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Vincent Darklej
Drachenatem
Afantenjas Vermächtnis
Fantasybuch über das Leben der Kriegerin Katispana


Eigenverlag Vincent Darklej, Großwallstadt
www.vincent-darklej.de
ISBN 978-3-00-034429-9


Printed in Germany
Herstellung: Werbeagentur und Druckerei Keck,
63762 Großostheim
www.werbeagenturkeck.de


Exposé
Katis Leben war eine einzige Lüge gewesen, doch sie würde alles dafür geben, ihr jetziges Leben gegen diese Lüge einzutauschen.
Kurz vor ihrem vierzehnten Geburtstag geriet ihr
Leben aus allen Fugen, als sie in einem Gefängnis weit weg von daheim erwachte.
Früher hatte sie geglaubt, Zwerge und Elfen gäbe es nur in Büchern, doch nun stand sie an der Spitze eines gewaltigen Heeres und zog gegen Orks, Trolle und deren Verbündete in die Schlacht.
Nur mit ihrer Magie und der Hilfe ihrer Gefährten kann sie versuchen, die Prophezeiung zu erfüllen, um so die Welt Quanteras und ihre Heimat vor der Versklavung zu retten.
Für sie war es schon schwer genug so eine große Bürde zu tragen, doch noch viel schlimmer war es, einen durchgeknallten Zwerg an ihrer Seite ertragen zu müssen, der nur Frauen und Liebe im Kopf hatte.

Vergessen Sie alles, was Sie bisher über die Zwerge und Elfen gelesen haben, denn hier erfahren Sie die ungeschönte Wahrheit über die Völker der Fantasy.


Prolog
Der Nebel kroch durch das Tal der Drachen und mit ihm kam die Veränderung.
Lautlos drang er in jeden Winkel ihres Hortes und brachte einen zarten lieblichen Duft mit.
Nichts hatte sie die letzten Jahrhunderte wecken können, doch das, was grade ihre Nüstern streifte, war nur ein Hauch von einem Duft, doch für die Königin der Lüfte war es tausendmal stärker als nur ein Hauch.
Es war der Duft des Todes, der Geruch von Blut.
Afantenja konnte den Geruch über hunderte von Meilen
riechen. Oft trug der Wind den Duft in ihr Reich, doch noch nie war er so stark wie heute.
Es musste das Blut von hunderten oder sogar von tausenden Lebewesen sein.
Eigentlich wollte sie damit nichts zu tun haben, aber der Blutgeruch wurde immer stärker. So sehr sie auch versuchte den Geruch zu ignorieren, es wollte ihr einfach nicht gelingen.
Da sie nun erwacht war, konnte sie genauso gut der Sache auf den Grund gehen.
Sie dehnte ihren Körper und verbannte die Steifheit der Jahrhunderte aus ihren müden Gliedern.
Schwerfällig schlurfte sie aus ihrer Höhle, die ihr so lange als Hort gedient hatte.
Bevor sie ihren majestätischen Körper in die Lüfte erhob, dehnte und streckte sie sich ein letztes Mal.
Die kalte Morgenluft empfing sie wie eine Geliebte. Stürmisch und wild.
Afantenja breitete ihre Schwingen aus, damit sie ihren
Geliebten den Wind in Empfang nehmen konnte.
Majestätisch glitt sie von dem Plateau, das vor dem Eingang ihrer Höhle in einer Steilwand lag.
Noch nie hatte es jemand geschafft ihr Reich zu betreten, denn sie hatte den Fels mit ihrem Drachenfeuer bearbeitet, so das unmöglich war, irgendwo Halt zu finden.
Als sie den Wind unter ihren Flügeln spürte, formte sich das Wort „Frei …!“ in ihrem Kopf.
Glücklich drehte sie ihre Kreise über dem Tal, das noch genauso da lag, wie sie es verlassen hatte.
Immer höher schraubte sich ihr Körper empor, bis sie die Berge, die ihr Reich umgaben, überfliegen konnte.
Gerade kamen die ersten Sonnenstrahlen über den Berg
und ließen ihre kristallblauen Schuppen wie Diamanten
erstrahlen.
Während sie die riesigen Berge passierte, schweiften ihre Gedanken zu jener Zeit ab, als noch Frieden im Land herrschte und die Drachen von den Bewohnern Quanteras verehrt wurden.
Schon vor langer Zeit hatte sie einen großen Fehler gemacht, unter dem die Bewohner Quanteras noch heute zu leiden hatten. Dieses Leid hätte sie verhindern können, hätte sie damals den Jungdrachen Makkandi getötet, wie es viele von ihr gefordert hatten.
Obwohl auch sie seine böse Aura gespürt hatte, hatte sie nicht auf ihre Freunde gehört und sein Leben verschont. Wo es nur ging, hatte sie ihn unterstützt, da sie geglaubt hatte, sie könnte ihn noch ändern.
Da ihn alle Drachen mieden, wuchs Makkandi ohne Freunde heran, was seinen Hass auf alle und jeden von Tag zu Tag größer werden ließ.
Als eines Tages ein Patanalasjunges, ein Zwitterwesen halb Mensch halb Adler, knapp an seinem Kopf vorbei zog, drehte er völlig durch.
Makkandi jagte dem Mischwesen hinterher, dass total
verängstigt bei seinen Eltern Schutz suchte.
Es war ein ungleicher Kampf, denn das Junge und seine Eltern hatten gegen ihn nicht die geringste Chance.
Ohne die geringste Gefühlsregung zerfetzte er die Drei.
Sein Blutrausch steigerte sich ins Unermessliche, so dass er schließlich loszog und ihre Nester in den Bergen des ewigen Eises angriff.
Als er am dritten Tage ins Tal der Drachen zurückkehrte, hatte er das ganze Volk ausgelöscht.
Von diesem Tage an schlugen sich viele auf seine Seite, denn das Volk der Patanalas war bei den Drachen nicht sehr beliebt gewesen, da die jungen Patanalas sich zum Leidwesen der Drachen immer einen Spaß daraus gemacht hatten, von oben her im Sturzflug an den Drachenköpfen vorbei zu ziehen, um die Drachen zu erschrecken.
All die Jahre konnte Afantenja die Drachen im Zaum halten, doch nun fingen vor allem die jüngeren Drachen an, ihm nachzueifern.
Afantenja hätte ihn für die feigen Morde gerne zur Rechenschaft gezogen, doch nun war es zu spät, da auch einige ältere Drachen für ihn sprachen.
Durch Makkandis Handeln, war sie zu einem Schritt gezwungen worden, den sie bis heute bereute.
Ihr blieb damals nichts anderes übrig, als alle Drachen aus allen Teilen des Landes zurückzurufen, denn schon einmal hatten die Drachen an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit versucht die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Dieses Mal jedoch wollte sie es nicht so weit kommen lassen.
Um den Aufruhr im Keim zu ersticken band sie Makkandi an sich, indem sie ihn als ihren Gefährten wählte.
Es kam jedoch anders, als sie es sich erhofft hatte, denn nun nutzte er seinen Status, um hinter ihrem Rücken einen Krieg anzuzetteln.
Zuerst tat er es noch heimlich, doch schon bald versteckte er sich nicht mehr. Zum Leidwesen Afantenjas schlossen sich ihm immer mehr Drachen an.
Zu diesem Zeitpunkt war es für sie schon zu spät, ihn noch zur Vernunft zu bringen, denn er hatte sich schon mit ihrer Feindin Oputera und ihren dunklen Heerscharen verbündet.
Das Lager der Drachen war gespalten.
Der Großteil der älteren Drachen hielt zu ihr, doch die jüngeren strebten wie ihr neues Vorbild Makkandi nach Macht.
So kam es, wie es kommen musste.
Ein fürchterlicher Krieg entbrannte unter den Drachengruppen, denn die, die noch zu ihr hielten, wollten nicht zusehen, wie ihre Artgenossen mordend durch die Lande zogen, um alle Lebewesen, die von Natur aus frei waren, ihrer Herrschaft zu unterwerfen.
Die Königin der Drachen versuchte alles, um diesen sinnlosen Krieg zu beenden, denn das Land litt sehr darunter.
Wohin man auch kam, fand man nur noch Verwüstung vor.
Dort wo einst riesige Wälder standen, existierten nur noch verbrannte Baumstümpfe.
Aber auch viele Flüsse und Seen waren durch das Drachenfeuer betroffen. Die extreme Hitze hatte sie einfach verdampfen lassen.
Das Land lag im Sterben, denn dort, wo die Drachen kämpften, gab es kein Leben mehr.
Während ihre Verbündeten versuchten, Makkandi und sein
Gefolge zur Aufgabe zu bewegen, durchstreifte sie das Land auf der Suche nach Oputera.
Oputera die Anführerin der dunklen Heerscharen war ebenso mächtig wie sie selbst, doch die Schamanin zog ihre Macht aus der Schwarzen Magie, aus der Magie des Bösen.
Egal wo sie auch suchte, sie fand keine Spur ihrer Widersacherin und so blieb ihr nur noch eins übrig, sie musste selbst in den Drachenkrieg eingreifen.
Doch bevor sie das tat, machte sie sich auf den Weg zu ihren treuen Freunden, dem Stamm der Zwerge und Elfen, die in Freundschaft miteinander lebten.
Die Dörfer der zwei Völker lagen friedlich eieinander und waren nur durch einen großen Platz getrennt, den die zwei Stämme für gemeinsame Feste nutzten. Aber dort wurde nicht nur gefeiert, nein man saß dort auch gemeinsam beisammen, um Gericht abzuhalten und Recht zu sprechen. Das Dorf der Elfen war in einem Wald eingebettet, während das Dorf der Zwerge an einem Berghang eingemeißelt war.
Sie kreiste über den Dörfern und die ersten Rufe erreichte ihr Ohr.
Als sie auf dem freien Platz aufsetzte, stürmten Kinder wie Erwachsene jubelnd herbei. Jeder versuchte sie zu berühren, denn es versprach Glück und ein langes Leben. Das glaubten zumindest die Bewohner des Landes.
Immer mehr Zwerge und Elfen drängten herbei, doch als die Herrscher der zwei Völker herantraten, traten die Bewohner respektvoll zurück.
Die Unterredung dauerte nur kurz, und als sie sich wieder in die Lüfte erhob, bliesen die Zwerge und Elfen zum Krieg.
Es gingen Jahrzehnte ins Land und ein Drache nach dem
anderen verlor sein Leben.
Ihre Verbündeten, die Völker der Zwerge und Elfen, hatten schwere Verluste erlitten und auch die Reihen der Menschen
lichteten sich zusehends.
Als der Elfenkönig durch eine Zwergenaxt gemeuchelt wurde, entbrannte eine abgrundtiefe Feindschaft zwischen den Völkern.
Das Gleichgewicht war zerstört und Makkandi und die seinen, drohten die Schlacht zu gewinnen, da die Zwerge und Elfen nun anfingen, ihren eigenen Krieg zu führen.
Afantenja blieb nun nichts mehr anderes übrig, als ihre verbliebenen Verbündeten zur letzten großen Schlacht zusammenzurufen.
Auf einem verbrannten Feld standen sich die verbleibenden Drachen ein letztes Mal gegenüber, während im ganzen Land der Krieg weiter tobte.
Es war ein erbitterter Kampf. Die Erde bebte von den wuchtigen Schlägen der Drachenschwänze und der Boden färbte sich rot von Blut der Getöteten.
Es tat ihr im Herzen weh, als sie sah, wie einer ihrer letzten lebenden Freunde mit aufgerissenem Brustkorb zu Boden glitt.
Afantenja hätte ihn gerne mit ihrer Magie geheilt, doch ihre Gegner setzten ihr unerbittlich zu. Obwohl sie nicht auf ihre Magie zurückgriff, hatte die anderen Drachen nicht die geringste Chance gegen sie, denn sie war die größte Kämpferin unter ihnen.
Am Abend dieses blutigen Tages war außer ihr und ihrem
früherem Gefährten, kein anderer Drache mehr übrig.
Jetzt standen sie sich nicht mehr als Paar, sondern als Gegner gegenüber.
Sie wusste, dass nur einer von ihnen diesen verhängnisvollen Tag überstehen würde, da Makkandi sich nicht unterwerfen wollte.
Es machte sie traurig, denn sie wusste, würde sie ihm nun verzeihen, würde er erneut Verbündete suchen und seinen Krieg fortsetzen, denn seine Seele war schwarz, rabenschwarz wie die dunkelste Nacht.
Ohne Vorwarnung stürzte er sich auf sie und schlug seine Klauen in ihren Körper.
Es gab einen fürchterlichen Kampf, da sie noch immer nicht bereit war, ihre Magie gegen ihn einzusetzen.
Sie beide bluteten aus unzähligen Wunden und sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
Doch auf einmal passierte das Unmögliche. Seine Wunden
fingen an sich wieder zu schließen und neue Kraft durchflutete ihn, obwohl kein Drache außer ihr je Magie beherrschte.
Sie wusste nicht, wie es sein konnte, aber sie konnte deutlich spüren, dass eine magische Aura ihn umgab.
Die Königin der Drachen war nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, denn seine Angriffe schwächten sie zusehends.
Mit ihrer Kraft am Ende und des Kampfes müde tat sie nun, was sie bisher vermieden hatte, da sie wusste, es würde Ihr das Herz brechen.
Sie zentrierte ihre Magie in ihrem Herzen und ließ sie dann frei.
Ein Strahl purer Energie ging von ihr aus und fegte wie ein Tornado, kreisförmig um sie herum.
Zuerst hüllte er nur sie ein, doch dann begann er immer größere Kreise zu ziehen und entzog jedem Lebewesen, das es streifte die Lebensenergie. Makkandi versuchte sich in die Lüfte zu erheben, aber schon nach wenigen Flügelschlägen, wurde er
von der Energie erfasst. Sein magischer Schild flammte kurz auf und verging dann. Als er auf dem Boden aufschlug, war schon kein Leben mehr in ihm.
Traurig schüttelte sie den Kopf. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass er seine Seele dem Bösen ausgeliefert hatte, denn nur die Seite der Nacht, konnte ihn zu dem gemacht haben, was er nun gewesen war. Ein mit Magie durchtränktes Geschöpf des Bösen.
Afantenja wandte sich traurig ab, ohne ihren Gefährten noch eines Blickes zu würdigen, denn sie wusste, diese göttliche Magie, die sie freigesetzt hatte, konnte nur einer ihresgleichen überleben.
Ihr Herz wurde schwer und eine Träne entschlüpfte ihr und fiel zu Boden.
An der Stelle, an der die Träne auftraf, brach der Boden auf.
Wasser drang an die Oberfläche und bildete einen See. Das Land in ihrem Tal erwachte neu.
Der Boden, der vor wenigen Augenblicken noch tot war, fing an neues Leben zu spenden. Verbrannte Bäume fingen an ihre Äste neu auszutreiben und diese brachten Blätter und Knospen hervor.
Traurig blickte sie in das klare Wasser und eine Vision suchte sie heim. Bilder von einer anderen Zeit tauchten auf der Wasseroberfläche auf und zeigten ihr, was kommen würde.
Afantenja verdrängte ihre Trauer, denn was sie soeben gesehen hatte, veranlasste sie zu handeln.
Sie breitete ihre Schwingen aus und erhob sich in die Lüfte und flog an den Ort, an dem sie das Gebirge, das ihr Tal schützte,
durch die geheimen unterirdischen Gängen durchqueren
konnte.
Nachdem sie die Berge durchquert hatte, wechselte sie ihre Gestalt, wie sie es schon so oft getan hatte und zog die Kleider an, die am Eingang für sie bereitlagen.
In der Gestalt einer Frau trat sie den langen Weg zum Kloster des Drachenordens an.
Sie hatte den Orden schon vor sehr langer Zeit gegründet, um einen Ort zu schaffen, an dem jedermann willkommen war. Es war ein Ort des Friedens und eine Zuflucht für die Verfolgten.
Auch wurden dort Kinder mit magischen Fähigkeiten als
Heiler ausgebildet.
So manch Königs- oder Herrschersohn wurde zum Orden
geschickt, um dort unter der Führung des Ordens zum Krieger heranzuwachsen, damit dieser in der Lage war, später einmal den Thron zu besteigen, um gerecht und mit viel Geschick zu regieren.
Schon von weiten konnte sie die Klosteranlage sehen, die auf einer Anhöhe umgeben von einem See lag.
Sie hatte damals den Ort gewählt, weil es ein Ort der Ruhe und Harmonie war. Zudem war das Land uneinnehmbar, da es von allen Seiten von riesigen Bergen durchzogen wurde, die man nicht überqueren konnte. Das Land war eine Festung in sich, denn es besaß nur einen Durchgang, den man leicht verteidigen konnte.
Das Reich des Drachenordens war so gewaltig, dass ein Mann, drei mal drei Tage brauchte, um es zu durchqueren.
Ein Fährmann, der auf seinem Floß normalerweise die Rinder und Schafe zum Kloster übersetzte, nahm sie auf ihre Bitte hin mit, da sie nicht auf das Fährschiff des Klosters warten wollte.
Noch ehe sie den Fluss überquert hatte, öffneten sich die gewaltigen Tore, und der Pretarion des Drachenordens trat heraus.
Afantenja mochte den alten Mann.
Wie jedes Mal wenn sie kam, erwartete er sie vor dem
Klostertor. Trotz seines hohen Alters ließ er es sich nicht nehmen, sie persönlich vor dem Tor zu begrüßen. Hoch aufgerichtet, wie eine Statue aus Marmor stand er da und sein langer weißer Bart bewegte sich mit dem Wind. Afantenja konnte ihm vertrauen, denn er führte in ihrem Namen den Orden seit seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr.
So manches Mal ertappte sie sich dabei, dass sie ihn mit ihrer Magie verjüngte. Nicht dass sie sein Aussehen verjüngte, nein, sie stärkte eher seinen Körper und Geist.
Seit nunmehr dreiundsiebzig Jahren führt er den Orden mit eiserner Hand.
Sie wusste er war hart aber gerecht und das mochte sie so an ihm.
Er war ein Mann, dem es nicht schwerfiel, Ratschläge von anderen anzunehmen, was ihn zudem sehr beliebt machte.
Er verbeugte sich vor ihr und erwartete ihren Segen. Es war ein altes Ritual, das sie jedes Mal wiederholten, wenn sie kam.
Dieser Ort des Friedens erfüllte sie ein jedes Mal mit einer inneren Ruhe und für einen kurzen Augenblick vergaß sie die Kälte, die über ihrem Herzen lag.
Am liebsten hätte sie sich hier niedergelassen, doch sie konnte diejenigen, die alle Hoffnungen in sie setzten, nicht im Stich lassen.
Einige Minuten wollte sie sich noch gönnen, bevor sie mit dem Oberhaupt des Ordens sprechen musste.
Sie setzte sich auf einen Stein und betrachtete die Sonne, die sich im Wasser spiegelte.
Der Pretarion kniete sich demütig neben sie und beobachtete sie von der Seite. Ein Fremder musste sie für eine Göttin halten, wenn er sie so sitzen sah.
Sie trug zwar das weiße Gewand einer Priesterin, doch Ihr makelloser Körper und ihre vollen Brüste zeichneten sich darunter sichtbar ab.
Viele Männer begehrten sie, da sie so anders war.
Nicht nur ihr schlanker Körper und ihre Größe bezauberten die Männer, sondern auch ihre blauen Augen, in denen man sich verlieren konnte.
Obwohl es ihr schwerfiel, diesen Augenblick der völligen Harmonie zu zerstören, so blieb ihr doch keine andere Wahl als sich zu erheben und ihn anzusprechen.
»Erhebe Dich und höre mir nun gut zu, denn es wird das letzte Mal sein, das ich zu Euch komme.«
Der Pretarion erhob sich, ohne sie direkt anzublicken.
Selbst nach so langer Zeit verspürte er große Ehrfurcht vor ihr.
»Eines Tages wird eine junge Frau in diese Welt treten und Eure Hilfe benötigen.«
Sein ganzer Körper verspannte sich, als er ihre Worte vernahm.
Fast ängstlich blickte er sie verstohlen an.
Als sein Blick den ihren traf, fielen seine Ängste und alles, was ihn bedrückt hatte, von der Seele.
Er konnte gar nicht anders, als sie nun direkt anzublicken. Es war das erste Mal, dass er es gewagt hatte, ihr in die Augen zu sehen.
Er war so abgelenkt von ihren Augen, dass er gar nicht
mitbekommen hatte, dass sie fortfuhr.
Ertappt zuckte er zusammen, als er bemerkte, dass sie ihn nun anlächelte und nochmals von vorne begann.
»Eines Tages wird eine junge Frau in diese Welt treten und Eure Hilfe benötigen. Versagt sie ..., so werdet auch ihr untergehen. «
»Herrin …! Wie können wir diejenige erkennen?« fragte er vorsichtig.
»Im heiligsten Tempel wird sie erscheinen und das Zeichen des Drachens auf Ihrem Handrücken tragen.
Die Drachenhaut wird sie als die Auserwählte kennzeichnen.
Ich weiß, Ihr habt viele Fragen, aber ich möchte Euch bitten, mir nur zuzuhören.«
Er nickte nur, denn er wusste, dass sie ihm vertraute und wenn sie es für richtig hielt, würde sie ihm mehr erzählen.
Während sie anfing weiter zu erzählen, blickte sie sehnsüchtig auf eine Bergkette auf deren anderen Seite, damals noch die Patanalas ihre Nester hatten.
»Seid dann bereit, ihr mit einer Armee zur Seite zu stehen, denn das Schicksal des ganzen Landes liegt dann in Euer aller Hände.
Bis sie erscheint, werden noch viele Sommer und Winter
durchs Land ziehen und Ihr und die, die nach Euch kommen, werden schon mit ihren Ahnen speisen.
Wenn der Tag gekommen ist, wird es der Orden erfahren und ihr werdet zu ihr stoßen, um ihr in jeder Gefahr beizustehen.
Es wird nicht leicht sein, denn andere Götter wollen ihren Tod.
Helft ihr mein Tal zu finden, das von diesem Tage an als das Tal der Tränen, den Weg in die Bücher finden soll.
Löscht alle Hinweise aus den Büchern, die den Weg in mein Tal zeigen, denn wenn es so weit ist, werden sie den Weg auch so finden.
Dort in meinem Tal wird die letzte Schlacht geschlagen.
Diese Schlacht entscheidet über den Sieg oder den Untergang der freien Völker hier und an anderen Orten.
Sorgt dafür, das keiner vergisst, für was ich den Orden gegründet habe. Gebt mir nun Euer Siegel, denn es wird jemand kommen, der sich mit Eurem Siegel ausweist. Unterstützt ihn, wie Ihr mich unterstützt habt.«
Er zog seinen Siegelring ab und reichte ihn ihr.
»Verratet Ihr mir seinen Namen? Denn es ist immer gut zu wissen, auf, wen man wartet.«
»Er ist der Drachenfürst!«
Er verbeugte sich vor ihr und küsste ihre Hand ein letztes Mal, bevor sie sich umdrehte und dorthin zurückkehrte, woher sie gekommen war.
Noch lange stand er am Tor und blickte ihr nach.
Als sie nur noch ein Punkt am Horizont war, ging er in die Klosteranlage und rief seine Stellvertreter herbei. Noch am gleichen Abend wurden Boten in jeden Teil der Reiche
gesandt und die besten Handwerker angeworben, damit auch das Kloster in eine Festung verwandelt werden konnte. Einige Krieger wurden ausgesandt um neue Krieger anzuwerben, die den Eid des Ordens schwören würden.
Eigentlich hatte Afantenja vorgehabt, sofort in ihren Hort zurückzukehren, doch auf einmal blieb sie stehen und setzte sich auf eine Wiese.
Als ein Vogel heran flog, legte sie sich hin und verschränkte ihre Arme hinter ihrem Kopf. Lange lag sie da und beobachtete die Wolken und die Vögel, die über sie hinweg zogen.
Am liebsten wäre sie noch länger liegen geblieben, aber sie wusste, dass ihr dafür die Zeit fehlte. Sie war froh, dass sie diesen Ort selbst vor den anderen Drachen geheim gehalten hatte.
Keiner ihrer Artgenossen hatte diesen Landstrich je überflogen, So wie die Drachen dieses Land nicht betreten durften, durfte kein anderes Lebewesen außer den Drachen in ihr Tal.
Wer es trotzdem wagte, kehrte aus dem Tal nicht wieder zurück.
Bisher hatte es nur einen gegeben, der ihr Tal betreten und wieder lebend verlassen hatte.
Während sie in Gedanken vertieft zurückging, dachte sie an jene Zeit zurück, als sie auf einem ihrer Streifzüge einen Mischling gerettet hatte. Als sie auf ihn stieß, war er mehr tot als lebendig.
Dieser Narr hatte doch tatsächlich versucht, einen Trupp Orks zu berauben. Er hatte sich aber so tollpatschig angestellt, dass er den Orks in die Hände fiel.
Die Bestien machten sich damals einen Spaß mit ihm und
fingen an ihn zu quälen, da sie vorher noch nie so einen, wie ihn gesehen hatten. Genau genommen war er weder Zwerg, noch Elf, er war mehr beides.
Eigentlich griff sie niemals in Dinge, die ihren Lauf nahmen ein, doch etwas an ihm hatte ihr Herz berührt und so tötete sie viele Orks und nahm ihn mit in ihr Reich, da es sein sicherer Tod gewesen wäre, hätte sie ihn zurückgelassen, obwohl ein anderer Zwerg sich mit fünf Orks gleichzeitig anlegte, um diesen Halbzweg zu retten. Nie hatte sie diese Entscheidung bereut.
Sie ging zu dem Zugang in ihrem Reich und legte die
Kleidungstücke ab. Erst als sie den geheimen Zugang zu den Höhlen betreten hatte, verwandelte sie sich zurück.
In ihrem Hort angekommen legte sie sich nieder.
Afantenja wollte sich aus dem Leben der Bewohner von
Quanteras zurückzuziehen und endlich mit ihrer Trauer alleine sein.
Um ihre Ruhe zu finden, versetzte sich die Drachin in den langen und tiefen Schlaf, aus dem sie nun wieder erwacht war.
Der Wind und die Freiheit holten sie nun ins Leben zurück und so schüttelte sie ihre Schuldgefühle ab, denn sie musste nach vorne sehen und Vergangenes ruhen lassen, denn sie spürte, dass etwas Wunderbares unter ihrem Herzen heranwuchs.
Überglücklich brüllte sie ihre Freude der Sonne entgegen und spuckte eine Feuersäule weit in den Himmel.
Die Welt sollte erfahren, dass sie erwacht war und ihre Feinde sollten zittern vor Angst.
Während sie ihr Land das erste Mal nach so langer Zeit
wieder überflog, fielen die dunklen Heerscharen in Daskenos, einer kleinen Gebirgsstadt am Fuße des Marons ein, der von Anbeginn der Zeit als Grenze von Gut und Böse diente.
Die Orks, Trolle und ihre Verbündeten metzelten alles nieder, was ihnen in den Weg kam und keiner wurde verschont.
Sie schändeten die Frauen und Mädchen, bevor sie sie
erschlugen. Die Männer aber mussten alles mit ansehen, bevor auch sie wie Vieh erschlagen wurden, damit sie als Nahrung mitgenommen werden konnten.
Afantenja hob ihren Kopf und zog die Luft durch ihre Nüstern.
Es war nicht mehr weit, zu dem Ort, an dem so viel Blut vergossen wurde.
Angeekelt sandte sie ihren Geist durch die Lande, um zu erfahren, was genau passiert war.
Wohin ihr Sinn auch traf, überall fand sie verbrannte Häuser, Dörfer und Städte.
Überlebende jedoch konnte sie keine entdecken.
Ihre Freude schlug nun in blanken Hass um und mit schnellen Flügelschlägen überquerten sie riesige Gebirge, Täler und Seen. Die Königin der Lüfte legte ihre Flügel an und schoss auf die Truppen der dunklen Heerscharen zu.
Ihre Klauen schlugen die ersten Breschen in die Reihen
der Feinde, bevor sie kehrt machte und sich die Nächsten schnappte, damit sie diese noch im Flug zerreißen konnte.
Panik breitete sich unter den Bestien aus und die meisten ergriffen Hals über Kopf die Flucht.
Die zentnerschweren Orks und Trolle rannten alles, was ihnen in den Weg kam, über den Haufen.
Afantenja konnte sehen, wie eine Mutter mit ihrem Kind, unter den Füßen eines Trolls zerquetscht wurde.
Ihre Wut steigerte sich ins Unermessliche, als sie die vielen geschändeten Frauen und Kinder sah.
Wutentbrannt schleuderte sie einen Gnom beiseite, den sie zuvor auf ihren Krallen aufgespießt hatte.
Mit einem Sprung sprang sie direkt vor die fliehenden Bestien und verhinderte so deren Flucht.
Voller Hass packte sie den Troll, der vorher die Mutter mit Kind ohne Zögern zertreten hatte, und riss ihn in zwei Teile.
Die Fleischreste aber schleuderte sie den anderen vor die Füße, bevor sie die Nächsten mit ihren Kiefern zermalmte.
Ihr Schwanz zuckte dauernd hin und her und beförderte
dadurch Dutzende von Bestien ins Jenseits.
Jeder der ihr zu nah kam, bekam ihre Zähne und Klauen zu spüren.
Einige Bestien versuchten sich in ihren Beinen zu verbeißen, doch diese schüttelte sie ab und zerquetschte sie mit ihrem Körper.
Bald türmten sich Berge von zerfetzten Leibern zu ihren Füßen.
Als sich eine Horde Raefla formierte, fuhr Afantenja herum.
Diese riesigen spinnenartigen Wesen fürchtete sie zwar nicht, aber ihr Gift schmerzte auch sie.
Es kam ihr vor als rolle eine Lawine aus tausenden von
haarigen Leibern auf sie zu. Die Raefla kannten keinerlei Rücksicht, noch nicht einmal ihren eigenen Artgenossen gegenüber. Um schneller voranzukommen, liefen sie sogar übereinander. Dabei passierte es oft, das sie sich gegenseitig durch ihre Giftstacheln töteten, die überall an ihrem Körper zu finden waren.
Die ersten Spinnen erreichten sie und hieben ihre Giftklauen, mit denen sie ihre Opfer lähmen konnten, in sie.
Überall hatten sie sich an ihrem Körper verbissen. Ihre Kiefer waren so stark, dass sie sich in ihren Schuppen verhaken konnten.
Immer wieder schüttelte sie sich, um das Ungeziefer
abzuwerfen, aber egal wie viele sie auch abschüttelte, es kamen immer wieder neue hinzu.
Als die anderen Bestien sahen, dass ihre Verbündeten den verhassten Drachen überrollten, machten sie kehrt, um auch hinterher damit prahlen zu können, sie hätten die Königin der Drachen getötet.
Da sie nun keine andere Wahl mehr hatte, ließ sie ihrer Wut freien Lauf. Sie griff nach dem Geist eines Angreifers und zerquetschte ihn. Sein Leib zerplatzte dadurch, wie eine überreife Melone.
Afantenja tat es zwar leid, was sie jetzt tat, aber sie sah keinen anderen Ausweg mehr, um ihr ungeborenes Kind zu schützen.
Da die anderen sich trotzdem nicht einschüchtern ließen, griff sie nach ihrer göttlichen Macht.
Während sie noch abwägte, ob sie diesen Schritt tun sollte, schlich sich ein Troll mit einer Lanze von hinten an sie heran.
Sie war so sehr damit beschäftigt ihr Gewissen zu beruhigen, dass sie den Troll nicht bemerkte.
Sie öffnete ihren Geist und ließ ihre göttliche Macht frei. Ein blaues Licht erhellte ihre Augen und jeder den ihr Blick traf, löste sich auf, als hätte er nie existiert.
Vor Tausenden von Jahren hatten die Götter alle Wesen
erschaffen und heute musste sie zum ersten Mal ihre Geschöpfe in das Nichts stoßen. Hätte sie sie getötet, wären sie irgendwann wiedergeboren worden.
Diese Möglichkeit hatte sie ihnen nun genommen.
Ihr Herz trauerte, doch im Grunde hatte sie keine andere Wahl gehabt.
Grade als sie sich den letzten Bestien zuwandte, glitt die Lanzenspitze über ihre Schuppen, ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen.
So wäre es auch geblieben, wäre sie nicht zu ihm
herumgefahren.
So aber glitt die Spitze an einer Schuppe ab und drang dann unter eine andere, die durch die Bewegung leicht nach oben verschoben wurde.
Tief drang die Spitze in ihren Brustkorb ein und nur durch viel Glück verfehlte sie ihr ungeborenes Kind.
Nun gab es für sie kein Halten mehr und sie schrie ihren Schmerz und ihre Wut heraus, so das der Boden, auf dem sie stand, anfing in Bewegung zu kommen.
Der Boden hob und senkte sich immer stärker, bis eine riesige Welle durchs Land fegte und alles Leben auf Meilen auslöschte.
Doch ihre Wut war noch nicht abgeklungen, sondert steigerte sich weiter.
Ihr Brustkorb blähte sich auf, bevor sie ihrem Feueratem freien Lauf ließ.
Eine Feuerwand breitete sich vor ihr aus. Langsam drehte sie sich um ihre eigene Achse und verwandelte das einst blühende Land zu einer trostlosen Aschewüste.
Ohne noch einen weiteren Blick, auf das nun tote Land zu werfen, erhob sie sich schwer verletzt wieder in die Lüfte und kehrte nur unter großer Anstrengung in ihr Tal zurück.
Das Einzige, was sie noch am Leben hielt, war ihr ungeborenes Kind, das mit Ihr sterben würde, sollte sie es nicht in ihren Hort schaffen.
Erschöpft setzte sie am Eingang zu ihrem Hort auf, wo sie auch schon von ihrem treuen Freund Karsarito, dem sie einst das Leben gerettet hatte, erwartet wurde.
Afantenja hatte nicht mehr die Kraft alleine in ihren Hort zu kommen, weshalb sie ein letztes Mal unter großen Schmerzen ihre Menschengestalt annahm.
Karsarito hob sie auf und trug sie in ihren Hort, wo er sie an die Stelle legte, die so lange ihr Lager gewesen war.
Afantenja sammelte all ihre Kraft, damit sie ihr Kind in diese Welt holen konnte, bevor sie dorthin zurückging, woher sie gekommen war.
Total erschöpft und dem Tode nahe, nahm sie einen Stein vom Boden auf und formte ihn mit ihrem Geiste zu einem roten Diamanten von makelloser Perfektion. Immer wieder fielen
ihr die Augen zu, doch ihr Freund rüttelte sie immer wieder wach.
Die Drachenkönigin gab nun ihren Feueratem und den Großteil ihre Magie in den Diamanten und teilte ihn in fünf Teile. Drei davon sande sie zu ihren früheren Verbündeten: den Menschen, den Zwergen und den Elfen.
Einen aber gab sie ihrem Freund, damit er ihn, wenn die Zeit gekommen ist, ihrer Tochter gab. Den fünften Splitter aber legte sie auf ein Podest aus Stein, damit der letzte Splitter den Zugang zu den Welten versperrte.
Einen Teil ihrer Magie hob sie aber für ihr ungeborenes Kind auf, denn als Drache würde ihr Neugeborenes sonst keinerlei Überlebenschancen haben.
Nach wenigen Minuten gebar sie ein Mädchen, der sie den göttlichen Namen Katispana gab.
Erschöpft aber glücklich lächelte sie ihre Tochter an. Behutsam nahm sie ihre kleine Hand und hauchte ihrem Atem auf den linken Handrücken. An der Stelle, an der ihr Atem die Haut berührte, kräuselte sie sich zu Schuppen.
»Meine Kleine! Das hier wird Dir die Tore zu den Welten öffnen und Dich als die ausweisen, die Du wirklich bist. Wenn Du alt genug bist, kehre hierher zurück und vollende das, was mir versagt blieb.«
Nun hieß es Abschied nehmen, denn Ihr blieb nicht mehr viel Zeit. Sie gab ihrer Tochter einen letzten Kuss und schickte sie in eine andere Welt, damit sie als Mensch aufwachsen konnte.
Es war geschafft, jetzt konnte sie sich endlich ausruhen.
Erschöpft und dem Tode nahe, rollte sie sich um das Podest und hauchte ihren letzten Atem aus. Mit ihrem Ende kam auch die Aufhebung der Transformation.

Impressum

Texte: Alle Rechte an dem Cover und Inhalt liegen bei Vincent Darklej
Tag der Veröffentlichung: 29.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

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