Vielleicht wusste er es nicht, aber er hatte ein unglaubliches Lächeln.
Was er definitiv nicht wusste, war, dass es mich gab.
Tag für Tag dachte ich an ihn.
Tag für Tag stand ich morgens vor dem Schrank und dann vor dem Spiegel und überlegte wie ich seine Aufmerksamkeit erregen konnte, ohne dabei eine Andere zu werden.
Tag für Tag sah ich ihn an, nahm mir vor seinen Blick zu fangen und senkte oder drehte dann doch den Kopf, wenn er mir auf dem Flur entgegen kam.
Wenn ich es doch einmal schaffte, meinen Blick aufrecht zu halten, geschah es doch nicht, dass er mich, wie in meinen Träumen, auf der Stelle ansprach und wir zufällig (oder auch durch seine Absicht) ins Gespräch kamen. Aber ich traute mich nicht einmal ihm in die Augen zusehen, einmal davon abgesehen, dass er nie Augen für mich hatte.
Manchmal beobachtete ich ihn von weitem und staunte über seine Unbefangenheit mit anderen Menschen, mit anderen Mädchen, zu reden und umzugehen. Eifersüchtig war ich nicht, dazu fand ich mich gar nicht berechtigt. Ich hatte mir nicht verdient von ihm beachtet zu werden.
Nicht in dem Sinne, dass ich seiner erst würdig werden musste.
Nein, nur den Mut aufbringen musste ich, ihm zumindest mein Gesicht zu zeigen.
Mal dachte ich Tage lang nur an ihn und schwelgte in den Erinnerungen seines Anblicks, seines Lächelns, an den Klang seines Lachens, den ich aufgeschnappt hatte.
Mal dachte ich dann Tage gar nicht an ihn und bekam Ohrensausen, lief er mir dann über den Weg.
Ich kannte nicht seinen Namen, ich wusste nicht einmal in welche Klasse er ging.
Meine Freundinnen merkten nichts, nicht dass da wirklich was zu bemerken gewesen wäre.
Ich war keines der Mädchen, die zusammen mit ihren Freundinnen einen Jungen anhimmelten.
Ich war immer die Gleiche und immer eine Andere, undefinierbar, zumindest fühlte ich mich so.
Im Winter trug ich Jeans und Pulli, im Sommer Jeans und T-Shirt. Und manchmal fühlte ich mich zum Heulen zu Mute, weil ich so normal, ja gar trist war.
Nach einem Jahr des stillen Bewunderns, beschloss ich mich von ihm los zu sagen und verbot mir ihn anzusehen, auf ihn zu achten, ja auch nur an ihn zu denken.
Es ging mir so gut wie schon lange nicht mehr, den Kopf frei für Alles und angefüllt mit Allem außer ihm und das tat gut. Auch wenn ich ihn manchmal vermisste, in meinem Kopf.
Und dann… dann passierte das, was ich mir schon längst nicht mehr wünschte; er kam zurück.
Besser gesagt, wir begegneten uns.
Das erste Mal, dass er mir wirklich in die Augen schaute, mit hundertprozentiger Sicherheit mir, entstand aus einem absoluten Klischee, als mir meine Bücher und Zettel aus den Armen rutschten. Mitten auf dem Gang kniete er plötzlich neben mir und klaubte schnell und geschickt meine Papiere zusammen. Dass er es war, den ich solange aus der Ferne betrachtet hatte, realisierte ich erst, als wir uns beide aufrichteten.
Ich konnte das Strahlen seiner Augen fast auf meinem Gesicht spüren.
Vielleicht war es aber auch nur das warme Blut, das mir in die Wangen schoss.
Gleichzeitig wurde mir schwindelig, da mein restliches Blut, nach dem Aufrichten, in die Beine stürzte.
Verlegen strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und zwang mich meinen Kopf erhoben zu halten und nicht einen Schleier meiner Haare davor zu schieben.
>Vielen Dank. < sagte ich lächelnd und mit mehr Selbstbewusstsein, als ich es mir zugetraut hatte.
>Immer wieder gern. < erwiderte er, mit einer Stimme deren Klang mich fast in den Rausch stürzte und die doch so wirklich klang, dass sie mich gleichzeitig am Boden hielt.
Und tatsächlich galt sein Lächeln in diesem Moment mir, nur mir.
Als ich am nächsten Tag, verstreut wie ich manchmal war, aus Versehen in jemanden hineinlief und den Kopf anhob um mich schnell zu entschuldigen, strahlte er mich wieder an.
>Es tut mir leid. < brachte ich verwirrt heraus.
>Immer wieder gern. < sein Grinsen noch breiter als am Tag davor, versetzte mein Herz in ein Rasen, welches meinen Puls zum flattern brachte.
Ich schaffte es einfach nicht meinen Blick von seinem zu lösen, genauso wenig, wie es mir vorher unmöglich gewesen war, ihn aufzufangen und fest zu halten.
Ich weiß nicht, wie ich es fertig brachte, denn trotzdem war ich diejenige, die einen Schritt aus unserer Nähe zurücktrat und dann weiter ging.
Nicht ohne noch ein Lächeln von ihm über meine Schulter zu erhaschen, bei dem er wieder nur mich anzusehen schien.
Vielleicht hatte das Glück ein schlechtes Gewissen und meinte es nun gut mit mir, wo es mich so lange vernachlässigt hatte, ich vermochte es nicht zu sagen.
Am nächsten Montag traf ich ihn am Schuleingang, vertieft in die Zeitung die am schwarzen Brett aushing.
Nur aus Gewohnheit stellte ich mich zu den anderen, die dort standen und hatte ihn gar nicht bemerkt, bis er mich von der Seite her betrachtete, alsdann ich mich irritiert umdrehte.
>Hey. < grüßte er. Im ersten Moment zu sprachlos, um zu antworten, erwiderte ich sein >Hey. < fast schon zu spät. Eine Weile lasen wir noch, nebeneinander stehend, die Zeitung.
>Kannst du mir vielleicht kurz einen Stift leihen? < fragte er plötzlich und wieder hatte ich das Gefühl zu spät zu reagieren.
>Klar. < schnell kramte ich einen Kugelschreiber heraus und er nahm einen der Zettel, die unter der Pinnwand für neue Anzeigen hingen und kritzelte etwas darauf.
>Hier. < sagte er und gab mir den Stift zurück.
>Immer wieder gern.< brachte ich zu meiner eigenen Überraschung mit einem Grinsen heraus, als er mir den Zettel auch noch in die Hand drückte und sich mit dem ersten Klingeln zum gehen wand.
Staunend blieb ich noch einen Moment zurück bevor ich in meine Hand hinab auf das Papier blickte...
Ich freue mich schon auf unser nächstes Treffen ;)
Tag der Veröffentlichung: 08.12.2009
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