Cover

Frühling

1. März 2014

 

 

Meine Liebste Vanessa,

ich schreibe dir in der Hoffnung, dass du eines Tages auf meine Briefe antworten wirst. Auch wenn ich die Antworten auf all meine Fragen kenne, weiß ich, dass sie nicht für umsonst sein werden. Jedes meiner Worte schenkt mir Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Mag es in diesen, oder auch im nächsten Leben sein...

Es ist ein sonniger Tag in Venedig. Ich hatte befürchtet bis zu den Knien in Morast und Abwasser zu stehen, nach den Tagen des andauernden Regens. Doch stattdessen bleibe ich trocken und beobachte die Massen der strömenden Touristen. Jeder brennend darauf die Masken der Vergangenheit erneut zu entdecken. Pompös müssen sie sein, farbenprächtig. Original.

Man sagte mir, die Stadt wäre voll am Wochenende. Doch ich gedenke den Trubel nicht zu erleben. Ich würde dich nur erneut entdecken, unter jeder dieser Masken. Verborgen bleibt ihre eigentliche Schönheit. Wie die Deine. Ich sehne mich nach deiner Haut, dem bleichen Weiß deines Lächelns, dass du mir so selten hast schenken wollen.

Doch ich schweife ab. Dieses bunte Leben hält mich nur wenige Tage, alle Sehenswürdigkeiten habe ich betrachtet, ohne sie tatsächlich zu entdecken. Vielmehr hätte dich wohl der tägliche Zerfall interessiert, die verborgene Geschichte. So wie die unsere. Verborgen, und bald am Zerfall gestraft. Wir sehen uns wieder, ich schreibe dir, sobald ich meinen erneuten Weg kenne!...

 

In Liebe,

Chris

Sommer

 

10. April 2014

 

Meine Liebste Vanessa,

ein Blick über die Brücke der Engel und ich erblicke dein Gesicht in jedes dieser Statuen. Gestern erreichte ich den Wunschbrunnen der dir einst deinen Wunsch erfüllte. Zumindest hoffe ich das. Denn ich habe dich nie gefragt, welcher Wunsch deinen Gedanken entfleuchte. Zu groß war meine Angst das er sich nie erfüllen würde. Ich erinnere mich noch genau an das Leuchten deiner Augen, das mit den funkelnden Blau des Wassers um die Wette strahlte, als du deinem Ziel so Nah warst, wie noch nie zuvor.

Die Engelsburg wird sie genannt. Ob sie tatsächlich von Engeln bewacht wird? Ob sie uns wohl begleiteten auf unseren Weg, als sie unsere Hoffnungen spürten? Doch sie müssen uns wohl auf unseren Weg verloren gegangen sein. Vielleicht hatten sie nie eine Chance uns zu folgen...

Nun thronend sie über mir, wachend und lauernd, auf ein weiteres Schicksal. Das unseres ist verloren.

Düfte verschiedenster Gewürze, Chili, Lavendel, Ingwer strömen mir durch die Nase. Fließende Schokolade versüßt meinen Weg. Wo ich auch hingehe, verfolgt mich der Sommer. Sonnenstrahlen getaucht in den süßesten Honig.

Ich bin angekommen, das Meer küsst meine Füße, liebkost meine Seele. Bis ein weiterer Tag heran bricht. Ich werde warten und das strahlende Rot der untergehenden Sonne erwarten...

 

In Liebe,

dein Chris

 

 

Happy Birthday

 

26. August 2014

 

Meine Liebste,

die Tage werden Dunkler. Die Nächte länger. Sollen sie erblühen all die schwarzen Rosen an deinen Grab. Heute ist dein Tag, ein Letzter. Ich hoffe du bist erfüllt von Glückseligkeit, an welchen Ort du auch immer bist. Der Wind führte dich nach Westen. Unerreichbar für mich. Ich treibe fort, hinauf nach Norden.

Und doch dieses eine Feuer brennt zu deinen Ehren.

Kannst du dich erinnern, an die Nächte? Als nur das Feuer unsere Herzen erfüllte, als wir tanzten, erfüllt vom Gift der Lieblichkeit. Zu selten waren diese Gaben. Zu selten unsere Ehrlichkeit, der Mut der uns voran trieb. Schwach war das Erwachen, schwach die Wahrheit unseres Herzens.

Und doch erstrahlen die Sterne, heller als an jenen Tag und seitdem. Ein Meer aus gefallenen Seelen. Funkelnd verglühen sie in glitzernden Eis. Ich hoffe du kannst sie sehen. Sie werden dich begleiten, von nun an jeden Tag. Ein Wunsch der unausgesprochen bleibt, wird auf ewig erfüllt. Nun bette dich nieder im schützenden Kleid der Nacht, träume süß. Für heute Abend beginnt die meine. Meine ewige Wacht...

 

Auf Ewig,

Mein Herz

 

Herbst

3.September 2014

 

Majestätisch leuchtet das Fell der Löwen. Beinahe wie an unseren Ersten Tag. Ich erinnere mich noch an das Foto an deiner Wand. Es hing versteckt für alle sichtbar in deinem Zimmer. Gleich links neben dem Fenster an dem bleichen Weiß. In unsichtbarer Folie verpackt, neben all der Erinnerungen die du gesammelt hattest. Unscheinbar verbarg es doch einen Tag deines Lebens, an dem die das Lachen nie verloren ging. Stundenlang hättest du sie beobachtest. Hättest ihr Spiel betrachtet, wärest ihren Blicken gefolgt. Hungernd nach Freiheit streiften sie durch ihr Territorium, während neugierige Blicke sie verfolgten. Ob sie es spürten? Ob sie die Gefangenschaft spürten so wie wir?

Unruhig warten sie noch immer darauf, dass die Freiheit sie empfängt. Sie ähneln uns, wenn ihre Blicke auch noch erfüllt sind von Hoffnung. Die Löwin und der Wolf. Eine ungeschriebene Fabel... Eine zu erwartende Moral der wir uns schmerzlich bewusst sind. Und doch kenne ich noch immer nicht die Moral der Geschichte? War es die Löwin, die am Ende den Wolf fraß? War es der Wolf, der die Moral verdarb? Und doch tragen sie doch beide das gleiche Fell...

Meine Hände streicheln die Ohren des Esels. Er ist unruhig an diesen Tagen. Starrt mich an mit fragendem Blick. Ich kenne die Antwort nicht. Ich kenne nicht einmal seine Frage. Doch wer bin ich, der anderen etwas vorschreibt. Der Antworten diktiert, von Fragen die ihm unbekannt erscheinen. Ich möchte sie auch gar nicht mehr wissen. All die Fragen scheinen mir bedeutungslos. All die Monate, die Jahre, sie schwinden vorbei. Wie ein Lichtblitz flackern sie vor meinen Augen, ohne sie tatsächlich wahr zu nehmen. Was bleibt ist die Erinnerung, während das goldene Laub von den Bäumen fällt. Langsam und stetig vergessen sie ihre einstige Stärke. Ihr einstiges saftiges Grün. Der Wind bläst sie hinfort, der Regen wäscht sie davon, der Winter bedeckt sie mit ewigen Schlaf in Bedeutungslosigkeit.

 

In ewigen Vergessen,

Dein Chris

Winter

 

12.Dezember 2014

 

 

Liebste Vanessa,

 

die Zeit verrinnt in der schönsten Zeit des Jahres. Der Duft nach Tannenbäumen. Kerzenlicht, Liebe und Harmonie erfüllt den Raum. Doch der Meine ist leer. Kein Duft, kein Kerzenschein. Nicht an diesem Tag. Verloren sein, verraten sein. Er hat dich mir genommen. Heute vor einem Jahr. Du könntest noch bei mir sein. Hätte ich dich gewarnt... Ich hätte dich nicht sterben lassen sollen. Doch was sollte ich tun. Warst du doch glücklich, glücklicher als mit mir. Er gab dir alles, ich gab dir nichts. Du wolltest keine Realität. Warst nie bereit für die Realität. Wir haben uns Beide verloren in Träumen. Und Beide folgten wir den Träume, die uns jagten.

Ich verbringe ihn unter anderen Sternen, meinen Traum von Freiheit. Mein Herz ist frei, ich schenke es dir. Ich benötige es nicht mehr. Ich spüre den Sand, das Meer, den tiefen Wald. Du den Wind und die Welt. Für mich war die Welt nie klein genug. Für dich konnte sie nicht größer sein. Genügsamkeit ist der Liebe Tod. Erkenntnis der Liebe Wahrheit.

Ich strafe dich nicht, vielmehr begleite ich dich. Tief ist dein Grab am heutigen Tag, das meine noch vielmehr.

Mich erwartet ein anderes Leben, als das Deine. Ich bin der Wolf, du die Löwin. Freiheit und Stärke. Kalt und Heiß. Ein Naturschauspiel ohne Natur. Ein Schicksal ohne Zukunft. Nun geh dahin, mein Herz. Schlage für Zwei. Ich gebe dich endlich frei!

 

Auf Ewig,

Dein Herz (mag es auch nun einen anderen gehören)

Abschied

 

Ein letztes Mal las sie die Briefe der Vergangenheit, ein letztes Mal überflog sie die Worte. Gleichgültig und doch mit Schmerz.

Das Grab war leer, überfüllt mit wenigen Blumen. Ein spärliches Gedenken. Und doch voll mit Gedanken. Keine Träne wagte sie zu vergießen. Kein letztes Lächeln sollte er empfangen. Vergessen sollte er sein. Verbannt aus Gedanken und Herzen und doch auf Ewig vergessen. Weder vergeben noch vergessen.

Sie starrte auf den kalten Stein und legte das Bündel hinab auf die gefrorene Erde. Ein letztes Licht der Kerzen brannte, es würde bald erlöschen. Der Frost würde seine Wärme bedecken. Der Schnee seine letzten Worte verstecken, vor neugierigen Blicken, bis eines Tages der Regen kommen würde. Und dann wären sie vergessen. Für alle Zeit.

Ein neues Jahr brach heran. Ein neues Leben hatte er ihr geschenkt. Ein Abschied für immer. Nicht zusammen gingen sie in die Ewigkeit.

Eine Hand ruhte auf ihrer Schulter, als sie sich verabschiedete. „Lass uns gehen.“ , flüsterte es an ihrem Ohr. Und doch wehrte ewig der Abschied, und kein letzter Blick war ihr gegönnt.

Kalt war es im Auto, als sie auf den Beifahrersitz Platz nahm. Keine Sekunde verging bis sie das Heulen des Motors ertönte. Und keine Minute war vergangen bis sie seine letzten Worte vernahm. „Ich fliege übrigens nach England.“

„Wann?“

„Im Frühling!“

Sie wagte es nicht ihn anzusehen. Noch bevor sie die Antwort vernahm, wusste sie den Weg den sie von nun an beschreiten musste. Allein...“Und was wird aus uns?“

Ein Schulterzucken und ein mildes Lächeln war genug. Es reichte aus um ihr Herz erneut zu brechen. „Ich verstehe!“

Ihr Blick wanderte in den Rückspiegel und die Vergangenheit lächelte ihr ein letztes Mal zu, bevor auch sie verschwand.

Impressum

Texte: LisaWenzel
Tag der Veröffentlichung: 29.09.2018

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
In Erinnerung an die Liebe, die nie hätte existieren sollen und es doch tat. In Erinnerung an Dich. Für Jennifer, mögest du die Liebe und das Glück finden, das für dich bestimmt war!

Nächste Seite
Seite 1 /