Vampirroman
Zlatan
Hinter regenschwangeren Wolken zeichnet sich das Purpur der Nacht ab und allmählich versinkt der rote Feuerball hinter dem Horizont. Er wirft sein verbliebenes Brennen auf den Ozean. Wie ein verklingendes Echo – der letzte Aufschrei einer sterbenden Sonne.
Ich betrachte die Lichter unter mir. Von hier aus sieht die Stadt friedlich aus. Würde ich die Menschen nicht kennen, hätte ich keinen Anlass, hinter den verschlossenen Türen Gewalt oder Wut zu vermuten. Hier oben bekomme ich nichts von all dem Hass mit, der den Menschen wie eine Seuche befallen hat – lange vor meiner Zeit. Nicht einmal der Schall der Schüsse der sich bekriegenden Straßenbanden dringt an mein Ohr. Dabei weiß ich genau, dass just in diesem Augenblick ein Mensch durch eine Kugel stirbt.
Es wundert mich nicht, dass wir allein gelassen wurden. Wenn die Götter doch nur weiter unten ihren Herrschersitz hätten, würden sie auch die Gebete der trauernden Mütter, schreienden Kinder und verzweifelten Väter hören. Sie hätten das Wehklagen einer jungen Frau vernommen, deren Leben in erstickender Dunkelheit versinkt.
Ihre Ohren aber sind taub, ihre Augen blind. Wahrscheinlich sind sie nur die Erfindung ohnmächtiger Menschen, die einem letzten Hoffnungsschimmer nachjagen, ehe die Finsternis sie wie eine wilde Bestie einholt. Ich habe aufgehört, einer höheren Macht zu vertrauen. Mit dem Glauben ist die Hoffnung geschwunden. Meine Gebete sind verstummt. In meiner Seele breitet sich die Finsternis unaufhaltsam aus. Das Licht am Ende des Tunnels ist wie die zarte Flamme einer Kerze im Wind erloschen.
Eine Windböe erfasst mich. Meine Arme umklammern rechtzeitig den eisernen Metallträger zu meiner Rechten. Adrenalin jagt durch meinen Körper und versetzt meinem Herzen einen Stoß. So darf es nicht passieren! Ich will den Zeitpunkt selbst bestimmen. Mein Blick gleitet hinauf. Der Träger stützt einen weiteren Eisenbalken über mir – unter mir unbeschreibliche Tiefe. Vorsichtig begebe ich mich in die Hocke und setze mich auf den kalten Querbalken.
Das unerwartete Vibrieren meines Handys lässt mich zusammenfahren. Vorsichtig ziehe ich es aus der Tasche meines Sweaters und werfe einen Blick auf das Display. Meine Mutter! Nein, sie ist die Letzte, mit der ich jetzt reden will. Meine gefühlskalte Mutter war überhaupt an allem hier schuld. Nicht ein einziges Mal hat sie mir wirklich zugehört oder mich in den Arm genommen. Wie es tief in meiner Psyche aussieht, interessiert sie nicht. Dass mich ihr neuer Freund mit seinen Augen auszieht, glaubt sie mir nicht. Sie glaubt mir nie.
Entschlossen stecke ich das vibrierende Ding wieder ein. Nach einer Weile verstummt es und überlässt mich meinem Schicksal – hier oben in schwindelnder Höhe. Nur das Rauschen des Windes, der sich erneut in dem Baugerüst und meinen Haaren verfängt, zieht durch die Stille. Ich lasse mich nicht drängen. Ich gehe, wann ich es will.
Die Böe löst sich und zieht weiter. Ich lasse den Träger los und schiebe meine kalten Hände in die Taschen des Sweaters. Nur ein kleiner Windstoß würde reichen, um mich in die Tiefe zu reißen.
Ein weiteres Mal vibriert mein Handy. Ich ahne, dass es wieder sie ist. Deshalb versuche ich, das Summen in meiner Hand zu ersticken.
»Willst du nicht rangehen?«, ertönt eine sanfte Stimme hinter mir.
Ich fahre zusammen und spüre, wie mein Herz mir vor Schreck aus der Brust springen will. Unwillkürlich drehe ich mich um und verliere beinahe den Halt. Während ich mich an dem Balken festklammere, halte ich nach dem Besitzer der Stimme Ausschau.
Der Anblick wirft mich gleich noch einmal aus der Bahn. Eine dunkle, tiefschwarze Mähne flattert im Wind. Ihr Besitzer fängt sie mit einer eleganten Handbewegung ein. Dahinter kommt das sanfteste Lächeln zum Vorschein, das mir je begegnet ist. Aber noch viel faszinierender sind seine ungewöhnlichen Augen. Sie schimmern in einem seltsamen Silber und verändern ihre Farbe, als er hinauf zum Nachthimmel blickt. Ein zartes Violett flutet die Iris im Schein des Mondes.
Ich vergesse meine Angst nutze den Augenblick, um ihn genauer zu betrachten. Seine Haut ist makellos. Die Nase perfekt geformt, nicht zu groß, nicht zu klein und die Lippen ... Ich frage mich, wo dieser Typ hergekommen ist. Er gehört in eine Disco oder einen Film, aber nicht mitten in der Nacht auf ein Baugerüst. Mir fällt sein kräftiger Kiefer auf. Seine Züge haben etwas von den alten Abbildungen griechischer Helden und Götter. Vielleicht gibt es sie doch und sie haben ihn geschickt, um mir zu zeigen, dass sie zuhören. Oder könnte er ein Bote sein, der mir mein Vorhaben ausreden will? Dafür ist es zu spät!
»Verschwinde wieder. Lass mich allein!«, zische ich ihn an.
Er rührt sich nicht, einzig sein rechtes Auge zuckt beim Klang meiner Worte. Ich ahne, dass er mich geflissentlich überhört.
Mein Blick ist starr nach vorne gerichtet. Vielleicht verschwindet er, wenn ich ihn nicht beachte.
»Was machst du hier oben?«, sprengt er die Stille.
»Geht dich nichts an«, erwidere ich ruppig und hoffe, dass er mich endlich in Ruhe lässt.
»Verstehe«, sagt er und neigt sich nach vorne. »Ist tief. Wenn du das wirklich durchziehen willst, dann hast du genau den richtigen Ort gewählt. Wenn du da unten ankommst, bist du Brei.«
Seine Worte gewinnen an Form, sie erzeugen grässliche Bilder in meinem Kopf. Vor meinem inneren Auge sehe ich mich auf dem Asphalt liegen – mein Kopf ist zertrümmert und die Gliedmaßen verrenkt. Alles beginnt sich plötzlich zu drehen, als säße ich in einem Karussell. Mir wird übel.
»So genau wollte ich das nicht wissen«, antworte ich und schlucke den bitteren Kloß hinunter, der sich in meinem Hals festgesetzt hat.
»Du hast recht. Wenn du erst mal unten aufgeschlagen bist, müssen sich andere mit deinen Resten beschäftigen.« Mit einem Satz hüpft er auf den Stahlträger, auf dem ich sitze.
Ich blicke hinauf zu ihm und traue meinen Augen nicht. Er steht mit weit ausgestreckten Armen neben mir und schreit in die Nacht hinaus. Unvermittelt balanciert er den Träger entlang und verliert das Gleichgewicht.
Ich erstarre.
Ich kenne ihn nicht, und dennoch könnte ich es nicht ertragen, ihn fallen zu sehen.
Mit den Armen rudernd erlangt er sein Gleichgewicht zurück, aber mir sitzt der Schreck in den Gliedern. Keine Frage – er ist aus demselben Grund hier wie ich.
»Ich bin Zlatan«, ruft er mir entgegen und überwindet einige Meter im Sprung. Er landet neben mir in der Hocke und streckt mir seine Hand entgegen.
Zögerlich ergreife ich sie und stelle mich ebenfalls vor. »Emma.«
»Freut mich, Emma«, erwidert er und setzt sich dicht neben mir auf den Träger.
Seine Füße baumeln locker, die Hände schiebt er in die Taschen seiner Collegejacke und schließt die Augen. Er neigt den Kopf nach hinten und atmet tief ein. Etwas an seinem Wesen fasziniert mich gleichermaßen, wie es mich abstößt.
Eine Weile sitzen wir einfach nur so da. Der Wind setzt wieder ein. Diesmal stärker und kälter. Ein Zittern jagt durch meinen Körper. Zlatan sieht mich mit seinem zarten Lächeln an und rückt näher. Seine ungewöhnlichen Augen mustern mich. Es fühlt sich an, als könnte er direkt in meine Seele sehen. Sein Blick ist mir unangenehm. Ich weiche ihm aus und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf das nächtliche Panorama. Meine Strähne wird von einer Brise erfasst und jagt wild über mein Gesicht. Wie spät ist es? Wann verschwindet er endlich wieder und lässt mich mein Ding durchziehen? Ich hole mein Handy aus der Tasche. Es entgleitet mir und fällt taumelnd in die Tiefe. Aus einem Reflex heraus greife ich erschrocken hinterher und dann geschieht es!
Ich falle.
Adrenalin jagt durch meinen Körper.
Im Bruchteil eines Augenblicks greift Zlatan nach mir. Er packt mein Handgelenk und zieht mich hinauf, als wäre ich federleicht. Ehe ich mich versehe, stehe ich mit zitternden Knien und bebendem Herzen vor ihm auf dem schmalen Träger. Wie automatisiert huscht mein Blick hinunter und startet das Karussell in meinem Kopf erneut. Wäre Zlatan nicht gewesen, dann läge ich jetzt dort unten. Diese Erkenntnis erschüttert mich, entfesselt einen Zweifel, der mir bislang verborgen war. Will ich das wirklich?
»Nein«, sagt er und packt meine Schultern. Dann sieht er mir erneut in die Augen. »Du bist nicht so weit. Noch nicht.«
Mit einer besiegelnden Ruhe wischt er mir eine Träne von der Wange.
Seine Worte zwirbeln sich in meinen Kopf und gelangen tief in mein Herz. Er hat recht. Heute ist kein guter Tag zum Sterben.
»Wir werden jetzt diese Todesfalle verlassen. Kannst du gehen?«, fragt er.
Beschämt weiche ich seinem Blick aus und antworte mit brüchiger Stimme: »Keine Ahnung. Meine Beine hören einfach nicht auf zu zittern.«
»Wie bist du überhaupt hier hochgekommen?«, will er wissen.
»Geklettert. Aber ich kann nicht wieder runter. Mir ist schwindlig«, gestehe ich und muss die Angst bekämpfen, erneut zu fallen.
Zlatan lässt mich los und dreht mir den Rücken zu. »Klammeraffe«, sagt er und reicht mir seine Hände über die Schultern.
Mein träges Denken erfordert eine gewisse Zeit, bis ich verstehe, was er meint. Er wartet geduldig, bis ich seiner Aufforderung folge. Mit aller Macht hindere ich mich an dem Drang, hinunterzusehen. Er zieht mich auf seinen Rücken und ich verliere den Balken unter meinen Füßen. Mit vor seiner Kehle verschränkten Fingern versuche ich mich vor dem Sturz zu bewahren. Trotz der Kälte, die ich schlagartig wieder wahrnehme, schwitzen meine Hände und drohen den Halt zu verlieren. Zlatans Finger gleiten an meinen Oberschenkeln hinab und kommen in meiner Kniekehle zum Stehen. Mit einem beherzten Ruck zieht er meine Knie hinauf auf seine Hüften und verkeilt meine Füße vor seinem Bauch.
»Festhalten«, sagt er.
Wie ein nasser Sack hänge ich nun auf dem Rücken eines mir völlig Fremden und mache mir vor Angst fast in die Hosen. Oberpeinlich! Ich frage mich, ob er das für jedes Mädchen tun würde, und lege mein Gesicht auf seinen Rücken.
»Bereit?«, will er wissen und dreht seinen Kopf so weit wie möglich zu mir nach hinten.
»Ja!«, lüge ich, denn ich bin alles andere als das. Wer wäre schon bereit, auf dem Rücken eines Mannes das höchste Baugerüst Amerikas hinabzusteigen.
»Nicht loslassen«, erwidert er und setzt zum Sprung an. Zum Sprung? Heilige Scheiße! Er wird doch nicht mit mir gemeinsam in den Tod springen?
Noch bevor ich meine Gedanken ordnen kann, landen wir mit einem Ruck auf einem Metallträger. Vorsichtig öffne ich die Lider und sehe mich um. Hier bin ich vorhin gewesen, daran erinnere ich mich. Doch als ich hinaufsehe, traue ich meinen Augen nicht. Wir haben mindestens fünfzig Meter mit einem Sprung überwunden.
»Noch mal?«, fragt er und wartet meine Antwort nicht ab, sondern setzt erneut zum Sprung an.
Diesmal lasse ich meine Augen offen. Er springt hinunter und ich sehe das Gerüst an uns vorbeiziehen. Der Wind saust durch mein Haar und fährt in meinen Jackenkragen. Aus einem mir unerklärlichen Grund bröckelt meine Angst und ich beginne, Gefallen an der Situation zu finden. Mich erfüllt eine ungewohnte Leichtigkeit. Ganz so, als hätte ich die Dunkelheit in der Höhe zurückgelassen, die so schwer auf meiner Seele lastete. Mit jeder Faser meines Körpers lasse ich mich auf den winzigen Moment der absoluten Schwerelosigkeit ein.
Er springt.
Ich fliege.
Diesmal landen wir mit einem heftigen Ruck auf dem staubigen Grund. Ich lasse los und taumle zurück, falle in den Staub und kann einen Husten nicht unterdrücken. Seine Hand schnellt aus der aufgewirbelten Staubwolke hervor. Ich ergreife sie und werde mit einem Ruck auf meine Füße gezogen.
»Wow! Was war das?«, will ich wissen.
Er schenkt mir ein freches Grinsen. »Ich habe dich eben vor einer klitzekleinen Dummheit bewahrt.« Er nimmt meine Hand und klettert durch einen schmalen Spalt im Zaun.
Ich folge ihm und blicke ein letztes Mal hinauf, um mich zu vergewissern, dass ich tatsächlich auf einem der obersten Balken gesessen habe. Es ist mir unbegreiflich, wie er diese Strecke mit wenigen Sprüngen hinter sich lassen konnte.
»Das ist unmenschlich«, rutscht es mir heraus.
Das hätte ich nicht sagen sollen. Zlatan neigt den Kopf ein wenig zur Seite. Zwischen seinen Brauen bildet sich eine Kerbe und er sieht mich nachdenklich an.
»Wie hast du das gemacht?«, bohre ich weiter.
»Ein einfaches Danke hätte gereicht«, erwidert er und läuft los.
Will er sich etwa aus dem Staub machen? »Warte, wo willst du hin?«
Abrupt bleibt er stehen und dreht sich langsam auf dem Absatz zu mir um. »Sind wir jetzt verheiratet?«, fragt er mit einem gehörigen Schuss Sarkasmus in der Stimme, während seine rechte Augenbraue in die Höhe schnellt.
Das war direkt. Betreten senke ich meinen Blick und hoffe, nicht rot anzulaufen.
Er nähert sich mir, hebt mein Kinn mit dem Zeigefinger an und verliert sich in meinen Augen. »Ich weiß nicht, ob ich dich mitnehmen kann. Du gehörst bestimmt jemandem«, sagt er mit einem Schmunzeln und lässt mich erneut stehen.
»Was? Ich gehöre niemandem! Hallo? Warte doch mal!« Ich hole rasch zu ihm auf und bemühe mich, mit seinem schnellen Schritt mitzuhalten. »Zlatan, bleib doch mal stehen!«
»Hast du Lust auf `ne Party?«, fragt er überraschend und lässt mich weiterhin hinter sich herlaufen.
Mit einem Schulterzucken antworte ich: »Von mir aus. Alles ist besser als mein beschissenes Leben.«
Ohne mich vorzuwarnen, schnappt er nach meinem Arm und schwingt mich auf seinen Rücken. Ehe ich registriere, dass er mich huckepack genommen hat, rennt er los. Er ist verdammt schnell. Ich sehe die Lichter der Stadt an uns vorbeizischen. Schließlich wird er langsamer und setzt mich wieder ab. Meine Knie fühlen sich an wie Wackelpudding. Berauscht von der Geschwindigkeit taumle ich ihm hinterher.
Wir halten vor einer Technodisco. Er wendet sich mir zu und sieht mich fragend an. Techno ist zwar überhaupt nicht meine Richtung, aber ich würde im Moment alles tun, um meinem Leben zu entfliehen.
»Bist du sicher, dass du mit rein willst?«, fragt er und zupft an meinem Sweater herum.
Ohne zu antworten, setze ich mich in Bewegung. Ich will an ihm vorbeigehen, aber er packt fest meinen Arm und zieht mich zurück. Ich bin verwirrt. Erst will er, dass ich da reingehe, dann wieder nicht. Was soll ich von ihm halten? Wenn er in allem so ambivalent ist, dann sollte ich lieber nicht bei ihm sein. Doch dieser Gedanke verpufft in dem Augenblick, als er meine Hand nimmt. Ich spüre, dass er es ehrlich mit mir meint.
Zlatan drückt die neongrüne Tür auf und sagt in ernstem Ton: »Egal, was da drinnen passiert – egal, wen oder was du siehst, du bleibst dicht bei mir. Wenn sich jemand für dich interessiert, dann gehörst du mir. Kapiert? Sonst kann ich für nichts garantieren.«
Ich gehöre niemandem! Aber für den Moment tue ich so, als wäre das in Ordnung. »Okay. Dann gehöre ich dir.« Warum ist er plötzlich so besorgt? Was sollte mir denn schon in einer Disco passieren?
Als wir den Schuppen betreten, schlägt uns eine Mischung aus schnellem Beat und Alkoholdünsten entgegen. Die Lautstärke flutet meinen Kopf und der Rhythmus versetzt mich in eine Art Trance. Zlatan läuft geradeaus durch die tanzende Menschenmenge und zieht mich hinter sich her. An einer unscheinbaren Tür bleibt er stehen. Er klopft drei Mal lang und zwei Mal kurz, wartet einen Moment und klopft vier Mal kurz hintereinander. Die Tür wird von innen geöffnet und ein Typ mit gelben Kontaktlinsen starrt mich gierig an. Ich verstecke mich hinter Zlatan und warte, dass er uns einlässt. Aber der Kerl stellt sich breitbeinig mit vor der Brust verschränkten Armen vor meinen Beschützer und lässt uns nicht durch.
»Was soll das, Janek?«, raunt Zlatan ihn an.
»Wie lautet das Zauberwort?«, erwidert der Gelbäugige mit einem gehässigen Grinsen.
Zlatan wirkt gelangweilt, er plustert seine Wangen und entlässt die Luft aus ihnen nur ganz langsam. »Hämoglobin«, sagt er schließlich und legt seine Hand auf die Schulter des Türstehers. »Und jetzt lass uns rein!«
Der seltsame Typ gibt den Weg frei und lässt uns endlich eintreten.
Als die Tür hinter uns wieder zugeht, ist nichts von dem Trubel der Disco zu hören. Die Musik in diesem Bereich ist dezenter. Sie gefällt mir, denn in ihr liegt etwas endgültig Verlorenes – etwas Melancholisches. Ich frage mich, welche Musikrichtung das wohl ist. Es könnte eine Mischung aus Gothic und Elektro sein, doch die engelsgleiche Singstimme sprengt meine Überlegungen und ich lasse mich von den Klängen tragen. In dem langen Flur, den wir durchqueren, treffen wir auf ineinander vertiefte Pärchen.
Ein Typ mit stoppeligen, platinblonden Haaren hält seine brünette Errungenschaft fest im Arm und hat sie offensichtlich in einen Rausch geküsst. Vielleicht ist sie auch nur mit Drogen vollgepumpt. Die Arme der Frau baumeln herunter, während er sich an ihrem Hals zu schaffen macht. Seine Lider schnellen auf, als hätte er meinen Blick gefühlt, und seine Augen starren mich durch rote Kontaktlinsen an. Sofort sehe ich nach unten. Ein unangenehmes Gefühl des Ertapptseins setzt ein und ich klammere mich an Zlatans Arm.
»Auf Kuschelkurs?«, fragt mein Beschützer und blickt zu mir herunter.
Er ist einen guten Kopf größer als ich. Seine maskuline Art vermittelt mir ein Gefühl der Sicherheit.
»Ist das hier eine Kostümparty?«, werfe ich ein und ernte ein kurzes Lachen.
»Wie kommst du denn darauf?«
»Die Typen hier haben alle Kontaktlinsen und sind auf die eine oder andere Weise schräg, so als würden sie irgendeine Rolle spielen«, erwidere ich und blicke an meiner Kleidung hinab. »Ich glaube, ich passe hier nicht so gut rein.«
»Blödsinn. Da drinnen laufen auch Normalos rum. Da fällst du gar nicht auf, und wenn doch, dann gehörst du mir«, antwortet er und bleibt stehen.
Wir haben das Ende des Flurs erreicht und stehen vor einem samtenen Vorhang. Seine letzten Worte hallen wie ein Echo durch meinen Kopf. Hat er gerade schon wieder gesagt, ich würde ihm gehören?
Ein Kerl tritt hinter dem schweren Stoff hervor und wirft Zlatan einen Gruß mit dem Kopf zu. »Hey Zlatan, ist das deine?«
Zlatan sieht mich kurz an, beißt sich auf die Unterlippe und nickt.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht läuft der Typ an uns vorbei und gibt den Durchgang hinter dem Vorhang frei.
Mein Begleiter fesselt mich mit seinen violetten Augen. Ich kann meinen Blick einfach nicht abwenden, erst recht nicht, als seine Lippen sich meinen nähern. Will mich dieser unglaublich gut aussehende Typ etwa küssen? Mein Herz trommelt so stark gegen die Brust, dass es schmerzt. Meine weichen Knie drohen nachzugeben. Genau so wie auf dem Gerüst, aber jetzt ist es nicht die Angst vor dem freien Fall, es ist die Erwartung einer zarten Berührung, die mich in Panik versetzt.
»Nicht vergessen, du gehörst mir«, haucht er und atmet tief durch die Nase ein. Ihm scheint zu gefallen, was er riecht, denn er schließt die Augen und wirft den Kopf nach hinten, dann atmet er ein weiteres Mal ein, diesmal noch tiefer.
Hinter dem Vorhang tritt erneut jemand hervor, diesmal drängelt sich eine Blondine dicht an mir vorbei, obwohl hinter uns genügend Platz ist. Ich vermeide den Blickkontakt zu ihr und erfasse die schwarze Spitze ihres geschnürten Kleids. Sie kommt immer näher und fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Macht sie mich etwa gerade an? Sie ist mir unheimlich, deshalb neige ich meinen Kopf nach hinten, um ihrer Nähe zu entkommen. Trotzdem bedrängt sie mich immer weiter. Erst, als sie ihren Mund leicht öffnet und nach meinem Hals sucht, geht Zlatan dazwischen. »Amelia! Schluss jetzt! Such dir dein eigenes Dessert!«
Dessert? Das bin ich also für ihn. Ein Nachtisch nach dem Hauptgang. Darauf habe ich keine Lust und überlege, wieder zu gehen, aber Zlatan hält meine Hand immer noch fest und zieht mich hinter den roten Vorhang.
Bei dem Anblick dessen, was meine Augen zu überblicken versuchen, erstarre ich. Er hat mich in einen Swingerklub verschleppt! Einen, der in einer längst vergangenen Epoche hängen geblieben ist. Von der hohen Decke hängt ein gewaltiger Kronleuchter und flutet den Saal mit seinem warmen Licht, das sich in den unzähligen Kristallen bricht, die an ihm hinunterbaumeln. Sie funkeln wie kleine Sonnen und es fällt mir schwer, meinen Blick von ihnen zu lösen. Große rote Polstermöbel, in goldene Verzierungen gefasst, stehen in kleinen Gruppen, und auf ihnen tummeln sich Paare. Ich fühle mich hier fehl am Platz. Die Kellnerinnen tragen knappe Korsetts und Strapse. Hier will ich nicht sein. Das ist nicht meine Welt.
»Scheiße, das ist ein Swingerklub!«, bemerke ich und will mich an Zlatan vorbeidrängeln, um diesen verruchten Ort zu verlassen, aber er packt meinen Oberarm so fest, dass der Druck einen Schmerz in meine Schulter jagt.
»Weit gefehlt!«
»Zlatan, lass mich los. Ich hab in solchen Klubs nichts verloren. Verdammt, ich bin sechzehn!«, versuche ich zu erklären und hoffe auf seinen gesunden Menschenverstand. Er kneift die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und zerrt mich die Treppe zu meinen Füßen hinunter.
»Du gehst, wenn ich das anordne«, sagt er mürrisch.
Ein Gemisch aus Verzweiflung, Reue und Angst hat sich in einem dicken Kloß in meinem Hals festgesetzt. Ich schlucke.
»Kommst du klar, wenn ich dir sage, dass es kein Swinger ist?«, fragt er mit harter Stimme und schubst mich auf ein rotes Liegesofa.
Wird er sich an mir vergehen? Angst schnürt mir die Kehle zu. Erst jetzt begreife ich, dass ich etwas sehr Dummes getan habe. Wie konnte ich nur mit einem wildfremden Kerl mitgehen?
Eine der leicht bekleideten Kellnerin tritt an uns heran, stellt ein bauchiges Glas Rotwein und eine Cola auf einem winzigen Tischchen ab und geht wieder. Zlatan hebt das Weinglas gegen das Licht und nippt daran. Ich blicke mich um. Hinter mir sind zwei Kerle mit einem Mädchen beschäftigt, das allem Anschein nach unter irgendwelchen Drogen steht. Neben uns das gleiche Bild, nur dass sie zu dritt sind und eine Frau in einem Rüschenkleid ihre Unterröcke rafft, um sich breitbeinig auf den offenkundig betäubten Mann zu setzen. Sie neigt ihren Kopf zu seinem Hals und zieht seinen Geruch tief ein. Wo zum Teufel bin ich bloß gelandet?
Ich beschließe, keinen Schluck von der Cola zu trinken. Vermutlich ist sie mit irgendeiner fiesen Droge versetzt.
Die Musik verstummt ohne Überleitung und ein Gong ertönt, der mich zusammenfahren lässt. Sofort horchen die Leute in ihren barocken Kleidern auf und blicken sich um. Die Frau neben uns mustert mich mit gierig blitzenden Augen und öffnet ihren Mund leicht. Etwas stimmt nicht. Das Weiß ihrer Zähne blitzt auf und ich sehe, wie sich ihre Eckzähne verlängern. Sie versenkt ihr Gebiss in dem Hals des Mannes, der noch immer wie ein totes Stück Fleisch unter ihr liegt. Ich erstarre. Ein Blutstropfen rinnt unter ihrem Mund heraus und sammelt sich in der Kuhle zwischen Hals und Schulter des Opfers. Das sind Vampire! Ich bin in einer verdammten Vampirhöhle gelandet!
Mein Herz trommelt wie verrückt. Hier werde ich nicht wieder lebend rauskommen. Schlimmer noch: Ich werde als Vampirfutter enden!
Nur mit Mühe gelingt es mir, meine Augen von ihr abzuwenden. Ich sehe Zlatan an, der tief in seinem Cocktailsessel sitzt und noch immer an dem Wein nippt. Sein Blick verliert sich in Leere, bis er zu mir herübersieht. Ich will schreien, aber meine Kehle hält den Schrei fest. Ich will aufstehen und wegrennen, aber mein Körper gehorcht mir nicht. Das ist der Moment, in dem ich sterben werde, der Moment, den ich vor einigen Stunden mit offenen Armen empfangen hätte. Ein süßlicher Geruch vermengt sich mit dem von Rost.
Blut.
Ich kann es riechen, der Geruch wabert wie eine verheißungsvolle Ahnung um mich herum. Die Gewissheit, dass mein Blut auch gleich in einer Wolke den Raum erfüllen wird, zerreißt mich. Was habe ich nur getan?
Aus dem Augenwinkel vernehme ich eine Bewegung. Mit aller Macht kämpfe ich gegen meine Starre an und drehe den Kopf nach links. Ich entdecke einen Kerl mit zerzaustem Haar und Klamotten, die er anscheinend Mozart persönlich gestohlen hat. Gierig grinsend taumelt er auf mich zu, duckt sich und breitet die Arme aus, als wolle er ein Tier einfangen.
Ich kann mich nicht bewegen, nicht atmen. Jetzt werde ich sterben. Ich schließe meine Augen und hoffe, dass es schnell geht – dass die Schmerzen mein Bewusstsein benebeln.
Ein bedrohliches Knurren entspringt Zlatans Kehle – er faucht: »Sie gehört mir!«
Der aufblitzende Gedanke daran, die Augen zu öffnen verpufft im selben Moment seiner Entstehung, denn dem Tod werde ich hier nicht entkommen. Wenn der Kerl es nicht tut, dann wird sich Zlatan über mein Blut hermachen.
Ein weiteres Fauchen zischt an meinem Ohr vorbei und meine Lider springen auf, ohne dass ich es verhindern kann. Dicht vor meinem Gesicht starren sich Zlatan und der Kerl an, während beide ihre Reißzähne zeigen. Es ist ein stiller Kampf, den sie mit ihren starren Blicken ausführen. Schließlich entspannt sich der Kerl mit dem Barockanzug und zieht wieder ab.
»Verflucht! Komm, wir verschwinden hier«, höre ich Zlatan sagen, aber ich glaube nicht, was ich höre. Warum sollte er denn diesen Ort verlassen wollen, und das mit mir?
Er wartet keine Antwort ab, er wartet auch nicht darauf, dass sich meine Starre löst, sondern zerrt meinen steifen Körper nach vorne und hievt mich über seine Schulter. Die marmornen Bodenplatten, die an mir vorbeiziehen, sind mit Blut besprenkelt. Zlatan trägt mich an einem Kind vorbei, das die roten Flecken vom Fußboden lutscht. Seine funkelnden schwarzen Augen versehen mich mit einem gierigen Blick, dann widmet es sich wieder dem Boden. Das Blut rauscht in meinem Kopf und ein Karussell beginnt, sich zu drehen. Alles verschwimmt und ich gleite in die Leichtigkeit der Ohnmacht hinein, lasse mich von ihr tragen und ertrinke im Nichts.
Mein brummender Kopf ist das Erste, das ich wahrnehme, als ich langsam wieder zu mir komme. Bilder schwirren vor meinem inneren Auge umher. Bilder, die ich mir nicht erklären kann. Vampire gibt es nicht, hallt es durch mein Bewusstsein, aber ich habe sie gesehen, das weiß ich genau. Ich erinnere mich an den Kerl mit der Mozartjacke und auch an die Frau, die dem armen Mann das Blut aus dem Körper ausgesaugt hat.
Vorsichtig setze ich mich auf und reibe mir die Schläfen.
»Na endlich! Ich dachte, du würdest nie mehr aufwachen«, ertönt Zlatans Stimme neben mir.
Erschrocken weiche ich zurück und drücke meinen Rücken an die Wand hinter mir. Die Erlebnisse vor meiner Ohnmacht fallen wie kaltes Wasser über mich und ich muss mich erst einmal sammeln, ehe ich etwas sagen kann.
»Hör zu, es tut mir leid. Ich habe einen gewaltigen Fehler gemacht. Dabei wollte ich nur einen berauschenden Abgang haben. Ist nichts gegen dich persönlich«, fährt er fort und wirft Fragen in mir auf, doch mir fehlen immer noch die Worte, um sie zu stellen. »Ich hätte dich da nicht mit hinnehmen dürfen. Verzeih mir, wenn du kannst«, sagt er mit gesenktem Blick.
»Wie meinst du das? Was für einen Abgang?«, frage ich mit brechender Stimme.
»Du hast gesehen, was ich bin, und das bin ich schon seit vierhundert Jahren. Vielleicht wirst du verstehen, dass ich es leid bin – dieses Leben. Du wirst es verstehen, denn dir geht es nach sechzehn Jahren bereits so. Ich wollte ein letztes Mal den Rausch von warmem Blut spüren und dann nach so langer Zeit den Sonnenaufgang sehen.«
Meint er das ernst? Wenn ich nicht komplett verrückt geworden bin, dann sitze ich mit einem Wesen hier, das es nicht geben dürfte. Und doch redet dieser Kerl mit mir, als wäre er ein ganz normaler Mensch. Was zum Teufel erwartet er? Soll ich so tun, als wäre ich nicht wenigstens überrascht, einem Vampir gegenüberzustehen? Außerdem jammert er auf ganz hohem Niveau. »Bei mir ist es was anderes. Du hast Möglichkeiten, die ich nicht habe, wenn du wirklich das bist, wofür ich dich halte«, erwidere ich.
»Pah«, macht Zlatan und sieht mich mit seinen violetten Augen eindringlich an. »Was denkst du denn, was ich bin?«
Nein, diesen Gefallen werde ich ihm nicht tun. Was, wenn ich mich irre? Was, wenn meine Fantasie mit mir durchgegangen ist. Er würde mich auslachen.
Deshalb weiche ich aus: »Das ist nicht wichtig.«
»Für mich ist es wichtig. Sag es!« Sein Ton wird drängender und ich fasse meinen Mut zusammen, um dieses eine Wort zu sagen, das bereits so lächerlich klingt, wenn ich es nur denke.
»Ein Vampir?«, flüstere ich.
Wider Erwarten lacht er nicht. Sein Gesicht ist wie versteinert, als er stattdessen nickt. »Ein verdammt einsamer Vampir, seit dreihundert Jahren alleine. Das geht mir so auf den Sack, dass ich nicht mehr will.«
»Du könntest«, beginne ich und überlege kurz, ob ich das wirklich sagen will, doch die Worte verselbstständigen sich und ich kann nicht verhindern, meinen Gedanken laut auszusprechen. »Mich verwandeln. Dann wären wir beide nicht mehr einsam.«
Zum wiederholten Mal sieht er mich eindringlich an. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln huscht über das blasse Gesicht. »Ein verlockendes Angebot«, gesteht er. »Aber ich bin zu müde.«
Eine Weile sagt niemand von uns etwas. Ich sehe mich um und erkenne meine Umgebung. Hier sind wir uns begegnet, nur sehr viel weiter oben. Wir sitzen beide mit angezogenen Knien auf dem staubigen Grund, als wären wir alte Freunde, die sich überlegen, wie sie ihre Langeweile bekämpfen könnten.
»Vor dreihundert Jahren habe ich mich in eine Sterbliche verliebt«, sprengt er die Stille zwischen uns. »Ich wollte ihr die Unsterblichkeit zum Geschenk machen, aber sie lehnte ab.« Er zieht an dem schwarzen Lederbändchen, das um seinen Hals liegt. Eine kleine gläserne Phiole kommt zum Vorschein, die er zwischen Zeigefinger und Daumen hält und deren Inhalt im Mondlicht betrachtet. »Hier drinnen befindet sich die Ewigkeit, mein Gift. Damals dachte ich, dass irgendwann der Moment kommen würde, in dem sie ihre Entscheidung ändert, aber ich habe mich geirrt. Selbst auf dem Sterbebett wollte sie es nicht und gab es mir zurück. Seitdem trage ich es um meinen Hals. Ich weiß, dass sie auf mich wartet, irgendwo an einem besseren Ort. Ich bin mir sicher. Ich habe keine Angst vor dem ewigen Tod, aber vor dem Weg dorthin. Wenn du mich begleiten könntest, dann würde ich dich mit der Ewigkeit belohnen«, sagt er und hebt das Bändchen über seinen Kopf, um es mir zu reichen.
Sprachlos nehme ich die Phiole entgegen und betrachte die klare Flüssigkeit in ihr. Genau wie seine Augen schimmert sie in einem leichten Violett.
»Solltest du wirklich den Wunsch verspüren, eine von uns zu werden, dann muss mein Gift in deinen Blutkreislauf geraten. Aber, ich muss dich warnen, denn ein Jungvampir, der ohne seinen Erschaffer auftaucht, wird nicht gerne gesehen. Er ist zu gefährlich für uns – zu unerfahren«, sagt er und legt eine kurze Pause ein, dann fährt er fort. »Also solltest du es tatsächlich tun, dann wirst du es nicht leicht haben, vielleicht wirst du es nicht überleben. Erzähle niemandem davon, die Menschen sind gierig. Wenn jemand wüsste, dass du den Schlüssel zu ewigem Leben hast, würde man dich dafür töten.«
Ich bin verwirrt. Warum bleibt er nicht und verwandelt mich einfach so, wie man es aus den Filmen kennt?
»Warum beißt du mich nicht einfach?«, will ich von ihm wissen.
»Weil du dann die Sonne nicht verträgst und mich nicht auf meinem letzten Weg begleiten kannst, dann wäre unsere Abmachung hinfällig. Außerdem konnte ich es schon nicht im Klub, was sollte jetzt anders sein?« Er sieht mir so tief in die Augen, dass ich das Gefühl habe, er würde in meiner Seele versinken.
»Warum? Bin ich nicht genauso gut wie jeder andere?«, frage ich etwas beleidigt, denn ich erinnere mich an den Moment, als er an mir gerochen hatte. Habe ich mich geirrt, als ich dachte, es hätte ihm gefallen?
»Nein, das bist du nicht. Dein Blut könnte meinen Entschluss ins Wanken bringen. Du wärst ein verdammt besonderer Vampir«, sagt er und schiebt seine Hand an meiner Wange hinauf.
Die Berührung jagt einen angenehmen Schauer über meinen Körper und das Verlangen nach mehr macht sich in mir bemerkbar. Scheinbar hat er das bemerkt und zieht seine Hand wieder zurück. »Wenn es vorbei ist, wird eine Menge Asche von mir übrig bleiben. Es wäre nett, wenn du sie nicht hier liegen lassen würdest«, sagt er und steht auf.
»Es wird Zeit. Hilfst du mir?«, fragt er und reicht mir seine Hand.
Ich ergreife sie und lasse mir von ihm aufhelfen.
»Komm, wir gehen hinauf auf die Plattform. Dort haben wir eine bessere Sicht«, erklärt Zlatan und schwingt meinen Körper auf seinen Rücken.
Langsam könnte ich mich daran gewöhnen. Ich schiebe meinen Arm unter seinem hindurch und verschränke die Finger vor seiner Brust. Mit einem Satz springt er an das Gerüst und klettert so schnell hinauf, dass ich die Metallträger nicht erfassen kann. Sie ziehen als grauer Schleier an mir vorbei. Wenige Augenblicke später befinden wir uns auf halber Höhe. Hier ist eine Betonplatte der Ruine erhalten geblieben. Behutsam setzt er mich ab, zieht seine Jacke aus und setzt sich auf den Stoff.
»Damit du meine Reste nicht erst zusammenfegen musst«, meint er und nimmt meine Hand.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was geschehen soll. Wird er tatsächlich zu Staub zerfallen? Diese unheilvolle Vorstellung erschüttert mich.
Ich setze mich dazu und betrachte ihn. Erwartungsvoll sieht er in die Richtung, in der die Sonne jeden Moment aufgehen wird.
Mit kräftigen Rottönen kündigt sich der Morgen am Horizont an und durchbricht die schwindende Nacht. Zlatan drückt meine Hand. In diesem Augenblick kocht eine seltsame Gefühlsmischung in mir auf. Einerseits tut er mir leid, denn er weiß genau, dass er jeden Moment aus dieser Welt gehen wird – aber andererseits sieht er so entspannt und zufrieden aus, dass ich mich ein wenig für ihn freue. Obwohl ich ihn erst wenige Stunden kenne, fühle ich mich, als würde ein guter Freund den nahenden Tod erwarten. Tränen drängen in meine Augen und rinnen die Wangen hinunter. Ich kann sie nicht bremsen. Zlatan bemerkt sie nicht, sein Blick haftet an dem zauberhaften Schauspiel der aufgehenden Sonne, deren erste Strahlen den Horizont durchbrechen.
»Ich danke dir«, wispert er, atmet tief ein und schließt die Augen.
Der Geruch von verbrennendem Fleisch umgibt ihn, auf seiner Stirn entstehen Bläschen und werden schwarz wie Ruß. Bald darauf ist sein ganzes Gesicht verbrannt. Qualm steigt aus seinem Shirt und nimmt mir die Sicht. Ein leises, gequältes Stöhnen arbeitet sich aus den Tiefen seiner Kehle und entwickelt sich rasch zu einem Schrei. Seine Hand wird immer heißer, aber ich lasse sie nicht los, ich will ihn nicht alleine lassen. Es fühlt sich an, als würde ich auf eine heiße Herdplatte fassen, doch ich unterdrücke den Schmerz, atme ihn aus, bis Zlatan selbst loslässt und schließlich verstummt. Der Vampir neben mir bricht in sich zusammen und alles, was von diesem gut aussehenden Typen übrig bleibt, ist ein Haufen dampfende, knisternde Asche. Eine Böe erfasst Zlatans Reste und trägt einen Teil hinaus in den wiedergeborenen Morgen.
Die übrig gebliebene Asche wickle ich in seine Jacke und nehme das Bündel an mich, um sie an einem wunderschönen Ort der Natur zurückzugeben. In meiner Hand spüre ich die gläserne Phiole und fahre mit dem Daumen an ihr entlang. Zlatans Vermächtnis an mich – ein Mädchen, dessen Leben nun eine andere Richtung einschlagen wird.
Das Violett des einkehrenden Tages bricht hinter den regenschwangeren Wolken hervor. Der gelbe Feuerball steigt ungebremst über den Horizont und wirft ein heißes Brennen auf die Stadt. Wie der erste Schrei eines Säuglings, den das Leben mit offenen Armen empfängt.
Von hier aus sieht die Stadt so friedlich aus. Würde ich die Menschen nicht kennen, hätte ich keinen Anlass, hinter den verschlossenen Türen Gewalt oder Wut zu vermuten. Hier bekomme ich nichts von Angst oder Verzweiflung mit. Ja – nicht einmal die Schreie der sterbenden Opfer, an denen sich hungrige Vampire nähren, sind hier oben auch nur zu erahnen. Wenn die Götter nur weiter unten ihren Herrschersitz hätten, dann würden sie auch die Gebete der Verfluchten hören. Und sie hätten das Flehen eines Vampirs vernommen, dessen Dasein in Einsamkeit ertrunken ist. Aber sie hören nicht, sie sehen nicht. Sie sind nur die Erfindung verzweifelter Menschen, die einem letzten Hoffnungsschimmer nachjagen, ehe die Finsternis sie wie eine wilde Bestie einholt und in Stücke reißt.
Ich aber glaube – nicht an Götter.
Ich glaube an etwas, das viel mächtiger ist als jeder Gott. Ich glaube an das Schicksal. Meine Gebete wurden erhört und ein Vampir mit einem liebenden Herzen schenkte mir die Hoffnung, meinem traurigen Leben zu entrinnen. Die zarte Flamme meiner Kerze hat den Kampf gegen den Wind gewonnen. Zumindest für den Moment.
Betäubt
»Dann entlasse ich Sie hiermit in die Sommerferien, bleiben Sie sauber«, verabschiedet sich Mr. Jackson und schiebt seine Unterlagen in die abgegriffene Ledertasche. Erstaunlich, wie schnell sich der Klassenraum leert. Ich packe meine Zeugnismappe ein und lasse mir Zeit, um nicht in den Strom der Schüler zu geraten.
»Emma, Sie sind ja noch da«, ertönt Mr. Jacksons Stimme.
So ein Mist. Kann ich nicht einfach unsichtbar sein? Mit dem Gefühl des Ertapptseins schweige ich und ziehe den Reißverschluss meiner Tasche zu. Auf ein letztes Gespräch in diesem Schuljahr mit meinem Lehrer bin ich nicht scharf. Vielleicht verliert er das Interesse, wenn ich so tue, als hätte ich ihn gar nicht gehört. Rasch nehme ich meine Tasche vom Tisch und begebe mich zielstrebig zur Tür.
Leider scheint er genau in diesem Augenblick dieselbe Idee zu verfolgen. Wahrscheinlich hat er sogar die Zeit genau berechnet, die er brauchen würde, um direkt vor der Tür auf mich zu treffen.
Ich wage einen schnellen Blick und sehe, dass er mich im Visier hat wie ein Jäger sein Beutetier. »Emma, mir ist klar, dass Sie den Tod Ihres Vaters noch nicht überwunden haben. Das ist vollkommen verständlich.«
Und getroffen! Warum reiten alle immer auf der Vergangenheit herum? Löst mein Anblick etwa Mitleid bei den Menschen aus, das sie mit pseudoklugen Sprüchen zu kompensieren versuchen? Ich weiche seinem Blick aus und gehe auf die Tür zu, doch er stellt sich mir in den Weg.
»Aber Sie waren immer eine gute Schülerin und das werden Sie auch wieder sein. Lassen Sie sich Zeit. Ich würde mich freuen, wenn sie die Ferien zur Erholung, aber auch zur Aufarbeitung nutzen. Und dann wollen wir mal sehen, ob Sie nicht im nächsten Jahr wieder an Ihre Erfolge anknüpfen können«, sagt Mr. Jackson mit einem Lächeln, das ich nicht so recht definieren kann. Er legt seine Hand zwischen meine Schulterblätter und schiebt mich mit sanftem Druck hinaus. Bestimmt ahnt er nicht, wie unangenehm mir seine Berührung ist.
Ich nicke nur und lege einen Schritt zu, um nicht noch tiefer in dieses belastende Gespräch verwickelt zu werden.
»Ihnen auch schöne Ferien«, werfe ich Mr. Jackson schnell noch zu, ehe ich den Raum verlasse.
Gedankenverloren wandere ich mit gesenktem Blick den langen Flur entlang und bemerke erst, dass jemand meinen Weg blockiert, als ich beinahe mit der Gestalt kollidiere. Durch mein abruptes Stoppen verhindere ich einen Zusammenprall.
Joanna! Sie ist das beliebteste Mädchen meines Jahrgangs, Cheerleaderin und die Freundin des Quarterbacks. Dieses Mädchen müsste sich überhaupt nicht um mich kümmern und doch sieht sie mich besorgt aus ihren großen grau-grünen Augen an.
»Du bist Emma«, stellt sie fest.
Ich nicke kurz und will weiter, aber sie stellt sich mir in den Weg. Was will sie von mir? Habe ich ihre sympathischen Blicke fehlgedeutet?
Joannas Gesichtsausdruck wirkt unverändert besorgt. »Ist alles in Ordnung bei dir?«, fragt sie nahezu mütterlich.
Nichts ist in Ordnung, meldet sich mein Herz – ich schweige.
Sie hakt sich bei mir unter. »Du wirkst so abwesend.« So viel Nähe ist mir unangenehm. Doch ehe ich mich auch nur im Ansatz aus ihrem Griff lösen kann, geht sie mit mir einige Schritte. Sie zieht mich einfach mit.
Die Situation überfordert mich. Vor Dads Unfall war ich schon nicht sonderlich beliebt. Daran hat sich nicht viel geändert. Nur, dass ich heute das Mädchen bin, dessen Vater gestorben ist. Als würden sonst nie Väter tödlich verunglücken. Ich bin das Mädchen, um das die meisten meiner Mitschüler einen großen Bogen machen. Vermutlich haben sie Angst, sie müssten mich aufbauen oder Ähnliches. Als wäre es ansteckend, ein Elternteil zu verlieren. Seit über einem verdammten Jahr komme ich nicht über den Verlust hinweg. Anscheinend werde ich das niemals schaffen. Joanna aber verhält sich anders als der Rest. Sie ist gefühlt die Einzige, die sich weder abwendet noch hinter vorgehaltener Hand tuschelt, wenn sie mich sieht. Und genau das finde ich unheimlich. Was kümmert es sie, wie es mir geht?
»Es ist nichts«, lüge ich, um der Situation zu entkommen.
Zu meinem Erstaunen werde ich jedoch sofort durchschaut.
Sie bleibt stehen und sieht mir in die Augen. »Das ist nicht nichts. Also, was ist los?«
Ich wäge ab, was ich tun soll. Kann ich ihr vertrauen? Selbst, wenn nicht, weiß ich, dass sie nicht locker lassen wird, ehe ich mich zu ihrer dämlichen Frage geäußert habe. Also atme ich tief durch und antworte ehrlich: »Ich habe ein bisschen Angst davor, dass mir die Decke auf den Kopf fällt.«
So, jetzt ist es raus und sie hat keinen Grund, weiterzubohren. Allerdings scheine ich diese Rechnung ohne Joanna gemacht zu haben, denn nun sieht es aus, als wäre ihre Neugier erst recht erwacht. Joannas weichen Locken tanzen auf der Schulter und rahmen das zierliche Gesicht ein. Ihre Wangen haben ein zartes Rosé angenommen.
»Fährst du denn nicht weg?«
»Mein Stiefvater hält Urlaub für Geldverschwendung«, antworte ich und bemerke den gehässigen Unterton in meiner Stimme.
Joanna versieht mich mit einem mitleidigen Blick und kaut auf ihrer Unterlippe herum. Ich will kein Mitleid! Peinlich berührt senke ich den Kopf.
»Ich muss jetzt los«, behaupte ich leise und gehe weiter.
»Warte mal«, ruft sie mir hinterher. Ihre Absätze schlagen immer schneller auf das Linoleum. Schließlich packt sie meinen Arm und hält mich fest. »Gib mir dein Handy!«
Mein Innerstes verkrampft. Na also! Es ist wie immer. Sie wird es nehmen und damit weglaufen. Warum also sollte ich ihrem Wunsch nachkommen? Andererseits hat sie mir noch nichts getan. Sie hätte mir ein Bein stellen können und mit dem Handy aufnehmen, wie ich meine Sachen vom Boden klaube – und mich selbst. Ich mustere sie von oben bis unten, dann treffen sich unsere Blicke. Möglicherweise irren sich meine Alarmglocken und Joanna gehört nicht zu denen, die mich verletzen wollen. Also ziehe ich das Gerät aus meiner Hosentasche und reiche es ihr. Ganz genau beobachte ich, was sie tut. Jedenfalls läuft sie nicht damit weg und sie lacht auch nicht. Stattdessen tippt sie voller Konzentration etwas ein und gibt es mir wieder.
»Jetzt hast du meine Nummer. Falls du mal jemanden zum Reden brauchst. Ich fahre zwei Wochen weg, danach bin ich wieder hier und wir können uns mal treffen, wenn du willst«, schlägt sie vor.
Ihr Angebot kommt so unerwartet, dass es mir die Sprache verschlägt. Deshalb nicke ich nur und schiebe mein Handy zurück in die Hosentasche. Erst am Ausgang stelle ich fest, dass wir den Flur gemeinsam hinaufgegangen sind. Joanna bleibt an der Tür stehen und wendet sich mir zu. Plötzlich schlingt sie ihre Arme um mich und drückt mich so fest, dass mir ganz schwindelig wird.
»Melde dich, ja!«, flüstert sie in mein Ohr.
Wie eine Salzsäule stehe ich da und sehe zu, wie sie durch die Glastür das Freie sucht und zu einem roten Ford eilt, dessen Fahrer ungeduldig auf die Hupe drückt. Ein kurzer Blick genügt mir, um Patrick hinter dem Steuer zu erkennen. Ich bin heilfroh, dass sie sich im Schulgebäude von mir verabschiedet hat, denn der Quarterback hätte ihr bestimmt eine Szene gemacht. Niemals würde er sich mit mir abgeben wollen und diesen Abstand erwartet er garantiert auch von seiner Angebeteten. So sind sie doch alle!
Ich bin erleichtert, als der rote Ford losfährt. Zwar nerven mich die quietschenden Reifen und die aufgewirbelte Staubwolke, aber alles ist besser, als dem Zorn der Oberliga zu begegnen.
Wehmütig mache ich mich auf den Heimweg. Ich bin nicht gerade das, was man eine Streberin nennt, dennoch werde ich die Schule vermissen. Nein, nicht die Schule an sich. Vielmehr ist es der alte Bioraum, in den sich seit Jahren kaum jemand verirrt. Er ist mein Schutzraum, wenn es zu Hause mal wieder nicht auszuhalten ist. Ich bin mir sicher, dass der Schulhausmeister Mr. Finch in diesem Moment die Schultüren versiegelt und froh über die Auszeit ist.
Ich biege ins Arbeiterviertel ein. Noch immer kann ich nicht fassen, Joannas Nummer auf meinem Handy zu haben. Zwischen uns liegen Welten. Sie aus reichem Haus, ihr Vater ein erfolgreicher Unternehmer und ich bin die, die mit Dads Tod alles verloren hat.
Brooklyn, mein Geburtsort und mein Untergang. Jeder Tag, den ich hier verbringe, schnürt mir die Kehle ein wenig mehr zu. Ich weiß, dass ich hier sterben werde, dass ich niemals etwas anderes zu Gesicht bekomme und doch kann ich mich nicht aus Brooklyns Fängen lösen, nicht meinen eigenen Weg gehen. Es ist, als hätte dieser Ort ganz eigene Pläne mit mir.
»Hey, Schnucki«, ertönt eine Stimme, die wie Fingernägel über die Tafel meiner Seele kratzt. Sofort fühle ich die Gänsehaut auf meinen Armen kribbeln.
Ich weiß genau, was jetzt kommt. Mark und Titus, zwei Brüder, die ihren Lebensinhalt darin sehen, Schwächere abzuziehen und ihnen das Leben zur Hölle zu machen. Die Mutter drogenabhängig, der Vater hat das Weite gesucht, als die beiden noch klein waren. Seitdem sorgen sie füreinander und das nicht gerade mit ehrlicher Arbeit. In der Hoffnung, dass sie sich nicht weiter an mir festbeißen, wenn ich an ihnen vorbeizische, beschleunige ich etwas. Ich renne nicht, das würde nur ihren Jagdinstinkt wecken. Mein Gang ist flott – meine Schritte sind lang und rasch.
»Bleib stehen, du Luder«, ruft Mark. Er zieht an mir vorbei und stellt sich mir in den Weg.
Ich habe keine Wahl und muss stehen bleiben. Wie lange mich meine zitternden Knie halten, weiß ich nicht. Mir wird übel, als Mark mit seinem nach Dreck stinkenden Finger eine Strähne aus meinem Gesicht streicht. Ich weiche mit dem Kopf ein wenig aus – nur soweit, um ihn nicht zu provozieren, mich aber seiner Berührung zu entziehen. Der Widerling fährt sich mit der Zunge lasziv über die Lippen. Plötzlich werde ich von hinten gepackt. Für einen winzigen Schreckmoment bleibt mein Herz stehen, nur um sofort in schnellerem Rhythmus gegen meine Brust zu trommeln. Der Versuch, mich aus seinem Griff zu befreien, scheitert. Er hält mich nur noch fester und hebt mich hoch. Meine Beine strampeln und ich höre mich schreien: »Lasst mich in Ruhe!« Aber das scheint niemanden zu beeindrucken. Ich werde abgesetzt. Endlich – eine Chance! Doch plötzlich verlieren meine Füße wieder den Boden. Er trägt mich wie ein erbeutetes Tier einfach weg.
»Wir tun dir nichts, nur ein bisschen rummachen«, wispert mir Titus ins Ohr.
Mein Innerstes verkümmert zu einem Klumpen. »Nein! Ich will das nicht! Hilfe!« Ich schreie und lege all meine Kraft in die Beine, um mich mit heftigen Tritten aus meiner verzweifelten Lage zu retten. Doch Titus ist zu stark für mich. Er lacht.
»Hey, ihr da!«, ertönt eine kräftige Männerstimme. Das Bellen eines großen Hundes untermalt die Worte.
Sofort setzt Titus mich ab, packt meinen Arm und flüstert mir ins Ohr: »Wenn du nicht mitspielst, werden wir böse!« Dann schiebt er mich harsch vor sich und legt seine Hände auf meine Schultern.
»Lasst das Mädel in Ruhe und verschwindet hier!«, befielt der Mann. Es handelt sich um einen Nachbarn. Wie er heißt, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich, dass seine Frau kurz vor meinem Dad gestorben ist. Irgendwie verbindet uns das.
Er kommt näher. Der Schäferhund zerrt mit gefletschten Zähnen an der Leine, was seinem Herrchen sichtlich Mühe bereitet, ihn zu halten. Ich habe keine Angst vor dem Tier. An dem Zucken auf meiner Schulter erkenne ich, dass es Titus da anders geht.
»Hey, wir haben nur ein bisschen Spaß gemacht«, rechtfertigt sich Mark, aber der Alte lässt nicht mit sich reden. Er nähert sich uns und blickt mir in die Augen. »Ist das so?«
Das wäre die Gelegenheit, zu fliehen, aber ich erinnere mich an Titus` Worte und nicke verhalten.
»Du solltest dich nicht mit diesen Typen abgeben, Mädchen. Außerdem wartet dein Stiefvater. Komm jetzt!«, sagt der Alte und nimmt meinen
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Dana Müller © 2015/2016/2017
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Cover: Dana Müller
Lektorat: Aileana Blair / A.Müller
Tag der Veröffentlichung: 08.01.2016
ISBN: 978-3-7396-3119-6
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Die Geschichte basiert auf der Fantasie der Autorin und ist frei erfunden.
Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Handlungen sind rein zufällig und nicht gewollt.
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