Wind und Meer
>Komm komm. Wir gehen jetzt raus. < rief er mir zu und ich lief ihm, nach kurzem Zögern, hinterher, schlüpfte in meine Stiefel und nahm meine Jacke vom Haken.
Mo stand schon draußen auf der Terrasse und wartete. Der Schnee war nun restlos weggetaut, sogar das Häufchen, das von unserem Schneemann übrig geblieben war.
>Komm schon, was brauchst du denn solange? < beschwerte er sich ungeduldig und lief schon voraus, während ich noch die Tür schloss und meine Stiefel zu schnürte. Er brauchte ganz dringend Bewegung und Abstand vom Haus.
>Jetzt warte gefälligst mal! < rief ich ihm hinterher und fröstelte als ich ihm nacheilte, schnell zog ich den Reißverschluss meiner Jacke zu, was mich zumindest vor kalten Windstößen schützte. Mehr Schutz hatte mein dünner Anorak jedoch nicht zu bieten. Mo dagegen hatte sich bei dem eisig feuchten Wind nur die Jacke über den Arm gehangen und trug nicht mehr als Jeans und Pullover.
Die Wolken am Himmel zogen sich immer mehr und mehr zusammen, es war kaum noch etwas anderes als die schweren grauen Massen am Himmel zu finden.
In dichten nassen Bauschen sammelten sie sich und türmten sich, im immer stürmischer werdenden Wind, zu beängstigenden Ungetümen auf. Doch der Wind kam von Westen und trieb sie auf das Meer hinaus. Vom Garten aus konnte man davon aber nicht viel mehr erkennen, als eine graue Oberfläche. In meinen wenigen Wochen hier war ich nie weiter als bis zum Abhang gekommen, der sowohl den Garten abgrenzte, als auch in einen kleinen Wald überlief.
Mo war schon schnellen Schrittes mehrere Meter voraus und ich verfiel ins Laufen bis ich auf seiner Höhe wieder zum bremsen kam.
Was er sehr lustig fand, denn er sprintete gleich wieder vorne weg. Diesmal rannte ich ihm ohne Zögern hinterher und war bald wieder gleich auf mit ihm, während wir ein kurzes Stück durchs Unterholz rasten und dann einen leicht ansteigenden Weg durch eine Wiese hinter uns brachten. Nach weiteren zwei bis dreihundert Metern wurde der Weg zuerst leicht abschüssig und dann gefährlich steil abfallend und ich schlidderte und stolperte rennend und ohne Halt über den nassen Boden, Mo hatte nun wieder einige Meter Vorsprung und ich zog noch einmal nach.
>Pass auf, da ist ein Hang! < rief er plötzlich, als wir um eine weitere Kurve kamen. Ich bog kurz nach ihm um die Ecke und erkannte eine Sandkante nur wenige Meter vor uns und Mo, wie er grade mit vollem Anlauf absprang.
Entweder ich bremste jetzt oder ich riskierte mir die Beine zu brechen.
Ich riskierte es einfach und sprang, ohne abzubremsen, von der Sandkante ab, ohne zu wissen wie tief der Boden darunter abfiel. Ich landete weich, auf den Füßen, aber mit einem, nicht allzu angenehmen, Aufprall im Sand. Völlig außer Atem ließich mich nach hinten fallen.
Mo saß keinen Meter von mir entfernt und grinste, genauso nach Sauerstoff ringend wie ich. Jetzt setzte der Schwindel ein, mein Blutkreislauf stürzte grade vom 12. Stock aus in den Keller und ich schloss die Augen, wartete einfach bis es vorbei war. Das Lächeln, das sich um meinen Mund bewegte, bemerkte ich erst, als ich wieder klar denken konnte. Mos wie meine Atemzüge verliefen wieder ruhiger, dann begann er zu lachen.
>Du bist ganz schön schnell, Kleine. < ich drehte ihm das Gesicht zu, er lachte in sich hinein.
>Ich bin gar nicht so klein.
Tag der Veröffentlichung: 23.09.2009
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