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Fahrstuhlknöpfe

Da, endlich war der Fahrstuhl angekommen.
Zu spät bemerkte sie, dass die eine der beiden Personen, die noch im Fahrstuhl standen, Chris war.
Jetzt war es zu spät einen Schritt rückwärts zumachen und wieder auszusteigen.
>Hi. < war das einzige was sie, und viel zu spät, damit es noch wie ein unbeteiligter, unbestimmter Gruß wirken konnte, herausbrachte.
Sein Atem ging flach, als wäre er gerannt oder hätte sich im Streit aufgeregt.
Wieso achtete sie darauf, auf sowas?
Sie wollte doch nicht mehr auf ihn achten, wie es ihm ging. Sie hatte es sich doch verboten.
Der andere Mann im Fahrstuhl war dick und in einen zu engen Polyesteranzug gezwängt.
Sie schreckte hoch, als er sich unangenehm und geräuschvoll räusperte, weil sie vergessen hatte den Knopf, zur Schließung der Fahrstuhltür, zu drücken. Sie hatte auch vergessen zu atmen.
Schnell drückte sie auf EG und dann den Räusperknopf.
Am liebsten hätte sie sich gegen die Stirn geschlagen um Chris aus ihrem Kopf zu hämmern, zu verbannen, dabei stand er doch genau hinter ihr. Sie schaffte es grade noch es sich zu verkneifen.
Der Klops im Pellanzug glotzte sie sowieso schon so blöd aus seinen geröteten Schweinsaugen an. Wahrscheinlich wegen ihrer zerrissenen Hose und dem Lippenpiercing. Sie grinste ihn schief an und zeigte ihm dabei die Zähne. Der Klops drehte sich hüstelnd weg.
Chris stand immer noch hinter ihr, ihn konnte sie nicht wegblecken.
Außer ihrem „EG-Knopf“ leuchteten noch die für den zweiten und dritten Stock, sie war im fünften Stock eingestiegen. Warum hatte sie nicht die Treppe nehmen können?
Bitte! Bitte! Bitte! dachte sie nur, Bitte! Lass Chris im dritten austeigen! Sie war lieber mit dem Klops als mit ihm allein ihm Fahrstuhl. Sie wusste nicht wie sie sich verhalten sollte. Bitte! sie sprach es fast laut aus, wie sie ihre Lippen bewegte konnte er jedoch nicht sehen. Vielleicht ihre Hände die sich zu Fäusten verkrampften. Bitte! Der Fahrstuhl kam mit einem knackenden Geräusch zum Stehen.
Ihr schlug das Herz bis zum Hals und es war nicht Chris, der einen Schritt hinter ihr nach vorne tat und den Fahrstuhl verließ, die Tür öffnete sich mit einem „Pling“, der Klops ließ sie mit ihm allein zurück.
Am liebsten wäre sie los gerannt, durch das Treppenhaus, schneller wäre sie auf der Straße als er im zweiten Stock ausgestiegen. Die Tür schloss sich nicht… Sie drückte sich mit der einen Hand den Daumen der anderen, sie hatte mal gehört, dass das gegens Rotwerden hilf. So stand sie da, mit gesengtem Kopf und drückte sich den Daumen. Chris machte einen Schritt um sie herum und drückte den Knopf, den sie eben schon vergessen hatte zu drücken. Endlich oder auch nicht, schloss sich die Tür.
Irgendwie hatte sie grade ein Déjà-vu; vor einem halben Jahr war sie mit ihr noch einem wild-fremden Chris in genau diesem Fahrstuhl stecken geblieben. Allein mit ihm, nach zwei Minuten Panik und einem ca. 28-menütigen Anschweigen hatte sie schliesslich >Ich sehe was was du nicht siehst und das ist grün.< gesagt und die restlichen zwei Stunden hatten sie damit zu gebracht sich neue Farben auszudenken und den Notdienst über die Sprechanlage verrückt zu machen.
Er sah ihr ins Gesicht.
Scheiße! Mittlerweile kannte er sie zu gut.
>Mia…< sie kaute auf ihrer Unterlippe, das hatte sie verraten. Sie reagierte nicht, auch als er versuchte ihr direkt in die Augen zu sehen. Sie hielt weiterhin den Blick gesenkt, kaute auf ihrer Unterlippe und drückte verzweifelt den Daumen, sie hatte nicht das Gefühl, dass es half. Was sollte sie tun? Nun konnte sie ihn unmöglich länger ignorieren.
Spätesten jetzt wusste er was los war.
Chris griff nach hinten und legte den Hebel um, der den Fahrstuhl zum Stillstehen zwischen den Etagen brachte, die gelben Lampen erloschen und die weißen Notleuchten plinkten antriebsschwach an. Sie hörte auf mit dem Kauen und presste stattdessen die Lippen aufeinander, hob mehr oder weniger tapfer den Kopf.
Er atmete nun ruhiger, aber er schien noch aufgeregter, hektisch tanzten seine Augen hin und her und sahen doch nichts anderes als in ihr Gesicht. Jetzt musste sie ihn doch ansehen, sie konnte nicht anders. Dunkle, blaue Augen.
>Was ist los mit dir?! Warum ignorierst du mich? <
>Das tue ich nicht, ich hab dich gegrüßt. < versuchte sie seiner fast verzweifelten Frage auszuweichen.
>Nein! < sagte er laut, schrie es fast. Viel leiser dann nocheinmal; >Nein! Du gehst mir aus dem Weg, schon seit über zwei Wochen, seit was? Was ist los? Was habe ich getan? <
>Ich halts einfach nicht aus in deiner Nähe. <. Da! jetzt wars raus. Jetzt wusste er bescheid.
>Was warum? < hauchte er, er klang so verzweifelt. Das hatte sie nicht gewollt, sie hatte ihn nicht verletzten wollen.
>Ich dachte wir währen Freunde.< schnauzte er verächtlich und schlug den Schalter mit Gewalt wieder in seine Position zurück.
Ohne dass sie sich dagegen wehren konnte standen ihr plötzlich die Tränen in den Augen.
>Ja Freunde. < wisperte sie.
Nun sah sie ihn direkt an. Unverwandt, aber jetzt war es an ihm ihr den Rücken zuzuwenden. >Du bist so dumm dass es schon wieder süss ist. < lächelte sie wehmütig seine Lederjacke an, bis er sich zögrnd wieder zu ihr drehte und sie wahrnehmen konnte wie sie sich, kaum merklich, seine Augen weiteten.
Sie wagte es nicht zu blinzeln und ihre Augen wurden gleichzeitig trocken und füllten sich weiter mit Tränen, dass sie kaum noch sehen konnte.
>Ich dachte du hättest geahnt was los ist und hast mich deshalb in Ruhe gelassen. <
Ganz langsam bewegte er den Kopf hin und her und ließ ihn dann doch wie zu einem Nicken sinken.
>Es tut mir leid, ich dachte du wolltest nicht mit mir reden und dann dachte ich du wolltest mich zur Rede stellen und dann wollte ich einfach nur weglaufen. Ich weiß nicht… < sie wusste nicht was sie sagen, wie sie es am besten erklären sollte.
Da küsste er sie. Legte seine warmen Lippen auf ihre und zog sie zu sich heran.
Momente vergingen, in denen sie regungslos da stand, unfähig zu atmen, bis sie plötzlich zurück wich und nach Luft schnappte.
>Tut mir leid, < seine Stimme zitternd, halb ein Flüstern >ich hab gedacht… Ich hab falsch gedacht! Ich wollte dich nicht zwingen<.
Nach dem ersten Schock schüttelte sie nur Leicht mit dem Kopf, auf einmal konnte sie atmen, denken, ihr Herz schlug wieder im richtigen Takt und sie wurde merkwürdig ruhig. Sie streckte ihre Hand aus und zog ihn sacht am Reisverschluss seiner Lederjacke zu sich. Sie musste über ihre Benommenheit und sein Zögern lächeln und wurde sich wieder der Tränen bewusste die ihr nun übers Gesicht liefen.
Noch näher zog sie ihn zu sich, legte ihre Hand an seine Wange und spürte wie sich seine Hand an ihre legte, wie seine Finger warm die Tränen weg wischten.
>Das kam zu plötzlich, ich dachte... < flüsterte sie an seinem Ohr, brach ab, schlang die Arme um ihn und küsste seine Wange, bevor ihre Lippen erneut auf seine trafen.
Dieser Kuss war kaum mehr als ein sanfter Hauch und es war ihr als könnte sie sein Lächeln schmecken. Nach einem endloslangem und gleichzeitig vielzu kurzem Augenblick löste er sich von ihr.
>Sag mir nur noch eins.< bat er sie lächelnd, >Hast du es eilig?<
>Nicht besonders.< grinste sie zurück >Warum?<
>Weil der Fahrstuhl wieder stecken geblieben ist.< ....

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.11.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für Pauline und Sarah

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