Cover



ungefähr so schaute der junge Spion 1968 aus




Genau hier, am Alexanderplatz beginnt die Story...

Ich bin jung, frische noch nicht einmal volljährige achtzehn Jahre alt; lebe hier mittlerweile schon ein halbes Jahr mit Genehmigung meiner Mutter auf mich allein gestellt in Berlin.

Gründe hierher zu kommen gab es viele, wie zum Beispiel der Wehrerfassung zu ent- gehen. Die absolute Freiheit auszukosten, unabhängig von den Eltern zu sein...

Nach eben einem halben Jahr mußte ich wegen Blinddarmreizung ins Krankenhaus. Man lieferte mich in das Städtische Kranken- haus am Wannsee-Ufer ein.


Nach meiner Entlassung verordnete die Ärztin noch die obligatorische "Schonzeit", das bedeutete für mich, zudem weitere 14 Tage nicht arbeiten zu müssen.

Jetzt hatte ich unendlich viel Freizeit.

Eines Tages kam mir in den Sinn, wieder einmal hinüber zu fahren, zum "Alex", wie die Berliner diesen Platz liebevoll nennen.

Als ich dort ankam war er noch immer eine riesige Baustelle. Der "Telespargel", sprich der Fernsehturm war zwar schon fertig doch darum herum baggerten die Bagger noch.


Ich suchte und fand das Gebäude, in dem die Volkspolizei ihren Sitz hatte.

Am Eingang fragte man mich nach meinem Wunsch und ich erklärte, daß ich jemanden sprechen möchte, der mir "Westler" erklären könnte, unter welchen Bedingungen ich Staatsbürger


der DDR werden könnte. Meinen Paß mußte ich bei diesem Mitarbeiter hinterlassen und von nun an öffneten sich die Türen nur noch, wenn irgendwer auf einen entsprechenden Schalter gedrückt hatte...

So kam ich zu einer älteren Dame in ihr Büro. Sofort fiel mir das Bild hinter ihrem Stuhl auf, denn an der Wand hing ein schwarz/weiß-Foto von Walter Ulbricht.

Nun wollte sie von mir wissen, warum ich sie aufgesucht hätte.

Also erklärte ich ihr meinen Grund: Um meinen leiblichen Vater vielleicht doch noch zu finden, wollte ich in die DDR einreisen und glaubte so könnte ich ihn besser und schneller ausfindig machen. Zum Verständnis: Ich wurde 1950 in Thüringen unehelich geboren. Mein Vater versprach meiner Mutter wohl damals er würde ihr später in den Westen folgen, als meine Mutter ihm beibrachte, sie wolle hinüber nach Westdeutschland gehen.


Nur kam er nicht. Bis heute nicht. (Auch bis heute, dem 13. Januar 2009 nicht.)

Diese Frau klärte mich dann auf; nach DDR Recht wäre ich zwar volljährig, allerdings nach dem Recht der BRD erst mit 21 Jahren. Wie gesagt, damals war ich eben mal achtzehn.

Es würde schon aus der Einreise und Einbürgerung etwas werden, wenn ich die Genehmigung meiner Mutter beibringen würde. Nun war nach den Bestimmungen meine Mutter zwar mein Vormund, doch diese Vormundschaft endete mit meinem 18. Lebensjahr. Mit einem Dank für das interessante Gespräch verabschiedete ich mich.

Anschließend suchte ich die Post an der S-Bahn- Haltestelle Friedrichstraße auf. In Berlin-Ost. Von dort aus schickte ich meiner Mutter ein Telegramm nach Bochum, mit dem Inhalt, sie möge mir die Zustimmung für mein Vorhaben geben.


Etwa ein Jahr später, ich hatte Berlin verlassen, zumal mein Arbeitsvertrag bei der Firma Siemens ein Vertrag für 1 Jahr war; lebte ich wieder in Bochum, in meinem Elternhaus.

Meine Mutter gab mir eines Tages einen Brief, sehr deutlich gekennzeichnet mit dem Absender: Der Polizeipräsident der Stadt Bochum.

Als ich diesen Brief durch gelesen hatte, gab ich ihn meiner Mutter, weil ich nicht so recht verstanden hatte, warum, weshalb und wieso...

"Was hast Du denn wohl ausgefressen?" waren die Worte meiner Mama, mit denen sie mir den Brief zurück gab.

Es war eine Vorladung zur Kriminalpolizei in das 13. Kommissariat.

Selbstverständlich kam ich der Einladung nach. Als ich bei den Beamten Platz nehmen durfte, ging es auch gleich los. Sie waren doch am soundsovielten in Ostberlin, zu der und der Uhrzeit?! Ich antwortete:


"Ja, ich war oft in Berlin-Ost, doch woher wissen Sie denn davon?" Daraufhin machte er nur eine Geste an seinem Auge und sagte dazu: "Holzauge sei Wachsam!"

Weil ich die ganze Geschichte, die ich dort erlebte für mich als völlig harmlos sah, berichtete ich von meinem Besuch und dem Grund bei den VoPos.

Ich unterschrieb ein Protokoll und konnte wieder gehen.

Nach vielleicht 6 Wochen darauf erhielt ich Post vom Leitenden Oberstaatsanwalt aus Dortmund.

In diesem Schreiben stand, das gegen mich eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Landesverrates sei aufgrund meiner Aussage eingestellt worden. Gleichzeittig wurde in dieser Mitteilung auch auf einen Paragraphen des Strafgesetzbuches hingewiesen. So stand dort also: Vergehen gegen § 99 StGB.


Als Laie interessierte mich brennend auf was der Paragraph 99 wohl hinweise. In unserer Siedlung wohnte jemand, der studierte Jura. Den suchte ich also auf und bat ihn, einmal in seinem StGB nachzuschauen, welche Beschreibung dazu stand.

Er schmunzelte, da er es zunächst für sich las, danach gab er mir das kleine rote Gesetzbuch in die Hand und sagte: "Na, dann lies mal selber..."


Merkwürdiger Weise hat es niemanden bei der Bundeswehr gestört, daß ich einmal als junger Mensch der Spionage verdächtigt wurde. Denn mein Aufenthalt in Berlin hat nichts genutzt um mich vor diesem "Verein" zu drücken; mein Fehler war nämlich, Berlin zu spät als Hauptwohnsitz gewählt zu haben. Erst nach meiner Wehrerfassung ging ich zum Einwohnermeldeamt und bekam den Berliner Personalausweis.

So erzähle ich heute noch auf Partys die Geschichte vom Spion der aus dem Kohlenpott


kam und eigentlich gar keiner war...

Jedoch möchte ich heute sagen, es wäre sicher spannend geworden, wenn mich irgendein Dienst jemals angeworben hätte.

Dann wäre ich sicherlich ein guter Agent im Auftrag unseres Bundeskanzlers geworden.


im Januar 2009

Impressum

Texte: by Hans-Jürgen G. Wälter incl. Fotos
Tag der Veröffentlichung: 13.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
meiner lieben Mama

Nächste Seite
Seite 1 /