Personen:
Alieyna
Haarfarbe: braun, fast schwarz
Augenfarbe: auch dunkelbraun
Gattung: unbekannt
Geschlecht: weiblich
Siko
Haarfarbe: grün
Augenfarbe: eisblau
Gattung: Kjén
Geschlecht: weiblich
Simina
Haarfarbe: weiß (sehr lang)
Augenfarbe: blau
Gattung: Kjén
Geschlecht: weiblich
Asuna
Haarfarbe: braun
Augenfarbe: blau
Gattung: Hexen
Geschlecht: weiblich, jung
Prolog: Neu geboren.
Stille. Nichts, außer dem leisen Rascheln der fallenden Blätter des Herbsts.
Alieyna erwachte aus einem vergessenen Traum. Über ihr das Glitzern der Sonnenstrahlen, die sich durch die Bäume und Pflanzen stahlen. Das Mädchen blinzelte und hob eine Hand, sie fühlte sich schwer und wie lange nicht benutzt an. Als sie ihre Augenlieder endlich vollends geöffnet hatte ballte sie ihre Fäuste. Erklären konnte Alieyna es sich nicht, aber sie fühlte sich wie neu geboren. Als würde sie sich zum aller ersten Mal bewegen ihre Muskeln strecken, als würde sie zum aller ersten Mal das frische gras unter sich riechen, als würde sie zu aller ersten Mal… Leben. Es war ein angenehmes Gefühl, bis sie begriff, dass es eigentlich nicht stimmen konnte.
Was sollte das hier? Wo war sie? Wieso war sie hier und das was Alieyna am meisten beunruhigte; wer war sie? Bruchstückhaft erinnerte sich an einen Namen Alieyna… Alieyna. Was mochte er bedeuten? Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Langsam versuchte sie sich aufzusetzen, ein erschreckend starkes Schwindelgefühl erfasste sie und sie musste ein wenig warten bis sie sich ganz aufsetzen konnte. Das dunkelbraune ellbogenlange Haar fiel Alieyna in Strähnen ins Gesicht und die fast schwarzen Augen sahen sich verwirrt um.
Das Mädchen blickte an sich herunter. Eine schwarz weiße Rüstung in Form von Brustschutz, einem blassrosa Rock und hohen überlappten Stiefeln.
Das einzige was nicht dazu passte war ein einzelnes Armband an ihrem rechten Arm. Es war reich verziert mit Anhängern und sah aus wie aus Silber. Gleich darunter war ein Tattoo, es hatte eine merkwürdige Form, erinnerte Alieyna aber ein wenig an eine Sense. Sie hatte dieses Gefühl, dass es eine Sense sein musste. Woher dieses kam wusste sie nicht.
Alieyna stand auf und lehnte sich sogleich an einen der umstehenden Bäume, die Rinde des großen Baumes fühlte sich sicher an, beständig. Ihre Muskeln protestierten, als sie sich anspannten um Alieynas neugeborenen Körper durch die Gegend zu schleppen. Sie sah sich zum ersten Mal genau um. Sie stand anscheinend auf einem Berg, denn sie konnte direkt auf ein kleines Tal blicken, in dem eine scheinbar große Handelsstadt lag. Rote Dächer, weiße Wände viele Leute. Drum herum ein langer Graben gezogen, in dem sich klares Wasser versteckte.
Es war bezaubernd so klar und hell. Eine Oase geradezu! Alieyna genoss einige Sekunden lang die frische Luft und den herrlichen Ausblick. Kurz vergaß sie auch etwas sehr wichtiges; wo war sie? Als ihr diese Frage wieder in den Sinn kam jagte Alieyna ein eisiger Schauder über den Rücken. Fragen schossen ihr durch den Kopf, tausende von Fragen. Als sie schließlich schon das Gefühl hatte, ihr Kopf würde gleich platzen, kam sie auf die rettende Idee. Sie würde sich einfach langsam auf ihre Umgebung einfühlen, ein guter Einfall!
Dafür musste sie nur in dieses ominöse Dorf gehen und sich ein wenig erkundigen. Das war es doch! Und so schwer würde das bestimmt nicht sein! Oder? Nein! Keine Zeit für Zweifel! Alieyna ließ ihre Füße sich in Bewegung setzen und machte sich auf den Weg in Richtung des Tals.
Die Frau lächelte, es war lange her, seit sie die Juras gesehen hatte, denen sie auflauerte. Aber sie durfte sie nicht unterschätzen. Diesen Fehler würde sie nie machen. Juras, Humanoide, die den Kjen abgesehen von den tierlichen Elementen so ähnlich sahen. Mit ihren Zaubern und den Tattoos am ganzen Körper, die sie als Botschaft der Götter ansahen.
Die mächtigen unter den Juras galten als unbesiegbar, aber nicht für sie. Als Kjen verspürte sie einen unnatürlichen Zorn gegen die Juras, das lag in der Natur der Kjen. Ein Volk, das sich den Tieren versprochen hatte und einige ihrer DNA-teile übernommen hatten. Sie alle hatten unterschiedliche Kreuzungen, die häufigsten waren Hunde, Katzen und Mäuse. Die Frau selbst hatte einen packt mit einer orangen Tigerkatze geschlossen und seit sie sich erinnern konnte, sah sie im Spiegel immer große, orange Ohren zwischen dem zerzausten, grünen Haar. Der weite, dunkelgraue Mantel den sie über den Schultern trug wehte um ihre Beine herum. Der Pulli und die weiten Bundhosen hielten sie schön warm bei dem starken Wind.
Die Gruppe Juras bog um eine Ecke im Handelsdistrikt. Die Mauern waren alle recht verfallen und entfernt konnte man die Melodie einer Klarinette hören. Und das rege Treiben des Handels war weit entfernt. Ein Tango wurde gespielt. Die Frau kümmerte sich nicht weiter darum, das einzige worauf sie achtete war die Lautstärke des Klacken, das ihre Schritte verursachten.
Katzengleich und leichtfüßig verfolgte sie die Straftäter, das würde die Polizei der Handelsstadt wieder einmal ein wenig um ihr Geld erleichtern, wenn die Frau eine andere gewesen wäre. Sie hasste die Kriminellen in dieser Stadt und tat alles um diese auszurotten.
Die Juras die sie soeben verfolgte, hatten schon viele der hier wohnenden Kjenfrauen entführt und getötet. Die Frau wusste somit, dass sie einen guten Grund hatte jeden einzelnen von ihnen zu töten. So wie die vielen armen Seelen vor ihnen.
Die Kjen konnte nicht sagen, dass das ihr erstes Mal sei.
Die Jurasprozedur hatte sich in eine dunkle Nebengasse verzogen und nun, standen sie dort und unterhielten, sich unauffällig. Unauffällig! Pah! Jedes halbwegs geübte Auge hätte sie bemerkt. Die Frau grinste, Amateure!
Sie dachte gerade über einen Plan nach, wie sie wirklich alle zusammenschlagen könnte, (Das hatte sie sich vorgenommen; alle so krankenhausreif Schlagen, dass sie sich wünschten, sie wären tot) als sie auf einmal im Schatten hinter den Juras eine Aufschrift sah. Eine Aufschrift in der Luft? Wohl kaum! Die Kjenfrau lächelte, welch unglücklicher Zufall, eine Sackgasse.
Dann machte sie sich gar keinen Kopf mehr, sondern trat hinter der Ecke hervor. Die Juras beachteten sie nicht sofort, doch als die Frau auf sie zuspazierte wandten sie ihre Blicke interessiert in ihre Richtung. Sie strich sich mit einem halbherzigen Lächeln die grünen Haare aus dem Gesicht und blieb vor den drei stehen.
„Wer bist du?“ fragte einer von ihnen unwirsch.
Die Frau ging nicht auf den missbilligenden Tonfall ein und lächelte breit. Dann ging sie zwischen den Jurasjungen hindurch und blieb, den Rücken ihnen und dem Sonnenlicht entgegen gewandt, stehen. „Erst möchte ich wissen wer ihr genau seit.“
„Mein Name ist Butch, das ist…“
„Nicht eure Namen“, seufzte die Frau, „die interessieren mich nicht. Welche Gilde?“
Sie spürte, wie die Jurasjungen zögerten und hörte mit ihren ausgeprägten Ohren, wie sie nach ihren Waffen griffen, doch einer schien es für wichtig zu halten eine große Klappe zu riskieren; „Wir sind die Starstarters.“
Die Frau kicherte, „was für ein bescheuerter Name.“
„Ganz und gar nicht“, der zweite Juras war dem ersten zur Hilfe geeilt, „unsere Absichten sind rein und deswegen haben wir die Reinheit eines Sterns für den Namen genommen.“
Die Frau ballte ihre kräftigen, steinharten Fäuste und ihr Herz begann vor Zorn wild zu hämmern. Wie konnten diese bescheuerten Lügner, nur auf dieser Welt leben, sie waren ja kaum mehr wert als eine Staublaus! Tränen waren den Augen der Frau nach, bei dem Gedanken, wie unfair es war, dass diese Mörder mit vorgegeben guten Absichten lebten und ihre Schwester nicht. Sie war sich sowieso schon immer sicher gewesen; es gab keinen Gott.
„Und was gab euch das recht für den Mord an diesen Frauen?“ fragte sie, mit einer Kälte in der Stimme, dass allen drei Juras ein Schauder unter die Haut lief und sie abkühlen ließ.
Kein Lächeln mehr. Keine Freundlichkeit mehr in der Stimme. Keine nette Person mehr. Das Blut rauschte in den Ohren der Kjendame und sie fühlte die langen, spitzen Krallen die sich wie Messer durch ihre Haut einen Weg nach draußen bohrten. Es tat jedes Mal weh, aber es fühlte sich doch an wie ein warmes Wohlwollen ihres Körpers.
Sie spitzte die Ohren und zuckte nicht einmal als die wachsenden Fangzähne in ihrem Mund das zarte Zahnfleisch durchschlugen. Sie stellte die Ohren nach hinten und ließ ein leises Knurren hören.
„Ihr seit der Abschaum der Welt.“ spukte sie förmlich aus, „die Wesen in den hintersten, schimmligsten Ecken des Abschaums! Ihr widert mich an!“
„Wer bist du?“ rief einer der Juras.
Die Frau lächelte als sie die wachsende Angst in der Stimme des Feindes heraushörte. Anstatt zu antworten drehte sich die Kjendame einfach um und sah die drei Juras bedrohlich.
Einer weitete die Augen, „ich weiß wer du bist! Du bist…!“
weiter kam er nicht, die Krallen der Frau hatten sich mit der Geschwindigkeit einer Katze durch seinen Hals gefressen und nun spukte er Blut als er zu Boden fiel.
Sie drehte und wendete sich zwischen den Waffen die ihren Körper suchten. Duckte sich und sprang, jeder Schlag ging in weitem Bogen daneben. Sie spielte einige Minuten mit den beiden Juras, bis es ihr zu langweilig wurde und schnitt anschließend beiden die Kehle durch.
„Wer ich bin?“ fragte sie in die Schatten hinein, „sagen wir einfach, dein schlimmster Albtraum.“
Der weg war anstrengend gewesen, doch Alieyna hatte es an ihr Ziel geschafft. Ihr schmerzten die Füße, doch sie war zu neugierig und angespannt um sich einfach irgendwo niederzulassen. Überhaupt war die Stadt wirklich sehr sehenswert, überall gab es Stände an denen Dinge verkauft wurden, die Alieyna noch nie zuvor gesehen hatte. Was nicht schwer war, da sie sich ja an nichts erinnern konnte.
Also durchlebte sie alles, als wäre es das erste Mal. Ein wunderbares Gefühl.
In einer Taverne hatte sich das Mädchen zuvor noch erkundigt wo genau sie sich befand und der freundliche Wirt hatte Alieyna, mit einem gutmütigen Lächeln erklärt, dass sie sich am östlichen Ende des Reiches Alarian befanden. Alarian wurde die Welt genannt in der Alieyna diesen Morgen ohne jegliche Erinnerung aufgewacht war. Sie hatte gefragt ob es außerhalb von Alarian noch etwas gab, aber der Wirt hatte sie nur besorgt angesehen und ihr mitgeteilt, dass Alarian der einzige Kontinent auf dieser Welt war.
Alieyna hatte genickt und sich nach einer Möglichkeit erkundigt, wie sie einen Gedankenleser finden könnte. Der Wirt hatte gelacht und ihr gesagt, dass sie bestimmt die erste war die nach so etwas fragte.
Doch dann wurde er still, nach einer Weile meinte er jedoch: „Ganz ehrlich Kind, ich kenne mich in dieser Stadt nicht gut genug aus um dir solche Auskünfte geben zu können.“
„Wissen sie von jemandem den ich fragen könnte?“ fragte Alieyna.
Bedauerlich hatte der Wirt den bärtigen Kopf geschüttelt und Alieyna hatte sich dankend abgewandt, sie würde einfach verschiedene Leute fragen, irgendeiner würde ihr schon einen Weg sagen können und falls es in dieser Stadt keine Gedankenleser gab würde sie eben fragen ob es in einer
anderen einen gab. Sie stutzte, wie war sie überhaupt auf die Option mit dem Gedankenleser gekommen? Sie konnte sich doch an nichts erinnern, wie war sie dann auf einen Gedankenleser gekommen? Sie schob es als glücklichen Zufall zur Seite und machte sich auf den Weg.
Immer wieder fand sie Leute auf ihren Pfaden, die sie freundlich anlächelten und die sie sogleich fragte, ob sie ihr in dem Thema vielleicht helfen konnten.
Nun war wieder so ein Augenblick und sie schlenderte auf zwei Jungen mit Tattoos zu. Sie tippte einem auf die Schulter und dieser drehte sich zu ihr um.
Ein breites Grinsen begann seine Lippen zu zieren, „kann ich dir helfen?“
„Ja“, Alieyna lächelte, trotz dass die Jungs ihr irgendwie unheimlich waren, „ich bräuchte dringend eine Wegbeschreibung zu einem Gedankenleser.“
Der andere Junge zog einen Mundwinkel nach oben, „dann bist du genau an die richtigen geraten!“
„Wirklich?“ Alieyna atmete erleichtert auf.
„Genau“, der erste schlang einen Arm um Alieynas Schultern und, „wir führen dich sogar hin.“
Alieyna zog eingeschüchtert die Augenbrauen zusammen, lächelte aber immer noch so nett wie ihr möglich war, „Danke.“ Die Jungs waren ihr auf jeden Fall unheimlich, aber sie waren eine gute Gelegenheit, wie das Mädchen am schnellsten ihr größtes Problem lösen konnte.
Einige Zeit lang gingen sie so dahin und die Jungen erzählten Alieyna alles Mögliche über die Stadt. Als sie in eine Seitengasse einbogen blieben sie jedoch erschrocken stehen. Vor ihnen lag eine dunkle, fast ganz schwarze Gasse. Die rechte Wand war fast gar nicht erkennbar, doch Alieyna konnte sehen wie sich etwas bewegte und spürte wie die Arme der Jungs anfingen zu zittern.
Eine Frau trat aus den Schatten, sie war sehr groß und hatte schulterlanges, grünes Haar. Alieyna machte große Augen, auf dem Kopf der Frau, zwischen der wirren, grünen Mähne thronten ein paar orange-getigerte Katzenohren und hinter ihrem Bauch schnippte ein langer ebenfalls orange-getigerter Katzenschwanz.
Sie wusste, dass das in dieser Welt nichts ungewöhnliches war, aber ein Gefühl in Alieynas Hinterkopf sagte ihr, dass sie selbst das ganze nicht gewohnt war. Einmal mehr machte es dem Mädchen große Angst, dass sie sich wirklich an nichts mehr erinnern konnte.
Die Jungs hatten sich nun vor sie gedrängelt und hatten einen Schutzwall um Alieyna gezogen, aber irgendetwas sagte ihr, dass sie nicht unbedingt, die unschuldige Alieyna aus Anstand beschützen wollten. Was genau ihr das sagte blieb Alieyna verborgen. Die Frau ging ein paar Schritte auf die drei zu und blieb dann einen Meter vor ihnen stehen.
„Wer bist du?“ fragte einer der Jungen.
Der andere schien überrascht, „alter, weißt du das wirklich nicht?“ er bedachte die Frau mit einem verhassten, brennenden Blick, „das ist die, die unser Volk in dieser Stadt auslöscht… Die Rächerin von Santrar, oder auch…“
„Der Engel der Kjen.“ beendete die Frau seinen Satz, sie lächelte zufrieden, „ich bin beeindruckt, Gentleman, ihr seid gut informiert.“
„Du löschst unser Volk aus?“ wollte der Junge wissen, der nichts über die Frau gewusst hatte, „was solltest du für einen Grund haben?“
Die Katzenfrau betrachtete kurz ihre Nägel und meinte: „Ich habe nicht direkt etwas gegen eure Spezies. Aber ich habe etwas gegen Juras, die sich für etwas besseres halten. Sich als Götter empfinden und glauben, dass sie das Recht haben, jeden umzubringen der es ihnen nicht recht macht.“
„Wir haben eine Verbindung zu den Göttern, natürlich besitzen wir mehr macht als andere.“ Alieyna lief ein Schauer über den Rücken, als die Frau mit einem Ruck von ihren Nägeln aufsah und den unwissenden mit einem eiskalten Blick fixierte.
Mit einer Blitzbewegung hatte die Katzenfrau eine Pistole hervor gezogen. Ein Knall war zu hören. Alieynas Herz zog sich zusammen, als sie neben sich aus den Augenwinkeln sah wie der Junge der gesprochen hatte, in sich zusammenfiel.
Als sie sich drehte waren die Augen des Jungen weit aufgerissen. zwischen ihnen prangte ein kleiner roter Kreis aus dem ein Fluss aus rot hervortrat.
Alieyna konnte sich nicht rühren, im Gegensatz zu dem zweiten Jungen. Dieser stürzte auf seinen Freund zu.
„Jonas!“ er rüttelte an dem reglosen Körper, „Jonas! Jonas, wach auf!“ sein Blick wandte sich der Frau zu, „Monster! Wieso?!“
„Das weißt du ganz genau, und jetzt nehme ich das Mädchen und gehe.“ sie machte einen Schritt auf Alieyna zu, diese zitterte und stolperte nach hinten.
„Niemals!“ der Junge stelle sich zwischen die beiden, „bevor du mir meine Beute wegnimmst musst du mich schon
umbringen!“
Beute? Alieyna hatte sich sicher verhört, aber es hatte sich gerade angehört, als hätte der Junge Beute gesagt! Darüber konnte sie jedoch nicht weiter nachdenken, denn die Frau hatte eine gleichgültige Miene aufgesetzt und den Revolver gehoben.
Sie zuckte mit den Schultern, „von mir aus.“ schon war der Abzug gedrückt, wieder ein Knall und Alieyna schrie.
Der Junge hielt sich die Brust und stand auf allen vieren. Die Frau ging auf ihn zu, stellte einen Fuß auf den Rücken des Jungen und beugte sich zu ihm runter.
„Abschaum.“ sobald sie das gesagt hatte, richtete sie sich wieder auf und trat gegen den zitternden Körper.
Der Junge stöhnte und fiel auf die Seite, ein paar unregelmäßige Atemzüge und er verstummte. Seine Augen wurden leer und seine Hände schlaff. In Alieynas Augen standen Tränen und nun kam die Katzenfrau bedrohlich auch auf sie zu.
Alieyna stolperte weiter zurück bis der Aufprall an eine Wand ihr den Atem nahm. Sie riss die Augen auf, die Frau streckte eine Hand nach ihr aus und plötzlich regte sich in Alieyna ein Gedanke. Statt lange darüber nachzudenken griff sie nach dem Armband das um ihr Handgelenk geschnürt war und zog daran. Mit einem Ruck und einem ungewöhnlich lautem Klirren zersprang es in viele kleine Teile.
Die Frau stutzte und blieb in ihrer Bewegung stehen. Die Splitter des Armbandes blieben in der Luft stehen und fingen an zu leuchten. In kaum sichtbarer Geschwindigkeit setzten sich die einzelnen Teile zusammen zu einer großen, hellen, weiß-leuchteten Silhouette.
Als die ganzen Teile an ihrem Ziel angekommen waren, zersprang das leuchten und ließ eine Waffe zurück. Eine Sense! Alieyna griff aus einem weiteren Impuls danach und schwang die Schneide der Sense sogleich in Richtung der Frau, eigentlich hätte Alieyna sie locker erreicht, doch die Katzenfrau sprang hoch in die Lüfte, etwa zwei Meter über
Alieynas Kopf.
Alieyna schlug noch einmal und diesmal traf sie die Frau, doch der Schlag wurde locker von langen eisenharten Katzenkrallen abgeblockt. Alieyna schlug immer wieder in die Richtung der Katzenfrau und die Schläge wurden immer wieder abgewehrt. Doch Alieyna hatte ein ganz anderes Ziel verfolgt und nun standen die beiden an der gegenüberliegenden Wand und die Frau war an die Wand gedrückt, die Klinge der Sense an ihren Hals gedrückt.
Alieyna atmete lautlos und hatte kaum merklich ihre ganze Angst in dem kurzen Kampf abgeschüttelt. Ihre Arme zitterten nicht mehr und sie spürte, dass ihre Augen nichts über ihr Inneres verrieten. Die Augen der Katzenfrau hingegen verrieten viel; erst einmal großes Erstaunen, gefolgt von Interesse bis hin zu leichtem Respekt.
„Wer bist du?“ fragte Alieyna.
Ein ruhiges Lächeln breitete sich auf dem Gesicht der Frau aus, „mein Name ist Siko Laymena. Darf ich auch den Namen des einzigen Wesens erfahren, das meinem Todesurteil widerstehen konnte?“
„Mein Name ist Alieyna.“
„Dann verrate mir Alieyna; WAS bist du?“ knurrte Siko.
Alieynas Augenbrauen zogen sich zusammen und ihr griff um
den Griff der langen Sense wurde locker. Diese Gelegenheit ließ ihre Gegnerin nicht ungenutzt und mit einer schnellen Bewegung war Alieyna von Siko an die Wand genagelt.
„ich weiß nicht was ihr meint.“ es war schwer zu sprechen, da die Katzenfrau ihr die langen Krallen an den Hals drückte.
Siko machte ein nichts sagendes Gesicht, „überleg mal kurz; die Juras, mit ihren Tätowierungen und dem Glauben an die Götter. Die Kjen haben die Merkmale von den Tieren denen sie sich versprochen haben, so wie ich. Die Lylium, die an den Vulkanen leben und ein paar große Hörner auf ihren Köpfen thronen haben. und die Hexen, die mit ihren Spitzohren und ihrer Zauberei am meisten allen anderen Rassen ähneln, doch“, sie strich eine von Alieynas Haarsträhnen die über ihrem Ohr hing zur Seite, „du siehst wie keine von ihnen aus, hm?“
Alieynas Augen waren zusammengezogen, dann rollte ihr eine Träne übers Auge, „ich weiß es nicht okay?!“
„Was meinst du?“ die Strenge in der Stimme der Frau war laut und deutlich.
Alieynas Gefühle wurden in einem Schwall unerträglich und sie schrie in Sikos Gesicht, „ich weiß es nicht! Ich habe keine Erinnerungen mehr! Es ist einfach nichts mehr da!“
Eine weitere Träne rollte über Alieynas Wange.
Siko ließ eine ihrer Krallen hervorschnellen und Alieyna zuckte zusammen, was hatte sie denn erwartet? Dass diese kaltblütige Mörderin sie verstehen würde? Sie verschonen würde?! Was für ein Blödsinn! Alieyna war nun sehr zornig auf sich und zitterte während immer mehr Tränen über ihr Gesicht liefen.
Doch Siko machte keine Anstalten sie aufzuschlitzen, sie strich die Kralle über Alieynas Gesicht und wischte die Träne weg. Als Alieyna in die Augen der Kjen sah, erschrak sie kurz. Ihre Züge waren weich geworden und ihre Mundwinkel waren leicht gehoben.
„Was ist?“ fragte Alieyna schluchzend, „keine Lust mehr mich umzubringen?!“
Siko blickte grinsend zur Seite, „nein, du hast es mir verdorben.“
„Na klar“, das Mädchen rümpfte verächtlich die Nase, obwohl sie nun darüber nachdachte, dass sie vielleicht einen falschen ersten Eindruck von der Katzenfrau bekommen hatte.
„Ich glaube du hast da einige Dinge falsch verstanden.“ Sikos Hände zogen sich zurück und ihre Krallen verschwanden wieder in den langen, schlanken Fingern.
„Ah ja?“ Alieynas Stimme hatte wieder angefangen zu zittern, „und haben die zwei Jungs auch was falsch verstanden, oder wie?“
„Nein“, die Kjen schien plötzlich irgendwie bedrückt, „sie hatten einen Grund zu sterben.“
„Ach so ein Blödsinn! Das ist allein…“
„Sie haben Leute umgebracht! Viele junge Kjenmädchen sind wegen ihnen gestorben! Ich hab sie jetzt schon so lange verfolgt, also denk nicht es wäre ein Missverständnis!“ Siko hatte Alieynas Schultern gepackt und sie an die Wand gedrückt, in ihrer Stimme spielte leichter Zorn mit.
Alieyna jedoch verstand, Siko hatte bloß mit zwei Morden vermutlich über hundert weitere abgewendet.
Jetzt drehte sich die Kjen von Alieyna weg und meinte: „ich werde dich jetzt mit deinem leeren Kopf allein lassen, wenn ich doch so kaltblütig bin, willst du sicher nicht in meiner Nähe sein.“
Ihre Hände verschwanden in den großen Taschen der grauen Jacke die sie trug, sie drehte den Kopf halb nach rechts, dass sie aus den Augenwinkeln immer noch Alieynas Silhouette sehen konnte, „immerhin“, sie grinste, „könnte ich versuchen dich umzubringen.“
Sie ging davon.
„Darf ich dich was fragen?“ Sikos Stimme strotzte nur so vor fertigen Nerven.
Alieyna sah auf und blickte auf den geraden Rücken der Kjen, „hm?“
„Wieso folgst du mir?“ die Frage war durchaus berechtigt, schon seit einer guten Weile wanderte Siko durch die engen Straßen von Santrar und Alieyna war nicht von ihrer Seite gewichen.
„Na ja“, Alieynas Hand strich über ihren Hinterkopf, „ehrlich gesagt, hatte ich gehofft du könntest mir helfen.“
„Wobei? Bei deinem Gedächtnisproblem?“
Alieyna nickte.
„Ich hab dir doch gesagt, ich weiß nichts.“ erklärte Siko sicher schon zum zwanzigsten Mal.
„Bitte Siko“, Alieyna sah sie flehend an, „du bist die einzige die mir helfen kann, mein Gedächtnis zurückzukriegen!“
„Wer weiß“, Siko zuckte mit den Schultern, „vielleicht war´s ja auch nur ein Tequila zu viel und du erinnerst dich morgen
wieder.“
Alieyna packte Siko am Arm, „bitte Siko, das ist nicht lustig, ich brauche wirklich deine Hilfe!“
Die Kjen überlegte eine lange Zeit, dann musterte sie das Mädchen eingehend. Sie wollte ihr helfen, wusste nur nicht ganz wie und obendrein stand ihr Ego im Weg, sie könnte das niemals zugeben. Doch auf einmal schoss ihr ein Gedanke in den Kopf, er gefiel ihr nicht, doch für Alieyna war es vermutlich die einzige Möglichkeit.
„Nun, es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, aber ich bin nicht wirklich begeistert.“ erklärte sie langsam.
Alieyna sah sie wortlos an, es war nicht schwer zu erkennen, dass sie wirklich ihr Gedächtnis zurückhaben wollte. Das Flehen in den Augen des Mädchens war unübersehbar. Sikos Züge wurden entspannter, sie verstand Alieynas Problem und wollte ihr wirklich helfen… selbst wenn sie eine Juras um Hilfe bitten musste…
Alieyna und Siko wanderten durch die Straßen von Santrar. Die vielen Stände und Handwerkslehren die angeboten waren erweckten immer wieder die Aufmerksamkeit des jungen Mädchens und Siko hatte Schwierigkeiten sie nicht zu
verlieren. Das Ziel der beiden war der Magierdistrikt. Ein Viertel in dem sich die Juras und Hexen zu Massen tummelten.
Alieyna hatte schon mehrere Fragen in das immer verdutztere Gesicht der Kjen gestellt. Über die Völker, deren Fähigkeiten und die ganzen Zauber die sie praktizierten. Sikos Zweifel, wegen Alieynas Amnesie waren mit jeder Frage kleiner geworden, immerhin war das was das Mädchen sie fragte Grundschulwissen.
Alieyna hingegen hatte einige Dinge erfahren bei denen sie das Gefühl hatte, dass sie es wahrscheinlich schon vor der Amnesie nicht gewusst hatte. Es fühlte sich tatsächlich so an als wäre sie an diesem Morgen neu geboren worden. Aber das war ja unmöglich, nicht wahr?
Die beiden gingen eine lange Straße hinunter, die mit Kjen, Juras, Hexen und den selten vorkommenden Lylium vollgestopft war. Lylium, so hatte Siko es ihr erklärt, waren die Wesen die an den Vulkanen und manchmal auch in den Vulkanen lebten, sie trugen immer große, zur Seite stehende Hörner und beherrschten das Drachenfeuer, eine alte, edle Kunst, die sie das Feuer beschwören und benutzen ließ. Doch es gab nur sehr wenige, die mit den Feuerdrachen reden konnten. Die riesigen und überwältigenden Echsen im Inneren der feuerspeienden Berge waren schon lange verschollen, doch es gab einige wenige, die behaupteten, sie hätten einen gesehen.
Rechts von ihnen lag nun eine kleine Nebenstraße in die Siko mit Widerstreben einbog. Vor einer großen Tür mit lila und rosa Vorhängen blieb sie stehen. Im Inneren roch es nach Rauch und irgendeiner merkwürdigen Substanz, die Alieyna nicht benennen.
Siko blieb stehen, „ich geh nicht in die Höhle von dieser falschen Hexe. Aber wenn du willst warte ich.“
Alieyna nickte dankbar und ging mit schnellen Schritten in die dunklen Räume. Innen drin war es ziemlich dunkel, das
einzige Licht kam zwischen den Vorhängen hindurch. Violette und blassrosa Lichtstreifen spielten in dem kleinen Raum und allerlei ominöse Dinge hingen von der Decke hinab. Traumfänger, Amulette, und viele andere merkwürdige Sachen.
Alieyna suchte sich einen Pfad durch das Labyrinth von Tischchen, Decken und Polstern. Als sie in der Mitte angekommen war, blieb sie stehen und sah rundum. In dem ganzen Häuschen schien niemand zu sein, doch plötzlich erkannte sie eine zusammengekrümmte Gestalt, gehüllt in viele dick-ausgestopfte Decken.
Langsam, Schritt für Schritt bewegte sie sich auf die Gestalt zu. Doch diese reagierte nicht, also nahm Alieyna ihre Stimme zusammen und versuchte ihr Herz in den Griff zu kriegen.
„Entschuldigung“, Die Gestalt regte sich nicht, „Entschuldigung?!“ diesmal war die Stimme des Mädchens etwas lauter.
Alieyna setzte sich vor die Gestalt, „ich brauche ihre Hilfe. Seit dem heutigen Morgen habe ich alles vergessen. Als ich aufwachte war jegliche Erinnerung verschwunden.“ sie schluckte, da die Gestalt sich immer noch nicht regte, „Von einer gewissen Quelle habe ich erfahren, dass sie mir helfen können. Und darauf hatte ich gehofft.“
„Siko hat dich geschickt nicht wahr?“ Alieynas Haare stellten sich auf und die Gänsehaut breitete sich auf dem ganzen Körper des Mädchens aus, die Stimme der Frau war eiskalt und unnatürlich, das atmen war laut und deutlich zu hören, „das sieht ihr gar nicht ähnlich. Naja, sie hat immer schon gegen ihre Natur gehandelt.“
Alieyna dachte, dass sich ein Grinsen auf dem Gesicht der Gestalt bildete. Dann hob sie den Kopf. Alieyna hätte fast geschrien als sie das Gesicht der Gestalt sah. Die Falten der alten Frau ließen beinahe keinen Streifen Haut ungerührt und die Lippen der Frau waren gesprungen und eingerissen.
Doch das Schlimmste waren die Augen; das linke durchschlagen von einer Narbe und das andere schneeweiß
wie ein Schneeball.
Alieynas rasendes Herzschlagen war kaum kontrollierbar und wahrscheinlich auch unüberhörbar.
Die Frau streckte ihre Hand aus, „lass mich deine Gedanken lesen, Kind…“
Alieynas herz klopfte gegen ihre Rippen als die Frau sie aufforderte sich auf einen hohen, nicht sehr stabil aussehenden, Polsterhaufen zu legen.
„Schließ deine Augen.“ ordnete die Frau an.
Alieyna tat was ihr aufgetragen wurde und senkte die zitternden Lider über ihre Augen. Als die Schwärze sie einhüllte wurde es ihr noch unheimlicher.
Die alte Frau legte einen eiskalten Finger auf Alieynas linke Hand, die sofort fror, „ganz ruhig Kind.“
Alieyna versuchte wieder ihr Herz unter Kontrolle zu bringen. Diesmal stellte sie erstaunt fest, dass ihr Herz wirklich ein bisschen langsamer schlug und ihre Augenlider aufgehört hatten zu flattern. Sie ballte die Hände zu Fäusten und befahl sich innerlich keine Angst zu haben. Sie legte die Hände auf den Bauch und strich über das Tattoo an ihrem Handgelenk. Sie nahm eine gewisse Sicherheit war die von dem kleinen Abbild der Sense ausging und lächelte leicht.
„ich werde dein Gehirn und deine Erinnerungen durchforschen, dir zeigen was noch dort ist und tiefer suchen um vielleicht das wieder zu finden, was du verloren hast.“ berichtete die alte Dame langsam von ihrem Vorhaben.
ein kurzer Schauer überzog Alieynas Körper, „wird es wehtun?“
„Nein“, sie legte einen Zeigefinger auf Alieynas Stirn, „kommt aber natürlich darauf an, was du unter echtem Schmerz verstehst.“
Alieyna riss die Augen auf und wollte die Hand der Frau wegschlagen, doch es war zu spät. Die kalte Haut des Fingers strich über Alieynas Nase bis zwischen ihre Augen. Dann drückte sie ihre Fingerkuppe in Alieynas sensible Haut und das Mädchen spürte einen unfassbaren Schmerz im Hinterkopf. Als der schmerz nachließ, hatte sie das Gefühl zu fallen, immer weiter und weiter. Es war schrecklich, Alieyna hasste das Fliegen. Eine Erinnerung! Sie hasste fliegen! Es funktionierte also. Sie
wartete und fiel immer weiter und tiefer. Nach einer Weile tauchten Bilder vor ihrem inneren Auge auf, Bilder von einem Himmel blau wie das Meer, Blütenblätter die fielen. Das war der Morgen an dem sie aufgewacht war, ohne sich an etwas erinnern zu können! Das musste es einfach sein!
Und da war Siko! Klar und deutlich konnte sie die stechenden, grünen Haare, Strähne für Strähne erkennen. Die orangen Ohren und das böse Grinsen in ihrem Gesicht. Es kam zurück! Nicht wahr?!
Dann tauchte ein Bild vor Alieyna auf das sie ebenfalls sofort zuordnen konnte. sie selbst, und zwar direkt vor dem zusammengeklappten Körper der alten Frau.
Nun waren Alieynas Erinnerungen in der Gegenwart angelangt. Folglich mussten doch nun die kommen die sie vergessen hatte… nicht wahr?
Gespannt und leicht ungeduldig wartete sie ab. Eine Ewigkeit verging, so lang, dass es Alieyna wie Jahre vorkam, die sie wartete. Unerträglich, doch plötzlich sah sie vor sich… einen Punkt. Einen schwarzen Punkt. Sie runzelte die Stirn, was sollte das denn jetzt?
Doch der Punkt wurde größer, gewann an Masse, bis er schließlich doch so groß geworden war wie Alieyna selbst. Es sah aus wie ein schwarzes Loch und schien irgendwie… auf Etwas zu warten. Das Mädchen hob sehr langsam die Hand und spürte wie sie anfing zu zittern. Doch sie atmete tief ein und aus, dann streckte sie die Hand aus und berührte das Loch. Einige Zeit passierte nichts. Auf Alieynas Stirn bildeten sich noch mehr Falten. Was sollte das denn?
Plötzlich erhellte sich das Bild und Alieyna wäre, wenn sie nicht immer noch im Fall liegen würde, glatt nach hinten gestolpert. Eine Eiseskälte umfasste ihr Herz wie die kalten Hände der alten Dame. Sie konnte das Gesicht in das sie schaute niemandem zuordnen, doch ihr Unterbewusstsein machte ihr klar, dass sie die Person kannte. Diese Person, diesen Mann mit seinen rabenschwarzen Haaren, das ausdruckslose Auge der Maske über Mund und Nase und
nicht zuletzt der Augenklappe über dem rechten Auge.
Alieyna wollte schreien, sich bewegen, wenigstens einen Finger rühren, doch sie war wie versteinert. So hatte sie keine andere Wahl als mit hämmerndem Herzen die schwarzen Augen zu fixieren und sich das Gesicht genau einzuprägen.
Es war wie Folter.
Der Mann hob etwas, etwas in seiner Hand, mit einer länglichen Form und… einem Abzug. Der Mann verzog keine Miene, bewegte nichts, Außer seinem Finger am Abzug, er zitterte, irgendwie ungeduldig. Seine Lippen bewegten sich, doch Alieyna hörte nichts, nur ein hohes, lautes Quietschen.
Als Alieynas Gegenüber aufgehört hatte zu reden grinstet er kurz und schließlich hörte der Finger auf zu zittern, um genau zu sein, hörte alles auf. Das Loch, durch das Alieyna den Mann gesehen hatte war verschwunden.
Ein Knall. Ein unerträglicher Schmerz zwischen den Augen und pure, schwarze Finsternis…
Alieyna schrie. Sie schrie lange, bis sie merkte, dass sie wieder in die reale Welt zurückgekommen war. Dicke Tränen rollten über ihre runden Wangen und sie wischte sie widerwillig ab. Es war nicht echt, ein Trugbild… aber war es nicht auch eine Erinnerung? Nein. Das war unmöglich.
Sie war von dem Mann mit Maske erschossen worden, kaltblütig ermordet. Doch hier saß sie, leibhaftig und voller Lebenskraft. Das konnte niemals die Realität gewesen sein. Nicht wahr? Nicht wahr?!
Alieyna schüttelte den Kopf, dann fiel ihr die Frau wieder ein. Suchend wanderte ihr Blick durch den finsteren Raum. Alieyna hätte beinahe wieder geschrien als sie ihren Kopf nach links drehte. Da stand sie, noch bleicher als zuvor. Die Augen, trotz Blindheit, aufgerissen, die Gesichtszüge ängstlich verzerrt.
„Was ist los?“ fragte Alieyna wimmernd.
Die Frau packte ihren linken Arm und Alieyna zuckte, „mein Kind, wer hat die größte Sünde von allen begangen und dir das angetan?!“
„Was meinen sie?“ Alieynas Tränen ließen sich nicht verstecken, immerhin war das hier die Realität.
„Deine Erinnerungen wurden zerstört, es ist als wärest du gerade erst neugeboren und würdest nur das wissen, was du brauchst um zu überleben; nämlich dein logisches Denken.“
Alieyna sah sie verwirrt an, dann hob sie eine Hand.
Die alte Dame weitete erschrocken die Augen und kurz hatte Alieyna das Gefühl, dass die Frau doch etwas sehen konnte.
„Verschwinde!“ das Kreischen der Frau war unnatürlich und schrill. Als würde sie durch ein Megafon schreien.
„Wieso? Was ist…“ weiter kam Alieyna nicht, denn die Frau zog ein Messer aus ihrem Umhang und richtete es in Alieynas Gesicht.
Die Frau fuchtelte mit der Schneide des Messers Zentimeter entfernt vor Alieynas Gesicht herum, „Verschwinde! Böse Geister, weicht von mir! Die Finsternis, sie soll verschwinden! Du bist verflucht, halte dich fern von mir! Deine Erinnerungen sind nicht gestohlen, dummes Gör, sie wurden zerstört!“
Alieyna blieb starr. Sie konnte sich nicht rühren, trotz der scharfen Klinge in der zitternden Hand der alten Dame. Finsternis? Ein Fluch? Wie konnte das sein? Das war… nicht fair! Einfach nicht fair! Wer würde ihre Erinnerung stehlen wollen… und warum?
„wenn du nicht gehst, dann werde ich eben deinen toten Körper wegschaffen und deinem Leben Erlösung schenken!“ Sie holte aus, Alieyna; immer noch bewegungsunfähig. Gleich war es aus, sie musste sich bewegen, doch der Schreck saß ihr in den Gliedern. Die verrückte alte Mörderin, der Morgen, die vielen Toten von Siko und nicht zuletzt der Mann mit der Maske. Es war einfach zu viel… Vielleicht war es besser sich einfach abstechen zu lassen…
Die Frau hob das Messer, ließ es niederschießen, Blut spritzte. Tiefrotes Blut. Wie in Zeitlupe flog es an Alieyna vorbei. Sie wollte schreien, empfand aber keine Schmerzen. Das war doch merkwürdig…
Schließlich wurde es ihr klar, es war gar nicht ihr eigenes Blut! Die grünen Haare strichen ihr aufmunternd über die Wange und bewirkten, dass Alieyna sich wieder fangen konnte.
„Ich dachte, du wärest nur zu uns Kjen so unfreundlich Ariadne.“
Siko verdeckte mit einem Arm Alieynas Leib und die andere hatte sie erhoben und aus diesem Arm rann das Blut in alle Richtungen. Sikos Gesicht, jedoch hatte nichts von seiner üblichen Ruhe verloren, wie versteinert fixierte sie die Frau mit ihrem kalten Blick.
„Lass uns in Ruhe gehen und ich werde dich vielleicht am Leben lassen.“ schlug Siko vor.
Ariadna lachte, es war ein krankhaftes Lachen, kein echtes, „stell keine Forderungen, wenn du nicht in der Position dazu bist Siko!“
Sie hob die Hand und schoss etwas kleines, spitzes in Alieynas Richtung. Es war ein winziges Messer, Alieyna wollte ausweichen, doch Siko hatte die Waffe schon kommen sehen und schubste Alieyna nach hinten. Als das Mädchen es geschafft hatte sich aus dem Haufen Decken zu kämpfen stand Siko in Mitten des Raumes die Hexe fest im Griff.
„Hilfe!“ Ariadna schrie, niemand würde sie hören, „lass mich gehen Siko, du bist mir das schuldig, zwei Jahre hab ich für dich deine Erinnerungen gelöscht! Du schuldest mir einen Dienst!“
Sikos Lippen zogen sich zu einem grausamen Lächeln auseinander, „ich brauche keinen Grund um die Juras zu töten die ich nicht leiden kann.“
Die Frau zappelte doch Siko blieb ganz ruhig und Alieyna beobachtete wie die langen, scharfen Krallen, einem unheilvollen Sturm gleichend, hervorkamen. Die Bewegungen von Ariadna wurden immer krampfhafter und Sikos Griff immer fester.
„Hab keine Angst“, meinte Siko, „der Tod ist relativ, eine Erlösung oder ein Ende.“
Sie hob die Krallen und schlug zu, das dunkel- schwarze Blut der Juras flog durch den Raum und als Alieyna ihren Blick wieder den beiden zuwenden konnte, prangte ein langer, tiefer, blutender Schnitt unter dem Kinn von Ariadna. Alieyna sah weg, es war nicht ratsam den Toten nachzutrauern, die versucht hatten einen umzubringen, nicht wahr? Da war es wieder, das einzige was ihr noch geblieben war… das einzige was sie bis jetzt, mit Sikos Hilfe, am Leben gehalten hatte… das logische Denken.
Sie hob den Kopf, Siko war mit ihrer Arbeit fertig und die Frau lag irgendwo hinten in einer Ecke. Alieyna überprüfte ihre Freundin, „Siko!“
Das Messer das in ihrem Arm steckte und der tiefe Schnitt am anderen Handgelenk, blieben auch von Siko nicht unbemerkt, „Oh man“, sie zog den Dolch aus ihrem Fleisch, „nicht schon wieder.“
Alieyna wollte ihr helfen, doch Siko hob eine Hand, „es geht schon, keine Sorge.“
„Keine Sorge?!“ Alieynas Stimme war schrill, „Siko du hast… in deinem Arm steckt ein Messer!“
„Stimmt gar nicht“, die Kjen schmollte, „ich hab ihn rausgezogen.“
Mit diesen Worten setzte sie sich in Bewegung und steuerte den Ausgang an.
Alieyna rannte ihr nach, „Siko! Du musst dir das versorgen lassen! Von einem Weißmagier!“ woher kam denn nun wieder dieses Wort?
Verwirrt blieb das Mädchen stehen. Als sie den Kopf wieder hob sah sie, dass Siko sie verwirrt und ein wenig besorgt musterte. Dann zuckte sie mit den Schultern und setzte ihren Weg fort.
„Du meinst einem Lichtmeister?“
„Ja was auch immer“, Alieyna lief wieder hinter der Kjen her und brachte sie dazu stehen zu bleiben, „lass dir das verarzten.“
„Ja Mami.“ Siko knurrte genervt.
„Fang jetzt ja nicht so an“, Alieyna stellte sich vor die grünhaarige Kjen, „ich sorge mich nur um dich.“
Siko kicherte, „ich bin alt genug um mich um mich selbst zu kümmern. Weißt du?“
Alieyna zuckte mit den Schultern, „mir doch egal.“ Murmelte sie. Dann linste sie zu dem Arm der Kjen hinüber und stellte fest, „du blutest aber.“
Nun fing Siko an laut zu lachen, „ach wirklich? Ist mir noch gar nicht aufgefallen!“ Dann hob sie eine Hand und strich damit über Alieynas weiches, braunes Haar, „ich hab schon Schlimmeres erlebt, also werde ich damit auch fertig werden.“ sie zwinkerte.
Das Mädchen seufzte, „na schön, aber wenn du dich auch nur ein bisschen schlechter fühlst, bin ich gezwungen dich zu dem nächst-besten Heilkundigen zu schleppen.“
Siko grinste immer noch, „na wie du meinst.“
„Wo gehen wir denn jetzt eigentlich hin?“ Alieyna kratzte sich am Kopf und sah sich verloren um.
„Vor langer Zeit hat mir jemand erklärt, dass die größten magischen Kräfte die Hexen haben und unter denen die Seelenwächter.“ erklärte Siko, obwohl sie schon vermutete, dass ihr Gegenüber keine Ahnung hatte was sie ihr zu erklären versuchte. Wie erwartet setzte Alieyna eine verwirrte Miene auf, „die Person zu der wir gehen wird dir alles erklären und dann sehen wir weiter, vielleicht bist du gar nicht so weit von deinen Erinnerungen entfernt wie du glaubst…“
Die Taverne war nicht so groß wie andere in Santrar, aber sie war auf jeden Fall um einiges gemütlicher. Innen drin war es ruhig, Kerzen stellten die einzige Lichtquelle dar und trotzdem war es so hell in dem Raum wie draußen. Einige Gäste hatten sich entweder, gemeinsam an einen der Tische gesetzt, oder sich an eigene Tische zurückgezogen. Eine Frau in einem gelben Kittel und großen Bärenohren bediente alle.
Siko ging schnurstracks auf die Frau zu und Alieyna folgte ihr eilig, „wir wollen gern zu Anazelle. Ich habe gehört, dass sie hier einen Unterschlupf hat.“
„Ist sie von ihrem Besuch unterrichtet?“ Die Stimme der Kjenkellnerin hörte sich an, als hätte jemand eine Klammer ihrer Nase befestigt.
„Nein, aber wir sind gute Freunde.“ Die Frau nickte und ging.
„Ach was“, Alieyna hob eine Augenbraue, „du hast auch Freunde? Ich dachte, dass du nichts und niemanden ausstehen kannst, das lebt.“
„Klappe!“ knurrte Siko, „und übrigens; ich liebe Pflanzen.“
Alieyna lachte und Siko boxte ihr in den Bauch, daraufhin war das Mädchen still. Die Frau hingegen war inzwischen wieder zurückgekehrt und nun machte sie eine Handbewegung, die beiden sollten ihr folgen. Siko und Alieyna taten wie ihnen geheißen und trotteten der Kjendame nach ein paar Stockwerke hinauf, bis auf einen langen Flur in der obersten Etage.
Dieser lag im Dunkeln, keine Kerzen und auch keine Lampen, die einen Schein spenden konnten, „ihre Freundin hat die ganze Etage gemietet und angeordnet kein Licht zu machen, viel Spaß.“ die letzten zwei Wörter waren wohl eher eine sarkastische Bemerkung, stellte Alieyna fest.
Siko lächelte, „ja… das sieht ihr ähnlich.“
Siko blieb kurz stehen, Alieyna runzelte die Stirn, „was machst…“ sie hob die Hand.
Dann erkannte Alieyna das zucken der großen Katzenohren und erkannte, was ihre Freundin tat; sie lauschte. Dann tappte sie beinahe lautlos auf die dritte Tür links, am Gang zu, sie hob die Hand, atmete kurz ein und klopfte. Die Tür wurde im selben Augenblick geöffnet, als hätte die Person dahinter schon gewusst, dass Siko dort stand. Die Person die geöffnet hatte war… klein. Wirklich klein, sie reichte Siko nicht einmal bis zum Kinn.
Die hohen Stiefel machten es nicht wirklich wett, das kurze Kleid noch weniger
Der Blick der Gestalt huschte über Alieynas Gesicht, „was? Noch nie eine etwas kleinere Hexe gesehen?“ Alieyna starrte Siko überrascht an, woher wusste diese Person, was sie gerade dachte?! Doch Siko machte nur eine beruhigende Geste und wandte sich dann wieder ihrer Freundin zu.
„Lang nicht gesehen Anazelle.“
„Und du bist?“ die kleine Frau verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ist das dein Ernst?“ Sikos rechte Augenbraue war nach oben gewandert, „du kennst mich schon seit Jahren. Und außerdem…“
„Sag mir warum ich diesen Raum ausgewählt hab. Du hast eine Minute.“
Siko grinste, „im ganzen Gang gibt es acht Räume, drei an der linken Seite, vier an der rechten und einen am Ende des Gangs. Der Raum Gegenüber der Treppe ist ungeeignet, da bei einem Überfall dieser zuerst durchsucht wird, anschließend wird es der daneben und der gegenüber sein. Wegen Verdächtigung, werden die Täter daraufhin den Raum hinten im Gang durchsuchen, dann hast du Zeit während sie die anderen neben deinem Zimmer und gegenüber durchsuchen, abzuhauen und für immer weg zu sein. Das ist doch logisches Anfängerwissen Anazelle.“
„Haha!“ Anazelle lachte, „ich hab keine Sekunde daran gezweifelt, dass du es bist Siko!“
„Ja klar…“
„Kommt rein bitte“, die Hexe öffnete die Tür im Ganzen und die Freunde traten ein. Anazelles Zimmer war im Gegensatz zu dem finsteren Gang hell erleuchtet, zwei kleine Kronleuchter hingen von der Decke und warfen helle Lichtstreifen auf einen Schreibtisch, ein großes Bett und eine Tür, die vermutlich ins Bad führte.
„Wer ist deine bezaubernde Freundin?“ fragte sie Siko, ohne die Augen von Alieyna zu lassen.
Die Kjen ließ sich auf das Bett fallen, „sie heißt Alieyna und hat ihr Gedächtnis verloren.“
Anazelle nickte nachdenklich, „und wohin ist es verschwunden?“
„Das wollten wir dich fragen.“ erklärte Siko.
„Hm“, Anazelle strich sich über die dunklen, zu Zöpfen geflochtenen Haaren, „ja na klar. Setz dich dahin Alieyna.“ sie deutete auf den Schreibtischstuhl.
Alieyna nickte und setzte sich auf den unbequemen Holzstuhl.
„lehn dich zurück.“
Alieyna riss die Augen auf und packte Anazelles Handgelenk, „wird es wehtun? Antworte ehrlich!“
„Nein wird es nicht!“ Anazelle starrte Alieyna an als hätte ihr gerade jemand vorgeschlagen von einem Haus zu springen und sich dabei mit Zucker einzureiben. Dann sah sie zu Siko.
„Ariadna.“ erklärte sie mit einem Wort.
Anazelles Augen wurden weit, doch ihre Miene schien nicht mehr so überrascht, „verstehe.“
Sie drehte sich zu Alieyna, „mir kannst du vertrauen, ich werde dir niemals wehtun.“
Das Mädchen lächelte, dann nickte sie und ließ sich in den Sessel sinken. Sie fühlte sich sicher, so lange Siko Anazelle vertraute würde sie das schließlich auch tun können, nicht wahr? Siko… Alieyna lächelte noch breiter, sie war eine gute Freundin und Alieyna schwor sich, sie nicht so leicht gehen zu lassen.
Anazelle hob die Hand und Alieyna dachte schon sie würde wie Ariadna ihren Finger auf ihre Stirn legen, doch Anazelle hob den Kopf des Mädchens an und tippte mit dem Finger auf ihren Nacken. Ihr wurde wieder schwindelig, doch sie fühlte keine Schmerzen.
Sie fiel erneut, sie spürte es und als sie die Augen öffnete sah sie es auch, sie fiel ins nichts. Jedoch nicht in ein schwarzes Nichts, sondern in ein weißes. Alles um sie herum war weiß. Sie schloss wieder die Augen und vor ihrem inneren Auge konnte sie immer noch das endlose Weiß sehen. Dann kamen wieder die Bilder, das Aufwachen, Siko und auch Ariadna, als viele große Bilder liefen sie wie ein Film in kaum wahrnehmbarer Geschwindigkeit ab.
Doch als sie alle wieder vorbei waren wurde der Raum wieder weiß. Auf einmal jedoch schien das Weiß für Alieyna nicht mehr schön und hoffnungsvoll aus, sondern grau und leer. Das war einfach nicht möglich! Irgendwo musste etwas sein! Sie schaute sich und plötzlich, ohne es zu merken, stand sie. Sie fiel nicht mehr, sie stand auf einem nicht existenten Boden, einem weißen Boden.
Sie hob den Blick wieder und sah sich ein weiteres Mal ihre Umgebung an, immer noch alles weiß. Doch dort schimmerte etwas, etwas das nicht ganz ins Bild passte. Ein kleiner brauner Punkt, Alieyna lief darauf zu. es kam unnatürlich langsam näher, doch mit der Zeit konnte sie schließlich erkennen um was es sich bei dem braunen Punkt handelte; es war eine Tür!
Eine normale rechteckige, braune Tür, mitten in einer farblosen Welt. Sie streckte die Hand aus, gleich, gleich würde sie da sein und sehen was hinter dieser merkwürdigen Tür verborgen lag. Nur noch ein paar Meter, dann hätte sie ihr Rätsel gelöst.
Doch Alieyna sollte ihr Ziel an diesem Abend nicht erreichen. Die Tür wurde wieder kleiner und verschwand schließlich ganz. Der weiße Raum wurde grau, erst nur blass-grau, doch dann an einigen Stellen immer dunkler und am Ende war Alieyna wieder in tiefe Schatten gehüllt.
Alieynas Blick war verschwommen, ebenso wie das was sie hörte. Anazelles Stimme konnte sie erkennen, doch sie schien weit entfernt. Als würde sie über ein weites Feld zu ihr herüber reden. Da war auch Siko, durch die verschwommene Sicht konnte sie doch sicher ihre grünen Haare und die orangen Ohren identifizieren.
Dann wurde Alieynas Sicht wieder klar und ihr Gehör deutlich. Siko stand da und kaute auf irgendeiner Pflanze herum, die Hände tief in den Manteltaschen versenkt und starrte gelangweilt auf Alieyna hinunter.
„Ah! Sie ist wach!“ Anazelle strahlte.
„und?“, trotz des leichten Schwindelgefühls schaffte Alieyna es, sich aufzurichten, „was ist nun?“
Die Miene der Hexe stellte sich von fröhlich auf beengt. Sie schien sich nicht wohl zu fühlen, bei dem was sie gleich sagen musste.
„Nun ja“, sie stutzte, „wir wissen wo deine Erinnerungen sind.“
„Wirklich!?“ Alieyna lächelte glücklich.
„Ja, ähm…“, Anazelle strich sich wieder über die dunklen Haare, „sie sind… wie soll ich das sagen… in einer anderen Welt.“
„Was?!“ Alieyna runzelte die Stirn.
„lass es mich erklären; wenn wir träumen, befinden wir uns in einer Art Parallelwelt. Wir gehen in eine andere, wirklich reale Welt. Dort Leben wir weiter, unsere Seele wandert so zu sagen zwischen diesen zwei Welten hin und her.
Deine Erinnerungen wurden… in diese Welt geschickt. Die einzige Möglichkeit sie zurück zu holen ist mit Hilfe von Transomiunolation.“
„Transo… was?“ fragte Alieyna verwirrt.
„Transomiunolation“, Siko ging wieder zurück zu dem Bett und ließ sich auf die weiche Matratze fallen, „eine Art Traumgang.“
„Während dem Wachzustand wird eine Art Brücke zu der parallelen Welt gebaut, die der Träumer benutzen kann und für gewöhnlich von einer sehr mächtigen Hexe aufrechterhalten.“
Siko schaute aus dem Fenster, „Nur ist Transomiunolation eine sehr gefährliche Sache. Wenn die Hexe die Brücke nicht mehr aufrechthalten kann und der Träumer immer noch in der Parallelwelt festsitzt kann die Seele nicht mehr zurück in diese Welt und wird in Stücke gerissen.“
„Woher weißt du all diese Sachen Siko?“ fragte Alieyna misstrauisch.
Siko starrte weiter verbissen auf die Fensterscheibe, „Das ist privat.“
Es wurde still. Doch Alieyna wollte sich damit noch nicht zufrieden geben.
„Und wie komme ich an so eine mächtige Hexe?“ fragte sie.
„Nie Totenwälder.“ Sikos Stimme war bestimmt.
„Siko! Nein! Das ist glatter Selbstmord! Die Seelenwächter werden euch umbringen!“ widersprach Anazelle.
„Ich werd schon mit denen fertig, außerdem ist es die einzige Möglichkeit.“ erklärte Siko mit eiserner Überzeugung.
„Wartet mal! Totenwälder?! Seelenwächter? Will mich mal jemand unterrichten?!“
„Die Totenwälder sind Wälder aus Bäumen die aus Seelen gewachsen sind. Die, die es nicht wert sind in den Himmel zu kommen, sinken in die Tiefen der Erde. In den Totenwäldern wachsen daraus Bäume.“ Anazelle machte wilde Gesten während sie versuchte gesagtes zu erklären.
„und die Seelenwächter?“
Anazelle nickte eilig, „Die Seelenwächter sind meistens Kinder der Totenbäume, verlorene Kinder, wahnsinnig und mordlustig. Sie beschützen die Wälder mit ihrem Leben.“
„Und wie bringen wir eine von denen dazu uns zu helfen.“ fragte Alieyna wenig überzeugt.
„Ganz einfach.“ Siko war aufgestanden, „mit Schmerz.“
Blut, ganz eindeutig! Das Mädchen roch und spürte wie ihr eigenes Blut an ihrem zusammengesunkenen Körper hinunterlief und auf den Boden tröpfelte. Als normale Kjen hatte sie keine Chance gegen die Massen von Räubern. Es waren mindestens zwanzig und jeder trug eine scheußlich bemalte Maske über der Hälfte des Gesichts. Alle Rassen waren darunter, bestürzt entdeckte das Mädchen sogar einen Artgenossen. Ein Kjen mit blonden Haaren, Mäuseohren und langen, schwarzen Krallen.
„Bitte!“ rief das Mädchen, „lasst mich gehen, ich nutze euch doch nichts!“
„Oh, du hast keine Ahnung wie viel die Leute für ein gutes Wachhündchen zahlen!“ grollte ein kräftig aussehender Juras.
Ein Schauder lief über den Rücken des Mädchens, blieb ihr wirklich keine andere Wahl? Nein! Sie hatte sich geschworen, sich nie wieder zu verwandeln außer wenn es tatsächlich keinen Ausweg mehr gab! Und in dieser Situation gab es ja vielleicht noch einen Ausweg.
Sie gab nicht auf, „Niemand wird mich haben wollen, ich bin verletzt. Dem Tod nahe!“
Einige lachten, „was hättest du dann noch für einen Grund wegzulaufen?!“ rief der Juras.
„Ich kann nicht.“ wimmerte das Mädchen, „bitte! Ich kann nicht in einem Haus leben!“
„Ja, weil eine jede Bestie doch seinen Freiraum braucht, nicht wahr?“ wieder lachten einige.
Tränen rannen über die Wangen des Mädchens, sie konnte das nicht zulassen, dass sie schon wieder alle ihre Erinnerungen verlor. Sich nicht einmal an die Gesichter erinnern könnte, deren Besitzer sie getötet hatte um sie zu ehren. Das konnte sie einfach nicht ertragen. Sie hob den Kopf, würde sie es tun müssen? Sie spürte wie sie anfing zu knurren und ihre Hand schoss zu ihrem Mund.
„Nun komm schon Hündchen!“ riefen sie, „zeig uns deine Gestalt!“
Das Mädchen schüttelte wild den Kopf, als könnte sie damit alle Ängste loswerden. Doch es funktionierte nicht, ihre Hände zitterten und ihr war kalt in dem dünnen Kleid das sie trug. Eine Ansammlung von weißen Stofffetzen die sie sich um den Körper gewickelt hatte, alles was sie gefunden hatte. Die weißen, langen Haare fühlten sich verfilzt an und ihre zarte, helle Haut fühlte sich rau an und war verdreckt.
Doch ihr Überlebensinstinkt verbot es ihr, einfach zu erfrieren. Es lag in ihrer Natur, sie konnte nicht sterben, ihr Überleben war wichtig für das Mädchen. Sie wollte nichts von dieser wunderbaren Welt verpassen. Schon gar nicht von diesen miesen Ausbeutern.
Sie nahm die Ringe, die sie an den Fingern trug, ab und hielt sie kurz in den Händen, plötzlich leuchteten sie kurz auf und formten sich zu zwei vollkommen gleich aussehenden Revolvern. Pechschwarz und glänzend, mit Rosengravur. Auf beiden war ein feiner Schriftzug geritzt; auf der linken stand Bloodrose auf der anderen Shadowrose. Das Mädchen zwang sich auf die Füße und hob die beiden Waffen. Eine richtete sie gegen ihre Gegner links die andere gegen die rechts.
„Lasst mich gehen und keinem von euch wird was passieren.“ stellte sie klar.
Verdammt, sie spürte wie ihr Instinkt ihr die Sinne raubte, sie verfiel dem Wahnsinn ihrer anderen Form. Das war schlecht. Wenn sie wusste, dass sie sich in Gefahr befand, setzte dieser Zustand immer ein. Der einzige Weg: ihre Gegner so schnell fertig machen, dass sie nicht einmal Gelegenheit zum Verwandeln hatte.
„Letzte Chance.“
„Gibs auf Mädchen“, der Juras hatte wieder die Stimme gehoben, doch sie klang etwas leiser als zuvor, zweifelnder, „du kannst nicht gegen uns alle kämpfen.“
Nein, das konnte sie nicht, „ich werd auf jeden Fall nicht einfach so aufgeben.“
Sie feuerte und zwei Söldner fielen mit roten Flecken auf ihrer Stirn zu Boden. Sofort stürmten mehrere der Räuber auf das Mädchen zu und sie schoss, immer weiter. Kreuzte die Arme, stellte sie neben einander, und streckte sie in alle Himmelsrichtungen. Es war wie ein Tanz. Sie war schnell und in ihrem Element, doch ihr entging nicht, dass es zu viele waren, gegen die sie kämpfte.
Ein Blitz und sie spürte ein hartes Hämmern gegen ihren Schädel, sie wandte sich um und entdeckte einen Magier mitten in den Reihen der Räuber. Sie schoss, doch er blockte die Kugel mit einem Windstoß ab. Ein weiterer Spritzer Blut, die Klinge die der kräftige Juras in Händen hielt war rot von dem Blut des Mädchens. Sie hielt sich den Arm und spürte es…
Die Zähne, das Knurren die sich ausdehnenden Fußsohlen. Ihre großen Wolfsohren wurden größer und empfindlicher. Sie erinnerte sich an die letzten Worte ihres Meisters, bevor sie weggelaufen war; Der Wolf in dir, macht dich stärker aber auf verwundbarer.
Sie spürte wie ihre Sicht besser wurde, wie sie jedes Detail in bester Qualität sehen konnte. Es war wunderbar und sie ließ sich mitreißen. Das Fell spross aus ihrer Haut und ihre langen weißen Haare fixierte sich an den Spitzen an ihrer Taille. Diese Kraft, wundervoll! Sie schloss die Augen, fühlte die langen Fangzähne in ihrem Zahnfleisch noch weiter wachsen.
Sie öffnete die Augen und es wurde sofort wieder schwarz…
„Schmerz?! Was willst du damit sagen?!“ Alieynas Stimme war etwas zittrig, aber doch laut.
Anazelle war es, die antwortete: „Die meisten Seelenwächter, sind so mächtig geworden, weil ihre Eltern (die Seelenbäume) sie die Emotionen vergessen lassen. Sie fühlen nicht, das was sie fühlen bilden sie sich ein.“
„Sie fühlen nicht?“
„Nein“, beschwichtigte Siko, „Emotionslos. Bis zu dem Knackpunkt, an dem sie erkennen, was ihre Eltern ihnen angetan haben.“
„Also… müssen wir sie sozusagen davon überzeugen, dass diese Bäume sie verkrüppelt haben.“
Anazelle grinste verlegen, „etwas unsensibel ausgedrückt, aber ja. Das ist das Prinzip.“ sie sah Alieyna in die Augen.
„Aber ich weiß nicht wie ich das machen soll.“ erkannte Alieyna.
Das Mädchen war überrascht, dass ihr diese Tatsache erst jetzt eingefallen war. Sie war in einer Welt, die sie nicht kannte, ohne jegliche Erinnerungen und Kenntnisse. Sie war zum verlieren förmlich verurteilt. Das war schlecht. Eine Träne lief ihr über die Wange und sie wischte sie widerwillig weg.
Anazelle legte einen Arm um ihre Schultern.
„Warum heulst du Alieyna?“ fragte Siko genervt.
Alieyna ignorierte den Unterton in Sikos Stimme, „ich habe keine Chance gegen diese Leute!“
„Ja das stimmt.“
Alieyna sah die Kjen empört an, das war ja nun wirklich nicht sehr hilfreich! Sie ließ einen neuen Schwall an Tränen los.
„Hey!“ das Mädchen sah in Sikos strenges Gesicht, „du hast keine Chance… Aber ich schon.“
Alieynas Augen wurden groß als Siko ihr eine der behandschuhten Hände entgegenstreckte. Sie nahm sie mit einem dankbaren Lächeln und fühlte das raue Leder in der Hand. Ein Leder das sie verbinden würde. Für lange Zeit. Auf eine lange Freundschaft, Siko.
Mit diesem Gedanken ließ sie die Hand los und wartete,dass Siko etwas sagen würde. Die junge Kjen wandte sich an Anazelle.
„Wir brauchen eine Anzahl an Dingen, wenn wir den Weg bis in die Totenwälder schaffen wollen Anazelle.“
Die Hexe nickte und verschwand in einem hinteren Raum.
„Wie kommen wir denn jetzt zu den Totenwäldern?“ fragte Alieyna.
Siko studierte die Karte, die Anazelle ihnen gegeben hatte, „es ist eigentlich kein langer Weg, aber wir müssen auf jeden Fall erst einmal an den Söldnerstätten vorbei und das wird nicht lustig.“ sie seufzte.
„Söldner? Was für Söldner?“ Alieyna hatte die Augen verengt.
Siko strich sich die grünen Haare zurecht, „Söldner entstammen allen Rassen in Alarian; Kjen, Juras, Lylium und Hexen. Aber sie haben ihren Völkern den Rücken gekehrt. Das einzige dem sie sich versprochen haben ist das liebe Geld. Ihnen ist egal was mit allen anderen passiert, sie wollen nur Geld. Ihre Arbeit besteht darin auf den Schwarzmärkten Sklaven und geschmuggelte Ware zu verkaufen.“
„Klingt ja sympathisch…“
„Naja“, Siko zuckte mit den Schultern, „sie können nicht wirklich etwas dafür, sie haben ihren eigenen Glauben.“
Alieyna nickte, sie wusste, dass alles relativ war. Eine Ansichtssache. Sie lächelte, wusste nicht wieso, tat es aber trotzdem. Bei dem Wort relativ dachte sie kurz sich an etwas erinnern zu können, eine Art Person die ihre Meinung für die Meinung aller hielt… Doch der Gedanke verschwand schnell, so schnell wie der Staub auf den Straßen, der vom leichten Wind in die Ferne getragen wurde.
„Alieyna?“ das Mädchen sah hoch.
„Hm?“
„Du sahst so weggetreten aus.“ Siko musterte sie besorgt.
„Ah ja?“ Alieyna grinste, „keine Sorge. Ich bin noch da.“
Siko zuckte mit den Schultern und sah plötzlich wieder vollkommen sorglos aus, „wie auch immer.“ sie stopfte ihre Hände in die Taschen des langen Mantels.
Die Tage vergingen und Alieyna genoss die langen Märsche mit Siko, die Kjen erzählte ihr viele Dinge über Alarian und seine Bewohner. Alieyna sog jedes Wort begierig auf, immerhin wäre es doch hilfreich etwas über die Welt zu wissen in der sie nun lebte… Sie wanderten durch Dörfer, Wälder und auch einmal über einen Berg. Das Mädchen entdeckte die Vielfalt Alarians besonders in den Wäldern. Sie waren exotisch und doch stimmlich. Pflanzen die sie nicht benennen konnte, kein Wunder, jedoch auch Tiere an deren Aussehen sie sich einfach nicht gewöhnen konnte.
Doch heute erwartete die beiden nicht die übliche, gesunde und farbenfrohe Fauna der Wälder, vor ihnen lag eine mächtige Steppenlandschaft. Verschwommen konnte Alieyna in der Ferne ein bisschen Grünland sehen, aber dieses lag weit entfernt.
„Was ist das hier für ein trostloser Ort?“ fragte sie zitternd.
Siko machte ein ernstes Gesicht, „das sind die Söldnerstätten. Vor langer Zeit war hier ein blühendes Ackerland, aber dann haben die Söldner das Gebiet für sich beansprucht und es ist verdorrt.“
Alieyna sah sich mit einem argwöhnischen Blick um, so etwas seiner eigenen Welt anzutun, schrecklich! Nicht ein einziges Zeichen von Leben, keine Tiere, keine Pflanzen. Alieyna und Siko trotteten Seite an Seite über die trockene, steinharte Erde.
Sie hatten schon mindestens einen halben Kilometer zurückgelegt, als Sikos Ohren plötzlich anfingen zu zucken, und ihre Katzenaugen groß wurden.
„Siko?“ Alieyna musterte besorgt die Kjenfrau, „alles in Ordnung mit dir?“
Statt einer Antwort schob Siko da Mädchen so schnell hinter sich, dass sie gar nicht mitbekam, was als nächstes geschah. Doch als sie das Blut spritzen sah, so nah an ihr vorbei ging es ihr auf und ein Schauder lief ihr über den Rücken. Sie drehte sich um und erwartete das Schlimmste, doch was sie vorfand, war eine tote Gestalt am Boden, keine grünen Haare, keine orangen Katzenohren. Das musste einer der Söldner sein, von denen Siko gesprochen hatte.
Alieyna sah sich ihre Freundin genau an, doch sie war offensichtlich unverletzt, Blut klebte in ihrem Gesicht, Alieyna war sich jedoch sicher, dass es nicht ihr eigenes war.
„Alieyna“, Sikos Stimme war bedrohlich, „komm wieder hinter mich.“
Alieyna tat wie ihr geheißen und verkroch sich hinter der Kjen, durch einen Spalt zwischen Sikos Arm und Brust konnte sie deutlich eine Horde Gestalten kommen sehen. Sie waren alle kräftig gebaut und trugen riesige Waffen, die die beiden Mädchen mit links entzweit hätten.
„Siko, ich kann helfen. Bitte vertrau mir.“
Siko nickte und machte Alieyna Platz, „aber es ist nicht meine Schuld, wenn ich dich tot Nachhause schleppen muss.“
Alieyna grinste, „keine Sorge, das wird nicht passieren!“
Die Söldner kamen immer näher und Alieyna machte sich bereit, aber… wie sollte sie kämpfen? Auf einmal fiel ihr die Sense wieder ein und sie griff nach dem Armband an ihrem Handgelenk.
Geduldig wartete sie, dass die Söldner bei ihnen ankamen und kaum hatte der erste sie erreicht zog sie an dem Armband. Es zerbarst und die leuchtenden Teile setzten sich zu der riesigen Schneide und dem langen zerbrechlichen Stab zusammen. Siko kämpfte schon und Alieyna merkte, dass sie wieder in ihren Kampfmodus verfiel. Das gleiche berauschende Mutgefühl wie zuvor, als sie das erste Mal mit Siko gekämpft hatte.
Sie schwang die Sense und war sofort von ihrer eigenen Stärke überwältigt, mit nur einem Schub räumt sie drei der Söldner aus dem Weg und mit dem nächsten Wirbel hatte sie weitere zwei überwältigt. Sie sah sich um.
Ein Kreis hatte ich um das Mädchen geschlossen und die Söldner sahen sie erwartungsvoll an. Wie sie wollten! Wenn sie unbedingt vermöbelt werden wollten, war das ja wohl ihre Entscheidung! Sie hob die Sense und ließ sie auf einen der Söldner niedersausen, der Anblick war unschön, das Blut noch unschöner. Doch als Alieyna die Sense wieder hob, war sie sauber. Als wäre nichts passiert!
Die anderen Söldner stürzten sich mit wilden Schreien auf sie und Alieyna wirbelte weiter mit ihrer Sense, so gut wie es ihr möglich war. Ein stechender Schmerz durchzuckte sie und sie blickte hinunter auf ihr Taille. Ein Pfeil hatte sie an der Seite gestrichen. Das Blut rann in einem dünnen Strahl ihr rechtes Bein hinunter, doch davon ließ sie sich nicht aufhalten.
Sie suchte den Übeltäter. Eine große Gestalt mit einem etwas zu kleinem Bogen und vielen Pfeilen. Er schoss einen weiteren und Alieyna stutzte.
Sie machte einen Schritt zur Seite und griff nach dem vorbeisausenden Pfeil. Sie erwartete schon, dass er ihr durch die Haut und die ganze Hand fahren würde und nichts als ein großes Loch hinterlassen würde, doch wider erwarten fing sie ihn perfekt auf. Sie grinste, aus Freude, dass sie diese Aktion ohne Verletzungen überstanden hatte und hob die Hand mit dem Pfeil.
Sie würde kaum genug Schwung aufbringen können um den harten Panzer des Schützen zu durchbrechen, aber vielleicht… Sie schoss. Ein perfekter Wurf der Pfeil flog makellos und gerade. Bei dem Schützen angekommen, durchstieß die Spitze des Pfeils seinen Hals wie nichts und Alieyna grinste triumphierend.
Dann zögerte sie, als ihr klar wurde, wie blutrünstig sie plötzlich war! Das war doch eine merkwürdige Art von Kampfmodus! Doch sie hatte keine weitere Zeit mehr um sich darüber Gedanken zu machen, denn eine weitere Welle Söldner kam auf die beiden Mädchen zu. Alieyna betrachtete Siko schnell, so lange noch Zeit war. Wie erwarten, war die Kjen blutverschmiert und unverletzt.
Alieyna schüttelte lächelnd den Kopf, als sie in ihrem Schulterblatt ein Messerchen fand. Die Söldner hatten sie beinahe erreicht und Alieyna umfasste ihre Sense mit eisernem Griff. Die Welle traf ein und Alieyna räumte eine weitere Anzahl zur Seite. Es waren wirklich viele, sie wusste nicht ob sie wirklich alle schaffen könnte.
Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gebracht, schnitt ihr eine lange Klinge durch das Fleisch an ihrer Schulter. Sie tötete den Führer des Schwertes und auf einmal folgte sie ein weiteres Mal ihrem Instinkt, so wie beidem Kampf mit Siko und der Situation mit dem Pfeil wusste sie genau was sie tun musste. Mit all ihrer gesammelten Kraft hob Alieyna die Sense und stieß sie in den Boden.
Nun steckte der Stab tief in der Erde und Alieyna kniete sich vor die Sense, die Augen geschlossen in Konzentration.
„Was machst du denn da Alieyna?“ wie aus weiter Ferne konnte Alieyna Sikos verwirrte Stimme durch das Kampfgetümmel erkennen, „kämpf weiter!“
Alieyna hörte nichts mehr, sie spürte es. Eine Macht die durch ihren ganzen Körper floss. So kraftvoll, dass ihr Körper dem zerbersten drohte. Sie öffnete die Augen und realisierte, dass sie leuchteten, in einem hellen gelb, das der Sonne glich.
Alles um sie herum, schien plötzlich dunkel und erst jetzt bemerkte sie es; die Welt hatte sie verlangsamt.
Ein Söldner kam auf sie zugestürmt, doch er hatte keine Chance. Alieyna konnte sich im Gegensatz zu den anderen normal bewegen. Sie traute sich nicht ihre Sense aus der Erde zu nehmen, da sie Angst hatte der Zustand würde aufhören. Sie nahm einem Söldner seine Machete aus der Tasche und tötete. Tötete um zu überleben.
Die Söldner sahen sich verwirrt um, doch Alieyna kämpfte weiter, bis alle vernichtet waren. Jeder einzelne, ein Meer aus Toten, realisierte Alieyna und ihr wurde schlecht. Sie stützte sich an die Sense und bemerkte, dass in dem Augenblick in dem sie die Sense berührte, der Zustand wieder verschwand.
Siko stand neben ihr und sah sie aus aufgerissenen Augen an, ihr Mund war weit aufgesperrt.
Alieynas Kopf hämmerte, als hätte sie seit Tagen nichts getrunken und als sie sich an die Stirn fasste, brannte ihr eine unmenschliche Hitze entgegen. Sie hatte hohes Fieber. Das Schwindelgefühl übermannte Alieyna und sie stolperte, Siko fing sie auf und sah ihr ins Gesicht. Alieyna atmete schwer und musste mitansehen wie ihre Welt schwarz wurde…
Alieyna erwachte mit einem kalten Lappen auf der Stirn und einer unangenehmen Gedrängtheit. Sie war fest eingepackt in viele Decken, so viele, dass sie sich kaum rühren konnte. Sie drehte sich auf die Seite und die Hitze eines Feuers schlugen ihr entgegen, dahinter saß Siko.
„Wo sind wir?“ fragte Alieyna verwirrt und noch etwas betäubt von dem Fieberanfall.
„etwa einen halben Kilometer weit vom Schlachtfeld.“
„Aber wie bin ich hergekommen?“
„Hab dich getragen.“ erwiderte Siko, als wäre es das selbstverständlichste, was ihr einfallen hätte können.
„Danke.“
Siko antwortete nicht, sie stocherte nur in den warmen Flammen des Feuers herum und drehte ab und zu einen Spieß mit Brot der darüber angebracht war.
Einige Momente vergingen in denen Stille herrschte, dann hob Siko den Kopf, „wann wolltest du mir das denn erzählen?“
„Was denn?“ Alieyna gähnte.
„Tu nicht so, so eine Macht vergisst man nicht einfach.“
Alieyna realisierte, dass sie von dem merkwürdigen Geschehnis des Kampfes redete, „meinst du…?“
„Die Verbindung zum Geist der Erde.“
Alieynas Augenbrauen zogen sich zusammen, „was?“
Siko sah sie misstrauisch an, „Alieyna, du hast Arkanmacht verwendet.“
„Was ist Arkanmacht?“ Alieyna ärgerte sich ein weiteres Mal besonders, dass sie sich an nichts erinnern konnte, aber noch viel mehr ärgerte sie sich darüber, dass Siko ihr nicht glauben wollte, dass es so war!
„Arkanmacht ist eine alt vergessene Macht, sie gilt als geheim und nur die bestimmt sind sie zu verwenden, lernen wie sie sie kontrollieren.“ fing Siko an zu erklären.
„und wie funktioniert sie?“
Siko rieb sich den Kopf, „einige wenige meinen, dass dabei der Geist des Zaubernden sich mit dem Geist der Erde verbindet und ihre macht nutzt.“ sie brach ab, „ich glaube ja, dass das Unsinn ist, aber eigentlich müsstest du das besser wissen als ich.“ stellte sie fest.
„Glaub´s oder glaub´s nicht Siko, ich erinnere mich nicht okay?“ fuhr Alieyna sie an.
„jaja, schon gut.“ Siko biss ein Stück von ihrem Brot ab und reichte ein anderes Alieyna, „lass uns nicht darüber streiten. Okay?“
Alieyna nickte und nahm dankbar das Brotstück entgegen.
„Wie lange müssen wir noch bis zu den Totenwäldern gehen?“ fragte Alieyna und war erleichtert, als Siko auf den tollpatschigen Themenwechsel einging.
„Etwa drei Stunden oder so, wir sind schon nahe dran, die Söldnerstätten sind nicht sonderlich groß.“
Alieyna nickte, drei Stunden, das war gut, da hatte sie genug Zeit um über die Geschehnisse nachzudenken. Die nächsten zwanzig Minuten verbrachten die beiden mit zusammenpacken und fertig essen, bis sie endlich aufbrechen konnten um ihren weg zu Ende zu bringen.
„Was ist das?“ Alieynas Finger wanderte in die Richtung einer Ansammlung von Zelten.
Siko ging darauf zu, „sieht aus wie… die Raststätte von diesen Idioten die wir fertiggemacht haben. Komm“, sie griff nach Alieynas Arm, „wir sehen nach ob es dort noch ein paar Vorräte für uns gibt.“
Alieyna und Siko fanden einiges, viel Essen, Decken und ein paar Feuersteine. Alieyna ging weiter nach hinten in das Lager und was sie fand hätte sie beinahe schreien lassen. Ein Käfig, mit Stacheln, die ins Innere des Gefängnisses stachen und darin, zusammengekrümmt und blutend, eine große, zarte Gestalt. Langes, weißes Haar und… große Wolfsohren! Es war eine Kjen!
„Siko!“
Die Freundin stürmte herbei, „was ist? Sind noch Söldner am Leben?“ weiter sprach sie nicht, da sie das Mädchen in dem Käfig entdeckt hatte.
Alieyna stürzte auf den Käfig zu, „sie lebt noch!“
„Dann hatte sie wohl einen Schutzengel!“ murmelte Siko.
Alieyna zog an den rostigen Stäben, „Siko, hilf mir, die Stäbe sind zugerostet!“
Siko nickte und schob Alieyna zur Seite, sie fuhr die langen stahlharten Krallen aus und holte weit aus. Zwei schnelle Schnitte und ein großes Loch prangte in dem Käfig.
Das Mädchen rührte sich und sah zu Alieyna und Siko hoch. Ihre Augen waren tief in schwarz getaucht und ihre Haut war blass. An den hervorstehenden Wangenknochen konnte man sehen wie abgemagert, sie war.
Siko nahm sie auf den Arm und holte sie aus dem Käfig, „wir sollten weg von hier, immerhin sind vielleicht noch Söldner am Leben.“
Alieyna nickte und die beiden liefen los. Nach ein paar Minuten blieben sie stehen, Alieyna staunte, Siko hatte nicht einmal angefangen zu schnaufen. Sie legte das Mädchen vorsichtig auf den Boden und trug Alieyna auf einige Dinge zu holen. Das Mädchen rannte herum und suchte die einzelnen Utensilien aus dem Gepäck heraus.
Dann wurde sie weggeschickt um ein Feuer zu machen.
Es war schon Abend und Alieyna und Siko beendeten gerade ihr Mal, als das Mädchen sich endlich rührte. Siko hatte ihre Wunden versorgt, ihr Wasser gegeben und sie mit leichtem Rindenbrei gefüttert. Alieynas Herz machte einen erleichterten Sprung, als das Mädchen den Mund öffnete um zu sprechen.
„Wo…?“
„In sicheren Händen.“ erklärte Siko einfach.
„Wer seid ihr?“
Alieyna lächelte aufmunternd, „wir sind Durchreisende, das ist Siko und mein Name ist Alieyna.“
„Ihr… habt mich gerettet.“ Alieyna winkte bescheiden ab, Siko nickte bestätigend, „wie kann ich mich dafür nur revanchieren?“
„Du könntest uns sagen wie du heißt.“ forderte Siko.
„Simina“, das Mädchen kroch tiefer in die Decken in das es gewickelt war, „mein Name ist Simina.“
„Und was führt dich in so eine schreckliche Gegend Simina?“ erkundigte sich Alieyna.
„Also“, sie stutzte, „ehrlich gesagt, weiß ich es nicht genau.“
„Wie meinst du?“ fragte Siko, nun etwas misstrauisch.
„Nun, wie ihr wahrscheinlich schon erkannt habt, bin ich eine Wolfkjen.“ die anderen beiden nickten, „und so wie ihr, Fräulein Siko, kann ich mich in das Tier verwandeln, mit dem ich einen Pakt geschlossen habe.“
Siko nickte, „warum hast du das noch nicht gemacht, Siko?“
fragte Alieyna.
„Großer Kraftaufwand, war zu faul.“ erklärte Siko, während sie sich ein weiteres Stück Apfel in den Mund stopfte.
„Jedenfalls, kann auch ich mich in einen Wolf verwandeln, nur, dass dies auch unkontrolliert passieren kann.“
„Nun ich gebe zu, das ist sehr tragisch“, gab Siko zu, „das erklärt aber nicht, warum du dich an nichts erinnern solltest.“
Simina nickte, „egal ob es kontrolliert oder unkontrolliert passiert, ich verliere immer über diese Zeit mein Gedächtnis.“
„Ein Filmriss.“ meinte Alieyna überlegend.
Simina nickte.
„Wie auch immer, du solltest dich noch etwas ausruhen, in deinem jetzigen Zustand, könntest du nicht einmal eine Stunde gehen.“ befahl Siko.
Die Kjen nickte und legte sich wieder auf ihr Nachtlager. Alieyna blieb still, sie hatte bedenken. Was würde dieses Mädchen wohl wirklich hierher verschlagen haben und wie war es möglich, dass sie immer ihr Gedächtnis verlor, wenn sie sich verwandelte? Würde sie Alieyna Glauben schenken? Siko schien ihr ja immer noch nicht ganz zu glauben, dass sie sich an wirklich gar nichts erinnerte.
Was immer ihre Wege zusammengeführt hatte, Zufall oder Bestimmung. Alieyna würde es hoffentlich bald rausfinden…
Die kleine Hexe saß am Fuß eines mächtigen Baums. Nebel umgab sie, so wie das Mädchen es gewohnt war, keine Tiere und keine Pflanzen außer den ausgedorrten Gestalten der Bäume, die aus den Seelen der „bösen“ Leuten wuchsen. Ewig das Gleiche, das war auch besser so.
„wie war dein erster Tag in der neuen Schule?“ das Mädchen fuhr kurz zusammen bei der Kälte der Stimme.
Sie sah den Baum an, „die Kinder waren gemein, sie meinten ich verdiene es nicht auf diese Schule zu gehen.“
„Hast du geweint?“ fragte der Baum.
„nein.“
„Hast du´s einem Lehrer gesagt?“ der Baum zitterte erwartungsvoll.
„Nein.“
Stille, „was hast du denn dann gemacht?“ Das Mädchen hörte die Stimme in ihrem Kopf und wusste, dass er schon wusste, was sie getan hatte.
„Ich hab sie getötet. Jeden einzelnen…“
„Das ist mein Mädchen!“ Der Baum klang stolz, „weißt du Liebes, es gibt im ganzen Land keine Schulen mehr für dich. Du hast dein Bestes versucht, aber jetzt ist dieser Teil deines Lebens zu Ende.
„Was soll ich denn jetzt tun? ich weiß doch gar nichts… Keine Schule will mich mehr aufnehmen weil sie wissen wer ich bin.“
„Ja…“
„Du bist der König der Seelenbäume.“ erwiderte das Mädchen ruhig, „natürlich wollen sie nichts mehr mit mir zu tun haben.“
„nun, dann bist du vielleicht sogar bereit…“
Das Mädchen kuschelte sich zwischen die Ranken und Wurzeln des Baums. Sie waren hart, kalt und sehr ungemütlich. Doch daran hatte sie sich in den letzten 12 Jahren seit ihrer Geburt gewöhnt. Ein Gedanke an ihre Mutter und ihren großen Hund kam dem Mädchen in den Sinn, doch er ließ sie kalt. So wurde sie erzogen.
„Bereit wofür?“ sie war nicht wirklich neugierig, aber sie wollte nicht wieder alleingelassen werden.
„Naja, letztens ist der Nachbarsseelenwächter getötet worden, von den Wachen des Königs.“
„Ja und?“
„Wir brauchen einen neuen Seelenwächter.“ erklärte der Baum zu Ende.
„Du willst, dass ich das mache?“
„Nicht direkt“, der Baum zögerte, „eigentlich will ich, dass dein Bruder die Stellte bekommt.“
Das Mädchen riss die Augen auf. Jace, ihr Bruder.
„Warum er?“ fragte das Mädchen aufgeregt.
Doch sie erwartete keine Antwort mehr von dem Baum, sondern von jemand anderem Du weißt genau warum
„NEIN!“ das Mädchen hielt sich mit weit aufgerissenen Augen den Kopf und lehnte sich nach vorn, manchmal konnte sie ihn einfach mit Schreien übertönen, vielleicht klappte es auch diesmal!
Hör doch auf Schwesterchen, es wird langsam anstrengend. das Mädchen hörte auf zu schreien, „warum sollte er dich dafür auswählen?!“
Tu nicht so ahnungslos! Du hättest das Mädchen doch nicht einmal angerührt, hätte ich es dir nicht gesagt! er schwieg kurz, Sieh mal Schwesterchen, der Grund, warum Vater MICH und nicht Dich ausgewählt hat liegt doch auf der Hand.
Das Mädchen spürte ihn, ihren Bruder… direkt an ihrem Ohr… Du bist schwach!
„Nein! Nein, nein, nein!!“ sie wollte weinen, merkte jedoch, dass sie es nicht konnte, „du bist tot! Jetzt bin ich der Wächter und nicht du! Verschwinde endlich!!“
Wie auch immer, Hauptsache ich weiß, dass du mir glaubst… wie du es immer tust. Nicht wahr? Du wirst mir immer glauben mein Schwesterchen, oder?
Sie blieb still. Der Bruder des Mädchens strich ihr sanft über die Wange und einen Moment vergaß sie fast, dass er eigentlich nicht mehr in ihrer Welt lebte, immerhin, habe ich dir damals das Leben gerettet, nur wegen dir bin ich tot!
Sie spürte ihn an ihrer Seite, so real, dass es ihr einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Er lächelte, sie fühlte es. Du glaubst mir, nicht wahr?
„Ja, mein Bruder.“ ihre Stimme war auf einmal ausdruckslos geworden. So als hätte sie so lange geweint, dass sie nicht mehr weiter weinen konnte.
Vielleicht hatte sie das auch… Das Mädchen hob eine Hand und wischte über ihre Wange, die plötzlich ganz feucht war. Sie betrachtete ihren Finger. Blut, wie immer…
„Nun, also wirst du dich bereit erklären, uns Seelenbäume zu bewachen und das bis du durch die Hand eines anderen getötet wirst?“ der Baum war zurück in den Kopf des Mädchens gekommen.
Sie war still, da ihr Bruder noch nichts zu sagen hatte, doch dann spürte sie es. Wie seine Stimmbänder die ihren kontrollierten; „Ja Vater, wir werden dich nicht enttäuschen…“
„Wir schon gesagt, du musst uns nicht begleiten!“ grummelte Siko.
„Oh, aber es ist mir ein Vergnügen“, Simina lächelte süß, „ihr habt mir das Leben gerettet, also warte ich nun auf die Gelegenheit dasselbe für euch zu tun.“
„Also ich freue mich, dass du uns begleitest, Simina.“ Alieyna warf ungestüm einen Arm um die Kjen.
Siko seufzte, „ich habe ja nichts dagegen, dass sie uns begleitet, ich will nur nicht, dass sie einen Tag nach ihrer Rettung wieder stirbt.“
Simina sah beleidigt aus, „wieso sollte es dazu kommen?“
„Weil du einfach nicht die nötige Stärke besitzt um gegen einen echten Seelenwächter zu kämpfen.“ sie vergrub die Hände in den Taschen und ging weiter.
Simina blieb stehen, „willst du damit sagen, ich wäre schwach?!“
„Nein!“ Siko rieb sich die Schläfen, „ich meine nur, wie viel Stärke kann in so einem Körper stecken, du musst mehr essen Simina!“
„Na wir werden sehen wer der Stärkere ist.“
Alieyna hielt den Atem an als das Mädchen ihre beiden exakt gleich aussehenden Ringe von den Fingern zog. Sie warf sie in die Luft und fing sie waagrecht auf, schon hielt sie zwei große Pistolen in den Händen. Alieyna konnte zwei Gravuren auf den Waffen sehen, Bloodrose und Shadowrose.
Simina drückte ab und ein Knall ertönte, die Kugel flog, verfehlte Siko um eine Fingerbreite und schnitt die linke Strähne an ihrer Wange ab.
Siko blieb stehen und Alieyna fing an zu zittern, sie hatte Siko kämpfen gesehen, sogar gegen sie gekämpft. Mit dieser Kjen war nicht zu spaßen. Siko fing an zu lächeln, es war ein bitteres Lächeln, als hätte sie es sich aufs Gesicht gezwungen.
„Was sagst du jetzt?“ fragte Simina stolz.
Siko drehte sich zu ihr um und Alieyna konnte die langen, scharfen Krallen sehen die aus ihren Fingerspitzen schossen, „du hättest treffen sollen.“
Siminas Augen wurden groß als sie mit ansah wie Siko auf sie zulief. Die Katzenkjen fuhr durch die Haare, ihrer Gegnerin und Alieyna sah zu wie eine Strähne des wundervollen, knielangen Haars zu Boden fiel. Die Spitzen von Sikos Krallen drückten gegen Siminas Hals und sie könnte ihn sicher mit einem Hieb abtrennen. Doch Simina hatte ihre Karten ebenfalls ausgespielt, Bloodrose drückte gegen Sikos Bauch und Shadowrose war direkt auf ihren Kopf gerichtet.
Siko knurrte, „gib auf!“
„Nicht bevor du´s tust!“ erwiderte Simina.
„Leute!“ Alieyna stürzte auf die beiden zu, „Schluss damit! Das ist so unnötig!“
Simina sah Alieyna bestürzt an, Siko jedoch schubste die das andere Mädchen nach hinten und Simina fiel hart auf den Boden.
„Au!“
„Lass dich nie ablenken“ Siko fuhr ihre Krallen ein, „das könnte deinen Tod bedeuten.“
Mit diesen Worten ging sie davon. Alieyna half Simina auf die Füße und meinte freundlich: „Du musst ihr verzeihen, sie ist nicht immer so.“
„Nun“, Simina stand auf und klopfte sich den Dreck von der Kleidung, „ich finde ihre Stärke bewundernswert.“
Alieyna kicherte, „wie man´s nimmt.“
Die beiden schlossen zu Siko auf und Alieyna fing gleich an die Katzenkjen auszufragen: „wie lange wird die Reise zu den Totenwäldern noch dauern?“
„Kommt drauf an, wie schnell ihr gehen könnt.“ erwiderte Siko ohne ihren Blick vom Horizont zu wenden.
„Sicher nicht so schnell wie Fräulein Siko“, Alieynas Sarkasmus war deutlich durchzuhören, aber ihre Freundin wusste schließlich, dass sie es nicht böse meinte, „aber langsam sind wir auch nicht!“
„Na das werden wir ja sehen“, grinste Siko und lief los.
Alieyna und Simina folgten ihr.
Die drei Reisenden saßen an einem Lagerfeuer im Wald. Nach einer Tagesreise hatten sie es endlich durch die Söldnerstätten geschafft. Der Wald der dahinter lag, hatte nichts von der Einsamkeit und Trostlosigkeit der Söldnerstätten und Alieyna genoss die feuchte Luft und die ausgiebige Flora und Fauna. Siko hatte ihnen vor einer Weile etwas zu Essen gemacht und jetzt lagen sie jeder auf dem eigenen Nachtlager und unterhielten sich seit einer Weile.
Nun jedoch vergrub sich Simina in ihren Decken, „ich glaube ich werde jetzt schlafen. Gute Nacht.“
„Gute Nacht.“ erwiderte Siko.
Alieyna grinste, „lass dich nicht von den Viechern beißen die hier hausen!“
Siko sah sie skeptisch an, „Was?“ Alieyna kicherte, „vorher hat mich schon was gebissen!“
Siko seufzte und legte sich auf ihr Nachtlager zurück.
Eine Weile verging und Alieyna hörte Siminas Atem wie er sich verlangsamte und mit jeder Sekunde ruhiger wurde. Siko jedoch schien nicht zu schlafen, ihr Atem war immer noch kontrolliert und leise wie sonst auch.
„Siko?“
„Hm?“ sie war also tatsächlich noch wach.
„Kann ich dich was fragen?“
Alieyna glaubte ein Seufzen zu hören, „Wenn´s denn sein muss.“
„Warum wolltest du nicht, dass Simina mit uns in die Totenwälder kommt?“ sie machte eine kurze Pause, „war es wirklich weil du denkst, dass sie schwach ist?“
Siko blieb einige Zeit still, „nein… nicht darum. Sie ist gewiss nicht schwach.“
„Warum wolltest du dann nicht, dass sie uns begleitet?“
Siko atmete einmal tief ein, „ich sorge mich nur.“
„Weshalb?“ Alieyna runzelte im Schein des schwachen Lagerfeuers die Stirn, „du sagst doch, sie wäre stark.“
„Ja.“
„Was ergibt das denn für einen Sinn?“ Alieyna war nun etwas aufgeregt.
„Das hat dich nicht zu interessieren.“ damit drehte sie sich der Dunkelheit des Waldes zu.
Nun war es still und Alieyna starrte ihre Freundin bestürzt an. Dann drehte sie sich von ihr weg. Wenn Siko nicht darüber sprechen wollte war es wohl etwas Schlimmes, es war geradezu besorgniserregend. Ob die Kjen wohl einmal ihre Geheimnisse mit Alieyna teilen würde? Der leichte Wind strich durch die Haare des Mädchens und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus; Sorgen. Sie schloss die Augen und schaffte es nach etwa zwei Stunden endlich einzuschlafen…
Simina ging still neben Alieyna her und warf immer wieder einen kurzen Blick auf die vor ihnen her trottende Siko. Alieyna beäugte sie neugierig, „was ist los Simina?“
Die Wolfskjen schreckte zusammen und sah Alieyna überrascht an, „nichts? Wieso?“
Alieyna zuckte mit den Schultern, „du sahst so weggetreten aus.“
„Tatsächlich?“ Simina strich sich durch die langen, wehenden Haare, „ist mir gar nicht aufgefallen. Und bei dir?“ erwartungsvoll sah sie das Mädchen neben sich an, „alles okay bei dir?“
Alieyna nickte, obwohl das wohl nicht ganz der Wahrheit entsprach. Seit sie aufgestanden waren hatte Siko gar nicht mit ihr gesprochen und das unangenehme Bauchgefühl war stetig stärker geworden. Nun gingen sie schon seit einem halben Tag durch den neuentdeckten Wald in Richtung des Zentrums. Simina hatte Alieyna die Totenwälder beschrieben:
Sie waren eigentlich gar nicht so groß wie Alieyna sie sich vorgestellt hatte. Eher wie ein großer Garten, überall Nebel und es war sehr kalt. Der Wald durch den sie gerade gingen war ebenfalls zu einem bestimmten Zweck geschaffen worden. Es hieß, dass einst die Könige aller Völker zusammen diesen Wald erschaffen hatten um die Toten in ihrem Territorium zu halten. Eine Art Schutzwall.
In der Mitte lagen in einigem Abstand zu dem Wall die Totenwälder. Simina hatte auch erzählt, dass schon viele der mutigen Söldner aller Völker versucht hatten die Wälder zu roden, da das Holz der Seelenbäume unsagbar wertvoll war. Zu diesem Zweck hatte der Totengott, den die Wesen in Alarian Núramus nannten, die Seelenwächter erschaffen und den Bäumen erklärt, wie sie mit ihnen umgehen sollten.
Alieyna hatte aufmerksam zugehört, doch nun brauchte sie ein wenig Zeit um die ganze Information zu verdauen.
„Und was wäre wenn…“ fing Alieyna an.
Siko jedoch war schneller; „wir sind da.“
Die grünhaarige Kjen war stehengeblieben und starrte nun vor sich auf einen nahen Fleck. Alieyna blickte sich um; sie hatten den Waldrand erreicht und jetzt konnte sie sie deutlich vor sich erkennen; eiskalt.
Die Bäume waren sichtlich allesamt tot, denn ihre Farbe gleich
gleichte der Farbe von Kohle nachdem sie frisch abgebrannt wurde und ihre Äste sahen aus wie die dürrsten Finger, die Alieyna je gesehen hatte.
„Wollen wir das wirklich rein?“ fragte Simina zweifelnd.
„Nein“, Alieyna hörte wie Simina aufatmete, „nur Alieyna und ich. Du bleibst hier.“
„Was?“ Simina schaute Siko fassungslos an, „aber Siko ich…“
„Du bleibst hier!!“ Siko hatte sich zu der Wolfkjen umgedreht und sah sie nun mit eisigem und bestimmten Blick an.
„Aber…“
„Kein Aber. Du bleibst hier und wartest auf uns!“ Mit diesen Worten wandte sie sich den Totenwäldern zu und rechnete automatisch damit, dass Simina sich nicht von der Stelle rühren würde. Alieyna warf einen kurzen Blick zurück auf die Wolfkjen, sie hatte Siko mit eine gehässigen Blick bedacht und ging nun zurück in die Wälder.
Alieyna wollte Simina sagen, sie solle nicht böse sein, doch schon spürte sie Sikos Finger die ihre Jacke gepackt hatten und sie nun in die Tiefen der Totenwälder zog…
„Mir ist echt richtig kalt!“
„Hör gefälligst auf zu jammern.“
Alieyna seufzte, „ich dachte in den Totenwäldern gäbe es massenhaft Seelenwächter… so wie eine freundliche Nachbarschaft.“
„Es gibt für den ganzen Wald nur vier, einen im Süden, im Norden, im Osten und, wo wir uns gerade befinden, im Westen.“ Siko schob einen in den Weg hängenden Ast zur Seite.
Alieyna sah sich beunruhigt um, „Die sind größer als ich erst dachte.“ jammerte sie weiter.
„So ist das immer mit Nebelgegenden.“
„Aber ich sehe überhaupt keinen Nebel!“ knurrte Alieyna genervt.
„ich auch nicht“, sie schlängelte sich zwischen verschiedenen Dornbüschen hindurch, „wie lang siehst du ihn nicht mehr?“
„Bitte?!“
„Der Nebel entflieht unserer Wahrnehmung nach einer Weile, dann sieht alles gleich größer aus.“ erklärte Siko.
Alieyna runzelte die Stirn, was für ein teuflischer Zauber. Es war wirklich schrecklich kalt hier… fast gespenstisch.
„Siko.“
„Hm?“
„Irgendwie ist es hier echt unheimlich.“ murmelte sie.
„mhm“, Siko ging gelangweilt weiter, „interessiert mich nicht.“
Alieyna schmollte kurz, doch dann blieb sie stehen und sah erschrocken auf etwas vor sich.
„Hast du einen Geist gesehen?“ grinste Siko spöttisch.
Alieyna schüttelte den Kopf und hob die Hand, mit verstörtem Blick zeigte sie auf etwas vor sich. Siko wandte den Blick in die Richtung von Alieynas Blick. Das Herz des unbestimmten Mädchens lief auf Marathon; vor ihnen wuchs ein Baum, er hob sich deutlich von den anderen ab. Groß, schwärzer als jeder andere und verdreht als wäre er mehrere Male um sich selbst gewachsen.
Und von einem dieser Äste hingen zwei Schnüre die an den anderen Enden durch ein breites Holzstück verbunden wurden und darauf saß… Ein Mädchen. Ein Mädchen mit langem schwarzem Haar und einer großen, schmutzigen, leicht rosa gefärbten Masche am Kopf. Alieyna zitterte, sie konnte den kalten Blick auf ihrer Haut spüren und beobachtete gespannt wie Siko kurz schluckte und dann auf das Mädchen und den Baum zu ging.
Alieyna folgte ihr mit zittrigen Knien. Siko hatte unmerklich ihre Krallen ausgefahren und eine Hand auf den Revolver in ihrer Tasche gelegt.
Nun konnte Alieyna auch das Gesicht des Mädchens besser erkennen. Bleich und voller Furchen, nicht wie es sich für ein Kind gehörte. Doch das brachte Alieyna weniger aus der Fassung als ihre Augen, rot schimmernd und leer. Keine Pupille, nur Leere.
„Ich bin Asuna.“ meinte das Mädchen lächelnd, doch Alieyna war sich nicht sicher ob das Lächeln ihr und Siko galt, denn das Mädchen sah ins Nichts.
Siko verengte die Augen, antwortete jedoch trotzdem, „Mein Name ist Siko und das ist Alieyna. Wir sind auf der Suche nach einem Seelenwächter, der uns helfen kann.“
„Oh… schau mal großer Bruder!“ Asuna schien sich auf unechte Weise zu freuen und man sah ihr den Wahnsinn ins Gesicht geschrieben, „da sind zwei Mädchen die mit mir spielen wollen. Früher war das gar nicht so…“
„Wir sind nicht zum spielen hier.“ erklärte Siko langsam.
Doch es war zu spät, Asuna hob den Kopf und setzte wieder die gleiche Gleichgültigkeit auf wie zuvor, „oje. Großer Bruder, was soll ich denn jetzt machen, wenn sie mich wieder ärgern?“
Alieyna verengte die Augen zu Schlitzen, mit wem sprach Asuna überhaupt. Auf der Lichtung war weit und breit niemand außer Asuna, Alieyna und Siko zu sehen. Doch nun hatte sie keine Zeit mehr sich darüber den Kopf zu zerbrechen denn Asuna war von ihrer Schaukel aufgestanden und hatte sich vor Alieyna und Siko aufgebaut.
„Mein großer Bruder hat gesagt, dass ihr nur Papa und mir wehtun wollt. Das möchte ich nicht…“ sie nahm eine Hand hoch und erstaunt sah Alieyna zu wie in Asunas Hand ein langer Holzstil, gerade so dünn wie der Griff ihrer Sense wuchs. Immer länger wurde das Stück Holz, bis ein großer Klotz dazu kam. Ein Hammer. Übermenschlich und halb so groß wie Asuna selbst.
„Eloin und ich werden es diesen Eindringlingen schon zeigen Jace… mein Bruder.“
Siko riss die Augen auf, „Alieyna“, flüsterte sie, „ich glaube sie ist besessen.“
„Von was?“
„Einem Toten…“
Alieyna riss die Augen auf, „wie kann das sein?!“
„Dafür kann es viele Gründe geben…“ war die einzige Erklärung die Siko von sich gab.
„Papi, ich glaube sie wollen nicht mit mir spielen.“ meinte Asuna.
„Dann zwing sie dazu.“
Alieyna machte ein erschrecktes Geräusch, diese Stimme; Hoch als würde jedes Glas bei ihrem Klang brechen und Bösartig, dass es einem mehrere Wellen Gänsehaut entgegen jagte. Der Seelenbaum!
„Ja okay.“ willigte Asuna ein und fixierte Alieyna und Siko, „seid ihr bereit zu sterben? Wenn nicht, können wir auch noch eine kurze Verschnaufpause machen.“
Sie kicherte ausdruckslos, „nur ein Witz.“
Damit hob sie den riesigen Hammer und schwang ihn in die Richtung von Siko. Diese lief gewandt unter dem großen Hammer vorbei und kam bei Asuna an, bevor diese sie bemerkte. Ein schneller Schnitt und ein langes Rinnsal Blut rann an Asunas Wange und Schulter herunter.
„Sie mal Papa. Das hab ich ja noch nie gesehen!“ sie starrte fasziniert auf ihre Wunden, „das kann ich sicher auch!“
kaum waren diese Worte ausgesprochen hob Asuna die andere Hand und Alieyna musste zusehen wie sich aus purer Finsternis lange schwarze Klingen an ihren Fingern bildeten.
„Sie kann die Kampfstile ihrer Gegner kopieren.“ stellte Siko fest, „Ein typisches Merkmal für schwarze Magie, ich hätte es wissen müssen.“
Asuna lief wieder auf die beiden zu, doch diesmal bog sie in Alieynas Richtung ab. Mit unerwarteter Geschwindigkeit holte die Hexe mit ihrem Riesenhammer aus und traf Alieyna mit voller Wucht. Alieyna wurde gegen einen nahe liegenden Baum geschleudert und stöhnte auf vor Schmerz. Woher nahm dieses Mädchen nur seine Kraft?!
Siko war Asunas Schlag ausgewichen und mit katzenhafter Geschmeidigkeit wand sie sich an dem großen Hammer vorbei und zwischen den Schlägen der Schattenkrallen hindurch. Mit einem Schlag in den Bauch wurde Asuna zurückgeschleudert, im Gegensatz zu Alieyna jedoch wurde sie nicht aus dem Gleichgewicht gebracht sondern blieb fest auf beiden Füßen stehen. Sie wurde lediglich ein wenig nach hinten verschoben.
Siko sah das Mädchen beeindruckt an.
Asuna ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, wirbelte kurz mit ihrem übermenschlichen Hammer herum und ließ ihn auf die Erde niedersausen. Eine Ritze bildete sich in dem harten Steinboden und aus diesem trat grelles, weißes Licht. Siko versuchte auszuweichen, wurde jedoch von der Ritze verschluckt. Alieyna war außer Reichweite.
Mit einem Ruck zog sich Alieyna das Armband vom Handgelenk, dann raffte sie sich auf und rannte auf Asuna zu. Einmal ausholen und zuschlagen! Ein ohrenbetäubender Knall und die beiden Mädchen drückten die Stäbe ihrer Waffen mit aller Kraft gegeneinander. Doch während Alieyna beide Hände und alle Kraft anwenden musste, hielt Asuna ihren Hammer mit nur einer Hand und starrte Alieyna gelangweilt an.
Schließlich gab Alieyna den kleinen Kampf auf und machte schnell ein paar Schritte nach hinten. Sie atmete schwer und Asuna kam bedrohlich auf sie zu.
Gerade hob sie ihren Hammer erneut und Alieyna machte sich für den finalen Schlag bereit, doch sie hätte es besser wissen müssen, denn wieder stellte sich Siko in Asunas Weg und stieß Alieyna nach hinten. Mit geringem Kraftaufwand drückte Siko mit ihren gekreuzten Armen gegen den großen Hammer. Asuna grinste kurz, doch schnell verschwand es wieder und sie machte einen großen Sprung nach hinten.
Kaum war sie auf dem toten Erdboden aufgekommen, hob sie die zarte Hand, „mir scheint, da ist jemand aufmüpfig, für dich hab ich was ganz besonderes.“
Sie zuckte kurz mit der Hand und aus der Erde kamen lange schwarze Schattententakel die sich um Sikos Glieder wickelten und sie schneller in die Lüfte hoben, als die Katzenkjen überhaupt reagieren konnte. Siko zappelte und wollte die Fangarme mit ihren Krallen durchschneiden, doch es waren einfach zu viele.
„Meine kleinen Freunde werden dich einfach zerquetschten, noch bevor du es realisierst!“ etwas leiser fügte sie noch hinzu, „ist das nicht gemein, großer Bruder…?“
Alieyna machte sich bereit einen weiteren Versuch zu starten, um Siko zu helfen. Doch sie war zu langsam. Ein weißer Strahl schoss von hinten auf Asuna zu und traf sie an der Schulter. Die Hexe weitete die Augen und fuhr herum. Dadurch, dass sie abgelenkt war ergriff Siko die Gelegenheit und kämpfte sich frei an Alieynas Seite.
Aus den Schatten trat eine großbewachsene Gestalt mit Wolfsohren, „was zum Teufel machst du hier?!“ rief Siko zornig.
„Ach, lass mir doch den Spaß.“ meinte Simina an einen Baum gelehnt, während Asuna sie immer noch zornig, aber auch überrascht anstarrte.
Siko fuhr ihre Fangzähne aus, „das wird später noch ein Nachspiel haben!“
„Ja Mami!“ rief Simina und ihre beiden Pistolen um weitere Geschosse auf Asuna abzufeuern. Die Hexe hatte Schwierigkeiten den Fernangriffen auszuweichen, doch trotz ihrer Wunden schien sie nicht schwächer zu werden. Es war zum Kopfzerbrechen.
„Hast du nicht gesagt, dass sie durch Schmerz zu sich kommen würde?“ fragte Alieyna als sie sich für den nächsten Angriff bereit machte.
Siko rümpfte die Nase, „kein physischer Schmerz, sondern Psychischer!“
„Na toll“, grummelte Alieyna, „und wie sollen wir das anstellen?“
„Arkanmacht!“
Alieyna machte große Augen, „das ist dein Plan?!“ Sie war verblüfft, wie simpel und undurchdacht er eigentlich war… „ich weiß doch gar nicht wie…“
Siko drehte sich kurz zu ihr um, „folge deinem Instinkt.“ meinte sie einfach und rannte erneut auf Asuna zu, die weiter einige Schattententakel beschworen hatte.
Alieyna sah ihr fassungslos nach. Dann nickte sie, „ja klar okay.“ den sarkastischen Unterton in der Stimme deutlich hörbar.
Dann folgte sie Siko, vielleicht würde dieser so genannte Instinkt auftauchen wenn sie ein wenig kämpfte… wie bei der Schlacht gegen die Räuber. Damals hatte sie sich gegen Ende in einer Art Kampfmodus befunden und ohne weiteres, einfach aus Gefühl die Arkanmacht eingesetzt… Sie würde es wohl wieder schaffen müssen…
Simina wich nun unzähligen Tentakeln aus und schoss weiterhin auf Asuna ein. Die kleine Hexe war voll und ganz mit der Wolfkjen beschäftigt und beachtete Siko und Alieyna kaum. Siko gab Alieyna ein Zeichen das Alieyna nicht wirklich deuten konnte, doch ehe das Mädchen nachfragen konnte lief Siko schon voraus und nun verstand Alieyna auch was Siko vorhatte. Sie machte ihr den weg frei, eine Lücke in den Ring aus Tentakeln rund um Asuna.
Alieyna lief und spürte wie ihr das Herz gegen die Brust hämmerte und drohte ihren Körper zu sprengen. Sie zog die Sense enger an sich und schlüpfte durch die Lücke und da war er; der Instinkt. Kaum war sie durch die Lücke gebrochen stieß Alieyna den Anfang der Sense in den Boden und ließ den langen Griff los.
Sie befand sich wieder in dem langsamen Zustand, der ihr Hirn und ihre Sicht benebelte. Alles war langsamer und farblos geworden. Wie von einem ockerfarbenen Filter überzogen war Alieynas Blick einfärbig. Sie blickte hoch und sah vor sich die verwirrte Asuna die nach ihr suchte, doch da stand noch jemand neben der jungen Hexe; ein blonder Junge der mit dem Gesicht in Alieynas Richtung nahe an Asunas Seite stand.
Er hatte durchgewuscheltes, blondes Haar das ihm nicht viel weite ging als zu den Ohren. Seine Kleider waren verdreckt und alt. Seine kalten grauen Augen fixierten Alieyna mit eisiger Kraft, die sie nicht mehr losließ.
„Bring sie um Asuna. Das schuldest du mir.“ flüsterte er mit kalter Stimme in das Ohr des kleinen Mädchens.
Alieyna riss die Augen auf, „lass sie in Ruhe! Siehst du nicht wie sehr du ihr mit diesen Befehlen schadest?!“ sie zögerte kurz, „außerdem hast du überhaupt kein Recht ihr überhaupt welche zu erteilen!“
„Wie ist das möglich?“ fragte der Junge mit zorniger Stimme, wohl mehr sich selbst als Alieyna, „wieso kannst du mich sehen?!“ schrie er.
„Lass sie in Ruhe.“ forderte Alieyna nur.
„Halt dich da raus!“ der Junge machte eine unruhige Bewegung, „das alles geht dich überhaupt nichts an!“
„Asuna!“ Alieyna beachtete den Jungen nicht weiter und versuchte stattdessen zu der Hexe durchzudringen, „asuna, wenn du mich hörst, dann bitte vertrau mir!“
Sie stand auf und nahm Asunas Hand das Mädchen zuckte kurz zusammen, doch dann blieb sie weiter in der gewohnten Zeitlupe stehen, die außerhalb dieser dunklen Welt der Geister herrschte.
Ich muss noch tiefer… tiefer in ihr Bewusstsein… Alieyna stutzte und hob eine Hand, vielleicht würde das gleiche funktionieren was die andere Hexe bei Alieyna gemacht hatte. Das Mädchen legte den rechten Daumen auf Asunas Stirn und sofort spürte sie wie ein Zucken durch ihren Körper ging.
„In diesem Zustand ist es für dich unmöglich einen gedanklichen Aufbau zu erzeugen.“ der Junge neben Asuna grinste frech, „mit dieser seltenen Macht ist diese Magie nicht kompatibel.“
Alieyna sah den Jungen verwirrt an, sie musste wohl oder übel wieder aus diesem arkarnen Zustand hinaus. Sie runzelte widerspenstig die Stirn, „das hättest du mir nicht sagen sollen.“
Sie fing gerade noch den überraschten Blick des Jungen auf und machte einen riesigen Salto nach hinten wo sie mit der Hand genau auf ihrer Sense landete. Ein kurzer Zeitstillstand und die Farben, die Schnelligkeit und die Gefahr kehrten zurück.
Alieyna spürte ihn wieder, den Kampfinstinkt und wirbelte die Sense um sich wie einen Wirbelsturm, nutzte jede ihrer Möglichkeiten aus und schlug sich erneut ein Loch durch die Wand aus Schattententakeln zurück zu Siko und Simina. Die beiden kämpften immer noch so gut es ging gegen die Tentakel, doch sie schienen einen Weg gefunden zu haben weniger Energie zu nutzen und sahen aus wie in gutem Zustand.
Alieyna drehte sich halb um sich selbst, wehrte einen Tentakel ab und rief: „folgt mir!“
Dann drehte sie sich wieder weg von Asuna und lief aus der Reichweite der Schattengebilde. Siko und Simina dicht hinter ihr.
„Wohin willst du denn?!“ rief Siko empört.
„Abhauen!“ antwortete stattdessen Simina, „ich glaube jetzt ist ein recht guter Augenblick dafür, oder etwa nicht?“
Alieyna blieb stehen, „nein.“ sie wandte ihren Blick wieder der Hexe zu, die sie mit sorgloser Kälte fixierte, „ihr könnt machen was ihr wollt, aber ich laufe nicht weg. Diesen Kampf werde ich nicht unbestritten lassen!“ Erwartungsvoll sah sie die anderen an.
Siko erwiderte ihren Blick gelangweilt, „du erwartest doch nicht das ich jetzt den Schwanz einziehe oder?“ sie grinste auf ihre fiese Weise, ein Zeichen der Entschlossenheit, das war Alieyna im Laufe der letzten Zeit klar geworden.
Sie sah Simina an, diese sah sich verwirrt um, „ach, hast du gedacht, ich wäre ein Feigling?“ sie tippte Alieyna lächelnd auf die Nase, „Fehler!“
Alieyna schmunzelte, „na dann, treten wir diesem Geist mal in den Hintern!“
„Warte mal“, Simina blieb stehen und hob eine Hand, „Geist?! Kann ich doch einen Rückzieher machen?“
Siko und Alieyna sahen sie verstört an, „keine Sorge, war nur ein Witz.“
Die anderen schüttelten grinsend ihre Köpfe und liefen wieder auf Asuna zu.
„Ne, aber was für ein Geist?!“ Simina schüttelte den Kopf, „egal.“ dann rannte sie hinter den anderen beiden in den Kampf.
Sie war nie wirklich schuld… Es war nur… Ich bin immer eifersüchtig gewesen, das gestehe ich, aber mein Plan hat funktioniert. Auf dem Gesicht des blonden Jungen breitete sich langsam ein schmales Lächeln aus. Ich habe es so gezeigt, dass alle sofort dachten, Sie hätte mich getötet. Sogar sie selbst! Ach Schwesterchen, wärest du nur nicht so schrecklich naiv, hättest du es sogar zu etwas bringen können!
Asuna saß neben ihm auf einer kleinen Schaukel, die sie sich einmal aus alten Überresten gebastelt hatte und schaute wie immer nur vor sich hin und summte irgendein Lied, das Asunas Vater ihnen beigebracht hatte. Moll, traurig, tonlos… Balsam für die Ohren.
„Was tätest du nur ohne mich?“ fragte er lächelnd als er sich bückte um einen aufgegangenen Schnürsenkel zuzubinden.
„Das ist doch klar“, sie schaute ihn ohne ein Lächeln an, „ich wäre längst tot, mein Bruder…“
Er nickte, „Ganz richtig.“
„Du?“
Er sah auf, „hm?“
„Wollen wir nicht vielleicht ein Spiel spielen?“ sie sah ihn hoffnungsvoll an, „verstecken oder so?“
Der Junge sah seine Schwester mit angewidertem Gesicht an, „Du bist kein Kind mehr Asuna!“
„Ich bin erst zwölf!“ warf sie ein, „natürlich bin ich noch ein Kind!“
„Unterbrich mich nicht!“ rief er.
Er sah den Schreck in den Augen seiner Schwester und empfand ein wohliges Gefühl, als sich auch ein wenig mehr Leere in ihren Augen sammelte. Hoffentlich hört sie bald auf diese lästigen Fragen zu stellen! Es ist so anstrengend… Sie würde schon irgendwann aufhören sich wie ein Kind zu benehmen… Er hatte seinen ersten Mord mit sechs begangen, sollte sie sich doch beschweren!
„Bitte…“ versuchte er es etwas freundlicher, „ich bin etwas müde…“
Asuna nickte kurz und wandte dann ihren Blick zu Boden.
Der Junge kniete sich vor sie, „du hast eine große Bürde zu tragen, Asuna. Du darfst jetzt einfach kein Kind mehr sein.“ er machte eine kurze Pause, „dafür ist es zu spät.“
„Zu spät?“ fragte sie verwirrt.
„Hättest du mich nicht zum Selbstmord getrieben, würde ich statt dir hier stehen und du könntest ein normales Leben führen.“ Er grinste leicht, als Asunas Blick wieder die tiefste mögliche Leere annahm zu der sie fähig war, „aber die Seelenbäume brauchen einen Wächter und Geistern ist diese Aufgabe nunmal nicht zuteil geworden. Verstehst du?“
Sie nickte.
„Sehr gut.“
„ich hab eine Frage großer Bruder.“
„Hm?“
Der Herzschlag des Jungen nahm an Geschwindigkeit zu als er den Wahnsinn in Asunas Augen auftauchen sah, Endlich! „spielen wir wieder Harfe mit dem nächsten der vorbei kommt?“
Der blonde Junge drehte seinen Blick auf die Totenharfe die auf einer Lichtung in der Nähe stand. Der Ton dieser Saiten verschlang jedes Glück und jede Freude derjenigen die sie hörten.
„bis sie sterben.“
Wenigstens hat sie jetzt eine konkrete Vorstellung davon wie man spielt… er lächelte.
Alieyna blieb dreißig Meter vor Asuna und ihrer Wand aus Dunkelheit stehen und beobachtete belustigt wie Simina einige Schritte an ihr vorbeilief und dann wieder zu ihr zurückkam. Siko blieb, wie erwartet neben ihr stehen und bewegte sich keinen Zentimeter mehr weiter.
„Wie ist denn jetzt eigentlich der Plan?“ fragte Simina und nach kurzer Überlegung fügte sie noch hinzu: „Und die Frage wegen dem Geist beantwortest du mir lieber gar nicht…“
„Du hast echt Angst oder?“ Siko grinste und Alieyna erkannte ihre katzenhaften Schneidezähne die unter ihrer Oberlippe hervorlugten.
Simina machte ein bekümmertes Gesicht, „vor Geistern?… Ja etwas. Natürlich bin ich nicht so unglaublich furchtlos wie die nichtsfürchtende Siko!“ sie machte eine alberne Bewegung und Alieyna musste kichern.
„Ich habe auch vor Dingen Angst!“ knurrte Siko.
Simina sah sie skeptisch an, „kein guter Witz Siko.“
„Das ist kein Witz!“ Sikos Wangen fingen an eine rosa Färbung anzunehmen.
„Dann sag mir doch wovor du Angst hast!“
„Das geht dich überhaupt nichts an!!“
„Hey, Leute!“ Alieyna hatte ihre Stimme so laut es ging erhoben und deutete auf das Mädchen gegen das sie vorhatten zu kämpfen. Asuna krümmte sich vor falsch klingendem Lachen und verbreitete den Wahnsinn nur noch intensiver.
„Wollten wir uns nicht um einen gewissen Jemand kümmern?“ fragte sie.
Die beiden Kjen murmelten etwas unverständliches und trotziges, blieben danach jedoch still.
„Hier ist der Plan; wir werden alle drei in den Ring gehen, aber ich brauche Deckung, das heißt ihr müsst mich abschirmen von Dingen die mich aufhalten können.“
„Das war´s?“ fragte Siko unbegeistert, „keine Kampfstrategie?“
„Nein.“
„Wie nennst du denn so was?“ fragte sie spöttisch, „Alieyna zeigt euch heute wie man anständig stirbt oder was?“
„Nein…“
Siko sah Alieyna erwartungsvoll an.
„ich nenne es Spontanität.“
Damit lief sie los, ohne darauf zu achten ob die anderen ihr folgten, doch da lief schon Simina an ihrer Seite und sah sie missbilligend an, „können wir nicht irgend so ein Zeichen ausmachen, damit ich auch mal mitkommen kann?“
Sie grinste und überholte Alieyna. Siko auf der anderen Seite war schon längst an den beiden vorbei und kämpfte sich schon eine Lücke durch die Wand. Dafür, dass sie tatsächlich so eine spärliche Auskunft erhalten hatte tat Siko wirklich ziemlich genau das was man ihr aufgetragen. Simina tat ebenfalls ihr Möglichstes. Alieyna stellte nun zufrieden fest wie sich eine Lücke in dem Dichten Gewusel aus Fangarmen auftat und schlüpfte gemeinsam mit den anderen, die die Lücke weiterhin aufhielten, hindurch.
Asuna stand jetzt nur noch etwa zehn Meter von ihnen und sah sie leicht gelangweilt an, „wollt ihr immer noch nicht gehen? Wie schade, dann komme ich zu spät zum Abendessen…“
Sie hob die Hand und deutete auf die drei Mädchen, „Vocare, Snapter!“
Alieyna runzelte die Stirn doch schon bildeten sich auf den harten Erdboden große verschnörkelte Zeichen die zusammen ein Pentagramm formten. Dunkler Rauch stieg von dem etwa fünf Meter breiten Zeichen auf und bildete eine tief schwarze Wolke. Die Wolke bekam Formen: Ohren, so lang wie Siminas Arm, Pranken so groß wie ein Bär genauso wie einen Schwanz der etwa eine zwanzig Meter Länge hielt und einen großen Morgenstern an der Spitze trug.
„Was zur Hölle… ist das denn schon wieder?!“ flüsterte Simina und machte ein frustriertes Gesicht.
„Ein Snapter.“ antwortete Siko.
„Ein Snapter?“
Die Katzenkjen nickte, „Ein seelischer Begleiter aus der Unterwelt, bestimmt für die Hexen die die Dunkle Magie praktizieren.“
Alieyna sah sie verwirrt an, „seelischer Begleiter?“
„ja“, Siko nickte wieder, „Hexen entscheiden sich am Anfang ihres Lebens ob sie sich für dunkle oder helle Magie entscheiden. Egal welche der beiden sie wählen, die andere Option bleibt ihnen für den Rest ihres Lebens verschlossen. Lichterhexen haben als seelische Begleiter Ultimaten, das ist eine Art Engel.“
„Und Schattenhexen haben… Snapter…“ beendete Simina.
„Seid ihre dann fertig?“ fragte Asuna gelangweilt, „dann spielen wir doch! Snapter“, das Vieh zuckte mit seinen menschenlangen Ohren, „laniare.“
Eine kurze Pause und Alieyna dachte schon, das Monster hätte Asuna nicht gehört, doch schon stieß es einen Schrei aus und stürzte sich auf die drei Mädchen. Simina entfuhr ein kurzer Schrei, doch sie hatte sich schnell wieder im Griff. Der Snapter holte mit seinem Morgenstern so weit wie möglich und steuerte seinen Schwung auf Siko zu, diese ließ sich auf den Rücken fallen um sich, als der Stern vorbeigezogen war, wieder mit einer schnellen Flipp-bewegung wieder auf die Füße zu schleudern.
Sie fauchte zornig und fuhr ihre langen Krallen aus. Alieyna packte den Griff ihrer Sense etwas fester und lief auf den Snapter zu doch Simina hielt ihre Schulter fest und nickte in Richtung Asuna. Alieyna verstand sofort und drückte Siminas Hand kurz, schließlich ließ die Kjen sie los und ging langsam auf den Snapter zu.
Die Pistolen gehoben und bereit zu schießen schrie sie: „komm schon du Mistvieh! Kämpf gefälligst gegen jemanden der sich mit dir messen kann!“
Alieyna musste grinsen als Siko ihr einen vernichtenden Blick zuwarf, dann lief sie los. Der Snapter, abgelenkt durch Simina und Siko hatte eine große Lücke neben sich gelassen, durch die Alieyna nun eilig hindurch schlüpfte. Asuna bemerkte sie nicht das war gut, Alieyna schlich sich ihren Weg um das jung Mädchen herum und stand nun hinter ihr, die Sense in beiden Händen. Doch sie durfte sie nicht töten, auch das war sehr vorteilhaft, da sie das sowieso nicht geschafft hätte. Jemanden zu töten war ihr unvorstellbar.
Sie holte mit dem hinteren Ende der Sense aus um es gegen Asunas Kopf schwingen zu lassen. Das würde ihr das Bewusstsein nehmen bis die drei eine Möglichkeit gefunden hatten mit ihr zu reden. Weit ausholen, nur kein Geräusch machen. Der lange Stab sauste auf den kleinen Kopf zu doch eine unbändige Wucht fing Alieynas Schlag ab. Asuna hatte mit unvorstellbarer Schnelligkeit die Sense gehoben und damit den Schlag des anderen Mädchens abgefangen.
„Glaubst du denn ich bin blöd?“ fragte Asuna.
Alieyna blieb still. Sie wusste nicht was sie nun sagen sollte.
„Deine Freunde haben keine Chance gegen den Snapter und du hast keine gegen mich…“ sie seufzte, „eigentlich schade, ich hätte viel lieber gegen die grünhaarige Frau gekämpft, sie ist um einiges Stärker als du. Oder das Wolfsmädchen, so viel Willenskraft…“ sie legte den Kopf schief und drehte sich schließlich zu Alieyna um, „dann muss ich mich eben mit dir zufrieden geben.“
Alieyna riss die Augen auf, nicht Asuna war es die hier versuchte sie psychisch fertigzumachen, es war der Junge, denn Asunas Lippen bewegten sich nicht und die Stimme hatte etwas von der Festigkeit eines Mannes.
Alieynas Augenbrauen zogen sich widerwillig zusammen, „Ich falle zumindest nicht auf deine Psychotricks rein.“
„Oh, das war kein Trick“, erklärte der Junge weiter und Alieyna schauderte es, wie Asuna sie nur anstarrte während eine völlig andere Stimme mit ihr Sprach, „deine Seele ist schwach, du bist verwundbar. Weißt nicht wo dein Platz ist… in dieser unbekannten Welt.“
Alieyna begriff, der Geist wusste genau warum sie hier war, doch sie würde nicht zulassen, dass er ihr alles verdarb!
„Ich bin vielleicht nicht immer so stark wie Siko, oder so zuversichtlich wie Simina, aber das liegt einzig und allein daran, dass ich einfach anders bin.“
„nicht!“ Alieyna zuckte kurz zusammen als Asuna dieses Wort von den Lippen gleiten ließ, „du gehst auf sein Gerede ein… mach nicht… den selben… Fehler… wie… ich einst…“
Sie schaute einen Moment verwirrt und Alieyna glaubte die Schwärze der Pupille in ihrem Auge zurückkehren zu sehen. Doch als ein kurzes Zucken das Mädchen durchfuhr waren Asunas Augen wieder leer. Er sprach wieder zu ihr…
Das musste es sein! Der Junge, Asunas Bruder… er manipulierte seine Schwester und brachte sie durch ein Gefühlschaos dazu, das zu tun was Er wollte!
„Asuna!“ sie packte das Mädchen, das sich überraschender Weise auch nicht wehrte, sondern Alieyna nur verwirrt anstarrte, „was immer er dir sagt, es ist eine Lüge! Verstehst du mich?! Er benutzt dich!!“
Asuna hob mit Blitzgeschwindigkeit die Hand auf die sie Sikos Krallen kopiert hatte und legte eine Spitze der langen Krallen an Alieynas Kehle.
„Stellst du die Liebe zu meiner Schwester in Frage?!“ wieder keine Lippenbewegungen.
„nein“, Alieyna hatte Mühe ihren Kopf nicht in das harte Material der Krallen sinken zu lassen, „ich stelle nur die Methode in Frage mit der du sie ausdrückst.“
Asunas Augen fingen an zu flackern, die Pupille verschwand und tauchte wieder auf, verschwand und tauchte wieder auf… immer wieder in Sekundenschnelle.
Sie kämpfte. Oder? Natürlich! Vermutlich hatte es noch nie Kämpfer gegeben die so weit zu Asuna vorgedrungen waren! Niemand hatte die Gelegenheit bekommen Asuna darauf anzusprechen, darum war die Barriere aus Emotionslosigkeit so vernachlässigt, er war nicht darauf vorbereitet!
„Du bist hilflos!“ meinte Alieyna plötzlich ohne nachzudenken.
Asuna ließ die Hand sinken, „was willst du damit sagen?! Dass ich schwach bin?!“
„Nein, du bist nicht schwach, nur… nicht vorbereitet.“
„Ich habe an alles gedacht!“ erwiderte die Stimme des Jungen zornig, „stelle nichts infrage, wovon du nichts verstehst du dummes Mädchen!“
„Ich bin sicherlich nicht dumm, sonst wäre mir ja die Lücke deines Planes nicht aufgefallen!“ murmelte Alieyna.
„welche Lücke soll das bitte sein?!“
„Diese.“ Alieyna hob einen Finger und legte ihn in Asunas Nacken. Das Mädchen ließ seine Emotionen auf Asuna einfließen und sofort stolperte sie nach vorn. In weißes Licht. Es war eine ähnliche Umgebung wie die ihrem eigenen Geist. Weiß, doch sie stand sofort auf einem nicht erkennbaren Boden. Keine Bilder die an ihr vorbeiliefen, nur… Türen.
Viele Türen.
Sie waren alle braun und aus Holz, hatten alle genau dasselbe Aussehen. Nur die Schilder die an ihnen befestigt waren alle unterschiedlich beschriftet. Alieyna sah sich um; Schmerz. eine sehr große Tür, Freude, so verkümmert, mit fast gänzlich verdorrtem Holz, Angst, eine robuste Tür, deren Riegel fest verschlossen schien, als hätte Asuna einfach kein Interesse an dieser Emotion. Sie drehte sich weiter; Liebe, Eifersucht, Hass, stolz, Enttäuschung und… diese Tür war groß und robust, wie die Pforte eines Palastes ragte sie in den Himmel hinauf. Alieyna betrachtete das Schild; Schuld.
Ein dicker Kloß bildete sich langsam in Alieynas Hals, den sie angestrengt versuchte runterzuschlucken, es gelang ihr nicht… Doch trotzdem streckte sie eilig die Hand nach der Türklinke aus, wer wusste wie viel Zeit sie noch hatte? Ein kurzer Atemzug noch und sie zog mit einem Ruck an der Tür, sie klemmte kurz, ließ sich aber unter lautem Ächzen aufmachen.
Ein warmer Luftstrom stieß Alieynas Gesicht entgegen und helle Strahlen von Sonnenwärme durchfluteten ihr Gesicht. Der Himmel schwebte weit entfernt und blau über ihr, während die grünen Blätter der Bäume um sie herum zum Greifen nah schienen. Vor Alieyna war eine riesige weiße Villa mit rot-violettem Dach und großen Fenstern aufgebaut. Drumherum war kein Zaun aufgebaut, das Haus stand ganz allein im Wald.
Alieyna machte vorsichtig ein paar Schritte in die trockene Sommerluft.
Vor dem Haus fuhr eine Kutsche vor, sie war schwarz-dunkelgrün und reich verziert. Ein Kutscher saß nicht vorne, stattdessen lenkte sich die Kutsche von selbst und wurde von einem merkwürdigen Wesen gezogen, das an eine weiße Riesenechse erinnerte, die genau die gleichen Maße hatte wie ein… Pferd? Ein Pferd! Ein Erinnerungsfetzen, nichts wirklich wichtiges aber Alieyna war sich fast sicher, dass sie das was sie unter einem Pferd verstand, noch nie in Alarian gesehen hatte… starke Beine, die lange Wege über schwere Lasten tragen konnten, Mähne und Schweif weiß wie Schnee und ein Kopf mit einer schwarzen Flamme auf der Stirn.
Vielleicht war Alieyna dieses Pferd nicht unbekannt? Ihr eigenes womöglich? Vielleicht… sie würde Siko deswegen befragen.
Die Kutsche kam zum stehen und einige Personen stiegen aus. Alieyna ging näher auf die Gestalten zu und versteckte sich hinter der Kutsche. Es war eine drei-Personen Familie, eine erwachsene Frau mit rotblondem Haar, und zwei Kinder. Ein kleines Mädchen, etwa 10 Jahre alt, mit dunklen, kurzen Haaren, die zu zwei Zöpfen zusammengebunden worden waren und einem blass-roten Rüschenkleidchen. Asuna! Tatsächlich, das war sie!
Dann war da noch ein Junge, circa drei Jahre älter als Asuna, mit strohblondem, strubbeligen Haar. Seine Kleidung war ein wenig abgetragen und sah nicht so neu und teuer aus wie die von Asuna, er war auch nicht wirklich groß, gerade mal ein wenig größer als seine Schwester… Konnte das möglich sein?! Ja, Alieyna war sich nun ganz sicher; es war der Geist an Asunas Seite!
Alieyna folgte den dreien in das Innere der Villa. Sie schaffte es gerade noch in den kleinen Türspalt doch sie streifte die Frau und biss sich auf die Lippe, was sollte sie jetzt sagen, wenn die Dame zusah wie Alieyna in ihr Haus einbrach?! Wie konnte sie nur so dumm sein?!
Doch die Frau ging einfach an ihr vorüber und würdigte das Mädchen keines Blickes. Das musste eine Art… Erinnerung sein. Eine Erinnerung die Asuna gerade in ihrem Kopf abrief. Sie war nicht real in Alieynas Welt und Alieyna nicht in ihrer Welt. Sie konnte sich frei bewegen und es würde niemanden stören! Perfekt!
Alieyna folgte den dreien durch einen langen Gang in ein hinteres Zimmer, das aussah wie das Esszimmer. Die Kinder setzten sich an den Tisch und der Junge nahm sich sofort einen Zettel und einen Stift zur Hand. Dann wurde er still und kritzelte drauf los.
Mein Bruder hat damals, als wir noch Kinder waren und er auch noch am Leben war, immer gezeichnet und er war unheimlich begabt. Alieyna stolperte verwirrt zurück als in ihrem Kopf eine bekannte Stimme ertönte; Asuna! Doch als sie realisiert hatte was die junge Hexe ihr erzählte beugte sie sich vor und beäugte die Zeichnung von Asunas Bruder. Überrascht riss sie die Augen auf auf dem Blatt Papier war in sorglosen Linien ein Baum aufgezeichnet. Er war wunderschön und voll mit weich geformten Blüten und gesund aussehenden Blättern.
Auch ich schien damals für etwas eine ganz besondere Begabung zu entwickeln. Alieyna beobachtete wieder Asuna. Die kleine Hexe machte zarte Bewegungen mit ihren Fingern und aus ihnen heraus rieselten zwei glitzernde Strahlen gen Himmel. Ein schwarzer und ein weißer.
Meine ganze Familie bestand aus Hexen und Zauberern und in jedem einzelnen floss adliges Blut. Unser Vater, hat uns vor meiner Geburt verlassen und ist bei einer Plünderung gestorben. Darum ist er jetzt auch ein Seelenbaum, er war kein guter Zauberer.
Doch, auch wenn eigentlich das Talent meines Bruders Jace viel größer war als meines, war es für unsere Mutter doch weniger relevant. Sie wollte, dass wir uns ausschließlich auf das Zaubern konzentrierten.
Alieyna betrachtete die Mutter, sie sah stolz Asuna dabei zu, wie die schwarz-weißen Funken aus ihren Fingerspitzen stoben. Doch den kleinen Jungen mit seiner unglaublichen Zeichnung würdigte sie keines Blickes. Es war bestürzend, so ein talentiertes Kind zu sehen wie es nicht die geringste Aufmerksamkeit oder stolz empfangen konnte. Alieynas Herz zog sich unbequem zusammen.
Ein Blitz im Zimmer und die Szenerie wechselte, die beiden Kinder saßen in einem anderen Zimmer, das den Anschein eines Kinderzimmers erweckte. Ich wusste erst nicht was genau es war das in ihm wütete, aber es wurde immer schlimmer. Alieyna betrachtete die beiden Kinder, Asuna saß an einem Fenster und las, während Jace an einem Schreibtisch saß und über ein Papier gebeugt saß. Der Tisch war neben seinem Bett positioniert und an der Wand hingen mehr Zeichnungen von Jace. Es waren unterschiedliche Werke; Asuna, die Jace Mutter, das Haus und auch einige Tiere von draußen. Doch was Alieyna am öftesten fand war: der Baum, den sie schon einmal von ihm gezeichnet sah, in sehr vielen verschiedenen Variationen standen sie in der wilden Einsamkeit.
Sieh es dir an. flüsterte Asunas Stimme in Alieynas Ohr. Alieyna drehte den Kopf und beugte sich über Jace Zeichnung. Es war der selbe Baum. Nur… irgendwie anders… Die Blätter sahen nicht mehr gesund aus und die Blüten waren irgendwie verkrüppelt. Trotzdem war es immer noch ein echtes Kunstwerk. ich wollte ihm helfen, wollte ich wirklich, doch er wollte sich mir einfach nicht öffnen…
Asuna war interessiert aufgestanden und wollte sich Jace Zeichnung ansehen. Doch der Junge drehte das Blatt um und lächelte Asuna an. Sie sprachen miteinander, doch Alieyna konnte sie nicht hören. Die Szene wechselte wieder und die dreiköpfige Familie saß einmal mehr an dem Mittagstisch und aß.
Jace saß neben seinem Essen, das kaum angerührt war und zeichnete, Asuna aß fleißig an ihrem Essen und die Mutter beobachtete die beiden. Als sie eine Weile zugesehen hatte wie Jace auf seinem Papier herum kritzelte. Doch auf einmal riss sie das Papier an sich, zerknüllte es und warf es in einen Papierkorb neben sich. Alieynas Mund klappte auf als die Mutter anfing auf Jace einzureden:
„Jace, hör endlich auf damit! Du bist ein Zauberer und kein alberner Künstler, aus dir wird wohl nie so etwas werden wie aus deiner Schwester!“ schimpfte sie.
ich hätte es früher ahnen müssen, dass es ihn verschlang, was auch Immer es war. Doch an einem Tag, dem 13. Oktober sollte ich erfahren, dass… es meine Schuld war.
Alieyna zuckte zusammen, wie konnte dieser Fall Asunas Schuld sein?! Die Szene wechselte sich wieder und Alieyna konnte Asuna beobachten wie sie die Treppen des Hauses nach oben wanderte und in das Zimmer spazierte. Als sie sich nach links drehte, vermutlich um zu sehen ob Jace gerade da war. Doch als Alieyna sah wie Asuna zusammenzuckte und anfing zu schreien stürmte sie an der Hexe vorbei in das kleine Zimmer. Was sie dort fand jagte Alieyna Schauder für Schauder den Rücken hinunter;
An der Wand hingen immer noch Bilder von Jace, doch die die fröhlich und angenehm schienen waren mit schwarzer Kohle durchgestrichen und die die nicht durchgestrichen waren, schienen dunkel und verzweifelt. Asuna ging langsam Schritt für schritt auf Jace Schreibtisch zu und Alieyna folgte ihr. Noch bevor sie das Motiv von Jace sehen konnte wusste sie, dass der Anblick schrecklich werden würde. Asuna hörte auf zu Weinen und nun war nur noch ein schreck verzerrtes Wimmern zu hören. Es war der selbe Baum… Er stand an der Stelle… Die gleichen Zweige… die gleiche Rinde nur… ein Seil… Eine Schlinge!
Asuna ließ die Bücher die sie in ihren Armen gehalten hatte auf der Stelle fallen und rannte aus dem Haus. Alieyna wollte ihr nachlaufen, doch die Szene wechselte schon und Alieyna fand sich in einem Wald wieder, es war schon Herbst und die Blätter fingen an zu fallen. Als Alieyna über den Boden spazierte und sich umsah war das Knacken der getrockneten Blätter unter ihren Füßen fast das einzige Geräusch.
Als Alieyna anfing sich zu wundern warum sie jetzt hier mitten im Wald stand, hörte sie einen Ruf; Asuna! Alieyna fing an zu laufen, lief auf die Stimme die so verzweifelt nach ihrem Bruder suchte. Schließlich fand sie Asuna wie auf dem Boden kniend und in sich zusammengesunken vor einem riesigen Baum saß.
Alieyna musste den Baum nicht lange beobachten um zu verstehen, dass es der Baum war den Jace immer aufs Papier gebracht hatte. Knorrige Äste und eine fast pechschwarze Rinde. Man musste zugeben, dass der Baum ziemlich aus dem tiefen Herbstwald herausstach. Alieyna trat an Asunas Seite und wollte sie trösten, ihre Hand wanderte zu Asunas Schulter und wollte sie streicheln, was immer das Problem war, Alieyna musste der jungen Hexe dringend helfen!
Doch die Hand fand keinen Halt. Sie wischte durch Asunas Körper hindurch wie ein Messer durch Butter. Also zog sie langsam die ausgestreckte Hand zurück und betrachtete den Baum eingehender. Die wimmernde Asuna war eindeutig von etwas an dem Baum zu Grunde gegangen.
Alieyna schaute und schaute, Zweig für Zweig kontrollierte sie den Baum auf sein dunkles Geheimnis, dann fand sie etwas. Eine Gestalt… Ein Junge? Blondes Haar… Jace! Er stand auf einem der Zweige und blickte hinunter auf Asuna. Um seinen Hals war etwas gewickelt das von Fern aussah wie eine Schlange. Alieyna riss die Augen auf und hielt sich eine Hand vor den Mund.
„Warum?“ schrie Asuna zu dem Jungen nach oben, „was hättest du für einen Grund?!“
Jace sah sie wie versteinert an, „ein Leben ohne Liebe ist nicht lebenswert…“
„Aber ich liebe dich… und Mutter tut das auch!“ widersprach Asuna.
Der Junge fing an leise zu Kichern, kein wirklich echtes Lachen, „sie hat mich nie geliebt… und du… warst immer mit deinen Erfolgen beschäftigt.“
„Das ist doch gar nicht wahr! Mutter hat uns beide geliebt und das weißt du!“
„Schwachsinn!“ unterbrach sie Jace, in seinen Augen lag nichts als Zorn, „sie hat dich immer bevorzugt, dir alles gegeben und dich immer geliebt.“ er wurde wieder leiser, „ich war für sie nur Ballast…“
„das stimmt nicht!“ die eisigen Tränen der Verzweiflung liefen an Asunas roten Wangen in Strömen entlang, „komm runter, dann können wir alles klären. Mutter wird dich Zuhause in ihre Arme schließen und wir sind weiter die glückliche Familie die wir sein müssten!“
„Ich werde nicht gehen, ich schäme mich dafür dein Bruder zu sein. Es tut weh, du hast dich nie um mich gekümmert!“ der Zorn in seinen Augen flammte noch stärker auf als zuvor, „hättest du dich mehr um mich gekümmert, hätte ich vielleicht nie damit angefangen so über mein Leben zu denken…“
Alieyna riss den Mund auf, das konnte doch unmöglich sein ernst sein! Asuna hatte doch versucht ihm zu helfen oder nicht?! Es war ein Trick! Er versuchte doch nicht etwa… sie wütend zu machen, oder?
Das war auch der Grund warum Vater IHN und nicht MICH als Seelenwächter auserwählt hatte, der Schmerz den er mit sich rumtrug machte ihn stark und emotionslos.
„Bitte! Komm runter!“ rief Asuna, nun etwas leiser.
„Und Mutter“, höhnte Jace weiter, „sie hat keine Ahnung von echtem Talent, mich hat sie nie anerkannt, aber dich, eine kleine Möchtegernhexe, verehrt sie ja so abgöttisch!“
„Ich bin keine Möchtegernhexe!“ flüsterte Asuna, „ich bin stark.“
„Rede es dir nur weiter ein, aber tief in deinem Inneren weißt du es“, er spuckte vor Asunas Knie, „du… bist… SCHWACH!“
„NEIN!“ schrie Asuna und fuchtelte mit einem Arm durch die Luft und Jace lachte, doch plötzlich wurde er von etwas gestoßen, einer Windböe vermutlich und fiel. Er fiel, das Seil immer noch um den Hals, Asuna schrie. Sie schrie wie Alieyna niemanden zuvor schreien gehört hatte. Und dann…
wurde alles weiß.
Alieyna stand wieder in dem Raum in dem zuvor die vielen Türen gewesen waren. Vor ihr stand Asuna. Sie schaute sie mit verweinten Augen an, „damals ist nicht nur er gestorben… sondern auch ich. Ich bin schuld an allem. Meine Zauberkraft war es gewesen, die ihn vom Baum gestoßen hatte. Ich war so voller Wut und… Enttäuschung, dass Jace schon aufgegeben hatte, dass meine Kraft mich überwältigt hatte und ich… ich… Es ist ein Fehler den ich mir nie wieder verzeihen kann.“
Alieyna wollte ihr widersprechen, doch ihr Hals war zugeschnürt, ihr war klar, dass sie jetzt besser nichts sagen würde.
Asuna verschwand und Alieyna tauchte zurück in die alte und reale Welt. Die Welt, die Asuna eigentlich solchen Schmerz zugefügt hatte und sie gebrochen hatte…
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Die neue Welt ist das erste von mehreren Büchern in dieser wundersamen Welt. Die anderen Bücher werde ich erst schreiben wenn ich fertig mit diesem bin. xD Aber man sollte sich nicht verirren und alles klar erkennen können.