war. „Oh nein. Du bleibst bei mir.“ Er lächelte. „Ohne mich kommst du hier sowieso nicht heraus.“

Ich zog eine Braue hoch und sah ihn schief an. „Denkst du das wirklich?“

„Ja. Und weißt du was?“

„Spuck es endlich aus. Ich will von dir weg“, meinte ich nur und verdrehte die Augen.

„Du wirst auch nicht mehr weg wollen, wenn ich mit dir fertig bin.“

Jetzt war ich wieder ganz bei der Sache und sah ihn entsetzt an, doch für irgendeine Reaktion war es jetzt schon zu spät.

Darius hatte die Finger in mein Haar gekrallt, meinen Kopf nach hinten gezogen, sodass ich ihn ansehen musste, und küsste mich.

Im ersten Moment war ich so perplex, dass ich einfach nur wie erstarrt dastand und meine Gedanken sortierte. Im nächsten Moment, hatte ich mich aber auch schon wieder gefasst und stieß ihn von mir.

„Was zur Hölle!“ Ich wischte mir angeekelt, mit dem Handrücken über die Lippen und spuckte aus. „Was sollte das!?“

Er trat an mich heran, doch ich sah ihn nur warnend an und bedeutete ihm, sich von mir fernzuhalten. „Komm schon, ich werde dir nichts tun.“

„Bring mich sofort zurück!“, schrie ich ihn an.

„Ach komm schon.“ Er machte einen weiteren Schritt auf mich zu und streckte die Hand aus, um mich zu packen, doch ich schlug seine Hand weg und zog ihm mit meinem Fuß die Beine weg.

„Ich habe dich gewarnt“, sagte ich, als er auf dem Boden landete. Kampfbereit stand ich da. Die Fäuste schützen gehoben und die Augen auf ihn gerichtet, wartete ich darauf, dass er wieder aufstand.

Wie vermutet blieb Darius allerdings am Boden liegen und sah mich höchst amüsiert an. „Gut. Von mir aus kannst du gehen, aber ich helfe dir nicht, die Chance hast du verspielt, als du mir die Beine weggezogen hast. Das zweite Mal schon, wenn ich dich darauf aufmerksam machen darf.“

Er verschränkte die Arme und setzte sein Du-kannst-ohne-mich-nicht-Lächeln an. „Müssen wir das Ganze wieder mit einem Kampf regeln?“

„Das hält mich aber auch nicht von meinem Vorhaben ab.“

Er schloss die Augen und legte den Kopf schief. „Ich denke, mit dir zu reden hat einfach keinen Sinn. Du bist unvernünftig, selbstsüchtig und einfach nicht bereit jemanden zu vertrauen.“ Er schnaufte vergnügt. „Ich denke das Beste wird sein, dich jetzt wieder zurückzubringen“, Darius schlug die Augen auf und lächelte wieder dieses sadistische Lächeln, das er aufsetzte, wenn ich damit rechnen musste zu sterben.

Verzweifelt seufzte ich auf. „Nein, nicht schon wieder!“ Der Kampf mit Darius war nun unvermeidbar, dank meiner Aktion. Genauso wie die Tatsache, dass ich das hier mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht „überleben“ würde.

Darius beschwor von neuem sein Schwert und es tauchte sofort wieder auf.

Grund genug mich Hoffnung schöpfen zu lassen, dass meines dasselbe tun würde. Also streckte ich die Hand aus, atmete tief ein und konzentrierte mich auf mein Schwert. Und tatsächlich konnte ich seine Anwesenheit spüren.

Wie jedes Mal rief es nach Blut und ausnahmsweise hatte ich auch den Wunsch Blut fließen zu sehen. Darius´ Blut.

Der Boden brach auf und mein Schwert tauchte auf. Ich schloss meine Finger fest um den Griff, entschlossen, es diesmal nicht entwischen zu lassen. Da fiel mir auf, dass es ganz schwach vibrierte, doch das ignorierte ich vorerst, denn es gab wichtigeres.

„Wie ich sehe, hat es sich entschlossen, doch wieder am Kampf teilzunehmen. Wie schön“, Darius ließ sein Schwert um die Hand kreisen, „dann macht das Ganze noch mehr Spaß.“ Er verschwand, um keinen Augenblick später vor mir zu stehen und sein Schwert auf mich niedersausen zu lassen.

Ich parierte seinen Angriff, wich aus und schlug nach seinen Beinen.

Darius sprang hoch. „Du stehst es dir auf meine Beine, oder?“, meinte er grinsend.

„Ja, denn aus den Ober- und Unterschenkelknochen kann man wunderbare Knochendolche machen. Das Schienbein ist natürlich auch eine hervorragende Waffe“, antwortete ich und lächelte.

„Ach, dann hat Mirihíus es also dir zu verdanken, dass er jetzt nur noch ein Bein hat?“, er schlug nach mir.

Ich wich rückwärts aus und versuchte meinerseits einen Treffer zu landen. „Naja, ich kenne die ganzen Dämonen nicht beim Vornamen, aber wenn es ein Blonder mit orange-blauen Augen war, dann ja.“

„Ja, diese Augen sind wirklich einzigartig.“

Ich legte all meine Kraft in den nächsten Hieb und das unvermeidliche Geschah: Unsere Schwerter schlugen aufeinander, schlugen Funken und sausten davon.

Doch diesmal ließ ich mein Schwert nicht los. Es war schon zur Hälfte im Boden versunken, doch ich hielt es fest und versuchte angestrengt, es wieder hinauszuziehen.

Langsam, aber stetig zog es mich mit sich. Meine Finger verkrampften sich und Schweiß trat mir auf die Stirn. „Oh nein, diesmal entkommst du mir nicht!“, knurrte ich.

„Nira! Lass das Schwert los!“, hörte ich Darius rufen.

„Sicher nicht!“, meinte Stimme war fast nur ein Knurren, so fest hatte ich meine Zähne zusammengebissen, „Erst wenn ich dein Blut fließen sehe!“

„Nira, es wird dich mitreißen!“, schrie Darius und ich hörte wie seine Schritte sich mir näherten.

Rasend vor Wut wollte ich etwas erwidern, doch da tat sich, im wahrsten Sinne des Wortes, der Boden auf und mein Schwert riss mich mit, in die dunklen Tiefen.

 

Als ich wieder zu mir kam, lag ich am Boden. Meine Knochen knackten, als ich meinen verdrehten Arm ausstreckte und er sich einrenkte.

Mein Kopf fühlte sich an, als ob jemand damit Fußball gespielt hätte und meinem Magen ging es nicht viel besser. Das Gefühl mein Frühstück wiederzusehen wurde immer größer bis ich zu würgen anfing, doch da fiel mir ein, dass ich gar nichts gegessen hatte.

Langsam versuchte ich mich hochzustemmen, wobei meine Knochen wieder ein seltsames Geräusch von sich gaben, welches sich diesmal aber eher nach einem Aneinaderreiben, als nach einem Einrenken anhörte.

Als ich den Kopf hob, bemerkte ich drei Dinge auf einmal.

Erstens war ich nicht mehr in der Höhle von vorhin, sondern an irgendeinem tristen Ort, der nach Tod und Verwüstung aussah.

Zweitens steckte mein Schwert vor mir, nur Millimeter von meinem Kopf entfernt und drittens waren meine Hände von einer lederartigen Haut überzogen, die meine Knochen und Muskeln umspielte.

Ich kniff die Augen zusammen, sodass ich Sterne sah. Oh nein, bitte nicht. Lass meinen Körper bitte normal aussehen! Doch schon als ich meinen Kopf drehte, um meinen restlichen Körper zu betrachten, wusste ich, dass mein Bitte unerhört bleiben würde. Das Aufschlagen meiner Augen bestätigte mir schließlich meine Befürchtung.

Ich hatte mich in einen Dämon verwandelt. Besser gesagt eine Dämonin. Mit nichts an, als der Haut, die sie am Leibe trug.

Betrübt und enttäuscht ließ ich meinen Kopf wieder sinken und blieb einfach liegen. Verdammt! Warum habe ich das Schwert nicht losgelassen! Ich dummer, dummer Dämon.

„Hey, was tust du da und wer bist du?“, hörte ich eine männliche Stimme hinter mir.

Na toll. Ich hob den Kopf und sah die Person hinter mir an. „Tut mir leid, aber ich habe selber keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin“, wütend und traurig schlug ich mit der Faust auf den Boden, „Ach verdammt! Ich habe nicht einmal eine Ahnung wo ich hier überhaupt bin.“

Die Person kam auf mich zu und trotz der Tatsache, dass ich nackt war und das auch wusste, lief ich nicht rot an. Sie blieb vor mir stehen und ich konnte erst jetzt erkennen, dass es sich um einen anderen Dämon handelte.

Er sah aus, wie Darius in Dämonengestalt, und doch wieder nicht. Er war nicht ganz so muskulös wie Darius, hatte auch keine Hörner, aber Schwanz und Schwingen waren dieselben.

Ich entschied mich dafür ruhig zu bleiben und mir nicht mein Unbehagen anmerken zu lassen.

Der Fremde legte den Kopf schief und schätzte mich ab. „Du bist nicht von hier, stimmst?“, meinte er gelassen.

„Nein“, antwortete ich kopfschüttelnd.

Er schien einen Moment zu überlegen, dann sah er mein Schwert an. „Ich kenne das Schwert“, er zeigte auf die Waffe, die mir den ganzen Mist eingebrockt hatte, „Hat es dich hierhergebracht?“

Ich nickte nur.

„Komm“, er deutete mir aufzustehen, „Lass uns hineingehen.“

Nachdem er sich umgedreht hatte, stand ich auf, nahm mein Schwert und folgte ihm. „Wer sind Sie?“, fragte ich neugierig.

„Sarméhnius“, antwortete er schlicht.

Mit einem Sicherheitsabstand von ungefähr zwei Metern, folgte ich ihm zu einer, nicht minderwertig aussehenden Villa, die ganz und gar nicht zu der düsteren Atmosphäre um sie herum passte.

Als er die alte Tür öffnete und eintrat, blieb ich stehen. Er drehte sich um und sah mich wartend an. „Ich verstehe ja, dass du mir nicht vertraust, aber so“, er deutete an mir herunter, „kann ich dich nicht mitnehmen. Du brauchst ordentliche Kleidung, danach suchen wir deinen Meister.“

Meister; dass ich nicht lache. Ich gehöre mir und sonst niemanden, knurrte mein Inneres.

Wer musste denn den Pakt mit ihm abschließen!, fuhr mein inneres Ich mich an.

„Bevor ich das Haus“, ich räusperte mich, „ich meine die Villa, betrete, würde ich nur zu gerne erfahren, wo ich eigentlich bin.

Er drehte sich um und sah mich ungläubig an. „Wow, du musst echt neu sein. Dein Meister sollte sich schämen, jeder Dämon hat die Pflicht seinem Schützling die Unterwelt zu zeigen.“ Er schnaufte. „Aber diese Dümmlinge gibt es immer wieder.“ Sarméhnius verschwand in der Villa.

Ich wollte dort nicht hinein. Mal abgesehen davon, dass die Villa, wie alles andere hier auch, in mir leichte Panik auslöste, war da noch dieser Dämon, der mich umbringen oder mir helfen würde.

Doch der Dämon war jetzt meine einzige Chance hier jemals wieder wegzukommen. Auch wenn ich ihm nicht vertraute, so kam mir der Typ nicht gefährlich vor. Komisch. Und so folgte ich ihm in die Villa, ob es nun mein Untergang oder meine Rettung war, würde ich sicher gleich herausfinden.


Kapitel 12 - Fahr zur Hölle!

 

Von außen sah die Villa vielleicht beeindrucken aus, doch innen sah es aus wie in einem Palast, und das sprengte mein Bild wieder.

Außen hui, Innen…OH. MEIN. GOTT!

Von innen ähnelte das alte Gebäude einem prunkvollen Schloss. Edle Schnitzereien zierten die Holkästen, Flügeltüren und sogar die Wände.

Prächtige Gemälde hingen an den Wänden. Sie zeigten alle einen einzigen Mann. Man hätte annehmen können, dass all die wunderschönen Gemälde in einem Jahr angefertigt wurden, denn nirgends war auch nur die kleinste Veränderung des Mannes zu sehen.

Doch bei genauerer Betrachtung fielen mir die Jahreszahlen in der unteren rechten Ecke auf. Sie reichten durch mehr als nur zwei Jahrhunderte. Hier und da las ich 1739, 1652 und einmal sogar 1463.

Der Mann auf den Portraits hatte feuerrotes Haar, das ihm einmal bis über die Schultern reichte, aber ihm auch öfters, in kurzen, verwegenen Strähnen, ums Gesicht fiel.

Er vor groß muskulös und er wirkte mächtig. Sehr mächtig.

Sarméhnius schlenderte durch einen langen Gang, während ich ihm auf Schritt und Tritt folgte, ein wenig eingeschüchtert von seiner mächtigen Gestalt und dem prunkvollen Zuhause.

„Wie lange bist du schon ein Dämon?“, fragte er.

Ich verknotete meine Finger ineinander, da es mir selbst schon zuwider war, mich als Halbdämon bezeichnen zu müssen. „Seit 1259.“

Sarméhnius blieb stehen und drehte sich mit einem sichtlich verwunderten Gesichtsausdruck zu mir um. „Welcher Dummkopf hat dich denn verwandelt?“

Verlegen trat ich von einem Fuß auf den anderen. Plötzlich schämte ich mich davor ihm zu sagen, dass ich von Darius verwandelt wurde. Irgendetwas in mir riet mir davon ab, auch nur ein Wort über ihn zu verlieren. „Ich möchte nicht darüber reden“, meinte ich, den Blick beschämt auf den Boden gerichtet.

„Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber normalerweise wird jeder Dämon spätestens zwei Wochen nach seiner Verwandlung mit in die Unterwelt genommen.“

Ich sah kurz auf und begegnete Sarméhnius ´ mitleidigen Blick. Konnten Dämonen wirklich so etwas wie Mitgefühl verspüren?

Er drehte sich wieder um und ging weiter. Wir schritten durch eine weitere Tür und blieben in einem edlen Schlafzimmer stehen. An den Wänden waren zwei riesige Bücherregale, die randvoll mit alten, sehr wertvoll aussehenden Büchern vollgeräumt waren.

In der Mitte des Zimmers stand ein riesiges Doppelbett mit Vorhängen, das genug Plätz für mindestens vier Personen bot. Ich wollte gar nicht erst wissen, für was ein Dämon ein so großes Bett brauchte.

Mein Blick fiel auf die letzte Wand. Dort stand der größte Schrank den ich jemals gesehen hatte. Als Sarméhnius dorthin ging und die Schranktür aufschob, traute ich meinen Augen nicht.

Er war voll mit prächtigen Kleidern und Schuhen. Es sah aus, als wäre dieser Kasten extra nur für edle Anlässe gemacht worden. Aber was hatte ich anderes erwartet? Wer so eine Villa besaß, war sicher ein ganz hohes Tier in der Rangliste.

„Falscher Schrank“, meinte er beiläufig und schloss die Tür, nur um die daneben aufzustoßen. Diesmal hingen keine wunderschönen Kleider aufgereiht nebeneinander darin. Hier waren auf verschiedenen Regalen, die unterschiedlichsten T-Shirts, Tops und Hosen aller Art gestapelt.

Sarméhnius drehte sich zu mir um. „Such dir etwas aus, es ist bestimmt etwas für dich dabei“, meinte er und deutete mit einer Geste auf den Schrank.

Ich stieß den Atem aus, den ich bis jetzt angehalten hatte und mir fiel die Kinnlade runter. „Aus den ganzen Sachen?“ Mein Blick glitt über die Kleidungsstücke, von denen einige so gar nicht nach billig aussahen. „Danke, ich weiß nicht was ich sagen soll…“, ich sah ihn an.

„Du kannst mich Sam nenne, wenn es dir leichter fällt“, meinte er mit einem freundlichen Grinsen. „Wenn du fertig bist, findest du mich in der Küche. Einfach geradeaus und am Ende links“, er deutete in die Richtung und verschwand dann aus dem Zimmer.

Ich blieb einen Moment sprachlos stehen, dann begann ich in dem Kasten nach Kleidung zu suchen, die nicht zu teuer aussah und mir gefiel, immer darauf bedacht, keine Unordnung in den Schrank zu bringen.

Als ich alle Sachen zusammenhatte fiel mir auf, dass ich gar keine Unterwäsche hatte. Mein Blick fiel auf zwei große Laden am Fußende des Schrankes, die ich neugierig aufzog.

In der obersten Lade waren BHs aller Art und in der darunter fand ich die dazu passenden Höschen.

Die Tatsache ignorierend, dass ich keine Ahnung hatte, wem diese Unterwäsche wohl gehören konnte, suchte ich einen roten BH mit dem dazu passenden Höschen heraus und begann mich anzuziehen.

Die Sachen passten wie angegossen und als in den Spiegel blickte, war ich mehr als zufrieden mit meinem Aussehen.

Das schwarze rückenfreie Top passte wunderbar zu der dunkelblauen Jean und ich fühlte mich halbwegs normal.

Doch die Tatsache, dass meine Haut nun von schwarzem Leder überzogen war, und hinter mir ein Schwanz samt Flügeln zuckte verstörte mich. Im Spiegel stand eine fremde Kreatur, die mir Angst einjagte.

 

Ein wenig verstört folgte ich Sams Beschreibung in die Küche und fand ihn an einen Tresen gelehnt stehen.

Erst jetzt fiel mir seine Rüstung auf. Die roten Schuppen darauf schimmerten bei jeder kleinsten Bewegung wie kleine Flammen. Sie passte perfekt zu ihm, es schien fast so, als ob sie ihm angewachsen wäre.

Sam musterte mich von oben bis unten. „Freut mich, dass du etwas Passendes gefunden hast.“ Er stand auf und kam auf mich zu. „Wir sollten jetzt deinen Meister finden und ich denke ich weiß auch schon wo wir ihn finden.“

„Ich habe noch eine Frage“, sagte ich zögerlich.

„Gerne, frag ruhig.“

„Muss ich jetzt für immer so herumrennen?“ Er zog die Augenbrauen in die Höhe und ich wand mich unter seinem Blick. „Ich fühle mich nicht wohl.“

„Noch nie verwandelt?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nicht so.“

Er seufzte. „Du wirst wieder aussehen wie ein Mensch, wenn du es beherrscht, oder dein Meister das für dich übernimmt.“

Toll, das heißt entweder Darius finden und hoffen, dass er mich zurückverwandelt, oder alleine zurechtkommen und nach Jahren wieder normal werden. Da ich wusste, dass Drake und die anderen versuchen würden mich zu finden, hieß es so schnell wie möglich wieder zurückkommen.

Ich verließ mit Sam das Haus und ging neben ihm her. „Würde der Name meines Meisters dabei helfen, ihn zu finden?“

„Kommt darauf an. Kennst du seinen wahren Namen, oder nur seinen Decknamen in der Menschenwelt?“ Sam warf mir aus dem Augenwinkel einen fragenden Blick zu.

„Naja, ich weiß nicht. Ich kenne ihn nur als Darius Federer, oder wie sie ihn damals nannten „der Seelenfänger“. Sagt dir der Name etwas?“

Er zog die Augenbrauen zusammen. „Oh ja.“ Ein Knurren drang aus seiner Kehle und ich erzitterte. „Es gibt da eine private Sache, die wir beide noch zu klären haben.“

Na toll! Aber he! Wie heißt es doch so schön: Der Feind deines Feindes ist dein Freund.

„Und das Tolle an der Sache ist, dass ich haargenau weiß, wo er jetzt ist.“ Sam legte einen Arm auf meine Schulter und schon lösten wir uns in Rauch auf.

 

Als ich mich diesmal neben Sam materialisierte, war das Übelkeitsgefühl, dass ich sonst immer verspürte, nur noch ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend.

„Da sind wir.“

Ich folgte seinem Blick auf eine heruntergekommene Bar. „Sieht hier alles so trist aus?“, fragte ich mich laut und hielt mir sofort die Hände vor den Mund.

Auf Sams Lippen bildete sich der Ansatz eines Lächelns. „Nein, eigentlich nicht. Aber manche Dämonen haben es so lieber.“

Ich folgte Sam, als er auf die Tür der Bar zuging und sie mit einem Schwung aufstieß. „Daráhial Diabol! Komm raus du kleiner Scheißer!“

Alle Blicke aus der Bar richteten sich auf uns beide und jetzt fühlte ich mich sogar noch unwohler in meiner Haut, als vorhin vor dem Spiegel.

„Was willst du, Sarméhnius?!“

Alle Blicke im Raum wanderte zu einem gehörnten Dämon, der sich erhob und Sam grimmig anstarrte.

„Ich habe ein ernstes Wörtchen mit dir zu Reden.“

Daráhial fletschte die rasiermesserscharfen Zähne und bewegte sich mit schweren Schritten auf uns zu.

Sam trat von der Tür weg und ich verschwand hinter ihm, als Daráhial heraustrat. Die Tür knallte ins Schloss und ich zuckte zusammen.

„Du wagst es mich vor allen mit diesem lächerlichen Spottnamen anzusprechen? Willst du allen Ernstes meinen Zorn auf dich ziehen?“, knurrte er Sam an.

„Ich dachte dein Schützling sollte deinen wahren Namen kennen, wenn sie schon das erste Mal in so eine verstörende Gegend kommt und sich nicht sofort selbst umbringt, dann kann sie dein Name schon gar nicht mehr umhauen. Außerdem ist es mit dem Anhängsel nur gerecht“, meinte Sam gleichgültig und tat einen Schritt auf die Seite, sodass Daráhials Blick auf mich fiel.

Er sah mich eindringlich an, schien aber nichts das Geringste mit mir anfangen zu können.

Ich versuchte mich wieder hinter Sam zu verstecken. „Ich denke wir haben den Falschen“, fiebste ich.

„Nein, nein. Wir haben den Richtigen“, meinte Sam.

Mein Schwanz zuckte nervös hinter mir hin und her, die Flügel hatte ich nutzlos auf meinem Rücken zusammengelegt. Zum ersten Mal in meinem Leben kam ich mir Schutzlos vor.

„Wer ist sie?“, fragte er Sam.

„Ich denke nicht, dass das der Darius ist den ich meinte“, flüsterte ich kaum hörbar.

Sam ignorierte mich und machte stattdessen einen Schritt auf den Dämon zu. „Schlimm, wenn ein Dämon seinen eigenen Schützling nicht wiedererkennt.“

„Was unterstellst du mir?“, fauchte er und zog sein Schwert. Es sauste auf Sam nieder und ich kniff die Augen zusammen.

Das Klirren von Metall ertönte und ich erwartete Sam mit einem Schwert vor mir stehen zu sehen. Stattdessen stand ich mit meinem Schwert vor ihm und blockte den Hieb ab.

Ich sah Erkenntnis in den Augen des Dämons aufblitzen. „Nira?“, fragte er mehr amüsiert als ungläubig.

Doch Darius. Eindeutig.

„Was hat mich verraten?“, fragte ich sauer.

„Dein Schwert und er unerträgliche Gestank von Angst, der an dir haftet.“ Er streckte sein Schwert in die Scheide auf seinem Rücken und sah Sam grimmig an. „Was machst du bei ihm?“

„Er hat mich sozusagen gerettet, als ich neben meinem Schwert zu Bewusstsein kam“, knurrte ich.

Sam legte eine Hand auf meine Schulter, woraufhin Darius mich hinter sich zog und irgendetwas Unverständliches knurrte.

„Du hast noch Schulden bei mir, Freundchen.“

„Du meinst die Seele, die sich lieber auf mich eingelassen hat, als auf dich?“

„Du hast sie verführt und verdammt! Du wusstest, dass ich Lyra liebte!“

Ich blickte zu Darius auf, der eine ausdruckslose Miene aufgesetzt hatte. Das hieß nichts Gutes.

Bevor die beiden allerdings aufeinander losgehen konnten, stellte ich mich zwischen sie. „Stopp!“

Beide starrten mich an. „Sam, danke dass du mir geholfen hast, das werde ich dir nie vergessen. Aber“, ich wandte mich an Darius, „ich muss zurück, bevor Drake irgendetwas Dummes anstellte und es hieß nur du könntest mich auf die Schnelle zurückverwandeln.“

Sam sah mich unschlüssig an. „Moment, er hat dich vor den Augen von Menschen angegriffen?“, sein Blick glitt zu Darius, „Du weißt, was dafür auf dem Spiel steht.“

Darius winkte ab. „Das sind Dämonenjäger, die schockt so eine kleine Demonstration meiner Fähigkeiten nicht.“

Jetzt war ich es, die Darius grimmig ansah. „Was für Kräfte? Die, mit denen du mich und meine Leute außer Gefecht setzt?“

„Sie ist eine Jägerin? Bist komplett wahnsinnig?“, Sams Blick fiel auf mich, „Du kommst mir nicht vor wie jemand, der es liebt uns abzuschlachten.“

„Weil ich nur hinter ihm her bin.“

„Dir ist hoffentlich klar, dass du stirbst, wenn du ihn tötest bevor der Pakt gebrochen ist, oder?“

„JA!“, knurrte ich Darius an.

Dieser hob beschwichtigend die Hände. „Mach nicht mich dafür schuldig, du hast mit deinem Blut unterzeichnet.“

Um meine Seele geprellt.

„Ich ja so dermaßen im Arsch !“, ich faltete die Hände auf meinem Kopf und ging in Richtung Wald. Mein Schwanz zuckte unruhig hin und her und meine Flügel hatten sich ausgebreitet. Erst zuckte ich zusammen, als ihre großen Schatten auftauchten, doch mit der Zeit registrierte ich, dass sie nicht gefährlich waren.

Ziellos irrte ich voran, keinen Plan was ich jetzt tun sollte. War alles ein Schwindel? Konnte ich meine Seele nicht mehr retten?

Ich blieb stehen und sank auf die Knie. Was würden meine Freunde dazu sagen? Würde Drake sich überhaupt noch mit mir abgeben, wenn er erfuhr, dass ich für immer ein gebundener Dämon bleiben würde?

Was würden Joanne und Mason tun? Würde Jason mir glauben?

Mein Kinn sank gegen meine Brust und ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen. Ich betrachtete meine Hände, die nun klauenartige Waffen waren, griff nach hinten und erforschte das komische etwas, das hinter mir zuckte. Einzig und allein meine Flügel wagte ich nicht anzufassen, denn sie machten mir am meisten Angst.

Engel hatten Federn. Egal ob gut oder böse. Aber Lederschwingen? Kein gutes Wesen hatte Lederschwingen in dieser Größenordnung.

Eine Träne lief über meine Wange und ihr Pfad hinterließ einen brennenden Schmerz, sodass ich sie mir schnell aus dem Gesicht wischte. Doch selbst auf meiner Hand brannte diese Träne wie ein Brandeisen. Ich studierte sie und ließ all meine unausgesprochenen Fragen durch meinen Kopf fluten.

„Salzwasser verbrennt uns. Hast du jemals einen Dämon weinen sehen? Das ist der Grund“, meinte eine sanfte Stimme und strich mir eine schwarze Strähne aus dem Gesicht.

Ich hob langsam den Kopf und blickte in Sams Augen. Zumindest glaubte ich, dass der Mensch vor mir Sam war. Die Augen waren dieselben und ich erkannte den Mann aus den Portraits wieder. Er sah mich vertrauensvoll an und ich versuchte zu lächeln.

„Lass dich nicht hängen, du schaffst das schon. Wenn du Hilfe brauchst, lass es mich wissen, ich werde dir immer helfen“, sprach er sanft.

Ohne es zu wollen, fiel ich ihm in die Arme und brach zusammen. Egal wie sehr mich Tränen auch verbrannten, ungeweint verbrannten sie mich noch mehr.

Er fuhr mit der Hand durch mein Haar und murmelte beruhigend auf mich ein. „Schh, schon gut. Das wird wieder, du wirst dich daran gewöhnen. Schau, du hast es schon seit über siebenhundert Jahren durchgehalten, da wird der Rest ein Kinderspiel für dich.“

Ich schniefte und ließ mich vollkommen gegen ihn sinken, bedacht darauf ihm nicht wehzutun. „Warum hilfst du mir?“, schluchzte ich.

„Mir ging es damals genauso, als ich geschaffen wurde. Mein Meister hatte mich nur an sich gebunden, um eine Wette zu gewinnen. Es interessierte ihn herzlich wenig, was aus mir wurde.“ Seine Hand verharrte auf meinem Kopf, als ob er in Gedanken abgedriftet wäre. „Ich wurde wie du, von meinem Schwert in die Unterwelt gezerrt. Eine Ewigkeit irrte ich orientierungslos herum, auf der Suche nach der Wahrheit geriet ich an einen anderen Dämon, der meine missliche Lage bemerkte und schamlos ausnutzte. Ich wurde misshandelt und endete schließlich auf dem Sklavenmarkt.“

Ich wagte es nicht, mich zu bewegen in der Angst, würde aufhören zu sprechen. Seine Stimme beruhigte mich und langsam kehrte mein innerer Friede zurück, doch er war labil.

„Irgendwann gelang mir die Flucht und ich versteckte mich solange, bis ich stark genug war, mich gegen andere Dämonen zu stellen.“ Er nahm mein Gesicht in die Hände und brachte mich dazu ihn anzusehen. „Alles was du gesehen hast, hat Jahrtausende gedauert, bis ich es zusammenhatte. Ich weiß wie es dir gerade geht und ich möchte nicht, dass es dir ergeht wie mir, deshalb möchte ich dir helfen.“

Ich rang mir ein Lächeln ab und erwiderte seines. „Dankeschön“, hauchte ich, bevor ich mich wieder gegen ihn sinken ließ.

Hinter mir begann jemand zu klatschen. „Oh, wie rührend“, spöttelte Darius. „Und jetzt lass sie los.“ Ein Befehl.

Ich spürte wie Sam sich von mir löste, genauso wie seine trostspendende Umarmung. „Lass sie, Daráhial, sie hat es schon schwer genug.“

„Das lass mal meine Sorge sein.“

Beide fingen an zu knurren und ich kauerte mich am Boden zusammen. Ich will heim! Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so hilflos gefühlt wie jetzt gerade.

Ich spürte, wie Darius eine Hand auf meine Schulter legte; auch er hatte seine menschliche Gestalt angenommen. „Ich bringe dich zurück. Steh auf.“

Mir ging durch den Kopf, dass ich ihn noch davon überzeugen musste, meine Gestalt zu ändern, als ich auf meine Arme sah und sie wieder menschlich waren. Meine Kleidung war komischerweise auch wieder da. Ich drehte mich zu Darius um. „Warst du das?“, fragte ich zögerlich.

Er antwortete nicht, sondern zog mich an sich. „Wir sehen uns ein andermal, Sarméhnius.“ Er beugte sich zu mir hinunter und flüsterte mir ins Ohr: „Ich bringe dich zurück, allerdings kann ich dich nicht so heil wie jetzt dort absetzten.“

Es klang wie eine Entschuldigung, aber was folgte war alles andere als das.


Kapitel 13 - Das Verhör

 

Darius hatte ganze Arbeit geleistet. Ich sah aus, als hätten wir uns einen Kampf auf Leben und Tod geleistet, in dem ich ausnahmsweise ganz geblieben war.

Vollkommen zerschunden tauchte ich in der Trainingshalle auf, wo Drake und Joanne sich um Max kümmerten.

Sie versuchten anscheinend etwas aus ihm, über die Sache mit Darius und mir herauszufinden.

Die zahlreichen blauen Flecken auf seinem Gesicht zeugten davon, dass sie dabei nicht wirklich viel Erfolg hatten. Aber jetzt war ich ja wieder da und sie konnten die Sache mir überlassen, was ich allerdings bezweifelte.

Max war der Erste, der bemerkte, dass ich wieder zurück war und er schien nicht wirklich glücklich darüber zu sein, wie sauer ich ihn ansah.

Joanne redete auf ihn ein, doch als sie merkte, dass er ihr gar nicht zuhörte, sondern geradewegs an ihr vorbei sah, folgte sie seinem Blick und erstarrte, als sie mich sah.

Drake hingegen traf fast der Schlag, nachdem er mich erblickte, aber es musste eben überzeugend aussehen. Dennoch, es tat so höllisch weh, dass ich mir wünschte bewusstlos zu sein. Die blauen Flecken würden zwar sehr schnell heilen, doch bis dahin tat jeder Schritt so weh, wie ein Schlag auf die jeweilige Stelle.

Ich zuckte bei jeder Bewegung zusammen, was Drakes gerade noch neutrale Stimmung weiter sinken ließ.

Beschwichtigend hob ich die Hand, doch da hatte Drake ihn auch schon mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

Joanne und ich sahen ihn entsetzt an. „Drake! Was tust du da!“, schrie Joanne und kniete sich neben, den am Boden liegenden Max. Aus seiner Nase rann Blut, ziemlich viel Blut. Wahrscheinlich hatte Drake sie ihm gebrochen.

Im schnellen Schritt kam ich auf Drake zu und blieb neben ihm stehen. „Wow. Es braucht echt viel um dich aus der Ruhe zu bringen.“ Ich hob den Kopf und sah zu ihm auf. „Was hat er getan?“

Drake wandte sich zu mir um und legte die Arme auf meine Schultern, was mich zusammenzucken ließ. Sofort nahm er seine Hände wieder weg. „Tut mir leid.“ Er sah Max wütend an. „Er hat eine Abmachung mit Darius, keinen Pakt. Er liefert dich ihm aus, Darius räumt dich aus dem Weg und er bekommt meine Stelle.“ Drake knurrte. „Er hat dir weh getan, schon allein dafür verdient er es zusammengeschlagen zu werden.“

Joanne hob den Kopf und unsere Blicke trafen sich. Sie hob eine Augenbraue und wir tauschten ein stilles Einverständnis aus.

„Also, wenn ich das richtig verstanden habe, und ich habe keine Ahnung, ob ich das habe, dann hast du Max zusammengeschlagen, weil er mich indirekt verletzt hat?“

„JA!“ Er drehte sich um und fing wieder an zu knurren. „Er ist genauso ein Abschaum, wie Darius.“

Wow. Dreht Drake jetzt völlig durch? Was um Himmels Willen dachte er sich dabei? Greg könnte ihn kurzerhand hinauswerfen! Etwas verwirrt blickte ich zwischen allen hin und her.

Joanne war sein Verhalten ebenso aufgefallen wie mir. „Ähm…Drake, ich denke du kannst jetzt gehen.“ Er rührte sich nicht, sondern starrte Max immer noch wütend an. Er registrierte gar nicht, dass wir neben ihm standen. Einzig und allein Maximilian galt seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Joanne deutete auf meine Wunden und gestikulierte wild umher, doch ich verstand nicht was sie von mir wollte und sah sie irritiert an.

Sie deutete auf mich, meine blauen Flecken und dann auf Drake. Meinte sie damit, ich sollte Drake auf meine blauen Flecken aufmerksam machen? Ich wusste es nicht. Naja, wer nicht wagt…

„Aua“, stöhnte ich leise.

Drake drehte sich zu mir und jetzt war ich diejenige, die seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. BINGO!

Er schlang beschützend die Arme um meine Taille und zog mich sanft an sich. „He, schon gut, Nira. Lass uns zur Krankenstation gehen, damit sie dir etwas gegen die Schmerzen geben können.“

Ich lächelte frustriert. „Drake, ich bin ein gebundener Halbdämon, ich denke nicht, dass die mir helfen können, oder werden. Außerdem werden die blauen Flecken sowieso bald wieder verheilt sein, mach dir da keine Sorgen.“

Drake nahm mein Gesicht in die Hände. „Ich weiß, aber du darfst trotzdem nicht so leichtsinnig sein. Vielleicht gibt es Sachen, die dich trotz des Paktes umbringen können.“

Ich winkte ab. „Nicht möglich. Nur Darius kann mich umbringen und solange ich hier bei euch bin, kann mir nichts passieren.“

Joanne war mittlerweile zu Max gegangen und hielt ihm ein Taschentuch auf die Nase. Sie flüsterte ihm irgendetwas zu, dass selbst ich nicht verstand, doch als sie den Kopf hob und mir deutete weiterzumachen, schob ich die Neugier auf die Seite.

„Drake, ich denke ich verstehe jetzt“, ich riss entsetzt die Augen auf, als ich sah was Joanne vorhatte, „NEIN! Joanne, lass das!“ Ich ließ Drake links liegen und stürzte mich auf Joanne, die Max gerade Blut einflößen wollte.

Wir rollten über den Boden und ich hielt sie fest. „Sag mal spinnst du? Du kannst ihm doch kein Blut einflößen! Was wenn er stirbt? Ich für meinen Teil brauch nicht noch ein Teammitglied, das unter meiner Aufsicht stirbt, oder gar von mir getötet werden muss!“, ich deutete ihr den Vogel, „Dann kann ich mir ja gleich die Kugel geben!“

„Nira, darüber brauchst du dir keine Sorgen machen, ich kann ihn nicht in einen Vampir verwandeln. Ich…“

„WAS?!“, schrie Drake wütend.

Ich rollte mich von Joanne herunter und wir sahen Drake fragend an. Ich hatte ganz vergessen, dass er nichts von Joannes Geheimnis wusste. „Ach, nichts, nichts. Nur eine persönliche Angelegenheit.“

Ein ermahnender Blick in Joannes Richtung und sie verstand. Wir standen auf und klopften unsere Kleidung ab.

„Ich will das jetzt wissen. Sofort!“, knurrte Drake aufgebracht.

„Drake, du weißt aber schon, was eine „persönliche Angelegenheit“ ist, oder?“, meinte Joanne säuerlich.

Drake ging auf Joanne zu und blieb direkt vor ihrer Nase stehen. „Wenn es darum geht, dass Max von DIR zum Vampir gemacht wird, dann habe ich sehr wohl das Recht zu erfahren was es damit auf sich hat!“

Ich formte mit den Lippen ein „Tut mir Leid“ und senkte den Kopf.

Joanne winkte ab und wandte sich wieder an Darius. „Erstens: Max wäre, wie schon gesagt“, ein Blick in meine Richtung“, nicht zum Vampir geworden, denn obwohl ich 2. zur Hälfte ein Vampir bin, kann ich keinen vollen Vampir erschaffen. Mein Blut heilt einfach Wunden, die nicht so schwerwiegend sind. Klarerweise kann ich keine schweren Verletzungen kurieren, aber ich kann zum Beispiel einen Nasenbruch“, sie zeigte auf Max, „schneller heilen lassen.“

Drake warf abwechselnd einen Blick auf Joanne und dann wieder auf mich. „Wie lange weißt du das schon?“, fragte er an mich gewandt.

„Ich habe es heute erfahren, also wage es ja nicht mich für irgendetwas zu beschuldigen, was ich gar nicht wusste. Aber auch nicht auf Joanne losgehen, weil sie zur Hälfte ein Vampir ist.“

Er wurde wütend. „Du willst, dass ich angesichts eines solchen Geständnisses ruhig bleibe?“, er sah mich an als ob ich zurückgeblieben wäre, „Nira, sie ist ein Halbvampir!“

„Jetzt mach mal halblang, Freundchen! Ich bin ein gebundener Halbdämon und das stört dich nicht, obwohl es weitaus schlimmer ist!“, kopfschüttelnd drehte ich ihm den Rücken zu. Von Idioten umzingelt!

Joanne war mittlerweile abgezogen, weil sie sich Drakes Bemerkungen nicht länger anhören wollte, und brachte Max am anderen Ende des Raumes, im Waschzimmer wieder in Ordnung.

„Aber du beißt wenigstens niemanden, wenn du Hunger hast!“, warf Drake ein.

„Ich könnte euch alle in ein Häufchen Asche verwandeln, wenn ich auch nur Ansatzweise wütend werde! Aber da gibt es etwas, das nennt man Selbstkontrolle!“ Ich drehte mich wieder um. „Oder denkst du nicht, dass ich mit meiner Kraft alles und jeden kurz und klein schlagen kann? Denkst du auch einmal daran, wie oft ich dich fast in Fetzen gerissen hätte, weil du mir zu nahe standest?“

„Aber das ist etwas anderes! Vampire sind gefährlicher, unberechenbarer und gewalttätiger!“

WUSCH!

Auf Drakes Wange zeichnete sich eine rote Handfläche mit fünf Fingern ab.

„WAS BILDEST DU DIR EIGENTLICH EIN, SO MIT MIR ZU REDEN?!“, knurrte ich ihn an. „Joanne ist genauso ein Teammitglied wie ich, Jason, Mason und du!“

Drake blickte stumm zu Boden.

„Was ist eigentlich auf einmal mit dir los? Wieso gehst du auf alle los, die…“ Mir fiel nicht das richtige Wort ein.

„Dir gefährlich werden können?“, meinte Max, der zusammen mit Joannes auftauchte.

Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. „Warum ist mir das nicht früher aufgefallen?“, fragte ich mich selbst. „Aber wir sind vom Thema abgewichen“, ich wollte dieses Thema nicht weiter behandeln, denn was Drake sagen würde, würde alles verändern. Unsere Zusammenarbeit würde darunter leiden, unser Vertrauen wäre nicht mehr dasselbe, aber vor allen Dingen, würde ich meinen besten Freund und engsten Vertrauten verlieren. Doch das Komplizierteste käme sicher noch. Denn irgendwann würde ich mich der Tatsache stellen müssen. Doch dafür war ich einfach noch nicht bereit.

„Wir haben andere Probleme“, ich wandte mich Maximilian, „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“

Er hob unschuldig die Hände. „Was soll ich sagen, ich bin eben ein Mensch.“ Joanne funkelte ihn an, woraufhin er mit den Schultern zuckte. „Was? Ist so.“

Joanne verdrehte die Augen. Sie wandte sich an mich. „Warum wundert mich das nicht?“

Ich winkte ab. „Was ich mich eher frage, ist was du dir davon verhofft hast, mich auszuschalten. Vielleicht käme es den Anderen gelegen, aber wenn nicht, wärst du verbannt, oder gar zum Tode verurteilt worden. Doch selbst wenn das alles nicht passiert wäre, Drake und die anderen hätten dich nicht so ungeschoren davonkommen lassen.“

„Das wäre mein kleinstes Problem. Aber ich hätte da eine Frage“, meinte er ohne Umschweife.

„Du bist wohl kaum in der Lage Fragen zu stellen, Verräter!“, fauchte Drake ihn an. Am liebsten hätte er ihn in Fetzen gerissen, doch er wusste, dass ich das niemals zulassen würde.

Ich winkte ab. „Lass nur, eine unnötige Frage mehr oder weniger macht das Kraut jetzt auch nicht mehr Fett.“ Mein Blick wanderte zu Max. „Was ist?“

„Wo warst du gerade?“

Überrumpelt von der Frage fing ich an zu stottern. Woher konnte er wissen wo ich war? War das eine Fangfrage? Riet er ins Blaue? Wusste er es vielleicht gar nicht? Oder aber war es Darius Schuld?

„Du hast nicht das Recht, sie so etwas zu fragen! Dieser Dämon hat sie gefangen genommen! Sieh sie dir doch nur an“, er deutete auf meine zerschundene Kleidung, „Sie war wohl kaum freiwillig bei ihm?“

Max musterte mich abschätzig. „Sie stinkt ganz schön nach Schwefel, ist dir das noch nicht aufgefallen?“, sein Blick glitt an mir herunter, „Ich hätte auch eine andere Vermutung, die die zerrissene Kleidung erklären könnte.“

Langsam wurde Drake stutzig. „Was meinst du damit?“

„Hast du noch nie gesehen was passiert, wenn ein Dämon sich vollends verwandelt? Immerhin hast du im Auto wenigstens eine Ahnung davon bekommen.“

Drake musterte mich und Joanne sah beklemmt zwischen uns hin und her.

„Wo warst du die letzten anderthalb Stunden?“, fragte Drake schließlich.

Erzähl ihnen ja nichts von der Unterwelt, ihr würdet es alle mit dem Tod bereuen“, hallten mir Darius´ Worte im Kopf wieder.

„Ich war…in einer Höhle und habe mit Darius gekämpft.“ Wahrheit.

„Warum ist deine Kleid ung zerrissen?“

„Das ist während des Kampfes passiert.“ Wieder die Wahrheit.

„Hast du dich verwandelt?“

„Warum werde ich jetzt eigentlich verhört? Ich dachte wir wollten Max verhören, weil er mit Darius eine Abmachung hatte?“

„Hast du dich verwandelt?“, wiederholte er diesmal eindrücklicher.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich sehe keinen Grund dir diese Frage zu beantworten.“

Er seufzte. „Ich werte das einmal als „Ja“.“ Er wandte sich von mir ab und ging an Joanne vorbei. „Bring sie zu den Zellen.“ Drake sah mich ein letztes Mal an. „Sie beide.“ Mit ausdrucksloser Miene wandte er sich zum Gehen. „Ich hoffe du leistest keinen Widerstand. Du weißt selbst zu welchen Maßnahmen wir greifen müssen.“

Er verschwand die Treppen hinauf und ich sah ihm nach.

„Er wird sich wieder fangen“, meinte Joanne aufmunternd und legte mir einen Arm auf die Schulter. „Lass uns gehen.“

Sie legte Max Handschellen an und führte ihn zum Aufzug; ich folgte ihr ohne einen Mucks.

„Was wird jetzt passieren?“, fragte sie mich.

Geistesabwesend zuckte ich mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung.“

„Wahrscheinlich wirst du zum Tode verurteil und/oder gefoltert. Ich tippe auf und.“

Mein Kopf fuhr zu ihm herum. „Ach, du denkst also, dass dir nichts passieren wird?“

„Nö. Warum sollte es? Ich bin der Sohn des Chefs. Vater würde mich niemals verbannen oder gar zum Tode verurteilen. Kein Vater der sein Kind liebt, würde es jemals zum Tode verurteilen.“ Er warf mir einen wissenden Blick zu und die Aufzugtüren glitten zu.

 

Als die Türen des Aufzugs aufglitten breitete sich vor uns ein langes Labyrinth aus Gängen aus. Die Wände und die Decke waren in sterilem Weiß gehalten, lediglich der Boden mit seinen schwarzen Fließen hob sich von dem ganzen ab.

Das Zellenlabyrinth. An jeder Ecke standen, oder saßen Wachen. Nichts war so gut geschützt wie das Labyrinth.

„Wo müssen wir jetzt hin?“

„Halt! Wer seid ihr!“, erklang eine wütende Stimme von rechts. Ein Mann mittleren Alters mit grauem Haar kam auf uns zu.

„Joanne Westfield. Abteilung DK. Sergeant Coleridge befahl mir die zwei zu den Zellen zu bringen.“

Die Wache betrachtete Joanne eine Weile, dann Max und bei mir zog er die Waffe. „Warum hat diese Gefangene keine Handschellen, Soldat Westfield!“

Soldat? Wo hatten sie denn den Typen her? Aus der Armee?

Ich verdrehte genervt die Augen und wollte etwas sagen, doch als ich die Arme hob, um zu zeigen, dass ich keine Gefahr war, ertönte ein Schuss und ich sank zu Boden, die Arme um meinen schmerzenden Bauch geschlungen.

Ich hörte Stimmenwirrwarr und dann wurde alles Schwarz.


Kapitel 14 - Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?

 

Langsam erlangte ich wieder mein Bewusstsein. Schwach registrierte ich, dass mein Arm in einer Art Handschelle gefangen war, die an der Wand befestigt sein musste.

Ich schlug zaghaft die Augen auf und wurde mir schlagartig meiner Situation bewusst.

Meine Wenigkeit saß an die Wand gelehnt am Boden. Hände und Füße an die Wand gekettet. In einer Irrenanstaltsweste.

Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, aber die Weste rührte sich keinen Millimeter. Normalerweise sollte ich so etwas wie diese Weste wie Schleifpapier zerreißen können. Doch diese war eindeutig anders. Sie verformte sich nicht, aber zerreißen war auch nicht drin.

Mit verkrampften Gesichtsausdruck versuchte ich mich irgendwie loszumachen, aber nix da. Nicht einmal die Ketten bewegten sich einen einzigen Millimeter.

Langsam kroch in mir die Wut hoch.

„Miss Masters, sparen sie sich ihre Kraft für das Verhör auf.“

Mein Kopf fuhr hoch und ich sah die Gestalt hinter dem Glas. „WAS SOLL DAS?“, schrie ich wütend.

„Alles nur zu ihrer Sicherheit, Miss Masters.“

Am liebsten hätte ich dem Typen mit der Glatze, der hinter dem Fenster stand seinen Verstand rausgeprügelt, wenn er einen gehabt hätte.

Da fiel mir auf, dass ich in letzter Zeit ziemlich gewalttätige Gedanken hatte. Erschrocken über diese Tatsache hörte ich auf mich zu bewegen und starrte stattdessen entsetzt auf den Boden.

Wurde ich jetzt vollends zu einem Dämon? Würde ich so enden wie Darius? Was wenn ich meinen Freunden weh tat? Würde ich vielleicht auch noch anfangen mit Darius zu sympathisieren? Oder Schlimmeres?

Bei dem Gedanken wurde mir übel.

„Was ist, hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Würde mich bei so einem Dämon wundern schließlich habt ihr doch immer einen spitzen Spruch auf den Lippen.“

Ok, vergiss Darius für einen Moment, diese Pfeife hat eine Abreibung nötig. Ich hob den Kopf. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen sie sind ein Priester und wollen mir den Teufel austreiben“, meinte ich nonchalant.

Ein tiefes Lachen ertönte hinter der Scheibe. „Gar nicht so falsch.“

Uff, ein Verrückter. Seit wann lässt das DHS solche Typen ins Gebäude?

„Was wollt ihr von mir? Forschungen? Autopsien? Psychospielchen? Mir scheißegal was ihr vorhabt, aber bitte macht schnell ich bin zurzeit echt nicht gut drauf.“

„Wann seid ihr Dämonen das?“

Meine Miene blieb ausdruckslos. „Äh…sicher“, meinte ich genervt, „und Engel fliegen nachts an meinem Fenster vorbei.“

„Woher wollen Sie wissen, dass es nicht so ist?“

„Weil mein Zuhause von einem Dämon überwacht wird, der Engel zum Frühstück verspeist.“

Der Typ schien geschockt zu sein und ich musste an mich halten, um nicht zu lachen. Ich wusste zwar nicht, ob Darius das tatsächlich tun würde, aber zutrauen würde ich es ihm.

„Also ehrlich, auf was wartet ihr eigentlich?“, fragte ich fünf Minuten später.

„Auf deinen Meister. Er wird mit uns verhandeln müssen, wenn er will, dass du hier rauskommst.“

Ich konnte nicht anders und musste lachen. „Wenn ich hier rauswollte, müsste ich mich nur verwandeln und die Sache hätte sich.“

Die Tür öffnete sich und Joanne trat herein. „Das rate ich dir nicht. Der Stoff ist mit Salzwasser getränkt worden, er würde dich verbrennen. Du hast es nur deiner menschlichen Seite zu verdanken, dass du nicht auf der Stelle verbrennst.“

„Meinst du so in etwa, wie die menschliche Fackel? Das würde ich gerne sehen“, meinte ich belustigt.

Joannes Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie es ernst meinte. „Wir müssen ein ernstes Gespräch führen, Nira.“

„Aber nur wenn die Pfaffe da verschwindet.“ Mit einem Nicken deutete ich auf den Priester, der immer noch vor dem Glas stand.

„Mögest du in der Hölle schmoren, Teufel“, sagte er und verschwand dann.

Erleichtert seufzte ich auf. „Endlich ist er weg.“

Joanne fiel vor mir auf die Knie. „Verdammt, Ni, weißt du wie tief du in der Scheiße steckst? Der Boss ist ziemlich sauer auf dich. Er hat diesen zwielichtigen Typen kommen lassen, um einen letzten Versuch zu starten, der dich vor dem Bösen, ich denke er meint damit Darius, zu beschützen. Wenn du mich fragst wäre es am besten, du würdest eine Zeit lang verschwinden. Die Situation ist ziemlich angespannt.“ Zur Untermalung rieb sie sich die Arme. „Draußen läuft ein Serienkiller herum, der junge Frauen abschlachtet, da wollen sie sich nicht auch noch mit einem, außer Kontrolle geratenen Dämon befassen.“

Ich legte den Kopf schief. „Serienkiller? Warum weiß ich davon nichts?“

„Sie hielten es für sicherer, wenn du davon nichts wüsstest.“

Ich verstand. „Sie dachten ich wäre es.“

Joanne biss sich auf die Unterlippe. „Du warst einige Male unauffindbar und immer dann geschah ein Mord.“

Ich nickte. „Verständlich, schließlich bin ich ein Dämon.“ Mein Blick fiel auf die Seite.

Dachten die allen Ernstes, ich wäre freiwillig ein Dämon? Verdammt, es gab Tage an deinen ich mich selbst hasste! Ich habe mehr als einmal versucht meinem Leben ein Ende zu bereiten, aber weiter, als bis zur Intensivstation habe ich es nicht gebracht. Allein Darius konnte mir diesen Wunsch erfüllen.

„Du meintest ich solle verschwinden. Aber wie?“, ich deutete auf meine Arme.

Darius, formte sie mit den Lippen.

Ich sah sie entsetzt an. Er ist hier?, frage ich lautlos.

Sie nickte. Im selben Moment kam ein Arzt herein und Joanne verhielt sich komplett ruhig, blieb wie eine Statue in der Ecke stehen und behielt den Gang im Auge.

Der Arzt war mir nicht gerade sympathisch. Kurze, verwegene Haare, die nicht recht wollten, ein Augenbrauenpiercing und ein Tattoo, das an seinem rechten Arm anfing und unter dem weißen Doktorenkittel verschwand.

Er kam mir auf eine erschreckende Art vertraut vor, aber erst als er mir deutete aufzustehen und ich ihm in die Augen sah wusste ich es.

„Da…“, sein Blick bedeute mir, meine unausgesprochene Frage nicht zu stellen. „Darf ich sie fragen, was sie mit mir vorhaben?“

Darius rückte seine Brille zurecht, was ich recht amüsant fand, hob ein Klemmbrett hoch und begann zu lesen. „Miss Masters, ich denke wir müssen und eindrücklich darüber unterhalten, was wir unter Stillschweigen verstehen.“

Er trat vor und legte mir eine Hand auf die Schulter, mit seinem sadistischen Lächeln auf den Lippen. „Die Hölle erwartet Sie.“

„Pass auf Jason auf“, sagte ich und schon hatten wir uns in Rauch aufgelöst.

 

Komischerweise wurde mir bei Darius immer schlecht, wenn ich mich mit ihm manifestierte, bei Sam war das anders.

Mir war kurz so schwindelig, dass ich gegen ihn sank und mich an seiner Brust abstützte. „Mir ist schlecht.“

„Vielleicht solltest du zur Abwechslung auch mal etwas essen.“

Ich murrte, aber er hatte recht. Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen und der Hunger wuchs unaufhaltsam.

„Drinnen gibt es etwas zu essen.“ Darius wollte gehen, doch ich hielt ihn auf.

„Halt, warte noch, ich hab mich noch nicht ganz gefangen.“ Das Gesicht in seinem Kittel vergraben, lehnte ich gegen ihn und versuchte meinen Puls zu beruhigen, der mir wie eine Trommel im Kopf schlug.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ das Geräusch nach und wurde wieder zu meinem dumpfen Herzschlag.

Ich stieß die Luft aus, die ich unbewusst angehalten habe. „Wird das jemals nachlassen?“

Seine Brust vibrierte, als er zu lachen anfing. „Nach einiger Zeit. Vielleicht.“

„Das klingt ja vielversprechend.“ Ich löste mich von ihm und taumelte einen Schritt rückwärts, um mich umsehen zu können.

Ich stand inmitten eines kleinen idyllischen Wäldchens. Es kam mir so surreal vor, immerhin war das hier so etwas wie eine Art Vorhölle, sollte es dann nicht etwas mehr…verwüsteter hier aussehen?

Stattdessen standen überall grüne Bäume und es roch nach Freiheit. „Wo sind wir?“

Darius nahm die Brille ab und steckte sie in eine Tasche des Kittels, bevor er diesen ablegte. „In meinem Vorgarten“, antwortete er so nebenbei.

Darius ging einen steinernen Weg entlang und ich folgte ihm unaufgefordert. „Sind wir in der Unterwelt?“

Er drehte sich um und bedachte mich mit einen belustigten Blick. „Wenn ich mir dich so ansehe, dann ja.“

Erst verstand ich seinen Wink nicht, erst als ich an mir heruntersah verstand ich. „Nicht schon wieder!“

Wieder einmal hatte ich meine Gestalt gewechselt, doch diesmal hatte ich ausnahmsweise etwas an. „Passiert das jetzt immer?“

„Vielleicht.“

„Du bist mir keine große Hilfe“, murrte ich. „Könntest du mich bitte wieder zurückverwandeln?“

Er schnippte mit den Fingern. „Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber es interessiert mich auch herzlich wenig, denn ich für meinen Teil habe Mords Kohldampf.“

„Was ist aus dem Ich denke ich liebe dich Geschwafel geworden?“ Mein Körper verwandelte sich langsam wieder zurück, bis ich wieder in meiner menschlichen Gestalt vor Darius stand.

„Gelogen. Wollte dich einfach ins Bett kriegen.“ Er sagte das so gelangweilt, dass ich mir reichlich verarscht vorkam. „Aber das hat sich sowieso erledigt.“

Verunsichert folgte ich ihm zu einem kleinen Häuschen. Es sah gemütlich aus und bei näherem Betrachten war es gar nicht so klein.

Wir traten ein und es fühlte sich sofort heimisch an. Keine Ahnung warum, aber ich fühlte mich hier wohl und geborgen.

Ich folgte Darius in die Küche und er öffnete den Kühlschrank. „Woher hast du den Strom?“

„Bloß weil du in der Unterwelt bist, heißt das noch lange nicht, dass es keinen Strom gibt.“

„Das war nicht meine Frage.“

„Was weiß ich. Vielleicht aus der Steckdose“, meinte er belustigt.

Ich legte den Kopf schief und schüttelte den Kopf. „Was hast du zu essen?“

Er deutete auf den Kühlschrank und ich stellte mich neben ihn. „Du hast nicht wirklich viel hier drin.“

„Was glaubst du denn? Ich bin oft Wochenlang nicht hier und abgelaufenes Essen kann ich nicht gebrauchen.“

„Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Aber da du immer hinter mir her warst, ergibt es Sinn“, meinte ich blöd.

Darius kniff die Augen zusammen und bedachte mich mit einem genervten Augenverdrehen. „Heute sind wir aber mal wieder sehr witzig. Hoffentlich wirst du nicht langsam verrückt, denn das kann ich gar nicht ausstehen.“

„Nira denkt sich, wieso Darius so gemein zu Nira ist. Nira hat ihm doch gar nichts getan, doch er hasst sie“, meinte ich mit gespielter Traurigkeit.

Prompt erntete ich dafür einen weiteren schiefen Blick seinerseits. „Wenn du weiterhin von dir in der dritten Person sprichst, schmeiße ich dich raus.“

„Du bist Niras Meister, du kannst sie nicht so einfach hinauswerfen. Nira würde sich gekränkt fühlen und vielleicht von einem anderen Dämon gefangengenommen werden. Nira hat doch gar nichts getan.“

Er schloss den Kühlschrank „Nira, es reicht.“

„Was reicht? Nira versteht nicht?“ Ich musste wirklich meine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht zu lachen.

Darius machte einen Schritt auf mich zu und ich wich zurück. „Darius macht Nira Angst“, winselte ich.

Drängte mich gegen die Wand. Unsere Gesichter nur noch Millimeter voneinander getrennt. „Lass es. Ich meine es ernst!“, knurrte er.

„Das war doch nur Spaß“, meinte ich kleinlaut.

„Soll ich auch einmal das mit dir machen, was mir Spaß macht? Ich denke zwar nicht, dass es dir gefallen würde, aber mir schon“, knurrte er warnend.

„Komm wieder runter, ich machs nicht mehr. Aber…“, „Pst!“, zischte er.

Ich spürte wie sich sein Körper verspannte und mich in eine Ecke drängte. Ich hörte Schritte und als jemand den Raum betrat, stand Darius so vor mir positioniert, dass derjenige mich nicht sehen konnte. Langsam breitete sich der Gestank von Schwefel aus und umhüllte mich.

Die Schritte verebbten vor Darius und langsam nahm die Intensität des Geruchs auch wieder ab. Ich versuchte an ihm vorbeizuschauen, aber sein muskulöser Körper versperrte mir die Sicht.

Plötzlich blieb mein Blick an seinem Rücken kleben und ich beobachtete fasziniert das Spiel seiner Muskeln, als er sie anspannte und wieder entspannte.

„Ah, Daráhial, da bist du ja. Du warst gestern so schnell weg, als dieser andere Dämon auftauchte. Wie hieß er noch einmal? Ach, mir ist sein Name entfallen. Was wollte er?“

Die Stimme des Fremden riss mich aus meinen Gedanken. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Hand nach Darius Rücken ausstreckte und die Konturen seiner Muskeln nachzeichnete.

„Was ist los mit dir Daráchial?“

Darius drehte den Kopf zur Seite und warf mir unbemerkt einen Blick zu. Was sollte das?

Ruckartig zog ich meine Hand zurück, als ob Darius mich verbrannt hätte und drückte mich gegen die Mauer.

„Li, ich möchte dir jemanden vorstellen.“ Darius trat auf die Seite und gab den Blick auf einen großen Mann frei, dessen schulterlanges Haar wie Gold glänzte.

„Li, das ist Nira. Nira, Li.“

„Hallo“, er gab mir einen Handkuss, „Freut mich Sie kennenzulernen.“ Li blickte mich aus unergründlich dunklen Augen an, in denen sich sicher schon viele Frauen verloren hatten.

Er war ungefähr so groß wie Darius, auch sehr gut gebaut … ich wich erschrocken zurück. Erst jetzt fiel mir auf, was hinter ihm aufragte. „S-s-sind das da etwa…“, ich verstummte und zeigte auf das hinter ihm.

Li fing an zu grinsen. „Ja, das sind Flügel.“

Völlig fasziniert von den großen Schwingen, die an den Ansätzen golden waren und nach unten, zu den Spitzen der Federn hin, rein weiß wurden, machte ich wieder einen Schritt auf ihn zu und streckte die Finger aus.

Darius räusperte sich. „Nira, du solltest wissen, dass Engel es nicht mögen, wenn man ihre Flügel berührt. Genauso wenig wie Dämonen. Sie sind…überempfindlich.“

Sofort zog ich meine Hand wieder zurück. „Tut mir leid“, meinte ich beschämt.

„Schon gut. Du, darf ich Sie duzen?“, ich nickte, „Du kannst sie ruhig einmal anfassen.“

Erneut wurde meine Hand wie magnetisch von den mächtigen Schwingen angezogen und ich legte sanft meine Finger darauf und ließ sie darüber gleiten.

Die Federn waren weich, zu weich, als dass sie normal hätten sein können, dennoch konnte man die Muskeln und Sehnen am oberen Rand fühlen.

Eine Hand legte sich von hinten auf meine Schulter und zog mich zurück, weg von den faszinierenden Flügeln. „ Und außerdem solltest du wissen, dass sie schon viele Menschen ins Verderben gestürzt haben“, flüsterte Darius mir dicht ins Ohr.

„Nun, Daráhial hat recht, Menschen werden von meinen Flügeln angezogen, wie Motten vom Feuer.“

Gefährlich und schön zugleich. Zu schön. Das Verderben.

Und deshalb, solltest du dich von ihm fernhalten, hallte Darius´ Stimme in meinem Kopf wieder.

Lis Augen glitzerten, als ob er meine Gedanken gelesen hätte. Im nächsten Augenblick legte er den Kopf in den Nacken und fing lauthals an zu lachen. Ein herzhaftes Lachen, welches in keiner Weise Unheil versprach.

Darius drückte mich noch enger an sich, die Arme fest um meine Taille geschlungen und sosehr ich ihn auch hasste, war ich in diesem Moment froh ihn bei mir zu haben, denn dieser Li hatte irgendetwas zu verbergen.

Ich würde Darius fragen, wenn Li weg war.

Li fuhr sich mit der Hand über sein markantes und verführerisch makelloses Gesicht, um sich eine einzelne Lachträne aus dem Gesicht zu wischen, bevor wieder jegliche Emotion aus seinem Gesicht verschwand.


Kapitel 15 - Mal was Neues

 

„Daráhial, wie lange sind wir nun schon befreundet“, er streckte freundschaftlich die Hände aus, „Da solltest du doch wissen, dass ich an deinem Spielzeug nicht interessiert bin.“

Spielzeug? Freundchen, das bedeutet einen Minuspunkt. Ich bin niemandes Spielzeug, also kannst du dir das abschminken. Darius. Das gilt für dich selbstverständlich auch.

Li sah mich einen Moment lang an, dieser Moment schien Ewigkeiten zu dauern, bis er sich schließlich an Darius wandte. „Darius? Wie redet sie eigentlich mit dir?“

„Glaub mir Li, das ist eine echt komplizierte Geschichte. Bleiben wir dabei, dass ich sie überrumpelt habe und jetzt stolzer Besitzer ihrer Seele bin.“

Ich rammte Darius den Ellbogen in die Seite und wand mich geschickt aus seinem Griff. „Hat er dir auch erzählt, dass ich ihn deswegen auch schon seit mehreren Jahrhunderten jage?“, meinte ich nonchalant.

Li packte mich an der Kehle. „Eine Jägerin?“, meinte er an Darius gewandt.

„Nach alldem was vorgefallen ist, würde ich sagen, ehemalige Jägerin.“

Wieder spürte ich Darius´ Hand auf meiner Schulter und Lis Griff erschlaffte, bis er schließlich die Hand zurückzog.

Ich nutzte die Gelegenheit, um einen Abgang zu machen. Viel weiter als bis zum Hinterausgang, den ich wie durch ein Wunder schnell fand, kam ich nicht, da wurde mir auch schon der Weg versperrt.

Als ich den Dämon erblickte, der es wagte mich an meiner Flucht zu hindern, wurden meine Augen groß und ich musste unwillkürlich lächeln. „SAM!“

„He, Nira. Lange nicht gesehen, Kleine“, meinte er und streckte die Arme aus.

Ich warf mich ihm um den Hals und musste lachen. „Was machst du denn hier?“

Er setzte mich ab und sah mir glücklich in die Augen.

„Du brauchst schließlich einen Trainer und ich kann mich nicht ständig um dich kümmern. Es gibt wichtigere Sachen, als einen Dämon auszubilden, also habe ich nach Sarméhnius geschickt“, antwortete Darius hinter mir.

„Du lässt sie ernsthaft von ihm ausbilden?“, meinte Li ungläubig.

„Selber Hallo, Li“, meinte Sam grimmig.

„Ja, er ist der beste.“

„Hast du nicht Angst, dass er dir dein Täubchen ausspannt?“

Ich trat entschlossen vor und baute mich vor Li auf. „Ich bin weder sein Täubchen, noch das irgendeines anderen Dämons und außerdem“, ich pikte ihn mit dem Zeigefinger in die Brust, „habe ich einen Namen und der lautet Nira, kapiert?“

Er sah mich erstaunt an. Plötzlich fing er an zu lächeln und wandte sich an Darius. „Ich nehme alles zurück, die kleine Gefällt mir. Sie hat Feuer.“

Zufrieden drehte ich mich um und sah Darius lächelnd an. Pluspunkt, Freundchen. Sam musste grinsen.

„Danke“, hauchte mir Li ins Ohr und ich fuhr erschrocken herum.

„Für was?“, fragte ich verwirrt.

„Für den Pluspunkt.“

Ich stöhnte verzweifelt auf. „Nicht noch so ein Gedankenleser!“

Sam und Li fingen an zu lachen. Darius bedachte mich mit einem Lächeln. „Ihr solltet mit dem Training beginnen. Li und ich haben noch etwas zu erledigen.“

„Geht klar. Ich werde mich um unsere kleine kümmern.“

Darius nickte. Er und Li gingen nach draußen, wo Darius seine Dämonische Gestalt annahm, bevor beide nach oben verschwanden.

„Wo fliegen sie hin?“, fragte ich.

Sam zuckte mit den Schultern. Ich habe keine Ahnung, aber auch wenn ich es wüsste, dürfte ich es dir nicht sagen.“

Ich blieb noch einen Moment stehen und blickte in den Himmel. „Sam, wo endet dieser … Himmel? Nennt man das so?“

„Du kannst es Himmel nennen, aber es ist nicht wie bei euch oben.“ Er klatschte einmal kurz in die Hände. „Das heißt wir beginnen mit dem Training.“

Etwas verwirrt legte ich den Kopf schief. „Wieso? Wie sieht dein Training denn aus?“

„Erst einmal muss ich dir das Leben hier unten näher bringen. Du musst wissen wie du dich, wem gegenüber verhalten musst. Außerdem müssen wir dein Wissen, über die „Hölle“, wie ihr sie so schön bezeichnet, von Grund auf erneuern.“

 

Nach neun Stunden, in denen wir uns ausführlich über die Rangordnung, die gefährlichsten Dämonen und deren Rassen unterhalten hatten, fielen mir fast die Augen zu.

Ich hatte seit mehr als 24 Stunden nicht mehr geschlafen und die Sonne, oder um was es sich hier auch immer handelte, ging nie unter. Ständig war dieses ewige Zwielicht, welches nie aufhören wollte zu scheinen.

Wir hatten es uns auf einem Baum gemütlich gemacht, während wir uns unterhielten, doch langsam begann ich gefährlich zu schwanken.

Ich spürte ein Gewicht auf meiner Schulter und drehte den Kopf in Sams Richtung. „Ich denke wir haben heute genug gesprochen, machen wir morgen mit den wichtigsten Sachen weiter. Sachen die du unbedingt wissen solltest.“

Die Augen halb geschlossen, nur mit Müh und Not aufgehalten, hob Sam mich vom Baum und trug mich ins Haus.

Darius und Li hatte ich nicht mehr wieder gesehen, seit sie sich auf den Weg gemacht haben, um irgendeine wichtige Sache zu erledigen.

„Wo ist Darius?“, flüsterte ich müde.

„Wie schon gesagt, das darf ich dir nicht verraten.“

Müde schloss ich die Augen und gab mich der verführerischen Stimme des Traumlandes hin.

 

Gähnend streckte ich mich ausgiebig, bevor ich die Augen öffnete und das Zwielicht sah, nur um mir sofort wieder die Decke über den Kopf zu ziehen. „Dummes Licht“, murrte ich.

„Na, na, na. Wer ist denn da heute so schlecht drauf?“, hörte ich eine samtweiche Stimme, die sich mir die Nackenhaare aufstellen ließ.

Die Matratze neben mir gab unter dem Gewicht von Darius´ Körper nach und knarrte.

„Wo warst du gestern?“, fragte ich noch ganz verschlafen.

Ein Kichern folgte. „Du bist ganz schön neugierig.“

Er wollte sich wieder erheben, doch ich ergriff seinen Arm und zog ihn zu mir herunter. Langsam zog ich mit meiner freien Hand die Decke etwas hinunter, gerade so weit, dass meine Augen über die Decke reichten. „Ich bin nur gerne informiert, über das, was mein Entführer vorhat.“

„Ohoho, Entführer? Das ich nicht lache.“ Darius beugte sich weit zu mir hinunter und ich bereute meine Entscheidung ihn festgehalten zu haben. Sein Gesicht war nur noch einen Zentimeter von meinem entfernt und mir wurde, aus unersichtlichem Grund, heiß. Höllisch heiß.

„Wenn ich mich nicht irre, dann bist du freiwillig hier?“, meinte er.

„Wenn man es genau sieht, dann bist du indirekt schuld, dass ich hier bin.“

„Steh auf. Sam ist da, ich muss wieder weg.“ Darius stand auf und ging aus der Tür.

Sprachlos blickte ich ihm hinterher, stöhnte genervt auf und ließ mich zurückfallen. „Arschloch.“

Aber immer doch, erklang Darius´ spöttische Stimme in meinem Hinterkopf.

Mühsam und total verspannt vom gestrigen Tage, begann ich mit Dehnübungen, bei denen es von Vorteil war, dass ich nur mit meinem Nachthemd bekleidet auf dem Teppich übte. Meine Knochen knackten und meine Muskeln dehnten sich angenehm.

Mir schoss die Frage durch den Kopf, wie lange Sam, Darius und die anderen Dämonen wohl gebraucht hatten, um so stark zu werden, wie sie jetzt waren.

Nachdem ich mich einer ausgedehnten Dusche hingegeben hatte, putzte ich mir die Zähne, kämmte sorgfältig meine Haare und zog mein Trainingsgewand an.

Auf dem Weg durch das Haus in die Küche, kam ich an mehreren Zimmern vorbei. Darunter war ein Bad, ein Gästezimmer, wie meines, ein (offensichtlich) begehbarer Kleiderschrank und eine verschlossene Tür, deren kunstvolle Verzierungen mit Gold überzogen wurden.

Neugierig wie ich war näherte ich mich der Tür und lauschte. Es war nicht zu hören, also gab ich der Tür einen sanften Stoß und sie öffnete sich einen Spalt.

Ich spähte hinein und hielt die Luft an, als ich Darius erblickte. Er schien mich nicht bemerkt zu haben, also sah ich mich durch den Spalt noch etwas weiter um.

Darius stand mit dem Rücken zu mir vor einem großen Panoramafenster und hatte die Hände hinter dem Rücken verkreuzt.

Neben ihm stand ein ziemlich großes Bett, welches ebenfalls mit Gold verziert war, genauso wie die Kommode daneben und eigentlich das ganze Zimmer. Aber es war nicht übertrieben aufgetragen, sondern ganz dezent, sodass es einfach nur edel wirkte und nicht protzig.

Mein Blick glitt wieder zu Darius, der gerade sein Hemd auszog. Wie gebannt sah ich ihm zu und bemerkte das weiße Tattoo, das mir aufgefallen war.

Es zog sich von seinem rechten Arm hinauf, über die Schulter bis auf den Rücken, doch aus dieser Entfernung konnte ich nicht genau feststellen, was es darstellte, doch durch das Spiel seiner Muskeln wirkte das Tattoo, als ob es leben würde.

Wie von ihm in den Bann gezogen, beobachtete ich ihn und sah zu, wie er sich seiner restlichen Kleidung entledigte und stattdessen ein Handtuch um die Hüften wickelte.

Als er sich umdrehte wich ich schnell zurück und drückte mich gegen die geschlossene Seite der Tür.

Ich verfluchte meine eigene Neugier dafür, dass sie mich dazu brachte, nach einigen Sekunden wieder durch den Türspalt zu spähen.

Allerdings war da kein Türspalt mehr, sondern ein ziemlich amüsierter Darius neben einer sperrangelweitoffenen Tür. „Werden wir jetzt auch noch zum Spanner?“

„Ich wollte nur…aber da war…diese Tür wirkte einfach zu faszinierend, und ich war neugierig“, brachte ich schließlich mit hochrotem Kopf hervor.

Er nickte knapp. „Ich hoffe du hast genug gesehen, denn mehr wirst du auch nicht zu sehen bekommen. Mein Zimmer ist für dich Tabu und wenn ich auch nur einen Hauch von deinem Duft darin finde, erlebst du dein blaues Wunder.“ Mit diesen Worten schlug er mir die Tür vor der Nase zu und ich zuckte zusammen.

 

Die Zähne vor Scham zusammengebissen, betrat ich die Küche, wo Sam schon vor gedecktem Tisch auf mich wartete.

„Morgen, Schlafmütze. Wie siehst du denn aus?“, fragte er lächelnd.

„Wurde von Darius erwischt, wie ich in sein Zimmer gespäht habe“, meinte ich leise.

Sam warf mir einen verwirrten Blich zu. „Komisch, normalerweise prahlt er damit, dass sein Zimmer das kostbarste unter allen Dämonen ist und er nur zu gerne die Reaktion der Leute darauf sehen möchte.“

Nervös knetete ich meine Finger, die einer nach dem anderen knackten. „Vielleicht hätte er anders reagiert, wenn er sich nicht gerade umgezogen hätte.“

Sam verschluckte sich an dem Kaffee, den er gerade trinken wollte und fing an zu husten. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, sah er mich ungläubig an. „Du hast gespannt, als Darius sich umgezogen hat!?“

Jetzt kam ich mir vor wie ein irrer Stalker. „Wenn du das sagst, hört es sich viel schlimmer an“, meinte ich geduckt.

Er winkt ab. „Nein, nein, so war das nicht gemeint. Es hat mich nur gewundert, dass gerade DU bei IHM gespannt hast.“

Ich legte den Kopf schief. „Wie darf ich das jetzt verstehen?“

„Gar nicht“, ertönte eine genervte Stimme hinter mir und Sam wandte sich sofort wieder seinem Kaffee zu.

Ohne mich umdrehen zu müssen, wusste ich schon, dass Darius hinter mir aufgetaucht war. Ein warmer, feuchter Duft stieg mir in die Nase. Es roch herrlich männlich und zu meinem eigenen entsetzten kam der Geruch von Darius.

„Du solltest jetzt etwas essen. Wenn du nichts isst wirst du schwach und das solltest du in der Unterwelt vermeiden.“

„Danke für den Tipp, das hätte ich jetzt nicht gewusst“, gab ich bissig zurück.

Eine Hand legte sich um meine Taille und ich wurde gegen seine feste Brust gedrückt. „Pass auf was du sagst, wenn du deine Zunge hier unten nicht zu zügeln lernst, wird dir das eine Menge Ärger einbringen, vor dem ich dich nicht schützen kann“, flüsterte er dich an meinem Ohr, bevor sein Atem warm über meinen Nacken strich und mich erschaudern ließ.

Verdammt, wieso hatte er diese Wirkung auf mich? Ich schob es auf die Bindung, wand mich aus seinem Griff und setzte mich an den großen Küchentisch aus schwarzem Marmor, um mich meinem Frühstück zu widmen.

Darius stützte sich an meinem Stuhl ab. „Ich werde heute wieder nicht da sein, ich weiß auch noch nicht, wann ich zurückkommen werde, aber wehe ihr stellt mir hier einen Blödsinn an.“

„Wir doch nicht“, murmelte ich.

„Das war eigentlich eher an dich gerichtet, Kleine. Ich für meinen Teil würde es nicht wagen, auf dem Grundstück eines anderen Dämons Unordnung zu verursachen“, gab mir Sam den Wink zu verstehen.

„Schön, dass du mir so wenig vertraust.“ Ich machte einen herzhaften Bissen von meinem Erdbeermarmeladencroissant und trank etwas von dem Tee, der am Tisch stand.

„Nun, die Sache mit dem vertrauen beruht dann also auf Gegenseitigkeit.“ Darius trat vom Stuhl weg in den Garten, wo schon Li auf ihn wartete.

Wie gestern erhoben sie sich in die Luft und verschwanden.

„Ernsthaft, was machen die Zwei die ganze Zeit?“, fragte ich mich laut.

Sam zuckte nur mit den Schultern und trank weiter seinen Kaffee.

„Ja, ja, schon gut. Ich weiß, dass du mir nichts sagen darfst, aber kannst du mir nicht wenigstens einen Hinweis geben? Bitte?“

Er sah mich an und schüttelte den Kopf. „Dann wäre mein langes Leben viel zu schnell beendet.“

„Moment, Darius hat dir damit gedroht dich umzubringen, wenn du es mir erzählst?“, fragte ich ungläubig.

„Naja, wenn du Augen herausreißen, Knochen zu Staub zermalmen, Gliedmaßen abtrennen und andere unerträgliche Schmerzen meinst, dann ja.“

Sam sprach das so emotionslos aus, als ob das bei ihnen normal wäre. So selbstverständlich wie Essen und Trinken. Völlig gerechtfertigt.

Ich werde sterben, ertönte eine Stimme in meinem Kopf.

„Ich bevorzuge dann doch lieber den schnellen Tod, oder den Tod um Kampf, da hat man wenigstens etwas, wofür es sich zu sterben lohnt.“

„Oh, mein Leben lohnt sich also nicht?“

Sam stellte seine Kaffeetasse ab und schnaufte. „Du kleines Biest drehst einem das Wort im Mund herum“, meinte er, bevor er zu grinsen anfing.

„Das kleine Biest hat noch viel mehr drauf, als nur Wörter umzudrehen“, meinte ich herausfordernd.

„Lass uns noch schnell zu Ende Frühstücken, dann können wir mit dem Training anfangen“, er wackelte mit den Augenbrauen, „und du kannst mir zeigen, was du unter „mehr draufhaben“ verstehst und ich kann mich davon überzeugen, ob du auch wirklich für das Kämpfen gemacht bist.“

„Oh und ob ich das bin. Neunhundert Jahre gehen nicht ohne Spuren vorüber und bei mir ist es eben die Kampferfahrung, mit der ich mich all die Jahre beschäftigt habe“, meinte ich mit einem fiesen Grinsen.

Kapitel 16 - Immer schön fair bleiben

 

Mit festem Stand, den ich mir dank Jahrelangen Erfahrung angeeignet hatte, stand ich Sam kampfbereit und siegessicher gegenüber. Die Hände zu Fäusten geballt, dazu bereit jeden seiner Angriffe auszuweichen oder abzublocken und, wenn möglich, selbst einen Treffer zu landen.

Sam hingegen stand ganz gelassen auf der anderen Seite des Felds und ließ seine Fingerknöchel kacken. „Also, heute werde ich mir deine Haltung im Kampf ansehen; wie du dich bewegst, die Koordination deiner Schritte, deine Schrittfolge, die Kraft mit der du zuschlägst, blockst oder dem schlag ausweichst.“

Ich nickte. „Gut, dann lass uns anfangen.“

„Willst du nicht lieber in deiner wahren Gestalt kämpfen?“, fragte er irritiert.

„Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, das ist meine wahre Gestalt. Ich bin nur zur Hälfte ein Dämon und selbst das würde ich hergeben, um ein normales Leben zu haben.“

Sam legte den Kopf schief. „Du willst damit sagen, dass du es hasst ein Dämon zu sein?“

„Halbdämon“, meinte ich in die Länge gezogen, „und: Ja, das tue ich.“

Seinem perplexen Gesichtsausdruck zufolge hatte er mit dieser Antwort nicht gerechnet. Klar, wie sollte er denn auch. Alles wies darauf hin, dass ich glücklich mit meinen Fähigkeiten war und diese auch verbessern wollte.

Genau das hatte die Leute damals im DHS auch gewundert. Sie dachten ich wäre ein Dämon auf der Suche nach Seelen, nicht eine Halbdämonin auf der Suche nach ihrem „Meister“, um ihn zu töten.

Greg hatte diesen Eindruck zwar immer noch von mir, aber das konnte mir jetzt egal sein. Er würde wohl kaum in die Unterwelt kommen, nur um mich zu finden und zu töten. Wobei…

„Hölle an Nira! Wir sind mitten im Training!“, ertönte Sams mahnende Stimme und riss mich wieder zurück in die Gegenwart.

Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich wieder auf Sam. „Ja, ja. Mir ist nur eben etwas eingefallen.“

„Wenn wir hier nicht nur Trainieren würde, wärst du schon längst tot und ich auf dem Weg nach Hause.“

Ihm die Zunge zeigend schnitt ich eine Grimasse.

Auf einmal war er weg.

„Ah, so spielen wir heute. Teleportieren zählt, solange man es kann“, meinte ich genervt und behielt meine Umgebung im Auge.

Alles was ich sah war…nun ja, nichts. Kein Sam, keine Rauchfahne; nicht einmal der Hauch von Schwefel. Einzig und allein der Wind strich über den Boden und verblies den Sand in alle Richtungen.

Moment! Der Wind? Hier unten ging kein Wind.

Gerade noch rechtzeitig wich ich dem Schlag mit einer Rolle aus. Sam war wie aus dem Nichts vor mir aufgetaucht und hatte versucht, mich mit einem Schlag auf den Kopf außer Gefecht zu setzten.

„Gut. Aber schaffst du das auch noch einmal?“, höhnte er mich und verschwand aufs Neue.

Genervt verdrehte ich die Augen, stand auf und klopfte mir den Sand von meinem Trainingsgewand. „Mach dich ruhig unsichtbar! Ist auch absolut fair, wenn ich nicht sehen kann wo du dich rumtreibst!“, knurrte ich wütend.

Ein stechender Schmerz fuhr mir durch Mark und Bein, als mich etwas Hartes im Kreuz traf und ich zu Boden geschleudert wurde.

„Wie wäre es, wenn du ausnahmsweise deine überdimensionale Klappe hältst und auf deine Umgebung achtest? Du kannst mich vielleicht nicht sehen, aber lautlos kann sich fast keiner bewegen.“

„Bezieht sich fast keiner auch auf deine Wenigkeit?“, fragte ich beherrscht.

Sam beantwortete mir meine Frage, indem er hinterlistig grinste und wieder verschwand. „Finde es heraus. Manchmal kann nur der Blinde wirklich sehen.“

„Weißt du, dass du mich gerade an die Grinsekatze, aus Alice im Wunderland erinnerst?“

„Die was?“ Direkt vor mir.

Ein gezielter Schlag mit dem Fuß und vom Boden flog Sand auf. „Erwischt“, flötete ich.

Die Rache folgte auf dem Fuß und zwar wortwörtlich, denn schon im nächsten Moment wurde mir die Füße weggezogen und ich landete unsanft auf meinem Hinter. „Konzentration!“, rief Sam mir in Erinnerung.

„Das ist unfair. Du schlägst mich mit meinen eigenen Waffen!“, meinte ich gespielt beleidigt, während ich mich wieder aufrappelte. Schon wieder war ich von oben bis unten mit Sand bedeckt, doch diesmal war er nicht unter meiner Kleidung.

 

„Ich will nicht mehr“, wimmerte ich fünf Stunden später, über und über mit Sand bedeckt. Ich hatte Sand in den Haaren, in den Schuhen, im Mund, in den Augen, in der Nase, sogar in den Ohren, aber auch unter meiner Kleidung.

„Sam, ich glaube ich habe Sand in der Unterhose“, meinte ich und zupfte an der Kratzigen Hose, die ich nur noch so schnell wie möglich loswerden wollte.

Sam materialisierte sich vor mir und bedachte mich mit einem abwertenden Blick. „Maulst du auf der Jagd auch so viel herum?“

„Auf der Jagd, mein Lieber, läuft der Gegner vor mir davon und rennt nicht unsichtbar durch die Gegend und plant wie er noch mehr Sand in meine Kleidung bekommt.“

„Für heute reicht es sowieso. Geh dich duschen und ausruhen, wir sehen uns morgen wieder.“

Ich nickte und bemerkte, wie sich in meinem Augenwinkel etwas bewegte. Doch als ich hinsehen wollte, packte Sam mich an den Schultern und hielt mich zu sich gedreht.

„Sam, lass mich los, da war irgendetwas.“

„Hör auf herumzumeckern und hör mir noch einen Moment zu. Es gibt Sachen, die solltest du besser nicht wissen, sie könnten dein Leben ruinieren und Schlimmeres.“

„Schon gut, ich hab es ja verstanden und jetzt lass mich los.“

Gesagt getan. Er ließ mich los und verschwand.

Endlich konnte ich mich umdrehen, doch da war nichts mehr.

Meine Neugier trieb mich dazu der Spur zu folgen und in das Haus zu gehen. Alles war so ruhig und beklemmend. Auf einmal fühlte ich mich gar nicht mehr so sicher in diesem Haus.

Es war plötzlich viel zu groß und unheimlich. Ruhig, Nira. Wenn hier etwas wäre, dann hätte Sam dich nicht allein gelassen.

Mit neuem Eifer betrat ich die erste Stufe einer Treppe, die ich bis jetzt noch nicht bemerkt, geschweige denn betreten hatte. Die Treppe war aus dunklem Holz und knarrte bei jedem Schritt, den ich machte.

Hilfesuchend hielt ich mich am Geländer fest, um mich, falls notwendig, darüber zu schwingen und die Fluch zu ergreifen.

Vielleicht hat Sam aber auch einfach nicht bemerkt, dass sich etwas hier eingeschlichen hat, schoss es mir durch den Kopf und ließ mich innehalten.

Die Hälfte der Treppen hatte ich schon gemeistert, doch ein ganzes Stück wartete noch auf mich.

Ich atmete tief ein. „Alles ist gut, Nira. Da oben ist nichts, das dir schaden könnte. Niemand würde sich freiwillig mit Darius anlegen, indem er in sein Haus einbricht“, redete ich mir ein und zweifelte selbst an meinen Worten.

Darauf bedacht so wenig Lärm wie möglich zu machen, schlich ich die Treppen hinauf, in einen dunkeln Gang ohne jegliches Licht. Am Ende konnte ich die Umrisse einer großen Tür aus Ebenholz ausmachen.

Schnell warf ich einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob mir jemand folgte. Niemand da, siehst du.

Erleichtert atmete ich aus und schloss die Augen, während ich mich wieder der Tür zuwendete.

Schon als ich mich umdrehen wollte, bemerkte ich die schlagartige Veränderung in der Luft. Ich öffnete die Augen und vor mir stand eine, in einen dunkelroten, ohne Licht schwarz wirkenden Mantel gehüllte Gestalt und sah mich aus glühend roten Augen an.

Vor Schreck wich ich einen Schritt zurück und rutschte aus. Darauf gefasst gleich die Treppe hinunter zu stürzen, kniff ich meine Augen so fest zusammen, dass ich Sternchen sah und hielt schützend die Arme vor meinen Oberkörper und mein Gesicht.

Mit eisernem Griff wurde ich am Handgelenk gepackt und festgehalten. Meine Reaktion darauf: Ich fing an wie am Spieß zu schreien.

„Klappe!“, wurde ich angezischt, was zu Folge hatte, dass ich meine letzte Kraft aufbrachte, um mich mit allen mir möglichen Mitteln zu wehren.

Plötzlich wurde ich mit einem Ruck die Treppen hinaufgerissen und gegen die Wand gedrückt. Während eine Hand mich festhielt, wurde mir von der anderen der Mund zugehalten.

„Darius!“, schrie ich, bevor mein Mund komplett verschlossen wurde.

Die Gestalt drückte mich mithilfe ihres Körpers gegen die Wand, sodass ich mich nicht mehr rühren konnte. Panisch fing ich an zu treten und versuchte meinen Angreifer in die Hand zu beißen, mit der er meinen Mund verschloss.

Doch nach fünf ewig langen Minuten musste ich mich geschlagen geben. Mein Hals schmerzte und meine Muskeln waren allesamt verkrampft.

Ich schloss die Augen. Setz meinem Leben schon ein Ende, denn um mein Leben werde ich gewiss nicht betteln. Wenigstes gehe ich in dem Bewusstsein, nicht kampflos gegangen zu sein.

Ich spürte wie mein Angreifer erzitterte und wurde mir jetzt erst bewusst, dass er ziemlich durchtrainiert sein musste, denn ich konnte deutlich die Muskeln unter dem Stoff spüren. Oder aber der Stoff war dünn.

„Ja, der Stoff ist wirklich dünn“, meinte die tiefe Stimme leise.

Konzentriert fixierte ich den Umriss meines Angreifers, der die Hand von meinem Mund nahm. „Darius?“

„Ja, es sei denn du kennst noch jemanden, der in meinem Haus mit Morgenmantel durchs Haus läuft“, flüsterte er dunkel.

„Du…“, fing ich an, da wurde mir erneut der Mund zugehalten.

„Schh. Sei leise. Was tust du eigentlich hier?“ Er war sauer.

Wütend schob ich seine Hand weg. „Du hast mich zu Tode erschreckt!“

„Was machst du hier“, seine Stimme war ein Knurren und er betonte jedes Wort einzeln. In seinen Augen flackerten nun wieder die roten Flammen auf, also gab ich klein bei.

„Ich habe etwas ins Haus schleichen sehen, da wollte ich der Sache auf den Grund gehen. Sam hielt mich aber fest und als er mich dann endlich losgelassen hatte, war da nichts mehr. Irgendetwas hat mich zu den Treppen gezogen und ich bin hinaufgegangen. Dann kamst du.“

Darius schnaufte und lehnte seine Stirn gegen meine. Eine unnatürlich liebevolle Geste. „Hör zu, ich hatte heute einen anstrengenden Tag, also werde ich es dir nicht mit Gewalt eintrichtern, denn dazu bin ich viel zu müde“, er machte einen Schritt zurück und sah mich eindringlich an, „Halt dich von diesem Zimmer fern.“

Ich nickte und warf einen Blich auf die Tür am Ende des Raumes. „Was ist dort drinnen?“, fragte ich zögerlich.

„Nichts, worüber du dir im Moment deinen kleinen Kopf zerbrechen solltest.“

So leicht wollte ich nicht aufgeben. Mein Mund öffnete sich, doch Darius wandte sich einfach um und schritt die Treppen hinunter.

Er trat ins Licht und ich konnte vollends seinen dunkelroten Morgenmantel erkennen. Darius wirkte darin fast normal, wäre da nicht dieser Schwefelgeruch, den er mit sich zog.

Irritiert stand ich immer noch an die Wand gelehnt oben auf der Treppe. Da ich nicht wusste was ich jetzt machen sollte, folgte ich Darius.

Am Ende der Treppe bekam ich gerade noch mit, wie Darius um die Ecke, in ein Zimmer einbog. Ich lief ihm nach und sah gerade noch die weißen Fliesen bevor die Tür vor meiner Nase zuschlug.

„Geh dich waschen, Nira. Du bist voller Sand“, kam es durch die Tür.

„Woher…“, ich verstummte. Einen Moment lang blieb ich noch vor der Tür stehen, bevor ich wütend aufstampfte. Oh, wie ich es hasste, wenn Leute mich ignorierten.

Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging in das Bad neben meinem Zimmer, wo ich mich meiner schmutzigen Kleidung entledigte und mich unter die Dusche stellte.

Anfangs war das Wasser zwar eiskalt, doch schon nach wenigen Sekunden wurde es warm und ich begann mir mit einer Bürste den Staub vom Körper zu kratzen.

Eine hellbraune Brühe ergoss sich in den Abfluss, als der grobe Schmutz von meiner Haut fiel und sich mit dem Wasser vermischte. Wo ich auch hinsah, überall, wirklich überall, war dieser nervig kratzende Sand.

Doch noch schwerer war es diesen nervigen Sand aus meinen Haaren zu bekommen. Dadurch, dass meine Haare sowieso Braun waren, entging mir das ein oder andere Sandkorn und ich musste ständig weiterrubbeln.

Langsam aber sicher begann meine Kopfhaut weh zu tun und ich musste aufhören. Es wäre einfacher, mir die Haare von jemand anderem waschen zu lassen, der sehen könnte wo sich noch Sand befand, als blindlings drauflos zu kratzen.

Genervt drehte ich das Wasser ab und trat aus der Dusche. Ich griff mir das Handtuch neben der Dusche und wrang meine Haare darin aus. Als ich es wegnahm und einen Blick darauf warf, wäre ich fast in Ohnmacht gefallen.

Das Handtuch hatte Sandflecken, also musste es irgendeine Stelle geben, an der sich noch Sand befand. „Verdammt!“, zischte ich und sank auf die Knie.

„Was fluchst du denn schon wieder?“

Blitzschnell drehte ich mich herum und hielt das Handtuch vor meine Brust. „RAUS HIER!“, schrie ich Darius an, der in der Tür stand und auf mich herablächelte.

„Ruhig Blut. Ich dachte nur du bräuchtest Hilfe, so wie es in deinem Kopf rund geht.“ Ein wissendes Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich umdrehte aus der Tür verschwand.

Zu meinem Bedauern hatte er wirklich recht. Ich brauchte Hilfe und er war nun einmal der einzige, der sich gerade im Haus aufhielt und ich war eindeutig viel zu erschöpft, um mich noch weiter mit diesem dämlichen Sand abzugeben, aber in einem dreckigen Bett wollte ich dennoch nicht schlafen. Ich wiegte die Situation und meine Möglichkeiten ab und kam zu einem Ergebnis.

„Warte!“

Er tauchte wieder im Türrahmen auf, die Augenbrauen abwartend hochgezogen. „Ja?“

Ich biss die Zähne zusammen und verfluchte ihn innerlich. „Kannst du mir mit dem Sand helfen, ich bekomme ihn nicht aus meinen Haaren.“

Meine Stimme musste förmlich nach Verzweiflung geschrien haben, denn sein Lächeln wurde noch breiter. „Aber klar doch.“

Gott sei Dank war das Handtuch groß genug, um mich darin einzuwickeln, denn meine Sauberen Sachen lagen allesamt noch im Schrank.

„Knie dich vor die Badewanne, dort kann ich es dir leichter rauswaschen.“

Widerwillig stand ich auf und kniete mich vor die Badewanne auf der Gegenüberliegenden Seite. Ich hielt den Kopf darüber und ließ meine Haare hineinfallen.

Ich bekam mit wie Darius den Duschkopf aus der Halterung in der Badewanne zog und das Wasser auf eine angenehme Temperatur brachte.

„Augen zu“, wies er mich an.

Ich schloss die Augen und sofort rann mir lauwarmes Wasser den Kopf hinunter. Darius kniete neben mir und begann mir den Sand vom Hinterkopf zu waschen.

Die Augen einen Spalt geöffnet, sah ich wie viel Sand wirklich noch in meinen Haaren war.

Man hätte es eine beruhigende Zärtlichkeit nennen können, wie er mir mit den Fingern durchs Haar strich, wenn er mir dabei nicht jedes Haar einzeln ausgerissen hätte.

„Was habt ihr denn heute aufgeführt? So viel Sand sollte normalerweise vor und nicht im Haus liegen.“

„Sams Kampfmethoden sind eben eine Sache für sich“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich mich so fest an die Kante der Badewanne klammerte, dass meine Knöchel weiß hervortraten.

Nachdem wohl jeder Knoten aus meinen Haaren förmlich herausgerissen war, schmerzte mein Kopf. Das Wasser wurde immer klarer und auch Darius schruppte nicht mehr allzu fest durch mein Haar.


Kapitel 17 - Besitzgier

 

Nach einer weiteren viertel Stunde wurde das Wasser abgedreht und ich wrang meine Haare aus. Blindlings griff ich nach einem Handtuch, das gar nicht da war, als mir mein Handtuch vom Leib gerissen wurde.

Ich schrie auf und umklammerte meinen nackten Oberkörper. „Gib mir sofort mein Handtuch wieder!“, schrie ich ihn an, die Haare immer noch über mein Gesicht hängend.

Darius sog zischend die Luft ein und fuhr mit den Fingern über meinen schmerzenden Rücken. „Was habt ihr gemacht.“ Seine Stimme war voller Zorn.

„Wir haben Trainiert. Ich war ihm unterlegen und fiel mehr als einmal hin. Ein paar Schläge musste ich auch einstecken, aber das war es“, wimmerte ich, als seine Finger über die blauen Flecken auf meinem Rücken wanderten.

„Dafür“, sachte er legte die Hand dort auf mein Kreuz, wo Sam mir den ersten Schlag zugefügt hatte, „wird er büßen.“

„Das wird schon wieder. Er hat mir nur gezeigt wie verletzlich und unvorsichtig ich bin.“

„Er hätte dir fast die Wirbelsäule gebrochen“, knurrte er.

War es wirklich so schlimm? Ich konnte mich daran erinnern, dass der Schlag höllisch weh tat, aber hätte meine Bewegung dadurch nicht eingeschränkter gewesen sein müssen?

Ich wollte mir das Handtuch schnappen, doch er warf es zu meinen schmutzigen Sachen. „Steh auf und stell dich noch einmal unter die Dusche, achte darauf, dass deine Haare vorne bleiben und nicht auf deinen Rücken fallen.“

Diesmal gehorchte ich ohne Widerworte und stellte mich unter die Dusche, mit beiden Händen in den Haaren, drehte ich Darius den Rücken zu.

Er machte das Wasser erneut an und ließ es über meinen Rücken fließen. „Was bringt es sich, wenn du dich wäscht, nur um dich dann wieder in ein dreckiges Handtuch einzuwickeln.“ Eine Fangfrage.

Wie eine Statue blieb ich stehen, als er mir das bisschen Sand vom Rücken wusch und knurrte, als ich zusammenzuckte, wenn er mit den Händen einen blauen Fleck berührte.

„Wenn das so weitergeht, wird er nicht mehr lange zu leben haben.“

Das Wasser wurde abgestellt und Darius wickelte mich wie ein hilfsbedürftiges kleines Mädchen in ein großes Handtuch ein.

Ich ergriff das Handtuch und wollte es um mich ziehen, doch er ließ nicht los. „Darius, ich kann das alleine.“

Er antwortete nicht, sondern wartete ab bis ich meine Hände weg nahm und er mich abtrocknen konnte. „Das DHS könnte dich in diesem Zustand leicht in seine Gewalt bringen, genauso wie derjenige, der hinter dir her ist.“

„Aber weder das DHS noch dieser Typ, wenn es ihn überhaupt gibt, könne mir hier etwas anhaben.“

„Woher willst du das wissen. Halt still.“ Darius zog das Handtuch weg und kramte irgendetwas aus dem Kästchen neben der Tür hervor.

Die Haare hatte ich nun über meine Schulter hängen, da sie mir ständig in die Augen fielen und langsam trockneten. „Was machst du?“, fragte ich zögerlich, denn mit einem wütenden Dämon war nicht zu spaßen und ich wusste nicht, in wie weit Darius sich wieder gefangen hatte.

Er stellte sich vor mich hin und hob meinen Kopf, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. „Das könnte jetzt ein bisschen weh tun“, meinte er, als er mir eine klebrige Substanz auf den Rücken tröpfelte.

Ein bisschen? Als das Zeug einen Fleck berührte fühlte es sich an, als ob mir tausend Nadeln in die Haut gerammt werden würden. Ich schrie auf, kniff dich Augen zusammen und krallte mich in Darius Mantel.

„Schon gut, das wird aufhören“, beschwichtigte er mich, während er das Zeug mit der Hand auf meinem Rücken verteilte.

Der Schmerz stand im krassen Gegensatz zu den sanften Berührungen von Darius Händen. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Brust und biss krampfhaft die Zähne zusammen.

Mit der Zeit nahm der Schmerz ab, bis er gar nicht mehr da war und ich mich langsam wieder entspannte.

Wir knieten auf dem Boden, weil meine Füße irgendwann nicht mehr wollten. Ich zitterte am ganzen Leib und spürte wie das Blut zurück in meine Finger floss, als ich sie öffnete. „Was war das“, versuchte ich zu fragen, doch selbst meine Stimme wollte nicht mehr.

Doch er verstand. „Das ist eine Salbe, die Wunden verschließt. Jeder Dämon, der schon einmal jemand anderen in einen Dämon verwandelt hat, hat so eine Salbe bei sich. Wir können uns zwar selber heilen, aber erst mit der Zeit kommt die Fähigkeit gröbere Verletzungen zu heilen. Deine waren vereinzelt so stark, dass sie Wochen gebraucht hätten, um vollends zu verschwinden.“

Völlig erschöpft brach ich in seinen Armen zusammen.

Am Rande meines Bewusstseins bekam ich mit, wie Darius mich hochhob und mich ins Bett trug, wo er die Decke über meinen Körper ausbreitete.

Die Jalousien wurden zugemacht und er verließ den Raum.

 

Ich fuhr hoch und machte mich sofort auf einen Schmerz gefasst, doch er kam nicht.

Mein Magen knurrte, machte mich darauf aufmerksam, dass er gestern nicht bekommen hatte, außer einem Frühstück. Rasch machte ich mich fertig und huschte den Gang entlang zur Küche.

„Morgen!“, zwitscherte ich fröhlich, doch im Türrahmen erstarrte ich.

Sam saß nicht wie erwartet am Küchentisch, sondern war draußen auf dem Rasen, den wir als Trainingsfeld benutzend.

Er und Darius hatten die Gestalt gewechselt, doch während Darius aufrecht stand, lag Sam zusammengekauert auf dem Boden.
Wie der Tod höchstpersönlich ragte er bedrohlich über Sam auf.
Ich sprintete aus der Küche ins freie und mir wurde übel, als ich das Ausmaß von ihrem Kampf mitbekam.

Darius Hände waren zwar blutig, aber es war nicht sein Blut, welches ihm von den Klauen tropfte.
Meine Haut fing an zu kribbeln; wahrscheinlich wegen dem ganzen Blut, denn bei diesem enormen Blutverlust wäre ein Mensch schon längst gestorben. Von den Knochenbrüchen ganz zu schweigen.

„SAM!“, schrie ich und warf mich neben dem Häufchen Elend, das sich gerade zurückverwandelte in den Sand.

Sein rotes Haar war durchtränkt von seinem eigenen Blut, genauso wie Hemd und Hose, wenn man die Stofffetzen an seinem Körper überhaupt noch als Kleidung wahrnehmen konnte.

„Was hast du getan!“, schrie ich Darius an.

Er schnaufte wütend. „Ich habe ihm eine Lektion in Sachen Training beigebracht.“

Tränen bildeten sich in meinen Augen. „Das war meine Schuld! Verstehst du nicht? Ich habe mich nicht schnell genug bewegt und das hat er mir demonstriert!“

Darius richtete sich vor mir zu voller Größe auf und überragte mich um weiten. „Ihr Menschen seid so dumm! Der Typ hat dir wehgetan und du nimmst ihn in Schutz! Kratz deinen Restverstand zusammen, du halbe Portion! Sarméhnius ist um mehr als vier Jahrtausende älter als du. Du wirst ihn niemals besiegen können!.“

„Du tust so, als ob ich dein Besitz bin!“

„Du BIST mein Besitz! Und dein Freund hier hat dich verletzt, um mich zu provozieren! Er wusste ganz genau, wie wenig Kraft er eigentlich bräuchte, um dich außer Gefecht zu setzten. Aber du bist nicht so leicht niederzuringen wie er anfangs dachte, also hat er dich einfach übel zugerichtet.“

„ICH BIN NICHT DEIN BESITZ! Sam würde mir nie wehtun, nur um dich Idioten zu provozieren! Sags ihm Sam“, ich sah Sam an, dessen Wunden sich größtenteils schon wieder geschlossen hatten.

„Er hat recht“, gab er kleinlaut zu.

Ich blinzelte verwirrt. „Was?“

Sam setzte sich auf. „Er hat recht damit. Ich habe dich nur benutzt, um seine Schwachstelle herauszufinden, aber gestern habe ich gesehen, dass du es nicht verdient hast, so mies behandelt zu werden. Es tut mir leid.“

Meine Hand rutschte aus und ich verpasste Sam eine volle Breitseite mit meiner Handfläche. Ich wandte mich um und schritt hoch erhobenen Hauptes zurück ins Haus, wo ich meine Tränen krampfhaft unterdrückte. „Mieses Schwein“, flüsterte ich.

Sorgsam darauf bedacht niemanden zu zeigen, wie mies es mir gerade ging, strich ich mir ein Brot und machte mir Tee.

Nach einer Zeit kam Darius, gefolgt von Sam, bei der Tür herein und verschwand nach oben.

Sam setzte sich zu mir an den Tisch, hielt aber einen Sicherheitsabstand zu mir. „Es tut mir leid“, flüsterte er.

Ich ignorierte ihn und aß mein Brot weiter.

„Ich weiß, dass ich eine Dummheit begangen habe, aber versteh doch,…“, er bracht ab.

Es folgte eine Pause, in der ich meinen Tee austrank und mein Brot aufaß. „Es gibt keine ausreichende Entschuldigung, für das was du getan hast. Es ist mir auch völlig egal. Ich habe dir vertraut und du hast es schamlos ausgenutzt.“

„Irren ist menschlich“, meinte er gehässig.

Ich würdigte ihn keines Blickes. „Falls du blinde Nuss es nicht gemerkt haben solltest, ich bin ein Mensch“, erwiderte ich.

Auf dem Weg nach draußen hielt ich inne. „Komm, das Training wartet.“

 

Der Tag verging ziemlich langsam und das Training war auch nicht mehr das wahre. Sam war die ganze Zeit darauf bedacht meinen Schlägen auszuweichen und ließ sich sogar von mir treffen.

Am Ende hatte ich keinen einzigen blauen Fleck und war schweißgebadet, denn obwohl ich ihn getroffen hatte, musste ich mich anstrengen, um mit seiner Geschwindigkeit mitzuhalten.

Im Großen und Ganzen war der Tag einfach beschissen. Darius hatte ich nachdem er durch die Küche gegangen war nicht mehr gesehen und Sam wollte sofort wieder abhauen.

„Sam“, sagte ich, als er sich zum Gehen wandte, „Warte kurz.“

Er blieb stehen und sah mich kalt an. „Was ist? Wenn es um den Verrat geht…“

„Nein. Ich möchte dich etwas fragen, wenn es dir recht ist. Es hat nichts mit dem vergangenen Tag zu tun.“

„Na gut.“

Ich trat unruhig von einem Fuß auf den Anderen. „Warum ist Darius eigentlich so…du weißt schon“, ich gestikulierte mit den Händen herum.

„Grausam? Gewalttätig? Darius?“

Ein knappes nicken. „Ja.“

Sam ließ seine Hände in die Hosentaschen gleiten. „Sagen wir es einmal so, er hatte eine sehr schwierige Kindheit. Sein Vater war nicht gerade der fürsorglichste und seine Mutter hat ihn sich selbst überlassen.“

„Das hatte ich auch“, warf ich ein. „Wollte sein Vater ihn auch umbringe?“

„Machst du Witze? Er hat ihn dazu angestiftet andere umzubringen.“ Er stellte sich vor mich. „Nira“, sagte er mit ernster Stimme und legte seine Hände auf meine Schultern, „Menschen mögen sehr grausam sein, doch keiner von euch kommt auch nur annähernd an die Grausamkeit heran, zu der ein Dämon imstande ist.“

Ich sah ihn verwirrt an. „Wie darf ich das verstehen?“, fragte ich zaghaft.

Sam blickte zum Himmel. „Stell dir das Grausamste vor, was deine Vorstellungskraft zulässt.“

Nachdenklich senkte ich den Kopf. Mir fielen Sachen ein, die ich einmal in Zeitungen gesehen hatte, im Fernsehen oder die ich selbst miterlebt hatte, weil ich in der Nähe war.

Sie reichten von Jack the Ripper, über „Den Pfähler“ bis hin zum zweiten Weltkrieg. Ich erschauderte bei dem Gedanken an Filme, wie Das Schweigen der Lämmer und ähnliche. „Ja, weiter“, fiebste ich kleinlaut.

„Es ist nicht einmal annähernd so schlimm, wie das, zu dem wir Dämonen fähig sind.“

Ich hob den Kopf und sah Sam ins Gesicht. „Wer?“

Sam setzte gerade zum Sprechen an, als Li neben ihnen auftauchte. Breit grinsend stellte er sich neben mich. „Na, hattet ihr eine schöne Unterhaltung?“

Er wartete nicht einmal auf eine Antwort, sondern zog Nira einfach hinter sich her. „Komm mal mit, du kleiner Phönix.“

„Kleiner Phönix?“, fragte ich irritiert.

„Du weißt schon, der Vogel, der immer in Flammen steht.“

„Ich weiß was ein Phönix ist.“ Als er mich ins Haus, die Treppen hinaufzerrte, stemmte ich mich mit aller Kraft gegen ihn. „Wo willst du mich hinbringen? Darius hat gesagt ich soll da nicht hinein.“

„Oh, wie niedlich. Fängst du jetzt schon an, seinen Befehlen Gehör zu schenken? Wie lange hat es gedauert? Sicher keine zwei Stunden.“

„Was gedauert?“

Li blieb stehen und sah mich an, als ob ich schwer von Begriff wäre. „Na, bist du in seinem Bett gelandet bist. Jetzt stell dich nicht so blöd“, meinte er, die Flügel sorgsam auf seinem Rücken zusammengelegt.

„Sie war gar nicht in meinem Bett und dort wird sie auch nicht reinkommen“, meinte eine Stimme von der Tür.

Ich weiß nicht wieso, aber ich bei seinen Worten baute sich Wut in meinem Magen auf.

Li ließ mich los und ich fiel auf meinen Hintern.

„Was ist hier eigentlich los?“, fragte Darius aufgebracht und schloss die Tür hinter sich.

Durch den Spalt konnte ich einen kurzen Blick hineinwerfen. Der Raum war Lichtdurchflutet und darin stand ein Bett. Auf dem Bett lag etwas, oder besser gesagt jemand. Ein Engeln, den weißen schwingen nach zu urteilen.

„Ich dachte ich sollte ihr…“

„Nein.“ Darius ging auf mich zu und schob mich wieder die Treppen hinunter. „Sie braucht davon nichts zu wissen, Li.“

„Geht klar. Ich mach mich dann mal wieder auf den Weg“, meinte er und trat hinaus ins Freie, wo er sich anmutig in den Himmel abstieß und mich einfach links liegen ließ.

„Wieso?“, fragte ich.

„Lass es“, versuchte Darius mich abzuwimmeln.

Ich drehte mich zu ihm und hielt ihn am Arm fest, damit er nicht wegkonnte. „Darius, was ist in dem Zimmer?“

„Nichts und jetzt lass mich los.“ Er stieß mich unsanft weg, verschwand dann in sein Zimmer und ließ die Tür ins Schloss knallen.

„Ungehobelter Egoist“, murrte ich und machte mich in mein Zimmer auf, wo ich meine verschwitzte Trainingskleidung in die Wäsche schmiss und mir meinen Bademantel schnappte.

Ich fuhr mir durch die Haar, die wieder Sand abbekommen hatten, diesmal jedoch nicht so viel wie gestern. Den Dreck würde ich alleine rausbekommen.

Ich genehmigte mir eine Ausgiebige Dusche, zog mir mein Nachthemd an und legte mich schlafen.


Kapitel 18 - Verflixt und zugenäht

 

Der nächste Tag verlief ziemlich eintönig. Bis auf aufstehen, Essen, Klo gehen und Trinken, tat ich den ganzen Tag nichts außer Trainieren, Trainieren, Trainieren und dann endlich unter die Dusche stellen.

Nichts war so angenehm, wie sich am Ende eines anstrengenden Trainingstages unter die Dusche zu stellen und zu entspannen.

 

Die nächsten fünf Wochen oder so (war bei dem langsam extrem nervig werdenden Zwielicht nicht so einfach festzustellen) tat ich nichts anderes, als mit Sam zu Trainieren.

Gott sei Dank hatte er sich wieder gefangen und behandelte mich so wie vor dem Krach mit Darius.

Dieser war übrigens nie da und langsam fing ich an mich zu fragen, was er wohl die ganze Zeit machte?

Naja, das konnte mir egal sein. Nur ein nicht vorhandener Darius, war ein guter Darius.

Aber ich weiche vom Thema ab.

Innerhalb dieser Fünf schier endlos langen Wochen, musste ich lernen wie man seinem Gegner in menschlicher wie auch dämonischer Gestalt ausweicht, ihn entwaffnet, verletzt, außer Gefecht setzt und alles andere.

Ich musste Sam hochanrechnen, dass er mich nicht einfach mit seinen Klauen attackierte, sondern diese (anfangs) sorgfältig aus dem Spiel ließ.

Später hingegen musste ich auch diesen spitzen Teilen ausweichen. Leichter gesagt als getan. Mann, diese Dinger waren scharf.

Wenn eine dieser rasiermesserscharfen Klauen mich ritzte, brannte das wie die Hölle. Nach dem dritten Mal direkt angreifen und erwischt werden, wich ich ihnen lieber aus und griff hinterrücks an.

Danach kam das Üben mit den verschiedensten Waffen. Vom Bi-Händer bis zu Pfeil und Bogen musste ich alles beherrschen.

Da ich schnell lernte würde ich nur noch drei Wochen brauchen, bis ich alles perfekt beherrschen würde. Dann hätte ich die Praxis hinter mir. An den Tagen, an denen ich „frei“ hatte, saß ich meistens mit einem 2 000 Seiten dicken Buch am Küchentisch oder am Bett und lernte die Hackordnung der Unterwelt, die Geschichte, und alles über die 9 Höllen, samt den Kronprinzen.

In drei Wochen würde mich nur noch das Buch von meiner „Freiheit“ trennen. Wäre da nichts Darius.

Ich war ganz zufrieden damit, wie ich mich in meiner menschlichen Gestalt wehren konnte, doch er wollte mich partout nicht gehen lassen, solange ich meine dämonische Seite nicht beherrschte.

Aber das durfte Sam nicht übernehmen. Da kam mir die Frage auf, wer nun mein Lehrer werden sollte? Bei dem Gedanken an Darius lief es mir kalt den Rücken hinunter.

Aber schon wieder ein neuer Dämon, das war hart. Vor allen Dingen da Sam dann vielleicht nicht mehr kommen durfte.

Auch wenn wir Starschwierigkeiten hatten, so waren wir nun eng aneinander geschweißt. Er beriet mich und ich beantwortete ihm seine Fragen bezüglich meines langen Lebens auf der Erde.

Abends war dann immer Duschen angesagt. Das schönste am ganzen Tag, es sei denn Sam ließ das Training bleiben und zeigte mir ein bisschen die Umgebung. Doch zu weit vom Haus konnten wir uns nicht entfernen, schließlich war ich als gebundener Dämon ohne meinen Meister unterwegs und somit Freiwild, wenn es darum ging in das Territorium anderer einzudringen.

 

Heute war einer der Tage, an denen ich „frei“ hatte. Seit geschlagenen drei Stunden lag ich nun schon am Bett und blätterte in dem Buch herum.

Seite 728. Vor mir lag noch ein langer Weg.

Meine Augen taten weh, ich hatte Konzentrationsschwierigkeiten und meine Arme waren eingeschlafen. Das war das Stickwort für eine Pause. Eine sehr, sehr lange Pause.

Schwankend stand ich auf und ging aus dem Zimmer. Frische Luft. Das war es was ich jetzt brauchte.

Ich ging in die Küche, machte die Tür auf und betrat den Trainingsplatz.

„Na endlich, ich fragte mich schon, wie lange du noch brauchen würdest. Trödelst du bei Sam auch immer so lange rum?“

Ich fuhr herum und betrachtete Darius, der an einen Baum gelehnt am Boden saß. „Was tust du hier?“

„Nun, ich hatte ein paar ziemlich harte Wochen, bin aus der Puste und dachte mir, zum krönenden Abschluss besiege ich dich und hebe meine Laune wieder etwas an.“

Meine Brauen verzogen sich gereizt. Eigentlich war ich müde und wollte draußen etwas entspannen, das konnte ich mir jetzt ja abschminken.

„Jetzt? Ich habe mich noch nicht aufgewärmt.“

Darius zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Die Realität lässt dich auch nicht erst aufwärmen.“

Ohne zu zögern zog ich meine Waffen und warf sie nach ihm.

Keinen Augenblick später stand Darius hinter mir und stieß mich zu Boden.

Ich rollte mich ab und warf das nächste Messer nach ihm. Wieder daneben. Mist! Er war einfach zu schnell.

Egal was ich versuchte, immer wurde ich von ihm zu Boden geworfen und hatte bald mehr Sand an mir, als bei meinem ersten Training.

Doch aufgeben kam für mich nicht infrage. Irgendwann würde seine Verteidigung eine Lücke aufweisen und dann würde ich ihn niederstrecken. Bis dahin musste ich seinen Angriffen nur ausweichen.

Leichter gesagt als getan. Sam konnte vielleicht unsichtbar werden, doch das war nichts gegen Darius unglaubliche Schnelligkeit.

Er machte keine Geräusche, die ihn verraten könnten, kein Luftzug, nicht einmal ein vorbeihuschender Schatte. Er war einfach da. Und wieder nicht.

Schwer wurde es erst, als ich zurückgeschleudert wurde und mir den Ellbogen prellte. Es tat so weh, dass ich einen Moment liegen blieb.

„Na was ist, gibst du auf?“

„Sicher nicht.“

 

Nicht einmal drei Stunden später gab ich auf. Meine Haare waren verwüstet und in jeder Ritze meines Körpers war Sand.

Darius hatte mich ausgelacht und gemeint, aus mir würde nie etwas.

Toll, jetzt hatte ich sogar noch schlechtere Laune als vorhin.

Sofort ging ich wieder in mein Zimmer und direkt ins Badezimmer, wo meine Sachen unsanft in einer Ecke landeten. Heute würde ich mir ein Bad einlassen, das war es was ich wirklich brauchte, doch dann würde sich der ganze Sand am Boden der Wanne sammeln. Also doch kein Bad.

 

Nach zweieinhalb Stunden mühseligen Waschens unter der Dusche, war ich komplett sauber, doch meine Haare waren leider nicht wie erhofft glatt. Eigentlich waren sie wie Stroh und meine Kopfhaut schmerzte. Wie hatte Darius das damals nur wieder geschafft?

Vielleicht würde ich nachfragen, aber erst brauchte ich eine Mütze voll schlaf, also schmiss ich mich aufs Bett und schloss die Augen.

Als ich die Augen wieder öffnete waren keine zehn Minuten vergangen. Aus schlafen würde so schnell doch nichts werden.

Ich vertrieb mir die Zeit damit den Schrank zu durchstöbern, doch nach weiteren zehn Minuten war mir auch das zu langweilig.

Eine halbtrockene Strähne fiel mir ins Gesicht und da kam auch der Gedanke an meine Haare und Darius´ Geheimnis wieder.

Entschlossen, diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, machte ich mich auf den Weg ins Darius Zimmer. Das Handtuch um mich gewickelt, schlenderte ich in sein Zimmer.

Als ich die Tür öffnete kam mir direkt sein Geruch entgegen, der den ganzen Raum durchdrang. Dabei ertappte ich mich dabei, wie ich einatmete und seinen Geruch in mich aufnahm.

Mein Blick fiel auf das Bett. Ich hatte es letztes Mal nur kurz gesehen, bevor er mich wieder hinausgeworfen hatte. Es war mit einer schwarzen Samtbettwäsche bezogen, auf der eine ebenso schwarze Felltagesdecke lag.

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mich auf das Bett fallen zu lassen.

Wie vermutet handelte es sich hierbei um ein Wasserbett, nicht wie bei mir um eine schnöde Matratze. Ich vergrub meine Finger in dem seidigen Fell und rollte mich darauf zusammen.

Wie sich das Fell wohl auf nackter Haut anfühlen würde?

Ich lauschte, konnte aber kein Geräusch ausmachen, also schmiss ich kurzerhand das Handtuch vom Bett und streckte mich auf dem Fell aus.

Es fühlte sich himmlisch an. Sanft kitzelte das Fell auf meinem Rücken, umspielte meine Haut, sodass ich mich noch mehr hineinschmiegte. So viel zu dem Thema, dass ich niemals in deinem Bett liegen werde.

Als ich ein leises platschen hörte, fuhr ich hoch und schnappte mir sofort mein Handtuch, welches blitzschnell wieder meinen Oberkörper bedeckte.

So schnell ich konnte, brachte ich das Bett wieder in Ordnung und entdeckte eine weiße Holztür.

Ich ging darauf zu, legte die Hand um die Klinke und drückte sie vorsichtig nach unten. Die Tür ging nach innen auf, doch alles was ich zu sehen bekam war Wasserdampf.

Von draußen waren Geräusche zu hören, die sich auf das Zimmer zubewegten. Schnell und lautlos schloss ich die Tür und ging rückwärts.

Pechvogel, der ich war, verfing sich die Schlaufe meines Handtuchs in der, innen angebrachten Türklinke, sodass es hängenblieb und als ich daran zog, kam ich auf den dampfnassen Fliesen ins Rutschen.

Ich kam ins Stolpern, drehte mich im Flug, die Hände ausgestreckt, damit ich die größte Wucht abfangen konnte, doch anstatt auf den Fliesen aufzuprallen, fiel ich ins Wasser.

„AH!“, schrie jemand auf.

Nicht jemand. Darius!

„Was zum“, fing er an, dann erblickte er mich. Nackt. Auf seinem Schoß. Mit gespreizten Beinen.

Ich versuchte sofort von ihm weg zu kommen, doch ich fand auf der glatten Oberfläche keinen Halt und rutsche immer wieder ab.

„Halt!“, rief Darius und hielt mich ruhig. „Nicht. Bewegen.“

Ich erstarrte und lauschte. Da war nichts. Das Geräusch von vorhin war wieder weg. Wer auch immer da war, jetzt war er weg. „Da ist niemand“, flüsterte ich, den Blick an die Tür geheftet.

„Ich weiß“, knurrte er, „aber bist du schon einmal auf die Idee gekommen, dass männliche Dämonen auch nur Männer sind und dein herumgehüpfe alles andere als spurlos an mir vorbeigeht?“
Erst als ich seinen Gesichtsausdruck sah wurde ich mir seines Glieds bewusst, welches sich hart gegen meine Scham presste.
„Scheiße“, zischte ich. Mein Instinkt riet mir wieder einmal zur Flucht, doch das hätte die Lage dann wohl doch nur verschlimmert.

„Das kannst du wohl laut sagen.“


Kapitel 19 - Endlich ruhe

 

Ich schluckte schwer. „Was jetzt?“
„Entweder du bringst zu Ende, was du angefangen hast, oder du verschwindest schleunigst von mir.“
Völlig überfordert mit der gegenwärtigen Situation, konnte ich nur steif dasitzen und nichts tun.
Darius verdrehte die Augen. Er schob mich von sich und ich drängte mich an das andere Ende der Wanne, wenn man den Whirlpool so nennen will, den er hier drinnen in den Boden eingelassen hatte.

Ich dankte Gott für den dichten Dampf im Raum, der mich nur Darius Gesicht erkennen ließ. „Naja, wo ich schon einmal nass bin, kann ich dich gleich um den Gefallen bitten.“

Darius zog die Augenbrauen hoch. „Das wäre?“, fragte er neugierig.

Ich biss mir auf die Unterlippe, als ich meine Worte im Kopf wiederholte. „Ja, das war jetzt der Inbegriff, der Zweideutigkeit, ich weiß.“ Ich gestikulierte herum, nur im meine Arme schnellstmöglich wieder um meinen Oberkörper zu schlingen. „Meine Haare. Wie hast du es hinbekommen, das sie damals so schön waren?“

Falls es möglich war, schossen seine Augenbrauen noch ein Stück in die Höhe. „Du bist gekommen, um mich wegen deiner Haare zu fragen?“, er musste lachen. „Ach und übrigens, du brauchst dich nicht zu schämen, ist ja nicht so, als ob ich das“, er deutete auf mich, „noch nie gesehen hätte.“ „Ist mir egal, solange ich hier nicht rauskomme, rühre ich mich nicht vom Fleck, es sei denn du verschwindest zuerst.“

„Nira, ich habe mir ein erholsames Bad verdient und bloß weil du zu schusselig bist, um hier herauszukommen, werde ich mein Bad nicht unterbrechen.“

„Wäre die Wanne nicht so tief und rutschig, würde ich in null Komma Nichts hier verschwinden.“

Er lachte erneut. „Hast du etwa Angst ich könnte an dir Gefallen finden?“

„Oh nein, diesen Standpunkt hast du bereits klargemacht, aber bei meinem Glück…“, ich ließ den Satz offen.

„Dreh dich mit dem Rücken zu mir“, wies er mich an.

Perplex starrte ich ihn an. „Was hast du vor?“

„Keine Panik, ich beiße schon nicht.“

„Da bin ich mir nicht so sicher.“ Wiederwillig wandte ich ihm den Rücken zu, um sofort an ihn gezogen zu werden. Ich quietschte auf, als er mich meinen Kopf zu sich zog. „Was tust du da!“

„Schau mal, wenn deine Haare nass sind tut es nicht so weh, also blieb locker und entspann dich endlich.“

„Ich sitze neben dir in einer überdimensionalen Badewanne, in der mir das Wasser, wenn ich aufrecht sitze bis über die Brust geht, außerdem bin ich nackt und du erwartest ernsthaft, dass ich mich da entspanne?“

Den Kopf über meinen Gesenkt fing er an zu grinsen. „Ja“, dann tauchte er mich unter.

Ich schlug um mich und wollte mich befreien, aber Darius zog mich sofort wieder hoch. Das Wasser war mir in Nase und Mund gedrungen, sodass ich husten musste, nachdem ich wieder über Wasser war.

Blitzschnell drehte ich mich um und hielt mich an Darius´ Schultern fest, damit er mich nicht noch einmal untertauchen konnte. „Bist du komplett wahnsinnig?“, keuchte ich, als ich endlich sprechen konnte.

„Vielleicht, aber jetzt komm erst einmal her.“ Er wollte mich umdrehen, doch ich weigerte mich strikt. „Gut, dann eben nicht.“

„Du tauchst mich doch bloß wieder unter, wenn ich keinen Halt mehr habe!“, meinte ich mit zusammengekniffenen Augen.

„Das würde ich niemals tun“, meinte er und fasste sich beleidigt ans Herz.

Ich sagte nichts, sondern sah ihn nur schief an.

„Du vertraust mir nicht“, eine Feststellung.

„Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue, aber würde ich an einer Klippe hängen und hätte die Wahl zwischen einem morschen Ast und deiner Hand“, ich lächelte schief, „Ich würde nach dem Ast greifen.“

„Du vergleichst mich ernsthaft mit einem morschen Ast?“

Ich zuckte mit den Schultern.

Darius verdrehte die Augen. „Gut, dann leg den Kopf auf meine Schulter.“

Ich zögerte, doch es schien mir die einfachste Lösung. Die Hände auf seinen Schultern abgestützt, legte ich meinen Kopf auf seine linke Schulter und stützte meine Füße zwischen seinen ab.

Genervt zog er meine Beine auseinander und schob mich auf seinen Schoß. „Du warst zu hoch“, meinte er. Diesmal war er sanfter, als er durch meine Haare fuhr und sie entknotete.

„Wieso schaffe ich das nicht mit einer Bürste? Ich meine, du benutzt nur deine Hände“, ich hob den Kopf, „tust du doch, oder?“

„Ja und jetzt halt still“, er drückte meinen Kopf wieder nach unten und machte weiter.

Seine Finger in meinem Haar hatten eine beruhigende Wirkung auf mich, sodass ich die Augen schloss. „Kannst du nicht immer so sein“, murmelte ich.

„Wie?“

„So sanft“, wisperte ich ihm ins Ohr.

„Lass das“, raunte er in mein Ohr.

Ich rutschte hin und her. „Was?“

„Du flirtest mit mir.“

Ich kicherte. „Das wäre das Letzte, was ich machen würde. Außerdem weiß ich nicht einmal wie das gehen sollte, schließlich habe ich noch keine Erfahrung in diesen Dingen.“

„Du meinst, du bist noch eine Jungfrau.“ Wieder eine Feststellung.

„Mhm. Hatte ich aber schon einmal erwähnt“, murmelte ich.

Seine Finger wanderten meinen Scheitel entlang nach unten, durch meine Haare, die mir bis zur Mitte meines Rückens gingen und wieder nach oben.

„Fertig“, säuselte er in mein Ohr, „Oder will gnädiges Fräulein auch noch eine Massage?“, witzelte er.

„Gern.“ Ich fühlte mich wie betrunken, nichts zählte mehr, alle Vorsichten waren über Bord geworfen, denn das Gefühl, an jemanden zu lehnen, der einem ausnahmsweise nicht tun wird, und das auch zu wissen, war viel zu schön, als dass ich es so einfach aufgegeben hätte. In meinem Kopf war nur noch ein dichter Nebel.

„Nira, geht es dir gut?“, fragte Darius.

Ich nickte nur. „Lass mich einfach noch ein bisschen liegen, bitte.“

Ich ließ mich ganz gegen ihn sinken und entspannte mich vollends. Meine Umgebung wurde immer uninteressanter, aber mein Körper schrie danach einfach die Augen zu schließen und mich gehen zu lassen.

Ich atmete den Dampf ein und vergaß alles um mich herum, meine Augen waren geschlossen und mein Verstand schaltete ab.

Im warmen Wasser entspannten sich meine Muskeln und der unangenehme Kater, den ich nach dem Training hatte war weg.

 

Als ich aufwachte, fühlte ich mich, als wäre mein Kopf voller Watte. Ich fuhr hoch und rieb mir die Schläfen, während mein Kopf im Rhythmus meines Pulses pochte.

Nachdem der gröbste Schmerz aufgehört hatte, öffnete ich die Augen und sah auf die Uhr, die am Nachttisch stand.

Seit wann gibt es in der Unterwelt Uhren?

Also doch keine Uhr. Was war das dann für ein komisches Teil? Ich starrte es konzentriert an.

10, 9, 8…

Was zum Kuckuck?

7, 6, 5 …

Soll mir das jetzt irgendetwas sagen?

4, 3, 2 …

Ich hielt mir vorsichtshalber die Ohren zu und verkroch mich wieder unter der Decke, doch statt des lauten Klingelns meines Weckers, kamen in dem Moment alle Erinnerungen hoch.

Ich, nackt, wie ich mich auf einer Felldecke gewunden habe. Noch einmal ich, wie ich durch eine Tür gehe, hängen bleibe, ausrutsche. Dann ein Aufschrei. Darius Gesicht ganz nah an meinem, während ich auf ihm saß.

„WAS ZUR HÖLLE!“, schrie ich und schüttelte den Kopf. War das wirklich oder hatte ich das nur geträumt?

Was war in mich gefahren? Was hatte ich getan? WAS HATTE ICH MIT IHM GETAN?!

Und wo zum Teufel kam dieses komische Gerät her? Ich lugte unter der Decke hervor, doch das Teil war weg.

Panisch sah ich mich um. „Ist da jemand?“

Weder war jemand, oder etwas zu sehen, noch zu hören.

Langsam schlug ich die Decke zurück und suchte meine Kleidung zusammen, die, wie zuvor, schön zusammengelegt auf meinem Fußende hing.

Doch nur ein Traum?

Sicher war nur eines, wenn ich die Wahrheit wissen wollte, dann musste ich an der Quelle suchen.

Etwas panisch stürmte ich in die Küche, um zu sehen, dass Sam nicht da war und Darius mit Li etwas im Garten besprach.

Der Nebel in meinem Kopf hatte sich zwar sichtlich gelichtet, dennoch fühlte ich mich total groggy. Das Training heute dürfte absolut lustig werden.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und ging zu Darius.

Dieser drehte sich sofort um, nachdem ich dir Türe geöffnet hatte, genauso wie Li. Doch während Darius mich nur kurz ansah, musste Li schmunzeln.

„Was?“, fragte ich und sah an mir hinunter. Hatte ich mich bekleckert? War irgendetwas in meinem Gesicht? Zwischen meinen Zähnen? Oder gar in meinen Haaren?!

„Darius, ich muss mit dir reden. Ich denke nicht, dass ich heute mit Sam trainieren kann“, sagte ich und rieb mir zur Bekräftigung über die Stirn. „Ich fühle mich heute so…“

„Groggy?“, beendete Li meinen Satz.

Verblüfft starrte ich ihn an. „Woher…“

Doch er ignorierte mich und wandte sich stattdessen an Darius. „Du hast dein Grundprinzip gebrochen, alter Freund.“

Darius verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, das habe ich nicht.“

„Ach, dann hast du sie also nicht mit in dein Zimmer und in die Wanne genommen?“

Doch kein Traum?

„Woher weißt du davon? Wie kommst du überhaupt darauf?“, keuchte ich entsetzt.

Li trat vor mir und legte mir einen Arm um die Schulter. „Naja, Darius gibt eine Art Beruhigungsmittel ins Wasser, damit er sich entspannen kann“, er warf Darius einen amüsierten Blick zu, „Frag mich nicht wo er das her hat. Auf jeden Fall ist die Dosis für einen Dämon entspannend. Ein Mensch schläft für immer ein und bei jemanden wie dir…“, Li warf Darius einen fragenden Blick zu, „Was war eigentlich bei ihr?“

Darius bedachte mich mit einem breiten Grinsen, das so schnell verschwand, wie es gekommen war. „Sie wurde zahm wie ein Kätzchen und hat sich auch genauso aufgeführt“, antwortete er an Li gerichtet.

Ich spürte wie meine Wangen heiß wurden und ich vor Scham rot anlief. Was war während der Stunden passiert, an die ich mich nicht erinnern konnte? War es möglich das… Mein Herz setzte einen Schlag aus und mein Blick glitt zu Darius.

Li sah mich an. „Ein Kätzchen? Was verstehst du darunter?“, sein Blick wanderte wieder zu Darius, doch sein amüsierter Blick ließ mich nichts Gutes erwarten, denn Li kannte Darius immerhin besser als ich. Zumindest ging ich davon aus.

„Sie saß auf mir und schmiegte sich an meine Brust, ohne sich der Gefahr bewusst zu sein, die…“

„Es reicht!“, unterbrach ich ihn, „Du musst nicht jedem erzählen, dass du mit mir geschlafen hast, kapiert!“, fauchte ich ihn an.

„Du hast was?“, ertönte Sams Stimme hinter mir.

Ich biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst und wäre einfach verschwunden. Moment!

Immerhin war ich ein Halbdämon und dazu noch gebunden, vielleicht würde das sogar funktionieren. Ich wusste zwar nicht wie es gehen sollte, doch ich stellte mir einfach den Ort vor an dem ich jetzt sein wollte.

Vor mir breitete sich der „See der Tränen“ aus und ich konnte förmlich das Wasser riechen, also ging ich auf das Wasser zu und streckte die Hand danach aus. Als ich wirklich Wasser berührte öffnete ich die Augen und befand mich genau an der Stelle, die ich mir vorgestellt hatte.

Erleichtert ließ ich mich zu Boden sinken und legte mich auf den Rücken. „Gott sei Dank! Endlich weg von dort. Ich bin so blöd.“ Frustriert fuhr ich mir mit den Fingern durch meine Haare. „Wieso kippt man Beruhigungsmittel ins Badewasser? Welcher Normalo macht so etwas?“ Ich seufzte.

„Nunja, du weißt doch selber, dass ich nicht normal bin.“

Sofort sprang ich auf und hatte meine Messer gezogen.

„Du bist noch nicht so weit, um es mit mir aufzunehmen, Nira“, meinte Darius und machte eine abwertende Handbewegung. Langsam kam er auf mich zu.

„Ach wirklich? Denkst du so schlecht über mich? Ich könnte dich fertig machen, wenn ich wollte“, gab ich zurück.

Er zuckte mit den Schultern. „Gut, komm her“, er krümmte den Zeigefinger, „Komm her und zeig mir was du kannst.“

Der Griff um meine Messer wurde fester, doch ich musste erst noch etwas klären. „Wenn ich gewinne, dann sagst du mir die Wahrheit über letzte Nacht.“

„Gerne. Was bekomme ich, wenn du verlierst?“

„Das besprechen wir, wenn es soweit ist.“

Darius machte eine übertriebene Verbeugung. „Lady´s first.“

Ich nutze meine neu gewonnene Schnelligkeit und versuchte ihm mein Messer in die Brust zu rammen, doch das einzige was ich traf, war die Luft.

Strauchelnd versuchte ich das Gleichgewicht wiederzufinden, doch Darius verpasste mir einen Stoß von hinten und ich fiel ins Gras.

Der Versuch aufzustehen blieb ein Versuch, denn Darius saß auf meinem Rücke und drückte mich nieder. „Ich denke ich habe gewonnen.“

„Oh nein, erst wenn ich kampfunfähig bin.“ Ich verhakte mein Bein mit seinem, benutze meine dämonische Kraft und warf ihn herum…mein Schamgefühl kehrte ruckartig zurück, als ich auf seinem Bauch saß.

Darius nutzte den Moment meiner Schwäche aus und drückte mich, schneller als das menschliche Auge es hätte wahrnehmen können, gegen den Baum zu meiner Rechten.

Langsam fing ich an, Bäume zu hassen. Ständig wurde ich gegen sie gedrückt und konnte mich nicht mehr rühren.

Die Wange gegen die Rinde gedrückt und Darius im Rücken, war es mir nun unmöglich mich zu bewegen.

Er beugte sich vor und ich konnte seinen warmen Atem im Nacken spüren. „Schachmatt“, hauchte er mir ins Ohr.

Ich bekam meinen Kopf frei und sah Darius aus dem Augenwinkel heraus an. „Gut, ich gebe mich geschlagen, zufrieden?“, knurrte ich.

„Nicht ganz, immerhin bekomme ich noch etwas von dir, schließlich hast du verloren.“

„Dann bring es endlich hinter dich.“ Ich schloss die Augen und wartete einen Moment ab, doch es geschah nichts weiter, als dass Darius mich losließ und einen Schritt zurück machte.

Vorsichtig drehte ich mich um und drückte mich mit dem Rücken gegen den Baum. Darius stand mir gegenüber und sah mich neugierig an. „Was schwebt dir denn da so vor?“

Ich schluckte und machte den Mund auf, doch ich brachte kein Wort heraus.

Er fing an zu lachen. „Das dachte ich mir schon.“ Er machte einen Schritt auf mich zu und hob mein Kinn hoch, damit ich ihm in die Augen schauen musste. „Um dir weh zu tun, müsste ich nicht einmal das machen, aber eigentlich will ich nur, dass du mir zuhörst. Wir haben gestern nichts, absolut nichts, gemacht. Allerdings hast du dich mit deiner Anschuldigung echt in die Scheiße geritten. Sam ist stinkwütend auf dich und Li ist sauer auf mich. Hättest du mich einfach ausreden lassen, wäre das alles nicht passiert.“

„Toll, immer bau ich den Mist.“

„Kopf hoch, dafür wurdest du soeben auf eine Party eingeladen.“

Irritiert wanderte mein Blick an ihm vorbei, doch nirgends war jemand zu sehen. „Wer? Welche Party? Wann? Wo?“, ich schüttelte den Kopf, „Wieso ich?“

„Nira, du stellst zu viele Fragen auf einmal. Erst einmal sollten wir das Missverständnis aufklären, dass du verursacht hast“, meinte er ernst, doch seine Mundwinkel zuckten kurz.

Ich hielt inne. „Klar, war ja immerhin mein Fehler, dass du Beruhigungsmittel ins Badewasser gibst.“

Genervt verdrehte Darius die Augen. „Du kannst gerne noch länger darauf herumreiten, trotzdem kann ich nichts für deine verrückten Ideen. Weder die, zu mir ins Bad zu kommen, noch die, dich nackt auf meinem Bett zu wälzen, als wärst du eine rollige Katze.“

Ich schluckte schwer. „Hab ich das wirklich getan?“ Darius nickte. „Ach du heilige“, ich fuhr mir mit den Händen über das Gesicht, „das darf doch nicht wahr sein.“ Geschwind lugte ich zwischen meinen Fingern hindurch. „Haben wir wirklich nicht … du weißt schon.“

Darius sah mich gelangweilt an. „Glaub mir, wenn es wirklich so wäre, dann würdest du jetzt nicht hier stehen.“

„Was soll denn das jetzt schon wieder heißen?“, meinte ich beleidigt.

Auf seinem Gesicht tauchte ein breites Grinsen auf. „Das braucht dich nicht zu interessieren.“

„Schön, dann lass es. Ich würde sowieso nie etwas mit dir anfangen. Ist ja widerlich. Allein die Tatsache, dass du ein Dämon bist, ist schon abstoßend genug.“ Oh mann, jetzt fing ich echt an rumzuzicken.

Darius Gesichtsausdruck zu urteilen, war er jetzt sicher sauer auf mich, also hieß das für mich so viel wie: „So schnell wie möglich den Rückzug antreten und das Weite suchen!“

„Denkst du wirklich, dass das ein Hindernis ist?“, meinte Darius. Seine Stimme war zwar weich wie Samt, doch scharf wie eine Rasierklinge. Er machte einen Schritt auf mich zu und legte den Kopf schief.

So wie er sich vor mir aufbaute stieg in mir die Angst hoch. Ich schloss die Augen und stellte mir mein Zimmer vor. Nicht das hier oben, das würde mit Sicherheit vom DHS überwacht werden, wenn nicht sogar gesperrt.

Das breite Bett vor mir, den großen Schrank, mit all seinen Verzierungen, sogar den Duft konnte ich mir mühelos vorstellen. Langsam öffnete ich die Augen und wich vor Schreck einen Schritt zurück.

Darius hatte sich inzwischen vor mir aufgebaut und seine Augen funkelten gefährlich rot. „Funktioniert wohl nicht, was? Hast wohl vergessen, dass ich deine Kräfte beeinflussen kann.“ Er schnalzte mit der Zunge. „Tja, jetzt ist auch niemand da, der dich vor mir „retten“ könnte, wie du es so schön ausdrücken würdest.“

Ganz knapp war ich davor die Flucht zu ergreifen, doch dann kam mir der Baum in meinem Rücken in die Quere und machte mir einen Strich durch die Rechnung. Mein Herz fing an wie wild gegen meine Brust zu hämmern und der Puls donnerte meine Adern entlang, wo er zu einem stetem Hämmern wurde.

Ich klammerte die Hände in die Rinde des Baumes, um ein Stück herauszubrechen damit ich mich wehren konnte, denn meine Waffen lagen vor mir am Boden und ich hatte keine Chance an sie heran zu kommen.

Die Rinde gab nicht nach und langsam fingen meine Handflächen an zu schwitzen, sodass ich keinen guten Halt mehr fand.

„Hast du Angst?“, flüsterte er mit dieser gefährlich sanften Stimme.

Zwar hatte ich gelernt, mich niemals geschlagen zu geben, doch die Situation spannte sich immer mehr an, wenn ich also jetzt nicht nachgeben würde, könnte das hier richtig unschön werden. Ich war noch ein klein Wenig groggy, was es mir unmöglich machte gegen Darius zu gewinnen.

Nira, leg deinen Stolz ab und gib auf, sagte ich zu mir selbst, um mich zu überzeugen. Es half nicht wirklich viel. Im Endeffekt würde ich dann wohl doch lieber sterben, als zu Betteln. Trotzig reckte ich das Kinn vor und sah ihm in die Augen. Wahrscheinlich das letzte was ich sehen würde.

Darius packte mich an der Kehle und drückte etwas zu. Nicht so fest, dass ich keine Luft mehr bekam, aber immerhin doch fest genug, um bei mir Quetschungen zu hinterlassen. „Du bist ziemlich Vorlaut, wie mir scheint. Zu viel Stolz kann einen Umbringen, ich hoffe darüber bist du dir im Klaren.“

Ich krallte meine Nägel in seinen Arm, doch das schien Darius nicht weiter zu interessieren, er lockerte seinen Griff kein wenig.

„Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“, er lehnte sich vor, „Du reagierst nur so über, weil du noch keinen Sex hattest“, hauchte er in mein Ohr.

Ich zischte auf, als er seine Hand neben mir gegen den Baum rammte, woraufhin diese eine Delle in der Rinde hinterließ. Wie lange es wohl dauern würde, bis ich so viel Kraft besaß?

„Wir wissen beide, wie recht ich habe, nicht?“

„Du musst immer recht habe, was nützt es mir, wenn ich dir widerspreche? Es ist doch sowieso falsch.“ Ich biss wütend die Zähne zusammen.

„Also streitest du es ab.“

„Ja, und jetzt lass mich los!“ Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich wirklich loslassen würde, so landete ich unsanft auf meinem Hintern.

„Viel Spaß beim Heimkommen“, meinte er und wollte gerade weg, als ich ihn aufhielt.

„Warte! Du willst mich doch wohl nicht hier allein zurücklassen? Wie soll ich denn wieder zurückkommen?“, warf ich entsetzt ein.

Darius hob unschuldig die Hände. „Ich weiß nicht. Vielleicht so, wie du hergekommen bist?“, er sprach das so dumm aus, als würde er denken ich sei geistig zurückgeblieben.

„Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich kann mich nicht mehr teleportieren!“ Ein wütendes Knurren stieg mich in den Hals.

Darius grinste breit. „Sag ganz lieb „Bitte“, sonst kannst du selbst schauen, wie du zurückkommst.“

Ich schüttelte nur den Kopf. Verdammter Stolz!

„Gut, dann eben nicht.“ Er machte sich gerade daran ganz langsam zu verschwinden, sich stück für Stück im Raum aufzulösen, als ich ein Summen wahrnahm und mich gerade noch rechtzeitig duckte, denn schon im nächsten Augenblick steckte ein Bolzen hinter mir im Baum und zwar auf der Höhe, an der sich kurz zuvor noch mein Herz befand.

„Was zur Hölle!“, schrie ich auf.

Darius manifestierte sich sofort wieder und stellte sich vor mich. „Schnell! Verschwinde hier! Ich kümmere mich um den Typen!“

Ich hatte mich zusammengekauert, doch Darius zog mich hoch. „Darius … ich kann nicht!“

„Doch! Konzentrier dich, ich weiß dass du es schaffst!“ Ich konzentrierte mich auf Darius Haus. Auf mein Bett. Die flauschige Decke. Das weiche Fell zwischen meinen Fingern, das meine Haut liebkoste, als ich mich darauf wand.

Es kitzelte mich im Nacken. Da fiel mir ein, dass ich mich auf Darius Bett konzentriert hatte. Vor Schreck riss ich die Augen auf und sah die braune Decke, des Bettes über mir.

Kapitel 20 - Ich verstehe nicht

 

Langsam richtete ich mich auf und betrachtete das Zimmer, wobei ich geistig ganz woanders war.

Darius hatte gesagt, er wisse, dass ich es schaffen konnte.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich schluckte den Kloß hinunter. Er wusste es. Er wusste, dass ich es kann. Darius hat mir zugetraut, dass ich es schaffen würde.

Mir war nicht ganz klar, wieso mir das so viel bedeutete, da er es sicher wieder abstreiten würde, sobald er wieder hier war.

Als ich es endlich schaffte mich aufzusetzen, krallte ich meine Finger in die Bettdecke. Eine schiere Ewigkeit blieb ich sitzen und starrte ins Leere.

Der Bolzen. War er für mich bestimmt? Hätte er Darius treffen sollen?

Von unten ertönte ein Fluch. Sam.

Mein Füße trugen mich nach draußen, in die Küche, wo Sam die Faust auf den Tisch knallen ließ, doch als er mich bemerkte, kam er sofort auf mich zu. „Nira! Geht es dir gut? Bist du getroffen worden?“

Mechanisch nickte ich, den Blick immer leer.

„Li hat mir gesagt, dass etwas nicht stimme. Er ist sofort weg und ich wusste nicht was los war, ich dachte nur sofort an dich. Ich …“, er verstummte plötzlich und betrachtete mich eindringlich.

Zwei starke Arme legten sich auf meine Schultern und ich hob den Kopf, wo ich Sams Blick begegnete. „Nira, was ist los?“, fragte er besorgt. „Geht es dir gut?“

Gerade als ich nicken wollte, krampfte sich mein Herz zusammen. Automatisch griff ich mir an die Brust, um mir den Pfeil aus der Brust zu ziehen, doch da war nichts. Kein Pfeil. Dennoch spürte ich ihn.

Gift breitete sich in meinen Adern aus. Verbrannte mich von innen heraus. Vor Schmerzen krümmte ich mich zusammen. Tränen stiegen mir in die Augen, verbrannten mich von außen.

„NIRA! Was ist los! Sag etwas!“

„SAM! Komm her!“, rief Li von draußen.

Ich spürte wie Sam nach draußen sah und erstarrte. Er ließ mich los und rannte nach draußen.

Die Schmerzen verebbten langsam und ich hob den Kopf, um zu sehen was da draußen vor sich ging und wünschte mir im selben Moment es nicht getan zu haben.

Li stützte einen blutenden Darius, aus dessen Brust ein Pfeil ragte. Seine Kleidung war zerfetzt, als wäre durch eine Art Fleischwolf gedreht worden, durch die Schlitze konnte ich Wunden erkennen und sie schienen nicht nur Oberflächlich zu sein. Die Haare waren ihm ins Gesicht gefallen, doch ich konnte immer noch seine roten Augen sehen, dennoch war die vorhin noch leuchtend rote Farbe verblasst. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen, doch er lebte.

Als Sam Li half ihn zum Haus zu führen, hob Darius den Kopf. Seine Augen hafteten sich an mich, sahen mich von oben bis unten an. Dann stieß er Li und Sam weg. Kam auf mich zu.

Ich hatte zwar immer noch das Gefühl, dass der Pfeil durch meine Brust ragte, doch es war nicht mehr so schmerzhaft wie vorhin.

Doch anstatt vor mir stehenzubleiben, ging Darius an mir vorbei. Beachtete mich nicht weiter, sondern verschwand in seinem Zimmer.

„Li, tu doch was! Er wird sterben, wenn der Pfeil nicht entfernt wird und sie ebenfalls!“, schrie Sam.

„Er lässt sich nicht helfen. Wahrscheinlich versorg er sich gerade selbst. Darius ist uralt, er weiß was er zu tun hat“, antwortete Li barsch.

„Was ist mit dem Pfeil?“, presste ich hervor.

Li sah mich kurz an. „Er ist vergiftet.“

„Ich dachte nur Salz und Dämonendolche können einen Dämon töten?“

Li schüttelte den Kopf. „Dieses Gift … ich habe es noch nie gesehen, aber davon gehört.“

Erwartungsvoll sah ich ihn an. „Und was hast du gehört? Was ist das Gegenmittel?“

Li wandte den Blick ab, genauso wie Sam.

Panik kroch in mir hoch. „ES MUSS EIN HEILMITTEL GEBEN!“, schrie ich.

Li schüttelte den Kopf. „Ich habe nur gehört, dass der Pfeil schnellstmöglich entfernt werden muss.“

Einen Moment wartete ich. Dann müssten die Schmerzen doch weg sein?! Ich riss den Kopf hoch, sprang auf und rannte zu Darius Zimmer.

 

Ohne abzuwarten trat ich die Tür auf.

Hektisch suchte ich das Zimmer mit meinen Blicken nach Darius ab, doch er war nirgends zu sehen. Stattdessen zog sich eine Blutspur vom Eingang bis zur Badezimmertür.

Ich hörte das Plätschern von Wasser, stürmte ins Badezimmer und erstarrte.

Darius lag in der Badewanne und versuchte den Pfeil aus seiner Brust zu ziehen, das Gesicht schmerzverzerrt, doch er gab keinen Mucks von sich.

„Verschwinde“, presste Darius hervor, als er mich erblickte.

Doch ich blieb wo ich war. Wie Festgewurzelt. Den Blick voller Entsetzen auf seinen Körper gerichtet.

Er hatte seine Kleidung abgelegt und war in die Badewanne gestiegen, wo er anscheinend versucht hatte, das Gift abzuwaschen, doch dieses ging vom Pfeil aus. Ich konnte alle seine Wunden sehen, sein Oberkörper war übersät von zahlreichen Schnittwunden. Blut floss in kleinen Bächen in den Abfluss.

„Oh mein Gott“, keuchte ich entsetzt.

„VERSCHWINDE!“, schrie er mich an.

Trotzig schüttelte ich den Kopf. „Lass mich dir helfen“, flüsterte ich sanft. Ich wusste nicht, ob er es schaffen würde, den Pfeil hinauszubekommen, aber ich wusste, dass ich, wenn er sterben würde, auch starb.

Ich ging auf ihn zu, setzte mich an den Wannenrand und ließ mich hinuntergleiten. „Ich möchte dir nur helfen.“

„Ich brauche deine verdammte Hilfe nicht!“, knurrte er.

Ihn ignorierend griff ich nach dem Pfeil. „Wie kann ich dir helfen?“

„Indem du verschwindest“, fauchte er.

„Wir müssen uns beeilen, sonst stirbst du“, erwiderte ich.

„WIR müssen gar nichts tun. Ich schaffe das alleine.“

Ich setzte mich auf seine Knie, sodass ich mit ihm auf Augenhöhe war. In meinem inneren spürte ich, wie sich das Gift weiter ausbreitete und die Schmerzen wurden wieder stärker.

Ohne nachzudenken legte ich die Hand um den Pfeil. Sogleich begann Darius fürchterlich zu knurren, doch da hatte ich ihn schon ausgeblendet.

Keine Ahnung wie, doch ich spürte den Pfeil. Die Widerhaken daran und den Stiel aus Holz.

Wie sollte ich den herausbekommen. Wut stieg in mir hoch. Wut darüber, dass ich nichts tun konnte. Dass ich mitansehen musste, wie Darius litt und langsam sterben würde. Er legte den Kopf in den Nacken und sog scharf die Luft ein.

Eine Träne brannte sich ihren Weg meine Wange hinunter. Ich wünschte, der Pfeil würde einfach zu Asche, dann würde das Blut den Rest hinauswaschen.

Langsam rieselte Sand meine Hand hinab und verschwand zusammen mit dem Wasser und dem Rinnsal aus Blut im Abfluss.

Ich stellte fest, dass es kein Sand war. Sondern Asche.

Plötzlich löste sich der Stiel des Pfeils, den ich gerade eben noch in der Hand hatte, auf. ASCHE!

Ungläubig betrachtete ich, wie der Pfeil zu Asche wurde und hinabrieselte.

Der Pfeil war vielleicht weg, aber Darius war dennoch immer noch in Gefahr. Meine einzige Hoffnung bestand darin, dass das Gift durch die Schnittwunden hinausfließen würde. Aber das ging alles zu langsam.

Mein Körper zeigte mir an, wo sich noch Gift befand, also handelte ich schnell, ohne zu überlegen.

Ich beugte mich zu der Wunde am Oberarm hinunter, unter Darius immer noch wachsamen Blick, legte meine Lippen auf die Wunde, an der Schulter, wo ich den meisten Schmerz empfand und begann das Blut, und somit auch das Gift, aus der Wunde zu saugen.

Die Flüssigkeit ätzte im Mund und ich spuckte sie so schnell wie möglich aus.

Der Schmerz ließ langsam nach und die Wunde begann sich zu schließen. Es hilft, stellte ich erleichtert fest.

Darius Flüche ignorierend wandte ich mich der nächsten Wunde zu.

Ich wusste nicht wie lange ich das machte, bis ich alle Wunden am Oberkörper durch hatte. Auch wenn sein Körper nur noch einen kleinen Teil des Giftes intus hatte, versuchte ich mein Bestes, um auch noch den kleinen Rest wegzubekommen.

Ich nahm den Duschkopf und drehte das Wasser auf, wartete bis es warm war und begann das übrige Gift von seinem Oberkörper zu waschen.

Auch als ich nichts mehr davon sah, machte ich noch etwas weiter, schließlich könnte sich diese Zeug festhaften und später wieder Schaden anrichten.

Meine Sachen waren inzwischen völlig durchweicht und der Tag war wahrscheinlich schon wieder fast um, doch das konnte man bei dem ewigen Zwielicht nicht feststellen.

Ich bemerkte erst, dass der Wasserspiegel anstieg, als meine Unterschenkel schon bedeckt waren.

Rasch drehte ich den Kopf um zu sehen, ob ich mit meinem Fuß den Verschluss hinuntergedrückt hatte, doch stattdessen hatte Darius seine Ferse darauf gedrückt.

Ich drehte den Kopf wieder herum und bemerkte erst jetzt, dass er mich beobachtete, mit einem mir unbekannten Ausdruck in den Augen.

Wie lange beobachtete er mich schon? War er sauer? Verdammt, sicher war er sauer! Er hatte mir befohlen zu verschwinden und ich hatte ihn ignoriert.

Als er sich langsam vorbeugte, wollte ich aufstehen, doch er hielt mich fest. Sein Gesicht war nur noch einen Zentimeter von meinem Entfernt und mit der Realität kam auch die Panik wieder.

„T-tut mir leid, dass ich nicht gegangen bin, aber wenn du gestorben wärst, dann wäre ich auch gestorben. Li sagte der Pfeil …“

„Schh. Beruhig dich.“, meinte er mit rauer Stimme.

Ich sah ihm in die Augen. Sie hatten wieder ihren satten Blutroten Farbton angenommen, das beruhigte mich irgendwie ein bisschen.

Auf einmal spürte ich seine Hand im Nacken, die andere an meiner Hüfte. „Danke“, hauchte er.

Bevor ich etwas sagen konnte, hatte er mich an sich gezogen und küsste mich, sanft und zärtlich.

Total perplex sah ich ihn an und rührte mich nicht. Ich spürte seine Zunge an meinen Lippen und öffnete sie einen Spalt, woraufhin er sie in meinen Mund gleiten ließ.

Normalerweise hätte ich ihn weggestoßen, doch normalerweise musste ich mir auch keine Sorgen um sein, und somit auch um mein Leben machen. Somit ging der heutige Tag auch nicht als normal durch, da waren „abnormale“ Sachen erlaubt, also ließ ich zu, dass er mit meinen Haaren spielte, während er mit der anderen Hand meine Hüfte hochfuhr.

Wie automatisch wanderten meine Hände hinauf zu seinem Haar, und krallten sich hinein. Es sah nicht nur weich aus, verdammt es war sogar noch weicher.

Hitze schoss zwischen meine Bein und mein Unterleib zog sich genussvoll zusammen, das war definitiv nicht normal.

Mittlerweile reichte mir das Wasser schon bis zur Hüfte, meine Trainingshose war durchweicht, genauso wie der Ansatz meines T-Shirts.

Als er von mir abließ, amtete ich heftig die Luft ein, die mir fehlte. Ich saß auf ihm und wir sahen uns stumm in die Augen. Erst jetzt wurde mir bewusst, was ich getan hatte und Verwirrung machte sich in mir breit.

Wieso hatte ich das getan? Ich hasste ihn abgrundtief und trotzdem ließ ich es zu, dass er mich küsste. So fühlte es sich also an, wenn Körper und Verstand nicht einer Meinung waren.

Es folgte eine endlos lange Pause. Sein Blick bohrte sich in meinen und fesselte mich. Die Finger in seinem Haar, das jetzt Nass war und nicht mehr rötlich Schimmerte, sondern Nachtschwarz wirkte, saß ich ganz still da, wagte es nicht mich zu bewegen.

Die Stille war erdrückend. Ratlos was ich sagen sollte, machte ich dennoch den Mund auf.

Darius legte mir den Zeigefinger an die Lippen, befahl mir stumm sie zu schließen. „Du solltest gehen. Ich weiß, dass du das nicht willst, also wäre es besser, wenn du gehst, bevor einer von uns beiden etwas tut, was er später bereut.“

Nicht wollen? Herrjemine, ich hab noch nie etwas so sehr gewollt und gewusst, dass es nicht richtig ist. Am liebsten würde ich …
Ich wagte nicht weiterzudenken, da ich anhand der Flammen, die sich in Darius Augen wiederspiegelten, einen ziemlich klaren Eindruck davon bekam, wie er meinen Gedankengang fand.
Darius hauchte eine Spur von Küssen auf die Haut an meiner Kehle. „Geh jetzt, bevor ich es mir anders überlege und dich hier und jetzt nehme.“

Mit hochrotem Kopf nickte ich und stand – schweren Herzens – auf. Ungeschickt kletterte ich aus der Wanne und verließ, ohne mich vorher noch einmal umzudrehen, das Badezimmer und schloss die Tür hinter mir.

Kraftlos ließ ich mich dagegen sinken. Mein Magen rebellierte, krampfte sich schmerzhaft zusammen und meine Kehle war trocken.

Was war bloß los mit mir?

Meine trägen Füße trugen mich aus dem Zimmer, hinaus in den Flur, von dort aus in zurück in die Küche. Ich brauchte dringend etwas zu trinken.

Die Hand vor den Bauch gehalten trat ich ein und sofort richteten sich Lis und Sams Blicke auf mich.

„Wie geht es ihm?“, fragte Li besorgt.

Ich ließ mich auf einen Stuhl am Tisch sinken, die Hände auf dem Tisch ruhend. „Er ist außer Gefahr.“

Sam ergriff meine Hand. „Was ist mit dir? Du siehst niedergeschlagen aus?“, seine Stirn zog sich zusammen, „Hat er dir weg getan? Hat er …“

„Nein!“, fauchte ich. „Darius hat gar nicht getan.“

Li befahl Sam mit einem Blick still zu sein. „Was hast du gemacht?“

„I-ich habe nach dem Pfeil gegriffen und er zerfiel zu Asche“, antwortete ich mit zitternder Stimme. „Ich habe den Pfeil gefühlt. Die Widerhaken, die in seinem Fleisch festgekrallt waren. Aus reiner Verzweiflung habe ich mir vorgestellt, wie er einfach zu Asche zerfiel und auf einmal löste er sich wirklich auf.“

Bilder tauchten vor meinem geistigen Auge auf. Darius, wie er in der Wanne saß und das Blut aus jeder Schnittwunde lief, mit einem Pfeil im Herzen.

„He, beruhig dich“, meinte Li sanft. „Du hast es geschafft. Er wird wieder.“

„Ich denke nicht, dass sie sich wegen Darius sorgen macht.“ Sams Stimme war grimmig. Es schien ihm nicht zu gefallen, dass er nicht wusste, ob und was Darius mit mir gemacht hatte.

Ich wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen. Es wäre zu schmerzhaft ihn zu verletzen.

Li sah von mir zu Sam und wieder zurück. „Gibt es da etwas, dass ich wissen sollte?“, fragte er bestimmt.

Sam ließ meine Hand los und starrte Li an. „Da ist nichts.“

„Bist du dir sicher? So sieht es nämlich nicht aus. Pass bloß auf, dass Darius das nicht herausfindet, sonst bist du tot.“

Sam fuhr hoch. „Soll das eine Drohung sein!“, knurrte er.

Li lächelte wissend. „Nein, Sarméhnius, das war lediglich eine Feststellung.“ Li erhob sich. „Ich werde dann langsam gehen, ich werde erwartet.“ Er nahm meine Hand und hauchte einen Kuss darauf. „Nira.“ Er löste sich von mir und sah Sam an, der den Kopf senkte. Dann verschwand er und erhob sich in die Lüfte.

„Nira, wenn du etwas brauchst, ruf nur, ich werde sofort kommen“, meinte Sam und ging ebenfalls.

Er kam mir vor, wie der große Bruder, den ich nie hatte, das war aber auch schon alles was zwischen uns war. Meinerseits jedenfalls, bei ihm war ich mir da nicht so sicher.

Sam verschwand und unweigerlich fiel mir Drake ein.

Für ihn war da immer mehr gewesen. Das war es auch, was uns letztlich auseinandergebracht hatte.

Er war immer Eifersüchtig. Wollte wissen wo ich war. Was ich gemacht hatte. Wer bei mir war.

Aber er war auch ein Feind der Dämonen. Damals, nachdem ich mich das erste Mal vollständig verwandelt hatte, haftete der Gestank von Schwefel an mir und Drake sah ein, dass es keine Zukunft hatte, zu versuchen, mich auf dem richtigen Weg zu behalten.

Er ließ mich fallen. Wandte sich gegen mich. Gegen Joanne.

Joanne.

Tränen stiegen mir in die Augen. Ich vermisste sie. Ich vermisste Mason … und Jason.

Wie es ihm wohl ging? Ob er schon aufgewacht war?


Kapitel 21 - Erinnerungen

 

Keine Ahnung, wie lange ich noch am Küchentisch saß.

Meine Kehle meldete sich wieder zu Wort und wies mich darauf hin, dass ich immer noch nichts getrunken hatte.

Gemächlich stand ich auf, schnappte mir ein Glas und füllte es mit Wasser. Das glatte Glas berührte meine Lippen und ich ließ die kühle Flüssigkeit ergoss sich meine Kehle hinunter, doch das Gefühl, des Austrocknens verging nicht.

Das Schlucken fiel mir schwer und ich musste das Glas abstellen.

Jeder Atemzug bereitete mir Schmerzen. Schmerzen, die ich erst einmal hatte. Vor Jahrhunderten.

Damals, zu der Zeit, in der ich geboren wurde. Doch ich konnte mich nicht mehr erinnern. Die Erinnerungen waren zum Greifen nah und doch unantastbar.

„Meine süße Kleine. Vergib mir, ich wollte nicht, dass das hier so endet. Doch es geht nicht anders. Sie kommen, ich muss verschwinden. Vergiss bitte nie, dass ich dich liebe, meine Süße kleine Nirahailah“

Die liebliche Stimme einer Frau tönte in meinen Ohren. Doch sie weinte. Etwas Nasses tropfte mir auf die Wange, bevor sie mir einen Kuss auf die Wangen hauchte.

Ein plötzlicher Windstoß wirbelte um mich herum.

„Da vorne ist sie! Schnappt sie euch! Bringt mir ihren Kopf!“

 

„Nira?“, eine Hand legte sich auf meine Schulter, doch ich war wie weggetreten.

Blitzschnell wand ich mich aus dem Griff, schlug blindlings mit der Faust gegen die Person und rannte aus dem Haus. Rannte wie ich noch nie zuvor gerannt bin. In Gedanken hörte ich nur immer die Stimme dieses Mannes, der sie wollte. Sie waren hinter ihr her. Hinter der Frau die voller Liebe zu mir gesprochen hatte.

Jetzt waren sie hinter mir. „Da vorne ist sie! Schnappt sie euch! Bringt mir ihren Kopf!“

Immer schneller rannte ich. In den Wald. Durch niedriges Gras. Durch das Dornengestrüpp. Sie waren hinter mir her.

„DA! Da vorne, ich sehe sie!“

Mein Herz jagte meinen Puls, der mir in den Ohren Rauschte. Adrenalin jagte mir durch den Körper, ließ mich schneller laufen, ohne anzuhalten.

„Gleich haben wir sie!“

Panik kroch mein Rückgrat hinauf. Ich spürte die bedrohliche Präsenz hinter mir, die immer näher kam.

Hilfesuchend blickte ich mich um. Da sah ich einen kleinen Pfad, der in eine Höhle führte. Ich rannte hinein. Ins Ungewisse.

Der Geruch von Blut stieg mir in die Nase, ich beachtete es nicht weiter. Ein bitter-säuerlich-süßer Gestank stieg mir in die Nase. Verwesung.

Plötzlich geriet ich ins Stolpern, konnte mich aber wieder fangen. Ich stieg auf weitere Äste. Einige Knackten unter meinem Gewicht, andere gaben nicht nach und verursachten langsam Schmerzen.

Meine Augen passten sich der Dunkelheit an und ich erkannte, was sich vor mit über den Boden erstreckte. Knochen.

Mein Atem ging flach. Hektisch. Panisch.

Die Stimmen waren weg, doch ich rannte weiter. Achtete nicht auf das, was um mich herum war. Geschickt wich ich den größten Knochen aus, sprang über sie hinweg.

Plötzlich lag da etwas Größeres. Etwas viel Größeres.

Sofort wurde ich für den Moment der Unachtsamkeit bestraft, stolperte und fiel hin. Ich rutschte im Dreck und den Knochen noch etwas voran und kam schließlich vor dem Etwas zum Liegen.

Da war Fell. Ich erkannte ein Ohr. Eine Schnauze. Und plötzlich taten sich zwei Schlitze auf und zwei leuchtend grüne Augen richteten sich auf mich.

Der Berg von Fell bewegte sich, richtete sich auf und ich erzitterte.

Das was da vor mir stand, war offensichtlich nicht erfreut darüber, dass ich es gestört hatte.

Panisch ergriff ich die Flucht, doch zurück konnte ich nicht. Blieb nur die Flucht über den Berg. Oder unten durch.

Ich schoss zwischen den vier Klauen durch und rannte weiter. Der Boden erzitterte, als sich der massige Berg in Bewegung setzte und mir folgte.

Vor mir kam Licht in Sicht. Meine Füße flogen fast über den Boden und als ich das Licht erreichte, blieb ich nicht stehen. Ich rannte weiter.

Dann war da kein Boden mehr und ich fiel. Fiel in die Tiefe.

Plötzlich spürte ich nie gekannte Schmerzen in meinen Schultern. Ich öffnete zögernd die Augen und bemerkte, dass ich nicht länger fiel.

Ich war in einer Art Schwebe. Doch als ich mich nach hinten umdrehte und Darius erwartete, wurde ich enttäuscht. Stattdessen ragten dort zwei paar Engelsschwingen aus meinen Schultern.

Am Ansatz waren sie Rubinrot, doch nach unten hin wurde die Farbe zarter, verblasste auf wunderschöne Art und Weise.

Als ich mich darauf konzentrierte sie zu benutzen, verlor ich an Höhe. Ich war nicht stark genug, um mich nach oben zu bringen, so fiel ich erneut.

Die Luft rauschte an mir vorbei, trieb mir Tränen in die Augen und dann sah ich den Boden. Ich schloss automatisch die Augen und machte mich auf den unvermeidlichen Aufschlag gefasst.

Doch er kam nicht. Zögernd öffnete ich die Augen und sah den Boden. Er war einen Zentimeter von mir entfernt, doch ich schlug nicht auf.

„Schon in Ordnung. Du wirst nicht fallen“, flüsterte eine sanfte Stimme.

Es war so selten, dass ich sie hörte, denn normalerweise, war sie schneidend. Schaft wie eine Rasierklinge. Nicht sanft wie ein Windhauch. Darius.

Er hielt mich fest. Bewahrte mich vor dem Fall.

„Ich hab dich, Kleines. Nicht weinen. Du bist stark, das weiß ich. Später einmal wirst du ein so starkes Herz haben, wie deine Mutter.“ Eine starke, tiefe Stimme, die nur zu mir so sanft war.

„Und den Dickschädel deines Vaters“, fügte die liebliche Stimme hinzu.

Die Erinnerungen kamen so unvermittelt, dass ich zusammensackte.

 

Weiches Fell umspiele meine Arme und meine Beine. Es war so warm. Ich wollte nicht aufwachen. Wollte für immer in diesem tranceähnlichen Zustand verweilen. Doch die Realität war erbarmungslos.

„Nira?“

Ich murrte, wollte nicht aufwachen. Ein weiteres murren kam über meine Lippen und ich kuschelte mich noch tiefer in das Fell, das mich einhüllte. Den Kopf hatte ich eingezogen, die Beine angewinkelt und die Arme um mich geschlungen.

„Nira, wach auf.“ Sanft, aber kein Flüstern.

Verschlafen öffnete ich die Lider; das erste was ich zu sehen bekam, waren diese rubinroten Augen, die sich jederzeit in gefährliche Flammen verwandeln konnten. Inzwischen waren sie mir vertraut geworden.

„Hm?“, gähnte ich verschlafen.

„Morgen, Schlafmütze. Geht es dir wieder gut?“

„Mhm.“ Ich kuschelte mich wieder in das Fell, wollte mich strecken, doch es ging nicht. Irgendetwas blockierte mich.

Widerwillig reckte ich den Kopf aus der Decke und wusste warum. Ich lag ich Darius Armen.

Er hatte sich mit mir auf sein Bett gesetzt und hielt mich fest, die Felldecke um mich geschlungen.

„Was ist passiert?“, fragte ich.

Ein freudloses Lachen folgte seinerseits. „Ach, nichts weiter. Du hast mir nur fast die Organe zerquetscht, als ich dir eine Hand auf die Schulter legte. Dann bist du schreiend weggerannt, als ob der Teufel höchstpersönlich hinter dir her gewesen wäre, bist in einer Höhle verschwunden, aus der niemand lebend rauskommt, bist allerdings am anderen Ende wieder herausgekommen, und fielst in die Tiefe. Ich habe dich aufgefangen und du bist zusammengebrochen.“ Er richtete mich auf, bis ich nicht mehr lag, sondern saß. „Tja und seit ungefähr sieben Stunden warte ich nun schon, dass du aufwachst.“

„Sieben Stunden?“, murmelte ich. Er nickte. „Dann must du doch hundemüde sein?“

„Nein. Ein Dämon meines Ranges braucht nicht so viel Schlaf wie einer deines Ranges.“

„Angeber.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen und ich musste ebenfalls lächeln. „Was ist das eigentlich für eine Party, die du erwähnt hast?“

„Einer der Kronprinzen schmeißt eine Party, bei der alle Dämonen, die erst seit kurzem in der Unterwelt sind, willkommen sind. Eine große Ehre, aber ich denke er hegt da einen Hintergedanken.“

„Begleitest du mich?“

Darius schien sichtlich überrascht zu sein, doch ich wagte es nicht, mich allein unter so viele Dämonen zu begeben. Auch wenn ich nicht ganz genau wusste, wie sich unsere, nennen wir es „Beziehung“, jetzt aussah.

Eigentlich sollte ich ihn hassen, doch in letzter Zeit hatte ich mit ihm … wie sollte ich sagen … wir hatten Spaß.

Seine Blödheiten, oder eben, so Sachen wie jetzt gerade.

„Wenn ich ehrlich sein sollte, dann ...“

Ich winkte ab. „Ja, ja, schon klar. Du musst mit irgendjemanden, irgendwohin, wo du irgendetwas zu erledigen hast.“

„Eigentlich treffe ich mich mit einer Dämonin.“ Er kratzte sich am Kopf.

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Aber he, was hatte ich erwartet? Das einzige was uns verband, war eben das Band, mit dem ich an ihn gebunden war.

Darius legte den Kopf schief. „Bist du enttäuscht?“

Ich vergrub den Kopf an seiner Brust. „Nö.“ Doch.

Er lachte. „Hast du vergessen, dass ich deine Gedanken lesen kann?“

„Lass es“, murmelte ich.

„Kleines, ich tu doch gar nichts“, meinte er amüsiert.

„Nenn mich nicht immer Kleines.“ Ich boxte ihm gegen die Brust.

„Was willst du dagegen tun? Mich im Kampf besiegen?“, er kichert, „Und wovon träumst du Nachts?“

Ich stieß ihn um und legte mich an seine Brust. „Das wüsstest du wohl gerne.“

„Ach komm schon. Ich bin mir sicher, dass du von mir träumst.“

Zischend sog ich die Luft ein. „Du … Du … DU!“ Er verkniff es sich zu lachen, doch sein Grinsen verriet ihn. Ich konnte nicht anders und musste lachen. Herzhaft lachen. „Du bist verrückt.“

„So solltest du aber nicht mit mir reden“, ermahnte er mich.

Ich hielt inne. „Schon klar, Meister.

„He, übertreib es nicht, ich meine es ernst.“

Schmunzelnd wand ich mich aus der Decke. Gerade als ich mich auf die Seite rollen wollte, schnappte Darius sich die Enden der Decke und zog kräftig daran, mit dem Ergebnis, dass ich überrascht aufschrie und auf dem Boden landete.

„Au!“ Angeschlagen hielt ich mir mein Knie, mit dem ich als erstes aufgekommen war und rollte mich in Fötusstellung zusammen.

Über dem Bettrand tauchte Darius amüsiertes Gesicht auf. „Rache tut weh.“

Meine Hand auf das schmerzende Knie gelegt, stand ich auf und ging zur Tür.

„Hey, wo willst du hin?“

„Zu jemanden der nicht so grob mit mir umgeht.“ Eigentlich war mein Knie ja nur angeschlagen, nicht verletzt, also spielte ich ihm etwas vor.

Gerade wollte ich die Hand nach dem Türknauf ausstrecken, das legten sich zwei Arme um meine Taille.

„He, komm schon, das war doch nur Spaß. Außerdem weiß ich ganz genau, dass du übertreibst. Gut, normale Frauen wären vielleicht wirklich so schmerzempfindlich, aber du bis eben nicht wie die normalen.“

Ich schnaufte. „Danke, dass du mich daran erinnerst, dass ich nicht „normal“ bin“, geschickt wand ich mich aus seinem Griff, „das war echt aufbauend.“ Grummelnd öffnete ich die Tür und machte einen Schritt hinaus.

„Jetzt komm. Was hast du? Grimmig, weil du noch keinen Sex hattest?“

Ich hielt inne, drehte mich ganz langsam zu ihm um und bedachte ihm mit einem verächtlichen Blick, der mehr sagte, als tausend Worte es hätten vermocht.

„Nira, warte.“ Er hielt mich am Arm fest. „Was war los? Vorhin bei der Höhle.“

„Privatsache.“ Sein Griff blieb unnachgiebig. „Darius, ich werde es dir nicht sagen. So weit habe ich mich mit dir noch nicht angefreundet.“

Darius lachte. „Du willst dich mit mir anfreunden? Auf was hinauf?“

Ich sah ihn verständnislos an. Was stimmte mit ihm nicht? Endlich war er einmal nett und von einem Augenblick zum Ändern, war er wieder ganz der gefühllose Dämon, den ich zu hassen gelernt hatte.

Ich lächelte über meine Naivität, zu glauben ich könnte ihn andern, schüttelte den Kopf und ging.

„Die Party ist übrigens heute. Such dir ein schickes Kleid aus. Im Schrank solltest du genug finden. In drei Stunden hole ich dich ab.“

Ich hob die Hand und zeigte ihm den Mittelfinger.

 

Gut, Darius hatte recht. Im Schrank konnte ich mir wirklich ein Kleid aussuchen. Allerdings war der Schrank doch nicht so klein, wie er von außen wirkte und die Auswahl an Kleidern hätte das Herz jeder Frau höher schlagen lassen. Nur war ich eben nicht jede.

Unentschlossen, welches Kleid mehr Stoff hatte, was ziemlich schwer bei der Auswahl zwischen wenig Stoff und noch weniger Stoff war.

Schlussendlich entschied ich mich für ein rotes Abendkleid, welches mir etwa zehn Zentimeter über die Knie reichte, einen weiten Ausschnitt hatte und noch dazu Rückenfrei war. Da hieß es für mich wohl oder übel kein BH.

Doch dieses Kleid hatte immerhin den meisten Stoff. Der Saum endete knapp über dem Po und zeigte mehr, als er verdecken sollte.

Die passenden Schuhe standen direkt darunter: schwarze Stöckelschuhe mit einem zehn Zentimeter Absatz.

In einer der zahlreichen Schubladen fand ich schließlich auch noch eine silberne Smaragdkette und dazu passende Ohrringe.

Das Make-Up ließ ich weg. Ich trug nie welches; hatte auch keine Erfahrung damit, da ich es im Kampf sowieso nicht gebrauchen konnte.

Geduscht hatte ich schon, also war ich im Großen und Ganzen fertig.

Etwas unbeholfen stöckelte ich aus meinem Zimmer in den Gang hinaus, als Darius gerade sein Zimmer verließ.

Er hatte einen schwarzen Smoking an, der ihm überaus gut stand. Sein Haar war wie immer verwegen, was ihn unglaublich attraktiv machte und am Finger trug er einen schwarzen Ring der im inneren zu brennen schien.

Plötzlich fiel sein Blick auf mich und ich spürte, wie sich seine Augen direkt in die Zonen brannten, an denen das Kleid eindeutig zu wenig Stoff hatte. Mist.

„Schick, schick.“ Seine Hände wanderten in die Hosentaschen und er schritt auf mich zu. „Du hast ein gutes Auge, was Kleider betrifft.“ Sein Blick glitt an mir herab und meine Haut fühlte sich an, als würde sie in Flammen stehen.

„Ja, der Stoff ist zwar sehr sparsam zusammengeflickt worden, doch es sieht schön aus.“
Er lachte kehlig. „Die perfekte Wahl, wenn du mich fragst. Nicht zu viel, als dass es als prüde gelten würde, aber auch nicht zu wenig, als dass ich dich gleich wieder ins Zimmer schleifen würde, damit dich keiner zu Gesicht bekommt.“
Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. „Auf einmal ganz der besitzergreifende Dämon.“
Darius blieb dicht vor mir stehen, legte einen Arm um meine Taille und zog mich an sich. Er beugte sich zu meinem Ohr hinunter, sodass sein Atem beim Sprechen meine Haut streifte. „Nur bei dir, mein Kleines. Allein bei dir.“
Hitze schoss mir ins Gesicht und in südlicheren Regionen machte sich ein ziehen bemerkbar, als er seine Hand nach unten wandern ließ und seine Finger unter den Saum meines Kleides schlüpften.
Reiß dich zusammen!
Mein Unterbewusstsein riss mich aus den Gedanken. Schnell schlug ich Darius‘ Hand weg und machte einen Schritt zurück. „Wir sollten gehen.“

Mit einem Schmunzeln streckte er mir die Hand entgegen. „Wollen wir?“

Ich hakte mich bei ihm unter und wir lösten uns in Rauch auf.


 

Kapitel 22 - Lasst die Party beginnen

 

 

Nachdem wir uns manifestiert hatten, standen wir in einer Art Empfangshalle, wo uns zwei Dämonen mit rötlich-brauner Haut aufhielten.

Darius streckte seine Hand aus und zeigte ihnen seinen Ring. Einen silbernen Ring mit einem Rubin in der Mitte. Ich hatte ihn noch nie zuvor an seiner Hand gesehen, doch er sah sehr wertvoll aus.

„Willkommen, Meister Daráhial“, meinte einer der beiden und verbeugte sich. Der andere betrachtete mich und schien abzuwägen, ob ich gefährlich werden könnte oder kein Grund zur Sorge bestand.

„Sie gehört zu mir“, sagte Darius schlicht und schritt mit mir durch eine Art riesiges Tor, welches in einen noch Größeren Saal führte.

Der Raum leuchtete in einem goldenen Glanz und von der Decke hin ein riesiger Kristallkronleuchter, der den ganzen Raum erstrahlen ließ.

In der Mitte führte eine Treppe in den ersten Stock, wo sich wahrscheinlich die Zimmer befanden. Wie gerne wäre ich nach oben gelaufen und hätte alles genau erkundet.

Darius schien bemerkt zu haben, wie bewundernd ich durch den Saal blickte, denn er betrachtete mich aus dem Augenwinkel und musste grinsen.

„Ich dachte du würdest mich nicht begleiten“, flüsterte ich Darius zu.

„Du kannst normal mit mir reden, es versteht dich sowieso jeder Dämon, egal wie laut oder leise du redest und ja, du hast recht, doch zufälligerweise treffe ich sie hier, auf der Feier.“

„Achso.“

Plötzlich stieß ich gegen jemanden mit dem Ellbogen. Gerade als ich mich entschuldigen wollte, drehte sich dieser Jemand um und ich sprang auf die Seite und suchte bei Darius Schutz, so dämlich das auch klingen mochte.

Neben mir stand ein, um die 1,80 großer Dämon, mit leuchtend grünen Augen, blondem Haar und strahlend weißen Zähnen. Er konnte sicher jeder Frau das Herz brechen, so wie er aussah, wäre da nicht die Tatsache, dass er einfach zu schön wirkte, um wahr zu sein. „Hast du keine Augen im Kopf!“, fuhr er mich an.

„E-es tut mir leid! Ich wollte Sie nicht anrempeln“, brabbelte ich. Wieder einer dieser Momente in denen ich mich Schutzlos fühle. Wie oft das wohl noch vorkommen wird?

Noch während er sich umdrehte und mich ganz ansah, wurden seine Augen groß und checkten mich von oben bis unten ab. Anscheinend hatte ich sein Interesse geweckt. Na toll.

„Raziel, seit wann bist du so schroff mit hübschen Damen?“, meldete sich Darius zu Wort.

Raziel schien ihn gar nicht bemerkt zu haben, doch jetzt wo er ihn ansah, verbeugte er sich. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sire.“ Er richtete sich wieder auf und sah mich an. „Mylady, ich bitte Sie höflichst um Entschuldigung. Verzeihen Sie meinen rüden Ton, aber manche Dämonen können einfach nicht aufpassen. Sie trifft da keine Schuld.“

Redet ihr alle so geschwollen?, fragte ich Darius in Gedanken.

Manche von uns sind sehr alt und andere Redensarten gewohnt.

„Entschuldigung angenommen“, meinte ich unsicher.

Raziel ergriff meine Hand und drückte einen Handkuss darauf. „Wenn Mylady wünschen sich zu unterhalten, stehe ich Ihnen gerne Seite.“ Er zwinkerte mir zu und lächelte, ehe Darius mich weiterzog.

Ich blickte noch zurück, bis Raziel außer Reichweite war.

„Halte dich lieber von ihm fern. So eine Art von Dämon ist nichts, für das was du dir vorstellst“, meinte Darius abwertend.

„Was für eine Art von Dämon ist er denn?“

„Ein Incubus.“

Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Er ist ein Sexdämon?!“ Darius nickte. „Ich weiß was sie Menschen antun können, aber richten sie bei mir auch Schaden an?“

Darius bedachte mich mit einem wenig begeisterten Blick, da ihm schon schwante auf was ich hinauswollte. „Wenn du Abenteuer suchst, kannst du dich auf ihn verlassen, aber über seine Zärtlichkeit lässt sich angeblich streiten. Die weiblichen Dämonen sind äußerst zufrieden mit ihm.“

Ich sah ihn von der Seite an. „Und die männlichen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich halte mich von diesem Terrain fern. Mir sind Frauen lieber.“

Mein innerstes fing breit an zu grinsen. „Wo wollen wir eigentlich hin?“

„Ich möchte dir den Gastgeber vorstellen.“

Ich schluckte. „Toll.“

„Benimm dich. Antworte höflich, widersprich nicht, sag nichts, was dich in eine missliche Lage bringen kann, sag nichts, das dich oder mich das Leben kosten könnte, erwähne nichts von deinem Training, auch nichts davon, was du in meinem Haus, gesehen oder geglaubt hast zu sehen.“ Er dachte einen Moment nach. „Weißt du was, sag am besten gar nichts.“

Ich lächelte gekünstelt. „Nichts leichter als das.“

Darius ging voraus und ich folgte ihm, hielt aber höflichkeitshalber Abstand. „Mit wem treffen wir uns jetzt eigentlich?“

Darius´ Schultermuskulatur spannte sich an, entspannte sich aber wieder und er drehte sich zu mir um, als ob nichts gewesen wäre. „Beliar.“

„Ok, ich bin gleich ehrlich und sage dir, dass ich noch nichts über die Herrscher gelesen habe. Ich wollte mich morgen diesem Thema zuwenden, wenn Sam wieder da ist.“

Darius schloss die Augen. „Gut“, er sah mich eindringlich an, „was weißt du über die Kronprinzen?“

„Es gibt vier von ihnen. Astaroth, Belial, Leviathan und Luzifer, wobei Luzifer sozusagen „adoptiert“ wurde.“

„Das ist wirklich sehr wenig, aber besser als gar nichts.“ Darius sah sich kurz um, bevor er sich umwandte und weiterging.

„Warte mal, wieso?“

„Daráhial! Dich habe ich hier und heute nicht erwartet! Schön dich zu sehen.“ Eindeutig Sarkasmus.

„Beliar. Ich finde es auch schön dich zu sehen. Heute gar kein Feuer im Schlepptau?“ Sind die hier alle so freundlich?

„Nein. Auch wenn ich heute lieber etwas niederbrennen würde, so habe ich mich entschieden, unseren Neuzuwachs etwas zu begutachten.“ Eine Hand schob Darius unsanft beiseite. An ihrem Mittelfinger war derselbe Ring den auch Darius trug.

Als Darius Körper auf die Seite verschwand und die Sicht auf sein Ebenbild freigab, hielt ich die Luft an.

Nunja, Ebenbild war vielleicht übertrieben, aber sie sahen sich verdammt ähnlich. Beliars Haar war um eine Spur heller, hatte mehr rot als Schwarz, waren auch um eine Spur länger aber seine Augen hatten dieselbe Farbe wie Darius´.

Seine Muskeln waren um eine Spur weniger ausgeprägt, als die von Darius und sein Lächeln versprach Qualen, von denen ich nicht die geringste Ahnung hatte.

„Mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte er mit dieser Stimme, die mich bei Darius immer total anzog; doch bei ihm jagte es mir einen eiskalten Schauer über den Rücken.

„Nira“, knurrte Darius und stellte sich neben mich. Anscheinend konnten sich die beiden nicht besonders gut leiden.

„Ich habe sie gefragt, nicht dich!“, gab er zurück.

Ich schluckte. „N-nira, Sir.“ Es folgte eine knappe Verbeugung und ich hielt den Blick gesenkt.

Er legte mir seine Finger ans Kinn und hob meinen Kopf an, damit ich ihn ansehen musste. Wieso machen das alle?

„Was ist los? Hast du Angst, oder warum siehst du mir nicht in die Augen?“

„Ich ...“

„Oh, lass mich raten, er hat es dir verboten etwas zu sagen, nicht wahr?“ Er lachte. Kalt und herzlos.

„N-nein, das hat er nicht.“

Belair sah mich interessiert an, so … als ob er mich besitzen wolle.

Darius legte eine Hand um meine Taille und zog mich an sich. „Ich habe ihr dazu geraten, nichts zu sagen, da es dich verärgern könnte und wir wissen was passiert, wenn du sauer bist. Schon vergessen was damals in London passiert ist?“

„Ah, immer diese alten Geschichten.“ Er fing an zu grinsen. „Ich denke du kennst Raziel schon.“

Raziel tauchte neben Beliar auf und lächelte mich an.

Unter seinen Blicken wurde mir ganz warm und ich begann unruhig hin und her zu wippen, kaute unruhig an meiner Unterlippe herum, während ich meine Fingerknöchel massierte.

„Lass das!“, zischte Darius und zog mich noch enger an sich.

Beliar bedachte Darius mit einem abschätzigen Blick, bevor er sich wieder mir zuwandte. „Kennst du die besonderen Fähigkeiten der Incuben?“

Ich sah ihn ratlos an.

„Nicht?“, er schob Raziel vor, „Menschen mögen sie beim Sex vielleicht Lebenskraft aussaugen, aber Dämonen“, er leckte sich genüsslich über die Lippen, „können sie Lust bereiten, von denen du nur träumen kannst.“

Mein Mund wurde trocken. Wusste er es?

„Beliar, Darius! Da seid ihr ja!“, sagte eine liebliche, verführerische Stimme.

Wir sahen alle sofort in Richtung der Stimme und mir stockte der Atem.

Auf uns kam eine Frau zu, die ebenso atemberaubend schön, wie unsagbar gefährlich wirkte. Ihr blondes Haar reichte bis zum Hintern und war ganz leicht gewellt. Ihre ozeanblauen Augen sahen einem direkt in die Seele, falls eine vorhanden war.

Ihr langes schwarzes Abendkleid schwebte knapp über dem Boden und betonte ihre Figur, doch es zeigte mehr, als es verdecken sollte, wie der Ausschnitt bis zum Nabel bewies.

„Ich habe euch schon erwartet. Lasst uns gehen.“ Sie sah beide verführerisch an, leckte sich über die Lippen und schlug mit ihren langen vollen Wimpern.

„Wenn du mich entschuldigst“, meinte Darius und stellte sich neben die Frau.

Sie schien mich gerade erst zu bemerkten, wie ihre abschätzigen Blicke mir bewiesen. Mit ihrer Schönheit konnte ich es in hundert Jahren nicht aufnehmen.

„Können wir dann?“, zwitscherte sie, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.

Beliar warf mir noch einen begehrenden Blick zu, ehe er zusammen mit Darius und der Frau in einem Raum hinter einer massiven Holztür verschwand.

 

„Sie ist wunderschön, nicht wahr?“, meinte Raziel hinter mir. Ich nickte nur stumm. „Jedoch auf eine grausame Art und Weise.“

Ich nahm Raziel nur am Rand meines Bewusstseins wahr, denn der Gedanke, was sie wohl hinter der Tür trieben, machte mir zu schaffen.

Außerdem machte mir der Kronprinz richtig Angst. Seine Blicke hatten Löcher in meinen ganzen Körper gebrannt und selbst jetzt, nachdem er schon weg war, konnte ich sie immer noch an mir spüren. Es war gruselig.

„Lilith würde Sie in Stücke reißen, wenn Sie sie ihr wegnehmen.“

Bei dem Namen der Gefährtin des Teufels wurde mir schlagartig anders. Ich fuhr erschrocken herum und sah Raziel entsetzt an. „Die Lillith? Des Teufels Braut?!“

Er nickte und ich schluckte schwer. „Sie mag zwar die Mutter der Kronprinzen sein, aber selbst in den Geschichten und Sagen der alten Griechen war Inzest keine Seltenheit und sie hat ziemlich … spezifische Vorstellungen von Sex.“

„Ist das so.“ Eine Feststellung.

Raziel stellte sich neben mich und sah ihn an. „Wo wir beim Thema sind, du scheinst mir in diesem Gebiet nicht sehr erfahren zu sein, wenn ich das sagen darf.“

Ich blinzelte. „Wie kommst Sie darauf?“ War es so auffällig?

Er verneigte sich. „Sie können mich duzen.“ Er richtete sich auf und sah mich wieder ernst an. „Nun“, er nahm zwei Gläser, die anscheinend mit Wein gefüllt waren von dem Tablett einer vorbeihuschenden Kellnerin und hielt mir eines hin, welches ich auch ergriff, „Sie scheinen Darius Avancen, wenn man das so nennen kann, nicht eindeutig zu verstehen.“

„Aha? Inwiefern Avancen?“, hakte ich argwöhnisch nach.

„Seine Besitzgier. So wie er Sie an sich gezogen hat, will er Sie anscheinend nicht teilen, aber so wie ich das sehe, und seien Sie mir jetzt bitte nicht böse, beruht das nicht auf Gegenseitigkeit. Sei es aus persönlichen oder aus Gründen der Unerfahrenheit.“

Ich biss die Zähne zusammen. „Nun, da hast du wohl ins Blaue gezielt und direkt ins Schwarze getroffen. Ich bin wirklich sehr unerfahren. Genau gesagt bin ich …“, er hielt mir den Mund zu.

„Sprechen Sie das hier nicht laut aus, damit würden Sie sich indirekt zu Freiwild erklären. Sie wären vor keinem Verehrer mehr sicher.“

Ich sah etwas betrübt und nachdenklich zu Boden. „Ja, das wäre wirklich schrecklich.“ Sarkasmus. Ein Seufzer entwich mir.

Er senkte den Kopf und flüsterte mir ins Ohr. „Sie scheinen enttäuscht zu sein.“

Ein unglückliches Lächeln konnte ich nicht unterdrücken. „Nun, weißt du, Darius hat mir nie die Möglichkeit gegeben jemanden so nah zu kommen. Weder Mann noch Frau. Wobei ich sagen muss, dass ich eindeutig zu Männern tendiere.“

„Würden Sie es gerne ausprobieren?“

Unschlüssigkeit spiegelte sich auf meinem Gesicht wieder. Auf der einen Seite war ich neugierig, aber auf der anderen wusste ich nicht, ob ich gerade ihm vertrauen sollte.

Raziel nahm meine Hand in seine und gab mir einen Handkuss. „Ich werde vorsichtig sein, versprochen.“ Immer noch nicht ganz sicher, ließ ich mich von ihm mit nach oben ziehen.

Vor Aufregung vergaß ich sogar mich umzusehen. Einzig und allein das Gold, in dem das ganze Haus gehalten war, nahm ich wahr.

Er zog mich in ein Zimmer und schloss die Tür.

Ich blickte mich um und staunte. Das Zimmer war der reinste Luxus. Ein riesiges Bett, samtene Vorhänge, in Rot gehalten sowie Vorhänge um das Bett herum.

Raziel trat vor mich und mein Herz begann wie wild zu pochen. „Du kannst jederzeit `nein´ sagen und ich werde sofort von die ablassen.“

Ihn fixierend nickte ich und ließ zu, dass er mich zu sich zog und seine Lippen auf meine legte. Meine Hände lagen auf seiner Brust, damit ich jederzeit die Möglichkeit hatte aufzuhören.

Ich probierte es aus, indem ich ihn ganz sanft von mir drückte und Raziel nahm sofort die Hände von mir und machte einen Schritt zurück.

Unwillkürlich musste ich grinsen, woraufhin er lächelte. „Ich sagte doch, ich höre sofort auf, wenn du nicht mehr willst.“

Erst wartete ich, dass er wieder näher trat und weitermachte, doch dann verstand ich, dass er wirklich erst wieder weitermachen würde, wenn ich es ihm ausdrücklich erlauben würde, also packte ich ihn am Kragen und küsste ihn.

Raziels Hände wanderten langsam wieder zurück zu meiner Taille und dort hielten sie inne.

Mein Unterleib zog sich zusammen und fachte meine Lust weiter an. Es war zwar nicht wie bei ... ach egal! Meine Neugier gewann die Überhand. Ich wollte unbedingt wissen wie es war mit jemandem zu schlafen.

Auch wenn ich Raziel nicht lang genug kannte, kam er mir vertraut vor, oder besser gesagt seine Stimme.

Schnell wog ich in Gedanken meine Chancen bei, beziehungsweise mit anderen ab.

Drake? Sicher nicht, der würde mich früher umbringen.

Sam? Konnte ich vergessen. Er war wie ein Bruder für mich, nicht wie ein Liebhaber.

Li? Niemals! Da wäre ein Stein sicher sanfter.

Über Darius musste ich nicht einmal nachdenken. Wobei … Nein, der Kuss damals war eine Nebenwirkung des Gifts, außerdem würde ich eher sterben.

Nun, wieso auch immer, Raziel war nett, führsorglich und sanft; wir waren in der Unterwelt, da war so etwas sicher nicht einfach zu finden. Was wollte man beim ersten Mal mehr?

Eine andere Umgebung? Es gab schlimmeres, als ein luxuriös eingerichtetes Zimmer in einem Schloss.

„Nira? Soll ich aufhören?“ Raziels Stimme riss mich aus meinen Gedanken.

„Wie bitte?“, fragte ich verwirrt.

„Du bist auf einmal so ruhig geworden? Bin ich zu schnell?“

Ich muss lächeln. „Nein, nein. Ich war nur in Gedanken versunken. Du hast nichts falsch gemacht.“

Er atmete erleichtert aus. „Gut.“

Da mein Kleid rückenfrei war, konnte ich seine warmen und ziemlich geschickten Hände auf meinem bloßen Rücken fühlen. Das Gefühl jagte mir einen angenehmen Schauer über den gesamten Rücken, sodass ich den Kopf in den Nacken legte, woraufhin Raziel mit den Lippen über meine Kehle fuhr. Und tiefer.

„Lehn dich zurück, keine Sorge ich halte dich“, raunte er.

Ich tat wie mir geheißen und lehnte mich gegen seine Arme. Langsam und sanft ließ er mich auf das Bett nieder und beugte sich über mein Gesicht.

„Sag, wenn es dir zu schnell geht.“

Ich nickte nur, die Augen hatte ich schon bei der Liebkosung meines Halses geschlossen, also konzentrierte ich mich voll und ganz auf meinen Tastsinn.

Raziel nahm meine Hände und hielt sie über meinem Kopf zusammen, um mir das Kleid abzustreifen, das nur mit einem Band an meinem Hals befestigt war.

Glückspilz der er war, konnte ich unter dem Kleid keinen BH anziehen, sodass er sich ohne weitere Umstände meinen, inzwischen harten Brustwarzen widmen konnte.

Während er sich der einen mit dem Mund zuwandte, ließ er den Daumen über die andere streicheln.

Ich schrie spitz auf, als er anfing seine Zähne zu gebrauchen und daran zu zupfen.

Inzwischen hatte ich meine Finger ins Bettlaken gekrallt und die Füße um ihn geschlungen, woraufhin sich seine Erektion gegen meine Mitte drückte und ich es kaum noch erwarten konnte.

Nachdem er mit meiner Zweiten Brustwarze fertig war, ließ er seine Finger tiefer gleiten, hielt bei meinem Bauchnabel inne und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen.

Meine Hände hatten den Weg zu seinem Anzug gefunden und machten sich daran, diese perfekte Fliege zu öffnen und die Knöpfe des Sakkos aufzubekommen. So darauf konzentriert keinen Knopf abzureisen, um das Hemd und somit auch einen Teil seiner Haut näher zu kommen, bemerkte ich seine Hand erst zwischen meinen Beinen, als er den Daumen auf meine Knospe drückte und ihn bewegte, während er langsam einen Finger in mich hineingleiten ließ.

Ich bäumte mich ihm entgegen und biss mir auf die Unterlippe. „Bitte!“

„Warte noch, ich habe dir noch nicht all die schönen Dinge gezeigt.“

„Ist mit egal“, keuchte ich. Auch wenn ich noch kein einziges Mal mit jemandem geschlafen hatte, so hieß das nicht, dass ich nicht neugierig war. Ich wusste, dass ich bereit war.

Raziel ließ von mir ab, zog sich schnell aus und legte mich in die Mitte des Bettes, bevor er sich auf mich legte. „Sicher?“

Ein Nicken, mehr brachte ich im Moment nicht zustande.

Er nahm meine Beine, spreizte sie und dann … flog die Tür auf.

Raziel wurde an die gegenüberliegende Wand geschleudert und ich fuhr erschrocken hoch, schnappte mir sofort die Decke und zog sie an mich.

In der Tür stand ein wutschnaubender Darius, in dessen Augen der Tod stand. Sie standen in Flammen und wahrscheinlich fehlte nur noch ein falsches Wort oder eine falsche Bewegung um dafür zu sorgen, dass er sich verwandelte und alles und jeden in Schutt und Asche legte.
Er riss Raziel von mir, und schmetterte ihn gegen die Wand, die nun eine riesige Delle hatte.

„HÄNDE WEG VON IHR!“, schrie er Raziel an, der inzwischen versuchte sich aufzurichten. „Du kannst froh sein, dass Beliar auf dich aufpasst, sonst würdest du den Morgen nicht mehr erleben.“

Mein Blick fiel auf Raziel, dessen Kiefer komisch wirkte. Bei genauerer Betrachtung fiel mir auf, dass ein Stück Knochen auf der Seite herausschaute.

Darius hatte ihm den Kiefer gebrochen.

Ich machte den Mund auf, um ihn anzuschreien und ihm klar zu machen, dass er so etwas nicht machen könne und ich schlafen konnte, mit wem ich wollte, doch da funkelte er mich schon wütend an und brachte jeden Gedanken zum Schweigen.

„UND DU!“, er stapfte wütend auf mich zu, packte mein Handgelenk und zog mich auf die Beine, „wirst jetzt heimgehen. Ich habe Sam zu mir bestellt, er wird mit dir trainieren. Und wenn ich heimkomme, werden wir ein ernstes Wörtchen miteinander reden!“

Ich warf einen letzten Blick auf Raziel, der nun aufrecht stand, ehe Darius und ich uns in Rauch auflösten.


Kapitel 23 - Jetzt wird’s ernst

 

Wir manifestierten uns in meinem Zimmer, wo ich sofort gegen die nächste Wand gedrückt wurde.

„SPINNST DU EIGENTLICH SCHON VOLLKOMMEN?!“, schrie Darius mich an.

Ich sah ihn irritiert an. „Ich? Du bist derjenige der Raziel den Kiefer gebrochen hat!“

Seine Kiefermuskeln spannten sich an. „Ich habe dich gerettet! Weißt du eigentlich was passiert wäre, wenn er wirklich mit dir geschlafen hätte?“

Ich schüttelte den Kopf. Worauf wollte er hinaus?

„Hättest du mit ihm geschlafen, würdest du jetzt Beliar gehören, oder besser gesagt deine Seele.“

„Was! Wieso?“

Darius schloss für einen Augenblick die Augen und atmete tief ein. „Du solltest das Buch so schnell wie möglich durchlesen. Ein Dämon kennzeichnet seinen Besitz, indem er mit ihm oder ihr schläft, ihn oder sie heiratet oder einen Blutaustausch mit demjenigen eingeht. Wir beide haben keines der Dinge getan.“

„Aber was ist mit dem Pakt?“

„Es gibt da eine Verjährungsdauer. Nach 750 Jahren ohne weiteren Blutaustausch, kann ein anderer Dämon Anspruch auf dich erheben, indem er oder seine Untergebenen eine der genannten Sachen mit dir macht. Der Pakt gilt erst als besiegelt, wenn du tot bist und ich im Besitz deiner Seele bin, aber das wird bei dir nun nicht mehr passieren.“

Mir fiel die Kinnlade hinunter. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“

„Doch! Mein voller“, er beugte sich noch ein Stück weiter vor, „und falls du es immer noch nicht begriffen hast, Belar ist hinter dir her und er wird nicht aufgeben bis er dich besitzt, selbst wenn „nur“ einer seiner Untergebenen mit dir schläft, hat sich die Sache für uns erledigt. Du gehörst Beliar, ich hab eine Seele weniger und Sam wird sauer auf mich sein, was mein kleinstes Problem darstellt.“

Ich schluckte schwer. „Aber warum?“, keuchte ich atemlos, „Wieso ich?“

„Das, meine Liebe, wüsste ich auch gern.“ Ohne auch nur ein Wort zu sagen, ließ er mich los, trat zurück und verschwand durch die Tür.

„He! Wo willst du hin!“ Eigentlich hatte ich vor ihm zu folgen und noch etwas zu Fragen, doch das was ich anhatte, besser gesagt, was ich nicht anhatte hinter mich daran.

„Ich habe eine Verabredung mit Li und einer Menge Liter dämonischen Biers. Sam wird dich inzwischen trainieren und auf dich aufpassen.“

„Aber …“

„Du solltest dich beeilen, er steht schon vor der Tür.“

 

„Moment, wie bitte?“ In meinem Gesicht spielten sich Unglaube und Verwirrung.
Sam und ich saßen uns auf der cremefarbenen Satin Couch in Darius Wohnzimmer gegenüber und unterhielten uns. Heute war theoretisches Wissen dran.

Sam lehnte sich zurück und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Es gibt offiziell vier Kronprinzen. Inoffiziell sind es allerdings fünf.“

Meine Augenbraue schoss in die Höhe. „Wie das?“
„Nun, einer von ihnen hat seinen Rang nicht angenommen und wurde durch einen anderen Dämon ersetzt.“
Ich verschränkte die Arme auf den Oberschenkeln und beugte mich vor. „Ich bin ganz Ohr.“
Sam lachte. „Das solltest du auch, sonst könnte es für dich hier unten ganz schön ungemütlich werden.“
Unwillkürlich trat mir ein Grinsen ins Gesicht.
„Dann fangen wir einmal an.
Es gibt also offiziell vier Kronprinzen. Jedem von Ihnen wurde eine Himmelsrichtung zugeordnet: Luzifer regiert im Osten, Beelzebub im Norden, Beliar im Süden und Astaroth im Westen.
Sie sind die 4 ranghöchsten Herrscher, wobei Beliar Saetans Stellvertreter ist und glaub mir, mit diesem Dämon ist nicht zu Spaßen.
Luzifer sollte dir hoffentlich etwas sagen, immerhin bist du bei einem Priester aufgewachsen.“
„Klar weiß ich über Luzifer Bescheid.“ Schmollend verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Luzifer ist ein gefallener Engel. Er hat den großen Aufstand angezettelt und sich gegen Gott aufgelehnt, das weiß doch jedes Kind.“
Er hob den Zeigefinger. „Und genauso ist es nicht. Naja, zumindest ist das nur die halbe Wahrheit. Den Aufstand hat Saetan angezettelt.“
Ich unterbrach ihn. „Wieso sagst du Saetan? Das ‚e‘ gehört doch gar nicht dazu? Heißt er nicht Sat-“
Blitzschnell lag Sams Hand auf meinem Mund und er sah mich wütend an. „Sprich niemals seinen Namen aus; es sei denn du bist versessen darauf, dass er hier auftaucht.“
Ich schüttelte entsetzt den Kopf.
„Gut, dann kann ich meine Hand jetzt wieder wegnehmen?“
Stumm nickte ich.
Sam seufzte und nahm seine Hand weg. „In Zukunft warne mich vor, was und wann du fragst, damit ich rechtzeitig reagieren und dich vor möglichen Fehlern beschützen kann.“
Etwas ängstlich und nervös, presste ich die Lippen aufeinander und hielt noch immer starr vor Schreck die Klappe.
„Jedenfalls hätten wir das damit geklärt.“ Sam sah sich sichtlich nervös um. „Versprich mir nur, dass du Beliar und Saetan niemals bei ihren richtigen Namen nennst, das würde uns verdammt großen Ärger einbringen und Darius …“ Sam ließ den Satz offen.
„Was sollte Darius schon groß machen?“ Ich musste lachen. „Er wird wohl kaum gegen den Teufel höchstpersönlich in die Schlacht ziehen.“
Doch als Sam keine Antwort gab, schlief mir das Gesicht ein.
„Oh-Oh.“
Er nickte. „Ja, das kannst du Laut sagen. Doch wir weichen schon wieder vom eigentlichen Thema ab.“
Die Kronprinzen haben alle eine eigene Gestalt, zwar kann jeder von ihnen die menschliche Gestalt annehmen, doch in ihrer dämonischen Gestalt, sind sie unverkennbar.
Fangen wir mit Luzifer an. Er hat die Gestalt eines männlichen Engels. Seinen Namen „Lichtbringer“ hatte er bekommen, weil seine Flügel am hellsten Strahlten, doch nach seinem Sturz verblasste der goldene Schein.
Anders als die meisten es von ihm behaupten hat Luzifer den Aufstand im Himmel nicht angezettelt. Allerdings weiß niemand, was genau damals passierte und weshalb er seinen Platz im Himmel eingebüßt hat.“
Ich stützte den Kopf in die Hände. „Weiß man etwas über seinen Aufenthaltsort?“
Sam stieß zischend die Luft aus. „Nun, das ist so eine Sache. Es hat mit seinem Wunsch für die Zukunft zu tun, wem er sich zeigt. Du musst wissen, Luzifer tut alles, damit er wieder in den Himmel aufgenommen wird. Aber im Grunde genommen ist er überall und nirgendwo.“
Entsetzt starrte ich ihn an. „Wieso habe ich das Gefühl, dass du damit keine Metapher meinst.“ Plötzlich fühlte ich mich wie von unsichtbaren Augen verfolgt.
Machen wir weiter mit Beelzebul, dessen Namen ich, wie die der anderen, nicht richtig Ausspreche. Du kennst ihn vielleicht unter den Namen Beelzebub, sein Spottname, welcher übersetzt „Der Herr der Fliegen“ heißt. Ich rate dir allerdings ihn nicht so zu nennen, es hat …“, er gestikulierte wild herum, „…unangenehme Folgen, die du lieber nicht kennen lernen willst.“
„Schon ausprobiert?“, fragte ich amüsiert.
Er nickte. „Ja, und der Begriff „unendliche Qualen“ ist bei weitem untertrieben.“
„Und wie steht es mit dem letzten der vier Kronprinzen?“
„Der offizielle vierte Kronprinz ist Astaroth. Er ist der Höllenfürst in Gestalt eines schrecklich schönen Engels, vor dem du nur Angst haben kannst. Er unterwegs ist er auf seinem Drachen, den einzigen, wenn ich anmerken darf. Außerdem hält er eine Schlange in seinen Krallen.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durchschaut er, nichts ist ihm verborgen. Darüber hinaus ist er Schutzherr der freien Künste.“
Mein Mut sank dahin. „Das hört sich ja nicht besonders rosig an.“
„Im Gegenteil, wenn du ihm begegnen solltest, was ich nicht hoffe, solltest du lieber alles tun was er sagt, sonst lebst du nicht mehr lange.“
Da ist doch noch etwas. Was verheimlichst du mir?
„Es heißt, Luzifer hätte Unterstützung von dem vierten der Brüder bekommen. Dass sie eng miteinander befreundet sind, ist kein Geheimnis, der Grund allerdings schon.
Doch kommen wir zum Letzten. Mit ihm wirst du heute ja sicher schon Bekanntschaft gemacht haben.
Beliar. Er ist, wie sein verstoßener Halbbruder, der Herr des Feuers und des Infernos. Beide liebten es alles niederzubrennen und zuzusehen, wie es zu Asche zerfiel. Doch es gab nur ein passendes Territorium dafür. Den Süden. Darunter kannst du dir eure sogenannte Hölle vorstellen. Überall brennt Feuer, es ist unsagbar heiß und wenn es einmal nicht brennt, dann befindest du dich in der Wüste, wo es sehr selten, aber doch, eine grüne Oase gibt. Niemand wagt es sein Gebiet zu betreten, denn überleben ist dort selbst für einen Dämon unmöglich.
Saetan gefiel es. Seinem Bruder nicht. Doch einzig und allein das Gebirge, über das jetzt Luzifer herrscht, wäre noch frei gewesen. Doch was tut ein Feuerteufel in einer eisigen und windigen Landschaft? Er wollte lieber kein Kronprinz sein, wenn es hieß, dass er dort leben müsste. Nun es gab Streit mit Beliar. Die beiden ähnelten sich zu sehr. Beide liebten das Feuer und den Kampf, aber nur einer konnte Herrscher über das Element Feuer werden. Der Wettstreit, den Beliar gewann, führte schließlich dazu, dass ihr Bruder verstoßen wurde.“
„Wie heißt der verstoßene Kronprinz und wieso hat noch nie jemand etwas über ihn erzählt?“, fragte ich neugierig nach. „Das kommt daher, dass es selbst in der Unterwelt Tabuthemen gibt, und das ist eines davon.“
Ich senkte den Blick und dachte nach. „Weiß man wo er sich aufhält?“
Sam schüttelte den Kopf. „Nachdem, was ich über ihn gehört habe, willst du das auch gar nicht wissen. Er soll der grausamste von allen Kronprinzen sein. Es hieß, er habe Spaß daran, einem bei lebendigen Leibe jeden Zentimeter und jede Schicht der Haut vom Leib zu reißen, zu brennen oder Schlimmeres.“ Er erschauderte.
Plötzlich flog die Tür auf und wir erschraken, doch einzig und allein Li kam hereingetorkelt und ließ sich auf die Couch, uns gegenüber fallen.
Allein Anschein nach, konnten selbst Dämonen zu viel trinken.
Ich zog eine Augenbraue hoch und sah Sam verwundert an. Der schien genauso verwundert zu sein wie ich, wobei ich fast glaubte, dass seine Verwunderung sogar noch größer war.

Da Darius mit Li weggegangen war, aber nur Li aufgetaucht war, kam die Frage auf, wo Darius steckte.

Neben Li ging ich auf die Knie, vorsichtig, damit ich seine Flügel nicht berührte. „He, Li“, wisperte ich, „wo hast du Darius gelassen?“

„Der is in de Baar, wo wi gedrungen aben, aba der wollde noch nid gehn, da ab ich ihn stähn lssn“, gluckste er.

Li stank widerlich nach Bier, sodass ich mich im nächsten Moment wegdrehen musste, damit ich mich nicht übergab.

Ich wandte mich an Sam, der neben mir saß und mich amüsiert ansah. „Wenn du fertig damit bist, dich über mich lustig zu machen, dann schlage ich vor, dass du auf Li aufpasst, während ich nach Darius suche.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich denke, ich sollte nach Darius suchen, während du aufpasst. Du würdest mit ihm nicht fertig werden.“

„Und ich denke, dass er dich nicht einmal in seine Nähe lässt.“ Beschwichtigend legte ich eine Hand auf seine Schulter. „Sam, er hasst dich und wenn du mich nicht unterrichten würdest, dann hätte er dich schon längst aus dem Weg geräumt.“

„Das denke ich nicht.“ Sam stand auf und ging zur Tür. „Gut, dann geh. Ich werde dich nicht daran hindern, aber sag danach nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“ Er hob den Zeigefinger. „Ach, und wenn du heimkommst, werde ich wahrscheinlich schon weg sein.“

Ein knappes Nicken. „Li, in welcher Bar wart ihr?“

„Blödfst“, nuschelte er, bevor er die Augen schloss und einschlief.

Ich stand auf und rieb mir die Schläfe. „Das soll mal einer verstanden haben.“

„Der Schuppen heißt „Bloodthirst“. Dort treffen sich Vampire und so manch seltsame Gestalten. Ich habe davon gehört, bin aber noch nie drinnen gewesen“, bemerkte Sam trocken.

Mir fiel der beunruhigte Tonfall in seiner Stimme auf. „Sam, was verheimlichst du mir?“

„Wenn ich es dir verrate, wird es dich auch nicht aufhalten. Du würdest es eher als eine Art Versuch auffassen, dich von deiner dummen Idee abbringen zu wollen.“

Kein Wort drang über meine Lippen. Einzig und allein ein stummer Blick traf ihn. Ein Stummer und vor allen Dingen entschlossener Blick.

„In dieser Bar kommt niemand wieder heraus, der nicht einmal … du weißt schon …“

„EIN BORDELL!“

„So etwas in der Art, aber auch wieder nicht. Nira, die Sache ist die, ich glaube nicht, dass sie dich wieder gehen lassen. Der Schuppen ist voll mit Männern die entweder nur trinken oder nur Sex wollen.“

Seinen letzten Satz ignorierte ich vollends. Schon allein bei dem Gedanken, eine dieser dreckigen Huren würde Hand an ihn legen, stieg mir die Galle hoch.

Wütend stapfte ich aus der Tür in dieses Zwielicht, dass ich am liebsten auslöschen wollte. Heute ging es mir so richtig auf die Nerven. Vielleicht lag es daran, dass ich müde war und hier immer noch Licht zu sehen war.

Oh mann, wie ich es hasste.

 

Keine Ahnung wieso, doch ich fand die Bar. Sie war kaum zu übersehen, so heruntergekommen war sie. Ein Schandfleck in einer wunderschönen Landschaft; das passte alles nicht zusammen. Aber gut, wann passte in der Welt der Dämonen eigentlich jemals etwas zusammen?

Das Dach wirkte seltsam eingefallen, doch es hielt stand, die Tür sah nicht besser aus.

Inzwischen hatte es, glaubt es oder nicht, zu regnen begonnen. Ich meine, verdammt noch mal, seit wann regnete es in der Unterwelt? Das war doch nicht normal.

Jedenfalls war ich voller Matsch und mein Haar sah definitiv nicht mehr glatt aus, sondern stand in allen Richtungen von meinem Kopf ab; doch darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern.

Vor der Tür blieb ich stehen und sah auf den Türgriff der voller Dreck und anderer Sachen überzogen war. Angeekelt drehte ich ihn so schnell wie möglich um und öffnete die Tür.

Sofort wurde ich in eine Wolke aus Bier, Rauch und Sex gehüllt.

Mein Instinkt riet mir mich vom Acker zu machen und plötzlich hatte ich genau das vor, doch dann roch ich es. Roch ihn. Darius.

Ich trat ein und in genau demselben Augenblick richteten sich alle Augen auf mich. Hier waren vielleicht Vampire, doch die Zahl der Dämonen in ihrer wahren Gestalt war viel höher und bereitete mir doch Sorgen.

Wenn die mich hier festhalten wollten, dann würde ich hier festgehalten werden, komme was wolle, so viel stand fest.

„Die is ja voll dirtyy!“, hörte ich einen betrunkenen rufen.

„He, Dörtee! Beweg deinen hübschen kleinen Arsch mal hierher! Meinen Schwanz würde es freuen sich endlich mal wieder eine neue Pussy um sich zu habe!“

Angewidert schüttelte ich mich und betrat das Lokal. Alle fingen an zu grölen und dann entdeckte ich ihn.

Darius saß in der hintersten Ecke des Clubs. Auf seinem Schoß eine Frau, die wirklich wenig anhatte und sich aufreizend an ihm rekelte.

Obwohl er, wie auch die anderen Dämonen, die andere Gestalt angenommen hatte, erkannte ich ihn ganz deutlich; nicht nur wegen seiner auffallenden Tätowierung, sondern vor allem an seinen Augen.

Zwar hatten viele Dämonen rote Augen, doch in keinen tänzelten diese kleinen Flammen, die mich so in ihren Bann zogen.

Entschlossen ging ich auf ihn zu, musste einige Po-Grabscher in Kauf nehmen, doch zu guter Letzt stand ich vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt und ein paar unbeugsame Strähnen über die Stirn hängen. „Darius.“

Er schien mich nicht einmal wahr zu nehmen.

„Darius!“

Immer noch nichts.

„DARÁHIAL, ICH REDE MIT DIR!“

Die blonde Frau hielt inne und sah mich genervt an. Sie war, außer mir, die einzige Frau in menschlicher Gestalt hier im Raum. „Verpiss dich, der hier gehört mir, such dir gefälligst einen anderen, Bitch! Pech für dich, wenn ich mir den besten Liebhaber in der Unterwelt ausgesucht habe.“

Hatte sie mich gerade wirklich Bitch genannt. „Jetzt pass mal auf, du kleine, nichtsnutzige Möchtegernstripperin! Der da gehört mir, so sehr ich mir auch wünsche, es wäre nicht so. Wenn du jetzt also so lieb wärst und deine Arsch von meinem Meister schwingst, verspreche ich dir nicht weh zu tun.“

Die Frau erhob sich und stieg von Darius runter. In einer anmutigen Bewegung verpasste sie mir eine Ohrfeige, die im Raum widerhallte.

Die Männer fingen an zu grölen und feuerten dieses Miststück auch noch an. Selbst Darius hatte sich aufgesetzt und wartete auf einen Kampf. In diesem Moment erkannte ich den sonst so beherrschten Dämon gar nicht wieder, er wirkte mir fremd.

Ich hatte die Augen geschlossen und die Hände zu Fäusten geballt. Nur die Ruhe, Nira. Fang keinen Streit an, das ist sie nicht wert. Im DHS hatte war ich auch schon in solch verfahrene Situationen geraten, doch am Ende stand ich immer als Siegerin da, weil ich den Menschen in meiner Umgebung überlegen war.

Doch hier hatte eindeutig eine Gegnerin, die mir gefährlich werden konnte; nicht weil sie stärker war, sondern weil hier mehr Dämonen und Vampire waren, die mich nur liebend gern auf ihrer Speisekarte hätten und dabei nicht an Essen im allgemeinen Sinn dachten.

„Eine falsche Bewegung“, hatte Mason einmal zu mir gesagt, „und du kannst dich darauf gefasst machen, dass sie dich in Stücke reißen.“

Auf die Frage hin, woher er das wusste, zuckte er mit den Schultern und meinte Schlicht: „Bücher.“

Bücher mussten nicht immer die Wahrheit enthalten, doch herausfinden wollte ich es jetzt auch nicht.

„Na was ist, du kleiner Halbling, Angst davor zu verlieren?“ Eine einfache Provokation.

„Ich habe nicht vor mit dir zu kämpfen. Du interessierst mich nicht, ich will mit Daráhial reden.“ Ich sah Darius aus dem Augenwinkel an, doch er war gerade dabei den Hintern dieses kleinen Miststücks zu betrachten.

Als er die Hand ausstreckte packte ich sie an den Haaren, doch bevor ich sie wegziehen konnte, drehte sie sich mit mir, sodass am Ende ich auf Darius´ Schoß saß.

Die Tatsache ignorierend, dass nun ich auf ihm saß, legte er mir einen Arm an die Taille, während er den anderen langsam auf meinem Oberschenkel entlang schob und sein Ziel schon im Blick hatte.

Ich riss die Augen auf, versuchte von ihm loszukommen, doch da half alles strampeln nicht. Wenn ich es mit Darius schon nicht in menschlicher Gestalt aufnehmen konnte, war es ausgeschlossen, dass ich mit ihm in seiner wahren Gestalt fertig werden würde.

Die blonde Tusse krallte wütend ihre Finger in mein Haar und zog kräftig daran; versuchte mich von Darius wegzuziehen, doch der hielt mich mit stahlhartem Griff fest und ließ das nicht zu.

Das Ergebnis war eine Art kleiner Teufelskreis. Sie wollte mich mit Gewalt von ihm wegzerren, während er mich bei sich behalten wollte.

Ein furchtbarer Schmerz schoss durch meine Kopfhaut, als sie anfing mir die Haare auszureißen.

Plötzlich legte sich in meinem Inneren ein Schalter um und ich war nur noch ein Zuschauer in meinem eigenen Körper gefangen.

Ich sah zu, wie sich meine Hände zu ebenholzfarbenen Klauen wandelten, sich um das Handgelenk der Frau schlangen, die nun mit vor Angst geweiteten Augen vor mir stand, und es wie einen Zahnstocher brachen.

Es folgte ein schriller Schrei. Darius´ Klauen ließen von mir ab, ich stand auf und zerfetzte mit meinen Klauen das Gesicht der Frau.

Die Luft wurde getränkt von Blut und Angst, doch als ob das noch nicht genug gewesen wäre, gruben sich meine Hände in die linke Hälfte ihrer Brust und schlossen sich um die kleine Pumpe, nur um sie im nächsten Moment herauszureißen. Ich konnte nur zusehen, was ich tat, denn erst als die Frau tot vor mir zusammensackte und die Dämonen und Vampire in meiner Umgebung, einschließlich Darius, laut zu jubeln begannen, konnte ich wieder die Kontrolle übernehmen. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf den roten Muskel in meiner Hand. Er fiel langsam aus meiner Hand und klatschte in das Blut, das den Boden rot färbte.

Entsetzen ließ mein Herz für einen Moment aussetzen, ehe mein Blick den von Darius begegnete. Plötzlich schien er wie aus einer Trance aufzuwachen, streckte die Hand nach mir aus, doch da war ich schon aus der Tür gestürmt und lief in den Wald.

 

Der Regen peitschte mir ins Gesicht, doch das kümmerte mich nicht. Meine Füße flogen förmlich über das Gras; ich wollte nur noch weg, vergessen was gerade passiert war.

Ich rannte. Rannte einfach gerade aus, wich den umliegenden Wurzeln und umgestürzten Bäumen aus, oder sprang über sie.

Meine Wangen brannten von dem Salz, das aus meinen Augen über mein Gesicht strömte und hinterließ einen brennenden Fluss.

Keine Ahnung wie lange ich schon rannte, doch ich hielt nicht an, sah mich nicht um. Meine Gedanken rasten durch die Nacht, zeigten mir nur das Bild der Frau, die am Boden lag, während sich der rote Lebenssaft über den Boden ergoss.

Für einen kurzen Moment war ich unaufmerksam und stolperte über eine dicke Wurzel, fiel nieder und blieb zusammengekauert in der Mulde liegen, in der ich gelandet war.

Der Regen hatte die Erde in einen sumpfigen Untergrund verwandelt und den trockenen Sand in schweren Matsch, der sich einen Weg durch meine Kleidung bahnte.

Meine Kleidung war durchweicht, meine Haare hingen mir in das Gesicht, welches ich zwischen meinen Händen verbarg. Die Füße hatte ich an mir gezogen und so lag ich in Fötushaltung im Dreck und versuchte meine Fassung wieder zu erlangen.

Ich war nicht entsetzt darüber jemanden umgebracht zu haben, dafür hatte ich es schon zu oft getan, doch die Tatsache, dass ich keine Kontrolle mehr über meinen Körper hatte, zum Zusehen verdammt war, während ich einer unschuldigen das Herz herausgerissen habe, machte mir Angst.

Verflucht! Alles an diesem Gottverdammten Ort machte mir Angst. Es war so unwirklich und doch real. Real und grausam.

Das Geräusch von Stiefeln, die durch den schlammigen Untergrund schritten, riss mich in die Wirklichkeit zurück. „Ich hatte keine Kontrolle über meinen Körper“, schluchzte ich. „Wieso verdammt nochmal hatte ich keine Kontrolle!“ Zitternd hob ich die Hand, die noch vor kurzem eine, mit Blut überzogene Klaue war, in der ich das schlagende Organ der Frau hielt, und betrachtete sie.

Die schwarzen Stiefel tauchten vor meinen Augen auf. „Du kannst nichts dafür. Die Emotionen und alle anderen Empfindungen werden verstärkt, wenn du die Gestalt wechselst“, flüsterte Darius. Er ging vor mir in die Hocke.

Mein Blick hob sich und ich sah in seine unmenschlich, menschlichen Augen, in denen rote Flammen züngelten. „Ich habe es genossen.“ Meine Stimme versagte und erneut begannen mir Tränen über die Wangen zu laufen. „Wieso, Darius? Wieso?“

Er richtete sich wieder auf. Das Haar war ihm ins Gesicht gefallen und seine Kleidung war ebenfalls vom Regen durchweicht.

Darius ging um mich herum und ich spürte wie er die Arme unter meinen Rücken gleiten ließ und mich hochhob. Ich wehrte mich nicht; meine Gedanken waren immer noch bei der Frau, die kaum siebenundzwanzig gewesen sein konnte.

Mein Gesicht verbarg ich im Hemd an seiner Brust, die Finger in sein Hemd gekrallt. „Ich habe ihr das Herz herausgerissen.“


Kapitel 24 - Verstehst du Spaß?

 

Darius trug mich ins Haus, wo Sam noch auf mich wartete. Als er mich erblickte sprang er von der Couch auf und sah mich besorgt an, doch ich wagte es nicht ihm in die Augen zu sehen.

„Was ist passiert, Darius? Was hast du getan?“

Als ich spürte wie Darius Muskeln sich anspannten zuckte ich zusammen. „Du solltest jetzt gehen, Sarméhnius.“ Rasiermesserscharf.

„Ich gehe erst, wenn ich weiß was passiert ist!“

„Ich habe jemanden getötet. Ihr das Herz herausgerissen und mich dabei gefreut“, sagte ich emotionslos. „Bitte geh jetzt.“

Er nickte. „Li ist gegangen. Er meinte, dass er morgen wohl nicht trainieren könne.“

„Ist gut.“ Darius Tonfall war eine stumme Aufforderung zu gehen.

Sam verstand und verließ das Haus.

Darius trug mich in sein Zimmer und wollte mich behutsam in die Wanne legen, doch meine Finger hatten sich in seinem Hemd verkrampft. „Nira, komm, lass los, sonst kannst du dich nicht waschen.“

Ich versuchte meine Hand zu öffnen und loszulassen, doch ich konnte meinen Körper nicht bewegen. Das Wasser und der Dreck in meiner Kleidung waren kalt und ich zitterte am ganzen Körper. „Ich kann mich nicht bewegen“, mein Atem ging schneller. „Wieso kann ich mich nicht bewegen!“, fragte ich leise, dennoch hysterisch.

„Beruhig dich, das wird schon wieder, keine Sorge. Du bist nur unterkühlt; keine Seltenheit bei so halben Portionen wie dir.“

Mein Zittern verstärkte sich. Ich konnte wetten, dass meine Lippen blau waren, denn alles fühlte sich an, als ob es gefroren wäre. „D-darius … b-bitte lass das“, krächzte ich.

„Was?“ Er stieg in die Wanne, drehte das Wasser auf und wartete bis es warm wurde.

„N-enn mich nicht h-halbe Portion.“

„Wie denn sonst?“, meinte er amüsiert.

„K-kein Ahnung. Nur n-nicht halbe Portion.“ Meine Zähne schlugen aufeinander und in meinen Zehen hatte ich kein Gefühl mehr.

Als der warme Wasserstrahl über mich glitt und den Dreck abwusch, zuckte ich zusammen. Mein Körper fing an zu jucken und zu brennen. „Was p-passiert mit mir?“

„Dein Körper versucht sich zu erwärmen und pumpt Blut durch die Arterien und Venen.“

„Mir war noch nie so kalt.“

Langsam wurde das Wasser wieder klar, was Darius dazu veranlasste, den Abfluss zu verschließen und die Wanne volllaufen zu lassen.

Das Wasser stieg an, wurde wärmer und fing an weh zu tun. „Darius, das Wasser.“

„Schon gut, es ist nicht so kochend heiß, wie es sich anfühlt. In ein paar Minuten wirst du deine Gliedmaßen wieder spüren.“

Ein paar Minuten waren gut gesagt. Nachdem die Wanne voll war, Darius das Wasser abgedreht hatte, verging fast eine Stunde, bis ich nicht mehr zitterte und meine verkrampften Finger von seinem Hemd lösen konnte. Dennoch fühlte sich mein Körper immer noch kalt an.

Darius saß mit ausgestreckten Beinen da und hatte sich die ganze Zeit über nicht bewegt. „Ist dir das auch schon einmal passiert?“, fragte ich, weil mir die Stille nicht gefiel.

„Was?“ Er hob den Kopf und sah mich an.

„Dass du unterkühlt warst.“

Er schien kurz zu überlegen, doch dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Einem vollwertigen Dämon passiert so etwas nicht leicht.“

Schwer schluckte ich den Knoten in meinem Hals hinunter. „Verstehe.“ Ich versuchte mich aufzusetzen, doch so ganz schien das nicht zu funktionieren. „Hilf mir mal.“

Darius blieb wo er war. „Du bist viel zu menschlich“, sagte er stattdessen.

Mitten in dem Versuch stehen zu bleiben, hielt ich inne. „Was?“

Er deutete an mir hinunter. „Menschen stehen immer so unter Zeitdruck, weil ihr Leben so schnell vorbeigeht.“ Er schnippte zur Bekräftigung mit den Fingern.

„Du bist Grausam, Darius.“

Ein dunkles Lachen. „Ich bin ein Dämon. Du erwartest, dass ich mich wie ein Mensch verhalte, doch so bin ich nicht.“

Verständnislos schüttelte ich den Kopf. „Ich sollte jetzt gehen.“ Endlich stand ich ganz aufrecht und versuchte über den hohen Wannenrand zu kommen, da fingen meine Knie von der Belastung an zu zittern und gaben nach.

Ich sank wieder auf Darius Schoß. „Das geht mir gegen den Strich. Wieso kann ich nicht aufstehen?“

„Weil deine Muskeln erschöpft sind. Was glaubst du passiert mit einem Menschen, der fast eine Stunde mit vollem Tempo durch den Wald rennt?“ Er sah sie an, wie ein Trainer, der seinen Soldaten für unfähig und blöd hält. „Du kannst froh sein, dass du dämonisches Blut in dir hast, sonst wärst du tot vor Erschöpfung am Boden zusammengebrochen.“

„Aber das Training …“

„Das Training war harmlos, gegen das, was du deinem Körper heute angetan hast.“

„Willst du mir sagen, was mein Körper aushält und was nicht?“, fuhr ich ihn an.

Er packte mich im Nacken und zog mich zu sich. „Du solltest jetzt wirklich besser gehen.“

Darius ließ das Wasser ablaufen und stieg aus der Wanne; mich beachtete er nicht. Während ich versuchte irgendwie aus der Wanne herauszuklettern, stand er oben und zog sich die nassen Klamotten aus und den roten Morgenmantel an. „Du findest den Weg selber, nehme ich an.“

Ich rollte mich aus der Wanne und setzte mich auf die Knie. „Arschloch“, grummelte ich, als er durch die Tür verschwunden war.

„Das Arschloch hat dir einen Bademantel neben die Wanne gelegt“, rief er von draußen.

Geschwind zog ich mir die nassen Sachen aus und den trockenen, schwarzen Bademantel der neben mir lag an; stets darauf bedacht nicht von Darius unerwarteter Weise erwischt zu werden.

„Nira, hör auf dich am Boden herumzuwälzen und geh endlich schlafen.“ Er klang genervt.

Ich stand auf, knotete den Bademantel zu und betrachtete meine Nassen Sachen.

„Häng sie an die Wäscheleine neben dir.“

„Hör auf meine Gedanken zu lesen!“

Schnell warf ich meine Sachen über die Wäscheleine und marschierte nach draußen.

Darius lag ausgestreckt auf seinem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Beine übereinandergeschlagen. „Du verstehst auch keinen Spaß.“

Verwirrt blinzelte ich. „ICH verstehe keinen Spaß?“ Kopfschüttelnd drehte ich mich um. „Das sagt der richtige.“

Gerade wollte ich aus dem Zimmer treten, da rief er: „Warte. Komm her.“ Er winkte mich zu sich und widerwillig trat ich zu ihm ans Bett.

„Was“, fragte ich genervt.

„Du willst Spaß?“

Argwöhnisch sah ich ihn an und wollte einen Schritt zurück treten, doch da hatte er mich auch schon am Kragen gepackt und ins Bett gezerrt.

Er legte mich übers Knie und … fing an mich zu kitzeln. „Was zur!“

„Na? Kitzelig?“, fragte er, während ich anfing zu strampeln.

„Hör auf! Das“, ich musste lachen, „ist nicht witzig!“

„Ach ja? Und das?“ Plötzlich waren seine Hände unter meinem Bademantel und malträtierten mich weiter.

„DARIUS!“, kicherte ich. Ich fand es wirklich nicht lustig, aber was sollte ich machen? „Nimm deine Hände da weg!“

„Wo ist da?“ Er berührte meine Hüfte. „Da?“ Die Haut über meinem Beckenknochen. „Da?“ Seine Hand war plötzlich weg.

„Darius! Tu das nicht!“, ermahnte ich ihn.

Plötzlich war seine Hand zwischen meinen Schenkeln und er berührte meine Mitte. „Oder doch da?“, raunte er in mein Ohr.

Ein spitzer Schrie kam über meine Lippen, während ich instinktiv die Schenkel zusammenpresste, was sich als keine gute Idee herausstellte.

Darius verstärkte den Druck und ich keuchte. „Richtige Stelle?“, wisperte er in mein Ohr.

Er begann den Finger kreisen zu lassen und ich versuchte mit allen Mitteln seine Hand wegzubekommen. Keine Chance, er war stärker. „Darius“, presste ich hervor, doch zu meinem Bedauern klang es eher nach einem Stöhnen, als einer Ermahnung.

Mein Unterleib zog sich unter seinen Berührungen lustvoll zusammen und ich krümmte mich, bei dem Versuch ein stöhnen zu unterdrücken.

Für einen kurzen Moment war seine Hand weg und ich nutzte die Gelegenheit, um ans andere Ende des Bettes zu flüchten, wo ich mich zusammenkauerte und ihn beobachtete.

Er saß aufrecht auf dem Bett, die Haare waren zerzaust und sein Blick verwegen und … verdammt sexy. Ich hatte zwar mittbekommen, dass er sie geschnitten hatte, aber so richtig wahrgenommen hatte ich es erst jetzt. Er hob eine Augenbraue und das Piercing daran bewegte sich mit.

„Was ist los? Du siehst so mitgenommen aus?“, flötete er.

Mein Atem ging schnell und meine Brust hob sich flach im Rhythmus. „Was sollte das?“, fragte ich außer Atem. „Eine kleine Kostprobe dessen, was du mit der Frau in der Bar angestellt hättest?“

Ich bereute es sofort, das ausgesprochen zu haben, denn sofort spielte sich das Ganze noch einmal vor meinem inneren Auge ab. Darauf begann mein Körper zu zittern, ich schlang die Arme um meine Knie und mein Puls raste.

Nur zu genau fielen mir die Worte ein die sie gesagt hatte. „Pech für dich, dass ich mir den besten Liebhaber in der Unterwelt ausgesucht habe!“

„Hey. Jetzt komm mal wieder runter. Das wird nicht mehr vorkommen“, versuchte er mich zu beschwichtigen. Darius kam zu mir herüber und sah mir in die Augen. „Wir werden trainieren.“ Ich sah ihn stumm an. Ein beruhigendes Lächeln trat auf seine Lippen. „Versprochen.“

Auf einmal tat ich etwas, dass uns beide überraschte: ich fiel ihm um den Hals, sodass wir beide umkippen. „Versprich mir, dass ich nie wieder die Kontrolle verliere. Bitte“, flehte ich.

Etwas perplex legte er mir die Hände auf den Rücken. „Ja, versprochen“, wiederholte er.

Ich vergrub mein Gesicht in seiner warmen Halsbeuge. „Kannst du sie löschen? Meine Erinnerungen. Ich will mich nicht daran erinnern.“ Die Grausamkeit würde mich zerstören.

„Ich kann dein Gedächtnis nicht löschen. Du musst wissen was du getan hast, damit es dich davon abhält so etwas wieder zu tun.“ Darius legte seine Hand auf meinen Hinterkopf und streichelte mir sanft durchs Haar.

Schniefend hob ich den Kopf und sah ihm in die Augen. „Du weißt wie verrückt das gerade ist, oder?“, ich lachte freudlos, „Eigentlich sollte ich dich hassen, aber was auch immer du mit mir machst, langsam fange ich an es zu akzeptieren.“

Plötzlich drehte er sich herum, sodass ich unter ihm lag. „Denkst du wirklich ich würde dich in irgendeiner Form beeinflussen?“ Als von mir keine Antwort kam, schloss er kurz die Augen, bevor er sich zur Seite rollte und aus dem Bett stieg. „So etwas habe ich nicht nötig. Aber du.“

Darius ging um das Bett herum, während ich mich aufsetzte und ihm dabei zusah. „Was?“

Darius fuhr sich durch sein kurzes schwarzes Haar, wobei das fahle Zwielicht wieder diesen roten Schimmer darin zu Geltung brachte. „Du hast es nötig, habe ich gesagt! Und jetzt stell dich nicht so dumm. Du bist diesen Incubus ja förmlich angesprungen. Wie eine rollige Katze hast du dich aufgeführt.“ Er schnaufte. „Wenn der dich übrigens noch einmal anfasst, werde ich ihm nicht nur den Kiefer brechen, verstanden?“

Vor Scham biss ich meine Zähne zusammen und senkte den Kopf. „Tut mir leid.“

„Davon hab ich jetzt auch nichts.“ Er schüttelte den Kopf und trat aus dem Zimmer. „Geh in dein Zimmer und leg dich schlafen. Morgen fangen wir mit dem Training an.“ Mit diesem Satz verschwand er im Gang und ich konnte hören, wie er die Treppen nach oben ging und in dem Zimmer verschwand, das ich niemals betreten dürfte.

 

In dieser Nacht war es mir fast unmöglich zu schlafen. Immer wenn ich die Augen schloss, um in das Reich der Träume zu entschwinden, tauchte wieder das Bild von der Frau vor meinem geistigen Auge auf.

Ihr Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Die Augen weit aufgerissen, auf mich gerichtet und leer.

Kaum war ich eingeschlafen und dachte ich sei diesen schrecklichen Bildern entkommen, wurden die Bilder real und ich durchlebte immer wieder den Moment, in dem ich ihr das Herz herausriss. Kalt und mit einem wilden Grinsen auf den Lippen.
Ich hatte ein Leben ausgelöscht und wegen was? Wegen Darius! Wieso ich das getan hatte wusste ich selbst nicht so richtig, aber dafür war jetzt nicht der richtige Augenblick.
Würde ich mir noch weiter den Kopf über diese Sache zerbrechen, helfe das auch wenig. Immerhin war sie tot und nichts würde sie zurückholen.

 

Selbst der Kaffee am darauffolgenden Tag konnte mich nicht wach halten. Darius machte mich zur Schnecke und mir war alles egal.

Ich fühlte die Schmerzen und hieß sie willkommen. Eine selbst auferlegte Strafe; viel zu wenig, als dass es ausreichen könnte, um das auslöschen eines Lebens wiedergutzumachen.

„Nira! Konzentrier dich!“, schrie Darius mich an.

Ein Schlag in die Magengrube, gefolgt von einem stechenden Schmerz in den Eingeweiden ließ mich zusammensinken. Ein leichter Druck auf meinen Hals und ich fiel um. Mein Kopf schlug auf den harten Sandboden auf, wodurch mir eine riesige Beule wachsen würde.

Fast leblos blieb ich am Boden liegen, ließ die Ereignisse Revue passieren und wünschte mir, ich wäre wieder zu Hause.

Damals im Jahre 1249, als mich meine Adoptivmutter, eine Nonne aus einem Kloster, zum ersten Mal zu diesem Teich führte, der so viele Erinnerungen enthielt.

Damals, als ich noch kein Experiment war. Mit zehn Jahren war die Welt noch in Ordnung. Keiner Versuchte mich umzubringen. Es war jemand da, der sich um mich kümmerte und mir die Welt erklärte.

„Was sind das für komische Lichter, da oben, Mutter?“ Ich zeigte in den Himmel.

„Das sind die Sterne“, hatte sie sanft geantwortet.

„Was sind Sterne?“

„Sterne stehen für die Seelen der Verstorbenen. Wenn sie sterben, verwandeln sie sich in Sterne und kommen in den Himmel, von wo aus sie uns immer Beobachten und auf uns aufpassen können.“

Wir setzten uns an den Uferrand und betrachteten die ganze Zeit den Himmel.

Dort hatte ich zum ersten Mal eine Vision. Eine Vision von meiner Zukunft. Von meinem Tod. Von Darius.

„NIRA!“ Die Stimme hörte sich gedämpft an. „Steh auf!“

Ich blieb liegen. Sagte kein Wort. Stille trat in meinen Kopf, kein Gedanke war mehr da. Ich stellte mich tot. Tat es meiner Seele gleich.

Darius beugte sich über mich. Redete auf mich ein, doch über seine Lippen drang kein Laut.

Er packte mich an den Schultern drehte mich auf den Rücken und rüttelte an mir. Doch ich regte mich nicht. Weder wollte ich es, noch konnte ich. Sollte er mich doch töten. Er würde mir und der Welt einen Gefallen tun.

Einen Wimpernschlag später sah ich einen Hauch von Weiß am Himmel. Li. Hinter ihm tauchte ein grüner Punkt auf.

Plötzlich wurde der grüne Punkt größer. Ich erkannte Flügel und dann … Jason.

Neben mir landete ein Engel, der aussah wie Jason. Er stieß Darius weg und nahm mein Gesicht in die Hände, fing an zu rufen, doch es war immer noch Stille. Ich schloss die Augen und fiel in eine unendlich schwarze Tiefe.

 

Was war das für ein Geräusch? Etwas knurrte.
Falsch. Jemand knurrte.

Jemand hielt mich fest. Ließ mich nicht los.

Benommen öffnete ich die Augen und blickte in Jasons zerschrammtes Gesicht. Es war zu unglaublich, als dass es wahr sein konnte. Ich griff nach seinem Gesicht und legte meine Hand auf seine Wange.

Das Knurren verstummte jäh und Jason blickte mich aus seinen unergründlichen grünen Augen an. „Hey, Ni“, meinte er sanft.

Ich runzelte die Stirn. Jason hatte mich noch nie Ni genannt. „Was?“

„Soll ich die lieber wieder Fletscher nennen?“, meinte er und zwang sich zu einem Lächeln.

Ich musste lächeln. „Bitte sag mir, dass wir auf irgendeinem Schlachtfeld sind. Du, ich, Mason, Joanne und Drake. Sag mir, dass Joanne kein Vampir ist, du kein Engel bis, Drake gerade Mason niedermacht, weil er nicht aufgepasst hat und wir wieder alle von Darius außer Gefecht gesetzt wurden.“

Er streichelte mir über die Wange. „Aber dann müsste ich dich anlügen, Boss. Aber mit einem hast du recht, Darius hat uns außer Gefecht gesetzt.“

Von rechts ertönte ein tiefes, animalisches Knurren, zu dem ich meinen Kopf wandte. Darius saß keinen Meter weit weg, doch sein Blick konnte selbst aus dieser Entfernung tödlich sein.

Ich wandte mich wieder an Jason. „Was ist passiert? Ich erinnere mich noch daran, wie du aufgetaucht bist und dann wurde alles Schwarz.“

Jason schnaufte. „Ich wollte dich gerade hochheben, doch dein Meister“, zischte Jason und knurrte Darius an, „stieß mich weg. Es gab eine kleine Rauferei und jetzt sind wir hier.“

„Jason, was verheimlichst du mir? Da sind doch noch etwas?“ Mein Blick fiel auf seinen Hals und ich riss die Augen auf. „Sind das … sind das Bissspuren?!“

„Nira, es ist nichts, wirkl…“

Ich fuhr hoch, beachtete das Pochen in meinem Kopf nicht, sondern sprang Darius direkt an. „DU HAST IHN GEBISSEN!“

„Du glaubst gar nicht wie gut Engelsblut schmeckt.“ Es war eine einfache Provokation, doch das reichte mir.

Ich wandte blitzschnell den Kopf um, riss den Mund auf und biss ihn in die Hand, mit der er mich festhielt. Blut ergoss sich in meinen Mund und lief mir die Kehle hinunter. Auf einmal fühlte es sich gut an, mir entkam ein Stöhnen und ich packte seinen Arm mit beiden Hände, biss noch einmal in die sich heilende Wunde, trank weiter.

Li, der währenddessen das Zimmer betreten hatte, griff sich den zum Töten bereiten Jason und zerrte ihn aus dem Haus, in die Lüfte und weg von uns beiden. Er hatte noch gesagt, wir beide müssten das alleine klären.

Darius jedenfalls schien die beiden gar nicht bemerkt zu haben, denn seine Augen glühten und er fletschte die Zähne, deren Enden zu rasiermesserscharfen Waffen geworden waren. „Das wirst du mir büßen!“

Noch bevor ich überhaupt etwas wahrnehmen konnte, griff er in meine Haare, riss meinen Kopf zur Seite und biss in meinen den Hals.

Ein Schrei blieb mir in der Kehle stecken, als der stechende Schmerz durch meinen Körper fuhr und ihn zusammenzucken ließ. Mit allen Mitteln versuchte ich ihn von mir wegzudrücken, doch da meine Zähne noch immer in sein Handgelenk geschlagen waren, konnte es gar nicht funktionieren.

Lass mich verdammt noch mal los!, schrie ich ihn in Gedanken an.

Nimm deine vermaledeiten Zähne aus meinem Fleisch, dann können wir darüber diskutieren!

Der Klügere gibt nach, hieß es immer. Auch: Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist.

Nun, ich war heute der Klügere, der nur einmal nachgab.

Kaum hatte ich Darius losgelassen, zog er sich auch zurück, doch während seine Wunde sich fast sofort wieder schloss, lief mir das Blut weiterhin aus dem Hals.

Verdammt! Selbst der Geruch des Blutes zog mich an. Alle Härchen in meinem Nacken stellten sich auf, machten mich hungrig auf mehr.

Darius hielt mein Kinn fest und leckte mir das Blut vom Hals, bis die Wunde sich vollends geschlossen hatte.

Als ich ihm dann in seinen roten Augen sah, waren da wieder diese Flammen. Jäh fiel mein Blick auf seine Lippen, an denen noch etwas Blut klebte. Ich kämpfte mit aller Macht gegen den Drang an, mich vorzubeugen und ihm das Blut von den Lippen zu lecken.

Mein Körper spannte sich an und einen endlos langen Augenblick später hielt ich es nicht mehr aus. Ich drückte ihn zu Boden und saugte an seiner Unterlippe.

Als er seine Hände auf meine Hüften legte, bemerkte ich erst, dass ich mich an ihm rieb.

Darius stöhnte auf und versuchte mich von sich zu drücken, doch ich klammerte mich an ihm fest, mit Armen und Beinen. Da packte er meine Kehle und sah mir in die Augen. „Nira, hör auf. Du hast keine Ahnung was du da tust“, presste er hervor.

„Mir scheißegal!“, zischte ich, wobei ich ihn niederdrückte und küsste. Er schmeckte nach Blut. Nach meinem Blut.

Ich nahm nichts mehr wahr, außer dem Geschmack des Blutes, der an Darius haftete und mich lockte, mich verführte.

Schlussendlich fand ich mich auf dem Rücken liegend wieder, während er sich über mich beugte. „Entweder du hörst jetzt sofort damit auf, oder wir verschieben das Ganze in mein Bett und morgen wirst du es mit ziemlich sicherer Wahrscheinlichkeit bereuen.“

Eigentlich hätte ich ihn wegstoßen und anschreien müssen, doch das war meinem Körper egal. Er wollte mehr. Ich wollte mehr.


Kapitel 25 - Nachgegeben

 

Als ich nichts sagte, sondern mich zu ihm hochdrückte und eine Hand in seine Hose gleiten ließ, zischte er und im nächsten Augenblick lagen wir auf seinem Bett.

Darius beugte sich zu mir hinunter und küsste mich fordernd, griff in mein Haar und hielt mich fest, während meine Finger sich um sein hartes Glied schlossen.

Er stöhnte auf und drängte sich gegen mich. Seine Hand wanderte unter mein T-Shirt, hinauf zu meiner Brust und schloss sich um sie.

Ich stöhnte auf und fing an, meine Hand langsam auf und ab zu bewegen. Auch wenn ich keine Erfahrung damit hatte, mein Körper schien das alles zu wissen und so ließ ich es einfach geschehen.

Darius zog mir mein T-Shirt aus und öffnete mit einem geschickten Handgriff meinen BH, bevor er beides auf den Boden fallen ließ.

Mit viel Selbstbeherrschung löste ich mich von ihm und begann sein Hemd aufzuknöpfen. Jeden Knopf einzeln, mit dem ich immer mehr von der leicht gebräunten Haut auf seiner Brust zu sehen bekam. Langsam streichelte ich mit den Fingern über die Muskeln an seiner Brust, deren Spiel mich faszinierte.

Er streifte das Hemd ab und ließ es elegant auf den Boden fallen. Da fiel mein Blick auf die Schnalle an seinem Gürtel. Ein silbernes D mit einem Rubin in der Mitte, der die Größe eines Daumennagels hatte.

Ich zog meine Hand zurück und legte sie stattdessen auf die Gürtelschnalle. Darüber muss ich auch noch reden, nahm ich mir vor.

Ungeduldig knöpfte ich meine Hose auf und schob sie samt Höschen über meine Beine.

Darius Hand in meinem Nacken zog mich zu ihm, sodass er mich erneut küssen konnte; derweil nutzte ich den Moment, um mich an seiner Hose zu schaffen zu machen.

Er hielt meine Hand fest und sah mir in die Augen. „Hör zu, du solltest jetzt aufhören und in dein Zimmer gehen.“ Er lachte freudlos. „So gern ich das jetzt zu Ende bringen würde, brauche ich gerade verdammt viel Selbstbeherrschung, damit ich mir jetzt nicht den letzten Rest Stoff vom Leib reiße und dich auf die primitivste Art in Besitz nehme, also“, er senkte den Kopf, „geh.“

Leicht gereizt zog ich die Augenbrauen zusammen. „Was redest du da? Ich will …“

„Vielleicht, aber ganz sicher nicht mit mir. Es ist das Blut. Es wirkt wie eine Droge.“

Es mag merkwürdig klingen, aber selbst die Vernunft half mir nicht. Ich WOLLTE es und im Moment war es mir egal, ob es mit Darius geschehen würde.

Ich wand mich unter Darius Körper, wobei ich seine Erregung spürte und meine sich gleichzeitig verstärkte.

„Wenn du so weitermachst, wirst du morgen sehr sauer sein“, knurrte er heiser.

„Jetzt komm schon. Du willst es doch auch, also …“ Ich packte seine Hand und schob sie zwischen meine Beine, was ihn die Augen schließen und ein kehliges Knurren ausstoßen ließ. „Spürst du das? Ich denke mein Körper weiß was er im Moment braucht.“

„Aber sag nicht ich hätte dich nicht gewarnt.“ Darius zog sich seine Hose aus, wobei ich merkte, dass er von Unterwäsche nichts zu halten schien und ließ seine Hand dort wo sie war. „Ich hoffe du bist dir im Klaren, dass es wehtun wird.“

Ich biss mir auf die Unterlippe und nickte.

„Spreiz die Beine.“ Ich spreizte meine Beine und er stützte seine Hände an meinen Knien ab.

Ganz langsam glitt er in mich hinein, wobei ich einen kurzanhaltenden Schmerz spürte, bevor er tiefer hineinglitt und mein Fleisch dehnte. Und noch tiefer.

Als ich ihn in mir spürte, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich vergessen hatte, wie schmerzhaft ein Eindringen sein könnte. Ein wimmern entkam mir. „Darius“, fiebste ich, „Warte, es tut weh.“

„Schlechtes Timing, Kleines“, presste er hervor, hielt aber dennoch inne.

„Gibt es“, ich hauchte die Luft aus und unterdrückte ein weiteres Wimmern, „Gibt es nicht eine angenehmere Stellung“, presste ich hervor.

Er stöhnte auf und zog sich aus mir zurück, sein Atem war leicht beschleunigt und ich konnte ihm ansehen, dass er sehr viel Selbstbeherrschung aufbringen musste. Darius legte sich auf den Rücken; ich verstand.

Ich kniete mich über ihn, nahm sein Glied in die Hand und führte es langsam ein. Sanft ließ ich mich nieder, nahm ihn in mir auf und hielt inne, als ich ihn in seiner ganzen Länge in mir spürte.

Meine Hände waren an seiner Brust abgestützt, mein Blick gesenkt und die Nerven in meinem Unterleib zogen sich genüsslich zusammen. Ich wollte – konnte – mich nicht rühren, so blieb ich auf ihm sitzen.

Plötzlich spürte ich eine Hand an meiner Wange. „Hey, alles in Ordnung?“

Ein Nicken war das einzige, was ich zustande brachte. Die Wirkung des Blutes war am verfliegen und langsam spürte ich die Schmerzen.

Darius setzte sich auf und sah mir in die Augen, was dazu führte, dass er sich in mir bewegte und ich aufstöhnte. Verdammt, das tat etwas weh.

Sofort hielt er inne, doch auch er schien etwas an Selbstbeherrschung verloren zu haben, dennoch hielt er mich an den Hüften fest und hob mich hoch, wobei er langsam aus mir herausglitt.

Er schloss die Augen und atmete genüsslich ein, erst da roch ich es auch. Blut.

Anscheinend hatte er mich verletzt, doch auf einmal war dieses Feuer wieder da. In seinen Augen, in meinem Blut und in den Nervenenden in meinem Unterleib.
Dennoch war der Schmerz im Vordergrund, doch das änderte sich schlagartig, als er seine Finger zwischen meine Beine führte und sie um meine Mitte kreisen ließ.

Ich ließ mich wieder auf ihn nieder und er glitt hinein. Mit einem stürmischen Kuss eroberte er meinen Mund, ließ seine Hände aber dort, wo sie waren.

Wie von selbst bewegte sich mein Unterleib rhythmisch und brachte Darius zum Stöhnen. Er fing an sich zu bewegen, wobei der Grad Lust und Schmerz ziemlich dünn war.

Da löste Darius sich von mir und schob mir seinen Finger in den Mund. Erst verstand ich nicht genau, doch dann erfüllte der Geschmack von Blut meinen Mund und mein Körper übernahm die Kontrolle. Wieder einmal.

Als ich kurz inne hielt, zog er mich ganz an sich, sodass ich den Kopf hochrecken musste, damit ich seine Lippen erreichen konnte. „Dreh dich um, Kleine.“

Ich erhob mich, glitt von ihm herunter, drehte mich um und setzte mich auf seinen Bauch.

„Spreiz die Beine und setzt dich.“

Die Zähne zusammengebissen, führte ich sein Glied wieder ein und er legte seine Hände um meine Brüste, umkreiste mit den Daumen meine Nippel und fing wieder an sich zu bewegen.

Ich stöhnte auf, reckte den Kopf in die Luft, während Darius meine Haare zur Seite strich und seine Lippen an meinen Hals legte. „Schon einmal mit deinen Fingern herumexperimentiert?“

Ein weiteres Stöhnen drang aus meiner Kehle, als er hinaus und wieder hineinglitt. „Keine Zeit.“

„Dann pass auf.“ Er nahm seine Hände von meinen Brüsten; als nächstes spürte ich sie zwischen meinen Beinen, wie er mit zwei Fingern meine Schamlippen auseinanderdrückten und mit der anderen Hand meine Knospe umkreiste.

Die Nerven in meinem Unterleib zuckten und es baute sich eine Art Druck in mir auf, drohte mich zu verbrennen. Und dann wurde ich von einer Hitzewelle überrollt, die mich alles andere vergessen ließ. Meine Nervenenden explodierten, mein Puls raste in meinen Ohren und ich schrie auf.
Eine Welle brennender Hitze überrollte mich und riss mich mit sich; die Muskeln in meinem Unterleib zogen sich um sein Glied zusammen und hielten es eng umschlossen in mir, bis ich mich halbwegs beruhigt hatte.

Erschöpft ließ ich mich gegen Darius sinken, der sich wiederum mit mir aufs Bett sinken ließ. Mein Atem ging schnell und flach, Schweißperlen standen auf meiner Oberlippe.

„Sag nicht, dass du dich noch nie selbst zum Höhepunkt gebracht hast?“, hauchte Darius in mein Ohr.

Was ich auch versuchte, kein Wort kam über meine Lippen. Ich war einfach zu erschöpft um etwas zu sagen, so blieb ich auf seinem Bauch liegen und ließ die Nachwirkungen der Nervenexplosion abklingen.

„Diese `Nervenexplosion´ nennt man Höhepunkt oder Orgasmus, Kleines.“

„Weißt du wie … komisch sich das anhört, wenn du mich `Kleines´ nennst und dabei in mir bist.“

Mein Unterleib zog sich zusammen, als er seinen Finger um meine Mittel gleiten ließ und mir ins Ohr flüsterte: „Kleines, es gibt so viele Dinge, die ich mit dir machen kann – und will – die für dich `komisch´ werden.“

Ich keuchte, als er seinen Unterleib ruckartig in die Höhe hob und sich in mir bewegte. „Ich denke nicht, dass sich das heute wiederholen wird.“

Darius setzte sich auf und gab mir einen Schubs, sodass ich nach vorne kippte und auf allen Vieren vor im kniete. „Dann sollte ich das wohl ausnutzten.“ Er richtete sich auf und legte die Hände an meine Hüften, während er sich langsam anfing zu erneut bewegen.

Langsam und stetig glitt er heraus und drang wieder ein. Ich krallte meine Finger in das Leintuch und biss die Zähne zusammen.

Seine Finger packten fester zu, und er beschleunigte seinen Rhythmus. Drang fester ein, brachte mich dazu, dass ich versuchte mich aufrichtete und meine Nägel in seinen Arm krallte, während ich mir fester auf die Lippe biss.

„Pass auf, dass du dir nicht wehtust, Kleines“, flüsterte er heiser in mein Ohr.

Ich wollte etwas erwidern, doch stattdessen brachte ich nur einen spitzen Schrei heraus und spürte wie er in mir kam.

Darius sank gegen mich, bewegte seine Finger schneller und brachte auch mich zu einem weiteren Höhepunkt.

Einen ewig langen Moment saßen wir nur aneinander gelehnt da und lauschten unserem gegenseitigen Atem, ehe er sich langsam aus mir zurückzog.

„Na, Kleines, geht’s?“, hauchte er in meinen Nacken.

Ich spürte noch immer die Nachwirkungen meines Orgasmus, der in heißen Wellen über mich hereingebrochen war. „Ich denke schon“, sagte ich ohne Stimme und reckte den Kopf nach oben.

Darius nutzte dies aus und fuhr mit der Zunge meinen Nacken entlang. „Sag bloß, dass du schon müde bist?“, neckte er mich sanft. Er ließ seine Hände nach oben wandern, umfing meine Brüste und umkreiste mit den Daumen meine Nippel.

„Darius“, stöhnte ich, „ich kann nicht mehr.“

Er ließ seine Finger in mein Haar wandern, ganz sanft massierte er meinen Kopf in hypnotisierenden Bewegungen, die mich die Augen schließen ließen.
Ganz plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung zog er an meinem Haar, grob und fordernd, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. „Ob du das auch noch bist, wenn ich dir Blut einflöße?“, knurrte er trunken vor Lust.

Ich erschauderte, aber nicht aus Erregung, sondern aus Angst. „Darius, bitte. Ich bin ein Halbdämon, nicht einmal annähernd so alt wie du, was du von mir erwartest kann ich dir nicht geben.“

Er lachte. Es war ein tiefes, maskulines Lachen, das nur so vor Sex troff. „Du würdest es überleben.“

Da war ich mir nicht so sicher. „Du vergisst, dass ich …“, ich senkte beschämt den Kopf, „dass das mein erstes Mal war.“

„Oh mann, Kleines“, seufzte Darius, „dafür hast du dir echt den falschen Dämon ausgesucht.“

 

„He, meine Süße. Guten Morgen, willst du denn nicht aufstehen?“ Es folgte ein glückseliges Gekicher und eine samtweiche Hand an meiner Wange. Der Duft von wildem Jasmin und Lilien erfüllte den Raum.

„Schatz, lass sie doch. Nirahailah braucht ihren Schlaf.“ Die schweren Schritte meines Vaters hallten im Raum wieder.

„Ach, Álrahtiem. Sie hat deine Augen“, sagte die liebliche Stimme meiner Mutter und seufzte.

„Und dein Gesicht. Sie wird einmal eine richtige Herzensbrecherin.“ Er lachte.

„Komm, lass sie noch etwas schlafen. Wir können auch später mit ihr üben.“

Sie verließen den Raum und schlossen sanft die Tür.

Jason, dessen Gesicht sich dank seiner Engelsgene schnell wieder verheilt war, saß mit düsterer Miene im Gras, während Sam und Li sich einen Kampf lieferten.

Es war nur ein „harmloser“ Trainingskampf, doch wer hätte schon wissen können, dass Dämonen bei einem Übungskampf, genauso unerbittliche Kämpfer sind, wie im Kampf gegen Feinde.

Li schlug gnadenlos auf Sam ein, was auf Gegenseitigkeit beruhte. „Na komm! Man sollte meinen, dass jemand, der in der Armee der Hölle gedient hat, mehr drauf hat!“, verhöhnte Li Sam.

Jason konnte nur den Kopf darüber schütteln. „Jungs, wenn ihr so scharf darauf seid jemanden zu töten, warum schlag ihr dann nicht irgendeinen Kinderschänder zusammen?“, fragte er leicht irritiert.

„Weil wir Dämonen sind und nicht die örtliche Polizei“, knurrte eine Stimme hinter Jason.

Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Darius hinter ihm stand. Sofort sprang Jason auf und starrte ihn an. „Wo ist Nira?“, fragte er aufgebracht.

„Sie schläft.“ Darius löste Sam ab und übernahm seinen Platz.

Sam setzte sich derweil an Jasons Seite. „Du solltest jetzt besser nichts mehr sagen. Er ist nicht so der Freund von Jägern. Vor allem nicht von denen die zu Engeln werden.“

„Trotzdem ist Nira ein Teil meiner Gruppe und aus eben diesem Grund will ich wissen, was er mit ihr gemacht hat!“, schrie Jason, so laut, dass Darius ihn auch nicht überhören konnte.

Darius und Li hielten mitten im Kampf inne.

Sam stieß die Luft aus und rückte von Jason ab. „Mies, Freundchen. Echt mies.“

Jason verstand nicht. Erst als sein Kopf mit dem Boden Bekanntschaft macht, wusste er, dass er lieber die Klappe hätte halten sollen.

Nicht einmal Jasons gesteigerte Reaktion konnte Darius´ Bewegungen wahrnehmen. So schnell hatte Jason ihn noch nie gesehen. Es schien als ob er richtig sauer war.

„Du willst wissen was ich mit ihr gemacht habe?“, knurrte Darius. Er drückte Jason den Schuh an die Schläfe und beugte sich zu ihm hinunter. „Willst du es wissen? Verträgst du die Wahrheit?“

„JETZT SPUCKS SCHON AUS!“, zischte Jason.

„Ich. Habe. Sie.“, er machte ein Pause, „GEFICKT“, hauchte er.

Für einen Moment war es totenstill. Es schien, als hätte die Welt den Atem angehalten.

Dann rastete Jason aus.

 

Das aufwachen war so unsanft, wie der Schlaf sanft gewesen war. Ein dumpfer Aufschlag weckte mich, gefolgt von einer splitternden Scheibe.

Verwirrt öffnete ich die Augen und sah mich, irritiert und noch ganz verschlafen, um.

Wie erwartet lag Darius nicht neben mir, dennoch lag ich in seinem Bett und war in diese kuschelige Felldecke eingehüllt. Ich rieb meine Wange daran und kuschelte mich wieder hinein.

„DU VERDAMMTES DRECKSSCHWEIN!“

Ich zog die Brauen irritiert zusammen, als ich die wütende Stimme, die von draußen kam, hörte.

Langsam schwang ich die Beine über die Bettkante und stand auf und musste feststellen, dass meine Beine nicht richtig wollten.
Außerdem fühlte ich mich seltsam Wund und wollte mich nicht bewegen, dennoch überwand ich mich dazu aus dem Fenster zu sehen. Was ich sah ließ mein Herz einen Schlag aussetzen.

Darius hatte Jason gegen das Fenster im Erdgeschoss geschleudert. Jasons Flügel waren in einem unnatürlichen Winkel abgeknickt, über sein Gesicht lief Blut und er hatte einen offenen Oberschenkelbruch.

Mich anzuziehen hätte zu viel Zeit gekostet. Also schnappte ich mir Darius´ roten Morgenmantel, schwang ihn mir über die Schultern und sprang aus dem Fenster – nachdem ich es geöffnet hatte.

Geschmeidig wie eine Katze landete ich auf den Füßen, direkt zwischen Darius und Jason. „HALT!“, rief ich und streckte die Hand aus.

Meine Knie zitterten, doch nicht weil ich aus dem Fenster gesprungen war, sondern weil mich das Schäferstündchen mit Darius doch mehr Kraft gekostet hatte, als ich dachte.

„Ah, wie ich sehe bist du wieder auf den Beinen, Kleines“, raunte er. „Du hättest besser liegen bleiben sollen, deine Kraft hat sich noch nicht vollständig erholt.“

„Ach halt die Klappe. Ich weiß was ich meinem Körper zutrauen kann und was nicht“, ich versuchte normal zu klingen, doch es war unüberhörbar, dass Darius recht hatte, denn meine Stimme schwankte.
Genauso wie ich, Sekunden bevor ich auf die Knie sank und meine beiden Hände an den Oberschenkeln abstützte.
Hinter mir stöhnte Jason auf und ich drehte den Kopf zu ihm. Er versuchte sich aufzusetzen, doch seine Verletzungen wogen zu schwer, also dass er hätte normal aufstehen können.

„Bleib liegen, Jason. Es geht mir gut, aber du bist zu schwer verletzt, als dass du dich aufrichten kannst.“

Einen kurzen Moment sah er mir in die Augen, als wollte er sagen: Es ist also doch war. Ich bin enttäuscht von dir.

Beschämt wandte ich den Blick ab und richtete ihn auf den Boden vor mir. „Warum hast du das getan?“

Darius schnaufte. „Weil er hier auf meinem Territorium ist. Hier habe ich das sagen und er hat sich meinen Befehlen unterzuordnen.“
Ich hob den Kopf und sah ihn vorwurfsvoll an. „Du bist grausam.“
Ein Zucken mit den Schultern, war alles was ich als Antwort bekam. Er drehte sich um und ging auf Li und Sam zu, die Abseits von uns standen. Du scheinst zu vergessen, dass ich immer noch ein Dämon bin und auch für immer einer bleiben werde.

Nein, diesen Fehler würde ich niemals begehen.

Und dennoch kommt es mir so vor, als ob du denken würdest, Dämonen würden wie Menschen fühlen. Doch lass mich etwas klar stellen: Kein Dämon ist dazu fähig zu lieben; kein Dämon wird jemals etwas Gutes tun und kein Dämon ist zärtlich. Vergiss das niemals, Kleines.


Kapitel 26 - Ich? Eifersüchtig? Niemals!


Ich saß mit Jason auf der Couch, tupfte seine Stirn mit einem nassen Tuch ab, welches ich immer wieder mit kühlem Wasser befeuchtete.

Seine Flügel hatte ich vorsichtig zusammengefaltet, sobald sie sich halbwegs wieder erholt hatten, damit ich ihm nicht wehtat.

Er war bewusstlos zusammengebrochen, nachdem ich Darius davon abgehalten hatte, ihn zu Tode zu prügeln.

Entsetzt hatte ich mitangesehen, wie er zu Sam und Li gegangen war, während Jason, dem Tode nah, in den Trümmern des Küchenfensters gelegen hatte.

Wieso war er nur so grausam? Klar, er hatte schon recht, dass Dämonen sich nicht darum scherten, ob jemand starb oder nicht, aber für gewöhnlich war es nur aus dem Grund geschehen, dass derjenige es verdient hatte.

Doch Jason hatte es nicht verdient.

Mittlerweile hatte ich mich doch schon soweit im Griff, dass ich mir die Tränen sparte. Ich sollte sie für jemanden vergießen, der sie verdient hatte und das war ganz sicher nicht Darius.

Sanft strich ich Jason durch sein Haar und verwuschelte es ein bisschen. Das hatte ich immer gemacht, wenn wir uns gegenseitig aufgezogen hatten.

Wir. Joanne, Jason, Mason und … Drake.

Bei dem Gedanken an seinen Gesichtsausdruck, als er erfahren hatte, dass ich die Gestalt gewechselt hatte, wurde mir immer noch anders.

Ich wusste selbst, dass ich eine Miese Laune der Natur war, aber so schlimm wie er mich sah, war nun auch wieder nicht.

Plötzlich tauchten wieder die Bilder von der Frau auf, die ich umgebracht hatte.

Meine Kehle war wie zugeschnürt und das Schlucken fing auf einmal an weh zu tun.

„Hey“, sagte Sam, als er neben mir auftauchte und mich besorgt anschaute, „wie geht’s dir?“

Ich ignorierte ihn.

„Ich weiß, dass das vorhin nicht so gut rüberkam, aber ich wollte es nicht noch schlimmer machen, als es schon war.“ Er sagte eine Weile nichts, dann seufzte er. „Nira, ich“, Sam legte seine Hand auf meine Schulter, doch ich zuckte sofort zurück und stieß sie weg.

„Fass-mich-ja-nicht-an!“, fauchte ich. „Ihr seid doch alle gestört! Also mich wundert es nicht, dass keiner von euch eine Freundin hat, so selbstverliebt und egoistisch sollte kein Mann sein, in den sich eine Frau verliebt.“

Sam sah mich an, als ob ich schwer von Begriff wäre. „Du wirst es nie verstehen, hab ich recht? Dafür bist du viel zu menschlich.“ Er drehte sich um und ging einfach wieder davon.

„Vielleicht bin ich das. Aber lieber das, als so gefühlskalt zu werden wie ihr es seid. Ich wäre nicht mehr ich, wenn ich meine Menschlichkeit verlieren würde“, antwortete ich geistesgegenwärtig.

Sam hielt einen Moment inne. Es war, als würde er über mich nachdenken, doch genauso schnell setzte er sich auch wieder in Bewegung.

 

Ich spürte wie Jason sich regte.
„Geht’s dir schon besser?“, fragte ich ihn sanft.

Den Kopf auf meinem Schoß, öffnete er langsam die Augen. „Dank dir geht es mir schon viel besser. Danke Fletscher.“

Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Oh, gut, du redest also doch mit mir.“

Jason seufzte. „Hey, jeder begeht in seinem Leben mehr als eine Dummheit, warum sollst du es nicht dürfen?“ Er sah mir tief in die Augen und seine Mundwinkel zuckten. „Es muss schon sehr viel mehr geschehen, als das. Immerhin hast du uns mehr als einmal das Leben gerettet, das kann man nicht einfach außer Acht lassen.“

Mein Mund verzog sich schuldbewusst. „Aber wenn man bedenkt wer euch in diese Situationen gebracht hat …“, ich ließ den Satz offen.

„Ach komm schon. Jetzt versink nicht in Selbstmitleid. Schau, wir sind alt genug um uns richtig entscheiden zu können. Wir hätten genauso gut in Maxs Team gehen können, aber ich bin froh, mit dir im Team zu sein, Fletscher.“ Jason lächelte aufrichtig und steckte mich an.
„Danke.“ Ein seufzen entkam mir. „Apropos Team, ich vermisse den Rest.“

„Da bist du nicht die einzige, Fletscher.“ Er atmete tief ein und aus. „Ich frage mich wie es ihnen geht. Vielleicht können wir sie besuchen.“

Ich lächelte schief. „Ich denke nicht, dass Darius mich aus den Augen lässt.“

Jason lächelte. „Langsam wird das echt nervig.“

„Was?“, fragte ich lachend.

„Dass du ständig mit ihm über alles reden musst, schließlich haben wir ihn vor nicht allzu langer Zeit noch verfolgt und jetzt…“

„Ja, ich weiß“, winkte ich ab.

„Und aus diesem Grund, wirst du jetzt mitkommen“, ertönte eine Stimme, von der Tür her.

Ich sah zur Tür hin und hielt die Luft an.

Jason, der über die Lehne, der Couch, nichts sehen konnte, reckte den Kopf in die Höhe. „Was ist mit ihm?“

Darius stand in seinem roten Morgenmantel in der Tür und winkte mich zu sich.

„Ich… ich muss weg, tut mir leid.“

Jason sah mich nur irritiert an, hakte aber nicht weiter nach, als ich den Kopf schüttelte. Pass auf dich auf, formte er mit seinen Lippen.

Ich nickte knapp, bevor ich aufstand und Darius folgte.

 

Am anderen Ende des Hauses sah ich, wie er in sein Zimmer verschwand.

Den Kopf schief gelegt ging ich argwöhnisch auf sein Zimmer zu. Was hatte er jetzt schon wieder vor?

Ich blieb vor der Zimmertür stehen und spähte hinein. Keine Spur von Darius.

Trotz meines inneren Widerstrebens betrat ich das Zimmer, woraufhin die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Vor Schreck wich ich zwei Schritte zurück und fuhr herum.

Darius lehnte lässig an der Tür. Er sagte nichts, sondern sah mich einfach nur an.

Ich fing an mich unter seinen Blicken zu winden. „Was wolltest du?“ Ich sah an ihm herunter. „Und warum hast du deinen Morgenmantel an, es ist gerade einmal Nachmittag?“

Er durchbohrte mich mit seinen Blicken, stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. Ganz langsam, wie ein Raubtier, das seine Beute in die Enge getrieben hatte.

„Darius, hör auf, du machst mir langsam Angst“, sagte ich und wich immer weiter vor ihm zurück.

Darius antwortete mir immer noch nicht. Er bewegte sich einfach unaufhaltsam auf mich zu.

Schwer schluckend, kämpfte ich gegen meinen Drang zu flüchten an und blieb stehen.

Erst als er keinen Zentimeter mehr von mir entfernt war, blieb auch er stehen und sah mich an. „Willst du nicht noch weiter weglaufen? Ihr Menschen versteht euch doch darin.“

Wütend funkelte ich ihn an. „Ach, so denkst du also von mir.“ Ich grinste hinterlistig. „Dann sollte ich dir wohl zeigen, dass du mich nicht unterschätzen solltest.“

„Das brauchst du nicht, es reicht mir vollkommen, wenn …“

„Nein.“

„Du weißt doch noch gar nicht …“

„Meine Antwort lautet „Nein“, fertig.“

Plötzlich schlang er seine Arme um mich. „Ich denke ich habe bessere Argumente.“ Er ritzte seinen Finger und ließ das hervorquellende Blut seinen Finger hinunterlaufen.

Ich schluckte schwer, als mir der schwere Geruch von Eisen in die Nase stieg. So schnell ich konnte wand ich mich aus seiner gefährlichen Umarmung und wich an das andere Ende des Raumes zurück. „Geh weg!“

Ein tiefes Lachen drang aus seiner Kehle und dann leckte er ganz langsam das Blut von seinem Finger. „Ich lasse mir das Blut nicht entgehen. Wenn du nicht willst“, er deutete auf das Bett, „dann werde ich mir meine Vergnügung woanders holen.“

Die Erregung in meinem Körper, die das Blut hervorgerufen hatte, war plötzlich verschwunden. Es fühlte sich an, als ob man mir einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geleert hätte. „Dann geh. Warum sollte es mich kümmern mit wem du schläfst?“, fragte ich irritiert.

Darius ließ seine Hände in die Taschen des Morgenmantels wandern und sah mich mit diesem sexy Blick an, der durch seine verwuschelten Haare, noch besser zur Geltung kam, an. „Es war nur eine simple Frage, auf die ich soeben die Antwort bekommen habe.“

Er drehte sich um und setzte sich auf das Bett. „Du solltest jetzt gehen.“

Verwirrt starrte ich seinen Hinterkopf an. „Das wars? Ich sage „Nein“ und du lässt mich gehen?“

Er seufzte. „Ja. Jetzt hau ab“, gab er genervt zurück.

Mir gefiel die ganze Sache nicht. „Was ist los? Wieso willst du mich so schnell loswerden?“

„Weil jeden Moment der Succubus hier auftauchen wird. Du kannst auch gerne bleiben, wenn du scharf darauf bist einen Succubus in Action zu sehen.“

Mehr brauchte ich nicht. Schon als das Wort Succubus über seine Lippen kam, hatte ich mich in schnellen Schritten auf die Tür zubewegt.

Kaum war ich aus der Tür draußen, bog eine Frau um die Ecke des Ganges und sah mich verführerisch an.

Die paar Fetzten die sie am Kleid trug, verdeckten gerade noch so die intimsten Stellen, aber das war es auch schon.

Sie kam auf mich zu und blieb keinen Zentimeter vor mir stehen. Ihr langes blondes Haar ging bis zu ihrem Hintern und ihre Lippen waren zu einem Lächeln verzogen, das jeden in ihr Zimmer einlud. „Ah, der Halbdämon. Leistest du uns heute Gesellschaft?“, fragte sie mit lustvoller Stimme. Sie ließ ihre Hand über meine Taille wandern. „Dich würde ich ganz bestimmst nicht von der Bettkante stoßen. Die Anmut eines Engels und den verführerischen Körper einer Erzdämonin“, stellte sie fest.

Gerade wollte sie ihre Hand auf meine Brust legen, als ich zurückwich und sie irritiert ansah. „Ok, ich habe absolut keine Ahnung was du da faselst, aber ich bin ganz klar Hetero und, auch wenn ich nichts gegen Homosexuelle habe, werde ich ganz sicher nicht mit dir ins Bett steigen!“, sagte ich und sah sie entsetzt an.

Sie zog eine Schnute, wobei sie ganz klar ihren Mund zu einem großen Schmollmund zog. „Schade, das wäre so schön geworden. Ich hätte dich mit meinen Fingern und meinem Mund verwöhnt, während er dich genommen hätte und …“

„SCHLUSS DAMIT! Ich will das nicht hören! Das ist widerlich!“ So schnell konnte sie gar nicht schauen, da war ich schon in meinem Zimmer verschwunden und hatte die Tür verschlossen.

Was war das für eine verrückte Braut? War mein Zimmer sicher genug oder würde sie jeden Moment durch das Fenster kommen und mich ans Bett fesseln? Zutrauen würde ich es ihr.

Ich lief zum Fenster und wollte es gerade schließen, als ich ein Geräusch hörte. Einen Moment verharrte ich regungslos und lauschte.

Es klang gedämpft. Ganz so als würde jemand mit einem Polster erstickt. Ich lauschte weiter. Nunja, es war zwar kein Schrei der durch einen Polster gedämpft wurde, dafür ein Schrei, der durch eine dicke Wand gedämpft wurde.

Also entschloss ich mich, das Fenster doch nicht zu verriegeln, sondern sprang hinaus und machte mich aus dem Staub.

Plötzlich fiel mir Jason ein.

Ich wollte gerade umkehren, da ertönte eine Stimme vor mir: „Dem geht es gut. Er ist zu mir gekommen und ruht sich dort aus.“

Vor mir tauchte Li auf, die Flügel zusammengelegt und das goldene Haar hatte er zu einem kurzen Zopf zusammengefunden. In seinen Augen spiegelte sich Besorgnis wieder.

Sein Gesichtsausdruck machte mich ebenfalls besorgt. „Was ist los? Ist mit Jason etwas nicht in Ordnung?“

Li machte eine wegwischende Geste, so als würde er eine Flieg vor seiner Nase verscheuchen. „Dem geht es prima, er heilt schneller, als ich dachte.“

„Was ist es dann?“

„Nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen solltest.“ Sein Blick fiel auf das Haus. „Warum hast du es so eilig?“

Genervt verdrehte ich die Augen. „Succubus. Ich konnte diese Dämonen noch nie leiden.“

Seine Augenbrauen schossen belustigt in die Höhe. „Ah, du hast Jaqueline bereits kennengelernt? Hinreißend, nicht.“

Ich zog eine Grimasse. „Ja, wenn man auf den weiblichen Stalker-Typ steht.“ Ich schüttelte mich vor Ekel. „Die wollte doch tatsächlich, dass wir einen Dreier machen“, sagte ich verständnislos und sah ihn verzweifelt an.

Li musste lachen. „Das ist wahrlich ein Kompliment.“

„WAS?“, quietschte ich, „die Verrückte wollte, dass ich mit Darius schlief, WÄHREND sie mich leckte! Wie gestört kann man sein!“

Nun krümmte sich Li vor Lachen.

Die Arme vor der Brust verschränkt sah ich ihn genervt an und verdrehte die Augen. „Ja, schon gut. Das ist echt witzig, aber es wäre schön, wenn ich über diesen Witz auch lachen könnte, meinst du nicht.“

Li beruhigte sich langsam, wischte sich die Tränen aus den Augen, ehe er mich mit diesem Ich-weiß-was-du-letzte-Nacht-getan-hast-Blick ansah.

„Er hat es dir also erzählt“, stellte ich nüchtern fest und senkte den Blick. Die Arme hinter dem Rücken verschränkt begann ich mit den Fuß im Sand zu malen.

Einen Moment herrschte bedrückende Stille.

„Jaqueline wird bis morgen bleiben, willst du solange bei Jason in meinem Gästehaus bleiben?“, fragte er freundlich.

Mein Blick wanderte vom Boden zu ihm, zum Haus und wieder zu ihm. „Gerne.“

 

Ich drehte mich nicht um als wir Darius Grundstück verließen. Mir ging nur nicht aus dem Kopf, was Darius zu mir gesagt hatte. Wieso nur, sollte ich Eifersüchtig sein? Es war doch nur ein Versehen, dass ich mit ihm geschlafen hatte. Das Blut war schuld, nicht meine nicht vorhandene Zuneigung zu ihm.

In Gedanken versunken merkte ich gar nicht, dass Li stehen blieb und so stieß ich gegen ihn. „Tschuldigung.“

„Kannst du dich schon selbst verwandeln?“, fragte er.

„Nein, noch nicht“, antwortete ich verlegen. „Aber ich kann es versuchen.“

„Und riskieren keine Sachen mehr am Leib zu tragen? Wohl kaum.“

Ich hob eine Augenbraue. „Wie darf ich das verstehen?“

„Du musst deine Verwandlung perfekt beherrschen, bevor du dich samt deinen Sachen verwandeln kannst.“

„Aber sonst hat das doch auch funktioniert.“

„Ja, aber nur weil Darius dich in eine andere Gestalt gezwungen hat, nicht weil du es so wolltest.“

„Na toll. Was machen wir jetzt? Wie weit ist dein Haus entfernt? Du könntest hinfliegen, während ich gehe.“

Li schüttelte den Kopf. „Wohl kaum. Darius Grundstück liegt im Wald verborgen. Etwa 100 Kilometer von meinem Haus entfernt.“

„Das ist wirklich mies.“ Ich sah im in die Augen. „Und was machen wir jetzt?“

„Gute Frage.“

Einen kurzen Moment überlegte ich, dann fiel es mir ein. „Wie wäre es, wenn du mich fliegst? Kannst du mich tragen?“

„Das mit dem Tragen an sich ist keine Kunst, bei übernatürlichen Kräften und deinem Fliegengewicht, aber das Fliegen …“, er rieb sich den Hinterkopf.

„Was?“

„Das würde Darius gar nicht gefallen. Immerhin bist du sein Bes …“, ich funkelte ihn wütend an, „…uch“, sprach er zu Ende, „Ich müsste ihn um Erlaubnis fragen.“

„Du kannst ihn und diesen Succubus gerne bei ihren Spielchen unterbrechen, ich warte solange hier, denn bei meinem Glück lässt mich diese Verrückte gleich gar nicht mehr gehen.“

„Gut, fliegen wir.“


Kapitel 27 - Ein Wiedersehen mit Freunden

 

Lis Haus war eindrucksvoll und wahrlich weit weg, von Darius´ Grundstück. Es lag hoch oben in den Bergen und war eigentlich der Berg, denn es war hineingemeißelt.

Wir landeten auf einem großzügig angelegten Balkon und ich war heilfroh wieder festen Boden unter meinen Füßen spüren zu können. Tja, ich war wohl der einzige Dämon mit Höhenangst.

„Ziemlich eindrucksvoll“, meinte ich.

Li zuckte mit den Schultern. „Es ist wie eine Festung, es war nicht dazu gedacht hübsch auszusehen.“

Ich blickte über die Schulter zu Li. Er sah aus wie ein Krieger, manch einer würde das nicht erkennen, weil er nur auf die Flügel achten würde. „Es passt zu dir.“

„Komm ich zeige dir dein Zimmer, dann kannst du dich hinlegen.“

Ich folgte ihm in ein wunderschönes Zimmer, welches in Braun und Weiß gehalten war, ehe er mich entließ, mit dem Hinweis, dass ich den Kleiderschrank gerne benutzen dürfe.

Ich kramte ein, mir zu großes, T-Shirt aus dem Schrank, zog mich um und legte mich schlafen. In letzter Zeit war ich richtig müde, doch ich wusste nicht ob das an dem Zwielicht lag oder an irgendetwas anderem.

 

Als ich aufgewacht war, war ich sofort an das Fenster gegangen und hatte zugesehen, wie Darius in seiner dämonischen Gestalt gelandet und auf Li losgegangen war.

Leider war das Fenster so hoch, dass ich mich auf Zehenspitzen stellen muss, um überhaupt etwas erkennen zu können.

Glücklicherweise waren er und Li gleichstark, weswegen ich mir keine Sorgen darüber machen musste, ob sie sich zerfleischen würden oder mit ein paar Kratzern davonkamen.

Darius schien Li anzuschreien und selbst in dem Zimmer konnte ich die Flammen in seinen Augen sehen.

Als er plötzlich in einer Rauchsäule verschwand, huschte ich schnell unter die Decke, beziehungsweise versuchte es, doch Darius war schneller und so prallte ich gegen ihn.

Er war eindeutig sauer.

„Warst du die ganze Nacht bei Li?“, fragte er.

Ich seufzte. „Dir auch einen guten Morgen, Mister Grießgram.“

Plötzlich wurde ich gegen die Wandgedrückt und umklammerte seinen Arm. Die Klauen gruben sich in mein Fleisch und verursachten einen brennenden Schmerz. „WARST DU?“

„Nein! Was geht dich das überhaupt an!“

„Du gehörst mir, schon vergessen?“, knurrte er und aus seiner Nase quoll Rauch hervor.

„Ich gehörte niemandem!“

„Jetzt schon.“

Ungläubig riss ich die Augen auf und starrte ihn an. „Wenn du nicht sofort deine Klauen einziehst, werden wir beide ein Problem bekommen, das mit Blut zu tun hat und ich werde mich nicht von dir überwältigen lassen, weil du dir einbildest mich zu besitzen!“

„Dass hättest du dir überlegen sollen, bevor du mit mir geschlafen hast!“

Jetzt war er zu weit gegangen.

„NIMM DEINE KLAUEN VON MIR!“, schrie ich ihn an und drückte mit aller Kraft gegen seine Brust.

Plötzlich schrie er auf und wich zurück, den Blick auf seine Brust gesenkt.

Als ich seinem entsetzten Blick folgte wurde mir anders. An den Stellen, an denen sich gerade noch meine Hände befunden hatten, prangten nun zwei große Brandwunden.

Ich schlug die Hände vor den Mund. „Oh mein Gott! Es tut mir leid, das wollte ich nicht!“

Kaum hatte Darius den Blick abgewandt, waren die Wunden auch schon wieder verheilt. „Was war das?“, fragte er verwirrt.

Ich schüttelte den Kopf, um ihm zu sagen, dass ich keine Ahnung hätte, aber genau da fielen mir die Flügel auf meinem Rücken auf. „Also war es doch kein Traum.“ Ich wandte den Blick wieder zu Darius. „Warum hast du mir nichts davon erzählt?“

Er schüttelte den Kopf. „Weil es nur unnötige Fragen aufwarf, die ich die damals, wie auch heute, nicht beantworten werde.“

„Wieso?“

„Nira, ich kann es dir nicht erzählen, belass es dabei“, meinte er streng, „jetzt komm, lass uns heimgehen. Ich will keinen Krieg mit Li. Schon gar nicht wegen dir.“

„Warte.“ Er blieb stehen und sah mich an. „Kann ich dich jetzt nicht mehr berühren?“

Darius zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Es ist mir auch egal.“
„Darius, klär mich auf. Ich will es wissen!“

Er drehte den Kopf und sah mich über seine Schulter hinweg an. „Ich sagte nein, und damit basta.“ Die Schwingen auf dem Rücken zusammengelegt verließ er das Zimmer, ohne sich nach mir umzudrehen.

Ich folgte ihm unaufgefordert, denn das Letzte was ich wollte, war ein Krieg zwischen Li und Darius.

 

Anstatt mit mir zu fliegen, öffnete Darius ein Höllentor und schritt mit mir hindurch. Kaum waren wir auf der anderen Seite angekommen, schloss er es wieder und ging auf das Haus zu.

„Halt.“

Er ging weiter.

„DARIUS! Bleib stehen … bitte.“

„Glaubst du allen Ernstes, dass mich ein „Bitte“ dazu bewegt, deinen Befehlen zu gehorchen?“, fragte er sarkastisch und betrat das Haus.

Genervt von allem ließ ich mich auf die Knie sinken, den Kopf in meinen Händen verborgen. „Widerlicher Mistkerl.“

„Versuchst du dich einzuschleimen?“, fragte er belustigt.

Ich hob den Kopf und sah ihn wütend an. „Lass deine dämlichen Spielchen! Ich habe es satt! Ich will meine Freunde wieder sehen!“

Darius kam zurück und zog mich unsanft an meinen Haaren hoch. „Einen Dämon, der in Mitleid versinkt, verspeise ich zum Frühstück, also pass auf, wie du dich mir gegenüber verhältst“, knurrte er.

„Du magst in deiner dämonischen Gestalt stärker sein, aber du jagst mir nicht mehr Angst ein!“, zischte ich.

Er zog an meinen Haaren, sodass meine Kehle ihm schutzlos ausgeliefert war. „Soso, du hast also keine Angst vor mir.“

Ich breitete meine Flügel aus und demonstrierte ihm, dass ich ihm nicht unterlegen war, woraufhin er es mir gleichtat und seine schwarzen Lederschwingen, die um einiges größer waren, als meine Flügel, entfaltete.

„Versuchst du dich gegen mich aufzulehnen?“ Darius kniff die Augen zusammen und funkelte mich an.

Über meine Lippen kam kein Wort, stattdessen umfasste ich seine Handgelenke und sah in seinem wütenden Blick, dass ich ihn verbrannte, doch er ließ mich nicht los. Im Gegenteil, er packte nur noch fester zu und zog mit einer Hand an meinem Haar, bis meine Kehle viel zu ungeschützt vor ihm lag und er den Kopf senkte.

„Wenn du einen Kampf willst, dann sollst du ihn haben.“

Mir schwante übles. Schnell kniff ich meine Augen zusammen und stellte mir irgendeinen anderen Ort vor.

Das Erste, was mir in den Sinn kam, war paradoxerweise die weiße Zelle, in die man mich gesperrt hatte.

Kaum hatte ich die Augen wieder geöffnet, stand ich in genau dieser Zelle. Neben mir stand ausgerechnet die Person, der ich aus dem Weg gehen wollte: Drake.

Mit großen Augen starrte er meine Flügel an, dann mich und dann wieder meine Flügel.

Er öffnete den Mund und ich hoffte in diesem Moment inständig, dass er meinen Namen sagen würde, doch stattdessen wurde ich bitter enttäuscht.

„WACHEN!“

 

Wenig später befand ich mich – gefesselt – in einem Verhörraum wieder.

„Also noch einmal: Wie bist du hier heraus gekommen?“

Ich sagte nichts, hatte auch nichts gesagt, als sie mich vor über einer Stunde gefangengenommen hatten und seitdem verhörten. Den Blick stur an die Wand gerichtet, wünschte ich mir, wieder in der Hölle zu sein, bei den Leuten die mich verstanden.

Drake schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass er vibrierte. „WO ZUM TEUFEL BIST DU GEWESEN!“

Finster starrte ich ihn an. „Genau dort. Beim Teufel, in der Hölle“, knurrte ich.

„Dann willst du mir also weißmachen, dass du rein gar nichts mit den Morden zu tun hast, die immer häufiger wurden, seitdem du weg warst?“

Jetzt sah ich ihn verwirrt an. „Die Morde haben zugenommen?“ Irritiert schüttelte ich den Kopf. „Wie ist das möglich?“

„Weiß ich doch nicht. Sag du es mir, Dämon.“

Genervt verdrehte ich die Augen. „Ich denke, dass diese Flügel eher zu einem Engel, als zu einem Dämon gehören.“

„Und genau das ist der springende Punkt, Nephilim.“ Die Person, zu der die Stimme gehörte, war im Türrahmen aufgetaucht und sah mich nun böse an.

„Max?“, fragte ich ungläubig.

Drake grinste breit. „Hast du das nicht gewusst? Greg wurde umgebracht, als er Jason herholen wollte und dreimal darfst du raten, wer der glückliche war.“

„Darius“, keuchte ich atemlos.

Das war also der Grund, warum seine Kleidung so zerfetzt an diesem Abend war.

„Genau. Und ich habe den Platz meines Vaters eingenommen, während du es dir in den letzten sechs Monaten, in der Hölle gemütlich gemacht hast“, meinte Max finster.

Ich sprang hektisch auf. „SECHS MONATE? Ich bin seit sechs Monaten in der Unterwelt?“ Die Augen vor Entsetzten weit aufgerissen, ließ ich mich wieder auf meinen Sessel sinken.

„Wie lange dachtest du denn, dass du dort unten warst?“, fragte Drake argwöhnisch.

„Lange, aber nicht sechs Monate.“ Entsetzt legte ich die Hände auf meinen Kopf. „Was ist in der Zwischenzeit alles passiert?“, fragte ich panisch.

„Nun, die Zahl der Opfer beträgt nun um die 50, wobei wir nicht wissen, ob er noch weitere Opfer entsorgt hat“, meinte Max finster.

Ich sah zwischen Drake und Max hin und her. „Hab ihr einen Verdächtigen?“

„Wir haben keinen Verdächtigen, wir wissen mit Sicherheit wer es war, jetzt wo wir dich ausschließen können.“

„Der Priester“, ergänzte Drake.

Irritiert schüttelte ich den Kopf. „Ich dachte, ihr hättet den schon geschnappt?“

Max kniff die Augen zusammen. „Konnten wir nicht, immerhin hatten wir genug Stress mit der Regierung, weil irgendjemand dich gefilmt hat, also du damals aus dem Auto ausgestiegen bist, die Klauen ausgefahren und bereit zu töten.“

Ich lächelte freundlos und nickte. „Achja stimmt, das ist ja mal alles wieder meine Schuld, tut mir leid, das hatte ich ganz vergessen.“

Drake baute sich vor mir auf. „Spiel ja nicht mit uns, wir haben dich durchschaut.“

Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Durchschaut? Mich?“, ich zog eine verwirrte Grimasse, „Hä? Wovon redest du?“

„Du arbeitest doch mit diesem „Priester“, oder wie auch immer, zusammen, das will Drake damit ansprechen.“ Max stemmte die Hände in die Hüften.

Ich hob beschwichtigend die Hand. „Ok, ihr könnt mir gern vorwerfen dämonisch zu sein, aber was sollte ich mit den Seelen von jungen Frauen anfangen wollen? Ich hab ja noch nicht einmal einen blassen Schimmer davon, wie man eine Seele fängt.“

„Du bist zum Teil Dämon und jeder Dämon weiß instinktiv, wie man eine Seele fängt, also versuch nicht uns etwas vorzumachen, wie haben dich schon längst durchschaut“, meinte Drake angewidert.

Ich verdrehte schnaufend die Augen. „Sagt mal, muss ich es für Vollpfosten erklären, oder wann kapiert ihr eigentlich, dass ich nichts mit dieser Sache zu tun habe?“

Max trat einen Schritt vor und beugte sich nah an mein Gesicht. Zu nah für meinen Geschmack. „Wir werden schon sehen. Erst wollen wir erfahren, was ihr mit Jason angestellt habt.“

Wir? „Also ich hatte bis vor kurzem nicht einmal den blassesten Schimmer davon, dass er sich in der Unterwelt befand und bevor ihr mir nicht gesagt habt, dass Darius Greg umgelegt hatte, wusste ich davon auch nichts.“

Die beiden waren doch komplett übergeschnappt, wenn sie glaubten, dass ich, ausgerechnet ich, wusste was in Darius labilem Kopf so vor sich ging.

Dieser Dämon war eine Sache für sich. Keiner konnte ihn leiden, niemand vertraute ihm und jeder hatte Angst vor ihm.

Dachten sie, bloß weil ich einmal einen Fehler begangen und mit Darius geschlafen hatte, würde ich wissen, was er als nächstes tun würde?

Er war schon sauer auf mich, weil ich mich ihm widersetzt hatte, wie würde er jetzt, nachdem ich mich einfach aus dem Staub, oder besser gesagt Rauch, gemacht hatte, reagieren? Ganz sicher würde ich nicht mit Blumen und Küsschen empfangen werden.

Ich schluckte bei dem Gedanken, wieder zu Darius zurückzukehren. Aber das würde ich nicht. Nicht wenn ich eine Möglichkeit gefunden hatte, mich vor ihm zu verbergen.

Ein plötzlicher Schlag auf meine Wange ließ mich zusammenfahren. Perplex blinzelte ich und sah in Richtung des Schlages.

Drake funkelte mich wütend an und ließ seine Fingerknochen knacken. „Glaub ja nicht, dass ich nicht bemerkt habe, wie sich deine Augen verändert haben.“

Max zischte und stieß ihn weg. „Was soll das? Wir brauchen sie lebend und nicht bewusstlos oder gar tot. Bloß weil du in deinem Stolz verletzt worden bist, brauchst du nicht unsere Ermittlungen zu behindern! UND JETZT REISS DICH GEFÄLLIGST ZUSAMMEN!“

„Diese Kreatur hat kein Mitleid verdient! Sie würde uns bei jeder Gelegenheit dazwischenfunken und ihren Lover beschützen. Denkst du wirklich ihr ist das Leben eines Menschen auch nur ein bisschen was wert? Die schert sich doch einen Dreck, ob wir den Mörder finden, wenn sie es nicht sogar selbst ist.“

Ich schnaufte missbilligt und drehte den Kopf weg. Wenn ich ihn noch weiter ansehen musste, würde ich mich übergeben. Denn eins wurde mir in dem Moment, als er das Wort Kreatur ausspie bewusst: Den Drake von damals gab es nicht mehr.

Es tat mir im Herzen weh, ihn so voller Hass zu sehen, doch daran würde ich nicht zerbrechen. Wenn er auch nur ansatzweise daran dachte, mir oder irgendeinem anderen nicht menschlichem Wesen etwas anzutun, würde ich ihn zusammenschlagen. Mir war klar, dass ich es nie übers Herz bringen würde ihn zu töten.

Ich würde es auch nie übers Herz bringen einem unschuldigen Menschen etwas anzutun.

Ich schluckte schwer. War ich überhaupt noch dazu in der Lage jemanden umzubringen?


Kapitel 28 - Schon wieder ein Pakt?

 

Nach einer harten und wirklich sehr langen Befragung, einigten Max und ich uns darauf, dass sie mich nicht einsperrten, im Gegenzug sollte ich ihnen mit den Ermittlungen zum Fall des Priesters helfen.

Drake war von der ganzen Sache wirklich nicht begeistert und konnte nicht glauben, dass, und ich zitiere: „eine Kreatur wie die, jemals in der Lage sein wird Mitleid für einen Menschen zu empfinden.“

Mann, Drake konnte einen echt fertig machen. Ich hatte eigentlich darauf gebaut, dass er ein Einsehen mit seinen dummen Behauptungen haben würde, doch dem schien nicht so.

Mittlerweile war ich der festen Überzeugung, dass ich hier nicht erwünscht war und lieber wieder so schnell wie möglich verschwinden sollte, denn wenn Mason genauso reagierte wie Drake … darüber wollte ich gar nicht nachdenken, denn dann würde ich zusammenbrechen.

Ich bereute es schon zurückgekommen zu sein, denn das Zimmer in dem ich saß, beziehungsweise die Zelle in die ich gesteckt wurde, sah aus, wie ein Zimmer in einem Versuchslabor.
Bei deren Wissensdurst, handelte es sich sicher um genau so ein Zimmer.
„Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finde“, erklang eine Stimme von draußen.

Ich hob den Kopf und stieg von der Laborpritsche. „Moment, die Stimme kenne ich.“ An der Wand befand sich ein Einwegfenster, doch dank meiner dämonischen Sehstärke konnte ich durch das Fenster sehen. „MASON!“

Er fing an zu grinsen. „He, schön dich zu sehen. Du siehst echt scheiße aus.“

Ich schnaubte vergnügt und rollte mit den Augen. „Und du hast dich um keinen Deut verändert.“ Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen.

„Wie ich sehe bist du Max und seinem neuen Stellvertreter begegnet.“ Er schüttelte den Kopf. „Drake ist nicht mehr wiederzuerkennen.“

Ich senkte betrübt den Blick. „Das ist alles meine Schuld.“ Angespannt rieb ich meine Oberarme.

„He, Kopf hoch, Ni. Du bist und bleibst unser Boss.“

Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Wie geht’s Joanne?“

„Es geht ihr echt mies, aber seit sie weiß, dass du wieder hier bist … ach sie soll es dir selber sagen“, meinte er zwinkernd und trat auf die Seite.

Joanne tauchte hinter der Scheibe auf. „He, Ni.“ Ihr Gesichtsausdruck wirkte bedrückt und das gekünstelte Lächeln wäre bei jemandem rübergekommen, wenn man sie nicht kennt, doch ich kannte meine beste Freundin.

„Joanne, was ist passiert?“, fragte ich besorgt.

„Es tut mir so leid. Ich habe versucht Drake zu überzeugen, doch er verachtet mich, für das was ich bin. Ich …“, sie wandte den Blick ab. Zu spät, ich sah die Tränen, die ihr in die Augen traten.

Mason legte ihr eine Hand auf die Schulter und zog sie in eine Umarmung. „Drake will Max davon überzeugen, sie zu feuern.“

Wut stieg in mir auf. „WAS?“

„Er meinte, ein Halbvampir in einer Schutzorganisation wäre nicht tragbar. Sein Beispiel dafür, war dein Ausrutscher“, erklärte mir Mason.

Ungläubig riss ich die Augen auf. „Sind sie komplett durchgeknallt? Sie wollen das beste Team, dass sie haben“, ich räusperte mich, „Korrigiere, hatten, auflösen, weil sie denken, dass wir, weil wir Dämonen sind, aus der Reihe tanzen. Nach - hilf mir auf die Sprünge - wie viel Jahre arbeiten wir schon hier?“

„Zehn Jahre sind es sicher. Zumindest bei dir. Moment, wie lange gibt es das DHS schon? Irre ich mich, oder bist du nicht eine der Gründerinnen?“

Ich erstarrte. „Nein! Wieso sollte ich so etwas tun?“

Mason schien mir nicht zu glauben, doch er hakte auch nicht weiter nach.

Joanne stieß Mason weg. Entschlossenheit war in ihre Augen getreten. „Ich werde dich hier rausholen.“

Sie stapfte davon und ich warf Mason einen panischen Blick zu. „Sie wird eine Dummheit begehen! Bleib bei ihr und pass auf sie auf.“

Er nickte und rannte ihr hinterher.

 

„LASS SIE RAUS!“ Joanne schlug mit der geballten Faust auf Maxs Schreibtisch, so fest, dass der Tisch knarzte.

Max warf dem Halbvampir vor seinem Tisch einen desinteressierten Blick zu. „Wenn du diesen Tisch kaputtmachst, darfst du ihn bezahlen und der war nicht gerade billig.“

„Verdammt noch mal, Max! Du zerstörst die Organisation, wenn du sie rauswirfst!“ Joanne fuhr sich frustriert durchs Haar. „Sie ist die Beste von uns allen!“

Max brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Erst einmal kommst du wieder runter und DANN reden wir.“ Er deutete auf den Stuhl gegenüber von ihm. „Setz dich.“

Joanne bleckte die, für einen Vampir, viel zu kurzen Fänge, setzte sich aber. Mason stellte sich zur Sicherheit hinter sie und legte seine Hände auf ihre Schulter, um sie notfalls zurückzuhalten.

Max ließ sich in den Stuhl zurück sinken. „Also schön, was willst du?“

„Ich will Satisfaktion, für das was ihr Nira angetan habt. Sie ist die einzige, die sich nicht dafür entscheidet ihre dunkle Seite an die Oberfläche kommen zu lassen.“

Max hob eine Augenbraue. „Willst du mir etwas sagen?“

„Ja! Denn ich habe nicht den Skrupel, dich hier und jetzt auszusaugen“, fauchte sie.

Max sah sie einen Moment ungläubig an. Dann fing er an zu lachen. „Du willst mich beißen? Mit was willst du durch mein Fleisch? Mit einem Zahnstocher? Denn ich bezweifle, dass du mit diesen Dingern da“, er deutete auf ihre kleinen Fänge, „etwas ausrichten kannst.“

Joanne sprang auf und Mason konnte sie gerade noch festhalten, als sie versuchte über den Tisch zu springen. „PASS AUF WAS DU DA SAGST!“

„Ich sagte dir doch, dass sie gefährlich ist.“ Die Stimme kam von der Tür.

Joanne drehte sich um. „Verschwinde“, wisperte sie.

„Träum weiter.“ Drake betrat den Raum. „Ich gebe hier die Befehle, nicht du, du halbe Portion“, zischte er zurück.

„FALSCH!“ Diesmal war es Max, der aufsprang. „Ich bin hier immer noch der Boss und du nur mein Stellvertreter! Verstanden!“

Drake stand stramm. „Verstanden.“

„Und jetzt: Abtreten. Ich will Sie bis heute Abend nicht mehr sehen.“

Drake schluckte schwer und verschwand aus der Tür, die er so leise wie möglich schloss.

Max verfolgte ihn mit seinen Blicken, bis er verschwunden war, dann wandte er sich wieder Joanne zu. „Also, was genau willst du jetzt, dass ich mit Nira mache?“, meinte er nonchalant du verschränkte die Finger ineinander.

Joanne unterbrach ihr Dauerknurren und wandte sich wieder dem wesentlichen Thema zu. „Also, ich möchte, das Nira wieder ins Team aufgenommen wird und so behandelt wird, wie vorher. Und ich will Drake NICHT mit im Team. Es ist mir schnurz-piep-egal, wen du uns zuteilen wirst, aber Drake, darf es nicht sein.“

Max schien nachzudenken, seine Augen verengten sich zu Schlitzen, ganz so als würde er die Gefahr abwägen, die von Nira ausging. „Und was habe ich davon?“

„Du hast dein Spitzenteam wieder. Mich, Nira, Mason und …“, sie hielt inne.

„Und da haben wir das Problem. Jason ist nicht mehr hier und damit wäre das Team immer noch nicht wiederhergestellt, also überleg dir mal schön etwas anderes, womit du mich überzeugen kannst.“ Er lehnte sich zurück und warf Joanne einen abwartenden Blick zu.

Mason fing an auf und ab zu gehen.

Joannes Wangen färbten sich rot. „Du elender Bastard! Selbst ohne Drake und Jason sind wir immer noch besser, als diese Militärstrottel! Das einzige was die haben sind Muskeln! Aber gegen einen Meistervampir oder einen Dämon haben die keine Chance, denn wie man die richtig überlistet muss gelernt sein. Ich meine, sicher, sie können mit bloßen Fäusten gegen sie antreten, aber wenn ihre Gegner auch nur halb so viel verstand haben wie sie, oder gar keinen, so sind sie ihnen dennoch in vielerlei Hinsicht überlegen. Also, überlegst du dir deine Entscheidung noch, oder ist sie endgültig? Denn wenn deine nächsten Worte nicht: „Ihr seid wieder im Geschäft“ sind, dann bin ich weg.“ Joanne stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust.

Es folgte eine lange Pause, in der man sogar eine Feder hören könnte, die auf den Boden fiel.

Die Pritsche war ungemütlich und ich kam mir nackt vor, ohne mein kleines Waffenarsenal, dass ich normalerweise am Körper trug, aber sie mussten mich unbedingt in einen Krankenhausmantel stecken.
Das würde ich ihnen so schnell nicht verzeihen.
Aber mal im Ernst, wer hatte diese Arsch-freien-Kleider erfunden? Die Pornoindustrie?
Die Hände auf meinem Hintern, oder so gut wie, verschränkt, lief ich unruhig im Zimmer auf und ab.
Am meisten störte mich daran, dass diese zwei Wachposten vor der Tür mich beobachteten und über mich redeten.
Sie waren auf jeden Fall neu, denn niemand aus dem DHS brachte mich mit Sexfantasien in Verbindung.
Gut, Drake war eine Ausnahme, aber eben war.
Plötzlich ging die Tür auf und Mason kam herein. Er stand still schweigend in der Tür und starrte mich nur ernst an, die Hände in den Taschen seiner dunkelblauen Jeans vergraben.
Ich lief ungewollt rot an und drückte mich mit dem Rücken an die Wand. „Mason! Tut mir leid wenn ich dich nicht begrüße, aber dieses was-auch-immer ist ziemlich unvorteilhaft geschnitten.“
Er trat auf mich zu und blieb vor mir stehen, sodass sich kein Fluchtweg mehr anbot.
Meine Augen fixierten seine und beobachteten wie sie meinen Körper auf und ab wanderten.
Moment! Checkte er mich gerade ab?
Als er eine Hand auf meine Schulter legte und mich umdrehte hatte ich die Bestätigung.
Ich wollte ihn wegstoßen und mich umdrehen, aber er war viel zu stark. Wie war das möglich? „Mason, lass mich los“, knurrte ich angestrengt.
Plötzlich legte eine Hand auf meine Pobacke und kniff fest zu. „AU! Was soll der Blödsinn, Mason!?“
„Kein Wunder, dass er etwas an dir findet“, meinte er erstaunt und drehte mich wieder um.

Ich sah ihn entsetzt an. „Wovon redest du und was sollte das eben?“
„Er hatte schon immer einen guten Geschmack, aber dass er so weit geht …“ Mason schüttelte den Kopf. „Das ist selbst für seine Verhältnisse gewagt.“
Verwirrung machte sich in meinem Kopf breit. Von wem sprach er? Und wieso war er auf einmal so stark. Irgendetwas hatte sich an ihm verändert.
Mason fing an im Raum auf und ab zu tigern; verfolgt von meinem argwöhnischen Blick.
„Das ist nicht gut“, murmelte er.
Ich stampfte wütend auf. „Hallo? Ich bin immer noch da! Würdest du mir jetzt endlich sagen, worum es geht?“
Zeigefinger und Daumen am Kinn, hob er den Blick und sah mich durchdringlich an. „Was hat ihn dazu gebracht, dich bei sich aufzunehmen? Das passt nicht zu unserem Plan … was hat er nur vor.“
Plötzlich löste sich der Neben. „Du redest von Darius.“
Mason ignorierte mich. „Kein Dämon würde so ein Risiko eingehen … Wir hatten etwas anders ausgemacht.“
„Warte, warte! Du hast Kontakt zu Darius?“ Ich schüttelte den Kopf. „Und von was für einem Plan redest du?“
Kaum hatte ich es ausgesprochen, packte er mich, drückte er mich gegen die Wand und hielt mir den Mund zu. „Schh!“, zischte er.
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich in seine leeren Augen sah. „Du bist ein Dämon“, murmelte ich atemlos.
Mason lachte. „Richtig. Und weißt du auch was das ist?“ Er zog einen doppelt geschwungenen Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel, hob ihn hoch und hielt ihn vor meine Nase.
Ich sah Mason irritiert an.
„Das, meine Liebe, ist ein Dolch mit dem man Dämonen töten kann“, meinte er, bevor er ihn blitzschnell in mein Herz rammte.
Der Schmerz der sich ausbreitete war unerträglich und mit jedem Schlag meines immer schwächer werdenden Herzens spürte ich, wie das Gift immer weiter in meinem Venen ausbreitete.
Mason Miene war ausdruckslos, als er mir in die Augen sah und den Dolch mit einem Ruck herumdrehte.
Ein weiter Schmerz durchfuhr meinen Körper, dann wurde alles schwarz.


Kapitel 29 - Tödlicher Fehler

 

„Also, was gibt es neues auf der Welt, wovon ich wissen sollte?“ Die tiefe dunkle Stimme seines Vaters hallte im Saal wider.
Im Moment war Darius nicht daran interessiert, dass sie eine monatliche Sitzung über die Vorkommnisse führten. Es interessierte ihn genauso wenig, dass Lilith sich schon wieder an ihn ranschmiss, oder dass Belial ihn die ganze Zeit über beobachtete und etwas auszuhecken schien.
Was ihn allerdings interessierte war, wo sich Nira im Moment aufhielt, denn er konnte sie nicht spüren. Ihre Verbindung wurde durch irgendetwas Blockiert. Oder irgendwen.
„Darius, du scheinst nicht ganz bei der Sache zu sein. Was beschäftigt dich, Bruder?“, Belials heuchlerischer Unterton war kaum zu überhören. „Geht es zufällig um eines deiner Fickflittchen?“
Darius bedachte Belial mit einem emotionslosen Blick. „Ich weiß nicht, ob aus dir Eifersucht oder einfach nur die Enthaltsamkeit spricht.“ Er legte den Kopf in die Handfläche und sah Belial zufrieden an.
Dieser reagierte genauso lässig und konterte sofort. „Nun, Eifersucht lässt sich bekanntlich nie ausschließen. Aber ich werde es einfach ausprobieren, dein Flittchen zu mir einladen und sie durchficken bis sie wortwörtlich den Verstand verliert. Und du kennst unseren Hang zum Brutalen ja nur zu gut, stimmt´s?“ Sein Lächeln war entspannt und verhieß nichts Gutes.
Darius wusste sehr wohl, dass alle – besonders Satan – ihn beobachteten und ausrasten war in dieser Situation nicht drinnen. „Ich dachte du kennst die Besitzrechte, oder habe ich mir da geirrt?“
Belial öffnete den Mund, wurde aber von Satan unterbrochen. „Wir sind nicht hier um uns über eure Huren zu unterhalten. Das DHS hat angeblich eine Waffe um meine Erzdämonen zu fangen und ihr unterhaltet euch über belanglose Kleinigkeiten.“
„Ich wäre ja dafür, dass wir das DHS endgültig aus dem Weg räumen, bevor sie uns wieder irgendwo dazwischen funken. Alle zusammen. Allen voran dieses kleine Biest, das angeblich ein Halbdämon sein soll“, meinte

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Impressum

Texte: Silvia Leeb
Bildmaterialien: Silvia Leeb
Tag der Veröffentlichung: 06.02.2017

Alle Rechte vorbehalten

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