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2300 Polizisten gegen einen Achtzehnjährigen

Am Morgen nach der Albtraumnacht in München am 23.07.2016 wurde die Meldung herausgegeben, das ein achtzehnjähriger Deutsch-Iraner, der in München gelebt haben soll, als Einzeltäter für die zu diesem Zeitpunkt 10 Toten und 16 Verletzten in einem Einkaufszentrum verantwortlich ist.

In den Abendstunden des vorrangegangen Tages hatte man stets von drei Tätern gesprochen, die angeblich auf der Flucht sein sollen. Die Münchener Innenstadt wurde hermetisch abgeriegelt und der „Sonderfall“ ausgerufen, von dem man nicht weiß, was das bedeuten soll. Die Polizei rückte in vermummtem Kampfanzug in Tausenderstärke an. Der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt. An diesem Freitagabend löste diese Vorgehensweise ein Verkehrschaos aus.

 

Einige Tage zuvor hatte ein Siebzehnjähriger mit einer Axt und Messern bewaffnet Passanten in einem Regionalzug angegriffen und schwer verletzt.

Erste Konsequenzen der beiden Taten in Bayern sollen zu einem neuen Sicherheitskonzept führen, das in den nächsten Wochen den Geheimdiensten und der Polizeikräften mehr Durchschlagskraft sichern soll. Am Morgen des 23.07. wurde die Polizei mit Lob von allen Seiten überhäuft. Obwohl die Polizei offensichtlich nirgendwo eingegriffen hat oder tätig geworden ist, wurde das besonnene Vorgehen gelobt.

Für den Beobachter der Szenerie entstand der Eindruck, dass die Münchener Polizei am Abend des 22.07. mit allem rechnete. Der massierte Aufmarsch und die geradezu panische Angst vor einer Eskalation der Lage legte die gesamte bayerische Hauptstadt lahm. Eine solche „Truppenbewegung“ hatte man niemals vorher in Bayern der Bundesrepublik erlebt.

 

Es stellte sich zwangsläufig die Frage, die sich auch schon bei vielen ähnlichen Terroranschlägen in Brüssel und Frankreich aufdrängte, warum man für das Ausschalten und Ergreifen von drei Tätern über 2300 Polizisten benötigt und dann sogar noch die GSG 9 anfordert.

Es war genauso unverständlich, dass man am Freitagabend tatsächlich davon ausging, dass sich mehrere Täter mit „Langschusswaffen“ auf der Flucht durch die Münchener Innenstadt befänden. Das erinnert in allem an den farbigen Schützen in einem jüdischen Café, der eine ganze Nacht unbehelligt mit schweren Waffen beladen durch das abgeriegelte Paris flüchtete, ohne entdeckt zu werden. Auch in München schien man davon auszugehen, dass man eine ganze Großstadt in den Ausnahmezustand versetzen muss, um drei flüchtende Täter mit Langschusswaffen zu stellen.

 

Es kursierten zunächst verwackelte Videos, die mehr Fragen offen ließen als beantworteten. So sah man einen Mann auf einem leeren Parkdeck stehen, (haben Sie schon einmal ein leeres Parkdeck in München gesehen?) der offensichtlich auf dem geräumten Deck irgendwelche Drohgesten mit einer Waffe aufführte. Ein anderes Video zeigt einen Mann vor einem Schnellrestaurant, der in tänzelnder Art wild um sich zu schießen scheint. Von den Schüssen sieht man nichts. Man hört sie nur. Eine angebliche Nachbarin mit polnischem Migrationshintergrund will den Täter entgegen der Wahrnehmung der gesamten Bevölkerung im abendlichen Fernsehprogramm am Freitag erkannt haben. Der Mann war aber nicht zu erkennen. Diese Tatsache hat sich bis heute nicht geändert.

Schnell wurde der Verdacht ausgerufen, dass es sich hier um keinen Amoklauf, sondern um einen Terroranschlag handeln soll. Ein Augenzeuge berichtete vom Hörensagen, dass ein „Kollege“ von ihm gehört hätte, dass ein Täter in Springerstiefeln bekleidet beim wilden Feuern auf eine wahllose Menge gerufen hätte: „Scheiß Ausländer“. (NTV, 22.07.2016, 20 Uhr 30)

Das passt eher weniger zu einem Deutsch-Iraner. Oder es passt vielleicht doch.

Schnell tickerten Beileidsbekundungen und Hilfsangebote von ausländischen Staatsführungen über den Äther. Der achtzehnjährige Einzeltäter hat mit seiner Tat offensichtlich die ganze Welt mobilisiert. Donald Trump, Barack Obama, und viele andere mehr. Nur die deutsche Bundesregierung hüllte sich in Schweigen und war auch merkwürdig unauffindbar. Der Innenminister befand sich in einem Flugzeug und die Kanzlerin war offensichtlich nicht zu einer Stellungnahme zu bewegen.

Die gesamte Welt nahm Anteil an dem Superkriminellen, der offensichtlich so gefährlich war, dass man kurz davor war, mehrere Spezialeinheiten zum Einsatz kommen zu lassen.

 

Am nächsten Tag lichteten sich etwas die Hinweise, die einen Achtzehnjährigen mit doppelter Staatsbürgerschaft als alleinigen Täter ausmachten und ansonsten über die Identität der Opfer nichts verlauten ließen.

Wenn man sich vorstellt, dass die Bundesrepublik den geballten Krieg gegen einen Achtzehnjährigen ausgerufen hat, der dazu führte, dass man tagelang über diesen Vorfall berichtete, fragt man sich bei aller Anteilnahme, ob hier nicht massiv mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.  Die potemkinschen Dörfer wuchsen derart an, dass sich die ganze Welt über diesen Vorfall ereiferte.

Wenn man also einem vermutlich narzisstisch gestörten Einzeltäter eine Handlungsanweisung geben will, wie man die ganze Welt in Atem hält und zum unangefochtenen Antihelden der Weltpolitik mutiert, dann

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: Getty Images
Tag der Veröffentlichung: 23.07.2016
ISBN: 978-3-7396-6562-7

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