Es war kalt. Aber nur für mich. Ich sah noch vorhin auf das Termometer und es zeigte gute 18Grad an, aber für mich waren es gefühlte -15Grad. Wiso nur? Lag es an den Streit mit meinen Eltern? Die schlechten Noten in der Schule? Oder wurde ich nun wirklich wahnsinnig, wie es alle in meinem Jahrgang behaupteten? Ich war ein ganz normales Kind... so normal, dass andere es widerrum als unnormal empfinden. Sie erfanden Dinge, wie ich könnte Geister sehen oder mit Tieren sprechen, nur um etwas zu sehen, was mich von ihnen unterscheidete.
Sie wollten mich nicht.
Es war mir aber grade egal. Ich stand hier im Wald oben, ganz oben, wo sich die vielen Felsen befanden, und spürte die Kälte. Schon öfter hab ich sie gespürt; sie war nicht wie die normale Winterkälte oder die Kälte, die einen in den Knochen festsitzt, wenn man durch den Regen läuft. Nein, diese streichelte mich, stimmte mich froh und ließ mich meine Sorgen vergessen. Meine Mutter sagte, ich wäre verrückt, als ich es ihr erzählte und schickte mich ohne Abendbrot in mein Zimmer, vor ein paar Jahren, als ich noch klein war. Aber ich wusste, dass ich recht hatte. Ich wollte, dass es so war, also war es so.
Mein einziger Traum, den ich noch hatte.
Man hatte mir meine Freude ans Leben genommen. Ich wusste nicht mehr, warum ich lebte, geschweige denn, wofür. Eine wichtige Frage, wenn man 14 ist und darüber nachdenkt, wie sein Leben ablaufen soll. Doch ich fand nur die eine Antwort: ich liebte die Kälte... die mit der Seele. Also stand ich nun hier und genoss sie.
Vögel zwischerten, der Wind bließ durch die Blätter und durch meine Haare. Bestimmt gehörten die Kälte und der Wind zusammen. Sie waren beide wunderschön, und beide gaben mir ein Leben.
Doch war mein jetziges Leben wirklich das Leben, was sich mir wünschte? Ich glaubte nicht daran, schließlich lief so gut wie alles falsch. Ich hatte nichts, was mir bedeutete, außer den Wind und die Kälte.
Es fing an zu stürmen, aber ich sah keine Wolken, die auf Sturm oder Regen hätten deuten können. Warum also spielte der Wind seine Kräfte aus?
Vögel, sehr viele Vögel, stoben gen Himmel aus, was wahrlich nicht normal war. Doch ich empfand keine Angst; eher breitete sich in mir eine Gewisse Erregung aus, Adrealin und Glücksgefühle nahmen meinen Körper ein.
Alle Vögel flogen zu mir. Nie hatte sich eine so große Anzahl an Vögel gesehen. Sie umschwirrten mich und die anderen Felsen.
Der Wind umpfing mich ebenfalls, er wurde immer stärker, wollender.
Ein Gedanke nahm Gestalt an in meinem Kopf. Er schwoll an mit der gleichen Schnelle wie der Wind. Ich spürte nichts mehr; nur noch diesen einen Wunsch, den Wind und die Kälte, die meinen Körper beherrschte.
Sie kämpften. Das spürte ich.
Mein Verstand und der Wind, neben der packende Kälte mit diesen einen Gedanken, der sich in meinem ganzen Körper ausbreiten sollte.
Ein Teil von mir, eben mein Verstand, wollte kein neues Leben, keine Veränderungen, doch mein Herz jubelte bei dem Gedanken. Das war es vermudlich auch, was das Toben in mir beendete.
Die Kälte nahm sich meiner Selbst. Plötzlich war ich ein kleiner Teil einer ganzen großen Welt und wollte nichts anderes, als mich des Bodens unter meinen Füßen zu entledigen und zu springen. Denen die gleich meiner zu folgen.
Der Wind bließ nur noch in eine Richtung; geradeaus hinaus in die Welt.
Die Vögel drehten noch eine Runde um die Felsen und folgten dann einem Weg, den er vorhergesehen hatte.
Die Kälte beherschte meinen Körper und gab die Anweisungen. Doch ich brauchte sie nicht. Selbst wenn dies der Anfang eines neuen Lebens war, ich wusste genau, was ich tun musste, welche Muskeln zu bewegen waren und welche Gedanken zu denken.
Ich sprang und folgte meinem neuen Leben, hinaus bis ans Ende dessen, was vor mir lag.
Ich war glücklich.
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2009
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