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BEKHAS FRONT – Kapitel 1 Aqaba


Sie blinzelte in eine Art wirbelnde Lichtteilchen. Grünlich und gelb flirrten die Partikel um sie herum, und auch beim Drehen um ihre eigene Körperachse ließ der Eindruck nicht nach, von dieser Lichtstruktur umschlossen zu sein.
„Du bist Bekha, nicht wahr?!“
Ein kreischendes Schlurfen von Plastikschuhsohlen auf Waschbeton konnte sie wahrnehmen, obwohl es ihr vorkam, als würden ihre geblendeten Augen die restlichen Sinne abkoppeln. Das Schlurfen stoppte nah neben ihr. Noch immer sah sie nur Grün und Gelb. Sie kippte den Kopf, der Ortung wegen, ihre Hand tastete den Oberschenkel und die Hose nach dieser kleinen aufgesetzten Tasche ab. Laut stieß sie Atem aus.
„Wer will das wissen?“
Dann atmete sie weiter, tief, um sich zu konzentrieren. Ein paar Sekunden lang war es sehr ruhig, man hörte das Summen eines Transformators.
„Na, ich ... Bekha ... ich.“
„Wer ist ich?“
„Ich bin ... dein Feind?! Weißt du nicht mehr? Du hattest mit deinem elenden Gewissen einen Pakt geschlossen, um die Dinge ... aus dem Gleichgewicht zu bringen. Armseliges Mädchen ... voller Schuldkomplexe und Schwäche. Ganz ohne den Sinn für den einzig wahren Grund zu leben, fürchte ich.“
Bekha fühlte endlich das kleine flache Kästchen zwischen ihren Fingern und ließ die Hand am Bein. Ihre Angst konnte man hören, aber es bestärkte ihr Gegenüber auch nur, sie für ein leichtes Opfer zu halten. Der Fremde konnte sich täuschen.
„Ach ja? Und was ist deiner Meinung nach der wahre Grund zu leben? Möglichst viele Menschen für eine schicke Blechkiste an die Nadel zu bringen? Oder mit den größten Schlächtern unter Gottes Sonne Tee zu trinken?“
Ein Klicken eines Feuerzeugs! Er raucht. – Sehr gut, dachte sie.
„Moral, liebe Bekha, gehört zu den Grundpfeilern meiner Arbeit, du siehst meine guten Absichten nur nicht. Aber das kommt schon noch. Eine Menge armer Menschen bekommen durch uns redliche Arbeit, weißt du? Wir werden dir alles zeigen ... damit du im Bilde bist, wenn du diese Erde verlässt...“
„Schade, dass ich nie miterleben werde, wie du in der Hölle dem Teufel auf Knien seine abartigen Wünsche erfüllen musst. Das unterscheidet uns nämlich im Jenseits. Wir sind für unterschiedliche Hotels gebucht, und du wirst nach deinem Tod in einer dreckigen Absteige enden!“
Bekha konnte plötzlich etwas sehen, der grüngelbe Staub wurde deutlicher, das Licht blendete weniger und sie erkannte Umrisse. Sie hatte nur einen Versuch. Er musste noch näher kommen. Wo genau stand er gerade? Er lachte grotesk hässlich.
„Wahrlich, ich sage euch! Schon morgen werdet ihr im Paradiese sein! Amen! Amen, du beschissener Gott!“
„Schon beim Beichten?“, fauchte Bekha die undeutlichen Umrisse an. Das Fauchen eines Drachens. Um das Glühen seiner Zigarette zu erkennen, benötigte sie mehr Dunkelheit. Sie versuchte rückwärts zu gehen und streckte die freie Hand nach hinten aus. Man hörte ein seltsames herrisches Räuspern.
„Ich glaube, ich werde dich hierbehalten. Für ein paar Jahre. Um dir beim Verfaulen zusehen. Hm? Was hältst du davon? Sollst dir deinen Luxushimmel ja auch verdienen!“
Wieder lachte er hysterisch. Koks kroch aus seinen Poren. Bekha widerte dieses Lachen an, es roch nach vergossenem Blut, so nahe kam er heran, während Bekha einen Schritt rückwärts machte und aus dem neongelben Lichtkegel herausragte. Ihre Augen suchten nach dem rotglühenden Punkt, sie sagte nichts und wartete. Und dann sah sie den Punkt, heller und größer werdend, sie ergänzte im Kopf das Bild, wie er an seiner Kippe zog, und warf das kleine Kästchen mit leichtem Schwung in Richtung des Glimmens. Schlagartig erhellte sich der Raum, der Körper entzündete sich in hellem Weiß und brannte schnell. Bekha duckte sich vor dem Blitz ab, sie rannte hin zu einer metallglänzenden Fläche, die wie eine Tür aussah. Sie stürzte über etwas wie ein Kabel und riss den gigantischen Scheinwerfer um, der ihr zuvor die Sicht raubte. Sie schrie verzweifelt, und um sich selbst herauszufordern, drückte sich vom Boden ab und warf sich gegen das Metall. Es war tatsächlich eine Art Tür, ließ sich öffnen und Bekha stolperte, mit den Armen rudernd, hinaus, stürzte wieder und spürte das Brennen abgeschürfter Haut an ihren Handflächen.
„Magnesium mit Kaliumchlorat, du Arsch!“, schrie sie in Richtung des Containers, als sie ihr Umfeld erkannte. Es war Nacht. Es war ein Hafen. Der Hafen von Aqaba.



Fortsetzung Februar 2019 als "Serial Novel" in 10 Teilen.

 

 

 

Impressum

Texte: All rights reserved by villebooks publishing and Susan Ville. Text: Susan Ville Coverfoto: Susan Ville
Bildmaterialien: L@C 2014
Cover: L@C 2014
Lektorat: Villebooks Publishing
Tag der Veröffentlichung: 18.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieser Online-Roman ist Bekha gewidmet. Ruhe in Frieden; wir sehen uns auf der anderen Seite!

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