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‎Sonntag, ‎27. ‎März ‎2011
21:50:29 Uhr


Vom Altar in den Knast...





Auch wenn diese Erlebnisse aus dem Anfang der 1980er
stammen, so sind sie in meiner Erinnerung so deutlich
verankert, als wenn es gestern geschehen wäre...

Damals hatte meine erste Ehefrau einen Kollegen,
der sich über eine Abfindung vom Arbeitgeber trennte;
mit diesem Geld eröffnete Martin ein Reisebüro.
Er fragte mich,
ob ich für dieses Büro einen guten Mitarbeiter wüßte,
na klar, und ob,
ich bot mich selber an.
Zwar hatte ich gelernt Stahl zu verkaufen,
doch einmal gelernt ist niemals verlernt und die Materie ist
immer austauschbar, die Prinzipien bleiben dieselben.

Schon nach etwa einer Woche als Jungunternehmer passierte
dem Martin ein echtes Unglück,
er verlor seine gesamte Einrichtung komplett mit dem Büro
durch eine Gasexplosion.
Anstatt das Geld aus der abgeschlossenen
Betriebsunterbrechungs-Versicherung in Anspruch zu nehmen,
ließ er sich durch Vermittlung des Oberbürgermeisters
von R. ein neues Ladenlokal vermitteln.

Dieses Büro war in einem neu erbautem Geschäfts-Center,
direkt in der City von R. gelegen und entsprechend hoch war
die monatliche Miete.
Die Vorgänger dieses Ladenlokals waren offensichtlich noch
rechtzeitig vom fahrendem Zug gesprungen,
es war das Reiseunternehmen Neckermann;
komplett eingerichtet, sogar der Telefonanschluß war noch
vorhanden und aktivierbar.

Mit mir saß noch ein Kollege im Büro,
ein Libanese aus Beirut, der sich Mike nannte.
Mike war so gut wie jeden Tag breit,
grinste und rauchte Zigaretten, die einen so merkwürdig süßlichen Duft verbreiteten.
Der Chef Martin war nur selten anwesend,
eines Tages gleich für Wochen nicht,
denn der Herr hatte sich einen Urlaub in Thailand genehmigt.

Eines Vormittags ging ein Anruf ein,
sehr schlecht vernehmbar, der Anrufer war Martin,
er jammerte, er habe sich am Pool den Kopf gestoßen und
hätte nun eine Gehirnerschütterung.
Die würde bedingen, dass er noch ein paar Tage dort bleiben
müsse.
Wir sollten ihm doch so an die DM Tausend schicken...

Wir brachten ihm schonend bei,
dass niemand von uns, seinen Angestellten, über so viel Geld
verfügten. Und sein Hinweis auf irgendwelche Einnahmen,
durch verkaufte Reisen, ging auch fehl,
wir hatten keine zahlende Kunden gehabt...

So kam der Jungunternehmer also zurück,
immer noch wehleidend und bat mich um ein Gespräch bei
einer Tasse Kaffee.
Diese Einladung nahm ich gerne an,
doch um so überraschter war ich, als er dann sein Anliegen
schilderte.
Er brauchte unbedingt DM 6.ooo für die Miete des Büros;
mein Vorhalt, warum er denn nicht die DM 5oo von der Versicherung als Betriebsunterbrechung genommen hätte
er hätte da eine Möglichkeit, von einer Bank an Geld zu kommen. Jedoch bekäme er selber keinen Kredit mehr,
statt dessen solle ich diesen beantragen.

Gerade kurz zuvor war ich durch eine Ablösung endlich wieder
zu einer "sauberen" Schufa-Auskunft gekommen,
da bettelte er mich so an.
Das Ende vom Lied war,
ich unterschrieb diesen Antrag, erhielt 8.ooo DM,
davon gab ich dem Martin 6.ooo.
Für die verbleibenden 2.ooo DM hatte ich schon einen recht
guten Verwendungszweck...


In den aller höchsten Tönen versprach Martin für die Ratenzahlungen zu sorgen, ja er nahm gleich die Überweisungs-
Formulare an sich, die einen ziemlichen Stapel ausmachten.

Es dauerte nicht lange,
etwa vier Wochen, da legte ich meinem Chef die Kündigung vor,
das Schiff war längst schon aus dem Ruder gelaufen und begann zu sinken.

Mein vollstes Vertrauen hatte ich Martin mit diesem Geld gegeben, wie sehr er es missbrauchte erfuhr ich nach etwa
sechs Wochen.
Mittlerweile war ich zurück nach B. gegangen und hatte meinen
Job bei zimbo wieder aufgenommen.
Von der Arbeit heimgekehrt nahm ich eines Tages ein entspannendes Bad,
da kommt meine Heidi mit einem Brief in der Hand, geöffnet,
und setzt sich mit Slip und T-Shirt zu mir in die Wanne und sagt:
"Du hast Post aus München!"

Es war eine Mahnung der Münchener Kreditbank,
sie mahnten die erste Rate des Kredits an...
An dieser Stelle sollte ich betonen,
dass es meine Heidi war, die mir die Möglichkeit geboten hatte, mit knapp 1.ooo DM aus einer älteren Kreditgeschichte
heraus zu kommen;
mit dem ausdrücklichem Versprechen,
nie wieder einen Kredit auf zu nehmen.

Das war also der Beginn einer Scheidung,
was Martin allerdings nicht interessierte,
er betonte immer wieder, er hätte die Raten überwiesen...

Es vergingen etwa zwei bis drei Jahre,
immer wieder belog mich mein Ex-Chef und erzählte mir,
die Ratenzahlungen würden laufen,
merkwürdig war nur, dass die Angelegenheit mittlerweile schon
in den Händen eines Gerichtsvollziehers lag.

Nach der Scheidung von Heidemarie kehrte ich zurück nach B.
hatte im Kolpinghaus ein Zimmer und eines Tages ein Telefonat
mit Martin. Er fragte, ob ich noch immer diese Pistole hätte;
hatte ich, die benutzte ich an Sylvester um Leuchtkugeln zu
schießen, war halt eine Schreckschuss-Waffe.
Er meinte er käme mich am Abend einmal besuchen,
er hätte etwas mit mir zu besprechen...

Bei diesem Gespräch,
er hatte mittlerweile ein kleines Auto,
mit dem fuhren wir zunächst einmal planlos durchs Ruhrgebiet;
brachte er mir bei, er denke nicht daran irgendwelche Schulden zu begleichen,
doch hätte er da für mich ein gutes Angebot, um an Geld zu
kommen:

Er hätte in der Vergangenheit des Öfteren mit irgendjemandem Tankstellen an Autobahnraststätten überfallen,
da wären immer so einige Tausend Mark zu holen.
Weil er ja wüsste, als Arbeitsloser nun auch eine gute Mark
gebrauchen zu können, wollte er mit mir eine solche Aktion
durch ziehen;
seine Instruktion lautete:
Wir gehen da hinein, Du verlangst eine Dose Öl und in dem Moment, wie der Tankwart Dein Geld nimmt und seine Kasse
öffnet, solle ich ihn mit meiner Waffe bedrohen und fordern,
er möge die Kasse geöffnet lassen,
alles andere würde er, Martin dann übernehmen.




Diese Einweisung in den Ablauf gab Martin mir bei einem Kaffee in einer Raststätte.
Es war mittlerweile 01.oo Uhr vorbei,
eiskalt, sternenklarer Himmel und ein Januar des Jahres 1981.


Martin hatte es zum zweiten Male geschafft,
mich zu einer Sache zu überreden, die ich eigentlich nicht wollte.
Wir fuhren zur Raststätte "Dammer Berge"
hielten vor einer Tankstelle und was dann geschah,
passiert nicht einmal in einem Krimi der B-Produktion:

Bis zum Moment, als der Tankwart die Kasse öffnete,
war alles noch in Ordnung.
Martin schritt ein, drängte den Mann in einen Raum und
ich griff mir die Scheine aus der Kasse.
Wir saßen wieder im Auto und fuhren schnellstens davon;
von Martin kam mehrmals die Frage:
"Wie viel ist es denn?"
In der Dunkelheit konnte ich nicht genug erkennen,
wie hoch unsere Beute war.
Mittlerweile fuhren wir in Gegenrichtung an dieser Tankstelle
vorbei und der Ex-Chef stellte fest,
der PKW, der vorhin noch dort vor der Tanke parkte war
plötzlich verschwunden, dann sagte er:
"Du ich glaube wir werden verfolgt!"

Jetzt wollte ich von Martin wissen,
wo und wie er diesen Mann eingesperrt habe,
nun, in einem Raum, vor die Tür eine Leiter geklemmt.
"Na prächtig!" sagte ich,
"der Typ hat sich befreit und nun ist er hinter uns her".

"Sieh Du zu, dass Du schnellstmöglich von dieser Autobahn
herunter kommst! Ich sehe dort eine Ortschaft, dahin fahren
wir und warten gemütlich ab..."

Zwischenzeitlich hatte uns der Angestellte der Tanke
überholt, machte dabei die Geste
"kill you"
und ward nicht mehr gesehen.
In seiner Panik, mit den Worten,
"das ist mir bisher noch nie passiert"
fuhr Martin von der Autobahn auf eine andere,
Richtung Ruhrgebiet.
Direkt in die Ringfahndung der Polizei.





Zwei Polizisten mit Maschinen-Pistolen in den Händen
baten uns auszusteigen, sie würden ein verdächtiges
Fahrzeug mit R.-Kennzeichen suchen.
Vor dem Auto in der bitteren Kälte wartend,
sah ich wie von Außen ein Beamter mit seiner Lampe
auf die Rückbank leuchtete und dabei eine Patrone
Kaliber 22 entdeckte.
So schnell konnte ich nicht mit den Augen zwinkern,
wie ich in Handschellen war.
Ebenso schnell war ich in U-Haft in Vechta,
bekam einen Haftbefehl am Tage darauf und landete
für die nächsten neun Monate in der
JVA Lingen.

Erst zur Gerichtsverhandlung in Oldenburg sah ich Martin wieder, beim Treppensteigen im Landgericht fragte er mich,
ob ich "sauer" auf ihn sei.
Das war der Hammer-Spruch,
der mir vor einer Verhandlung vor der
6. Großen Strafkammer im Landgericht Oldenburg
noch gefehlt hatte.
Ohnehin war mein Pflichtverteidiger ein "Heimchen".

So lautete meine Quittung für diesen Überfall
mit Martin

"Im Namen des Volkes:
5 Jahre Haft wegen schweren Raubes"


Fortsetzung folgt -


Impressum

Texte: alle Rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 28.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
meinem Schatzi-Mausi-Tüdilein

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