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Ein traumhaftes Erlebnis


„Por favor, los passajeros a Bremen con Ryanair........“, kaum verständlich plärrte eine weibliche Stimme, hier im spanischen Flughafen von Girona an der Costa Brava, durch die Abfertigungs- und Wartehalle und kündigte den nahenden Abflug der Maschine an.

Endlich war es soweit, denn schon länger als eine Stunde wartete ich darauf, dass man endlich an Bord gehen konnte. Langweilig war es mir allerdings nicht geworden, denn das Wetter gab sich alle Mühe, die Langeweile zu vertreiben. Dunkle Wolken zogen sturmgepeitscht am Himmel entlang und es sah aus, als ob sie sich ein Rennen lieferten und jede von ihnen die Erste sein wollte. Wo wohl ihr Ziel lag, vielleicht wollten sie auch wie ich nach Bremen?

Um ihr Ziel schneller zu erreichen, entledigten sie sich des Regens, den sie mit sich trugen und ergossen ihn in Strömen über Flugzeuge, Menschen und Flughafengelände und der draußen tobende Sturm war bemüht, seinen Teil dazu zu beizutragen, denn er jagte den aus den Wolken kommenden Regen lautstark gegen die großen Scheiben des Flughafengebäudes.

Allein der Gedanke daran, bei diesem Wetter ca. 100 Meter zum Flugzeug laufen zu müssen, jagte mir kalte Schauer über den Rücken. Da kamen sie auch schon um die Ecke, zwei Damen von Ryanair um die Tickets zu kontrollieren oder besser gesagt die Computerausdrucke der Bordkarten von den Passagieren, die sich per Online-Check-In registriert hatten.

Schon war ich an der Reihe und man kontrollierte meine Bordkarte, den Reisepass und das Gewicht meines Handkoffers. „Gracias y bon viaje“ sagte die kontrollierende Dame zu mir und ließ mich durch die Tür nach draußen gehen. Instinktiv schlug ich den Kragen meiner Jacke hoch, denn einen Regenschirm hatte ich nicht dabei. Sicherlich hätte er bei diesem Sturm auch nicht viel Sinn gemacht. Der Regen klatschte mir ins Gesicht und der Sturm zerrte an meinen mir noch verbliebenen Haaren, als ob er mir diesen kläglichen Rest, der sich da noch auf meinem Kopf befand, auch noch rauben wollte.

Allein der Gedanke „Weihnachten zu Hause“ ließ mich alle momentanen Widerwärtigkeiten vergessen und ich beschleunigte meine Schritte, um möglichst schnell in die wartende Maschine zu kommen.

Würde sicher ein unruhiger Flug werden aber ich schlief ohnehin immer die zwei Stunden Flugzeit nach Bremen, denn diese Strecke flog ich jedes Jahr mehrfach und so kannte ich alle die eindrucksvollen Landschaften, welche man aus 10.000 Metern Höhe beobachten konnte. Faszinierend, wie selbst das im Sommer immer noch reichlich mit Schnee bedeckte Massiv des Mont Blanc unter einem hinweg zog. Heute würde man sicher nicht viel zu sehen bekommen und so würde ich bestimmt nichts versäumen, wenn ich schlief.

Ein Passagier nach dem anderen gelangte in die Maschine und suchte sich einen Sitzplatz. Auch ich hatte schon mein Handgepäck in der Gepäckbox über mir verstaut und mir wie immer einen Fensterplatz gesichert, denn für den Fall, dass ich nicht einschlafen konnte oder plötzlich erwachen würde, wollte ich nach draußen schauen können.

Bereits nach 10 Minuten war die Maschine fast auf den letzten Platz besetzt und die Flugbegleiterinnen, die von manchen Passagieren verächtlich als „Saftschubserinnen“ bezeichnet wurden, schlossen die Kabinentüren. Endlich konnte es losgehen. Die Flugbegleiterinnen begannen mit der üblichen Prozedur der Sicherheitshinweise, und während sie vor ein paar Jahren noch selbst die Erklärungen dazu sprachen, so quäkte nun eine Stimme vom Band. Ich hatte diese Informationen schon so oft gehört, dass ich den Erklärungen nicht mehr aufmerksam zuhörte. Die Maschine wurde jetzt langsam rückwärts geschoben, um in Startposition zu gelangen. Die Triebwerke sorgten für etwas Schub und die Maschine bewegte sich langsam vorwärts und erreichte schließlich die Startbahn.

Alle Passagiere hatten Platz genommen, waren angeschnallt und hatten die kleinen Tischchen an den Sitzen hochgeklappt. Jetzt konnte es losgehen! Der Pilot hatte die Maschine auf der Startbahn in Position gebracht und wartete nur noch auf die Startfreigabe. Kaum hatte ich den Gedanken an den Start zu Ende gedacht, als die Triebwerke aufheulten und die Maschine, immer schneller werdend, über die Starbahn raste.

Jetzt musste sie jeden Moment abheben und genauso war es. Wir waren in der Luft und im Steigflug. Geräuschvoll wurde das Fahrwerk eingefahren und dann hörte ich nichts mehr, denn ich befand mich bereits im Land der Träume.............

Tatsächlich, ich stand mitten im Wald, rings um mich herum standen dichtgedrängt hohe Tannen, deren Wipfel sich im Wind hin und her bewegten und jetzt in der Nacht unheimliche Geräusche machten. Ein paar Schneeflocken tanzten um mich herum und fielen auf den bereits zentimeterhoch mit Schnee bedeckten Boden. Ich schaute mich um, konnte aber außer, den im fahlen Licht des Mondes glitzernden Schneeflocken, nichts von Bedeutung erkennen.

Wie war ich eigentlich hier in diesem Wald gekommen? Ich wollte doch nach Bremen und jetzt stand ich mitten in einem mir völlig unbekannten Wald und dies auch noch mitten in der Nacht. Vorsichtig begann ich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, denn viel konnte ich bei dem schwachen Mondlicht nicht erkennen und ich erschrak heftig, als plötzlich vor mir ein scheues Reh aufsprang und zwischen den Tannen verschwand. Jetzt erst merkte ich, dass es ziemlich kalt war, denn meine Schritte knirschten unter mir im Schnee.

Ich war noch keine 100 Meter gegangen, als ich aus dem Wald auf eine Lichtung trat und wenn ich meinen Ohren trauen konnte, so hörte ich aus der Ferne eine mir bekannte Melodie. Ich horchte genauer hin und tatsächlich erklang weit entfernt: „Glockenklang aus der Ferne, über uns leuchten Sterne.....“.

Irgendwie meinte ich auch, zwischen dieser Melodie immer ein „Hohoho“ zu hören, konnte mir aber im Moment keinen Reim darauf machen. Silbern glänzte der Schnee im Licht des Mondes und weit von mir entfernt sah ich ein Reh auf der Lichtung, das mit seinen kleinen Hufen im Schnee scharrte und so versuchte, noch etwas Fressbares zu finden, während die Töne der wahrgenommenen Melodie immer näher kamen und lauter wurden und jetzt war tatsächlich Glockenklang auszumachen.

„Hohoho, Hohoho“ rief jemand aus der Ferne und als ich in die Richtung sah aus der die Klänge kamen da glaubte ich zwischen den Wolken etwas zu sehen, das sich hier in Richtung Waldlichtung bewegte. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht, da kam tatsächlich etwas auf die Waldlichtung zu denn es rückte immer näher.

„Oh Gott, ein Meteorit“ rief ich entsetzt „jetzt ist alles aus!“ Man hatte uns doch den Weltuntergang für dieses Jahr 2011 mehrfach prophezeit und jetzt war es bestimmt soweit. Ich dachte kurz nach und dann war ich beruhigt, denn Meteoriten riefen niemals „Hohoho“ und klingelten mit Glöckchen, somit kam da etwas anderes auf mich zu.

Richtig, jetzt konnte ich es klar und deutlich erkennen, es war ein Schlitten, vor den man Hirsche gespannt hatte, denn Pferde konnten es nicht sein, die trugen nämlich kein Geweih.

Immer näher kam der Schlitten und dann landete er auf der Waldlichtung, wobei er in eine Wolke von aufstiebendem Schnee gehüllt war. Vielleicht war es E.T., der da aus seiner fernen Welt wieder zu uns kam?

Als sich die Schneewolke wieder verzogen hatte, konnte ich erkennen, dass auf dem Schlitten nicht E.T. saß, sondern ein rot gekleideter Mann, der einen langen weißen Bart trug. Er schaute zu mir herüber und rief mich mit meinem Namen. „Hallo Wolfgang, komm rüber zu mir“. Sein Gesicht wurde genau vom Licht des Mondes angestrahlt und ich konnte erkennen, dass er mir freundlich zulächelte. Also fasste ich mir ein Herz und ging in Richtung Schlitten.

Jetzt konnte ich auch erkennen, dass diese Hirsche, welche den Schlitten zogen, Rentiere waren. Natürlich war ich neugierig geworden und deshalb fragte ich zuerst einmal: „Wer bist denn du und wo kommst du her?“

„Hohoho, du kennst mich nicht? Eigentlich kennt mich jedes Kind! Ich bin Santa Claus und bringe den Kindern die Weihnachtsgeschenke.“

„Ach ja, du bist der Weihnachtsmann. Entschuldige bitte, dass ich dich nicht gleich erkannt habe aber Santa Claus ist doch für die Kinder in den USA zuständig.“

„Ja, da hast du völlig recht und wir befinden uns hier auch mitten im Staat Michigan!“

Ich erschrak, denn ich wollte doch nach Bremen und jetzt war ich mitten im US-Staat Michigan. Hatte sich der Pilot verflogen und war in Amerika gelandet? Ich hatte es überhaupt nicht bemerkt, zumindest konnte ich mich nicht mehr daran erinnern.

Ich sagte zu Santa Claus: „Oh, in Michigan bin ich aber ich wollte doch nach Bremen. Jetzt kann ich meine Familie dieses Weihnachtsfest gar nicht sehen und das macht mich ziemlich traurig.“

„Sei nicht traurig, Weihnachten ist doch das Fest der Freude und so will ich dir einen Vorschlag machen, denn mein Gehilfe liegt mit einer fürchterlichen Erkältung im Bett und ich muss jetzt alle die vielen Geschenke ganz alleine ausliefern. Du könntest mir doch helfen und als Dank für deine Hilfe, fahre ich dich dann mit meinem Schlitten nach Bremen. Das geht ganz schnell, denn meine treuen Rentiere sind so schnell wie der Wind.“

„Oh ja, diesen Vorschlag nehme ich gerne an!“ und schon kletterte ich auf den Schlitten und ich saß noch nicht ganz richtig, als Santa Claus seine Rentiere mit einem lauten „Hohühohüh“ antrieb. Schon ging es los, denn Blitzen, Comet, Cupid, Dancer, Dasher, Donner, Prasher, Vixen, und nicht zu vergessen Rudolph mit seiner roten Nase, zogen an dem Schlitten, dass es nur so krachte und Santa Claus seine rote Mütze festhalten musste, da sie ihm sonst vom Kopf geflogen wäre.

Es war fast genauso wie auf dem Flughafen im spanischen Girona, als die Ryanair-Maschine abhob, steil ging es in die Luft. Schon kamen die ersten Häuser der einstmals reichen und stolzen Stadt Detroit in Sicht, die heute fast allen Glanz verloren hat und sich den ersten Platz in der Kriminalitätsstatistik der USA Jahr für Jahr erobert.

„Wir fangen mit der Geschenkverteilung bei den Ärmsten der Armen an und erst ganz am Schluss werden wir in die Viertel fahren, in denen auch heute noch ein paar wohlhabende Leute wohnen.“

Ich machte mich an die Arbeit und warf ein Geschenkpaket nach dem anderen in die Schornsteine der Häuser. Ja, du hast schon richtig gelesen, ich warf die Pakete in die Schornsteine, denn in den USA kommt der Weihnachtsmann durch den Schornstein, dies ist dort schon eine lange und uralte Tradition.

Überall konnte man den Jubel der Kinder hören und viele sangen „Rudolph the Red-Nosed-Reindeer..........“. Mir wurde es richtig warm ums Herz und es stimmt schon, wenn die Menschen behaupten, dass Weihnachten die schönste Zeit des Jahres ist. Eigentlich sollte diese Zeit nie enden, und wenn es nach mir ginge, dann könnte das ganze Jahr Weihnachten sein und Frieden auf Erden.

Immer schneller wurde der Schlitten, denn mit jedem Päckchen weniger wurde er leichter und wir flogen nur so dahin. Jetzt ging es in Richtung der Stadtviertel, in denen die wohlhabenden Bürger mit ihren Kindern lebten. Es war nicht schwer, zu erkennen, wo diese Wohnviertel lagen, denn fast vor jedem Haus leuchtete ein prächtig geschmückter Weihnachtsbaum und erhellte die Nacht als Zeichen dafür, dass Licht durch die Geburt von Jesus Christus in die Welt gekommen ist.

Auch hier warf ich die Geschenkpakete, die alle ziemlich groß waren in die Schornsteine, doch nur selten konnte ich hier die Freude der Kinder hören oder dass sie von Rudolph sangen. Wahrscheinlich war für sie alles selbstverständlich geworden und sie bekamen das ganze Jahr Geschenke und Süßigkeiten im Überfluss.
Nun ja, es ist nicht alles gerecht verteilt auf dieser Welt und auch Santa Claus kann daran nicht viel ändern, obwohl er sich darüber mächtig ärgert.

„Hohoho“ rief er wieder und meinte „Du bist aber ein guter Gehilfe, denn wir haben nur noch drei Päckchen im Schlitten. Man könnte meinen, du hättest das Handwerk richtig gelernt. Sobald wir diese drei Päckchen auch noch ausgeliefert haben, fliege ich dich nach Bremen und dann kannst auch du mit deiner Familie Weihnachten feiern.“

Es dauerte nicht lange und auch diese drei Päckchen hatten ihre Empfänger erreicht und schon ging es in Windeseile Richtung Bremen. Irgendwann verschwanden alle Lichter unter uns, denn wir befanden uns über dem Atlantik, dem großen Meer, welches Europa und Amerika voneinander trennt.

Die Glöckchen am Schlitten klingelten ab und zu im Fahrtwind oder besser gesagt im Flugwind. Plötzlich und unerwartet mischten sich unter diese sanften Glockentöne zwei fürchterliche Gongtöne und ich erschrak so heftig, dass ich aus dem Schlitten fiel und Santa Claus es nicht einmal bemerkte.

Er trieb noch immer seine Rentiere zu Höchstleistung an und ich hörte nur noch, wie sich sein „Hohoho“ immer weiter entfernte. So fiel ich immer weiter nach unten und hatte kaum noch Hoffnung, dass Santa Claus es noch rechtzeitig bemerken würde. Gerade als ich jede Hoffnung schon verloren hatte, kam das „Hohoho“ wieder näher und der Schlitten mit Santa Claus tauchte neben mir auf.

„Was machst denn du für Sachen?“ fragte er, packte mich an der Schulter und setzte mich auf den Sitz im Schlitten. Jetzt endlich konnte ich meine Augen, die ich die ganze Zeit während ich nach unten fiel, geschlossen hatte, wieder öffnen.
In dem Moment, als ich die Augen öffnete, war Santa Claus samt seinem Schlitten und den Rentieren verschwunden und ich blickte in das freundlich lächelnde Gesicht einer Flugbegleiterin, die mich sanft an der Schulter berührte und zu mir sagte: „Sie müssen sich wieder anschnallen mein Herr, denn wir beginnen mit dem Landeanflug auf Bremen. Noch 10 Minuten, dann sind wir dort.“

Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen, ich hatte alles nur geträumt, war nie im Schlitten von Santa Claus durch die Luft geflogen, sondern saß in meinem Sitz hier in der Ryanair-Maschine.

Aus dem Cockpit des Flugzeugs meldete sich der Flugkapitän und sagte: „Hier spricht Ihr Flugkapitän Samuel Claus und ich hoffe, dass Sie einen angenehmen Flug hatten. Ich würde mich freuen, Sie wieder an Bord begrüßen zu dürfen und wünsche Ihnen ein schönes und friedliches Weihnachtsfest.“

Jetzt wusste ich, warum ich von Santa Claus geträumt hatte, denn der Flugkapitän hatte sich schon zu Beginn des Fluges gemeldet, als ich bereits schlief und sich namentlich vorgestellt. Samuel Claus und Santa Claus klingt doch wirklich sehr ähnlich, und da ich es nur im Unterbewusstsein mitbekam und voll mit Gedanken an Weihnachten war, ließ mich das von Santa Claus träumen.

Rumpelnd setzte die Maschine auf der Landebahn auf und rollte auf ihre Parkposition zu. Schön, dass ich Weihnachten mit meiner Familie verbringen konnte. Santa Claus ist doch ein toller Mann – entschuldige bitte – ich meine natürlich Samuel Claus, den Flugkapitän!

Freundlich lächelnd verabschiedete ich mich vom Bordpersonal und stieg die Gangway hinunter, marschierte Richtung Flughafengebäude und durchquerte es mir schnellen Schritten. Kaum war ich aus dem Gebäude herausgetreten, da sah ich sie schon kommen – die Straßenbahn. Schnell löste ich mir am Automaten einen Fahrschein und stieg ein. Jetzt würde es keine 15 Minuten mehr dauern und ich konnte alle meine Lieben in meine Arme schließen und mit ihnen Weihnachten feiern.

Kurze Zeit später stieg ein Fahrkartenkontrolleur in die Bahn ein, kam irgendwann auch auf mich zu und bat mich um meinen Fahrschein. Gedankenverloren lächelte ich ihn an und er sagte nochmals, jetzt allerdings etwas energischer: „Ihren Fahrschein bitte!“

„Aber selbstverständlich gerne“ erwiderte ich und reichte ihm meinen Fahrschein, den er mir nach Überprüfung wieder zurück gab. „Geht es Ihnen gut?“ fragte er mich und ich antwortete ihm: „Ja, es geht mir sehr gut, es geht mir heute sogar so gut, wie es mir schon lange nicht mehr ging. Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest!“

„Danke, das wünsche ich Ihnen auch!“

Impressum

Texte: fotolia.de
Tag der Veröffentlichung: 09.12.2011

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