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Kapitel 1

Ich gehe die Stufen hoch wie die Schulleiterin es mir gesagt hat, dann rechts...Ahh, da ist es ja, Zimmer 166. Ich muss wohl oder übel das Zimmer mit Nils teilen müssen, der Junge wegen dem ich überhaupt hier bin. Als ich die Tür öffne, schlägt mir das totale Chaos entgegen, schon lange schmutzige Klamotten liegen überall herum, Bücher, Blätter, sogar Essen gammelt hier fröhlich vor sich hin. Mir wird übel bei dem Anblick. Tja, jetzt weiss ich was ich Morgen zu tun habe, Aufräumen. Ich mache es zwar nicht gerne, aber Chaos mag ich noch weniger. Nils liegt bereits in seinem Bett und schläft tief und fest, kein Wunder, ist ja auch schon spät. Ich lege mich mit den Kleidern ins freie Bett über ihm, zum auspacken und Pyjama zu suchen bin ich einfach zu fertig. Ich schlafe sofort ein und träume von dem Himmel, von meinem Vater, von „Gott“ und von... Luzifer. Ich träume von dem enttäuschen Blick meines Vaters, als er erfahren hat, dass ich nur ein Begleiter bin, als er merkt dass ich nie mehr werden würde als das. Selbst als Sohn des ersten Erzengels Gabriels.Ich denke daran wie alles angefangen hat, als Gott, damals noch ein Engel, die Macht an sich gerissen hat und Luzifer sich erhoben hat. Tapferer Luzifer mit dem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ich kann das Bild nicht mehr vergessen, wie aus dem strahlenden Engel der Satan wurde, mein Luzifer...Wir waren mal die besten Freunde, klar ich bin sehr viel jünger als er, aber bei Engeln spielt das Alter keine grosse Rolle. Er hat alles für die Gerechtigkeit aufs Spiel gesetzt und alles verloren. Ich weiss selbst nicht, was mich noch im Himmel hält, vielleicht mein Vater, vielleicht auch nur die Angst davor zu sehen wie Luzifer jetzt lebt. Also bin ich weiter ein Begleiter und begleite die verlorenen Seelen ins Jenseits. Begleiter sind in der Rangordnung etwa der tiefste Rang, neben einem Schüler und Cherubs, aber mal ehrlich wer nimmt kleine nackte Engel schon ernst?Diesmal ist es ein kleines Mädchen, vierzehn oder so...Die kleine Schwester von Nils, wenn ein Geist nicht ins Jenseits kann, dann lässt jemand sie nicht los, dann klammert sich jemand mit aller kraft an die Erinnerung an sie. Es heisst, dass ein Begleiter auch für den Menschen da sein muss, der den Geist nicht gehen lässt, aber mir gehen die ziemlich am Arsch vorbei. Wegen ihnen müssen diejenigen, die sie einmal am meisten auf der Welt geliebt haben, leiden. Denn wenn ein Geist zu lange in dieser Welt gefangen bleibt, immer wieder mit seiner Vergangenheit

konfrontiert wird, dann werden sie zu Dämonen und das heisst auf ewig in dieser Welt oder in der Hölle gefangen zu bleiben ohne jemals wirklich loslassen zu können. Es ist egoistisch, wieso soll ich solchen Menschen auch noch helfen?Ich wache mitten in der Nacht auf, ich starre an die Decke. Unter mir höre ich Nils leises Atmen, und immer wieder ein unterdrücktes Schluchzen. Ich seufze auf, wenn der mich jetzt jede Nacht wach hält, dann bekommt er echt Probleme.Stöhnend stehe ich auf und trete in den Gang. Es ist mitten in der Nacht, eine gute Zeit um den kleinen Geist zu suchen. Die Gänge sind so in der Nacht irgendwie unheimlich, auch wenn ich der Überzeugung bin, dass es bei Tag auch nicht besser ist. Das ganze Gebäude ist von innen und aussen ziemlich düster, aber es ist zum aushalten, es gibt schlimmeres als dieses Internat, ich war schon an schlimmeren Orten als hier. Nur war damals nicht beinahe Bürgerkrieg im Himmel, denn endlich haben die Anderen erkannt was für ein machtgieriger Tyrann Gott doch ist. Der Himmel steht kurz vor dem grössten Ereignis seit dem Sturz Luzifers und ich bin nicht dabei.Da durchschneidet ein leises Schluchzen die Stille, der Geist, nichts als eine kleine Gestalt. „Bist du Amy?“, vorsichtig gehe ich auf das kleine Mädchen zu.„Du siehst mich?“, sie schaut auf und mein den Blick fällt auf ein schmales, blasses Gesicht umrahmt von langen, glatten Haaren, schwarz. Menschen können Geister nicht sehen, weil sie einen Teil ihres Körper verloren haben, in dem Moment als sie gestorben sind, was sie jetzt noch besitzen ist so was wie der Schatten ihres alten ich. Sie sind tatsächlich fast durchsichtig und schweben tun sie auch.„Ja, ich bin übrigens Jake, ein Engel. Ich bin hier um dir zu helfen, damit du von hier weg kommst“, ich lächle und halte ihr meine Hand hin.Zögernd ergreift sie sie. Kalt, ich bin es mir inzwischen gewohnt, aber doch zucke ich jedes mal zusammen. Wir können Geister anfassen, weil Engel auch nicht viel mehr sind als Schatten, ich weiss nur nicht von was. Amy ist nicht viel kleiner als ich und hat lange dunkle Haare die ihr in Bettfrisur vom Kopf stehen. Ich bin einfach zu klein selbst für einen Engel, die generell ein wenig kleiner als Menschen sind, aber das schlimmste an mir sind die Sommersprossen, kein Engel hat Sommersprossen. Ich bin zu menschlich. Vielleicht sagen deshalb alle ich sei gut als Begleiter. „Also ich bin von jetzt an da, nur für dich.“, so freundlich ich auch lächle, doch wird alles zunichtegemacht weil ich mir ein Gähnen nicht unterdrücken kann. Sie lacht leise: „Geh ins Bett, du brauchst es. Ich komme hier schon zurecht, ausserdem ist ja bald Morgen.“Dankbar schlurfe ich wieder ins Zimmer, ich bin so müde das ich fast vergesse das ich nicht alleine bin und ich oben schlafe. Zum Glück schläft Nils inzwischen tief und fest.

Der Wecker schallt durch den Raum, erschrocken reisse ich die Augen auf und setzte mich abrupt auf. Wo bin ich?Amy...Ach ja, dieses verfluchte Internat, ich bin hier und die Geschichte wird wo anders geschrieben. Müde steige ich ab der Leiter, nicht ohne mir den grossen Zeh anzuschlagen und fast herunter zu fallen. Fluchen hüpfe ich durchs Zimmer, na wer hätte gedacht das ein Engel fluchen kann und erst recht noch ausgiebig und gerne. Ich spüre Nils verwunderten Blick im Rücken: „Du... bist?“„Der Neue.“, ich unterbreche mich kurz, den Fuss immer noch in der Hand, dann schnappe ich mir meine Tasche und gehe ins Klo, ohne Nils noch weiter zu beachten. Wo ist denn jetzt diese verdammte Schuluniform? Gefunden. Stöhnend betrachte ich das Teil, mit einer steifen Jacke, einer kratzigen Hose, einem weissem Hemd und einer Krawatte sieht sie verdammt unbequem aus, aber es muss wohl sein. Missmutig fummle ich an der Krawatte herum, wie macht man diesen verdammten Knoten noch mal? Also mache ich einfach einen normalen Boppelknoten merkt ja kein Mensch.Mit einem Blick der hätte töten können gehe ich zum Frühstück, ist echt praktisch um einem Leute vom Hals zu schaffen. Es ist nicht so leicht als Engel eine unauffällige Konversation zu führen, die Mode ändert sich ständig. Die Gefahr etwas falschen zu sagen ist riesig. Ich schnappe mir ein Tablett und ein lade den Teller mit Brötchen voll, die sind so gut. Oben bekommen sie das mit dem Kochen nie richtig hin. Meine Theorie warum ich so klein und dünn bin. Der Essaal ist voll, kein freier Tisch, also muss ich mich zu jemandem setzen, wenn ich nicht im stehen essen will. Das geht nicht gut aus, wenn man ein Tablett hat, ich spreche da aus Erfahrung. Da entdecke ich ein Mädchen alleine am Tisch sitzen, missmutig stochert sie im Essen herum und sieht nicht so aus als ob sie besonders gesprächig wäre. Also balanciere ich das Tablett durch die Menge und versuche möglichst elegant Platz zu nehmen, es gelingt mir so halb. Das Mädchen schaut kurz auf, straft mich mit einem bösen Blick und wendet sich wieder ihrem Essen zu. Mir soll es Recht sein. „Ich habe dich hier noch nie gesehen. Bin übriges Flo“, ihre Stimme scheint bewusst desinteressiert zu sein. „Neu. Jake“, möglichst wenig Worte, das mit der Zeit gelernt, dann kann man weniger falsch machen und die Menschen nehmen es als Abweisung. Wenn sie klug sind lassen sie einen dann in ruhe.Mit Hingabe widme ich mich meinem vollbeladen Teller, ich glaube daran kann ich mich gewöhnen.

Kapitel 2

Die Klasse starrt mir entgegen. Ich fühle mich unbehaglich, das Gefühl, dass jemand versucht mir all meine Geheimnisse zu entlocken, macht sich in mir breit und glaubt mir, ich habe einige Geheimnisse und nicht nur die offensichtlichen Dinge. „Das ist Jacob Snow. Er wird ab heute in unsere Klasse gehen.“Ich nicke kurz, Jacob... Luzifer hat mich immer Jake genannt, damals als noch alles gut war...Ich sehe Flo, hinten in der Ecke sitzen, gleich neben dem Tisch von Nils und hinter ihm seine Schwester, Amy. Sie schaut mich an. Lächelt kurz, aber es ist ein trauriges Lächeln voller Schmerz. „Such dir doch bitte einen Platz aus.“Ich gehe durch die Klasse und setze mich neben Flo, hauptsächlich weil es der einzige freie Platz ist, ausser ich will neben Nils sitzen, aber auch weil sie mich sicher nicht zutextet. Sie schaut kurz auf, sieht mich an und widmet sich dann wieder ihrem Buch. Ich mag die kleine ja langsam richtig. Na ja, Kleine. Sie ist etwa einen halben Kopf grösser als ich...Der Unterricht zieht sich lange, sehr lange dahin und ich meine, wen interessiert denn der Scheiss? Wer muss schon wissen was 0,356 im Bruch ist? Flo neben mir sieht ähnlich desinteressiert aus wie ich. Als es endlich zur Mittagspause läutet, gehe ich ohne besondere Eile aus dem Raum, in der Hoffnung Amy noch alleine zu erwischen. Es kommt nicht besonders gut mit einem Geist in Gegenwart anderer zu sprechen, die ihn nicht sehen können. Amy geht auf mich zu und flüstert leise: „Du bist nicht wegen mir hier? Gut, aber wieso bin ich immer noch hier?“Ich schaue sie traurig an: „Weil dein Bruder dich nicht loslassen kann.“Sie nickt nur: „Hilf ihm.“Lange schaue ich ihr in die Augen, da ist so viel aufrichtige Traurigkeit, dass ich gegen den Drang ankämpfe sie in den Arm zu nehmen.Das Mittagessen lasse ich aus. Keine Lust mit einem Haufen fremder Kinder in einem viel zu vollen Raum zu sitzen.Ich denke an Gott, wie er damals grössenwahnsinnig wurde und die ganze Macht an sich gerissen hat. Wie er sich über die ganzen anderen Erzengel gestellt, wie er Luzifer in die Hölle gestossen hat. Die Erzengel haben nichts getan, sie haben einfach zugesehen, es war ihnen egal. Ich war so unendlich enttäuscht von meinen Vater und diese Distanz gibt es bis Heute noch zwischen uns. Das war glaube ich die schlimmste Zeit meines Lebens, ich habe damals meinen besten Freund verloren. Es war ein erbärmlicher Anblick wie Luzifer, wie mein Luzifer besiegt wurde. Bis heute frage ich mich, wieso die anderen Engel Gott gefolgt sind, was hat er ihnen versprochen, dass sie bei ihm blieben. Es heisst ja, dass Luzifer und sein Gefolge in die Hölle hinabgestossen wurden, wie Luzifer zu Satan wurde, wie er zu dem gefürchteten Teufel wurde. Nur ich blieb im Himmel unter anderem, weil ich der Sohn von Gabriel bin und auch weil Lou mich nicht liess, weil er mich da nicht reinziehen wollte. Aber dafür ist es zu spät, viel zu spät. Luzifer, für mich ist er immer noch Lou, den Namen den ich ihm mal vor langer Zeit gegeben habe und irgendwann ist er einfach gebliebenen. Ich trete ins Zimmer und prompt stolpere ich über etwas, fluchend rapple ich mich wieder auf. Zeit zum aufräumen. Ich schnappe mir Handschuhe, ich fasse das Essen doch nicht an, das will ehrlich gesagt keiner anfassen, ich habe keine Ahnung wie lange das schon da liegt. Und an die Kleider will ich gar nicht denken, dem Geruch nach zu lange. Warte, ist das da eine Unterhose? Schockiert stecke ich sie in den grossen Abfallsack, hoffe nur die ist nicht gebraucht, in den alles kommt was man gar nicht mehr brauchen kann. Ich öffne die Schränke, warte mal, die sind leer. Für was hat man Schränke Nils? Zur Verzierung bestimmt nicht.Ich höre Amy hinter mir kichern und drehe mich erschrocken um: „Wie lange bist du denn schon hier?“Sie lächelt, aber es ist ein trauriges Lächeln: „Lange genug um zu sehen wie du alle Sachen meines Bruder wegwerfen willst.“Ich nicke nur und widme mich wieder dem Zimmer, das ganze sieht doch schon viel besser aus als vorher. Was Luzifer wohl jetzt gerade macht?Ob er in seiner Hölle sitzt und im Moment genau so einsam ist wie ich?Ob er mich auch so vermisst?Wahrscheinlich nicht, schliesslich ist er Lou, er kann alles schaffen, er kann immer lachen.Ein naiver Gedanke, ich weiss das Lou Wunden viel grösser sind als meine, dass Lou es die Anderen einfach nicht Zeig, weil er Leute denen er was bedeutet nicht verletzten will. Eigentlich kenne ich ihn gar nicht, wie kann ich denn behaupten das er mein bester Freund ist. Um ehrlich zu sein weiss ich es nicht, vielleicht weil er das wichtigsten in meinem Leben ist.Ich beginne die noch übrig gebliebenen Sachen, die die man meiner Meinung nach noch einigermassen gebrauchen kann in den immer noch leeren Schrank zu räumen. Auf der anderen Seite kommen meine Sachen rein. Endlich fertig, müde setzte ich mich auf das Bett. Den Abfallsack stelle ich Nils einfach auf das Bett.„Wieso drückst du dich eigentlich immer bei deinem Bruder herum? Du weisst doch genau, dass er dich nicht sehen kann, das tut dir doch nur unnötig weh“, frage ich Amy, die neben mir sitzt.Sie zuckt mit den Achseln: „Vielleicht spürt er ja, dass ich da bin.“Schweigend sitzen wir nebeneinander bis Nils kommt und schockiert das Zimmer betrachtet. Es ist witzig wie man zusehen kann, wie sich sein Gesichtsausdruck von stummen Entsetzten zu Ungläubigkeit bis zu der totalen Explosion wandelt. Er schreit irgendwas von Privatsphäre und das er seine Sachen nicht mehr findet und bla bla bla. Ich höre schon lange nicht mehr hin, was beklagt der sich überhaupt? Immerhin kann man sich wieder frei bewegen, und es sieht endlich wieder ordentlich aus. Wie konnte der sich überhaupt in so einem Chaos zurecht finden?Amy sieht so aus als ob sie jetzt gleich in Tränen ausbrechen würde, sie hat ihre Hand nach ihm ausgestreckt so als ob sie ihn an stupsen will, ich schicke sie raus ehe sie noch was dummes anstellt oder einfach nur noch mehr innerlich zerstört wird. 

Kapitel 3

Wieder wache ich vom lauten klingeln des Weckers auf, wieder falle ich fast ab dem Bett, wieder schlage ich mir den Zeh an. Wird das zur Tradition oder was?Fluchend hüpfe ich durchs Zimmer während ich gleichzeitig probiere die Hose anzuziehen, die Krawatte zu binden und die Zähne zu putzen, keine gute Idee. Den Knoten kriege ich immer noch nicht hin, also lasse ich sie einfach offen und gehe zum Frühstück.Flo sitzt wieder da wo sie immer sitzt und schaut mir schweigend beim Essen zu, wahrscheinlich lasse ich das mit dem Mittagessen wieder aus. Das muss für ein ganzen Tag reichen also guckt nicht so blöd. Dann geht es wieder in die Klassenzimmer, meine Zeit um noch mal zu schlafen. Wieso ich überhaupt am Unterricht teilnehmen muss, ist mir ein Rätsel, schliesslich bin ich nur wegen Amy hier und die muss ja auch nicht mitmachen. Aber langsam gibt es so was wie Routine, das ist irgendwie beruhigend, dass sich alles so langsam einpendelt und so was wie ein Alltag daraus wird.Müde torkle ich in den Essaal, Zeit für das Abendessen. Aber als ich den Raum betrete habe ich das Essen vergessen, total vergessen. Lachend stürze ich auf einen Jungen zu, er steht mitten im Raum und schaut sich suchend um. Die glatten blonden Haare umrahmen sein Gesicht und verleihen ihm etwas Engelhaftes, auch wenn er schon lange kein Engel mehr ist. Luzifer. Seine blauen Augen weiten sich erfreut als er mich sieht. Ich umarme ihn stürmisch, man habe ich ihn vermisst. „Hey Kleiner.“, sein Druck verstärkt sich um mich: „Habe dich auch vermisst.“Hinter mir ist etwas, was sich wie miieep anhört, nur eben viel lauter als man es erwartet hätte, Flo. Sie grinst uns breit an und fängt dann hysterisch an zu kichern.Luzifer hat mich inzwischen losgelassen und schaut mich an: „Kennst du die?“Ich nicke: „Is bei mir in der Klasse.“„Wenn das so ist... Ich bin Lou.“, höflich streckt er ihr die Hand hin, er stellt sich immer als Lou vor, Luzifer zeiht zu viele Fragen, ich meine wer nennt sein Kind schon Luzifer?Wer hasst sein Kind so sehr das er es nach dem Teufel benennt? Ausser Satanisten, soll es ja auch geben, habe ich gehört. Zögernd mit grossen Augen ergreift sie sie: „Flo.“Und dann fängt sie an los zu plappern, sie hört gar nicht mehr auf. Irgendwas mit schwul und wir seien so ein süssen Paar und so ne scheisse. Stöhnend stehe ich auf und ziehe Lou hinter mir her, nee auf das habe ich keinen Bock und Lou sieht aus, als würde er jeden Moment einschlafen. Dankbar lässt er sich von mir mitziehen, aus den Augenwinkeln sehe ich wie Flo uns mit offenem Mund hinterher starrt, Nervensäge.„Also was ist die Ehre deines Besuchs, Lou?“, ich frage ihn direkt ins Gesicht, ist am einfachsten, hielt noch nie viel vom langen drumherum reden. „Also... das ist so ne Sache...“, fängt er an: „Habe dich vermisst Kleiner, okay? Es ist irgendwie relativ einsam als Satan.“Ich drücke ihn an mich, er ist wieder da, ich habe meinen Lou wieder.Nils kommt mir entgegnen, hinter ihm Amy, beide starren mich mit grossen Augen an und Amy bleibt stehen. „Jake? Wer ist der Typ?“, ich weiss es ist ein komisches Bild, dass ich so vertraut mit jemanden umgeht. Aber Lou ist ja auch kein Mensch.„Der Geist?“, Lou schaut mich an.

Ich nicke nur.„Ach so, ich bin Luzifer.“, er lächelt freundlich.Sie nickt und rennt dann Nils hinterher, ich weiss genau das sie mich nachher noch ausfragen wird, irgendwie ist sie ein wenig scheu. Aber die meisten Geister sind das, weil sie es sich einfach nicht mehr gewohnt sind das die Leute sie beachten.Lou sieht mich an: „Wenn du dich nicht beeilst wird sie zum Dämon.“Ich seufze: „Ich weiss, aber sie kann es noch schaffen...“Geistesabwesend streicht sich Luzifer eine blonde Strähne aus dem Gesicht und lässt den Blick kurz auf die Brandnarbe frei, dein Drudenfuss in einem Kreise, Satanszeichen. Sie haben ihn gezeichnet, für immer. Mein Blick gleitet auf seinen Rücken, durch die Schuluniform kann man es zwar nicht sehen aber ich weiss, dass sich dahinter die beiden langen Narben verbergen, die Narben seiner Flügel. Sie haben sie ihm ausgerissen, sie sind weg, für immer. Manchmal frage ich mich ob ihm die Narben immer noch schmerzen, ob er seine Flügel vermisst, ob es ihn gebrochen hat sie zu verlieren. Ich selbst habe ja keine, ich weiss nicht wie es ist sie zu haben, oder zu verlieren, nur die Erzengel haben sie.

Als wir mein Zimmer betreten lacht Lou sich erst mal eins ab: „Wie sah es denn vorher aus?“Immer noch lachend betrachtet er das viel zu ordentliche Zimmer. „Schlimm“Er grinst und wirft sich aufs Bett, ich setze mich neben ihn und merke erst da wie müde ich eigentlich bin. Mein Kopf fällt auf seine Schulter und nach wenigen Augenblicken bin ich hin und weg. Ich atme tief Luzs Geruch ein, er riecht süss, aber da ist noch was anderes? Etwas... Was ist das? Ich versuche einen klaren Gedanken zu fassen, aber ich schaffe es nicht mehr.Zu müde...

Kapitel 4

Als ich aufwache ist er weg, nur ein kleiner Zettel liegt neben mir. Heey KleinerHoffe hast gut geschlafen ^^Du ich musste leider wieder weg q.qKomme bald wieder, versprochen :)LouPS: Hilf dem Geist, er ist dir wichtig...Ich kenne dich, du würdest es dir nie verzeihen wenn er ein Dämon wird :*Ein leises Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, er kann immer noch nicht schreiben, er hat immer noch dieselbe krakelige Schrift wie damals als wir uns kennengelernt hatten.„Jacob komm endlich, die Schule fängt gleich an!“, ruft mir Nils schon zu, der am Türrahmen lehnt.Seufzend raffe ich mich auf, erst jetzt bemerke ich, dass ich nicht mehr sitze sondern unter meiner Decke liege. „Danke Lou...“, lächle ich, und ich kann förmlich spüren wie er mich von irgendwo beobachtet und grinst.Ich gehe ins Bad und gehe rasch, mit dem Kamm, durch die halblangen, verstrubbelten, braunen Haare, die mir vom ganzen Kopf abstehen. Spritze mir kurz ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht und gehe aus dem Zimmer, angezogen bin ich ja schon.Als nach draussen komme, sehe ich Amy wie sie an der Wand steht und auf mich wartet. Ich nicke ihr, zur Begrüssung, zu.Hilf dem Geist, er ist dir wichtig...Wie recht er doch hat, sie erinnert mich irgendwie an mich. Ich weiss nicht was es ist, was sie an mich erinnert, aber da ist etwas, es ist nicht viel, aber es ist da und Lou weiss das auch...Und da sehe ich sie, die vielen Narben an ihrem Arm, die von zu viel Leid berichten. Sie hat sich geritzt, sie war schon zu Lebzeiten so was wie ein Dämon, eine Puppe. Ich hab viele solcher Geister gesehen. Wenn sie so Jung ist, ist sie nicht durch eine Krankheit oder so gestorben, sondern sie war eine Selbstmörderin. Dann sind es beide die sie zurückhalten, ihr Bruder und sie selbst. Sie will nichts Weiteres als gehen, doch genau dieser Drang, von dieser Welt zu fliehen hält sie hier fest, vor allem da sie jetzt sieht wie sehr ihr Bruder leidet. Ich bin in dem Moment heil froh das sie ihn nie hört wie er sich in den Schlaf weint.Das Klassenzimmer, ich straffe kurz die Schultern und betrete es. Die vielen Blicke ignorierend, die sich in meinen Rücken bohren, wie ich das hasse wenn mich alle so anstarren, ich habe dann immer das Gefühl sie wollen mir in die Seele sehen und mir alles entlocken was mein Herz so parat hält und das ist einiges, auch Dinge von denen ich selbst nichts weiss.Flo grinst breit als sie mich sieht, was die wohl jetzt gerade für kranke Gedanken hat? Bestimmt etwas mit mir und Lou, ihrem Geplapper, von gestern, nach zu urteilen. „Wieso kommst du zu spät? Lange Nacht gehabt?“, noch immer hat sie dieses perverse Grinsen im Gesicht.Stöhnend vergrabe ich das Gesicht in den Händen: „Halt die Klappe Flo, was auch immer da gerade in deinem kranken Kopf abgeht, es hat nie stattgefunden.“Mein Gott, ich bin nicht schwul. Obwohl, so sicher bin ich mir langsam auch nicht mehr.Die Lehrerin verlässt den Raum und alle packen ihre Sachen zusammen und gehen aus dem Zimmer. Was ist denn jetzt los? Irritiert sehe ich mich um. „Wir haben eine Freistunde, hast du den Stundenplan nicht gelesen?“, vorwurfsvoll schaut sie mich an.Ich schüttle den Kopf, wieso auch? Ich meine ist mir doch egal was ich gerade als Fach habe, das meiste ist sowieso in diesem Raum.Ich gehe raus, endlich mal ein bisschen frische Luft schnappen. Heute ist ein schöner Tag, der Regen prasselt nur so nieder. Lachend breite ich die Arme aus und sehe nach oben, so fühlt es sich an wenn es regnet... Wenn man über den Wolken lebt, dann vermisst man das Gefühl wenn die Tropfen dir aufs Gesicht fallen und die Welt dunkler wird.Ich spüre eine Gestalt hinter mir, ohne mich umzudrehen weiss ich wer es ist, Flo.Da fällt mir was ein, vielleicht weiss sie ja was über Amy. Wenn sie wirklich eine Selbstmörderin ist dann muss ich ihr helfen, dann muss ich sie dazu bringen loszulassen und zwar sie und nicht ihr Bruder.Ich drehe mich zu ihr um: „Sag mal was weisst du über Amy McEven?“Ihr Blick wird ernst und traurig: „Du teilst dir mit ihrem Bruder ein Zimmer, oder? Nils...Eine traurige Geschichte, sie ist vom Turm gesprungen. Warum weiss keiner so genau, aber Nils hat es das Herz gebrochen. Er war ganz anders, weisst du? Bevor sie gestorben ist, war er der lauteste Junge der Klasse. Alle liebten ihn, er war wunderbar und sein Lachen so ansteckend.“, sie hält kurz inne, bei der Erinnerung: „Aber man sah ihn auch nie ohne seine Schwester, sie waren so was wie das Dreamteam, immer zusammen. Der Einte nicht ohne den Anderen. Ich glaube die Beiden hatten es in ihrer Kindheit nicht leicht, ich weiss zwar nicht was es war, aber Amy sah man die Schatten ihrer Vergangenheit deutlich an. Die meisten glaubten das sei auch der Grund für ihren Selbstmord, aber so genau weiss das niemand, da sie keinen Abschiedsbrief oder so hinterlassen hat.“Inzwischen sind wir beide durchnässt, die Haare kleben mir am Kopf und ich tropfe nur so vor mich hin. Aber es tut gut, wenn ich sagen müsste was ich an der Erde liebe, dann ist es den Regen, den Wind und den Nordstern. Der Nordstern, unser Stern, der von Lou und mir, der Stern unseres Versprechens, dass schon lange gebrochen wurde und doch immer noch existiert. Das Versprechen das wir immer zusammen bleiben, dass wir uns nie im Stich lassen. Als wir uns das Versprechen gegeben hatten waren wir beide noch so naiv, hatten keine Ahnung davon was es heisst zu leben, zu lieben, zu leiden, zu hoffen, zu hassen und was es heisst Schmerzen zu empfinden. Wir waren noch so was wie Kinder und doch schweisst uns dieses Versprechen zusammen, mehr als alles andere. Denn es lässt uns hoffen das wir die Zeit zurückdrehen können und wieder die Kinder sein können die dem Nordstern nachjagen, aber diese Zeit ist verloren, für immer.„Komm Jake wir müssen wieder rein, die Stunde fängt gleich an.“, Flo zieht mich am Ärmel wieder ins Gebäude. Missmutig lasse ich mich mitziehen und gehe noch rasch in mein Zimmer um mir was Warmes anzuziehen, zum Glück habe ich noch eine Ersatzuniform dabei. Sonst hätte ich mir den ganzen Tag den Arsch abgefroren und darauf habe ich jetzt echt keinen Bock.Als ich wieder ins Klassenzimmer komme, tropfen meine Haare immer noch, aber meine Kleider fühlen sich wieder wohlig warm an. Flo sitzt schon da, die dicken, glatten Haare geföhnt und in einer neuen Uniform. „Wie machst du das?“, ich starre sie an, mal ehrlich, so schnell kann kein Mensch sein.Sie grinst mich nur selbstgefällig an. Stöhnend lasse ich mich neben sie fallen und lasse meinen Kopf auf die Arme fallen. Sofort schlafe ich wieder ein, das monotone dröhnen der Stimme des Lehrers hilft mir auch noch beim einschlafen.

Kapitel 5

Ich liege lange da und starre an die Decke, immer wieder sehe ich Amys trauriges Lächeln, ihre Narben, ihr blick wenn sie Nils anschaut.Unter mir höre ich ihn leise Schluchzen, ich glaube in der Nacht kommt alles wieder hoch was man am Tag verdrängt. In der Dunkelheit kommen die Schatten der Vergangenheit wieder. Seufzend klettere ich nach unten und starre Nils an. Innerlich bete ich dass er schläft und ich das jetzt nicht tun muss. Aber natürlich ist er wach. Wie soll es auch anders sein?Nils schaut auf: „Du... du bist noch wach?“Ich stöhne leise: „Ja, du Idiot hast mich geweckt, kannst du nicht ein wenig leiser heulen?“Okay ich glaube das ist zwar nicht das was man unter einfühlsamen wiederaufbauen versteht, aber der Kerl hat mich wirklich geweckt.„Ich heule nicht.“, Nils streicht mit dem Ärmel über die Augen.Ich grinse: „Ja klar, und ich bin ein Mädchen.“Er lacht: „Deiner Statur nach schon.“Schmollend setzte ich mich neben ihn aufs Bett. Idiot, murmle ich so leise das er es nicht hören kann. Aber trotzdem fange ich an, ihn fast so was wie zu mögen.„Nein, du hast geweint, wieso?“Zur Antwort kuschelt er sich tiefer in sein Kissen, und ich weiss dass ich keine Antwort bekommen werde. Eigentlich weiss ich ja was er hat, wenn es mich wirklich interessieren würde.Also bleibe ich einfach seufzend sitzen und warte bis sich seine Atemzüge beruhigen und er endlich schläft. Dann kann ich wieder nach oben klettern und selber in den ersehnten Schlaf sinken.Am Morgen weckt mich kein Wecker, diesmal falle ich nicht fast aus dem Bett und hüpfe fluchend durchs Zimmer, nein, diesmal nicht. Heute ist Samstag. Mein Lieblings Tag, dann muss man nicht an den Montag denken, sondern an den Sonntag, wenn schon, noch ein freier Tag und man kann so lange schlafen wie man will. Als ich endlich aufwache ist es im Zimmer hell, ich starre eine Weile an die Decke und denke über so ein paar Dinge nach, frag mich nicht was für welche, bin zu müde.Langsam hieve ich mich aus dem Bett und ziehe diese blöde Uniform an, irgend so eine beschissene Schulhausregel besagt, dass man die Uniform immer anhaben muss, ausser man will das Schulareal verlassen. Mal ehrlich, wieso?Reicht es denn nicht, dass man sie fünf Tage die Woche tragen muss?Aber was kann man machen?So gehe ich in kratzigen Hosen zum Morgenessen, oder eigentlich eher Mittagessen, es ist schon zwölf Uhr.Während ich Brötchen in mich hineinstopfe schaue ich die Nachrichten, nicht das es mich auch nur annähernd interessieren würde was hier auf der Erde so abgeht, aber das Sofa ist so bequem.Doch plötzlich werde ich aufmerksam, um dann ganz plötzlich in Lachen auszubrechen. Da will so einer Gott Anklagen, auf Massenmord, wegen den zahlreichen Naturkatastrophen. Die Anklage wurde nicht bewilligt, da man nicht genau sagen kann wo er wohnt.Na wo wohl?Plötzlich steht eine Gestalt hinter mir, ohne mich umzudrehen weiss ich wer da steht, Flo.„Was ist so lustig? Ist glaube das ist das erste Mal das ich dich Lachen sehe, ausser als Lou da war, aber den liebst du, dass zählt nicht. Also, ich will auch mitlachen.“, wie immer redet sie viel zu viel.Also erkläre ich es ihr, wow bin ich heute nett. Sie schaut mich nur verständnislos an, ich glaube für einen Menschen ist es schwer nachvollziehbar wieso es so witzig ist. Aber ich lache eigentlich nur weil es wahr ist, weil Gott ein Mörder ist und er tötet nur Menschen zu seinem Vergnügen.Sie lässt sich rücklings aufs Sofa fallen, so das ihre Beine über die Lehne baumeln, ihr Kopf von der Sitzfläche hängt und sie wohl alles auf dem Kopf sieht.„Was ich eigentlich fragen wollte, Morgen dürfen wir ins Städtchen, dass gleich hier unten liegt. Ich gehe mit meiner besten Freundin hin und wollte fragen ob du Lust hast mitzukommen...“, sie starrt mich an, ich weiss dass sie auf eine Antwort wartet und zu meiner eigenen Überraschung stimme ich zu. Aus irgendeinem seltsamen Grund habe ich mich dazu verdammt den Nachmittag mit zwei kichernden Mädchen zu verbringen.Sie dreht sich noch einmal um: „Also Morgen um 13:00 am Eingangstor? Freue mich schon.“, sie steht umständlich auf und geht lachend den Gang runter.Kopfschüttelnd widme ich mich wieder dem Fernseher, seltsames Mädchen.Ich stehe um Punkt 13:00 beim Eingangstor in meinen Jeans und einem T-Shirt, nichts Besonderes, aber endlich mal wieder ein bequemes Kleidungsstück. Mir kommt ein Mädchen, mit auffälligen blauen Fransen, ihren sonst kurzem, schwarzen Haar, entgegen. Sie wirkt wie ein Mensch dem man besser nicht zu nahe kommt, mit dem schwarzen Minirock, den Doc Martens und dem T-Shirt mit dem Totenkopfaufdruck.Umso überraschter bin ich als sie winkend auf mich zugeht. „Hey du musst Jake sein.“, lächelnd streckt sie mir ihre Hand hin: „Ich bin Lily, die beste Freundin von Flo, die wie immer zu spät kommt. Aber sie hat dich gut beschrieben, verstrubbelte Haare, einen Blick, als ob dich alles anscheisst, klein und fein gebaut und gelbe Katzenaugen. Nur die Nerdbrille hat sie nicht erwähnt.“Lily der Name passt zu ihr, und auch wieder nicht, aber es ist ein schöner Name. „Die trage ich nur in der Freizeit.“, ich schiebe, die ein wenig zu grosse Brille, wieder auf die Nase, das witzige ist, das ich sie wirklich brauche und sonst einfach Kontaktlinsen trage.So sieht mich Flo also, auf eine schräge aber ehrliche Art hat sie sogar Recht. Nur das mein Blick nicht so aussieht, sondern das mich wirklich alles anscheisst. Ja das Mädchen passt zu Flo.„Tschuldigung.“, Flo kommt eine Viertelstunde zu spät, mit noch halb verstrubbelten Haaren, angerannt. Lily begrüsst sie mit einem, für meinen Geschmack viel zu hohen kreischen. Ich stöhne leise, noch immer frage ich mich wieso ich mir das antue.Das kleine Städtchen ist süss, eine dieser typisch amerikanischen Vorstädte eben, die bei denen alles gleich aussieht. Aber mit zwei kichernden Mädchen neben dran, die jeden und wirklich jeden Typen der vorbeikommt kommentieren müssen, so im Stil von Sieh dir mal diese Frisur an, die sieht aus wie eine Ananas, wobei das schlimmste das sie Recht haben, dadurch ist das ganze schon weniger schön. Als wir dann nach einer gefühlten Ewigkeit bei dem Comic-Shop ankommen, rennen die beiden förmlich rein und zu den Neuerscheinungen der Mangas. Gelangweilt hocke ich in einem diesen viel zu bequemen Sesseln und versuche ein wenig zu schlafen. Die beiden können sich einfach nicht entscheiden, ob sie jetzt den oder den Comic nehmen oder doch lieber den anderen und ach ja den gibt es ja auch noch...Entscheidet euch doch einfach.Aber wie das so ist mit den Menschen, haben sie immer Angst das Falsche zu tun, es später zu bereuen. Es hat ja auch sein Gutes, ich meine, denen ist nicht alles gleichgültig. Sie hoffen, sie lachen, sie weinen, sie leben. Natürlich trifft das auch auf Engel zu, wir haben nicht keine Gefühle oder so. Nein, wir leben nur schon zu lange, haben zu viel gesehen, als dass wir noch an das Gute glauben können. Ich meine, sieh dir Gott an.„Jake wir können gehen.“, lachend winkt mir Lily zu und ich stehe von meinem Sessel auf. Ich wäre manchmal selbst gerne ein Mensch, dann könnte ich glücklich sein und hoffen. Stadtessen bin ich ein verbitterter Engel, der einen Erzengel als Vater hat, der seinen besten Freund verraten hat. Aber sind die Menschen wirklich so viel besser? Ich meine, sie werden von Gott beherrscht, ein Gott, der macht was er will, dem jedes Menschenleben egal ist. „Was ist den los? Du schaust so grimmig drein.“, Flo schaut mich ein wenig besorgt an.Ich schüttle nur den Kopf um all die Gedanken zu vertreiben, es geht mir gut.„Ach was, der schaut doch immer so.“, lachend geht Lily aus dem Laden, die kleine Plastiktüte in der Hand hin und her schwenkend. Ich winke dem Verkäufer noch zum Abschied bevor ich auch aus dem Landen verschwinde, den beiden Mädchen hinterher.

Ich schiebe mir die zu grosse Brille wieder auf die Nase und beobachte wie Flo ihre heisse Schokolade trinkt. Wir sitzen in einem kleinen Café, und aus irgend einem Grund sitzen da lauter Soldaten. Auch wenn sie zum Teil Zivilkleidung tragen, erkennt man sie doch sofort. Man sieht es an ihrem Blick, er ist härter, leerer und auch irgendwie verzweifelt. Ich merke, wie auch Flo die Soldaten beobachtet, sie sieht irgendwie unendlich traurig aus. Sanft nimmt Lily ihre Hand und flüstert ihr etwas ins Ohr. Plötzlich schaut Flo auf: „Habt ihr eigentlich Angst vor dem Tod?“Ich schüttle den Kopf, habe ich wirklich nicht, viel mehr Angst habe ich vor dem Leben, denn egal wo ich nach dem Leben hinkomme, in die Hölle oder ins Jenseits, nach Utopia, werde ich glücklich sein. „Ich schon...“, sie schaut betreten in ihre halbleere Tasse: „Ich habe Angst vor dem Alleinsein.“„Musst du nicht, weil ich da sein und deine Hand halten werde.“, keine Ahnung wieso ich das sage, ist mir einfach so herausgerutscht. Vielleicht wegen ihrem verzweifelten Blick. Sie schaut auf: „Versprochen?“„Versprochen.“

Kapitel 6

Stöhnen quäle ich mich aus dem Bett, Montage. Die sind die schlimmsten, da hat man das ganze Wochenende frei und dann wirft einem der blöde Wecker einfach wieder eiskalt aus dem Bett.Ohne das ich Nils beachte renne ich aus dem Zimmer, scheisse ich verpasse noch das Frühstück.

Flo wartet schon auf mich, Lily sitzt neben ihr und lacht über irgendeinen Witz den Flo gerade gemacht hat. Bestimmt ist es einer von den über die nur die Beiden lachen können. Sie winken mir beide begeistert, einfach ignorieren und schweigen. Wieso muss es neben ihnen der einzig freie Platz geben? Habt ihr Anderen kein Mittleid mit mir?Also sitze ich die schönsten fünf Minuten des Tages neben zwei Nervensägen. Ein leises raunen geht durch die Menge, irritiert schaue ich mich um.Was haben die denn alle?„Montag ist Posttag, da kommt die ganze Briefe der Eltern.“, klärt mich Flo auf. Ihren leuchtenden Augen nach zu schliessen erwartet sie auch Post. Der Lehrer ruft alle Schüler auf die ein Brief oder Päckchen bekommen und das sind viele, sehr viele.Flo hüpft vor Aufregung auf ihrem Stuhl auf ab und bei jedem Brief der an einen anderen Schüler gegeben wird, sieht sie enttäuschter aus. „Er wird dir schon was geschrieben haben, du kennst ihn doch“, versucht Lily sie zu beruhigen. „Aber was ist wenn ihm etwas passiert ist? Was ist wenn er schon Tod ist?“, sie sieht ihre Freundin mit weit aufgerissen Augen an: „Was ist...“Weiter kommt sie nicht, denn der Lehrer verkündet mit gelangweilter Stimme: „Flora McEven ein Brief für sie.“Flo rennt förmlich nach vorne und reisst dem Lehrer den Brief aus der Hand. Freudenstrahlend geht sie zu uns zurück.Ihr Gesicht hellt sich immer mehr auf, während sie liest. Manchmal Lächelt sie, manchmal weint sie fast, manchmal beides. Was auch immer in diesem Brief steht, es muss ihr sehr wichtig sein, genau wie die Person die den Brief geschrieben hat.Auf dem Papier sind Dreck und spuren von Blut zu sehen, die Handschrift ist zittrig und es sieht aus als ob der Brief hastig geschrieben wurde.„Er ist von ihrem Bruder. Er ist im Irak und jede Woche schreibt er ihr einen Brief und jede Woche wartet sie sehnlichst darauf. Sie wartet auf die Bestätigung das er noch am Leben ist.“Ich nicke, deshalb war sie gestern im Café so seltsam, deshalb hat sie mir diese Frage gestellt. Ich denke sie hat viel weniger Angst vor ihrem eigenen Tod, also vor dem ihres Bruders, das er im Krieg fällt und sie dann alleine ist. Wenn er sterben sollte hoffe ich wirklich das ich dann über alle Berge bin und mich nicht auch noch um sie kümmern muss. Genervt sitze ich auf meinem Stuhl. Aber wann bin ich schon nicht genervt?Die Klassenlehrerin steh vor uns: „Ich will euch einen neuen Mitschüler vorstellen.“Schon wieder? Unruhe kommt auf und die, meiner Meinung nach, viel zu junge Lehrerin versucht krampfhaft wieder die Aufmerksamkeit der Klasse zu bekommen: „Bitte seit nett zu ihm.“Sie macht die Türe auf: „Klasse das ist Lou Hellsing.“Ich falle fast ab dem Stuhl als ich Luzifer erkenne. Seinem Grinsen nach hat er es bemerkt, er schaut mich an als wolle er sagen: Na? Überrascht?Zur Antwort nicke ich heftig und wie ich überrascht bin. Zur Begrüssung hebt er die Hand, er erzählt nichts über sich, aber was sollte er auch sagen?Hey, mein Name ist eigentlich Luzifer und ich bin übrigens Satan!Schön wärs...Aber was macht Lou, hier?Wenn er wegen Amy hier ist... Wenn der Herr der Hölle hier ist und Amy der Grund ist dann, ist sie so gut wie verloren. Ich sehe wie sich ihre Augen, hinten in der Ecke weiten, wir beide wissen was seine Anwesenheit bedeutet, so sehr ich mich auch freue ihn zu sehen. Flo stupst mich an und flüstert mir ins Ohr, ob das nicht mein Freund von neulich sei, dabei legt sie Betonung in das Wort Freund. Ich lasse mich gar nicht erst herab ihr zu antworten, wenn sie wieder damit anfängt wir seien zusammen. Luzifer steht immer noch vorne und sagt kein Wort, ich glaube die Lehrerin will unbedingt das er etwas sagt. Aber so wie ich Lou kenne wird er schweigen, er ist ein Sturkopf, vielleicht ein fast noch grösserer als ich. Wenn Lou einen Entschluss gefasst hat dann bleibt er dran, aufgeben?Vergiss es. Vielleicht ist das der Grund wieso er zu Satan wurde, wieso er sich den Anderen nicht geäugt hat. Zu Stur. Es ist sein ausgeprägtester Charakterzug, es ist seine Stärke und gleichzeitig seine grösste Schwäche. Endlich darf er sich setzten und irgendwie erleichtert geht er zu dem einzig leeren Platz, neben Nils. Ich merke wie er mich anschaut: Ist er das?Ich nicke. Lou ihn beobachtet ihn, durchdringend und berechnend. Er versucht ihn einzuschätzen, er versucht herauszufinden was für ein Mensch er ist, wie er tickt und ob er ihn mag oder nicht. All das in Sekunden, die ersten zehn Sekunden seien entscheidend, bei Lou auf jedem fall.

Kapitel 7

Stöhnend quäle ich mich aus dem Bett, Montage. Die sind die schlimmsten, da hat man das ganze Wochenende frei und dann wirft einem der blöde Wecker einfach wieder eiskalt aus dem Bett.
Ohne, dass ich Nils beachte renne ich aus dem Zimmer, scheisse ich verpasse noch das Frühstück.

Flo wartet schon auf mich, Lily sitzt neben ihr und lacht über irgendeinen Witz den Flo gerade erzählt hat. Bestimmt ist es einer von denen, über die nur die Beiden lachen können. Sie winken mir beide begeistert zu, einfach ignorieren und schweigen.Wieso muss es gerade neben ihnen der einzig freie Platz geben? Habt ihr Anderen kein Mitleid mit mir?
Also sitze ich die schönsten fünf Minuten des Tages neben zwei Nervensägen.Ein leises Raunen geht durch die Menge, irritiert schaue ich mich um.
Was haben die denn alle?
„Montag ist Posttag, da kommen die ganzen Briefe der Eltern.“, klärt mich Flo auf. Ihren leuchtenden Augen nach zu schliessen erwartet auch sie Post.
Der Lehrer ruft alle Schüler auf, die ein Brief oder Päckchen bekommen und das sind viele, sehr viele.
Flo hüpft vor Aufregung auf ihrem Stuhl auf ab und bei jedem Brief der an einen anderen Schüler gegeben wird, sieht sie enttäuschter aus.„Er wird dir schon was geschrieben haben, du kennst ihn doch“, versucht Lily sie zu beruhigen„Aber was ist wenn ihm etwas passiert ist? Was ist wenn er schon Tod ist?“, sie sieht ihre Freundin mit weit aufgerissen Augen an: „Was ist...“
Weiter kommt sie nicht, denn der Lehrer verkündet mit gelangweilter Stimme: „Flora McEven ein Brief für sie.“
Flo rennt förmlich nach vorne und reisst dem Lehrer den Brief aus der Hand. Freudenstrahlend geht sie zu uns zurück.
Ihr Gesicht hellt sich immer mehr auf, während sie liest. Manchmal Lächelt sie, manchmal weint sie fast, manchmal beides. Was auch immer in diesem Brief steht, es muss ihr sehr wichtig sein, genau wie die Person die den Brief geschrieben hat.
Auf dem Papier sind Dreck und Spuren von Blut zu sehen, die Handschrift ist zittrig und es sieht aus als ob der Brief hastig geschrieben wurde. 
„Er ist von ihrem Bruder. Er ist im Irak und jede Woche schreibt er ihr einen Brief und jede Woche wartet sie sehnlichst darauf. Sie wartet auf die Bestätigung das er noch am Leben ist.“
Ich nicke, deshalb war sie gestern im Café so seltsam, deshalb hat sie mir diese Frage gestellt.Ich denke sie hat viel weniger Angst vor ihrem eigenen Tod, also vor dem ihres Bruders, dass er im Krieg fällt und sie dann alleine ist. Wenn er sterben sollte hoffe ich wirklich, dass ich dann über alle Berge bin und mich nicht auch noch um sie kümmern muss.
Genervt sitze ich auf meinem Stuhl. Aber wann bin ich schon nicht genervt?
Die Klassenlehrerin steht vor uns: „Ich will euch einen neuen Mitschüler vorstellen.“
Schon wieder? Unruhe kommt auf und die, meiner Meinung nach, viel zu junge Lehrerin versucht krampfhaft wieder die Aufmerksamkeit der Klasse zu bekommen: „Bitte seit nett zu ihm.“
Sie macht die Türe auf: „Klasse, das ist Lou Hellsing.“
Ich falle fast ab dem Stuhl als ich Luzifer erkenne. Seinem Grinsen nach hat er es bemerkt, er schaut mich an als wolle er sagen: Na? Überrascht?
Zur Antwort nicke ich heftig und wie ich überrascht bin.Zur Begrüssung hebt er die Hand, er erzählt nichts über sich, aber was sollte er auch sagen?
Hey, mein Name ist eigentlich Luzifer und ich bin übrigens Satan!
Schön wärs...
Aber was macht Lou, hier?
Wenn er wegen Amy hier ist... Wenn der Herr der Hölle hier ist und Amy der Grund ist dann, ist sie so gut wie verloren. Ich sehe wie sich ihre Augen, hinten in der Ecke weiten, wir beide wissen was seine Anwesenheit bedeutet, so sehr ich mich auch freue ihn zu sehen.Flo stupst mich an und flüstert mir ins Ohr, ob das nicht mein Freund von neulich sei, dabei legt sie Betonung in das Wort Freund. Ich lasse mich gar nicht erst herab ihr zu antworten, wenn sie wieder damit anfängt wir seien zusammen.Luzifer steht immer noch vorne und sagt kein Wort, ich glaube die Lehrerin will unbedingt dass er etwas sagt. Aber so wie ich Lou kenne wird er schweigen, er ist ein Sturkopf, vielleicht ein fast noch grösserer als ich.Wenn Lou einen Entschluss gefasst hat dann bleibt er dran, aufgeben?
Vergiss es.Vielleicht ist das der Grund wieso er zu Satan wurde, wieso er sich den Anderen nicht gebeugt hat. Zu Stur.Es ist sein ausgeprägtester Charakterzug, es ist seine Stärke und gleichzeitig seine grösste Schwäche.Endlich darf er sich setzten und irgendwie erleichtert geht er zu dem einzig leeren Platz, neben Nils. Ich merke wie er mich anschaut: Ist er das?
Ich nicke.Lou beobachtet ihn, durchdringend und berechnend. Er versucht ihn einzuschätzen, er versucht herauszufinden was für ein Mensch er ist, wie er tickt und ob er ihn mag oder nicht. All das in Sekunden, die ersten zehn Sekunden seien entscheidend, bei Lou auf jeden Fall.„Wieso bist du hier?“, ich starre ihn an, der Wind fährt mir durch die Haare und ich verschränke die Arme zum Schutz. Es ist Pause und wir stehen Beide unter dem Baum, der Grosse, der im Vorhof steht.Betreten schaut er zu Boden: „Du weisst wieso...“
Plötzlich werde ich wütend: „Es ist nicht nötig, dass du hier bist. Sie wird nicht zum Dämonen!“
Ich schreie förmlich, jeder könnte mich hören, im Moment ist mir das völlig egal. Ich bin zu wütend, wieso weiss ich selber nicht so ganz.„Bitte, reg dich nicht auf Jake“, er sieht irgendwie so furchtbar verzweifelt aus. Und da ist meine Wut plötzlich weg, ihr ist so was wie Verzweiflung und Leere gefolgt.
Ich schaue ihn an: „Meinst du ich schaffe das?“
Er Lächelt und umarmt mich: „Natürlich.“
Für einen kurzen Moment lasse ich mich einfach fallen und schliesse die Augen, geniesse das er so nah bei mir ist und lausche seinem Herzschlag. Bubum, bubum, bubum... es hat etwas Beruhigendes.
Dann fällt mir was ein und ich winde mich aus seinem Armen: „Wieso bist du dann hier?“
Er zuckt mit dem Schultern: „Wer weiss...“
Und damit muss ich mich zufrieden geben das weiss ich.Wer weiss..., ich habe keine Ahnung was er damit meint.

Ich gehe an ihm vorbei wieder in die Schule, noch eine Lektion dann habe ich es für Heute geschafft. Nur noch eine Stunde dann habe ich frei.Ich spüre Lou hinter mir und lächle ein wenig, es tut gut zu wissen, dass er hier ist, es tut gut zu wissen, dass er nicht verschwindet sobald ich mich mal umdrehe. Auch wenn er wegen Amy hier ist.

 

Kapitel 8

Ich sehe Amy in die Augen, Zeit alles auf eine Karte zu setzen. Wir sitzen in meinem Zimmer auf dem Bett, Nils ist sonst wo, nur nicht hier. Bevor ich die Frage stelle, vor der ich mich bis jetzt immer gedrückt habe, atme ich noch einmal tief ein und sammle mich, dann: „Wieso hast du dich umgebracht?“
Sie starrt mich mit weit aufgerissen Augen an, dann schaut sie zu Boden: „Es ist eine lange Geschichte und damit du das ganze verstehst, muss ich bei meiner Familie beginnen. Ich will das du vorher aber noch etwas weisst, der Grund wieso ich hier bin ist nicht Nils, sondern ich, ich kann nicht gehen und ihn alleine lassen, ohne das ich mich jemals von ihm verabschiedet hätte. Mich umzubringen war eine spontane Reaktion und ich hatte keinen Abschiedsbrief geschrieben oder so, in dem Moment konnte ich einfach nicht klar Denken, in meinem Kopf waren nur der Schmerz, die Angst, der Hass und die Verzweiflung. Wenn du mir wirklich helfen kannst, dann sage ich es dir.“
Sie stoppt kurz und starrt zu Boden, eine einzelne Träne rollt ihr über die Wange und ich nehme ihre Hand. Zeig dem Geist dass du für ihn da bist, das habe ich gelernt, Engel sind Lügner. Sie tun alles um möglichst schnell nach Hause zu kommen, aber Amy mag ich wirklich, irgendwie.
Dann fährt sie fort: „Unsere Eltern kommen aus reichem Hause und sie sind beide Professoren, sie legen grossen Wert auf schulische Leistungen, sie wollten das wir das gleiche werden wie sie, gleich brillant sind. Für mich war das nie ein Problem, aber Nils ist schlecht... Er kann sich einfach nichts merken, weder die Rechtschreibung noch die Wörter in den Fremdsprachen, und Zahlen, von denen wollen wir gar nicht reden. So war ich ihr Liebling und wurde verhätschelt während er nur im Hintergrund stand.

Aber er hat sich nie beklagt, mir nie die Schuld dafür geben und dafür bewundere ich ihn. Im Gegenteil, ich wurde zu seiner Stütze, ich wurde die zu der er kam wenn er schlecht geträumt hatte. Ich, seine kleine Schwester wurde zu seiner Mutter und ich war glücklich so. 
Ich war hier glücklich, hier gab es nur uns Beide, hier waren wir weit weg von den Wertschätzungen unserer Eltern und auch Nils blühte auf. Er wurde von dem schüchternen Jungen zu einem fröhlichen, aufgestellten Teenager den jeder mochte. Alles war gut.
Glaubst du an Karma?
Ich nicht. Aber dann kam hier dieser neue Lehrer Mr. Allen, ein eher junger Mann mit einem seltsam irren Blick, jetzt ist er nicht mehr hier. Ich glaube er hat gekündigt. Er begann gefallen an mir zu finden und flirtete mit mir, zuerst war es ganz harmlos. Aber dann wollte er mehr als nur mein Lächeln, er wollte mich und meinen Körper.“
Sie fing an zu zittern bei der Erinnerung. Und ich warte geduldig bis sie sich wieder beruhigt hat, sie zu drängen hilft auch nicht. 
„Ich habe ihm natürlich gesagt das könne er nicht machen und ich würde es der Schulleiterin sagen, aber er hat gedroht er würde dafür sorgen das ich und Nils von der Schule fliegen werden, ehe ich auch nur ein Wort sagen kann. So im Nachhinein wirkt die Drohung natürlich unsinnig, immerhin hat man ihn dann als Pädophiler geoutet, aber damals hatte ich Angst und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Diese Last, dass er mich nicht in Ruhe lässt und ich es niemandem sagen kann, nicht einmal Nils, weil er alles weiss und zwar wirklich alles, erdrückte mich fast und ich fing an mich zu ritzen. Nils merkte natürlich, dass etwas nicht stimmte, aber ich habe geschwiegen. Ich wollte nicht, dass er wegen mir leidet, dass er wegen mir wieder zurück muss. 
Meine Noten haben darunter gelitten und meine Eltern fingen an davon zu reden, wie enttäuscht sie von mir seien. Ich begann, mich immer mehr zurückzuziehen und in meiner eigenen Welt zu leben. Zu der Zeit verlor ich all meine Freunde und die Liebe meiner Eltern, einzig Nils blieb bei mir. Er war für mich da und ich habe ihn im Stich gelassen.“Sie fängt an zu schluchzen und ich nehme sie in den Arm, drücke sie ganz fest an mich und versuche sie zu beruhigen. Wenn jetzt jemand reinkommen sollte, würde er ein seltsamen Bild vor sich sehen, ein Typ, der die Luft umarmt. Tja, danach wäre ich der Irre in dieser Schule. 
Unter Tränen fährt sie fort: „Ich sprang, als er mich wieder einmal bedrängt hat. Als er wieder einmal nachts in mein Zimmer kam, mich, wo kein Lehrer seine Schüler berühren sollte, berührte, wo gar niemand jemand berühren sollte, der es nicht will. Ich verlor die Nerven und schlug ihn, mit voller Kraft und rannte weg. Wohin weiss ich nicht mehr. Einfach nur weg. Im nächsten Moment lag ich am Boden und schwebte. Es dauerte eine Weile bis ich begriff, dass ich tot war. Aber entfliehen konnte ich offensichtlich nicht.“
Sie drückt ihr Gesicht an meine Schulter und ich weiss das sie versucht die Erinnerungen zu vertreiben, die die sie nie mehr in Ruhe lassen werden. Auch nicht in Utopia, aber dort wird das vergessen einfacher. 
„Du musst gehen... du musst weg...“, flüstere ich ihr ins Ohr und sie nickt. 
„Aber wie?“, ihn ihrem Blick liegt die Verzweiflung. 
Ich zucke mit den Achsel: „Schreib Nils einen Brief, erklär ihm alles. Ich würde ihn für dich schreiben und du diktierst mir.“
Ihre grossen Augen starren mich an: „Wirklich?“
„Ja klar.“, ich grinse schief und nehme Papier und Stift zur Hand.
Lieber Nils
Wenn du dies liest bin ich tot und kann dir all die Dinge nicht mehr selbst sagen.
Als erstes will ich, dass du weisst, wie sehr ich dich geliebt und bewundert habe, du warst mein Vorbild, mein grosser Bruder eben. 
Was ich hier schreibe, ist die Geschichte wieso ich ging. Wieso ich dich alleine gelassen habe und es tut mir so unendlich leid, es tut mir so unendlich leid, dass ich nicht aufgehört habe zu kämpfen. 
Es tut mir leid.
Ich liebe dich, so sehr. 

Sie erzählt ihm alles, von ihren Gefühlen, von ihrer Verzweiflung, von ihrem Schmerz und Angst. Meine Hand fliegt nur so über das Papier und ich komme gar nicht mehr mit, mit schreiben. Amy sitzt da und weint sich die Augen aus, sie redet sich alles von der Seele, erzählt ihm von ihren tiefsten Geheimnissen und ihren grössten Ängsten. Sie öffnet ihm ihr Herz.
In ihren Worten liegt so viel Liebe, so viel Liebe...
Das ist etwas Gutes an den Menschen, sie können so sehr lieben und hoffen, aber auf Liebe folgt Schmerz und auf Hoffnung folgt Enttäuschung.
Wir Engel haben damit aufgehört, weil Gefühle bedeuten, dass man verwundbar ist und Engel sind bekanntlich perfekt.
Ich merke, wie Amy die Augen schliesst und immer durchsichtiger wird, sie kann gehen.
Plötzlich weiten sich ihre Augen und sie wird wieder klarer: „Warte! Wohin werde ich gehen? Wie wird es dort sein?“
Ich lächle leicht: „Du wirst nach Utopia gehen. Dort wird es wunderschön sein, dort kannst du endlich glücklich werden und auf Nils warten. Dort wirst du vergessen können.“
Sie lächelt und schliesst wieder ihre Augen: „Gut... es wird alles gut, oder?“
Ich nicke und sehe zu, wie sie ganz verschwindet. Ich habe es geschafft, sie ist in Utopia und ich kann endlich nach Hause.

Kapitel 9

Ich kann nach Hause, zurück in den Himmel. Und doch weiss ich irgendwie nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Schliesslich ist Lou gerade erst gekommen und ich gehe wieder. Allerdings ist auch Amy nicht mehr hier, also wird er wieder gehen.Mit diesem Gedanken packe ich fröhlich weiter, bis ich Lou bemerke, wie er am Türrahmen lehnt und mich beobachtet.„Du hast es geschafft?“, in seinem Blick liegt irgendetwas Seltsames, das mich aufhorchen lässt.Ich nicke und widme mich wieder meinem Koffer. „Schön, dann kannst du ja wieder nach Hause, in deinen ach so tollen Himmel.“Er ist wütend, Lou ist wütend und ich habe keine Ahnung wieso. Das macht mir Angst und fasziniert mich zugleich. Aber auf seine Spielchen habe ich jetzt echt keinen Bock: „Hör mal, ja ich habe es geschafft, sie ist in Utopia und ich darf wieder nach Hause. Wenn es dich nervt, dann sag es, sag was dich stört. Aber bitte hör auf mit diesem scheinheiligen Gelaber.“Damit knülle ich mein Shirt zusammen, werfe in den Koffer und gehe nach draussen. Ich kann nach Hause, nach Hause. Nur daran denken und nicht an Luzifers irgendwie schon fast enttäuschten Blick. Was ist nur los mit mir?Nach Hause, ich darf wieder in meinem Bett schlafen, ich bin alle diese nervenden Menschen los und doch...

Ich könnte sogar meine Zwillingsschwester wiedersehen, auch wenn sie eine Nervensäge ist und unser Verhältnis nicht wahnsinnig toll ist, verspüre ich doch einen kleinen Stich bei dem Gedanken an sie. Irgendwie vermisse ich ihn Lachen doch, das leuchten ihrer Augen, die Vertrautheit ihres Geruches. Sie ist die einzige Person im Himmel die mir im Himmel noch gebliebenen ist. Mein Vater hat mich seit dem grossen Krieg abgeschoben und die Anderen mochten mich noch nie. Nur sie....Und Luzifer natürlich, sein Lächeln, seine nähe...Bei ihm kann ich, ich sein, bei ihm fühle ich mich wieder lebendig.Scheisse. Drehe ich langsam total durch, oder was?Das wird bestimmt besser, wenn ich im Himmel bin.Der Wind bläst mir durch die Haare, das werde ich vermissen, das Gefühl lebendig zu sein, der Wind, der Regen, die Wärme der Sonne. Diese wunderschöne Erde, wer sagt, dass der Himmel besser ist, hat keine Ahnung, deshalb bin ich gerne Begleiter. Aber der Himmel ist meine Heimat, ich liebe ihn, mehr als die Erde. Dort muss man nicht bei jedem Schritt aufpassen, ob man nicht doch auffällt, dort sind alle meine Freunde, alle die ich liebe. Welche Freunde Jake?Wen liebst du?Wer liebt dich?„Sei still“, fahre ich diese innere Stimme an. Aber ich weiss, sie hat recht, ausser Luzifer habe ich niemanden und Luzifer ist hier.Zum ersten mal verspüre ich so was wie Trauer gehen zu müssen.Doch dann freue ich mich wieder irgendwie, auf die Heimat, auf meine kleine Wohnung und vor allem auf mein Bett. Da sehe ich ein verräterisches Flackern und weiss genau, was jetzt kommt, ich weiss es einfach. Es gibt diese Momente im Leben, in denen weisst du, dass etwas Schlimmes passieren wird, noch bevor es geschehen ist. Der Cherub steht nun vor mir, diese lästigen kleinen Flügel flattern meiner Meinung nach viel zu schnell hin und her, und von Kleidung hat er immer noch nichts gehört, Lukas.Immer wenn ich Ärger habe, ist er der Überbringer, langsam weiss er wie er ausweichen kann, wenn ich wieder gewalttätig werde. Er hasst mich und ich verabscheue ihn. So passen wir eigentlich gut zusammen.„Was ist?“, knurre ich.Der Cherub geht schon einmal vorsorglich in Deckung: „Es ist wieder einer gestorben, ein Junge. Hier in der Stadt, du musst leider noch bleiben...“Ich starre ihn eine Weile lang nur zu Grund und Boden, dann knurre ich was von verschwinden und er ist weg. Erleichtert seufze ich auf, und setze mich. Was bin ich jetzt?Erleichtert?Enttäuscht?Beides. Schmollend hocke ich auf dem Bett und starre an die Decke, war wohl doch nichts. Hoffe nur der Geist ist keine Nervensäge. Aber viel Hoffnung hab ich da nicht, alle Geister sind nervig.Ich merke, wie Lou hineinkommt, ich schaue auf und lächle matt.Er sieht mich an: „Tja, wann muss ich dir auf wiedersehen sagen'?“Ich stöhne leise: „Gar nicht, ich bleibe noch. Irgend so ein Idiot hat es für nötig gehalten, sich von erschiessen zu lassen.“Er lächelt und setzt sich neben mich, ich weiss, dass er auch noch bleiben wird, und ich weiss, dass er erleichtert ist. Ich lege mich hin und schliesse die Augen, ich merke, wie Lou vorsichtig aufsteht, er will mich nicht wecken. Die ganze Zeit dachte ich, ich sei hell wach und jetzt schlafe ich beinahe ein. Kurz vor dem Einschlafen bemerke ich, wie Lou hinaus und Nils hinein kommt, er weint. Wahrscheinlich hat er den Brief gelesen, ich lächle noch kurz ehe ich ganz abdrifte.

 

Kapitel 10

Vorsichtig schaue ich mich um, ich weiss sofort, wo ich bin, im Himmel, in Gottes Halle. Die hohen Säulen, das viele Gold, der Boden aus Glas, alles so wie es immer ist.

Und da sitzt sie auch, wunderschön und kalt, Uriel, Gott. Ihr gegenüber ein Mann, tief über einen kleinen Tisch gebeugt, wodurch ich sein Gesicht nicht erkennen kann, auch wenn er mir nicht den Rücken zugedreht hätte.

Ich sehe, wie Uriel mich bemerkt und sich ein schmales Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet. Ich erschrecke immer wieder, wie sehr sie Lou ähnelt, die gleichen eher schmalen Gesichtszüge, das gleiche spitze Kinn und doch so anders. Lous Blick ist warm und weich, ihrer hart und fest, als ob sie dir ohne zu zögern gleich ein Messer in den Rücken rammen würde, ihr Blick erinnert mich an den meines Vaters.

Wir sind doch Engel, von den Menschen gefeiert und verehrt, aber davon bekommen die hier nichts mehr mit. Deshalb bin ich eigentlich gerne Begleiter, so weiss man wenigstens, was bei den Menschen abgeht.

Vorsichtig komme ich näher, so dass ich auch das Gesicht des Anderen erkennen kann. Ich schrecke zurück, als ich das Gesicht sehe, Mephisto. Er ist Luzifers Bruder, er ist der eigentliche Herr der Hölle, von den Menschen vergessen.

Die Menschen vergessen so einiges, sie verdrängen es, wenn es ihnen Angst macht, wenn sie es nicht sehen wollen.

Mephisto war es, der damals die Rebellion angezettelt hat, er war es, der angefangen hat, Gott in Frage zu stellen. Aber Luzifer blieb in den Erinnerungen der Menschen, vielleicht weil er einfach der leidenschaftlichere Kämpfer ist. Wenn Luzifer kämpft, dann kämpft er stur und verbissen und vor allem mit dem ganzen Herzen. Mephisto ist da eher kalt.

Lange nicht gesehen, Jacob“, er nennt mich immer noch beim vollem Namen.

Ich nicke nur, was macht er im Himmel?

Er wendet sich wieder dem Tisch zu. Erst jetzt bemerke ich, dass ein Schachbrett drauf steht, Schwarz für Mephisto und Weiss für Uriel.

Sie macht einen Zug und schlägt die Dame. Die weisse Figur fällt mit einem leisen Klacken hin, ich fahre zusammen.

 

Mit einem lauten Schrei fahre ich aus dem Schlaf und falle fast aus dem Bett. Verschlafen streiche ich mir übers Gesicht und merke, dass meine Wangen ganz nass sind von den Tränen und meine Hände immer noch zittern.

Was war das?

Ich schliesse wieder kurz die Augen und wieder ist da dieses Bild von der fallenden Dame, wieder diese Angst.

Alter, lebst du noch da oben?“, höre ich Nils ein wenig verpennt von unten.

Jaja, alles okay. Nur ein Albtraum.“, antworte ich seufzend.

Damit ist die Sache abgeschlossen und Nils schläft wieder friedlich weiter. Nur ich liege da und starre in die Dunkelheit, immer wieder diese Dame und immer die Angst, der Schmerz und die Trauer. Die Tränen rollen mir immer noch über die Wangen und sie wollen einfach nicht aufhören.

 

Jake? Du siehst aus wie eine wandelnde Leiche.“, Luzifer sieht mich besorgt an.

Ich streiche mir mit der Hand übers Gesicht: „Schlecht geschlafen.“

Er sieht mich mittleidig an und drückt mir eine Tasse Kaffee in die Hand.

Ich murmle nur ein verpenntes, Danke.

Hattest du einen Alptraum?“, hakt er nach.

Ja, ich habe von Uriel und Mephisto geträumt und einem Schachspiel. Irgendwie war da überall diese Angst und ich fing an zu zittern“, die Tränen steigen wieder in meine Augen, scheisse, es war doch nur eine blöde Dame.

Luzifer drückt mich an sich, und ich drücke mein Gesicht an seine Brust und atme seinen Duft tief ein.

Ein atmen, aus atmen.

Bis ich mich wieder beruhige.

Er lächelt mich an, und drückt mich noch einmal an sich.

Geht's wieder?“

Ich nicke und nehme einen kräftigen Schluck von dem Kaffe, wie ich das Getränk hasse, aber es macht wach.

Flo, die es irgendwie geschafft hat die Umarmung zu fotografieren, quietscht jetzt vor sich hin.

Ich stöhne, Luzifer lacht nur, vielleicht ein wenig herablassend.

 

Am Sonntag mache in mich auf zu der Stadt, um den Geist zu suchen. Luzifer habe ich in der Schule gelassen, keine Ahnung brauche einfach ein wenig Zeit für mich. Ich habe noch seine heftigen Proteste im Ohr, bei der Erinnerung muss ich lächeln.

Wo könnte dieser dämliche Geist wohl sein?

Da sehe ich ihn, ein Afroamerikaner, am Tanzen auf der Strasse, kein Wunder ist er überfahren worden, wohl wirklich ein Idiot.

Das ist wohl einer der wenigen noch übrig gebliebenen Breakdancer, Trainerhosen und ein ärmelloses dunkel rotes Shirt, das einen guten Blick auf seinen muskulösen Körper bietet und die Baseballmütze, die natürlich nicht fehlen darf, über seine Rastas.

Das angenehme ist, das man bei Geistern die Verletzungen nicht sieht, sonst hätte ich bei ihm glaube ein echtes Problem, ich hab seinen toten Körper gesehen, das war mehr Matsch als Mensch.

Er sieht wie einer von denen aus, die nur für das Tanzen leben, die jeden Tag bis zum umfallen trainieren, weil es das einzige ist, an das sie sich festhalten können.

Ich frage mich, was ihn noch hält, wieso er noch hier ist, in einer Welt die ihm offensichtlich nichts als Schmerz und Gewalt gebracht hat, ich sehe in seinen Augen.

Jetzt als Geist tanzt er weiter, wieder auf der Strasse, nur ohne Musik, ohne dass ihn jemand sehen könnte nur für sich.

Aus irgendeinem Grund bannt mich seine Gestalt und ich bleibe mitten auf der Strasse stehen, beobachte ihn. Ich muss ein seltsames Bild darstellen, ein Junge, der mitten auf der Strasse stehen bleibt und ins Leere starrt.

Irgendwann bemerkt er mich, und sieht mich lange an, und stellt die Frage, die ein Geist immer als erstes stellt: „Du kannst mich sehen?“

Genervt verdrehe ich die Augen, und dann kommt das übliche Gespräch.

Wieso kannst du mich sehen?

Wer bist du?

Wieso bist du hier?

Wieso kann ich nicht weg.

BlaBlaBla...

Zumindest ist er nicht einer der besonderes gesprächigen Sorte, wenigstens das.

Er wurde von einem Auto überfahren, weil man sich hier offenbar nicht gewohnt ist, dass die Leute auf der Strasse tanzen. Er ist Anfang zwanzig und heisst Lain, eigentlich kommt er nicht von hier und ist nur mit seiner Freundin, die ich übrigens nicht gesehen habe, hier her gereist, was sie auch immer hier wollten. Aber das geht mich ja auch nichts an.

Mein Blick schweift zu dem kleinen, ziemlich offensichtlich selbst gebauten Holzkreuz, das wohl dort steht, wo der Arme gestorben sein muss, das Blut ist zwar weg, aber es sind die Löcher im Bordstein gebliebenen.

Das Kreuz muss wohl von seiner Freundin stammen, so liebevoll wie er es ansieht. Da fällt mir ein kleiner Strauss von blauen kleinen Blumen auf, Vergissmeinnicht. Es sind schöne Blumen, wahrscheinlich ebenfalls von seiner Freundin.

Ich winke ihm noch einmal zum Abschied, mir egal was die Leute von mir denken. Ich bin kein Psycho! und gehe, Zeit zu Abend zu essen. Das findet übrigens auch mein Magen, der sich laut knurrend bemerkbar macht.

Kapitel 11

Ich liege in meinem Bett und starre die Decke an. Mir ist langweilig, da hat man endlich mal Ferien und dann hat man nix zu tun, ausserdem habe ich einfach keine Lust aufzustehen, so schön warm. Nils ist bei seinen Eltern, ohne Amy, wahrscheinlich hockt er jetzt gerade vor ihrem Grab oder in ihrem Zimmer und sucht nach ihrem Geruch. Flo ist noch da und nervt, leider hat sie sich auch noch mit Angel angefreundet, die beiden hocken jetzt immer kichernd zusammen und nerven. Ihre Freundin, diese Lily ist zum Glück auch Zuhause, nur noch so eine kleine Japanerin, Rin heisst sie, glaube ich, ist noch da. Ich glaube die steht auf Lou, denn sie wirft sich immer so an ihn ran, ich hasse sie. Langsam stehe ich auf und greife nach der Brille auf meinem Nachttisch, um mich endlich einmal anzuziehen. Verpennt gehe ich ins Badezimmer und wasche mich erstmal, ehe ich endlich wieder einmal normale Sachen anziehen kann. Dann gehe ich nach Draussen um die Anderen zu suchen, vor allem Lou. Ich laufe in etwas festes und falle heftig nach hinten auf den Steinboden, ein stechender Schmerz fährt mir durch die Arme mit denen ich mich abgestützt habe. Zwei leuchtend, blaue Augen Lachen mich an, mein Herz beginnt schneller zu schlagen, scheisse beruhige dich, es ist Lou. Er streckt mir seine Hand hin: „Pass auf wo du hinläufst, Kleiner.“Ich nicke ein wenig verschreckt und lasse mich von ihm hochziehen, mein Magen beginnt zu knurren, scheisse habe ich Hunger. Ich schaue auf mein Handy, schon eins, habe wohl ein wenig zu lange einfach so im Bett gelegen.Lou starrt irritiert auf meinen Bauch, hat es wohl gehört: „Wollen wir was Essen?“Ich nicke: „Oh ja.“Zuerst schauen wir in dem Esssaal vorbei, der aber leer ist, weit und breit nichts Essbares, dass heisst wir müssen wohl in die Stadt. Ich weiss, dann muss ich wohl oder übel noch beim Geist vorbeischauen. Ich greife mir in die Jackentasche, Brieftasche dabei?Ja.Gut.„Wir können gehen.“Lou nickt und wir gehen nebeneinander in Richtung Ausgang, irgendwie freue ich mich ja. Ich erinnere mich noch so in etwa an die hübsche Bar, in der ich das letzte mal mit Flo und ihrer Freundin, ähm...Wie hiess sie noch mal?Ich glaube Lily, genau Lily. Ein wenig stolz bin ich ja schon, immerhin habe ich mich an ihren Namen erinnert. Applaus, bitte. Applaus.Trotzdem brauchen wir eine halbe Stunde um sie zu finden, denn mein Orientierungssinn ist am Arsch. Die Soldaten sind immer noch da, aber diesmal sind es andere, ein paar mit weniger harten Blicken, mit noch Hoffnung darin. Und erst jetzt fällt mir auf wie ähnlich sie dem von Lou sind, er hat genauso den Blick eines Soldaten, hoffnungslos, kalt, hart. Er sieht auf und schaut mir mitten in die Augen, sein Blick wird weicher, und da ist noch etwas, ganz tief hinten, etwas undefinierbares.Hoffnung?Nein, es ist etwas anderes, wärmeres. Aber ich komme nicht darauf was es ist.Ich bestelle mir ein Bier und ein Sandwich, Lous missbilligenden Blick ignoriere ich einfach.Der Barkeeper verlangt meinen Ausweis, um zu sehen ob ich schon sechzehn bin. Sehe ich wirklich so jung aus?Darauf bin ich achtzehn, eigentlich ein tolles Alter, man kann jetzt alles machen was man will. Klar ich bin eigentlich zweihundertsechsundreissig, was für einen Engel verdammt jung ist. Auch so um die achtzehn, wahrscheinlich ein wenig jünger. Ich weiss was Lou davon haltet, Alkohol. Er hasst ihn, und ich liebe ihn, er lässt einem so schön vergessen, alles besser sehen, er lässt einem die schlimmen Dinge übersehen. Keine Ahnung wieso Lou das Zeugs so hasst, für ihn wäre es genau das Richtige. Der bittere Geschmack des Biers breitet sich in mir aus, und gibt mir ein wohlig warmes Gefühl, auch zum Morgen- Mittagessen tut es gut, auch wenn viele darüber schimpfen. Das Sandwich schmeckt wie Karton, aber bei meinem Hunger ist mir das egal. Gierig schlinge ich es herunter, das ganze noch mit einem ordentlichen Schluck Bier, herunterspülen und dann schmeckt es toll. Lous belustigten Blick bemerke ich gar nicht, zu sehr bin ich mit dem Essen beschäftigt. Als ich bei Lain angekommen bin, tanzt er nicht mehr. Er steht nur da und beobachtet ein hübsches, dunkelhäutigen Mädchen, mit langen, lockigen schwarzen Haaren, die gerade ein Vergissmeinnicht auf das Holzkreuz legt. Als sie sich umdreht sehe ich mandelförmigen, schokoladenbraune Augen. Aber sie scheint durch mich durchzusehen, so als ob sie nach jemandem suchen würde.Lain schluckt schwer, und ich merke, dass das seine Freundin ist, war. Ich sehe eine Träne in seinen Augenwinkeln und jetzt bin ich der, der einen Kloss im Hals hat, in dem Moment wünsche ich mir mehr als alles andere auf der Welt, dass Lou hier wäre. Es ist irgendwie schmerzhaft zu sehen wie Lain, seine Hand nach dem Mädchen ausstreckt ohne sie berühren zu können, die beiden sind sich so nah und doch so unendlich und unüberwindbar weit weg. Irgendwie erinnert er mich an mich und Lou, wir Leben in verschiedenen Welten und doch zieht es uns zueinander, und doch sind wir so weit voneinander entfernt. Das Mädchen dreht sich um und ich sehe wie sie weint und nicht mehr aufhören kann, so muss es wohl jedes mal sein, jeden Tag. Seit seinem Tod. Sie ist weg.„Wie heisst sie?“, ich trete hinter Lain.„Anima, bedeutet Seele, Lebenskraft, Atem und genau das war, ist sie für mich. Alles, Überlebenswichtige und alles was ich brauche.“, in seiner Stimme ist die Wut und Verzweiflung darüber, dass er einfach gegangen ist und sie alleingelassen hat. Das er ihr das angetan hat, was sein schlimmster Albtraum war. Irgendwann wird es mir zu traurig und ich gehe wieder in die Schule, mit dem Versprechen Morgen wieder zu kommen.„He, Jake!“, es ist Lain.Ich drehe mich noch einmal um.„Ich bin egal, selbst wenn ich zu einem dieser... Dämonen werde. Ich will nur, das sie glücklich wird und mich vergisst, dass sie das alles hier hinter sich lässt.“, ich sehe die Verzweiflung in seinem Blick und die unendliche Liebe darin.Bis zu jenem Tag habe ich nie, an die wahre Liebe geglaubt, bis ich diesen Geist kennengelernt habe. Denn er liebte seine Anima, so sehr. So sehr, dass man nicht anders kann als dran zu glauben.Ich gehe den langen Weg alleine, Eminem schreit mir mehr oder weniger in die Ohren, als plötzlich irgendeine schnulzen Ballade kommt. Wer hat das denn wieder drauf geladen?Ich beschliesse, sobald ich wieder im Schulhaus bin, Angel zu erklären, dass sie auf meinem Handy nichts zu suchen hat, auch wenn sie meinen Code kennt. Ich sollte ihn dringendst mal ändern. Ich trete in die Halle ein, meine Schritte hallen leise wieder, ich fühle mich plötzlich ganz klein, mit der Hohen Decke. Mir wird klar wie sehr ich dieses Haus hasse, hier ist alles so düster, gross und kalt. Ich weiss das so eine Burg im Mittelalter toll war, aber wir haben jetzt das 21. Jahrhundert und da braucht ihr so was nicht mehr, um uns sicher zu fühlen und besser bauen kann man jetzt auch. Also wieso an alten Zeiten hängen? Wie dumm die Menschen doch sind, sie halten an alten Zeiten fest. Machen sich ein romantisches Bild von der Vergangenheit, glauben damals sei es besser gewesen. Das stimmt nicht, sie nehmen nur die guten Sachen, ohne die schlimmen Dinge zu beachten, denn jede Zeit hat ihre Schwächen und eigentlich geht es ihnen jetzt am besten. Ich schaue kurz auf meine Uhr, schon drei. Aber was noch mit der restlichen Zeit anfangen?Langsam gehe ich in mein Zimmer und nehme meinen Geigenkasten in die Hand, und hole die Violine heraus. Sanft streiche ich mal probeweise mit dem Bogen darüber und verziehe unweigerlich mein Gesicht. Fuck, wann wurde die denn zum letzten mal gestimmt?Ich weiss es schon nicht mehr. Ich klemme sie mir zwischen die Beine und drehe vorsichtig zuerst mal am Wirbel, heimlich bete ich zu irgendwem das die Seiten nicht reissen mögen. Als sie wieder einigermassen als Töne erkennbar sind, und zwar die sie sein sollten, gehe ich zum Feinstimmer, unten bei den Seiten. Vorsichtig klemme ich sie mir und streiche mit dem Bogen darüber, immer wieder korrigiere ich die Töne ein wenig, bis sie alle perfekt stimmen. Dann beginne ich zu spielen. Es hat etwas beruhigendes die harten Seiten zwischen den Fingern zu fühlen und das vertraute, schon langsam abgegriffene Holz zwischen den Fingern zu fühlen. Ich kann nicht sagen welches Lied ich spiele, es ist eine Zusammensetzung aus Musikfetzen meiner Erinnerung, eine Ansammlung meiner Gefühlen und Eindrücke. Meine Wut, auf meinen Vater, die Frustration darüber immer noch hier zu sein meine Angst vor der fallenden Dame, und noch etwas was ich nicht zuordnen kann. Es ist da, aber ich weiss nicht was, ich kann es einfach nicht bestimmen was es ist.Hoffnung? Was sollte ich hoffen?Glück? Wieso?Liebe...? Nicht mein ernst. Und selbst wenn schon, wen denn? Meine Schwester?Luzifer? Ehrlich? Abrupt höre ich auf zu spielen, scheisse. Ich höre ein leises kichern hinter mir, als ich mich umdrehe, sehe ich Lou der mit verschränkten Armen im Türamen lehnt: „Das habe ich auch vermisst, deine Geige.“Ich lächle leise und streiche sanft mit den Fingern über das glatt lackiere Holz, rötlich, ein dunkleres rot, nicht eines dieser fast Orangen, ich spüre die vielen Kratzer und Hicke: „Ich auch, glaub mir. Ich auch.“

Kapitel 12

Ich liege auf dem Boden und versuche das Gekicher der Mädchen zu ignorieren. Angel hat sich wieder einmal innerhalb kürzester Zeit bestens eingelebt und versteht sich mit allen super, ich könnte kotzen. Seltsamerweise ist der Boden so gemütlich, dass ich nicht weg will, egal wie laut Angel, Flo und Rin auch sind. Vorsichtig hole ich mein Handy nach vorne, stecke meine Kopfhörer ein und drehe die Musik auf lauteste Stufe. Die Stimmen werden leiser und die Welt verschwimmt, jetzt gibt es nur noch mich. So liege ich mit geschlossenen Augen neben dem Flügel und höre einfach nur der Musik zu, alles abschalten, die Welt, das Gehirn, meine Gefühle. Ich weiss es gibt Leute, die sagen, man kann Gefühle nicht an und ab schalten, aber das stimmt nicht. Ich habe es gelernt, denn wenn du die Musik nur genug laut aufdrehst, dann kannst du nichts mehr hören, nicht einmal dich selbst. Ich öffne die Augen wieder und merke, dass meine Wangen ganz nass sind, so viel zum Thema Gefühle verdrängen. Langsam stehe ich auf, ich sollte vielleicht mal die Freundin des Geistes kennenlernen. Rin schaut auf als sie merkt das ich am gehen bin: „Weisst du wo Lou ist?“Sie lächelt mich an.Ich drehe mich um und strecke ihr den Mittelfinger hin, Angels vorwurfsvollen Blick ignorierend. Soll sie doch so kucken wie sie will, ich mag sie nun einmal nicht und das zeige ich ihr halt, ausserdem ist sie ein Mensch. Mit den Händen in den Hosentaschen vergraben, gehe ich Richtung Ausgang.Auf zu dieser Anima, ich hoffe wirklich sie ist einigermassen nett, so nett wie es eben geht für einen Menschen. Ausserdem ist sie wirklich hübsch, vielleicht schaffe ich es ja noch sie rumzukriegen. Ich grinse bei dem Gedanken, bis mir Lou wieder einfällt, und mein Lächeln erlischt. Der Regen prasselt auf mich nieder und ich merke wie meine Sicht durch die Brille immer schlechter wird, so gern ich den Regen auch habe, ohne irgendetwas Wasserdichtes und mit Brille ist er Scheisse. Anima steht da und starrt aufs kleine Holzkreuz, ich weiss, dass sie weint auch wenn ich ihr Gesicht nicht sehen kann. Lain steht hinter ihr und weint auch, okay jetzt heulen wir alle mal eine Runde, mal echt, was bringt es euch?Ich verstehe die Menschen nicht, immer so emotional. Und du Jake? Bist du besser? Denk doch mal an Lou.Ach sei still, das ist was anderes.Ist es das?Ja.Wieso?Ich hab gesagt sei still!Ich gehe auf sie zu, nicke zu Lain, der mich dankbar anlächelt.Vorsichtig tippe ich sie an der Schulter an und lächle, hoffentlich habe ich das mit dem Vertrauensvoll noch drauf. Bei noch lebendigen Menschen ist es immer schwerer, da man nicht mehr der Einzige ist. „Ich bin Jake. Haben sie ihn gekannt?“, ich zeige auf das Kreuz: „Tragische Geschichte wirklich.“Bedauert starre ich zu Boden, man ich hab's noch drauf, ich will, dass ihr euch vor mir verbeugt, jawohl verbeugen sollt ihr euch vor solchen schauspielerischen Fähigkeiten.Sie nickt und versucht ein wenig zu lächeln, zögernd ergreift sie meine ausgestreckte Hand. Sie hat einen leichten Handdruck und eine schmale Hand, so schmal, dass ich Angst habe ihre Hand zu erdrücken. Sie sieht überhaupt ziemlich zerbrechlich aus.„Er war mein Freund...“, sie versucht zu lächeln und stattdessen fängt sie an zu heulen: „Tut mir leid, normalerweise, bin ich nicht so weinerlich, es ist nur so ich vermisse ihn so... wissen Sie, im einem Moment war er noch da und dann...einfach nicht mehr...“Ich nicke verständnisvoll und sie fällt mir schluchzend in den Arm, ein wenig überrumpelt tätschle ich ihren Rücken. Ich spüre Lains Blick im Rücken, ich weiss er ist eifersüchtig. Aber nicht auf die Art, bei der der Freund eifersüchtig auf jeden anderen Jungen ist, okay vielleicht ein bisschen, aber es ist mehr diese, darfst sie berühren und ich nicht, Eifersucht. Als sie sich wieder beruhigt, entschuldigt sie sich so geschätzte tausend mal, das Mädchen fängt an zu nerven. Aber wie auch immer, das ist mein Job, und ich will endlich nach Hause. In meine kleine Wohnung, die ausnahmsweise mal nicht aus Glas ist, mit dem Computer und dem Bett. Erst jetzt wird mir klar wie traurig das, dass eigentlich ist, alles worauf ich mich freuen kann ist ein winziges dunkles Zimmer und Games, aber lange nicht so traurig wie Anima, die sich inzwischen langsam wieder beruhigt. Denn es gibt wenig, was trauriger ist, als ein Mensch, der beim Versuch zu lächeln, anfängt zu weinen. Wir setzen uns in ein Café, sie fängt an von Lain zu erzählen, dass er ihr hier einen Heiratsantrag gemacht hat, wie wunderbar er gewesen war, das alles eben und ich tue so als ob es mich interessieren würde. So habe ich zwei Stunden verbracht, und langsam ist es Zeit wieder zurückzugehen.

Kapitel 13

Ich starre in die Dunkelheit, keine Ahnung wie lange ich schon einfach nur so da liege, aus irgendeinem unerfindlichen Grund ist es mir zu still, ich vermisse Nils' leise Atemzüge unter mir, sein leises Schluchzen. Normalerweise mag ich es alleine zu sein, ich mag es nur meine Gedanken zu hören, aber nicht heute, heute ist die Stille laut, viel zu laut und meine innere Stimme geht in ihr unter. Ich summe leise vor mich hin, nur damit ich etwas höre, denn die Welt scheint still zu stehen und nicht einmal den Wind oder die Vögel hört man, nichts. Ich summe leise vor mich hin, nur damit sie nicht mehr ganz so erdrückend ist. Vorsichtig stehe ich auf, nehme die Brille vom Nachttisch und schleiche mich aus dem Zimmer. Erst als ich draussen stehe fällt mir auf, dass ich nichts ausser meinen Boxershorts anhabe, scheiss drauf, es ist Nacht, da schlafen normale Leute. Der Steinboden ist kalt, aber es ist eine angenehme Abwechslung zu der Sommerhitze, auch wenn es bald Herbst wird, ist es hier immer noch sehr warm. Die Nacht ist dunkel, der Mond ist nur eine kleine Sichel, allein der Nordstern leuchtet hell am Himmel, ich muss leise lächeln beim Gedanken an Lou und mein Versprechen, ein Versprechen zweier Kinder.

Da sitzt er auf einer kleinen Wiese, und sieht ebenfalls in den Nachthimmel. Ich setzte mich neben ihn, Lou sieht mich an und kurz scheint es so, als ob er mich nicht erkennen würde, dann beginnt er zu grinsen.So sitzen wir eine Weile nur da, und schweigen, die Stille ist immer noch da, ich würde so gerne schreien, irgendetwas tun, nur damit sie weg ist, doch ich bleibe still, bewege mich kein Stück aus Angst ich könnte Lou wecken. Ich weiss er schläft nicht, aber er ist auch nicht da, er wirkt wie eine Hülle. Ich betrachte ihn, seine eher harten Gesichtszüge, die blauen Augen in denen sich die Sterne spiegeln, seine blonden Haare wirken in dem Licht dunkler als sie eigentlich sind, ausnahmsweise fallen sie ihm nicht über ein Auge, so das ich das Brandmal sehen kann, Teufel, nein das ist Lou nicht, bloss ein Idealist. Lou schaut abrupt auf und wendet sich mir zu, er schaut mir mitten in die Augen und ich habe das Gefühl als sehe er durch mich hindurch: „Es hat begonnen.“

Ich starre ihn an, was meint er?„Es tut mir so leid Jake, so unendlich leid.“, er sieht mich an und diesmal ist sein Blick nicht leer, sondern voller Reue. „Was tut dir leid, Lou? Was ist los?“, ich schaue ihn an und spüre seine Angst, seine Angst wird zu meiner. „Der Krieg, der Krieg zwischen Himmel und Hölle, das Spiel, es hat begonnen, der erste Zug ist ausgeführt.“Ich starre ihn ungläubig an, das kann er nicht ernst meinen.„Und was denkst du? Wo wird er stattfinden? Wo wird das Niemandsland sein?“„Die Erde...“, die Erde wird darunter leiden. Ein Krieg zwischen Himmel und Hölle, zwischen Schwarz und Weiss wie die Menschen sagen würden, aber so einfach ist das nicht. Es kann nur die Erde sein, sie können nur hier kämpfen, denn ein Dämon oder gefallener Engel darf den Himmel und ein Engel die Hölle nicht betreten. Also werden sie sich hier abschlachten und die Erde wird darunter leiden, es wird Naturkatastrophen geben und tausende Menschen werden mit untergehen, so wie damals, als Lou und Mephisto gefallen sind, Menschen nannten es die Arche Noah, keine Ahnung wieso, ich glaube, sie glauben Gott wollte sie bestrafen oder so, weil sie zu habgierig waren. Die glauben tatsächlich es würde Uriel kümmern, ob sie jetzt gierig sind oder nicht. Wie auch immer.„Aber was tut dir leid?“, ich hatte Angst was jetzt kommt, so unglaubliche Angst.„Du wirst kämpfen, du bist der Läufer in diesem Schachspiel.“„Schachspiel? Lou, wovon redest du?“„Mephisto und Uriel haben sich folgendes ausgedacht, sie nehmen ein Schachspiel und suchen sich ihre Figuren aus, aber es sind keine normalen Holzfiguren, nicht nur. Denn die stehen einfach auf dem Brett, aber wer kämpfen und sterben muss, sind Engel, Dämonen und Menschen, sie spielen mit zweiunddreissig Leben, auch mit ihrem eigenen, denn sie sind die Könige, er seufzt.Das kann nicht wahr sein, er lügt, er kann nur lügen, das alles ist ein schlechter Scherz und ich bin weder Läufer noch sonst was. „Sag mir, dass du lügst“, ich fange an zu zittern, ob vor Wut oder Angst, ich weiss es nicht, wahrscheinlich beides. Er schüttelt den Kopf.

Und wieso ich? Wieso ausgerechnet ich?“

Ich merke wie meine Stimme immer lauter wird und ich zu schreien beginne, scheiss auf Nachtruhe. Lou scheint in sich zu versinken, er hätte mir leid getan, wäre ich nicht so unglaublich wütend gewesen. „Es tut mir leid, aber ich dachte Gabriel würde Uriel sagen, sie solle dich einsetzen und das darf auf keinen Fall geschehen. Da hab ich halt... Er hat aber auch nicht Angel eingesetzt und das heisst, na ja... Es tut mir leid.“Ich springe auf: „Verdammt Luzifer! Weisst du noch damals? Ich habe mich schon damals draus gehalten und werde es diesmal wieder tun. Egal was für eine scheiss Schachfigur ich sein sollte. Und überhaupt, es war schon immer dein Kampf und nicht meiner.“Lou fängt an sich zu entschuldigen, aber ich will es nicht hören, nicht jetzt. „Und du? Bist du auch eine Schachfigur?“„Dame....“, es ist kaum mehr als ein Flüstern und ich weiss, dass er unglaubliche Angst hat, genau so viel wie ich, oder sogar noch mehr. Das ist doch alles nur ein riesengrosser Albtraum, ich werde gleich aufwachen und mich zitternd in meinem Bett wiederfinden, wie bei der Dame. Aber ich weiss dass, das nicht der Fall sein wird, das hier ist bittere Realität. Resigniert setze ich mich wieder ins Gras, und lege mich auf den Rücken hin, erst einmal tief durchatmen. Ich sehe zum Nordstern hinauf und merke, wie die Wut von mir fällt: „Weisst du noch? Unser Versprechen?“Er lächelt: „Klar, wie könnte ich das vergessen?“„Hast du es deshalb getan? Wegen dem Versprechen?“, ich sehe ihn an. „Ja“, er lächelt mich zaghaft an.Ich lächle nicht zurück, ich bin froh, dass er die beiden Kinder von damals nicht vergessen hat, aber um zu lächeln fehlt mir die Kraft, zu tief sitzt die Angst vor dem, was kommen wird.„Was jetzt? Bleiben wir hier? Und wer sind die Anderen?“„Wir gehen, hier ganz in der Nähe, in einer verlassen Lagerhalle sind die Andern, ich glaube du kennst ein Paar von ihnen. Noch etwas, du kannst nicht zurück, du kannst nicht zurück in den Himmel, denn jetzt bist du ein gefallener Engel.“Das kann doch nicht wahr sein, nicht das auch noch. Mal ehrlich, ist es nicht schon schlimm genug, dass ich jetzt in diesen verdammten Krieg hineingezogen wurde und wahrscheinlich andere Engel töten muss, nein, ich kann auch nicht mehr in den Himmel, aber alles was ich sage ist: „Gut.“Denn das ist es, solange er bei mir ist, kann alles noch gut werden.

Kapitel 14

Ich schrecke hoch, heute ist der Tag, an dem ich weggehe. Weg aus dem scheiss Internat, weg von meiner Schwester, und irgendwie habe ich auch das Gefühl, weg von Gabriel, auch wenn ich weiss, dass ich mich schon lange abgewannt habe, von meinem Vater. Ich packe den Rest meiner Tasche, nehme sie in die eine und in die andere Hand meine Geige, umarme Angel zum Abschied, es war ganz schön schwer, ihr alles zu erklären, winke Flo noch ein letztes Mal zu und gehe neben Lou nach draussen. Ich werde dieses scheiss düstere Haus nicht vermissen, Nils auch nicht und Rin schon gar nicht, aber Flo vielleicht ein bisschen und Angel sowieso, egal wie sehr die beiden nerven können, sie sind ein Teil von mir, zumindest von Angel. Aber trotz allem fühlt es sich gut an, die Geige in der Hand zu spüren und zu wissen, dass Lou hier ist. Ich stecke mir einen Kopfhörer in mein eines Ohr, und schliesse kurz die Augen, lasse alles auf mich wirken, die Musik, der Wind, der leise Nieselregen. Mit der Angst und der Wut im Bauch, fühle ich mich wieder vollkommen lebendig, es tut so gut, so unendlich gut. Ich spüre Lous Blick, öffne meine Augen, und sehe in seine so unglaublich blauen Augen, sie wirken so tief, so unendlich tief. „Weisst du was Jake?“, seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln.„Was?“, ich sehe ihn mit grossen Augen an.„Du siehst glücklich aus“, in seinem Blick liegt in diesem Moment etwas, was ich noch nie darin gesehen hab, und ich hab keine Ahnung, was es ist, keinen blassen Schimmer.Ich schüttle den Kopf und starre zu Boden.Bin ich aber nicht, was hast du das Gefühl, wie es mir geht?Ich bin eine Puppe, du hast mich zu einer Schachfigur gemacht, was denkst du, wie es mir geht?Ich würde ihn so gerne noch einmal anschreien, ihm sagen was für ein unglaublich egoistisches Arschloch er ist, aber ich kann es nicht, ich schweige. Und verdammt noch mal, du kannst tun, was du willst, ich werde keine Schachfigur sein, die man einfach so herumschieben kann. Nicht ich.Glücklich, nein, das bin ich ganz sicher nicht. Vielleicht sonst ganz viel, aber nicht glücklich.Wütend, würde es eher beschreiben.So unglaublich wütend, dass ich Wände einschlagen könnte, schreien und weinen. Aber ich bleibe still, gehe einfach weiter neben Lou her und schweige. Weil ich Angst habe, sobald ich den Mund aufmache, dass ich dann nicht mehr aufhören kann. Dass ich dann so eine Art Stöpsel ziehe und dann alles ausläuft, alle Gefühle rauslaufen und ich dann einfach als leere Hülle zurückbleibe. Ohne Wut, ohne Angst, ohne Liebe...„Lou...“, flüstere ich, so leise dass ich nicht glaube, dass er mich gehört hat.„Ja?“, er sieht mich so unglaublich sanft an und mein Herz fängt tatsächlich an, schneller zu schlagen, scheiss Herz.„Ich werde keine scheiss Puppe sein, keine Schachfigur. Ich werde mich wehren, ich werde nicht zulassen, dass sie mich lenken, ich werde meinen eigenen Weg gehen, egal was kommt, aber ich werde keine Puppe sein.“Lou nickt nur und ich lächle ihn dankbar an.„Wir werden immer zusammen sein. Weisst du noch?Dieses Versprechen werde ich halten, ich werde dich immer begleiten, immer neben dir gehen, egal wie steinig und unsinnig dein Weg auch sein mag. Das hier ist mein neues Versprechen und dieses wir niemals gebrochen, nie.“

Ich sehe zum Himmel hoch und sehe den Mond, der hell am Himmel scheint, schon Nacht. „Und er wird Zeuge sein“, flüstere ich immer noch leise.Schweigend umarmt mich Lou, er drückt mich fest an sich und für einen kurzen Moment hab ich all meine Wut und Angst vergessen, für einen kurzen Moment ist wieder alles gut. Für diesen Moment gibt es nur mich und ihn, das leise Klopfen seine Herzens, und leise Atemgeräusche, er riecht nach Blumen, nach Regen, nach der Freiheit, die ich jage, und ein wenig nach Dreck, Schweiss und Blut. Er wird es brechen, Jake. Er wird es brechen, so wie er alle Versprechen bis jetzt gebrochen hat.Nicht dieses. Nicht. Dieses...Ich glaube daran. Dieses mal nicht...

Impressum

Texte: Alles Rechte bei mir
Bildmaterialien: Marijane
Lektorat: Flo *-*
Tag der Veröffentlichung: 27.11.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Marijane danke für das tolle Cover :D Und meine beste Freundin, vielleicht erkennst du dich ja wieder ;P ich hab dich ganz doll lieb *-* Und dich Gerry, weil du alles in dir begräbst, weil ich hoffe, dass du nicht zerbrichst :* Und Peer, weil du so viel für mich bist, ich hab echt keine Ahnung was ohne dich tun würde....

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