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Nr. 4

 

Irgendwo hier in dieser großen, alten, schweren Holzkiste zwischen all den anderen Faschingsverkleidungen, Masken und Utensilien, muss mein Feenkostüm stecken, welches ich mir vor einem Monat auf einem englischen Second-Hand Basar in Shadow Springs gekauft habe. Ist es denn zu glauben, ich finde es nicht. Hier die alte Teufelsmaske vom Mittelaltermarkt, die habe ich von einem als Magier verkleideten Mann mit den Worten geschenkt bekommen: „Das was sich darin verbirgt, wird sich Dir in genau 365 Tagen zeigen." Eigentlich wollte ich mich zieren und sie von mir weisen mit den Worten: „Danke, aber behalten sie die lieber für sich." Aber jener Mann in seinem mit goldenen Sternen benähten Mantel und passenden nachtblauen Zipfelhut, steckte sie mir mit Nachdruck entgegen. Seine Augen flammten seltsam auf, mir wurde komisch und ich nahm die Maske in meine Hände, steckte sie in meine bunte, selbstgenähte Jutetasche, bedankte mich artig, lächelte ihm unsicher zu, er nickte und ich ging zügigen Schrittes fort und suchte nach meiner Freundin Anne, die sich sicherlich schon wieder einen Becher Met hinter die Binde kippte. Wir blieben noch eine Weile auf dem Mittelalterfest. Als Anne genügend Met getrunken und ich mich an den stattlichen Männern in Ritterkostümen satt gesehen hatte, verließen wir das bunte Treiben. 365 Tage ist es her. Ich nahm die Maske in beide Hände und halte sie mir vors Gesicht: „Na, was willst du mir denn jetzt für ein Geheimnis offenbaren?" Ich glaubte schon immer an Magie und Hokuspokus, drum war ich und bin es noch auch abergläubisch und sehr empfänglich für Geschichten, die man mir glaubhaft machen will, aber nicht für allen Scheiß. Ich schüttelte die Gruselfresse mit ihren rotschwarzen Bemalungen, ihren hässlich großen Zähnen und ihrem Zottelhaar und ihren wirklich gruseligen Glasaugen und nichts, aber auch rein gar nichts passierte. Zeit zum Entrümpeln, beschloss ich. Und ich werfe das aus Holz geschnitzte Ding neben die Kiste und spreche zu mir die Worte meiner Mutter: „Schatz, glaube doch nicht immer alles und jeden!" Wumm. Die Maske fällt zu Boden. Und mir fällt schlagartig ein, dass ich bei der letzten Aufräumaktion mein märchenhaftes Glitzerfeenkleid in den Schrank gepackt hatte. Ich stehe auf und gehe zum Familien-Bauernschrank mit den reichlich verzierten, pastellfarbenen Ornamenten. Unter lautem Knarren öffne ich die Tür und da hängt es auch schon in all seiner hellblauen-rosafarbenen mit Perlen und Pailletten bestickten Pracht.  Die Party – ich liebte Motto-Verkleidungs-Partys aller Art – konnte beginnen. In unserem „magischen Freundinnenkreis" richtete eine Jede von uns abwechselnd eine Verkleidungsparty à la HEIDI KLUM aus und lud verschiedene Gäste ein. Mittlerweile gab es ja auch schon eine Halloween-Party-App, aber so eine nutzen wir nicht. Never! Wir halten uns da lieber an die gute „Mund-zu-Mund-Party-Propaganda" und verlassen uns auf unsere Freunde, Kollegen, Bekannten und deren Dunstkreis. Ich öffne die Bodenluke, will gerade mit meinem Glitzertüll hinab schreiten, da fällt mein Blick auf ein leuchtendes Etwas auf dem Boden neben der Truhe. Nanu?  Neugierig drehe ich wieder um und schreite über die knarrenden Bretter unter meinen Füßen. Die Sonne scheint genau durch das runde Fenster auf das Funkelding vor meinen Füßen. Im Lichtstrahl sehe ich viele, feine Staubpartikel tanzen. So sieht also Feinstaubbelastete Luft aus, prima, das atme ich hier alles ein, denke ich bei mir und nähere mich dem Funkelteilchen vor mir. Ich bücke mich und hebe es auf. Was bist DU denn für ein fantastischer Klunker?!! Ich stecke mir den bunt schimmernden Ring an meinen Finger, passt perfekt. Was für ein traumhaftes Schmuckstück. Hätte selbst der Zaren-Hofjuwelier FABERGE nicht besser hinbekommen. Ein geiles Teil. Der große „Klopperstein" schimmert in allen Regenbogenfarben, so ungeheuer märchenhaft, dass er nur unecht sein kann. Den Dachboden hatte ich erst kürzlich nach verborgenen Familienschätzen durchwühlt und bin nicht fündig geworden, außer Omas Spitzenunterhosen und Nachthemdchen habe ich nichts Aufregendes entdecken können. Und jetzt dieser Glitzerbrummer? Ich nehme ich nochmal vom Finger und mustere ihn „fachfrauisch". Die Prägung auf der Innenschiene des Ringes kann ich ohne Brille unmöglich erkennen. Gut, wird irgend so ein Modeschmucklabel sein. Denn der Stein ist auf alle Fälle nicht echt, wird eine Art Mystik-SWAROWSKI-Kristall sein, einen solchen Regenbogen-Diamanten gibt es auf der ganzen Welt nicht. Opal, Mondstein oder ein anderer Edelstein kommen auch nicht in Frage, denn ich kenne mich da aus, schließlich war mein Ex-Freund seines Zeichens Edel-Schmuck-Designer. Diese alte Nulpe hatte es in der ganzen Zeit unseres Zusammenseins nicht ein einziges Mal geschafft, mir auch nur ein vernünftiges Echtsschmuckteilchen zu schenken. Soweit reichte seine Liebe wohl nicht, wohl aber mein Anwesen. Unser Familienhaus, eine alte Stadtvilla mit großem Gartengrundstück, hatte zwar viele Zimmer, jedoch lasse ich einen gefühlsverarmten Reichgeizkragen nicht für lau hier wohnen und an seinen Entwürfen arbeiten. Überall lagen in seiner ernannten Schmuckwerkstatt, im schönsten, größten und lichtdurchflutetsten Zimmer im Erdgeschoss gleich neben dem Wintergarten, überall Schmucksteine in meisterhafter Farbbrillanz herum. Kinder, was habe ich mich bei diesem Anblick immer gefreut. Immer wenn die Sonne und der Mond durch die Jugendstilverzierten Fenster auf all die Kostbarkeiten schienen, kam ich mir vor wie Alice im Wunderland. So viele prachtvolle Farben um mich herum, ein Funkeln und ein Leuchten. Und all die Designskizzen und Musterteile verteilt auf dem alten Sekretär meines Urgroßvaters, den englischen Polstermöbeln von Tante Ernette, machten mir ungetrübt Hoffnung darauf, auch mal so einen Entwurf von Monsieur Bernard S. aus Bern (seines Zeichens für große Häuser wie BULGARI, TIFFANY und Co. tätig) um den Hals, an den Ohren, am Handgelenk und Finger zu tragen. Aber denkste Puppe! Und da ich im Angesicht meines Alters keinerlei Kompromisse nach der Art „Naja, keiner ist perfekt" mehr einzugehen pflegte, um später nur festzustellen, dass derjenige nicht einmal ansatzweise der Richtige für mich ist, schmiss ich ihn mit allen seinem Krempel vor die Türe und wohne seither lieber alleine, gehe auf verrückte Partys und kichere mit meinen Freundinnen über bekloppte Pärchen in noch bekloppteren Kostümchen als die unseren. Einmal tief Luft holen. So viel steht fest. Ganz so bekloppt wie manch andere werde ich aber nie aussehen auch nicht als kugelige Fee. In den letzten Jahren habe ich einiges an „Knochenspeck" zugelegt. Als Gerippe könnte ich jetzt nicht mehr durchgehen, aber als kurvige Elfe oder Fee allemal. Bastele ich mir einfach große Flügel. So what?! Wer an Magie glaubt (nicht umsonst bin ich der weltgrößte, weibliche Harry Potter Fan), der kann selbst mit winzig kleinen Flügeln fliegen,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: GAB, Romy van Mader
Bildmaterialien: GAB, Romy van Mader
Cover: GAB, Romy van Mader, Danke an: YesManProductions (USA)
Lektorat: K. Armenti
Tag der Veröffentlichung: 15.01.2019
ISBN: 978-3-7438-9344-3

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