Ella Feder
Ein Spürhund
wittert jede
Leich’
Urlaubskrimi
Lektorat: Ataxis Literatur
Coverdesign: bookcoverdesign.at
Bildmaterial: Adobe Stock
ISBN:
© 2021 Michaela Feitsch /Ella Feder
Zweite neu überarb. Auflage, Erstausgabe erschienen
unter dem Titel „Das Hundekomplott“ von Michaela Feitsch
Ein Spürhund wittert jede Leich’
Ella Feder
Österreichisch - Deutsch
A
Abstrudeln: sich abmühen
altfadrisch: altbacken, langweilig
Auszucker: Geschrei, die Nerven wegwerfen, Wutanfall
Abstrudeln: abkämpfen, abmühen, sich beeilen
Angekrixelt: angemalt, mit Stiften beschmiert
ansudern: raunzen, sich beklagen
Aufpudeln: echauffieren
Aufführen: sich küssen und fummeln, sich unpassend benehmen
Aschenbecher: dicke Brillengläser
B
Beisammen sein: ein nettes Miteinander, ein Paar sein
Börserl: Geldtasche
Bussi: Küsschen, Kuss auf die Wange
Blutzer: Kopf
C
dauernd: ständig, durchgehend
D
deppat: blöd
Dillo: Idiot
Damenspitzerl: leicht angetrunken sein
Dackeln: hinterher trotten, leicht gebückt gehen
F
fesch: gutaussehend, hübsch
feult: stinkt, riecht schlecht
Funsen, die: eine kleines Licht, blöde Kuh
Flötzt: es sich auf einem Untergrund bequem machen,
Faschierte Laibchen: Frikadellen
Fleckerl: ein netter Ort
futsch: weg, verschwunden
G
Gackerl: Hundehaufen
Gescheit: gescheit nerven: ordentlich, stark, extrem, oder gescheit - klug
Gnack: Genick
Geschirr einschlichten: Den Geschirrspüler einräumen
Gscheidling: Intelligenzler, sarkastischer Ausspruch für eine minder intelligente Person
gescheit: ordentlich, intelligent
Gesuder: raunzen, sich beklagen
Gach: schnell, kurzweilig, spontan, knapp
Gfries: verzogenes Gesicht
Grad: gerade, aktuell, zeitnah
Gassigehen: Mit dem Hund spazieren gehen
Gehsteig: Trottoire
Gelse: Stechmücke
Gelsendippel: geschwollener Müchenstich
Gurken/herumgurken: durch die Gegend fahren
Gach: schnell
H
Herrli: Herrchen, Hundebesitzer
Hauferl: Hundekot
Haglich: empfindlich
Herzpickerl - Flyer: Aktionssticker
Habern: essen
Heimdrehen: jemanden umbringen
Herst/heast: hörst du!
Heurigen/Heuriger: Buschenschank, österr. Gasthaus
Hundstrümmerl: Hundehaufen
Habschi: Freund
Hintergestell: Hinterteil, Po
hüpfen: springen
Hocken: sitzen
Habt Acht : stramme militärische Haltung
Hosenscheißer: Angsthase
J
Jö-Karte: Rabattkarte
K
Kacken: scheißen, Kot absetzen, großes Geschäft erledigen
Köter: Hund
Kiwara: Kriminalbeamter, Polizist
Kraxen: altes/kaputtes Auto
keppeln: meckern, sich beschweren
kreulen: kriechen
Klumpert: nutzlose Dinge, unwichtige Gegenstände
Kipferl: österr. Gebäck, Bezeichnung für eine sich unpassend benehmende Person
Kluppensackerl: Beutel für Wäscheklammern
Krautschädel: Deutscher
kredenzen: auftischen, servieren
Knopf: Verschluss an einem Kleidungsstück, einen Knoten machen
Komot: super
L
Letschert: ausgezehrt, weich, ohne Festigkeit, labbrig
leiwand: super
Laibchen: Klops, Frikadelle
Lacke: Pfütze
M
Marmeladinger: österr. Bezeichnung für Norddeutsche
Mitteilungsheft: Eintragungsheft in der Schule
Mauserl: Kosename für einen geliebten Menschen
Mundgulasch: Mundgeruch, schlechter Atem
Mistkübelstürdler: Obdachloser, Eine Person, die im Hausrat anderer wühlt
N
nackert: nackt, ohne Kleidung am Leib
Nackerpatzl: Nackedei, nackter Mensch, ahnungsloser, dummer Mensch
O / Ö
Ös: Bezeichnung für Rabattpunkte im Supermarkt
org: arg, heftig
Oarsch: Hintern, Beleidigung
Oida: Alter
P
Pappen: Mund
Papperlatur: Mundwerk
Pickerln: Sticker
Papierdel: Dokument, Papier
Pudel, die: Bar, Theke
Piefke: Deutscher
Piefkinesisch: deutscher Dialekt
pumpern: klopfen
Pfriemeln: etwas hervorkramen
Picken bleiben: festkleben, an Ort und Stelle bleiben
Pfiff: 0,2 Liter Bier
Popsch: Hinterteil, Po
Preschen: sich mit hoher Geschwindigkeit nähern
Paradeiser: Tomate
Plaudern: gemütlich-belangloses tratschen, sich über Nichtigkeiten unterhalten
R
reinsagen: jemandem die Meinung geigen/sagen
Rausschauen: aus dem Fenster schauen, kein Ergebnis sehen
Raunzen: ähnlich wie sudern, sich beschweren, ständig an allem meckern
rutschtig: glatt
reinsteigen: in Etwas treten
S
Sackerl: Tüte
Schas: Furz, Scheiß
Semmerln: Wecken, Brötchen
Sternderl: Sternchen, kleiner Stern, Stern-Sticker
Stückerl: Ein Stück, ein Teil
Sturschädel: Sturkopf, Dickkopf
Streithanseln: streitsüchtige Personen
stinkert: schlecht/übel riechend, alt
Schiefer: eingezogener Splitter
Strawanzen: flanieren
Scheibtruhe: Schubkarre
sudern: raunzen, sich beklagen
Schmafu: Blödsinn, Unwahrheiten, erfundene Geschichte
Schmatzen: essen genießen
schnackseln: miteinander schlafen
Sekkieren: ärgern
Schlapfen: Hausschuhe
Schwammerl: Pilze
Schwindlicher: ein verwirrter Mensch
Spechteln: heimlich beobachten
schauen: sehen, gucken
schirch: hässlich
Schlecker: Zunge, Lollipop
Scherzerl: nicht lustiger Witz, Endstück vom Brot
Stoppel: Flaschenverschluss, kleines Kind
Stinkefinger: erhobener Mittelfinger
T
Trafik: Geschäft das mit Tabakerzeugnissen und Zeitschriften handelt
Trümmerl: Hundehaufen
Trottel: Idiot
U
Ungustl: unangenehmer Zeitgenosse
umherwuselnd: unruhig, chaotisch umherwirrend
V
Vaserl: ängstlicher Mensch
Verkreulen: sich verstecken, verkiechen
Viech: Vieh, Tier
Verzupfen: sich auf den Weg machen, verschwinden
verschandeln: etwas Ansehnliches entstellen
verhauen: verbocken, nicht geschafft, in den Sand gesetzt
W
Wolkerl: kleine Wolke
Watschen: Schlag mit der flachen Hand auf die Wange
Wappler: dummer, unguter Mensch
Wadelbeißer: meist kleiner Hund in Höhe der Waden
Wurscht: Aufschnitt, es ist einem egal
Wacheln: wedeln, fächeln
Z
zanken: streiten
zam: zusammen sein, zusammen halten, den Mund halten
Zechen: die Zehen
zaus: zuhause
Österreichische Redewendungen
„Geh bitte, Mama“
Der Ausdruck „Na geh’ bitte!“ ist fester Bestandteil der österreichischen Umgangssprache und kann von Verärgerung auf der einen bis zum Bedauern auf der anderen Seite reichen.
„Das geht sich (nicht) aus“
Der Österreicher bekommt etwas aufgrund mangelnder Ressourcen, wie Zeit, Energie, Lust, weil irgendetwas fehlt z.B. finanzielle Mittel, mit mehr fertig.
„Es geht sich aus“ beziehungsweise „Es geht sich nicht aus“ bedeutet also, dass etwas funktioniert beziehungsweise nicht funktioniert. Im Bundesdeutschen würde man hierfür vergleichsweise die Wendungen „Das haut hin“ oder „Das klappt/passt“ verwenden.
„Jetzt zuckt er gleich aus“
Wer in Österreich auszuckt, der verliert die Beherrschung. Gleichzusetzen mit ausflippen, ausrasten oder durchdrehen. Österreicher zucken zum Beispiel beim Autofahren aus, oder wenn ihnen etwas auch nach wiederholtem Versuchen nicht recht gelingen will. Es wird meist wild gestikuliert, mit Gegenständen geworfen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem „Auszucker“ stehen, oder z.B. beim Autofahren gegen das Lenkrad geschlagen, sowie lauthals geflucht.
„Mit der Kirche ums Kreuz fahren“
Wer mir der Kirche ums Kreuz fährt, der nimmt einen Umweg, begibt sich auf einen längeren Weg, oder findet den direkten Weg nicht, ohne es zu wissen. Die Kirche kann umgangssprachlich in diversen Teilen Österreichs aber auch ums Dorf getragen werden. Der Österreicher betitelt mit dieser Redewendung unnötige Umwege, oder wenn eine Sache kompliziert in Angriff genommen wurde.
„Das geht mir auf die Socken“
Ist man nervlich angespannt, dann kann einem ziemlich alles auf die Socken gehen und da Fass zum Überlaufen bringen. Wenn dem Österreicher etwas auf die Socken geht, dann strapaziert es seine Nerven. Meist handelt es sich dabei um unerwartete, subjektiv als überflüssig empfundene Aufgaben, die ihn zeitlich von einer für ihn angenehmeren Tätigkeit abhalten.
„Ihm geht der Reiß/Reis“ und „Den reißt’s wie ein Kluppensackerl“
Dieses Sprichwort bezieht sich auf das Reißen, bzw. Zittern in von Angst erfüllten Situationen. Den Österreicher reißt es salopp gesagt vor Angst.
„Das machst du mir zu Fleiß“
Will man in Österreich jemanden absichtlich ärgern, ihm Umstände bereiten oder ihn in etwas hineinreiten, dann macht man ihm etwas zu Fleiß. Es handelt sich meist um ein böswilliges Handeln, das dem Anderen bewusst Schaden soll.
„Sie steigen einem auf die Zehen“
Diese Redewendung ist in Österreich weit verbreitet und meint je nach Zusammenhang unterschiedliche Dinge, steht jedoch immer in Zusammenhang damit, seinem Gegenüber zu nahe zu kommen und in dessen persönlichen Bereich einzudringen.
Tritt man jemandem auf die Zehen, so kann man dies mit voller Absicht oder unabsichtlich tun.
„Entschuldige, ich wollt’ dir nicht auf die Zehen steigen“, beschreibt eine ungewollte, unabsichtliche Handlung, für die sich der Täter entschuldigt, weil er dem Anderen z.B. mit einer unbedachten Aussage nicht zu nahe treten wollte.
Ebenso steigen einem andere förmlich auf die Zehen, wenn im näheren Umfeld Platzmangel herrscht, sich zu viele Menschen über die empfohlene Anzahl hinaus in einem Raum drängen (z.B. in einem Aufzug.)
„Wir haben`s gnädig“
Der Österreicher hat es gnädig, wenn die Zeit drängt. Er hat anderes zu tun und hat es eilig, sprich, er steht unter zeitlicher Not.
„Musst mir das auf´s Auge drücken?“
Fragt der Österreicher, wenn ihm eine unangenehme Last zuteil wird. Sei es ein Geheimnis, das er nun schultern muss, oder eine unliebsame Tätigkeit, die einem der Chef, die Mutter, oder der Bruder zuteilt. Bekommt man etwas auf’s Auge gedrückt, geschieht dies meist unerwartet und mit voller Wucht.
„Wie’st meinst.“
Sagt der Österreicher wenn er mit einem Vorschlag scheinbar einverstanden ist. Der Andere soll es machen wie er will, man selbst stört sich nicht daran, will aber auch nicht weiter damit behelligt werden. Der Ausspruch „Wie du meinst“ ist auch als Gesprächsabschluss zu verstehen, bestenfalls um einen Themenwechsel herbeizuführen. Die Aussage meint zusammengefasst: Tu was du für richtig hältst, ich sehe es anders, oder es interessiert mich nicht genug, um mich weiter damit zu befassen. Meist geht die Aussage mit einem Schulterzucken oder Wegdrehen des Gesprächspartners einher.
„Der Lilo? Na klar kommt der mit“, sagt Sebastian und tätschelt seinem Hund den Kopf.
Der Mischling sitzt direkt vor seinem Stuhl und hechelt. Sein Herrchen reicht ihm unauffällig ein Stückerl vom Schweinsbraten unter den Esstisch.
„Und das wollt’s euch wirklich antun?“, fragt Sebastians Mutter. „Mit Hund in den Urlaub? Also ich weiß nicht, ob ihr euch da nicht übernehmts, Basti. So lang bist’ mit der Olivia dann auch wieder nicht beisammen, dass ihr so einen langen Urlaub mit Hund schaffts.“
„Mama, geh bitte“, erwidert Sebastian, davon genervt, dass seine Mutter ihn immer noch Basti nennt, obwohl er schon sechsundzwanzig ist. Schön langsam viel zu alt für diesen Babyspitznamen.
Eigentlich ist er generell von der Namenwahl seiner Eltern nicht sonderlich begeistert. Sebastian hört sich fix nach einem kleinen Kind an, aber doch nicht nach einem erwachsenen Mann. Es gibt Namen, die nur Kinder haben sollten. Das hat er erst neulich mit seiner Freundin Olli diskutiert. Zum Beispiel ein Benjamin. Die Niedlichkeitsform ist Benny, das macht es um kein bisserl besser. Oder ein Tobias, den dann alle Welt Tobi nennt … Mehr braucht man dazu nicht sagen, oder? Die nimmt im Leben doch keiner ernst, weil man sich immer einen kleinen Buben vorstellt, sobald man den Rufnamen hört. Ein Gernot, ein Viktor oder ein Rudolf dagegen, das sind Namen mit Potenzial, die haben es im Leben sicher viel einfacher. Auch leichter als ein Sebastian.
„Erstens, die Olli und ich gehen schon seit über fünf Monaten miteinander und zweitens fahren wir eh nicht allein. Ihre beste Freundin, die Lena, und der ihr Freund kommen mit. Wir können uns eh beim Gassigehen abwechseln. Du tust ja so als wären wir zu deppat zum Herumspazieren.“
„Das ist die Deutsche, gell? Also, die Lena. Die ist eh ganz nett, aber richtig kennen tu ich die halt nicht. Und der Lilo braucht schon Leute, denen er vertrauen kann.“ Seine Mutter kratzt sich an ihrem Doppelkinn. „Weißt was, du kannst den Lilo auch bei mir lassen, wenn’s dir zu viel Aufwand ist, gell?“
„Geh bitte, Mama“, stöhnt Sebastian, „wir sind keine kleinen Babys, die du rund um die Uhr verhätscheln und füttern musst. Verstehst?“
Jetzt schaut die Frau Staller den Lilo traurig an.
„Es wär aber schon nett, wenn der Kleine bei mir bleibt. Weißt eh, wegen der Scheidung … ich fühl mich schon manchmal allein in dem großen Haus. Und du bist ja ausgezogen.“
Jetzt fängt das wieder an. Ständig hält sie ihm vor, dass er vor einem Monat das Hotel Mama verlassen hat. Und das gerade jetzt, in dieser für sie so schweren Zeit, mitten in der Scheidung von seinem Vater, der übrigens den stolzen Namen Viktor trägt – Niedlichkeitsform Vickerl, was eher weniger stolz klingt, weshalb er ihm die Namenwahl für dessen Sohn nicht gar so sehr nachträgt.
Aber für den Sebastian ist das genau der richtige Moment gewesen, um endlich auszuziehen. Die Mitbewohnerin seiner Freundin Olli ist ausgewandert und da hat die Olli dringend einen neuen Mitbewohner gebraucht, sonst hätte sie sich die Wohnung nicht mehr leisten können. Und das wäre echt schade gewesen, weil sie doch so nah bei der Uni ist. Nur zwei U6-Stationen und dann noch ein paar mit der Straßenbahn entfernt.
Dass er immer noch studiert, passt seiner Mutter sowieso auch nicht. Aber was soll er machen? Es hat halt ein paar Semester gedauert, bis er gewusst hat, was ihn wirklich interessiert.
Sebastian hat bei der Olli sogar sein eigenes Zimmer, sollte es zwischen ihnen doch nicht mehr so gut passen. Dann könnten sie trotzdem zusammen wohnen bleiben. Aber bis jetzt schaut es so aus, als würde die Beziehung halten. Immerhin planen sie gerade ihren ersten gemeinsamen Urlaub, bevor die Uni wieder losgeht. Mit Sebastians Hund.
„Ich vermiss den Lilo eh schon genug, weil er bei dir wohnen geblieben ist. Jetzt lass mich doch wenigstens den Urlaub mit ihm verbringen. Das wird dem kleinen Stinker sicher gefallen. Er kann im Meer baden und am Strand herumlaufen, Löcher graben, reinscheißen …“
„Also, Basti. Wirklich. Solche Wörter will ich nicht in meinem Haus. Seit wann reden wir denn bitte so?“
Sebastian hebt entschuldigend die Hände.
„Ja, ja, ich weiß.“
In Wahrheit wollte er sie bewusst damit aufregen. Seine Mutter zählt zu der Kategorie Mensch, die hin und wieder gescheit geärgert gehört. Und Sebastian war im Mütter, Omas und generell im Alte-Frauen-Ärgern schon immer ein Weltmeister. Einmal hat sie ihm sogar eine kleine Trophäe aus Plastik geschenkt, auf der stand „Oskar für den schlimmsten Sohn“. Darauf war Sebastian total stolz. Er war ja damals auch erst zehn Jahre alt. Die kleine goldene Figur hat er sich bis zu seinem sechzehnten Geburtstag aufgehoben, danach hat er sie seinem Bruder weitervererbt, der den Titel als Jugendlicher sogar noch mehr verdient hat als Sebastian selbst.
„Dann nimm doch zumindest den Stefan mit in den Urlaub.“
Kaum hat er an ihn gedacht, wird auch schon über den besseren Sohn geredet. Es war eh nur eine Frage der Zeit, bis sie seinen Bruder erwähnt.
Der Stefan hat sich in seinen Jugendjahren wie ein echter Haudrauf aufgeführt, aber punktgenau zu seinem zwanzigsten Geburtstag hat er sich wieder in den braven Vorzeigesohn verwandelt, der er als Kind immer schon gewesen war. Das liegt bestimmt an seinem Namen. Stefan. Den kann man nicht verschandeln, egal wie viel Mühe man sich gibt. Ein Stefan kann nur Erfolg haben im Leben. Den nimmt man ernst. Nicht so wie einen Tobias. Oder einen Sebastian.
„Wo ist denn der Stefan überhaupt?“
Sebastian versucht es mit einer ausweichenden Frage. Im Normalfall lässt sich seine Mutter auf diese Weise ganz gut vom eigentlichen Gesprächsthema abbringen. Nur nicht heute.
„Fällt dir aber eh früh auf, dass der Stefan noch nicht da ist. Der kommt heute erst später zum Essen. Er muss noch eurem Vater in der neuen Wohnung helfen. Aber siehst, der Stefan ist für jeden eine super Hilfe, der könnt dich eigentlich auch mit dem Hund im Urlaub unterstützen.“
„Wir fahren ja nur nach Italien an den Hausmeisterstrand. Mach deshalb nicht so ein Theater, wenn’s geht, ja? Du tust so, als wär der Stefan tausendmal verantwortungsvoller als ich.“
Seine Mutter faltet die Hände und stützt sich auf den altfadrischen Tisch aus Mahagoni.
„Na, weil’s auch so ist. Ihr seids gleich alt, Basti. Aber der Stefan hat im Gegensatz zu dir sein Studium schon längst abgeschlossen. Und im Gegensatz zu dir geht er auch brav arbeiten und liegt seinen Eltern nicht auf dem Börserl.“
„Dann bekommt er eh sicher nicht so kurzfristig frei.“
„Geh, red keinen Blödsinn. Er hat ja Gleitzeit oder wie das heißt. Da kann man sich immer freinehmen, wann man will.“
Jetzt war es zwar gerade seine Mutter, die Blödsinn redet, aber das würde er ihr nicht sagen. Es ist sinnlos, ihr eine Tatsache erklären zu wollen und ihr damit gleichzeitig mitzuteilen, dass sie falsch liegt. Nein, das geht gar nicht. Das hat Sebastian schon oft genug miterlebt.
Jedes Mal, wenn er ihr widerspricht, endet das in einer endlos langen Diskussion, in der sie seine Worte so oft verdreht, bis sie doch irgendwie recht hat. Oder sie rennt beleidigt aus dem Zimmer. Die zweite Möglichkeit ist eindeutig die sympathischere, wie solch eine Konfrontation enden kann. Aber Sebastian hat einfach keine Lust, es jetzt zu riskieren, dass heute doch Möglichkeit eins eintritt. Deshalb ignoriert er die Aussage seiner Mutter und schiebt sich ein Stück Braten in den Mund, bevor er doch noch etwas Unpassendes sagt. Hin und wieder kann er sich ja doch ganz gut zusammenreißen.
„Okay, okay. Ich werd ihn fragen, sobald er da ist.“
Im Hintergrund hört Sebastian das Knallen der Haustür.
„Da hast aber ein Glück, er kommt grad“, antwortet seine Mutter, die das Zufallen der Türe wohl auch gehört hat.
„Hallo, Mama.“
Stefan drückt seiner Mutter ein Bussi auf die Wange.
„Hallo, Weichei“, sagt Sebastian und Stefan sieht ihn böse von der Seite an. „Mein Bruderherz beehrt uns auch wieder mal zum Sonntagsessen?“
Lilo quetscht sich an Sebastian vorbei, schmeißt beinahe den Sessel um, springt Stefan freudig an, sein Speichel tropft auf Stefans Hose.
„Und den nervigen Köter habt’s auch wieder ins Esszimmer gelassen, obwohl er das nicht darf. Sehr schön.“ Stefan scheucht Lilo mit einer Hand von sich fort, aber der bespringt ihn gleich ein weiteres Mal.
„Wo hast denn die Olli lassen? Die hält mir das Viech immer so gut vom Hals.“
„Bis zu deinem Hals kommt er ja gar nicht, sonst wärst schon tot.“
„Ja, vor Freude hätt er mich zu Tode geschleckt, meinst. Das könnt schon sein. So gutmütig, wie der ist.“
„Sei froh, dass er kein Kampfhund ist, Stefan. Sonst würden die Begrüßungen ganz anders ausschauen.“
„Geh, ihr zwei. Müsst ihr euch immer zanken? Jetzt seid’s lieb zueinander und hört’s auf, ja? Zumindest am Sonntag könnt’s euch doch vertragen. Mir zuliebe.“
Es ist kaum zu glauben, dass Stefan sein Zwillingsbruder ist. Normalerweise, sagt man, hätten Zwillinge eine überaus tiefe Verbindung. Der eine könnte spüren, wenn es dem anderen schlecht geht. Aber das trifft auf Sebastian und Stefan gar nicht zu. Sie sind eher wie zwei völlig Fremde, die auf unterschiedlichen Kontinenten leben, ohne die geringste Spur von Empathie. Nicht einmal so eine dämliche Zwillingssprache haben sie sich als Kinder ausgedacht. Dermaßen wenig waren sie aneinander interessiert. Und das, obwohl sie sich schon immer verdammt ähnlich gesehen haben, trotz der Kleinigkeit, dass sie ja eigentlich zweieiige Zwillinge sind.
„Schon gut, Mama“, erwidert Stefan auf die Bitte seiner Mutter und setzt sich direkt neben Sebastian.
Kaum hat sich Stefan hingesetzt, spürt Sebastian einen Tritt unter dem Tisch. Sein Bruder hat ihm wirklich gefehlt. Stefan kann ihren Eltern ruhig den perfekten Sohn vorgaukeln, Sebastian weiß ganz genau, wie hinterlistig er in Wahrheit ist.
„So, Sebastian, jetzt, wo wir alle so nett zusammensitzen, kannst den Stefan ja ruhig fragen.“
„Was kannst mich fragen?“, kommt es sofort vom Stefan.
„Ob du im September eh keine Zeit hast.“
„Der Sebastian fährt in zwei Wochen mit der Olli und ein paar Freunden in den Urlaub. Und er wollt dich fragen, ob du mitkommen magst. Wegen dem Lilo und so.“
Und so. Seine Mutter versteht es wirklich, eine Botschaft so subtil wie möglich rüberzubringen.
„Aha, ich soll also den Hundesitter spielen, während ihr am Strand seids, oder wie?“
„Ich weiß nicht genau, was du machen sollst. Es war ja nicht meine Idee, dass du mitkommst. Ich will dich eh nicht dabeihaben.“
Sebastian verschränkt demonstrativ die Arme vor der Brust.
„Stefan, hilfst’ mir kurz in der Küche, das Geschirr abwaschen?“
„Sicher, Mama.“
Sebastian reicht Stefan seinen Teller.
„Normalerweise darf der Lilo ihn abschlecken, aber heut nicht, weil du mit Abwaschen dran bist.“
Stefan streckt Sebastian die Zunge entgegen, stapelt die schmutzigen Teller und verschwindet in der Küche.
Sebastian nutzt den Moment der Ruhe, um Olli anzurufen. Sie wolle sofort über Neuigkeiten informiert werden, hat sie gesagt, als er die Wohnung heute Morgen verlassen hat.
„Hallo, Sebi, schön, dass du dich auch endlich meldest.“
„Tschuldige, kennst eh meine Mutter. Die redet immer ewig.“
„Ja, ich weiß eh. Und? Was hat’s gesagt?“
„Sie will uns den Stefan aufs Aug drücken.“
„Was ist ihr denn da eingefallen? Warum soll bitte dein Bruder mit uns in den Urlaub fahren? Sie soll uns ja nur ihr Auto borgen. Hast sie überhaupt schon danach gefragt?“
„Ich bin noch nicht dazu gekommen, mach ich aber gleich.“
„Jetzt sei nicht so feig und frag’s. Die Lena und der Fritz haben auch kein Auto, das groß genug ist. Und wenn uns deine Mutter ihren Kombi nicht borgt, dann werden wir mit deinem Schuhkarton von Twingo schwer bis nach Bibione kommen, weil der fix vorher den Geist aufgibt. Geschweige denn, dass da alle Koffer reinpassen. Und dann auch noch dein Bruder, bestimmt nicht. Also, fragst sie jetzt, am besten sofort. Rufst mich noch mal an, wennst mit ihr geredet hast?“
„Ich komm dann eh bald nachhause. Wenn’s für dich passt, nehm ich den Lilo für die nächsten Tage auch gleich mit. Wir haben eh nix Großartiges vor, wobei er stört, oder?“
„Ja, bringst ihn halt mit, wennst unbedingt magst. Aber schau bitte, dass deine Mutter dem Lilo nicht wieder ein Rindfleisch zum Fressen gibt, sonst müssen wir wieder jede Stunde mit ihm raus, weil er das nicht verträgt. Und beeil dich, ja? Bis später!“
Und schon hat die Olli aufgelegt. Gerade rechtzeitig, denn seine Mutter und der Stefan wackeln im selben Moment zurück ins Esszimmer. Die Arme seiner Mutter sind mit drei vollen Tupper-Dosen beladen, die sie direkt vor Sebastian abstellt.
„Schau, das kannst mit nachhaus nehmen, braucht die Olli heut nix für euch kochen.“
Sebastian schaut seine Mutter entgeistert an. Er hat ihr sicher schon gefühlte hundert Mal erklärt, dass sie nichts von ihr zu essen haben wollen. Aber sie kann es einfach nicht lassen.
Die Olli wird sicher wieder fluchen, wenn er die Tupperware bei der Tür hereinschleppt. Und dann vergisst seine Mutter auch nur allzu gern und regelmäßig, dass seine Freundin ja gar kein Fleisch isst. Noch schlimmer, Olli versucht sich aktuell als Veganerin. Das kann im Urlaub sicher auch lustig werden, wenn sie ihren Spleen bis dahin nicht ablegt. Aber bei der Olli weiß man das nie so genau. Seit sie zusammen sind, hat sie schon viermal ihren Speiseplan komplett umgestellt. Von Paleo zu Schonkost, weiter zu vegetarisch und jetzt vegan. So gesehen kein Wunder, wenn man da nicht mehr durchblickt.
Deshalb sagt Sebastian nur: „Danke, Mama.“
„Wirst dich freuen, Basti! Der Stefan kann sich wirklich kurzfristig freinehmen.“
„Das ist jetzt aber nicht dein Ernst. Hast ihn in der Küche grad überredet?“
Seine Mutter schaut schuldbewusst, aber nur für eine Sekunde.
„Sei froh, dass dein Bruder Zeit mit dir verbringen will. Seit ihr beiden ausgezogen seid, seht’s ihr euch eh kaum noch.“
„Aha. Ja, eh ein schöner Gedanke. Aber das wird leider gar nicht gehen, weißt? Mein Auto ist viel zu klein, da werden wir unmöglich alle reinpassen.“
„Das ist euer kleinstes Problem, ich borg euch einfach meinen Kombi. Für eine Woche komm ich auch ohne zurecht. Fahr ich halt mit dem Rad einkaufen. Apropos, ich besorg euch noch Proviant für die Fahrt.“
Seine Mutter und Radfahren? Das passt ja wie die Faust aufs Aug, vor allem weil sich der Sattel unter ihrem Gewicht sicher zusammenfaltet. Aber gut, Sebastian sagt besser nix drauf. Zumindest muss er sie jetzt nicht mehr direkt nach dem Auto fragen. Das war ihm eh unangenehm.
Er presst die Lippen fest aufeinander. Die Olli wird richtig stolz auf ihn sein, dass er heute so vorbildlich die Papperlatur gehalten hat, weil er es sonst immer dank seinem Großmaul schafft, die Situation meist nur schlimmer anstatt besser zu machen. Aber heute hat er sich ein Sternderl im Mitteilungsheft verdient. Immerhin bekommen sie den Kombi.
Er tippt unter dem Tisch eine Nachricht an die Olli, damit sie sich mental auf die Neuigkeiten einstellen kann und sich vielleicht schon wieder etwas abreagiert hat, bis er zu Hause ankommt.
Auto ist gecheckt! Stefan haben wir aber fix am Gnack.
Mach mich jetzt am Heimweg.
Sie hat uns schon wieder ein Fleisch eingepackt …
das geb ma dann einfach dem Lilo,
kann er sie dann vollstinken,
wenn wir ihn wieder zu ihr zurückbringen. Hdl, bis gleich :-*
„Seid’s schon unterwegs?“, dringt Ollis Stimme an Sebastians Ohr, der wegen der geplanten Einkaufstour für den Urlaub schon wieder bei seiner Mutter antanzen muss.
„Nein, wir sitzen noch im Esszimmer.“
„Na geh, hat’s wieder zwei Kannen Kaffee gemacht? Und dazu füttert’s euch sicher mit irgendeinem viel zu süßen Kuchen, oder?“
„Jap“, sagt Sebastian und nickt seiner Mutter lächelnd zu, die gerade einen halb tiefgekühlten Erdbeerkuchen kredenzt.
„Da sind sicher urviele Eier drin, Sebi. Die kommen aus dem Ausland. Käfighaltung, sag ich nur. Den solltest nicht essen. Abgesehen davon, dass zu viel Eiweiß total ungesund ist.“
„Geh bitte, Olli. Das passt schon. Ich ess eh nur ein …“
„Denk an die armen Henderln, Sebi. Deine Mutter soll außerdem mit euch für die Fahrt einkaufen gehen, nicht euch mit tierischem Süßkram vollstopfen. Das war ja auch bitte genau so ausgemacht, oder? Ich mein, ich sitz da mit dem Lilo in der stickigen Wohnung fest und darf unsere Koffer packen, damit’s ihr in Ruhe Proviant kaufen gehen könnts.“
„Du schaffst das schon. Ich glaub an dich.“
Olli verabschiedet sich mit einem kurzen „Wie’st meinst“ und legt auf.
„Hast der Olivia eh schöne Grüße nach Wien gesagt, Basti?“
„Geh bitte, Mama. Wien ist dreißig Minuten entfernt. Tu nicht so, als wär ich jetzt völlig aus der Welt.“
Seine Mutter trägt ihm immer noch nach, dass er in ein anderes Bundesland gezogen ist. Eindeutig. Auch wenn es nur Wien ist, das gerade mal eine halbe Autostunde von Traiskirchen entfernt ist. Wobei, mit viel Verkehr kann es dann auch schon mal gut über eine Stunde dauern, bis er bei seiner Wohnung in der Währinger Straße ankommt.
Der Verkehr in Wien überfordert ihn ehrlich gesagt auch hin und wieder. Also, meistens. Es ist ein Wahnsinn, was die Wiener für einen Stress beim Autofahren haben. Wenn man nicht sofort losfährt, wenn die Ampel auf Grün hüpft, hupen sie einen gleich deppat an. Allein, wenn er schon an die Ampeln denkt. Wie viele von denen die Siebzehner entlang aufgefädelt hängen. Und wie lang man am Ring steht, bis was weitergeht. Als hätten die Wiener noch nie was von Kreisverkehren gehört … Einfach nur mühsam, das ganze Unterfangen.
Deshalb fährt Sebastian auch nicht gern mit seinem uralten Twingo nach Traiskirchen raus, ins eigentlich noch halbwegs städtische Niederösterreich. Weil nach Wien zurückfahren ist sowieso immer die Hölle. Da herrscht auf der Autobahn ein richtiger Krieg. Raser und Schnecken, die sich gegenseitig am Zeiger gehen, bis sie einen Unfall bauen und dann der gesamte Heimreiseverkehr auf der A2 im Stau steht. Voll super, vor allem im Sommer, wenn dir die Sonne durchs Autodach auf die Birne knallt. Ein echter Schwitzmarathon. Abgesehen jetzt von den Temperaturen, sondern auch, weil die Fahrer allesamt so einen Dreck zusammen gurken, dass man am liebsten seinen Führerschein wegschmeißen will.
Wenn seine Mutter noch länger herumtrödelt, hat er Pech und landet beim Nach-Hause-Fahren wieder genau in diesem herrlich mühsamen Berufsverkehr. Das ist der beste Grund, um nicht mit dem Auto zu seinem Elternhaus fahren zu wollen. Aber heute hat er es tun müssen. Mit dem Proviant den sie vorhaben einzukaufen würde er sich in den Öffis nur zum Trottel schleppen. Allein schon die dauernde Umsteigerei … von der Badner Bahn in den Zug, vom Zug in die U-Bahn und dann auch noch eine Station mit der Straßenbahn.
Tja, alle reden sie von der Erweiterung des Öffinetzes, aber keine Regierung will’s bezahlen. Da sollen sich die hohen Tiere nicht wundern, wenn erst wieder alle mit dem Auto fahren. So wie der Sebastian, falls seine Familie es heute noch schaffen sollte, zum Billa Proviant kaufen zu gehen.
„Nicht, dass du denkst, du wärst jetzt was Besseres, und auf deine Mama vergisst, Basti.“
Das war wieder typisch seine Mutter. Viel Raunzerei wegen nix. Nur weil sie ihr Leben lang nicht aus Traiskirchen rausgekommen ist und keine Ahnung vom Stadtleben hat. Weiß der Teufel, was die sich unter einem waschechten Wiener vorstellt.
Na ja, eigentlich ahnt man das eh, wenn man beobachtet, wie sie mit der Olli manchmal umgeht. Da liegen schon ganze Welten dazwischen.
„Gehn wir jetzt zum Billa, oder wie?“, beendet Stefan die Diskussion.
Ein Themenwechsel. Endlich.
„Wisst’s was, ich geb euch meine Bonuskarte und ihr gehts alleine einkaufen. Was sagt’s dazu? Habt’s ihr Brüder ein bisserl Gelegenheit zum Plaudern. Ihr redets eh so wenig miteinander. Und außerdem ist mir eh viel zu heiß. Ich bleib lieber zuhaus. Und jetzt fangt dann auch gleich die Karlich Show an. Das Thema heute sind geschiedene Eheleute, die wieder zusammengefunden haben. Das darf ich nicht verpassen. Das versteht’s eh, gell?“
„Nicht dein Ernst, oder? Dann hättest mir das Geld aber auch gleich überweisen können und ich hätt mir den Weg her gespart, wennst jetzt eh nicht mitgehst. Weil in Wien gibt’s auch einen Billa, weißt?“
Sebastian kann es nicht glauben.
„Aber da kommen wir mit der Billa-Karte nicht mehr besonders weit“, wirft Stefan ein und beendet auch gleich den Hickhack.
„Wieso? Ich hab sogar noch einen Rabattsammler übrig. Das brauchst nur an der Kassa sagen.“
„Na, weilst jetzt die Ös brauchst. Hast das nicht mitkriegt? War eh überall in den Medien. Da gehst einfach zur Kassa und lasst dir eine Jö-Karte geben.“
„Geh bitte, Mama“, stöhnt Sebastian. „Da hast eh den ganzen Tag Dauerbeschallung vom ORF und kennst das neue Rabattsystem in ganz Österreich nicht? Ihre Majestät beherrschen dieses Spiel geradezu majestätisch. Klingelt da was bei dir? Oder glaubst, in den ganzen Werbespots mit dem Kaiser gehts um lauwarme Semmerln?“
„Ah so, na, dem Kaiser hör ich nicht zu, der redet immer so viel.“
„Na, der redet von besagten Ös, Mama.“
„Aber was soll denn das jetzt bitte wieder sein? Ös? Ich mein, das ist ja nicht einmal ein richtiges Wort. Ein Ö. Höchstens ein Buchstabe. Und nicht einmal ein besonders schöner. Aber gut … Na, dann gehts halt zum Merkur.“
„Der ist jetzt der Billa Plus und hat auch die Ös. Also, in Wahrheit kannst deine ganzen Treuekarten wegschmeißen.“
„Außer zum Beispiel der Müller oder die ganzen Diskonter, die machen bei dem ganzen Schas nicht mit“, ergänzt Stefan.
„Na, mir wird das mit den ganzen Sonderrabatten und Bonusprogrammen eh schon viel zu viel. Ich mein, ich bin ja nicht mehr die Jüngste. Was soll ich bitte noch alles wissen? Ich frag mich ja schon, was die Geschäfte immer wollen mit ihren unübersichtlichen Aktionen. Früher bist einfach einkaufen gegangen, wennst eine Milch gebraucht hast. Aber heute musst Preise vergleichen, Pickerln sammeln oder irgendeine Monatsaktion abwarten“, jammert sie. „Geh, seid’s lieb, Buben. Könnt’s ihr so eine Karte für mich holen, wenn’s schon beim Billa seid’s?“
„Geh bitte, Mama. Muss das sein?“
„Mir ist das wirklich alles schon zu viel.“ Sie bedeckt ihre Augen mit den Händen. Ein weiteres Stöhnen. „Geh, wisst’s was?“ Sie schaut ihre Söhne abwechselnd an. „Dann gehts halt einfach zum Hofer.“
„Ach, Menno … Kannste Frau Staller ausrichten, den Wagen hätte sie wohl noch auf Vordermann bringen können, ne? Ordnung muss sein“, meckert Lena, Ollis beste Freundin, die den Rücksitz des Kombis mit gerümpfter Nase inspiziert.
Sebastian verdreht die Augen. Das Gemecker von der Lena ist wieder mal unerträglich. Aber was soll er machen? Die zwei Mädels sind leider ganz deppat aufeinander, seit sie gemeinsam die allererste Prüfung der Einführungsveranstaltung Psychologie verhaut haben.
„Sei bitte nicht so haglich, Schatzi“, antwortet Fritz, Lenas Freund, der das Gepäck in den riesigen Kofferraum wuchtet. „Bei uns zuhaus schaut’s viel schlimmer aus.“
Sebastian verkneift sich ein Lachen und eine blöde Meldung, weil die Olli ihn warnend von der Seite anschaut.
„Wir nehmen ja eh den stinkenden Flohteppich mit, da hätt sich’s gar nicht ausgezahlt, vorher alles gescheit zu putzen“, antwortet Stefan, der an die Hauswand gelehnt den anderen beim Arbeiten zuschaut.
„Kannst ruhig auch was helfen, Stefan.“ Sebastian kniet vor dem linken Vorderreifen, um den Luftdruck zu prüfen. „Deinen Koffer kannst zumindest selber einräumen.“
„Wozu? Ihr macht’s das eh so gut. Ich soll nur auf den Hund aufpassen … und das mach ich, wie’st siehst.“
Stefan gähnt und zieht bestätigend an Lilos Leine, der daraufhin den Kopf hebt und hechelt. Sebastian lässt sich vor dem nächsten Reifen auf den Boden sinken.
„Stefan, jetzt sei bitte nicht so ungut, wenn möglich. Wir wollen’s doch g’schmeidig haben im Urlaub.“
„Ja, hast eh recht. Aber schwer schleppen steht nicht im Vertrag.“
„Sebi, lass’ gut sein“, wirft Fritz ein, der Stefans Koffer bereits hinter sich herzieht, „ich mach das schon.“
Es war eine ausgezeichnete Idee von Sebastian, sich beim Haus seiner Mutter zu treffen. Hier können sie zwar die Autos problemlos eine Woche bedenkenlos stehen lassen und es ist für alle einfacher, in den Kombi umzusteigen, aber die Anwesenheit seiner Mutter hat er bei seinem tollen Plan leider nicht einkalkuliert. Denn die schaut ihnen vom Fenster ihres Fernsehzimmers aus zu und brüllt Anweisungen, wie sie den Kofferraum in Tetris-Manier beladen sollen.
„Immerhin habt’s ihr von fünf Leuten Gepäck und die Sachen vom Lilo brauchen auch noch Platz“, hat sie dem Sebastian erklärt, als er vorhin gemeint hat, sie solle doch bitte damit aufhören.
„Tust den kleinen roten Koffer weiter nach rechts, dann passt dem Lilo sein Körbchen daneben auch noch rein!“, schreit sie die nächste Anweisung, die Fritz umgehend in die Tat umsetzt.
Sebastian schleicht zum nächsten Reifen.
„Ich seh’ ja, dass du nur so tust, als würdest den Druck überprüfen. Machst immerhin schon die zweite Runde um’s Auto“, murmelt Olli
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Michaela Feitsch
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Lektorat: kooky.rooster@gmail.com
Korrektorat: Ataxis Literatur
Satz: kooky.rooster@gmail.com
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2021
ISBN: 978-3-7487-9316-8
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