Liebe Leserinnen und Leser,
ich hoffe, Sie haben Spaß an dem äußerst delikaten und überaus bewegten Leben von Valerie. Es ist eine Mixtur aus Krimi, Biografie und Liebeskomödie. Der Sex ist nur im ersten Kapitel vordergründig, es gibt überraschende Wendungen.
Noch eins ist anzumerken: Dieser Kurzroman basiert zwar auf Tatsachen, jedoch sind Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verschiedenen Menschen und deren realen Geschichten rein zufällig und nicht beabsichtigt!
Viel Freude beim Leben, Lieben, Lesen & Lachen wünscht
Romy van Mader
Mitwirkende:
• Valerie Schuster (ich)
• Stephan Franke (meine erste große Liebe)
• Gräfin Liselotte von Schötteln von und zu Eimenach (meine Mentorin)
• Bellatrix (Hündin von Liselotte von Schötteln)
• Isabell (meine Freundin)
• Johann Karl Fuchs (meine Affäre, später bekannt als Wäscheklammern-Karli)
• Adam Fuchs (Schwiegervater von Johann Karl Fuchs)
• Saskia Fuchs (Ehefrau von Johann Karl Fuchs)
• Henning Brahms (mein Chef und Ex-Geliebter)
Unter einem Pseudonym lässt sich ganz vortrefflich schreiben. Nur der Einstieg ist manchmal nicht so leicht. Als PR-Beraterin war Fantasie genauso wichtig, um Projekte beim Kunden überzeugend darzustellen und umzusetzen, wie das nötige Know-how. Aber meiner Leidenschaft galt, seitdem ich ein kleines Kind war, dem Schreiben und Träumen. Wahrscheinlich hatte ich das meinem Großvater zu verdanken, der nicht nur jedes einzelne kleine bis große Lebewesen kannte, sondern mir auch die tollsten Geschichten über den Hof und die Tiere erzählen konnte. Sein Bauernhof war sein und mein alles. Ein verflixter Mopedunfall, und alles war von heute auf morgen anders. Der Hof wurde verkauft und ich kam in ein Waisenheim. Es war der Tag meines siebten Geburtstages. Die Zahl Sieben sollte von da an mein Leben auf wundersame Weise begleiten. Umhüllt von liebloser Tristesse, kaputtem Spielzeug und traurigen Kindern, fantasierte ich mich in meine eigene bunte Welt hinein, die mir die Sonne im Herzen ein Stück weit bewahrte. Jede Nacht schickte ich den und denselben Wunsch zum Himmel. Und nicht nur ich, der ganze Schlafsaal klang wie ein nächtlich einstudierter Gebetschor: „Lieber Gott, ich wünsche mir, dass ich einmal sehr reich bin und keiner auf der Welt mehr leiden muss. Amen."
Wenn ich noch heute daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Bei mir sollte es sich bewahrheiten. Was wohl aus den anderen geworden sein mag? Nun. Wir machen einen Satz nach vorn und überspringen die leidige Schule und übergehen auch meine Ausbildung. Interessiert keine Sau. Ich muss aber noch schnell über meine erste große Liebe, meinen Mann für immer, mit Ihnen sprechen, ehe es richtig losgehen kann. Stephan hieß er und sah meinem damaligen Schwarm, diesem schauspielernden Sektenguru TOM GRÜTZE, sehr ähnlich. Leider war er auch so klein.
„Valerie, Duuu bist die Schönste hier", so begrüßte er mich immer mit großer Geste in der Mensa. Da trafen wir uns meist, denn wir studierten an derselben Uni. Ja, ich steckte wirklich in der sprichwörtlichen Blüte meines Lebens. Was ich auch den vielen Freizeitstunden während meines BWL-Studiums zu verdanken hatte. Gewellte, lange, blonde und damals noch dicke Haare (die später durch das leidige Blondieren immer mehr ausfielen und ich mich von meiner Rapunzelmähne verabschieden musste), knackiger Körper, samtweiche Haut mit vornehmer Blässe, im Winter war ich weiß wie Schnee, und einem schier unendlichen Optimismus. Mir fällt jetzt keine Prominente zum Vergleich ein, aber Sie sehen mich ja auf dem Cover meines Buches. Zurück zu meinem Ex. Stephan schaffte mit Bravour den Abschluss (ich brauchte einen zweiten Anlauf, warum lesen Sie gleich) und haute mit einem blasierten, dünnen Weibsstück mit schwarz getönten Haaren, einer billigen Schneeflittchen-Kopie, aus meinem Leben ab. Er raubte mir mein Herz und ich schrieb mit schwarzer Tinte auf ein Blatt Papier: „Lieber Gott, bitte schicke Stephan Franke in die Hölle und richte den Teufel von mir aus, er soll ihn langsam schmoren! Soll in der Hölle schmoren! Wenn das nicht geht, dann soll der Arsch Stephan Franke, wenn ich reich bin, zu mir angekrochen kommen und mich um Verzeihung bitten. Das war’s für heute. Danke. Deine Valerie".
Und dann entzündete ich den Fetzen bei Vollmond. Er brannte lichterloh. Vier Jahre innige Liebe und heiße Beteuerungen: „Ich möchte mit Dir mein Leben verbringen!" und mit einem Male „Kapäng" und die Frage: War da was oder war da mal wer? Eine Art Schockzustand umgab mich und ich schwor mir: Beim nächsten Mann wird alles anders. Ja, beim nächsten Mann! Und da ist er auch schon gefunden, der Einstieg und der Leitsatz für dieses Buch, wenn Sie so wollen. Übrigens passt dieser Satz immer. Tauschen Sie einfach nur das Wort Mann gegen ein nach Ihrem Belieben gewähltes Substantiv aus. Beim nächsten Job wird alles anders. Beim nächsten Kinobesuch wird alles anders. Beim nächsten Buch wird alles anders. Und so weiter. Ich blättere gerade in meinen Aufzeichnungen, ich suche nach einem bestimmten Zitat. Eine Äußerung einer eleganten Dame Ende 70, die mich einen Sommer lang sehr beeindruckt hatte und an die ich heute noch sehr gerne und oft denken muss. Habe ich ihr schließlich all das zu verdanken. Wo steht es denn? Hier. „Meine Liebe, merken Sie sich eine, nein zwei Sachen. Punkt eins. Nur wer gut aussieht, der wird auch ernst genommen!" Damals musste ich lauthals darüber lachen und fummelte etwas irritiert an meinem blonden und mittlerweile kurzen Zopf herum. Sie jedoch verzog keine Miene. „Punkt zwei. Sie müssen zu jeder Zeit an sich und ihre Bestimmung glauben." Welche Bestimmung dachte ich bei mir. Sie sah in meine braunen Augen und erkannte darin meine aufleuchtenden Fragezeichen. „Kindchen, Ihre Bestimmung ist Ihre Bestimmung. Deshalb habe ich Sie auch ausgesucht. Ich sehe Großes in Ihren Augen. Jedoch brauchen Sie einen Beschützer. Doch der Reihe nach."
Diesmal blickte ich sie mit drei Fragezeichen links und drei Fragezeichen rechts in den Pupillen an. „Ach, Kindchen. Sie haben noch so viel vor sich. Das Leben ist wie ein Märchen. Es endet immer mit einem Happyend. Es kommt nur darauf an, auf welcher Seite man steht." Sie zupfte an meinem Ärmel und zeigte in Richtung Regieassistent, der aufgeregt mit seinem Schild umher fuchtelte: „Die Werbepause ist gleich rum." Wir lernten uns Backstage bei einer Fernsehaufnahme kennen. Auf dem Weg ins Studio – einer unserer Kunden bestand darauf, dass ich ihn unbedingt im Zuschauerraum moralisch beiseite stehen, vielmehr sitzen sollte – steckte jene Dame mir ihre Visitenkarte mit den Worten zu, „Wir sehen uns dann nächsten Sonntag bei mir, ja?" Und dann mischte sie sich genau wie ich ins geladene Publikum und ward verschwunden. Ich nahm ihr kleines, weißes Pappschildchen unter die Lupe. Sehr gute Papierqualität und darauf eine satte, goldene Schrift. Nachname und ihre Anschrift. Mehr nicht. Natürlich gewann meine Neugierde und so saß ich wenige Zeit später in ihrem wunderbar grotesk anmutenden Speisezimmer in Berlin-Charlottenburg. An die sieben Liter Kamillentee tranken wir und an die sieben Kilogramm Kekse knabberten wir. Ich kam mir schon vor, wie ein englisches Walross. Das könnte ich unmöglich jeden Sonntag zelebrieren. Schon jetzt hatte ich das Gefühl, aus allen Nähten zu platzen. Die Kekse waren aber auch sau lecker, aber irgendwie auch sau trocken. Ein Teufelskreis. Keks, Tee, Keks, Tee, Keks, Tee. Umgeben von Blümchentapete, Porzellanfiguren, ausgestopften Hunden (ihre ehemaligen Lieblinge) und einem Gemisch aus Biedermeier, Bauhaus und Moderne und ihrem Schoßhund (lebendig) zu meiner Linken war ich anfangs felsenfest der Meinung, sie suchte eine Art Hausdame, bestenfalls eine Dame für ihre Hündin Bellatrix. So sie auf fernen Reisen ist. Und ich war überrascht, wo sie schon überall auf der Welt war und ihr Reisefieber schien mit dem Alter nicht abebben zu wollen.
„Kindchen, meine Priorität galt früher mal materiellen Werten, Immobilien und Geschmeide jeglicher Art. Und Sie werden Augen machen, was ich alles besaß. Auch an Adelstiteln, die ich noch besitze. Aber dazu später mehr."
Meine Schallplatte „Ja, hm, ja" lief schon eine ganze Weile, passiert mir unbeabsichtigter Weise immer dann, wenn ich zu voll gefuttert war oder mit den Gedanken woanders war. Was sie nicht wusste, ich malte mir zu diesem Zeitpunkt bereits einige Geschichten im Kopfe aus. Ein kleiner Rüffel in meine Seite und ein dickes Fotoalbum landete kurz darauf auf meine artig zusammengedrückten Schenkel. Ich staunte nicht schlecht, als ich sie, die letzten Jahrzehnte rückblickend, in ständig wechselnder und sehr adretter Männerbegleitschaft, wie ich bemerken darf, wiedererkannte. Um ihre Liebhaber genau unter die Lupe nehmen zu können, gab sie mir eine ebensolche mit Horngriff. Immer schnieke gebügelt und frisiert waren die Herren und sie stach in sehr kleidsamen Modeteilchen am Leibe und brillierten Schmuck um Hals und an Händen auf jedem Foto königlich heraus. Fotos, die sie vor Gutshäusern, in Parkanlagen, bei einer Sommerparty umgeben von weiß behandschuhten Dienern, in prunkvollen Spiegelsälen und in samtigen Operngewänden und vieles mehr zeigten. Mit einem immer anderen Mann an ihrer Seite. Meine Augen und meine angehobenen Mundwinkel schienen zu verraten, dass ich sehr entzückt ob ihrer Erscheinung und wohl sehr schlüpfrig eleganten (für damalige Zeiten) Lebensweise war. Die unzähligen Aufnahmen und die wechselnden Begleiter ließen ein solch´ kurz gefasstes Meinungsbild von mir ohne Bedenken zu. Dann nahm sie meine Hand, „Ja, das bin ich. Das ist mein Leben! Und ich möchte ihnen gerne davon, speziell aber von meinem Liebesleben erzählen. Haben Sie Interesse?", und dabei schaute sie mir tief in die Augen. „Mein Kind, es ist wichtig, dass Sie sich vom Leben tragen lassen und Gott vertrauen, und seinem Weg, den er für sie bestimmt hat. Manche Dinge passieren, weil sie passieren müssen. Genau so und nicht anders. Atmen Sie tief und langsam ein und aus, Ihr Lebensodem wird Ihnen Beruhigung geben. Meditieren Sie. Das hilft und vertrauen Sie sich dem Göttlichen, dem Universum oder wenn Sie wollen, dem Schöpfer an. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Glauben und genießen Sie. Jede Begegnung bringt Sie weiter und ein kleiner Glücksbringer kann sehr hilfreich sein. Das ist die Quintessenz aus allem." Dabei glitt ihr Daumen in kreisenden Bewegungen über ihren geheimnisvoll schimmernden Anhänger. Ein kreisförmiger und dunkelviolett changierender Stein, der mir schon beim ersten Zusammentreffen ins Auge gestochen war. Der Amethyst (zu mindestens hielten meine schwachen mineralogischen Kenntnisse dies für so einen solchen), hatte eine satte Farbe und ab und an einen Punkt hell glänzenden Goldes, etwas Magisches saß in ihm. Umrandet war der Stein mit einer dicken hochkarätigen Goldumrandung, die mit floralen Elementen aus der Jugendstilzeit verziert war und von einer goldenen Gliederkette halsnah gehalten wurde. Und so ergab es sich, dass ich fast einen ganzen Sommer lang jeden zweiten Sonntag zu ihr fuhr, Bellatrix auf meinem Schoß streichelte und mit Hundekuchen fütterte, Kekse aß, Tee schlürfte und Frau von Schötteln aufmerksam zuhörte und emsig mitschrieb. Am letzten der insgesamt sieben Teezeiten hängte sie mir überraschender Weise mit den Worten „Meine liebe Valerie, ich schenke Ihnen dieses Medaillon, möge es Ihnen genauso viel Glück bringen wie mir" um den Hals, und der Akt war vollzogen. Ich war nicht nur um eine Konfektionsgröße reicher, sondern nun auch die Besitzerin des auf mich sehr mystisch wirkenden Anhängers, der locker um die 270 Gramm wog und mir fast das Genick brach. Wie konnte Gräfin Liselotte von Schötteln von und zu Eimenach – so lautete ihr vollständiger Name – nur so gerade und anmutig mit diesem Schwergewicht umherlaufen? Wahrscheinlich alles eine Frage der Selbstbeherrschung und Gewohnheit. Aufrechten Hauptes und voller Stolz verließ ich Ihre Wohnung: „Vielen Dank. Ich werde es in Ehren tragen. Bis nächste Woche." Ich verabschiedete mich mit einem Hofknicks, den ich dank ihr nun in Vollendung beherrschte.
„Meine liebe Valerie. Alles Gute", sprach sie und winkte mir nach.
Sieben Tage später kam ich zu ihrer Beerdigung und war nicht sonderlich darüber erstaunt, dass ich die einzige Frau unter der Handvoll erschienenen Trauergästen war. Die Zahl der Trauernden wäre vor einigen Jahren noch bedeutend größer gewesen, aber in Anbetracht ihres Alters und das ihrer ehemaligen Geliebten, blieben nur die sechs Hanseln und ich als Gretel. Einzig ein Familienangehöriger musste sich in der kleinen, schwarzen Trauergemeinschaft versteckt halten. Ein einziger war übrig, mit Kindern war die Familie von Schötteln nicht gesegnet worden. Gräfin von Schötteln meinte dazu nur ganz trocken: „Ich wüsste gar nicht, wann ich dafür Zeit gehabt hätte. Also für Kinder. Nein. Es gibt immer auch eine Kehrseite des Medaillons. Ja, meine Schwester hat einen schwulen Hallodri geehelicht und die anderen werten Herrschaften in meiner Familie sind entweder komplett gaga oder impotent oder beides. Nein. Es ist schon alles gut so. Womöglich hätte ich mich für eine Adoption entschieden, aber diese Idee kam mir mit Anfang 40 und das war damals wie heute einfach zu spät."
Ich fragte mich, ob ich wohl auch so gelassen reagieren würde, stünde ich am Ende meines Lebens ohne Kinder da. Noch ehe ich mir weitere Gedanken um mein Liebesleben und die Fortpflanzung meiner Gene machen konnte, erklang Musik. Der Auftakt von Richard Wagners Oper "Pörsifall" ertönte und mir wurde wehmütig ums Herz. Ich umfasste das Medaillon, welches heiß zu glühen schien, speicherte es womöglich meine Körperhitze, und ein Kälteschauer rannte meinen Rücken, meine Arme und Beine hinab. Dann wurden Liselotte und Bellatrix (diese ging nur sieben Minuten nach dem Tode ihres Frauchens von dannen) in einer vergoldeten Urne vereint (das war Frau von Schöttelns offiziell letzter Wunsch) in der Familiengruft versenkt.
Tage vergingen. Am Flughafen wartete ich auf meine Freundin Isabell, die von einem kurzen Aufenthalt in Paris wieder in Berlin landen wollte. Während ich in all dem Getümmel Ausschau nach ihr hielt, lief ein Mann an mir vorbei und ein leichter Luftzug mit einem feinen maskulinen Duft schwebte hinter ihm her. Betörend und unwiderstehlich für mich. Dieses Parfüm war mir so vertraut, in meinem Kopf versammelten sich wilde Erinnerungen an einen Mann, dem ich vor langer Zeit mein Herz geschenkt hatte, um am Schluss mitzubekommen, dass ich nicht die einzige Dame war, die er in sein Bett ließ. „Ich bin voller Liebe und kann unmöglich nur einer gehören", war Stephans letzter Satz an mich und dabei drückte er mir noch einen Strauß, mit einem lila gefärbten Zierkohl in der Mitte, in die Hand. Wissen Sie, wie Kohl nach zwei Tagen in der Vase riecht? Nach verfaulten Eiern! So etwas in einem Blumenladen an Männergeschöpfe zu verkaufen, die ihren One-Night-Stand wiedergutmachen wollen, gehört unter Strafe gestellt! Statt des Kohlgeruchs in der Nase schwebte wieder diese betörend zarte Duftwolke heran, mit einem tiefen „Hallo" sprach mich dieser Wonneduftmann ganz untypisch von hinten an.
„Huch. Hallo." Ich drehte mich um.
„An ihren roten Lippen kann ich nicht unversuchter Weise vorbeigehen. Machen wir es kurz. Ich bin Johann Karl, hier ist meine Visitenkarte. Wenn Sie Lust haben, dann rufen Sie mich an. Jederzeit. Bitte."
„Oh." Ich stand wie angewurzelt da und wäre diesem Bild von einem Mann am liebsten an den Hals gesprungen, wäre da nicht in diesem Augenblicke Isabell mit einem lauten „Hieeeer, hieeeer bin ich! Hallo!", angerauscht gekommen. Noch bevor Isabell mich umarmen konnte, verabschiedete er sich mit einem verheißungsvollen Lächeln und mit einem Handkuss. Mit einem formvollendeten Handkuss! Gott sei es gedankt, waren meine vier Gliedmaßen schwer wie Betonpfeiler und mein Mund mit unsichtbarem Schnellmörtel ausgegossen worden. Ich hätte diesen Kerl womöglich noch direkt in der Anflughalle zwischen Ankommenden und Abfliegenden angesprungen und wie eine läufige Hündin abgeleckt und vernascht. Oh, was stehe ich auf Männer in einem klassisch weißen Hemd und perfekt sitzenden Blue Jeans.
„Was ist das denn für eine Begrüßung, hör ma?"
„Entschuldige."
„Wer war das?"
„Erzähl’ ich Dir im Auto. Komm jetzt. Ich habe etwas blödsinnig eingeparkt." Ich ergriff ihren gelben Koffer, hakte sie unter und wir marschierten los. Beim Anblick des Abschleppdienstes wusste ich sofort, wen die Herren da gerade verluden. Benny. Ja, mein Auto ist beseelt. Ein roter Mini-BMW und mein Held auf vier Reifen.
„Scheiße, das wird teuer! Hast Du noch Geld einstecken? Wir müssen ein Taxi nehmen!"
„Mannomann, mit Dir wird es auch nie langweilig. Los!"
Ein schwarzer Mercedes rollte auf uns zu. Kein Taxi. Eine Limousine der Sonderklasse. Etwas Porno, dennoch schick. Johann Karl ließ seinen Fahrer neben uns halten und das Fenster herunter: „Wollen die Damen vielleicht einen privaten Chauffeurdienst in Anspruch nehmen?", die Tür flog auf und wir saßen drin. Braungebrannt, die weißen Hemdärmel nach oben geschlagen, die durch die Jeans abzeichnenden muskulösen Beine leicht gespreizt, dunkle Haare, dunkle Augenbrauen und blaue Augen mit dem gewissen Schelm, so saß er Isabell kicherte in einer Tour und ich schaute einfach aus dem Fenster, während sich die beiden über Paris austauschten. Kribbeln. Sein Fuß, der in einem handgenähten cognacbraunen Lederschuh steckte, berührte meinen, der mit einem roten Wildlederpump bedeckt war. Meine große Zehe zitterte wie der Zappel-Phillip am Tisch aufgeregt hoch und runter. Ich hatte krampfhafte Mühe sie zur Ruhe zu ermahnen.
„Möchten die Damen etwas trinken?"
Wir ergriffen mit leichtem Jauchzen die aus der Minibar direkt in unsere Hände gleitenden Gläser, aufgefüllt bis zum Rand mit Champagner, prosteten unserem Womanizer zu und schluckten genüsslich Tropfen für Tropfen des perlenden goldgelben Getränkes. Während wir wie Teenies dabei kicherten. Ich wollte ihn! Und ich bekomme immer, was ich will! Isabell soll sich da gar keine Hoffnungen machen, dachte ich bei mir und gab ihr das auch per Augenaufschlag – wie wir Frauen das ebenso machen und zwar mit geschärften Messern in den Pupillen – zu verstehen. Vom Flughafen Berlin-Tegel bis Berlin-Zentrum dauerte es noch eine gute Flasche lang. Johann Karl unterhielt sich angeregt mit Isabell, aber seine vor Leidenschaft glühenden Blicke galten mir. Die Limo hielt, wir waren da. Ich ließ Isabell zuerst aussteigen. "Hicks". Mit leicht ausgestrecktem Bein saß ich da und überlegte mir noch, wie ich so elegant wie nur möglich aus der Limo komme. Wieder ein "Hicks". Schluckauf! Bravo! Wie blöd sieht das denn jetzt aus. Ich zwinkerte Johann "Hicks" Karl dämlich angetrunken zu und mit einem „Danke und Tschüss" auf den Lippen hob ich mein Gesäß. Da ergriff er mein Handgelenk und zog mich zurück zu sich. Wir schlossen die Autotür von innen und brausten davon. Was meine Freundin Isabell in diesem Moment dachte, war mir mit Verlaub scheißegal. Seine samtig weichen und formvollendeten Lippen, die nicht zu schmal und nicht zu wulstig waren, kamen näher, ich ließ es geschehen. Mein Körper brannte lichterloh und ich schloss die Augen um mich ihm voll und ganz hinzugeben. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht, wo blieben seine Lippen. Ich öffnete ein Auge und sah direkt in eines seiner tiefbraunen und flammenwerfenden Seelenfenster. Brennende Gänsehaut. Dann berührten sich endlich unsere vor Leidenschaft rotglühenden Lippen. Fast schmerzhaft heiß war auch sein Atem. Für diesen Kuss musste ein anderes Wort erfunden werden. Eine Offenbarung voller Lust und Tiefe und Begierde, die nie enden sollte! Nie! Und doch …
„Du hast mir noch gar nicht deinen Namen verraten. Ich glaube, es wäre jetzt an der Zeit, hm?"Mit seiner sonoren Stimme entfachte er in mir ein Feuer. Scheiß auf den Namen. Nimm mich. Flehte ich ihn in Gedanken an. Seine warmen, großen Hände glitten über den Stoff meiner engen, schwarzen Hose, an meinem Becken vorbei, meinen Rücken hinauf. Eine Hand stoppte in meinem Nacken, die andere bahnte sich den Weg wieder hinab, um unter meinem T-Shirt einen Halt zu suchen. Den sie dann an meinem BH auch fand. Ich hauchte meinen Namen in sein linkes Ohr: „Valerie". In mir loderten Flammen des Fegefeuers, denn ich hatte seinen Ehering am Finger durchaus gesehen. Valerie, sagte ich zu mir, dafür kommst du in die Hölle. Bis zu diesem Moment waren für mich verheiratete Männer tabu. Aber was juckt mich mein moralisches Gequatsche von gestern. Eine professionelle Handbewegung und mein BH schnipste regelrecht auf. In meiner Erregung schwollen meine Brüste um fast eine BH-Größe an, drum war es auch eine wahre Erlösung, sie endlich aus der engen Halterung zu befreien. „Aah, Danke." Seine Hände kreisten sanft auf meinen runden, prallen Brüsten und seine Zunge kreiste meinen Hals entlang. Hilfe, noch null Komma sieben Millimeter und er hatte die Stelle an meinem Hals erreicht, die den Einsatz von K.-o.-Tropfen bei mir komplett erübrigen würde. Einmal an diesem hocherogenen Punkt angekommen und ich bin komplett ausgeliefert. Plötzlich kamen wir ruckartig zum Stehen. „Huch." Ich konnte mich gerade noch an seinem rechten Oberschenkel festhalten. Johann Karl drückte einen Knopf und die Scheibe zum Fahrerraum senkte sich.
„Was ist? Warum hältst du?"
„Ihre Frau fuhr einige Meter vor uns, Sir. Ich habe diese Parklücke hier kurzzeitig ausgewählt."
„Gut."
Die gläserne Trennwand ging wieder nach oben und ich zog mich an. Mir war es zu heikel, mitten im Stadtverkehr von seiner Ehegattin erwischt zu werden. Lust hin und Lust her. Und ich machte mich daran, auszusteigen. „Bleib", er hielt mich fest, als ich den Griff der Tür in die Hand nahm. Wenn er wirklich darauf besteht, dann bleibe ich natürlich, dachte ich bei mir. Und das Feuer war wieder da. „Jetzt", mit einem Augenzwinkern stieß er mich leicht in die Seite und öffnete mir die Tür. Ähm. Da stand ich nun am Straßenrand und kam mir vor wie eine ungeliebte Bordsteinschwalbe. Frechheit, mich erst so anzumachen und mich dann unverrichteter Dinge so stehenzulassen! Ich ergriff mit der rechten Hand mein Medaillon und hielt mich daran fest. Mit hochrotem Kopf überquerte ich fluchend die Straße und fuhr mit der U-Bahn heimwärts. Unterwegs kaufte ich mir – ganz nach dem gängigen Frauenbild – eine Flasche Prosecco und eine Packung Himbeereis. Zu Hause angekommen wartete ich erst gar nicht die richtige Trinktemperatur des Prosecco ab, wozu hatte ich das Eis gekauft? Und so ließ ich gleich den Korken knallen, trank aus einem mundgeblasenem Kristallglas – ein Geschenk von Liselotte – hastig zwei, drei Schlucke und löffelte das sahnige Eis hinterher, um den Prosecco in meinem Bauch auf die richtige Temperatur und mich auf gute Laune zu bringen. Valerie, wenn du jetzt kotzen musst, dann bist du selber schuld. Das Telefon klingelte, mein Festnetz (heutzutage eine Seltenheit). Ich überlegte kurz und ging dann doch noch ran, mit einem fast hysterisch klingendem „Ja, bitte".
„Vielleicht kannst du mal an eines Deiner Sprechfunkgeräte namens Telefon gehen?!!"
„Bin ich doch!" Und die nächste Ladung Eis landete hinter meinen Zähnen.
„Menschenskinder, Valerie! Erzähl, wie war es?"
„Mmmm. Wie wohl?" Noch ein Löffel Himbeereis hinterher gestoppt, dann spricht es sich besser. „Nisch soo pfoll."
„Was?"
„Man!" Ich schluckte hinter und wiederholte: „Nicht so doll, sonst säße ich ja nicht schon wieder daheim und spachtele Eis in mich hinein." Meiner Freundin Isabell erzählte ich das Nötigste, die harmlose Variante und die ging so. „Also, wir haben uns in seiner Limo nur unterhalten über Gott und die Welt und hat mich ganz Gentleman zu Hause abgesetzt. That´s it." Scheiße eins! Wenn Isabell das wahre Ende wüsste, die brächte es noch zustande und lachte mich aus. Tags darauf fand ich in meinem Jackett die Visitenkarte des Pantoffelheldens und erneut kribbelte bei mir alles. Eine ganze Woche riss ich mich zusammen, trank nach der Arbeit artig Bio-Limo oder Wasser und machte einen großen Bogen um Alkohol (ansonsten wäre ich schwach geworden). Dann war es so weit. Sieben Tage nach unserem "tiefgründigen Gespräch" schickte ich Johann Karl eine Nachricht über "Ats Whöpp". Ich erhielt eine Lesebestätigung, sah, dass er online war und wartete. Es kam folgender Wortlaut zurück: „Ich bin mit Frau und Kegel auf Ibiza. In einer Woche bin ich wieder da und dann möchte ich da weitermachen, wo ich letztens leider aufhören musste. LG J.K. P.S. Ein unanständiges Foto von Dir würde mir die Zeit hier sehr versüßen …"
Eine Woche noch? Na, da werde ich mal in meiner Fotogalerie nach einer schönen Aufnahme von mir Ausschau halten. Hatten sich in letzter Zeit (ich verbrachte einige Zeit auf anzüglichen Single-Seiten im Internet) genügend angesammelt! Nehmen wir das hier. Noch anständig, doch unanständig genug. Eine Frau sollte wissen, welche Positionen erotisierend wirken und welche nicht. Ein pralles Dekolleté, ohne zu viel zu zeigen. Und abgeschickt mit den Worten: „Er wäre nun an der Reihe". Und so vergingen die sieben Tage dank frivoler Texte und Bilder auf prickelnde Art und Weise relativ schnell. Am Ende waren wir beide dann doch bei komplett nackt und Porno angelangt, jedoch ohne Gesicht zu zeigen. Das Allerwichtigste heutzutage! Dann war es soweit. Mittwochabend. In schwarzer Hose, weißem Hemd und einem Champagner stand er im Wohnzimmer meiner gediegenen Altbauwohnung in Berlin-Mitte, die ich schon seit 7 Jahren bewohnte und hin und wieder vermietete, wenn das Geld knapp und ich auf Reisen war. Nach einer schnellen und sehr heftigen Nummer auf dem Sofa, folgten weitere auf dem cremefarbenen Flokati-Teppich, einem Geschenk von Isabell. Eine weitere und völlig verdrehte Session folgte auf meinem geliebten Leder-Lese-Sessel und der Wohnzimmertisch musste auch noch daran glauben. „Puha!" So lassen sich Kalorien mit Spaß verbrennen. Kurze Champagner-Pause und weiter ging’s. „Hossa!" Wir saßen auf meiner neuen und nun mehr "eingeweihten" weißen 3-er Sitzcouch und besahen aufmerksam unsere nackten Körper. Er streichelte mir sanft über das Gesicht und Hals und über meine Brüste, während er mir erzählte, dass er sich vorstellen könnte, jeden Mittwoch bei mir vorbeizustoßen um auf aufregende Art und Weise zu kommen. Seine Frau litt unter Depressionen und wollte – wie er bereitwillig erzählte – nicht mehr so ran und wenn, dann nur in Löffelchenstellung. Diese Stellung war ihm mittlerweile so verhasst, dass wir diese nie ausprobieren würden. Und da er ein Mann Anfang 50 und somit im besten Alter und Safte war, wollte er sich zwischen Arbeit und Familienfrohsinn befriedigenden Spaß mit einer aufregenden Frau erlauben. Einer Frau wie mir, mit der er sich alles vorstellen könnte.
„Und wenn ich alles meine, Liebes, dann meine ich alles. Also Mittwoch, ja?"
„Okay. Dann bist Du ab sofort mein Mittwochsmann."
„Wie? Hast Du noch andere?"
„Nein. Ich meine nur …"
„Gut. Komm her." Er drückte mich an sich und wir küssten uns wie zwei ausgehungerte Liebeskarnickel. Ich spürte seinen wieder anschwellenden Lustknaben und kam im Schlafzimmer wieder zu mir. Oh ja, genauso wollte ich geliebt werden bis zur völligen Ekstase, der Ohnmacht nahe und noch halb benommen raunte ich ihm entgegen: „Oh, Liebling, Du kannst von mir aus kommen, zu mir, in mir, wann immer Du willst."
„Das klingt vielversprechend", raunte er mir ebenfalls vollkommen erschöpft zu und schlief
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: GAB, Romy van Mader
Bildmaterialien: GAB, Romy van Mader, Danke an Pexels & Pixabay, Danke an @kowalievska
Cover: GAB, Romy van Mader
Lektorat: K. Armenti
Tag der Veröffentlichung: 14.04.2018
ISBN: 978-3-7438-6543-3
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
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