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Einleitung

 

Kopfüber

(Mitten ins Herz)

 

Mein Leben war bisher recht überschaubar. Ich wohne mit meiner Mom in einem kleinen Apartment am Stadtrand von Berlin. Sie arbeitet jeden Tag hart, doch ihr verdienst reicht gerade mal für das nötigste. Schon von klein auf musste ich lernen allein klar zu kommen. Ihr fehlte meist die Zeit sich um mich zu kümmern, doch ich habe mich daran gewöhnt. Ich kann mich wirklich nicht beschweren. Es hat eindeutig seine Vorteile, wenn man nicht ständig unter Beobachtung steht. Es gibt weder irgendwelche Regeln, noch rückt sie mir zu nah auf die Pelle. Für den ein oder anderen mag das vielleicht hart klingen, doch wenn man so aufwächst lernt man schnell sich nicht von seinen Gefühlen leiten zu lassen. Denn was der Mensch nicht kennt, das fehlt ihm auch nicht. Anstatt mich mit der Frage zu beschäftigen wie es wäre von seiner Mutter in den Arm genommen zu werden, widme ich mich lieber dem wesentlichen. In meinem Fall ist das meine beste Freundin Lexa und jede Menge Fun. In regelmäßigen Abständen bekommt meine Mutter dann ihre fünf Minuten wie ich es nenne, und startet einen ihrer Versuche mich zur Räson zu bringen, doch meistens gibt sie nach fünf bis zehn Minuten freiwillig auf und lässt mich wieder in Ruhe. Nachdem mein Vater uns kurz nach meiner Geburt verlassen hat, stand Mom mit mir alleine da. Ich kann nicht behaupten, dass er mir je gefehlt hätte. Sie hat es auch ohne ihn geschafft mich nicht verhungern zu lassen. Während sie also ihrem Beruf als Stationsschwester nachgeht, beschäftige ich mich mit den wichtigen Dingen des Lebens. Saufen, Party, Lästern und ab und zu mal einen rauchen. All die Dinge die siebzehnjährige ebenso Tun. Einmal die Woche versucht sie ihrer Pflicht als Mutter nachzukommen und verbringt eine Stunde ihrer kostbaren Zeit mit mir. Doch bisher ist es ihr nicht gelungen mich zu durchschauen. Für sie bin ich wohl immer noch die brave kleine Tochter, die sich nach der Schule ausschließlich, mit ihren Hausaufgaben beschäftigt. Was soll ich sagen, diese Phase ist lang vorbei. Zum Glück musste ich mich nie mit irgendwelchen Liebhabern von ihr herumschlagen, denn ich habe noch nie zuvor einen Mann an Ihrer Seite gesehen. Hier und da erwähnt sie zwar mal einen Namen, doch wie gesagt kennen lernen musste ich sie nie. Momentan befinde ich mich kurz vor dem Abschluss, was mich zunehmend nervöser macht. Die Angst zu versagen, nagt mit jedem Tag mehr an mir. Ich möchte mehr aus meinem Leben machen und dafür brauche ich nun mal dieses beschissene Zeugnis. Versteht mich nicht falsch, ich schätze den Beruf meiner Mutter sehr, doch wirklich weit ist sie damit nicht gekommen. Bis heute müssen wir jeden Cent dreimal umdrehen. Mein Ziel ist es Kunst und Designwissenschaften zu studieren, und mit etwas Glück werde ich auch zugelassen, denn mein Onkel ist Direktor der Kunsthochschule an der ich mich beworben habe.

Naja, und dann gibt es da noch Felix. Wir sind seit über zwei Jahren zusammen, leider kann ich nicht behaupten das wir immer noch Glücklich sind. Er ist mehr so die willkommene Abwechslung, wenn ich mich mal wieder einsam fühle oder einfach einen guten Grund brauche, um von nervigen Typen in Ruhe gelassen zu werden.

Neulich, es war mal wieder einer dieser Tage wo meine Mom etwas Zeit für mich hatte. Wir aßen gemeinsam und sie erwähnte ganz nebenbei, dass sie jemanden kennengelernt hat. Seither sind zwei Monate vergangen und sie erwähnt seinen Namen immer noch. Sehr ungewöhnlich, und Langsam für meinen Geschmack auch etwas zu nervig. Denn jedes zweite Wort dreht sich um den Mysteriösen Fremden, dessen Gesicht ich nicht kenne. Stutzig macht mich auch die Tatsache das sie regelrecht von ihm schwärmt. Das hat sie noch nie getan. Ich will mich auf keinen Fall einmischen, und ich kann nicht bestreiten das er ihr gut tut doch das sie schon wieder unsere halbe Einrichtung in Kartons gepackt hat irritiert mich dann doch etwas. Ich muss zugeben das sie das schon öfter gemacht hat, vor allem dann, wenn sie traurig ist, aber dass sie jetzt Renovieren will wo sie doch anscheinend glücklich mit ihrem neuen Typen ist, wundert mich dann doch etwas.

 

 

 

 

 

Kapitel 1

Schlimmer geht’s immer

 

 Ein paar Sonnenstrahlen kitzeln mich im Gesicht und ich wache auf. Einmal ausgiebig gestreckt, begebe ich mich unter die Dusche und dann beginnt der anstrengende Teil. Was ziehe ich bloß an? Im Badetuch umhüllt öffne ich meinen Kleiderschrank und durchforste ihn. Da es heute wieder sehr warm wird, wie wohl meistens Mitte Juli, fällt meine Wahl auf eine kurze Hot Pants und ein hellblaues Blusentop. Nicht zu vergessen natürlich die dazugehörigen Schnürsandalen. Meinen Schwarzen Bob, der mir bis zur Schulter reicht, brauche ich nur ein wenig mit Haarspray festigen, Smokey- Eyes und fertig. Zufrieden mit meinem Outfit, gehe ich die Treppe herunter in die Küche. Meine Mom wartet schon mit der Kaffeekanne in der Hand auf mich. »Guten Morgen«, summt sie fröhlich während ich ihr meinen Becher entgegenhalte. »Morgen Mom«, erwidere ich grummelnd und nehme einen Schluck meines Lieblingsgetränkes. »Hör mal, nach der Schule müssen wir uns unterhalten«, sagt sie und ich frage mich wieso sie in letzter Zeit dauernd Zuhause ist. Mit skeptischem Blick schaue ich sie an und nicke zustimmend. Schnell winke ich ihr in der Typischen Geste zu, schnappe mir meine Tasche und verschwinde.

Der Unterricht verläuft wie gewohnt ohne besondere Vorkommnisse. In der Pause kommt Felix mit ausdrucksloser Miene zu mir. Keine Umarmung, kein Kuss, nicht mal ein freundliches wie geht’s dir. Mich überkommt ein mulmiges Gefühl. Wir stellen uns etwas abseits der anderen, als ich seinen vernichtenden Worten lausche. »Julie, ich denke es ist besser, wenn wir uns trennen.« Mein Mund klappt auf und ich starre ihn an. »Dein Ernst?«, zische ich entsetzt. Wie kann er es überhaupt wagen mich zu verlassen? Immer noch in meiner Fassungslosigkeit gefangen stehe ich ihm direkt gegenüber und warte auf die Worte: war nur Spaß, doch nichts geschieht. Er streichelt behutsam meine Wange und meint: »Sieh mal in letzter Zeit haben wir uns ziemlich auseinandergelebt. Ich will dich nicht anlügen, deshalb erfährst du es lieber von mir. Ich habe jemanden kennen gelernt.« Jetzt bin ich wirklich sprachlos und das will schon was heißen. Unfähig ihm eine zu Scheuern oder ihn an zu brüllen stehe ich da. »Sei nicht traurig, eines Tages findest du auch jemanden der zu dir passt.« Ich baue mich vor ihm auf und versuche möglichst gleichgültig zu klingen. »Glaube nicht das mich das irgendwie berührt. Zwischen uns ist sowieso schon lange die Luft raus, also eigentlich hast du mir noch einen Gefallen getan.«

Noch immer kann ich nicht glauben das er mich betrogen hat. Mich. Bevor ich jedoch dazu komme, ihm an den Kopf zu werfen wie ich sein Verhalten finde, dreht er sich mit den Worten: »Schön das du das auch so siehst« um und geht. Was bildet dieser Lackaffe sich eigentlich ein? Als sei es völlig normal seine Freundin nach zwei Jahren, einfach so zwischen dem Mädchenklo und der nächsten Unterrichtsstunde abzuservieren. Ich schlucke hart, denn auch wenn ich ihn nicht mehr wirklich liebe, zerrt es doch stark an meinem Ego, wegen einer anderen verlassen zu werden. Lexa meine beste Freundin fängt mich deprimiert auf dem Flur ab. Ich erzähle ihr was los ist, während sie mich tröstend in die Arme schließt. Ihre Worte bauen mich schlagartig wieder auf. »Gott sei Dank. Ich dachte schon du trennst dich nie von dem Langweiler. Außerdem verstehe ich wirklich nicht was du an dem gefunden hast.« Ich lächle verlegen, denn sie hat recht. Der Unterricht beginnt wieder und ich sitze meine restliche Zeit ab und warte sehnsüchtig auf den erlösenden Gong. Zuhause angekommen esse ich erst einmal zu Mittag. Merkwürdigerweise fällt mein Blick auf die umher stehenden Kartons, und ich bemerke das sie alle zugeklebt sind. »Wieso«? frage ich mich gerade als sie meint: »Bist du soweit? Ich muss wirklich dringend etwas mit dir besprechen.« Ich nicke ausdruckslos und schiebe meinen Teller beiseite. Zu Beginn des Gesprächs druckst sie irgendwie herum, weshalb ich sie auffordre endlich mit der Sprache raus zu rücken. Sie ergreift meine Hand und hält sie ganz fest. »Du weißt doch noch, dass ich dir von Logen erzählt habe oder?« Verwirrt sehe ich sie an. »Dein neuer Macker?« »Nun, er ist mehr als nur mein neuer Macker«, stellt sie klar und fügt hinzu: »Ich habe mich in ihn verliebt und wir haben vor noch dieses Jahr zu Heiraten.« Ich schlucke die Worte die mir gerade im Kopf herum schwirren lieber runter. Wie kann sie es nur ernsthaft in Betracht ziehen zu Heiraten und dass nach nur zwei Monaten. Fassungslos schüttle ich den Kopf. »Das ist ja schön für dich, aber was geht mich das an?« Meine Stimme klingt mehr als abfällig, sie erwartet doch jetzt keinen Plausch mit mir, über ihre Lovestory mit ihm? »Ich weiß es ist nicht einfach, aber wir haben beschlossen zusammen zu ziehen«, sagt sie frei heraus und ich glaube mich verhört zu haben. Mein Körper spannt sich an und jeder Muskel in mir zieht sich zusammen. »Wie bitte. Sag mal, wie lange kennst du den Kerl überhaupt?« Ich kann nicht fassen was sie mir da gerade mitteilt. »Zwei Monate«, entgegnet sie, als sei es das normalste auf der Welt. »Ich weiß es ist alles noch sehr frisch, aber ich habe das Gefühl ihn schon mein ganzes Leben zu kennen. Ihr werdet euch sicher gut verstehen, und außerdem denke ich das dir ein Tapetenwechsel gut tun wird.« Moment mal: »Tapetenwechsel?«, wiederhole ich und starre sie ungläubig an. »Ganz recht. Er wohnt in München und wir werden zu ihm ziehen.« Mein Gesicht wird kreidebleich. Überrumpelt von ihren Neuigkeiten schreie ich sie an. »Tickst du noch ganz sauber? Ich werde garantiert nicht nach München zu einem Wildfremden Typen ziehen. Ich meine, du kennst ihn doch gar nicht. Am Ende ist er ein völlig durchgeknallter Freak.« Ich gebe zu, vielleicht ist meine Ausdrucksweise nicht die beste, aber mal ehrlich die hat sie doch nicht mehr alle. Mit entschlossener Miene sieht sie mich an und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich bei dieser Sache kein Mitspracherecht habe. »Vergiss es Mom.«, protestiere ich weiter. Ohne ihre Reaktion abzuwarten verlasse ich fluchtartig die Wohnung, bevor ich ihr meinen Teller an den Kopf werfe. An meinem Lieblingsort, einer kleinen Holzhütte am See, setze ich mich auf den Steg und winkle die Beine an. Ihre Worte kreisen in meinem Kopf.   Denkt sie vielleicht auch mal an mich? Es ist nur noch ein halbes Jahr, dann werde ich meinen Abschluss machen. Und soll ich ernsthaft das Studium schmeißen, nur damit sie einen dauerhaften Bettgefährten hat. No-Way, das kann sie so was von vergessen. Stock sauer und völlig verzweifelt greife ich nach meinem Handy, und rufe meine beste Freundin Lexa an. Schon nach dem zweiten klingeln ertönt ihre aufgekratzte Stimme. »Jo süße was geht?«, sagt sie und ich schluchze. »Was ist passiert?«, fragt sie besorgt, und ich kann meine unterdrückten Tränen nicht länger zurückhalten. »Stell dir vor, meine Mutter hat einen neuen Stecher, und jetzt will sie das wir zusammenziehen und das Beste ist, er wohnt in München«, sprudeln die Worte einfach aus meinem Mund. Nach einem kurzen Moment des Schweigens brüllt sie fassungslos in den Hörer: »Was, du ziehst nach Bayern? Wo bist du?«, fragt sie überwältigt von meinen Neuigkeiten. »Ich bin in der Hütte« antworte ich, und sie macht sich sofort auf den Weg. Zehn Minuten Später, schlingen sich zwei tröstende Arme um mich. Aufgewühlt erzähle ich ihr alles und sie hört aufmerksam zu. »Ach Maus, heute hast du aber auch echt die Arschkarte gezogen. Erst Felix dieser taktlose Schweinehund, und jetzt auch noch deine Mutter.« Ich schmiege mich enger an sie und lasse meinen Tränen freien Lauf. »Was soll ich denn jetzt machen?«, frage ich sie verzweifelt. Sie neigt den Kopf zur Seite und denkt angestrengt nach. »Benimm dich einfach so richtig daneben. Schock sie, und du wirst sehen ruck zuck schmeißt er deine Mutter wieder raus.« Bei der Vorstellung mich wie eine Missratene Göre zu benehmen, muss ich schmunzeln. »Das sollte ich hinbekommen.«, sage ich und fühle mich gleich etwas besser. Auf dem Weg nach Hause, überlege ich mir verschiedene Szenarien, wie ich mich am besten so richtig scheiße verhalten kann. Aber zuerst muss ich mal herausfinden, wie sie sich das alles vorgestellt hat. Mein erster Gang ist somit der zu meiner Mutter. Glücklich über die Tatsache, dass ich wieder da bin und mit ihr reden möchte, erklärt sie mir das ihr neuer Typ Reich ist. »Ich bin mir sicher, dass dir unser neues Zuhause gefallen wird«, versucht sie mich zu besänftigen, während ich nur ungläubig das Gesicht verziehe. »Glaube mir, in drei vier Wochen hast du dich an die Umstellung gewöhnt. Außerdem wird dein neuer Stiefbruder dir sicherlich dabei helfen neue Freunde zu finden und dich einzuleben.« Mir fällt die Kinnlade herunter. »Stiefbruder?«, frage ich entsetzt. »Ach ja, das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt«, sagt sie und fährt fort: »Er heißt Killian und ist ein Jahr älter als du.« Voller Wut schnaube ich. »Soll das etwa heißen wir ziehen nicht nur nach München, zu einem fremden Typen, sondern ich muss mich zu allem Überfluss auch noch mit seinem Sohn herumschlagen?« Die Miene meiner Mutter wirkt belustigt. »Schatz, ihr seid doch quasi im selben Alter. Ich verspreche dir, dass deinem Urlaub mit Lexa nichts im Wege steht, wenn du dich jetzt zusammenreißt und damit abfindest das wir umziehen werden.« Blitzschnell realisiere ich, dass sie gerade versucht mich zu erpressen. »Sag mal, soll das ein schlechter Scherz sein. Der Ausflug nach Spanien steht seit einem Jahr fest. Du hast bereits zugestimmt das ich die Weihnachtsferien mit ihr dort verbringen darf«, entgegne ich entsetzt über ihre Dreistigkeit mich damit unter Druck zu setzen. »Das weiß ich, und wie gesagt steht eurem Urlaub auch nichts im Wege. Allerdings erwarte ich dafür etwas Kooperationsbereitschaft von dir. Ich Liebe Logen und ich möchte mit ihm zusammen sein, meinst du nicht das es unfair von dir wäre dich gegen uns zu stellen«, fragt sie mit strengem Blick und ernster Stimme. »Versuch dich wenigstens ein bisschen für mich zu freuen«, fügt sie hinzu und mir platzt der Kragen. »Freuen.«, schreie ich und hacke nach, ob ich nicht bei Onkel Manny wohnen kann. Zumindest bis ich achtzehn bin. »Auf keinen Fall. Auch wenn er dein Onkel ist, so hat er doch keinerlei Verantwortungsbewusstsein, genau wie du übrigens. Du hast genug Unsinn in den letzten Wochen verzapft.« Anhand meines Blickes muss sie wohl ahnen das ich überrascht bin, dass ihr das überhaupt aufgefallen ist. »Du brauchst mich gar nicht so angucken. Ich weiß sehr wohl was du den ganzen Tag treibst. Wir werden wie geplant nach München ziehen, finde dich damit ab. Ansonsten ist der Urlaub mit Lexa gestrichen«, klärt sie mich auf und ich bin Baff. Nicht nur, dass sie mir keine Wahl lässt nein, sie scheint auch mehr über meine Eskapaden zu wissen, als ich bisher angenommen hatte. »Du willst doch nur seine Kohle«, werfe ich ihr vor, weil ich nicht mehr weiterweiß. »Juliane, jetzt ist aber Schluss. Hier geht es ausnahmsweise mal nicht um dich. Finde dich damit ab, in einer Woche werden wir nach München ziehen. Ich an deiner Stelle würde lieber anfangen zu packen«, sagt sie und am liebsten würde ich sie dafür umbringen. Wie kann sie nur so mit mir reden? Ist das überhaupt erlaubt sein Kind aus dem gewohnten Umfeld in eine andere Stadt zu verschleppen? »In einer Woche schon?«, hacke ich entsetzt nach. »Ja, in einer Woche«, wiederholt sie nochmal und wendet sich dem schmutzigen Geschirr zu. »Und was ist mit Schule? Ich wollte nach den Ferien bei Onkel Manny anfangen«, erkläre ich, nur für den Fall das sie es vergessen hat. »Du wirst in München zusammen mit Killian zur Schule gehen. Dort kannst du dann auch deinen Abschluss beenden. Logen hat bereits alles Nötige in die Wege geleitet. Und wegen deines Studiums sehen wir dann weiter« sagt sie und wäscht seelenruhig ab. Wie kann man seiner eigenen Mutter nur so egal sein? Ich begreife nicht, was hier los ist. Wieso kann nicht alles beim Alten bleiben? Ich meine, wie das schon klingt, wir sehen dann weiter. Hier geht es um meine Zukunft, das ist doch kein Spaß. »Mom, sag mir jetzt endlich das das hier nur ein geschmackloser Scherz von dir ist«, versuche ich sie zur Vernunft zu bringen, doch ihre Miene bleibt hart. »Ich habe keine Zeit für deinen Protest. Versteh´ doch. Die Entscheidung ist gefallen, daran ist nicht mehr zu rütteln«, sagt sie und drückt mir allen Ernstes zur Beruhigung ein Küsschen auf die Stirn. »So, und nun geh und verabschiede dich von Felix und Lexa«, sagt sie und tätschelt mir den Kopf, ehe sie ins Bad verschwindet. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich ihr noch gar nicht von Felix Aktion erzählt habe. Sie war ja auch viel zu beschäftigt damit, mein Leben zu ruinieren. Ich beschließe bei Lexa zu schlafen um mich etwas abzureagieren und tatsächlich schafft sie es mich wieder etwas aufzubauen. Leider hält dieses Gefühl nicht lange an, denn die Gewissheit meine beste Freundin nicht mehr jeden Tag sehen zu können, zerrt echt an meinen Nerven. Der einzige Lichtblick ist unser gemeinsamer Urlaub in den Weihnachtsferien.

Kapitel 2

 Stiefbruder oder soll ich lieber Arschloch sagen?

 

Der Abschied ist mir wirklich schwergefallen. Ich muss mein Leben von heut auf morgen hinter mir lassen und das alles nur damit meine Mutter mit ihrem Stecher zusammen sein kann. Das wird sie mir definitiv büßen, soviel steht schon mal fest. Tja, was soll ich noch sagen, der Flug ist Sau langweilig, deshalb habe ich auch die meiste Zeit geschlafen. Mein einziger Lichtblick ist die Tatsache das ich in einem Jahr achtzehn werde. Dann bin ich endlich frei, und kann tun und lassen was ich will. Logen. Wie kann man bloß Logen heißen? Meiner Meinung nach, sagt das ja schon alles.

Nach der Landung, die ich glücklicherweise unbeschadet überlebt habe, holen wir unsere Koffer vom Gepäckband und begeben uns nach draußen. Ein großer Mann mit blondem Haar und blauen Augen wartet auf uns. Als er meine Mom sieht, zieht er sie wie ein verliebter Teenager in die Arme und leckt sie ab. Igitt. »Hallo, wenn ihr so weiter macht, muss ich gleich Kotzen.«, informiere ich sie. Die finsteren Blicke der Beiden Ignoriere ich gekonnt, während meine Mom sagt: »Logen Schatz, das ist Juliane.« Ich knurre und berichtige sie: »Ich heiße Julie.« In Logens Miene zeichnet sich ein grinsen ab. »Schön, dass wir uns endlich kennen lernen, ich bin Logen«, sagt er und wirft meiner Mutter einen Liebevollen Blick zu. Ich strecke ihm meine Hand entgegen, doch wie mir scheint kennt er das sogenannte Highfive nicht, weshalb ich dann einfach sage: »Du bist wohl nicht mehr der Jüngste was?« Seine Augen weiten sich, und plötzlich fängt er an zu lachen. Hm, scheint wohl doch nicht so spießig. Aber dem Wert ich's noch zeigen, denke ich und grinse still in mich hinein. »Seid ihr bereit, für euer neues Zuhause?«, fragt er und lächelt meine Mom Zuckersüß an. »Nö, eigentlich nicht.«, unterbreche ich ihre Anschmachterrei. »Julie.«, ermahnt meine Mutter mich. Genervt verdrehe ich die Augen, steige dann aber doch ganz brav in sein Scheiß Auto. Naja eigentlich ist es eine Limousine mit Chauffeur. Gelangweilt starre ich schweigend aus dem Fenster. Auch wenn ich zugeben muss, dass es gar nicht so übel aus sieht, habe ich jetzt schon die Schnauze voll. Ich meine, der Typ geht gar nicht. Kommt hier an mit seiner dicken Limmo, und dem teuren Anzug, und glaubt ihm gehört die ganze Welt. Arrogantes Arschgesicht. Endlich hält der Kack Wagen an und mein Blick fällt auf ein riesiges Haus. Ach, was sag ich, dass Ding vor uns ist eine verdammte Villa. Das weiße Gebäude ist umrahmt von einer riesigen Grünfläche. Zur linken Seite erstreckt sich ein Monströs großer Swimmingpool. Ansonsten scheint es mehrere Etagen zu geben, und alles sieht sehr gepflegt und teuer aus. Logen scheint mein starren bemerkt zu haben und fragt: »Gefällt es dir?« Es ist wirklich wunderschön hier, aber ich werde einen Teufel tun und ihm das sagen. »Nicht wirklich«, antworte ich daher und wieder huscht dieser seltsam belustigte Blick in sein Gesicht. »Vielleicht sollten wir dann einfach mal reingehen«, sagt er und deutet mit ausgestrecktem Arm in Richtung Eingangstür. Nach kurzer Musterung, bleibt mir erneut der Mund offenstehen, jedoch habe ich mich schnell wieder gefangen und setze meine desinteressierte Miene auf. Ein riesiger Korridor, in der Mitte eine große Treppe, und zig Tausend Türen, die in irgendwelche Räume führen. Das gesamte Design ist modern und sieht sehr Teuer aus. »Wo ist die Küche?«, frage ich als erstes nach, um mir Gewissheit darüber zu verschaffen wie weit der Weg zur Futterstelle ist. Er schmunzelt, während meine Mom sagt: »Julie, das ist doch unwichtig.« »Nein, ist es nicht.«, entgegne ich patzig. »Schon gut Schatz«, mischt Logen sich ein und öffnet die Tür rechts von uns. »Hier ist sie.« »Geht doch.«, sage ich und lasse meinen Blick im Raum umherschweifen. Oh mein Gott, das ist eine verdammte Kochinsel, ausgestattet mit allem was man so braucht. Ein Dreitüriger Kühlschrank, sowie einen De'Longhi Kaffeevollautomaten. Ich liebe diese Dinger. »Wenn du willst zeige ich dir dein Zimmer«, bietet er an und unterbricht damit meine Entdeckungstour. »Von mir aus«, gebe ich betont gleichgültig von mir, und folge ihm die Treppe hinauf. Er öffnet die Tür und ich muss sagen das ich es schon eine Weile hier aushalten könnte. Immerhin habe ich hier Platz ohne Ende, ein Himmelbett und jede Menge Luxuriös aussehende Gegenstände. Ein Flatscreen der fast über die Hälfte der Wand reicht. Und die Wand ist riesig. Ein Computertisch mit drei Bildschirmen. Wer braucht so viele Monitore? Aber der begehbare Kleiderschrank ist einfach der Hammer. Er besitzt sogar einen eingebauten Schuhschrank und eine Vitrine voller Schmuck, der Typ muss Geld wie Heu haben, denke ich mir und überlege, dass der Aufenthalt hier vielleicht doch nicht so übel wird. »Wo ist das Bad?«, frage ich desinteressiert von dem ganzen Luxus, denn er soll auf keinen Fall das Gefühl bekommen, dass ich mir irgendwas aus seiner Kohle mache. Er öffnet eine Tür die von meinem Zimmer ausgeht, und ich erkenne ein Bad. Eigentlich ist es ein Wellness Tempel mit Whirlwanne, riesigem Waschbecken, BD und integrierter Musik, sowie verschiedene Beleuchtungsvarianten. Auf den Glasregalen befinden sich noch Original verpackte Kosmetika, Haarbürsten, Lockenstab, Kreppeisen. Einfach alles ist hier vorhanden. Wie kann man nur so viel Zeug haben, frage ich mich und schüttle leicht den Kopf. Wobei mir auffällt das da noch eine Tür ist, die nicht zu meinem Zimmer gehört. »Wo führt die Tür da hin?«, frage ich und deute auf die besagte vor mir in der linken Ecke. »Ach ja, die führt ins Zimmer von Killian. Ihr teilt euch ein Bad ich hoffe das ist in Ordnung?«, sagt er als hätte ich bereits zugestimmt. Aber nicht mit mir. Wutendbrand schnaube ich: »Oh nein, das ist ganz und gar nicht okay. Ich will verdammt noch mal mein eigenes Bad.« Nun ist sein Blick nicht mehr belustigt als er antwortet: »Diese Möglichkeit ist leider ausgeschlossen. Aber ich bin mir sicher, dass ihr euch schon irgendwie arrangieren werdet.« »Ach ja.«, schnauze ich ihn nicht gerade freundlich an. »Julie, es reicht«, fährt meine Mutter dazwischen. So langsam frage ich mich, was sich dieser Möchtegern Ersatzdad eigentlich einbildet, als sich Plötzlich die Tür öffnet, und ein verdammter Gott im Raum steht. Blonde kurze Locken, Augen so Blau wie der Ozean. Muskulös und durchtrainiert, und ein verschmitztes Lächeln womit er jede Frau in die Knie zwingen kann. Schnell wende ich den Blick ab, bevor ich noch anfange zu Sabbern. Er reicht mir die Hand hin, und begrüßt mich mit den Worten: »Hi, ich bin Killian, schön dich endlich kennen zu lernen.« Noch immer gelähmt von seinem Anblick, erwidere ich den Händedruck und entgegne: »Freut mich auch. Aber nun wäre ich euch sehr verbunden, wenn ihr euch vom Acker machen könntet.« Ich schaue noch kurz in das entsetzte Gesicht meiner Mutter, während Logen sie an der Hand hinausführt. Killian hingegen bleibt einfach unbeirrt stehen. »War noch was?«, frage ich deshalb und ernte eine Mischung aus Neugier und Verachtung. Zum Glück wendet er sich aber schnurstracks zum Gehen und endlich ist ruhe. Nachdem ich mich auf meinem neuen Luxusbett breit gemacht habe, starre ich an die mit Sternen verzierte Beleuchtung an der Decke. Irgendwie ist das ja schon sehr Kitschig, und trotzdem hat es was. Zu meinem Bedauern geht mir die ganze scheiße jetzt schon auf den Sack. Kurze Zeit später klopft es erneut. »Kann ich reinkommen?«, fragt Killian und reißt ohne meine Antwort abzuwarten die Tür auf. »Habe ich herein gesagt?«, schnauze ich überheblich und baue mich vor ihm auf. Seine Blond gewellten Haare, hängen ihm lässig in die Stirn und sein Sixpack zeichnet sich deutlich unter dem engen schwarzen Hemd ab. Sein Style ist irgendwie verdammt scharf und trotzdem lässig. In seiner Miene liegt wider dieses verschmitzte lächeln als er fragt: »Fertig mit Gaffen oder soll ich noch etwas Posen?« Sofort läuten alle Alarmsignale in meinem Kopf und ich gehe in Angriffsstellung. So ein arrogantes Arschloch. Mit ruhiger Stimme gehe ich einen Schritt auf ihn zu und betrachte ihn von oben nach unten. »Nicht nötig. Hab nichts gesehen was meine Aufmerksamkeit erregt.«  Er grinst geheimnisvoll und setzt sich einfach auf den Stuhl an meinem Schreibtisch. »Wie gefällt es dir bis jetzt?«, fragt er und ich bin wirklich erstaunt über seine Reaktion. Anscheinend stören ihn kleinere Neckereien weniger. Na das wird ja noch interessant, denke ich mir und antworte: »Gar nicht.«  Er schüttelt belustigt den Kopf. »Das wird schon noch. Wenn du magst kann ich dir später die Umgebung zeigen«, bietet er an. Obwohl ich nicht abstreiten kann das er nett ist, soll er nicht denken das wir hier einen auf Geschwister machen. »Das können wir uns auch sparen. Ich habe nicht vor länger als nötig hier zu bleiben. Ich werde meine Zeit hier absitzen und sobald ich achtzehn bin seht ihr mich nie wieder. Also finde dich schon mal damit ab und verzieh dich endlich.«  Meine Aussage scheint ihn leicht geschockt zu haben, denn sogleich fährt er mich an: »Ich wollte nur höflich sein.« Für einen Augenblick sieht er mich einfach nur ausdruckslos vielleicht auch etwas enttäuscht an. Doch zu meiner Freude erhebt er sich und schließt die Tür von außen. Wenn sie glauben, dass ich hier einen auf happy Family mache, dann haben sie sich aber getäuscht. Nach einer halben Stunde die mich tatsächlich alle in Ruhe gelassen haben, klopft ein Komisch aussehender Typ mit dem Namen James, und berichtet das das essen fertig ist. Wer zum Teufel ist das? Ein Butler oder was. Laut trampelnd steige ich die Treppe herunter, und pflanze mich nicht sehr damenhaft an den großen Esstisch. Nach etwa vier Minuten wo ich mit der Hand die Hähnchenkeule abgeknabbert, und alle fünf Finger sauber geschleckt habe, unterbricht meine Mutter das essen und zitiert mich nach draußen in den Flur. »Julie was ist das für ein Benehmen. Bist du ein Neandertaler oder was? So habe ich dich nicht erzogen.«, stellt sie fest und ich kichere in mich hinein, während ich ihr sage: »Sind wir jetzt so vornehm geworden, dass ich meine Hähnchenkeule mit Messer und Gabel essen muss?« Ihre Augen funkeln vor Zorn. »Du weißt genau, wie ich es gemeint habe. Also benimm dich gefälligst«, keift sie mich an. Doch meine Aufmerksamkeit liegt auf dem Familienfoto an der Wand. Es muss aus Killians Kindheit stammen, da dieser in einem Piratenkostüm mit breit grinsendem Gesicht die Hand seines Vaters ergreift. Irgendwie niedlich. Da ich ihr nicht weiter zugehört habe, nicke ich nur, und wir begeben uns zurück in den Essbereich. Den Rest der Mahlzeit bin ich artig, was aber nur daran liegt das es zum Nachtisch Eis gibt, welches ich beim besten Willen nicht mit den Fingern Essen kann. Da es bereits nach acht ist, begebe ich mich auf mein Zimmer. Ich meine, was soll ich hier noch? Bestimmt werde ich mich nicht mit meiner pseudo- Familie an einen Tisch setzen um Fern zu sehen. Oh Nein. Mit einem: »Gute Nacht allerseits«, verabschiede ich mich, während Logen meint: »Morgen ist der erste Tag an deiner neuen Schule. Ja, und das auf einem Dienstag. Kotz. Naja, ich dachte es freut dich bestimmt, dass Killian sich bereit erklärt hat dir alles zu zeigen« sagt er und klopft seinem Sohn anerkennend auf die Schulter. Wie kann man nur so arrogant sein? Ich meine, nur weil er bereits einen Führerschein hat muss man doch nicht so ein Theater abziehen. Zumal er wohl einmal hängen geblieben sein muss, wenn er in dieselbe Klasse geht wie ich. »Um halb acht müssen wir los«, klärt Killian mich auf und holt mich so aus meinen Überlegungen. Schnell nicke ich bestätigend und begebe mich dann schleunigst die Treppe hinauf. Zuerst werde ich mal checken was die überaus teure Anlage wirklich drauf hat. Als die Töne erklingen, wird mir klar, dass es eine ganze Menge ist. Ungeniert lausche ich dem Beat von Ramstein, als es lautstark an meiner Tür hämmert. »Was?.«, fauche ich als Killian bereits genervt die Tür aufschlägt. »Kannst du den Schrott mal leiser machen? Das hält ja kein Schwein aus.« Ich lächle in mich hinein und antworte: »Dann besorge dir lieber schon mal ein Paket Ohropax. Denn diese Stimmen wirst du jetzt öfter hören.« Mit einem selbstgefälligen grinsen gehe ich auf ihn zu und drücke ihn an seiner Brust hinaus zur Tür. Nachdem ich wieder meine Ruhe habe, muss ich feststellen wie gut sich seine Muskeln unter meiner Hand angefühlt haben. Kopfschüttelnd verdränge ich diesen Gedanken aus meinem Kopf und widme mich mit einem Triumphierenden lächeln, wieder der Musik zu. Nach weiteren drei Stunden, übermannt mich die Müdigkeit und ich beschließe mich schlafen zu legen.

Kapitel 3

Schuldisaster

 

Mit tierischem Druck auf der Blase wache ich auf, und gehe zur Toilette. Weil ich danach nicht sofort wieder einschlafen kann, laufe ich nach unten in die Küche. Auf meinem Weg öffne ich im unteren Bereich einfach mal ein paar der Türen. Eine Kammer mit Putzutensilien, der Wohnbereich, ein Spielzimmer mit Billardtisch, Kicker und Dartscheibe, und zu guter Letzt ein Arbeitszimmer. Ausgestattet mit einem U-Förmigen Schreibtisch, lauter Aktenschränke und jeder Menge Papierkram auf der Arbeitsfläche. Mein Blick schweift umher als ich einen Kühlschrank entdecke. Wow, denke ich mir, der hat auch wirklich jeden Scheiß. Ich nehme mir einen Kakao heraus und trinke einen kräftigen Schluck. Dann setze ich mich in den Chefsessel, und Schwups, ganz aus Versehen landet mein Getränk auf seinen Papieren. Da kann ich ja nichts dafür, wenn meine Hände auf einmal so zittrig werden. Ohne schlechtes Gewissen, aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht, begebe ich mich zurück auf mein Zimmer und lege mich wieder schlafen. Nachdem Aufwachen und einer kurzen sehr ausgiebigen Dusche schlüpfe ich in Rote Unterwäsche, und durchsuche mein Kleiderzimmer nach einem passenden Outfit für heute. Zu meiner Freude stelle ich fest, dass nicht nur mein ganzer Kram bereits eingeräumt ist, sondern sich auch noch eine ganze Reihe neuer Klamotten darin befindet. Ich schnappe mir einen meiner alten Nieten Röcke und betrachte ihn ausgiebig. Das Schwarze Teil ist verdammt Kurz und sehr gewagt, ein Überbleibsel aus meiner Gothic Phase. Da ich keine Netzstrumpfhose finden kann, nehme ich mir einfach eine Leggings und schneide mir das gewünschte Muster hinein. Jetzt fehlt nur noch die Korsage und fertig. Zu guter Letzt krame ich mir noch ein Paar Kniehohe Stiefel mit nicht zu verachtendem Absatz heraus. Schnell bringe ich meinen Bob in Form, und schminke meine Türkisen Augen Pechschwarz. Der Rote Lippenstift macht meinen Look perfekt. Elegant stolziere ich die Treppe hinunter und schnappe mir einen Apfel vom Frühstückstisch, sowie eine Tasse Kaffee. Der vernichtende Blick meiner Erzeugerin, und das etwas Übertriebene grinsen von Logen ignoriere ich gekonnt. Guten Morgen Spatz. Sag mal, du willst doch nicht etwa so zur Schule gehen?«, hackt sie geschickt nach, doch ihre Augen sprechen Bände. Ich schaue an mir herunter, und streife mir einen Fussel vom Rock, ehe ich sage: »Oh ja. So ist's besser. Danke Mom.« Killian kommt herein und prustet los als er mich sieht. »So willst du ernsthaft auf die Straße?«, fragt er und bekommt sich vor Lachen kaum wieder ein. »Etwa was dagegen du Spast«, entgegne ich ohne meine Miene zu verziehen. Kopfschüttelnd sagt er: »Überhaupt nicht. Wenn du dich gleich am ersten Tag bis auf die Knochen blamieren willst, nur zu.« Ich funkle ihn böse an, und gehe zu ihm rüber. »Danke fürs Kompliment du Arsch«, sage ich mit einem Zuckersüßen lächeln, und drücke ihm ein Küsschen auf die Wange. Überrascht sieht er mich an. »Was ist. Willst du hier Wurzeln schlagen. Wir müssen zur Schule?«, kläre ich ihn auf. Augenblicklich setzt er sich in Bewegung, und ich folge ihm hinaus zu seinem Auto. Natürlich ist es ein Lamborghini. Was sonst.

An der Schule angekommen, mustere ich erst einmal die Umgebung. Hier sieht es aus wie in diesen Colleges aus dem Fernsehen. Riesengroß, Laut, Heruntergekommen, und irgendwie verdreckt. In der Mitte des Geländes, befindet sich ein Brunnen, wo sich bereits die ersten Schüler gegenseitig nass spritzen. Die Eingangstür ist vollgeschmiert mit allen möglichen Graffitis. Nachdem ich mir einen Überblick verschafft habe, frage ich mich ernsthaft, wieso ein so reicher Bonze wie Killian auf so eine herunter gekommene Schule geht. Das muss ich nachher unbedingt mal herausfinden. Eine Gruppe Jungs gesellt sich zu uns, vier Typen, einer heißer als der andere. »Hi, ich bin Dennis. Das sind Levi, Marvin und Sascha«, sagt er und mustert mich neugierig. »Killians zukünftige Schwester also.«, stellt er mit seinem Spatzenhirn fest. »Stiefschwester.«, korrigiere ich bevor er noch denkt wir haben dieselben Gene. Killian der noch immer meinen Kuss Abdruck auf der Wange hat, wird von allen Seiten belächelt während er mir erklärt wie ich ins Sekretariat komme. Einfach zu dumm der Kerl. Schließlich verlasse ich die Gruppe, und mache mich auf die Suche. Mein Ziel habe ich schneller gefunden als erwartet. Ausgestattet mit Stundenplan und allem was dazugehört, laufe ich in den großen Flur wo sich bereits mehrere Schüler tummeln. Laut meines Plans habe ich jetzt Chemie. Da ich nicht weiß wo sich dieser verdammte Raum 365 befinden soll, schaue ich mich auf dem Gang nach potentieller Hilfe um. Doch leider sticht mir keiner in die Augen der auch nur ansatzweise infrage kommen würde. Die eine Hälfte besteht aus Möchtegern Schönheiten und die anderen sehen schon von weitem so arrogant und eingebildet aus, dass ich jetzt schon keine Lust mehr habe sie anzusprechen. Das kann ja heiter werden, denke ich mir und reiße mich zusammen. Ich steuere eine kleinere Gruppe an und frage: »Sorry, kann mir eine von euch sagen, wie ich den Raum 365 finde?« Eine Blondine mit Künstlichen Nägeln und definitiv etwas zu Großem Push Up, mustert mich abschätzend. »Du bist neu hier«, stellt sie fest und klärt mich sogleich über die Regeln auf. »Mädchen wie du, sprechen Mädchen wie uns nicht an. Verstanden. Und jetzt verschwinde«, sagt sie, und macht eine ausladende Handbewegung. Zuerst bin ich völlig platt, doch dann frage ich mich ob sie das gerade wirklich zu mir gesagt hat, vielleicht habe ich mich ja auch einfach nur verhört. Ich meine, wo sind wir denn hier? Ich glaub ich spinne. Nachdem ich mich wieder ein gekriegt habe, baue ich mich demonstrativ vor ihr auf. »Hi Barbie, mag ja sein das deine Erscheinung Eindruck bei deinen Anhängern hinterlässt, aber so redest du nicht mit mir. Es sei denn natürlich du stehst auf das Natur blau, welches ich dir mit meiner Faust unter die Augen schlage, und jetzt verrate mir lieber wo sich dieser beschissene Raum befindet, bevor ich dir die Fresse poliere«, fauche ich sie an und sie wird Blass. »Wie bitte?«, hackt sie nach. »Barbie, der Weg.«, stöhne ich genervt. Sofort verhärtet sich ihr Gesichtsausdruck, und ich erkenne die unausgesprochene Kriegserklärung zwischen uns. Nichtsdestotrotz wedelt sie mit ihrer Hand den Gang runter. Ohne weiteren Kommentar, folge ich dem Weg. Kurz frage ich mich, ob ihnen das ganze Geld bereits den Verstand geraubt hat. Soviel Arroganz besitzt ja nicht mal mein nerviger Stiefbruder. Naja, zumindest habe ich mich gleich am ersten Tag mal so richtig unbeliebt gemacht.

Am richtigen Zimmer angekommen, öffne ich die Tür und sehe das sich bereits einige Schüler an ihren Plätzen befinden. »Du musst die neue sein«, sagt eines der Mädchen sofort und bietet mir den Platz neben sich an. Dankbar setze ich mich zu ihr. »Ich bin Roxy«, stellt sie sich auch sogleich vor. »Julie«, entgegne ich. Die Lehrerin kommt herein und begrüßt die Klasse: »Guten Morgen«, sagt sie und erblickt mich sofort. »Ah, du musst Julie sein. Steh doch kurz auf, und Stell dich vor«, bittet sie, und mich überkommt der Drang zu Kotzen. Wieso wollen die eigentlich immer das man sich vorstellt? »Ich bin Julie, siebzehn und komme aus Berlin«, erkläre ich, obwohl es sowie so nie jemanden Interessiert.

Der Unterricht verläuft ganz Okay. Ich muss zugeben, dass es sogar ein kleines bisschen Spaß gemacht hat. Aber trotzdem habe ich das Gefühl nicht hier her zu gehören. Der Gong ertönt, und alle stehen hektisch auf. Roxy fragt nach meiner nächsten Stunde, und nimmt mich mit, da wir die ebenfalls gemeinsam haben. Das Gebäude ist so verwinkelt, dass ich mich ohne sie glatt verlaufen hätte. Mein Blick schweift umher. Überall diese hässlichen Weiß-gelb gestrichenen Wände. Blau-schwarze Spinde, von denen bereits über die Hälfte der Farbe abgeblättert ist, und die Sau langen Flure, die aussehen, als gäbe es in der gesamten Schule keine Mülleimer. Wo bin ich hier bloß gelandet, frage ich mich, und mustere Roxy erst mal ausgiebig. Das schlanke Mädchen ist nicht gerade groß, ihre Braune Mähne hängt ihr Glatt bis zu den Schultern herunter. Mit ihrer ausgeblichenen Latzhose und dem etwas zu groß geratenem Hemd, wirkt sie recht Sonderbar. Nach der nervigen Mathestunde ist dann endlich Pause, und die verbringen wir laut Roxy in der Mensa. Ein Saal in der Größe einer Aula mit unzähligen Sitzgelegenheiten, einer Essensausgabe und einem Kaugummiautomaten. Komische Schule. In mehreren ecken befinden sich Getränke Spender, so Ikea like, wo sich jeder selber etwas holen kann. Von Kaffee bis Cola ist alles vertreten. Wie in wohl jeder Schule bemerkt man auch hier die einzelnen Gruppierungen. Ganz hinten die Schüchternen auch Streber genannt, in der Mitte natürlich Barbie mit ihren Sportlern und links, die Kiffer sowie die Künstler. Auf der rechten Seite, die Nerds und die die keiner leiden kann. Ich bin wirklich gespannt wo Roxy sich hinsetzen wird. Sie steuert den Tisch auf der linken Seite an und setzt sich zu den Künstlern. Zum Glück sind es nicht die Streber, denke ich mir und geselle mich dazu. »Hi, ich bin Maik, und das sind Kevin, Lana, Paul und Fira«, stellt er die bunt gemischte Truppe vor. Nach kurzer Inforunde, wo ich herkomme, wie alt ich bin und so weiter, unterhalten sie sich über die Kunstausstellung in zwei Wochen. Ich lausche nur schweigend und versuche alles in mich aufzunehmen, während ich in meinem Essen herumstochere. Was gelinde gesagt aussieht als hätte man es schon mal gegessen. Da fällt mein Blick auf Killian, und natürlich wie sollte es auch anders sein, sitzt er am Angeberisch. Die Barbie von heute Morgen, fast auf seinem Schoß. Sabbernd flüstert sie ihm was ins Ohr. Als sich unsere Blicke treffen, schaut er mich merkwürdig an. Was auch die Plastikbarbie bemerkt. Sie erhebt sich und kommt direkt auf mich zu. Neugierige Blicke folgen, und die Aufmerksamkeit der ganzen Mensa wie mir scheint liegt bei uns. Mit ausdrucksloser Miene sagt sie: »Ich wusste nicht, dass du Killians Schwester bist. Als solche ist es dir gestattet dich an unseren Tisch zu setzen.« Man merkt ihr deutlich an, wie viel Überwindung ihr diese Worte kosten. Amüsiert schaue ich zu ihr auf. »So ist das also?«, hacke ich nach. Sie zieht eine Augenbraue nach oben: »Ja, so ist das.« Mehr als abfällig schaue ich durch die Menge hindurch zu Killian, den das ganze offensichtlich sehr erheitert. »Hm. Ich sitze hier ganz gut. Sag deinem Anhängsel er soll sich ins Knie Ficken. Und jetzt zisch ab.« Unschlüssig wie sie auf meine Worte reagieren soll, bleibt sie für einen Moment einfach regungslos stehen. Anhand ihres Blickes sieht man deutlich das sie mich am liebsten aufspießen möchte. Ein letztes Mal mustert sie mich abfällig und verschwindet dann wieder zu ihres gleichen. Endlich lässt das Getuschel nach und endlich kümmert sich wieder jeder um sich. »Du bist Killians Schwester«, fragt Kevin mich ungläubig. »Stiefschwester. Und das auch nur in Spe«, korrigiere ich ihn. »Wow, weißt du was das bedeutet?«, fragt er, und ich runzle die Stirn. »Ja. Das Gott mich für etwas büßen lässt, dass definitiv kein Rechtfertigungsgrund für diese Strafe ist.« Alle lachen laut auf. »Man du bist ja drauf«, sagt Roxy ungläubig. »Dein Stiefbruder ist hier der angesagteste Schüler. Sein Wort ist Gesetz.«, erklärt Lana mir. Mit äußerst viel Spott in der Stimme sage ich: »Na, dann wird es wohl Zeit die Gesetze zu ändern.« »Du gefällst mir«, flüstern die sechs am Tisch einstimmig. »Danke. Aber nicht das ihr denkt, ich werde jetzt euer Anführer oder so«, sage ich ernst, woraufhin sie schnell den Kopf schütteln.

Als nächstes habe ich Englisch. Da sich aber noch keiner in der Klasse befindet setze ich mich einfach an irgendeinen Tisch weit hinten. Als sich die Klasse langsam füllt ernte ich viele Komische, und auch ein paar besorgte Blicke. Einer der Jungs fragt mich sogar, ob ich wirklich hier sitzen bleiben will. Irgendwie ticken die doch hier alle nicht ganz richtig. Der Lehrer Hr. Meisen kommt herein und augenblicklich ist es still. Bis Killian den Raum betritt, nicht nur das er zu spät kommt, nein er funkelt mich auch wütend an. Was habe ich nun schon wieder getan, frage ich mich. »Du sitzt auf meinem Platz«, beantwortet er meine unausgesprochene Frage. Höflich wie ich bin rutsche ich einen auf. »Ich glaube du hast mich falsch verstanden. Ich meinte, der gesamte Tisch gehört mir.«, faucht er und deutet auf einen der anderen freien Plätze. Darauf kann ich nur eins erwidern: »Fick dich. Hier ist genug Platz. Aber es steht dir natürlich frei dich umzusetzen.« Alle lauschen aufmerksam unserer Auseinandersetzung, und starren mich an. »Los, verpiss dich sonst.« »Sonst was? Willst du mich mit deinem Mörder Blick töten oder mir den Hintern versohlen? Was? Komm sag schon«, fordere ich ihn auf. Wütend setzt er sich, und flüstert was von: »Das wirst du bereuen.« Ich halte mir die Hände vors Gesicht und flehe: »Oh, Bitte nicht.«

Den Rest der Zeit herrscht Ruhe. Der Gong signalisiert mir, dass endlich Schulschluss ist. Wie immer stehen alle hektisch auf. Da Killian sein Buch vergessen hat rufe ich so laut: »Killi.«, dass selbst der letzte Schüler auf dem Gang das noch hören kann. Mit einem Hasserfüllten Blick kommt er auf mich zu. »Du hast dein Buch vergessen.« Wedelnd halte ich es ihm vor die Nase. »Nenn mich noch einmal vor versammelter Mannschaft Killi, dann breche ich dir die Beine. Kapiert.«, sagt er bedrohlich, und glaubt anscheinend das mich das beeindruckt. Gespielt reumütig schaue ich ihn an. »Sei nicht sauer. Ich konnte doch nicht wissen das dir das unangenehm ist. Du hättest mir doch sagen können, dass ich dich nur wenn wir allein sind, Killi nennen darf.« Mir wohl bewusst das alle uns anstarren, setze ich noch eins drauf, und streichle ihm erst über die Wange, ehe ich ihm ein flüchtiges Küsschen auf den Mund hauche. »Bis später Schatz«, sage ich und verschwinde zur Tür hinaus.

 

Kapitel 4

 Machtgehabe

 

Da Killian Stocksauer abgezogen ist, muss ich wohl oder übel allein nach Hause. Zum Glück hat Roxy mir angeboten mich mit zu nehmen. Ich muss sagen das es schon Vorteile hat, sich mit Leuten abzugeben die älter sind.   Ich stehe am Tor und warte auf meine Fahrerin, die bereits mit schnellen Schritten und einem breiten Lächeln im Gesicht auf mich zu marschiert. Ihr kleiner VW Käfer ist in einem Kotzgrün lackiert, und ich frage mich ernsthaft, wie man für so etwas Geld ausgeben kann. Als wir im Auto sitzen hacke ich direkt mal nach: »wieso hast du schon einen Führerschein?« Sie lächelt und klärt mich auf, dass sie bereits volljährig ist.  Wow, nach ihrem Aussehen zu urteilen hätte ich sie eher für sechzehn gehalten. Aber gut.

Vor der Villa angekommen, frage ich sie ob sie noch mit reinkommen möchte. Sie nickt begeistert und wir betreten die Villa. Meine Mom erwartet mich bereits an der Eingangstür und fragt sofort: »Wieso bist du nicht mit Killian gefahren?« Mit knirschenden Zähnen versuche ich überzeugend zu lügen. »Weil der Drecksack mich einfach stehen lassen hat. Zum Glück hat Roxy mir angeboten mich mit zu nehmen.« Man sieht wie sie sich anspannt. »Ich werde ein ernstes Wort mit ihm reden. Dass wird Konsequenzen haben«, sagt sie und ich bin zufrieden. Soll er ruhig sein Fett wegbekommen. »Ich bin Dina, Julies Mutter«, stellt sie sich dann endlich vor, und winkt uns in den Flur zur Garderobe. »Bleibt Roxy zum Essen?«, will sie wissen noch bevor wir die Treppe hochgehen. Ein Nicken meinerseits und wir verschwinden gerade Wegs in mein Zimmer. »Wow das ist ja der Hammer«, schwärmt sie und lässt den Blick umherschweifen. »Ja, passt schon«, murmle ich nur. Wir setzen uns aufs Bett und sie beginnt ein wenig über sich zu erzählen. So erfahre ich auch, dass sie eigentlich eine der unbeliebten Schüler ist, die nur am Kunsttisch sitzen darf, weil Kevin ihr Bruder ist. Außerdem erklärt sie das sie sich freiwillig ein Jahr zurückstufen lassen hat, weil sie das Gefühl hatte nicht ganz mit zu kommen. Dabei frage ich mich inständig, wie man so blöd sein kann. Nach einiger Zeit stelle ich fest, dass wir fast dieselben Interessen haben, und sie ist bisher die einzige, die zwar Geld hat aber keines Wegs abgehoben ist. Das gefällt mir. »Sag mal ist das nicht voll übertrieben mit eurem Platzgehabe?« Sie zuckt die Schultern und meint: »Kann schon sein. Aber so ist es nun mal.« »Wieso bist du eine der unbeliebten?« Ihre Miene wird traurig und es scheint, als wäre es ihr höchst unangenehm, diese Frage zu beantworten. »Keine Sorge, du kannst mir vertrauen«, versuche ich sie zu überzeugen. Gerade als sie anfangen will zu erzählen, geht die Tür auf und Killian kommt herein. »Schon mal was von Privatsphäre gehört?«, pöble ich ihn an. »Nö, wieso?«, entgegnet er frech und meint dann: »Roxy verpiss dich mal kurz.« Sie steht sofort auf und setzt sich in Bewegung. »Oh nein«, zische ich und stelle mich demonstrativ vor sie. Fassungslos fahre ich ihn an: »Wenn sich hier einer Verpiss dann du.« Mit eindringlichem Blick fordert er Roxy erneut auf zu gehen, woraufhin sie zu meinem Entsetzen aus der Tür stürmt. Er schiebt mich an den Schultern in Richtung Bett, und schmeißt mich unsanft darauf. »So, du hormongesteuertes Bambi.« Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Bambi wie süß. »Wenn du noch einmal so eine Scheiße wie heute abziehst, kannst du schon mal deinen Sarg bestellen«, blufft er mich an. Als ob mich das einschüchtern würde. »Jetzt habe ich aber Angst. Pass mal auf du möchte gern Casanova, ab jetzt weht hier ein anderer Wind. Ich bin keines deiner dummen Weiber. Mich wirst du mit Respekt behandeln, Kapiert.« Mein ernster Ausdruck spornt ihn dazu an, mich in Rückenlage zu Schubsen. Wütend beugt er sich über mich, und rammt mir sein Knie in den Bauch. Ich bäume mich ihm entgegen und frage: »Aber sonst geht es dir gut?« Meine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus. »Mach dir mal keine Sorge um mein wohlergehen. Erklär mir lieber, wieso du deiner Mutter erzählst ich hätte dich einfach stehen gelassen.« Ohne meine Antwort abzuwarten zieht er mich am Oberteil ein Stück zu ihm heran. Dabei steigt mir sein Geruch in die Nase und lenkt mich für einen kurzen Moment ab. »Treib es nicht zu weit, Miststück. Das ist meine Schule, überlege dir gut mit wem du dich anlegst«, knurrt er bedrohlich. Ich versuche mich von diesem unwiderstehlichen Duft abzuwenden. »Das werden wir ja noch sehen«, erwidere ich auf sein Machtgehabe. Einen kurzen Moment schweigen wir uns nur an, und genau diese Unachtsamkeit nutze ich, um ihn von mir runter zu drücken. Ich erhebe mich und gehe zur Tür. Mit einer ausladenden Geste mache ich ihm klar, dass er sich vom Acker machen soll. Er steht tatsächlich auf und kommt auf mich zu, doch statt zu gehen, drückt er mich gegen die Tür und sagt: »Pass bloß auf.« Mit einem Schubs befördere ich ihn hinaus und weg ist er.

Zu meinem Bedauern ist Roxy schon gegangen, was mich unsagbar Wütend macht. Deshalb muss ich meinem Ärger auch irgendwo freien Lauf lassen.

In der Küche angekommen, rührt meine Mutter gerade irgendeinen Teig an. Als sie mich erblickt fragt sie: »Wieso ist deine Freundin so schnell gegangen. Habt ihr euch gestritten?« Schnaubend antworte ich: »Nein Killian hat sie rausgeekelt.« Als dieser ebenfalls die Küche erreicht fragt meine Mutter sofort: »Stimmt das?« und tätschelt mir aufmunternd die Schulter. Killian sieht sie nur gleichgültig an. »Und wenn schon, die hat hier nichts verloren.« Nachdem er seinen Standpunkt klar gemacht hat, schnappt er sich eine Flasche Wasser und verschwindet wieder. Überfordert mit der Situation sagt sie: »Komm, du kannst mir helfen.« »Hm, mache ich nur und sie verschwindet kurz zur Toilette. Ich gebe derweil den Teig in die Backform, da sticht mir die Flasche Brandy auf der Arbeitsplatte entgegen. Kurzerhand entschließe ich mich dazu den Kuchen etwas auf zu pimpen und Kippe die gesamte Flasche hinein. Mit Mehl stelle ich die vorherige Konsistenz wieder her und schiebe den Kuchen sicherheitshalber schon mal in den Ofen. Das wird ein Spaß, denke ich mir und begebe mich schadenfroh in mein Zimmer.

Da mir mehr als nur langweilig ist, beschließe ich Lexa anzurufen. »Hallo Süße wie geht’s dir«, erklingt die vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. »Hi, mir geht’s gut. Naja, bis auf die Tatsache, dass mein Stiefbruder mich bis aufs äußerste reizt, und ich unbedingt wieder nach Hause will. Bitte schick mir eine Knarre, damit ich mich erschießen kann«, scherze ich verzweifelt. Auch wenn ich sie nicht sehen kann, so habe ich ihr schmutziges Grinsen direkt vor Augen. »Wie ist er denn so, dein nerviges Geschwisterchen«, hackt sie neckend nach. Ein tiefer Seufzer entfährt mir. »Naja, wie soll ich das am besten beschreiben. Er ist ein arrogantes selbstverliebtes Machoarschloch, mit den Vorlieben sich am liebsten den ganzen Tag vor dem Spiegel zu bewundern, und wer es ihm nicht gleichtut, ist sofort unten durch«, kläre ich sie auf. »Klingt nicht gut«, stellt sie fest. »Und wie soll es jetzt weiter gehen?« lenkt sie das Gespräch in eine andere Richtung. »Ich weiß auch nicht. Gerade habe ich erst mal den Kuchen meiner Mutter mit na ganzen Flasche Brandy aufgepimt«, lache ich mehr in den Hörer als das ich spreche. »Du Biest«, sagt sie und stimmt in mein Gelächter mit ein. Als ich die Piepsige Stimme meiner Mutter höre, die zur Kaffeemahlzeit ruft, verabschiede ich mich schnell und eile in die Küche.

 

Kapitel 5

  Knapp daneben ist auch Vorbei

 

»Kann es sein das du etwas in den Teig gegeben hast als ich zur Toilette war«, fragt sie vorsichtig nach. »Natürlich nicht.«, lüge ich, und werfe ihr einen entsetzten Blick zu. Sie weist mich daraufhin, dass sie die leere Flasche Brandy auf der Arbeitsplatte gefunden hat, und der Kuchen ungenießbar war. Ich schaue sie ausdruckslos an, als sie hinzufügt: »Auch wenn Logen Reich ist, so bedeutet das nicht das wir hier ungeniert das Geld zum Fenster rauswerfen.« Unbeeindruckt von ihrer Rede, schnaube ich nur und beharre auf meiner Unschuld. Na Toll, wieso muss sie ausgerechnet jetzt ihren Hang zur Gerechtigkeit entdecken? War die ganze mühe wohl umsonst gewesen. Logen kommt herein und schaut meine Mom fragend an: »Hast du schon mit ihr gesprochen?« Sie schüttelt den Kopf und sieht mich eindringlich an. »Kann es sein das du in Logens Arbeitszimmer warst?«, fragt sie und ich verneine natürlich. »Bist du dir sicher? Weißt du, du bist die einzige in diesem Haus die Kakao trinkt. Und genau dieser war über wichtige Unterlagen im Arbeitszimmer verschüttet«, sagt sie und weiß genau, dass sie mit ihrer Vermutung recht hat. »Ihr könnt mich mal«, zicke ich sie an und stehe auf.

In meinem Zimmer überlege ich, dass es eigentlich nicht schaden könnte, wenn ich in die Wanne steige. Kurzentschlossen drehe ich das Wasser auf, schnappe mir meinen Laptop und genieße das warme Wasser auf meiner Haut. Ich denke darüber nach, wie ich es schaffe meinen Pseudo-Vater von meiner Mutter zu trennen. Nicht mal zwei Minuten später kommt mir eine Idee. Eifersucht. Ich muss einfach nur dafür sorgen, dass er sie betrügt und Bums, ziehen wir wieder aus. Auf der Suche nach geeigneten Objekten die für Logen in Frage kommen würden, finde ich im Netz eine Seite, wo einige Damen für Geld ihre Dienste anbieten. Ich melde mich auf besagter Seite an, erstelle einen Account, und nach etwa zwei weiteren Minuten werde ich fündig. Ich bestelle eine Brünette, mit schönen Kurven um acht zu uns in die Villa. Sie antwortet das sie sich freut, und fragt nach meinen Vorlieben. Nach kurzem Überlegen antworte ich, dass ich auf Rollenspiele stehe. So ganz nach dem Motto, ich weiß gar nicht wer sie sind, und was sie wollen. Zu meinem Entsetzen schreibt sie das es überhaupt kein Problem ist, da sie genau weiß was ich meine. Stumm schüttle ich meinen Kopf vor dem Bildschirm und wundere mich, auf was die Leute heut zu tage so abfahren. Zum Glück berichtet sie mir noch, dass es in ihrer Branche üblich ist, erst nach dem Dienst bezahlt zu werden. Jetzt muss ich nur noch dafür sorgen, dass meine Mom heute Abend nicht zuhause ist und Voilà. Tschüss Logen.

Unter dem Vorwand Langeweile zu haben, überrede ich sie mit mir ins Kino zu gehen. Vom Film bekomme ich jedoch nichts mit, da ich mir die ganze Zeit ausmale, wie wütend meine Mom sein wird, wenn sie Logen mit dieser Nutte sieht. Eineinhalb Stunden später sind wir wieder zuhause, und mein Herz klopft wie wild. Hoffentlich sieht sie dann klarer und wir können hier endlich verschwinden. Als wir die Tür öffnen und Logen meine Mom mit einem Kuss begrüßt, überkommt mich ein ungutes Gefühl. Wieso sind die schon fertig, denke ich mir und atme frustriert und etwas wüten die Luft aus. »War der Film nicht gut?«, fragt Logen aufrichtig interessiert. Mit undurchdringlicher Miene schaue ich ihn an und antworte: »Doch, doch. Aber sag: Was hast du denn den ganzen Abend ohne uns gemacht?« Irritiert mustert er mich. »Ich musste nochmal in die Firma. Wieso fragst du?« Na toll, dann war ja alles umsonst, so eine Scheiße kann auch wirklich nur mir passieren. »Ach nur so«, sage ich beiläufig und begebe mich nach oben. Nachdem ich mich aufs Bett gesetzt habe, höre ich merkwürdige Geräusche und beschließe mal lieber nach zu sehen ob es Killian auch gut geht. Doch als ich seine Zimmertür öffne, trifft mich der Schlag. Eine heiße Brünette sitzt auf ihm, und reitet ihn in Grund und Boden. Schockiert starrt Killian zu mir rüber. »Du störst.«, sagt er stumpf und ich starre regungslos auf das Objekt, welches eigentlich für seinen Vater bestimmt war. »Hallo. Die Tür«, zischt er und schüttelt den Kopf. Erst jetzt begreife ich was er will und lasse die Tür ins Schloss fallen. Das darf doch alles nicht wahr sein. Ich glaub ich spinne. Da lässt der sich doch tatsächlich von einer Nutte flachlegen. Ich weiß wirklich nicht ob ich lachen oder weinen soll. Schließlich schlafe ich mit gemischten Gefühlen ein.

Der morgen verläuft ruhig. Außer Killian und mir sind bereits alle aus dem Haus. Da mein Stiefbruder sich jedoch geweigert hat mich zur Schule mitzunehmen, hat James mir angeboten dies zu übernehmen. Die ersten beiden Stunden waren ganz Okay, da ich aber mordsmäßigen Hunger habe freue ich mich seid geschlagenen vier Stunden auf die Mittagspause. Der Schrille Gong signalisiert mir das es endlich soweit ist. Mit Roxy im Schlepptau betrete ich die Mensa. Leider wollte sie bisher nicht mit mir über die Tatsache das sie einfach abgehauen ist reden. Aber das werde ich später nochmal in Angriff nehmen. Leider steht Barbie nun vor mir in der Schlange, und ich bin gezwungen ihrer nervigen stimme Einhalt zu gebieten. Das künstliche lachen hält nämlich keine Sau aus. »Kannst du vielleicht mal deine Fresse halten«, schnaube ich genervt. Ihr abfälliger Blick mustert mein Schwarzes Top, die Cut-out Jeans und meine nagelneuen Sneaker. »Was ist das bloß für ein Style«, fragt sie. Jedoch glaube ich nicht, dass ihr meine Antwort eine Hilfe sein wird. »Das ist der, I'm not A Bitch style.«, antworte ich und zeichne mit der Hand ihre Silhouette nach. »Willst du damit andeuten, ich sehe aus wie eine Schlampe?«, fragt sie fassungslos. Man, die ist ja dümmer als ich dachte. Ohne das ich es kommen sehe, landet ihre Hand in meinem Gesicht. »Nenn mich noch einmal.« »Schlampe.«, beende ich den Satz für sie, und klatsche ihr meinen Teller mit der ekligen grünen Pampe ins Gesicht. Das quälende gefiepste, was sie daraufhin von sich gibt, bereitet mir Ohrenschmerzen. »Kann mal einer das Gejaule abstellen«, schreie ich hilfesuchend in die Menge. Blondies Gesichtsausdruck zeigt eine Mischung aus Tollwütiger Katze und geschlagenem Hund. Dann faucht sie mich an: »Du bist so was von Tod.« »Jetzt habe ich aber Angst«, entgegne ich nur, als plötzlich eine Dominante Stimme ruft: »Was ist hier los?« Augenblicklich ist es still. Die Gaffer, die gerade eben noch um uns herum standen sind verschwunden, und mein Blick fällt auf Herrn Meisen. Wütend sieht er Blondie und mich an. »Zum Direktor. Sofort.«, weist er uns an. Hr. Lennart, der ältere Mann mit gräulichem Ansatz und Hornbrille auf der Nase, bittet mich zuerst hinein. »Julie Morrow, du bist gerade mal zwei Tage an dieser Schule und wir lernen uns schon kennen. Das ist kein gutes Omen«, sagt er und ich frage mich ob er immer so geschwollen quatscht? »Tja, um ehrlich zu sein, hätte ich auch gedacht das ich mindestens eine Woche durchhalte«, antworte ich. »Gut, wenn du das so siehst, dann wirst du am kommenden Samstag sicherlich nichts gegen Nachsitzen haben«, sagt er. »Samstag ist doch überhaupt kein Schultag«, protestiere ich sofort. Er grinst mich wissend an. »Für dich mache ich eine Ausnahme.« Der sarkastische Ton in seiner Stimme bereitet mir Unbehagen. »Na toll. Sind sie sicher, dass sie da keinen Ärger mit der Schulbehörde kriegen?«, provoziere ich ihn, woraufhin er einfach nur den Kopf schüttelt. »Das las mal meine Sorge sein. Ich erwarte dich am Samstag um acht. Sei Pünktlich.« Mit einem: »Aber Selbstverständlich«, verabschiede ich mich und verlasse grummelnd den Raum.

 

Kapitel 6

 Erkenntnisse

 

Na ganz toll, jetzt muss ich wegen dieser Zickenbarbie auch noch nachsitzen. Die kann sich schon mal auf was gefasst machen, dass schwöre ich ihr. Nach weiteren zwei Stunden, endet der heutige Schultag und ich versuche mir Roxy zu schnappen. Sie steht draußen, bei den Künstlern und unterhält sich gerade mit Kevin. Ich geselle mich dazu und frage: »Roxy, kannst du mich vielleicht noch mal mitnehmen?« Sie lächelt freundlich und meint dann: »Klar.« Nachdem wir in ihrem Käfer sitzen formuliere ich ohne Umschweife meine Frage: »Wieso lässt du dich so von Killian einschüchtern?« Ertappt sieht sie mich an. »Um ehrlich zu sein, macht er mir eine Scheiß Angst. Ich meine, der Kerl besitzt so viel Macht auf unserer Schule. Es wäre nicht klug in meiner Position seine Aufmerksamkeit zu erregen, wenn du verstehst was ich meine?« Mit einem Lachen im Gesicht sage ich: »Verstehen ja, nachvollziehen nein. Und was für Macht?« Nun kann auch sie sich nicht mehr zurückhalten und lacht sich schlapp. »Nun ja, nicht jeder traut sich so mit ihm zu reden, wie du.«, verteidigt sie sich. Für einen Moment muss ich ernsthaft über ihre Worte nachdenken, denn ich verstehe wirklich nicht, wieso sich alle vor ihm in die Hose machen. Immerhin ist er nur ein beschissener Angeber. Gut, ein heißer beschissener Angeber, aber das tut ja nichts zur Sache. Sie lenkt den Wagen geschickt auf unser Grundstück und parkt ein. »Kommst du noch mit rein?«, frage ich Hoffnungsvoll. »Ich weiß nicht.«, nuschelt sie unsicher. »Ach komm. Ich pass auch auf dich auf« scherze ich, um die Stimmung zu lockern. »Okay«, willigt sie schließlich ein, und wir betreten das Haus. »Bin da. Roxy bleibt zum Essen«, schreie ich durch den gesamten Flur und marschiere schnurstracks in mein Zimmer. Keine Minute später klopft es und Killian steht im Türrahmen. »Was macht das Frettchen schon wieder hier?«, fragt er und deutet auf Roxy. Sofort senkt sie ihren Blick. »Sie heißt Roxy.«, stelle ich klar. Sein Gesicht verzieht sich zu einer spöttischen Grimasse. »Aha, und wen interessiert das?«, fragt er herablassend. »Sag mal, kann es sein das du Ärger suchst?«, fauche ich ihn an. Lässig zuckt er die Achseln. »Nein, ich verstehe nur nicht wieso du dich ausgerechnet mit der da abgibst.« Er schiebt sich lässig die Haare aus der Stirn, dabei fällt mir auf wie anziehend diese Geste auf mich wirkt. Ich verdränge den Gedanken an seine Attraktivität und entgegne: »Weil sie im Gegensatz zu dir etwas in der Birne hat.« Unentschlossen wie er darauf reagieren soll, kommt er ein Schritt näher und betrachtet mich. »Spuks aus, was willst du«, sage ich nervös, da er mir einfach zu nah ist. Er lächelt wissend und genießt offensichtlich seine Wirkung auf mich. »Eigentlich wollte ich nur mit dir reden. Aber du scheinst ja ständig wichtigeres Zutun zu haben«, sagt er und ich wundere mich über seinen plötzlichen Stimmungswechsel, da hat er bereits die Tür von draußen geschlossen.

»Wow, ich fasse es nicht das du dich traust so mit ihm zu reden«, gesteht Roxy und lächelt. »Der braucht das, glaub mir.«, erkläre ich und schenke uns ein Glas Wasser ein. »Erzählst du mir jetzt wieso du ein Außenseiter bist?« Einen kurzen Momentlang scheint Roxy mit sich zu hadern, doch dann beginnt sie: »Ich schätze, dass sie mich einfach auf dem Kieker haben, weil ich mich nicht so Modern anziehe oder Wert auf mein äußeres lege. Naja, und dann gibt es da noch die Sache mit Marvin. Er gehört zur Clique von Killian, und ich fand ihn schon immer sehr ansprechend. Naja, eines Tages kam er und hat gefragt ob ich nicht Lust hätte was mit ihm zu unternehmen. Nachdem ich zugestimmt habe, sind wir ein paarmal ausgegangen. Ich war so von ihm geblendet, dass ich mit ihm geschlafen habe. Nicht nur, dass er es in der gesamten Schule rum erzählt hat, nein er hat sogar noch ein Foto von mir in Unterwäsche aufgehangen. Seitdem bin ich komplett unten durch. Das schlimmste aber ist, dass ich ihm ganz offen gesagt habe das ich ihn Liebe. Kannst du dir vorstellen was es für ein Gefühl war, in sein amüsiertes Gesicht zu sehen, als er mich ausgelacht hat.« Man die arme, denke ich mir. »Solche Typen sind echt das letzte, dem müsste man es mal richtig zeigen«, sage ich und versuche sie damit etwas aufzubauen. »Du brauchst dringend etwas Selbstbewusstsein«, erkläre ich ihr, während sie nur mit den Schultern zuckt. »Kann schon sein.« Nachdem Essen verabschiedet sie sich, und ich bin wieder allein. Da es bereits Abend ist, und ich für heute leider keine Idee mehr habe wie ich meinen Pseudo-Dad loswerde, beschließe ich unter die Dusche zu hüpfen. Auf dem Weg ins Bad entledige ich mich schon mal meiner Überflüssigen Klamotten und erstarre. Killian steht mit dem Rücken zu mir hinter der Durchsichtigen Glastür. Mit rhythmischen Bewegungen wäscht er sich den Schweiß von seinen überaus durchtrainierten Muskeln. Ich komme nicht umhin seinen Knackarsch anzusehen. Dabei fällt mir auch auf das er Tätowiert ist, dass Motiv kann ich jedoch nicht erkennen. Der versuch, mich schnell wieder aus dem Staub zu machen scheitert, da Killian sich bereits umgedreht hat, und mir ungeniert auf die Titten starrt. Gott sei Dank habe ich noch meinen Slip und den BH an, denke ich mir und senke verlegen den Blick. »Willst du mir Gesellschaft leisten?«, fragt er belustigt, während ich einfach nur so dastehe und ihn anstarre. Sein Blick wird intensiver und ich habe Mühe mich abzuwenden. »Sorry«, werfe ich schnell ein und verschwinde Blitzartig. Gott war das peinlich. Nach einer viertel Stunde steht Killian dann zu meinem Bedauern, wieder vollkommen angezogen vor mir und meint: »Du brauchst nicht gleich rot werden. Ist nicht das erste Mal das ich eine Frau leicht bekleidet gesehen habe.« Er zwinkert mir zu und ich werde rot. »Schließe das nächste Mal gefälligst ab.«, fauche ich ihn an um meine Scharm zu überspielen. »Ist noch was?«, frage ich nun, da er ja sicherlich nicht ohne Grund zu mir gekommen ist. »Waffenstillstand?«, setzt er an und ich bin verwirrt. »Wieso?«, hacke ich nach. »Weil ich einen Ruf zu verlieren habe, und auch wenn ich es nicht gerne zu gebe, ruinierst du ihn gerade.« Perplex schaue ich ihm in die funkelnden Ozeane. »Du glaubst doch nicht ernsthaft das ich dir das abnehme, oder?« Der Ton mit dem er das Wort: »Bitte«, haucht klingt fast schon flehend. »Hm«, mache ich nur, als plötzlich James an der Tür klopft. Er fordert uns auf gemeinsam ins Wohnzimmer zu kommen, da unsere Eltern etwas mit uns besprechen möchten.

Unten angekommen, sitzen sie nervös mit beiden Händen auf dem Schoß gefaltet da. »Wir wollten euch sagen, dass wir übers Wochenende wegfahren. Das Problem ist nur, dass James Urlaub hat und wir so schnell keinen Ersatz finden können. Das bedeutet, dass ihr euch selbst versorgen müsst. Bekommt ihr das hin?«, fragt meine Mutter hoffnungsvoll. Genervt verdrehe ich die Augen. »Wir sind schon groß Mom. Ich denke wir werden es wohl schaffen uns eine Pizza zu bestellen«, erkläre ich. Killian wirkt belustigt und fügt hinzu: »Sie hat recht. Fahrt nur.« Dann nimmt er mich brüderlich in den Arm und lächelt mich Zuckersüß an. »Seht ihr, wir verstehen uns blendend.« Mit skeptischem Blick sagt Logen schließlich: »Gut, in einer Stunde sind wir dann weg. Ach ja, bevor ich es vergesse, keine Party.« Wir nicken beide im Einklang und verschwinden dann.

Kapitel 7

  Regelverstoß

 

Als unsere Eltern endlich weg sind, begebe ich mich ins Wohnzimmer und schnappe mir gelangweilt ein Buch. Killian gesellt sich zu mir und meint: »Wen willst du einladen?« Irritiert runzle ich die Stirn. »Wie einladen?«, hacke ich nach. »Na, du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich an das Partyverbot unserer Eltern halte«, sagt er. Scheint als wäre er doch nicht so ein Spießer, wie ich angenommen habe. »Ich will Roxy, Kevin, Maik, Lana, Paul und Fira dabeihaben«, entgegne ich mit einem Zuckersüßen lächeln. Er sieht mich finster an, ehe er fragt: »Muss das sein?« »Ja, muss es.«, sage ich und greife zum Hörer. »Was hast du vor?« »Na alle anrufen.« Er lacht laut auf. »Mensch Mädchen, wo kommst du denn her? Dafür gibt es Twitter.« Nachdem er mich davon überzeugt hat, die Künstler auch tatsächlich zu informieren, folge ich ihm in den Keller, wo es eine Riesen Sammlung an Alkoholischen Getränken gibt. Die Auswahl ist phänomenal, von Absinth bis Champagner ist alles dabei. Wir schnappen uns ein paar Flaschen Weinbrand, etliche Kisten Bier und für die Ladys einige fertig gemixte Caipirinhas und allerlei andere Dosen mit Cocktails. »Und jetzt. Wie geht es weiter«, frage ich und stelle die Getränke auf der Arbeitsplatte in der Küche ab. »Also ich geh mich jetzt umziehen, was du tust weiß ich nicht.« Stumm nicke ich zum Verständnis und begebe mich in mein Zimmer. Auf der Suche nach einem passenden Outfit, fällt mein Blick auf eines der neuen Kleider. Es ist ein Schwarzes knielanges und sehr Figurbetontes Teil welches von der Brust abwärts bis knapp über den Hintern zwar Blickdicht, durch die überzogene Spitze aber sehr aphrodisierend für das männliche Geschlecht ist. Wie immer bringe ich meinen Bob in Form und umrahme meine Türkisen Augen etwas dezenter als sonst. Zufrieden mit meiner Wahl, begebe ich mich nach unten ins Wohnzimmer. Killian sitzt auf der riesigen Wohnlandschaft, und starrt mich für meinen Geschmack einen Moment zu lange an. »Siehst gut aus.«, schmeichelt er und ich frage mich, ob er schon die ersten Drinks intus hat. »Danke«, nuschle ich nur, da klingelt es auch schon. Killian drückt auf eine Bedienung, und prompt dröhnt laute Musik aus den Boxen. Levi und Marvin sind die ersten, leider haben sie Barbie und ihr Gefolge im Schlepptau. »Hi, alles klar?«, fragt Levi und begrüßt mich. »Geile Idee mit der Spontanparty«, sagt Marvin, und ich komme nicht umhin die beiden zu Mustern. Levi ist ein durchtrainierter Typ mit braunem Haar und dunklen Augen. Marvin ist deutlich attraktiver, zumindest in meinen Augen. Sein schwarzes Haar trägt er lässig zurückgekämmt und seine blauen Augen strahlen Wärme aus. Er ist so ein Typischer Hot-Boy. Ein weiteres klingeln reist mich aus meinen Gedanken, und ich stelle erfreut fest, dass Roxy und die anderen endlich da sind. Langsam füllt sich die Villa, und ich habe bereits ein paar der Caipirinhas inne. Da ich langsam Hunger bekomme, greife ich zum Telefon und bestelle zwanzig Pizzen auf Logens Rechnung natürlich. Plötzlich überkommt mich die Idee seine Master Card zu plündern, dass findet er garantiert nicht witzig. Aber mal ehrlich, wozu hat er sie sonst dagelassen. Mit meinem neuen vorhaben und einem weiteren Caipirinha verziehe ich mich kurz auf mein Zimmer und fahre meinen PC hoch. Ich beginne wahllos irgendwelche Sachen zu bestellen. Ein paar Tabletts, einige Notebooks sowie einen Wandbrunnen mit Löwenkopf für schlappe zweitausendfünfhundert Euro. Nicht das ich damit irgendetwas anfangen könnte, aber es ist schön teuer. Der Gedanke an ihre Dummen Gesichter, wenn das ganze Zeug geliefert wird, zaubert mir ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht. Zum Schluss finde ich dann noch einen riesigen Holzaffen, und eine Bronzefigur mit Feuerschale. Der Affe ist eigentlich ein Kinderspielzeug, wieso das Teil so teuer ist, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Auf der Suche nach weiteren Objekten sticht mir etwas Interessantes in die Augen. Ich entschließe mich dazu, nett wie ich bin, meinem Bruder auch eine Kleinigkeit zu bestellen. Eine lebensechte Gummipuppe. Da man die Optik selbst bestimmen kann, entscheide ich mich für das Abbild der Nutte von neulich. Innerlich vollkommen befriedigt, will ich gerade wieder zu den anderen, als ich stimmen höre. Neugierig folge ich der Geräuschquelle. Marvin steht mit einem unbekannten Typen am Ende des Flurs hinter dem Treppenabsatz. Da sie mich noch nicht bemerkt haben, schließe ich meine Zimmertür so leise wie möglich, und schleiche mich näher an sie heran. Sie unterhalten sich, und das gesagte verschlägt mir fast die Sprache. »Man, steh doch endlich zu mir«, fordert der Kerl Marvin gegenüber und sieht ihn enttäuscht an. Kurze Zeit später Küssen sie sich. Das sind doch mal geile Informationen. Mit einem räuspern gebe ich mich zu erkennen und sage: »Ach, wie süß.« Schockiert dreht Marvin sich zu mir um. »Das ist nicht das wonach es aussieht«. »Ach, tatsächlich? Für mich sah das gerade aus, als hättest du ihn geküsst«, antworte ich. Unschlüssig wie er darauf reagieren soll, bittet er mich eindringlich, die Sache für mich zu behalten. Irgendwie tut er mir ja schon ein bisschen leid. »Keine Panik. Ich verspreche dir, heute wird keiner davon erfahren.« Misstrauisch sieht er mich an. »Heute. Und morgen?«, hackt er nach. Ich seufze: »Tja, das weiß ich noch nicht. Es könnte aber nicht schaden, wenn du dich bei Roxy für dein beschissenes Verhalten entschuldigst.« »Du weißt davon?«, fragt er irritiert, versucht aber nicht es abzustreiten. »Wer nicht«, sage ich vorwurfsvoll, und beobachte wie sich der unbekannte aus dem Staub macht. »Also, was hältst du von meinem Vorschlag?«, hacke ich nach. »Das ist kein Vorschlag, dass ist Erpressung«, kontert er. »Tja, ein Gerücht verbreitet sich schnell. Es wird nicht einfach sein, deinen Liebhaber dann noch unbeobachtet zu treffen.« Ein Gefühl der Genugtuung stellt sich bei mir ein. Ich mag Roxy und ich freue mich tierisch über diesen kleinen Triumpf. »Okay, was sind deine Bedingungen?«, hackt er nach und kommt ein Stück auf mich zu. »Ganz einfach, du wirst ihren Ruf wiederherstellen.« Ein tiefes grummeln dringt ihm aus der Kehle und er umfasst mein Handgelenk. »Man Julie, dass wäre mein Gesellschaftlicher Untergang.« »Das ist ja wohl nicht mein Problem«, sage ich, drehe mich um und laufe die Treppe zu den anderen hinunter. Da ich keine Lust mehr auf Caipirinhas habe, versuche ich etwas anderes zu finden, womit ich mir den Abend versüßen kann. Während mein Blick suchend umherschweift, entdecke ich Killian völlig allein auf der Terrasse. Aus einem mir unerfindlichen Grund gehe ich zu ihm heraus und frage: »Wieso bläst du hier Trübsal?« Verwundert sieht er mich an: »Tue ich doch gar nicht.« Sein Finger pickst mir spielerisch in den Bauch. »Was tust du denn da?«, fordere ich eine Erklärung. »Ich Ärgere dich«, antwortet er und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Gespielt beleidigt verzieht er das Gesicht zu einem Schmollmund. »Lass uns rein gehen«, sage ich während er meine Hand ergreift und meint: »Nur wenn du mit mir Tanzt.« »Was?«, hauche ich, und er beginnt provokativ seine Hüften vor mir zu kreisen. »Na, Tanzen«, wiederholt er und grinst mich anzüglich an. Für einen kurzen Moment hat er mich aus der Fassung gebracht, wie ich erschrocken feststellen muss, doch ich habe mich schnell wieder gefangen und antworte: »Wieso gehst du nicht mit Barbie Tanzen?« Er kommt ein Stück näher und ergreift meine Hand. »Ich will Tanzen und nicht Ficken.« Sprachlos entferne ich mich aus seinem Griff. »Aha, und mit ihr geht das nicht oder wie?« »Du begreifst schnell«, erklärt er, schlägt mir freundschaftlich auf die Schulter und nuschelt: »Jetzt komm schon.« Überrascht von seiner Reaktion, lasse ich mich tatsächlich auf sein Spielchen ein. Ich folge ihm auf die Tanzfläche und werde prompt von den herumstehenden gemustert. Zu meinem Entsetzen wird gerade ein langsames Lied gespielt, woraufhin er mich einfach an seine Brust drückt und anfängt irgendeinen Paarungstanz zu vollziehen. »Hi, lass den Scheiß«, fauche ich und schiebe ihn ein Stück von mir weg. Ein spitzbübisches Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht. »Ach komm schon, dass hat dir doch auch gefallen.«

Da fehlen mir echt die Worte. Zu meinem Glück klingelt es, ansonsten hätte ich ihm womöglich noch eine heruntergehauen. Ich öffne mit grimmiger Miene die Türe und nehme die Pizzen entgegen, während ich in die Menge hineinrufe: »Essen ist da.« Als hätten sie alle seit Jahren nichts mehr zwischen die Zähne bekommen, stürmen sie zu mir in die Küche und machen sich über die Pizzen her. Nachdem Essen, wird die Stimmung noch besser. Alle tanzen ausgelassen, unterhalten sich, oder knutschen in irgendwelchen ecken. Killian scheint seinen Spaß nun auch wieder gefunden zu haben. Denn Blondie hockt Sturz besoffen auf seinem Schoß und flüstert ihm anscheinend schmutzige Dinge ins Ohr. Die Art wie er sie ansieht deutet daraufhin, dass sie ihn heute nochmal zwischen ihre Schenkel lassen wird. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass sie nach wenigen Minuten aus dem Zimmer verschwinden. In der Zwischenzeit ist es schon ziemlich spät geworden, und die meisten sind völlig besoffen. Das gesamte Haus ist dreckig und überall liegt Müll herum. So stelle ich mir eine Party vor, überlege ich gerade als ich von Roxy strahlend in mein Zimmer geschleppt werde. »Weiß du was mir eben passiert ist«, fragt sie lallend, woraufhin ich den Kopf schüttle. »Los, raus mit der Sprache«, fordere ich sie auf. »Marvin hat sich bei mir entschuldigt.« »Nein, Echt?«, frage ich übertrieben. Sie schaut mich abwartend an. »Ja. Und dann hat er mich geküsst.« »Was.« schreie ich entsetzt und stürme aus der Tür. Roxy schaut mich irritiert an und ruft mir hinterher: »Was ist denn jetzt los, wo gehst du hin?.« Ihre Worte dringen jedoch nicht mehr zu mir durch. Marvin steht lässig in einer der Ecken und Unterhält sich angeregt. Ich gehe auf ihn zu und schiebe ihm mit beiden Händen vor seiner Brust an die Wand. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst Roxy in Ruhe lassen?«, schreie ich ihm meine Wut entgegen. Entschuldigend nimmt er die Hände nach oben. »Du hast gesagt ich soll ihren Ruf wiederherstellen. Ich habe mich vor versammelter Mannschaft bei ihr entschuldigt und gesagt das ich sie eigentlich total nett finde«, rechtfertigt er sich und scheint überhaupt nicht zu verstehen wo das Problem liegt. »Du Vollidiot. Wie kannst du sie Küssen? Du weißt genau was sie für dich empfunden hat, so verarscht du sie doch schon wieder«, gebe ich ihm zu verstehen. »Es tut mir leid. Daran hatte ich nicht gedacht.« Mit einem strafenden Blick schaue ich ihn an. »Morgen biegst du das gerade, ansonsten werde ich einigen Leuten ein paar nette Details über dich verraten.« Neben uns sammeln sich neugierige Blicke, die einzig darauf warten, dass er oder ich etwas sagen, worüber sie sich den Rest der Woche das Maul Zerreißen können. »Ist ja gut«, brüllt Marvin mich nun verzweifelt an. Er scheint die Situation richtig einzuschätzen. Denn sollte er ein falsches Wort über die Lippen bringen, werde ich ihn gnadenlos Outen. »Wie kann man nur so dumm sein?«, sage ich mehr zu mir selbst, und lasse ihn einfach stehen. Roxy eilt zu mir, anscheinend hat sie unsere Auseinandersetzung bis ins kleinste Detail verfolgt. »Was geht denn zwischen euch ab?« Mit einer abwinkenden Geste versuche ich sie abzuschütteln. Zu meiner Überraschung, belässt sie es tatsächlich dabei, und drückt mir einen Becher mit Roter Flüssigkeit in die Hand. »Lass uns eine Runde Tanzen.« Schweigend folge ich ihr in die Mitte des Raums zu den anderen Tanzwütigen. Nach etwa zehn Minuten habe ich mich deutlich abgeregt, und genieße das unbefangene Gehopse. »Sag mal, läuft da was zwischen Killian und dir?«, fragt Roxy plötzlich unverblümt. Ich verschlucke mich fast an meinem Getränk. »Was?.« Sie kichert, und ich wundere mich doch immer wieder über die Tatsache, wie locker die Menschen unter Alkoholeinfluss werden. Sie wirft mir einen schnippischen Blick zu. »Naja, ich dachte nur, weil ihr euch immer so an zickt.« »Ach, und das bedeutet automatisch, dass da was laufen muss?«, frage ich mit leicht abfälligem Ton. »Wie sagt man so schön, was sich liebt das neckt sich.«, scherzt sie und zwinkert mir zu, während sie ein weiteres Mal an ihrem Strohhalm nippt. »Nur fürs Protokoll, da läuft rein gar nichts, und falls du es vergessen hast, wir können uns nicht mal ausstehen«, antworte ich nun erheblich ruhiger. »Wie du meinst«, sagt sie schulterzuckend, beendet aber diese komische Unterhaltung.

Allmählich beginnt es sich zu leeren, worüber ich nicht unbedingt traurig bin. Zugegeben es war schon eine geile Party, aber ich bin Hundemüde und habe für heute auch echt genug.

Als ich den letzten Gast verabschiede, bin ich mit Killian alleine. Ein paar seiner blonden Locken fallen ihm lässig in die Stirn. Er streckt sich und legt dabei einen nackten streifen seiner gebräunten Haut frei. Wie gebannt von seinem Anblick, schaffe ich es nicht mich abzuwenden. Schließlich gähnt er und ich bemerke das er sich kaum noch auf den Beinen halten kann. »Komm, ich bring dich hoch. Wir sollten jetzt wirklich Schlafen gehen«, sage ich und greife nach seiner Hand. Ohne sich zu widersetzen, lässt er sich von mir führen. In seinem Zimmer angekommen, zieht er mich in seine Arme und nuschelt: »War eine geile Party«, ehe er sich aufs Bett schmeißt. »Fand ich auch, schlaf gut?«, sage ich noch ehe ich mich zum Gehen wende. »Kannst du mir nicht noch schnell aus meinen Klamotten helfen«, fragt er woraufhin ich ihm den Vogel zeige. »Süße Träume«, necke ich ihn und schließe die Tür hinter mir.

 

Kapitel 8

  Unterste Schublade auf höchstem Niewo

 

Eine Last auf meiner Hüfte weckt mich aus meinem Tiefschlaf. Gähnend versuche ich mich zu strecken, was mir jedoch nicht gelingt. Irgendetwas hält meine arme vor dem Bauch fest. Erschrocken reiße ich die Augen weit auf und stelle entsetzt fest, dass mich jemand mit seinen Armen Fixiert. Mit einem Seitenblick bemerke ich das vollkommen entspannte Gesicht von Killian neben mir. Oh Gott. Hoffentlich habe ich noch meine Unterwäsche an. Ein verstohlener Blick unter die Decke, beruhigt meine Nerven, denn ich bin vollständig bekleidet. Aber wieso liege ich gemeinsam mit ihm hier? Derweil scheint auch Killian aus seinem Tiefschlaf zu erwachen. Verlegen lächelt er mich an. »Was machst du in meinem Bett?«, frage ich sofort um seinem Grinsen Einhalt zu gebieten. »Keine Ahnung. Muss wohl beim Pissen die falsche Tür erwischt haben«, erklärt er und gähnt lautstark. »Willst du mich verarschen.«, beginne ich meinem Ärger Luft zu machen, da rutscht er bereits nicht sehr elegant unter der Decke hervor und verlässt mein Zimmer. Das muss doch ein schlechter Scherz sein denke ich mir, und bin völlig perplex von dem gerade geschehenen.

Nach einer ernüchternden Dusche, steige ich in eine bequeme Hose und streife mir ein Trägertop über. Da mir die Situation immer noch auf den Magen schlägt, verzichte ich aufs Frühstück und inspiziere lieber mal das Ausmaß der Party. Überall leere Flaschen, Pizzakartons, Schmutzige Schuhabdrücke und verklebte Flächen wo man auch hinsieht. Wenn ich das genaue Ausmaß dieses abends betrachte muss ich sagen, dass ich vollkommen zufrieden bin. Der Gedanke wie enttäuscht und angepisst meine Mutter und ihr Stecher sein werden, bringt mich zu dem Entschluss, dass wir ganze Arbeit geleistet haben.

Plötzlich taucht Killian neben mir auf und sieht sich ebenfalls um. »Um das wieder hin zu bekommen, brauchen wir mindestens drei Tage.« Ich lache laut auf, und wende mich in ernstem Ton an ihn. »Du wirst hier nicht einen Finger rühren. Die Verantwortung für dieses Chaos, werde ich ganz alleine tragen.« Wäre er nicht ohnehin schon so bleich, würde ich sagen das ihm gerade seine gesamte Farbe aus dem Gesicht gewichen ist. »Wieso?«, ist der einzige Kommentar der ihm dazu einfällt. »Stell keine Fragen, kümmere dich lieber um das was ich dir gesagt habe. Am besten du bist gar nicht zu Hause, wenn sie zurückkommen«, kläre ich ihn auf. Da ihm meine Forderung anscheinend sehr gelegen kommt, verlässt er umgehend die Villa. Ich setze mich provokativ aufs Sofa, und schlage mir die restliche Zeit mit einem Sketsch Programm Tot.

Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn ein lautstarkes: »Juliane«, weckt mich. Verschlafen öffne ich meine Augen und der Spaß kann beginnen. »Da seid ihr ja.« Ich sehe wie sie ihren Blick durch das Chaos streifen lässt. »Kannst du mir vielleicht mal verraten, was hier passiert ist?«, brüllt meine Mutter energisch. »Das siehst du doch«, antworte ich patzig und gähne herzhaft. »Julie, das geht eindeutig zu weit. Wir haben doch ausdrücklich verboten das ihr Feiert während wir weg sind«, erinnert sie mich an ihre Anweisung von gestern. »Na und«, entgegne ich genervt. Außer sich vor Wut steht sie mit erhobener Hand vor mir. Logen hat sichtlich Mühe sie zu beruhigen. Ich reibe mir über die Schläfen, da meine Kopfschmerzen langsam unerträglich werden. »Kannst du mal etwas leiser sein«, gebiete ich ihrer lauten Stimme Einhalt. Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen füge ich noch ein: »Psst« hinzu. Ihre Miene sieht aus als würde sie jeden Moment explodieren. »Schatz, kannst du mich eine Sekunde mit ihr allein lassen«, wendet sie sich an ihren Macker. Nur widerwillig verlässt er auf ihre Bitte hin den Raum. »Was fällt dir ein so mit mir zu reden, hast du jetzt komplett den Verstand verloren?« brüllt sie und tritt einen der Becher vom Boden gegen die Wand. Ich schnaube verächtlich und antworte: »Wir wollten nur etwas Spaß haben.« Meine Gelassenheit scheint sie noch wütender zu machen, denn augenblicklich packt sie mich am Handgelenk und dreht mich so zu sich herum. »Mag sein, dass es nicht leicht für dich ist, aber das gibt dir noch lange nicht das recht hier alles auf den Kopf zu stellen. Irgendwann wirst du es akzeptieren müssen«, stellt sie klar und lässt mein Handgelenk endlich los. Auch wenn sie nicht wirklich schmerzhaft zugepackt hat, so erschreckt es mich doch immer wieder aufs Neue, wenn sie versucht mich auf diese Art zur Vernunft zu bringen.

Beleidigt verschränke ich die arme vor der Brust und schreie: »Du kannst mich mal. Ich hasse dich.« Ihre Miene wirkt traurig, doch anstatt mich zu verurteilen, kommt sie auf mich zu und schließt einfach die Arme um mich. Perplex starre ich sie an. »Es wird alles gut, sag mir doch einfach wie ich dir helfen kann.« Aus irgendeinem Grund reizen mich ihre Worte so sehr, dass ich sage: »Du könntest tatsächlich etwas tun.« Neugierig mustert sie mich. »Nun, da es hier aussieht wie im Schweinestall, wäre es schön, wenn du mal wieder aufräumst.« Der Schock über meine dreisten Worte steht ihr ins Gesicht geschrieben. Innerlich muss ich schmunzeln, diese Schlacht, habe definitiv ich gewonnen. »Wie bitte.«, brüllt sie wie eine Hyäne, da bin ich bereits auf dem Weg nach draußen.

Ohne zu wissen wohin ich gehen soll, laufe ich ziellos durch die Gegend. Nach einigen Minuten bemerke ich das Summen in meiner Hosentasche. Zum Glück ist es wieder sehr warm, denn außer meiner lockeren Hose und dem Trägertop habe ich nichts an. »Ja.«, brumme ich in den Hörer. »Wer ist dir denn über die Leber gelaufen«, fragt mich die vertraute Stimme von Lexa. »Hi, wie geht es dir?«, versuche ich vom Thema abzulenken. »Julie.«, tadelt sie mich. Warum muss sie mich nur so gut kennen, denke ich mir und beantworte ihre Frage. Ich erzähle ihr von der Party, den Bestellungen, der Tucke Marvin und das Killian heute Morgen neben mir im Bett aufgewacht ist. Aufmerksam hört sie sich alles an, bis ich fertig bin. »Sag mal, läuft da was zwischen Killian und dir?«, ist die erste Frage die sie auf meine ganzen Schandtaten stellt. Etwas enttäuscht antworte ich: »Mehr fällt dir dazu nicht ein?« Sie schnaubt: »Was regst du dich denn so auf. Schließlich war das doch unser Plan und wie ich höre, scheint er voll und ganz aufzugehen, oder was glaubst du wie lange Logen dein Verhalten noch Tolerieren wird?« »Du hast ja recht, mir brummt einfach noch der Schädel.« »Akzeptiert. Aber jetzt sag schon, was läuft da zwischen dir und deinem Stiefbruder?«, will sie erneut wissen. »Gar nichts. Du bist schon die zweite in zwei Tagen, die mir diese bescheuerte Frage stellt.« Lexa wird hellhörig: »Wie zweite?« »Ach, vergiss es. Ich will nicht über ihn reden«, versuche ich mich zu verteidigen. Nachdem ich sie erfolgreich vom Thema abgelenkt habe, gibt sie schließlich auf und seufzt frustriert. »Süße lass den Kopf nicht hängen, das wird schon wieder.« »Wenn du meinst«, gebe ich nicht gerade überzeugt von ihrem Optimismus zurück. »Hör zu, ich muss jetzt auflegen, aber ich rufe die Tage noch mal durch«, sagt sie und die Leitung ist still. Ein Blick auf das Display verrät mir, das wir ganze dreiundfünfzig Minuten mit einander gesprochen haben. Da fällt mir ein, dass heute Samstag ist, was bedeutet, dass ich das Nachsitzen verpasst habe. Hubs, geht’s mir sarkastisch durch den Kopf. Noch ein weiterer Grund für meine Mutter auszuticken. Wenn ich von der Schule fliege, wird sie sicherlich nicht gerade erfreut sein. Vielleicht gibt sie ja irgendwann auf und sieht ein, dass sie mir nur helfen kann, wenn wir zurück nach Berlin gehen, denke ich mir und lächle triumphierend vor mich hin.

Da mir allmählich die Füße weh tun, beschließe ich mich auf den Rückweg zu machen. Leider muss ich feststellen, dass ich absolut keinen Schimmer habe wo ich mich befinde. Fuck, fluche ich etwas zu laut, als ich plötzlich ein Lachen hinter mir höre. Na toll, der hat mir gerade noch gefehlt. »Stalkst du mich?«, frage ich meinen Stiefbruder und prüfe seine Miene. »Das hättest du wohl gerne.« Seine Lippen formen sich zu einem spitzbübischen lächeln, als er feststellt: »Findest wohl nicht mehr nach Hause.« Mit neckendem Blick mustert er mich. Auch wenn mir momentan eigentlich nicht nach Gesellschaft ist, bin ich doch froh ihn zu sehen.  Spielerisch boxe ich ihm gegen den Oberarm. »Ich hätte schon zurückgefunden«, verteidige ich mich und zwinkere ihm zu. »Natürlich.« Dann ergreift er meine Hand und setzt sich in die entgegengesetzte Richtung in Bewegung. Ohne zu protestieren schlendere ich neben ihm her, mache aber keine Anstalten mit ihm zu reden.

 

 

Kapitel 9

 Uneinsichtig

 

Zuhause angekommen, lasse ich mich von Killian überreden einen Tee mit ihm zu trinken. Irgendwie ist er die ganze Zeit schon so nett. Ich frage mich was wohl dahinter steckt. Ob er etwas vorhat? »Wie schön. Madame lässt sich auch mal blicken«, sagt meine Mutter als sie zu uns in die Küche tritt. »Wir müssen uns Unterhalten«, fordert sie. Killian verlässt daraufhin wortlos den Raum. »Du kannst dir sicher denken, dass ich dein Verhalten nicht auf mir sitzen lasse. Deshalb habe ich beschlossen das dein Urlaub mit Lexa gestrichen ist, und außerdem wirst du keinen Kontakt mehr zu ihr aufnehmen.« Natürlich treffen mich ihre Worte, doch ich versuche die Wut herunter zu schlucken.  »Das ist meine letzte Verwarnung. Ich kann dich auch anders zur Vernunft bringen«, droht sie. Innerlich muss ich lachen über diesen lächerlichen versuch mich einzuschüchtern. Ich meine, wie will sie mich schon groß zur Vernunft bringen? Will sie mich einschließen, mir den Kaffee verbieten, oder mich auf ein Internat schicken? Wobei, das mir dem Internat, wäre dann ja wohl eher ein Gefallen. »Benimm dich endlich deines Alters entsprechend«, sagt sie geringschätzig und lässt mich einfach stehen. Ich könnte weinen, so verletzt bin ich. Nicht mal mehr wegen des Trips mit Lexa, sondern weil sie mir nie zuhört. Meine Bedürfnisse scheinen ihr völlig egal zu sein. Gut, mit meiner Aktion bin ich vielleicht ein bisschen über die strenge geschlagen, aber sie hätte ja wenigstens mal fragen können wie es mir geht.

Lustlos schiebe ich mich die Treppe hinauf in mein Zimmer. Ich brauche jetzt etwas Ablenkung, also schalte ich das Radio ein. Die Lautstärke dröhnt mir in die Ohren und für einen Moment fühle ich mich tatsächlich freier.   Ich lasse mich auf dem Bett zurückfallen, als Killian mal wieder unaufgefordert mein Zimmer betritt. Er setzt sich neben mich und fragt: »Alles Okay bei dir?« Überrascht runzle ich die Stirn und blicke zu ihm auf. »Jaja, geht schon.« Er schaut mich mitleidig an und schlägt vor etwas zu unternehmen. Ich habe das Gefühl mir sitzt ein völlig fremder gegenüber. Ich meine wieso will er ausgerechnet etwas mit mir machen? Glaubt er mich irgendwie aufheitern zu müssen oder was? Ohne dass ich irgendetwas sage rutscht er dicht neben mich und meint: »Komm schon, ich versuche hier nett zu sein.« Unwillkürlich muss ich lachen. Aber er hat recht, er ist wirklich nett, ich möchte nur zu gerne wissen wieso? Ich lasse mich von ihm überzeugen eine kleine Spritztour zu machen. Schließlich halten wir an einem kleinen See und setzen uns auf die Wiese. Ich genieße die absolute Stille hier und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Killian schlendert ein wenig mit den Füssen im Wasser herum und ich stelle mir für einen kurzen Moment vor, wie es wohl wäre, wenn er sein Shirt auszieht. Sein Blick streift mich und ich senke ertappt den Blick. Es wundert mich, dass er kein Gespräch, keinen Dummen Kommentar oder irgendwelche Spielchen mit mir treibt. Das hier, ist so gar nicht typisch für ihn.

Aber es tat gut einfach nur schweigsam abgelenkt zu werden und so endet der Abend dann auch.

Als ich am Morgen erwache, schleppe ich mich wie immer zuerst ins Bad, um mir Kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Plötzlich spüre ich wie sich zwei Hände auf meine Schultern legen, und in rhythmischem Gleichklang eine massierende Bewegung durchführen. Ruckartig starre ich durch den Spiegel vor mir, direkt in die warmen, Ozean blauen Augen von Killian. »Was wird das?«, frage ich irritiert. Sein frecher Blick verrät mir, dass er genau weiß was er da tut. »Meine magischen Hände verschaffen dir einen guten Start in den Tag«, antwortet er mit einem Grinsen. Perplex schüttle ich den Kopf, unschlüssig ob ich ihm für seine Frechheit eine kleben, oder ihn einfach weiter machen lassen soll. Zumindest kann ich nicht bestreiten, dass es ein wohltuendes Gefühl ist. In meiner starre gefangen, fragt er plötzlich noch immer mit den Händen auf meiner Schulter: »Wieso willst du unbedingt einen Keil zwischen unsere Eltern treiben?« Sofort ist meine entspannte Haltung dahin. Ich schiebe seine Hände unsanft von mir, und antworte: »Das geht dich gar nichts an.« Er mustert mich abschätzend und meint dann: »Es war nur eine Frage.« »Raus jetzt«, weise ich ihn an und werfe ihm einen warnenden Blick zu. »Schon gut«, sagt er gespielt reumütig und zieht sich das Shirt über den Kopf. »Kannst du vielleicht mal aufhören, dich ständig vor meiner Nase auszuziehen?«, fauche ich und betrachte seine ausgeprägten Bauchmuskeln. Zum ersten Mal bekomme ich auch die Gelegenheit sein Tattoo aus der Nähe zusehen. Es zieht sich vom Oberarm bis runter über die Hälfte seines Rückens. Es ist so faszinierend, dass ich am liebsten einmal über seinen Rücken streicheln würde. »Wieso ständig?«, unterbricht er schon wieder meine Gedanken. Perplex und unfähig etwas zu sagen, starre ich ihn an. »Soweit ich mich erinnere, ist es das erste Mal«, fährt er fort und ich habe keinen blassen Schimmer wovon er überhaupt redet. Da er nun Anstalten macht sich auch seiner Hose zu entledigen, rufe ich mich schnell zur Besinnung und verlasse das Bad. Grinsend steht er da und sieht mich einfach nur an. Bestimmt hat er genau gemerkt wie ich auf ihn reagiere. Einen Moment länger und ich hätte wieder angefangen zu sabbern. Ich muss dieses Bild schleunigst wieder aus meinem Kopf kriegen denke ich mir, als mich das summen meines Handys aus meiner Trance reißt. »Wer stört?«, fluche ich und hoffe wirklich das es wichtig ist. »Hallo, hier ist Roxy. Ich wollte nur fragen ob ihr Hilfe beim Aufräumen braucht.« Augenblicklich ist all meine Wut verflogen. »Und, was ist jetzt mit aufräumen?«, hackt sie erneut nach. »Ist bereits alles erledigt.« Ihr Seufzer klingt ein wenig enttäuscht. »Willst du vorbeikommen?«, frage ich deshalb und höre sofort ein erleichtertes: »Gerne, aber nur wenn du nichts Besseres zu tun hast.« Kopfschüttelnd schalte ich die Musikanlage ein. »Passt schon. Sei einfach in einer Stunde hier.« Der nervige Piepton signalisiert mir das Roxy bereits aufgelegt hat. Ich streife mir das Kleid über, und begebe mich nach unten in den Wohnbereich. Zu meiner Überraschung, ist es hier bereits wieder vollkommen im Ursprungszustand. Logen kommt auf mich zu, und legt mir wie selbstverständlich eine Hand auf die Schulter. »Julie, ich möchte das du weißt, wie sehr ich deine Mutter liebe. Ich wünsche mir nur, dass du unsere Beziehung respektierst.« Mit einer abwinkenden Handbewegung, versuche ich ihm zu verdeutlichen, dass ich keinerlei Interesse an einem derartigen Gespräch habe. Leider scheint ihn das null zu interessieren, denn er spricht einfach weiter. »Egal was du auch anstellst, lass dir gesagt sein, dass du uns nicht auseinanderbekommst.« Erstaunt über seine Offensive Kriegserklärung zische ich: »Wenn du meinst«, und schiebe mich an ihm vorbei in die Küche.

Nachdem ich mir etwas zu trinken besorgt habe, begebe ich mich zurück auf mein Zimmer und denke über die Party nach. Ein Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken. »Hi«, begrüßt Roxy mich und setzt sich auf den Schreibtischstuhl. »Was wollen wir machen?« »Keine Ahnung, aber es sollte auf jeden Fall Spaß bringen«, antwortet sie, und grinst mich wie ein Honigkuchenpferd an. »Und, an was genau hast du da gedacht?«, hacke ich nach. Ihr Schulterzucken verrät mir, dass sie keinen blassen Schimmer hat. Nach einem Moment des Schweigens frage ich: »Hast du schon mal etwas verbotenes Gemacht?« Ein schüchternes lächeln, macht sich auf ihren Lippen breit. »Kann schon sein.« Mit anerkennendem Blick scherze ich: »Dann las uns in der Schule einbrechen, und das Lehrerzimmer Pink streichen.« Sie sieht mich nachdenklich an: »Geile Idee.« Ein grelles lachen, entweicht meiner Kehle, als ich sie aufkläre. »Das sollte eigentlich nur ein schlechter Scherz sein.« Ihre Lieder verengen sich kurz als sie meint: »Wieso? Ist doch abgefahren, auf diese Idee ist bestimmt noch keiner gekommen.« Ihr enthusiastischer Überzeugungsversuch lässt mich nicken. »Hast Recht, ist zwar etwas kindisch, aber mir fällt gerade sowieso keine Alternative ein.«

 

Kapitel 10

Kindergarten Spiele

 

»Aber wo bekommen wir Farbe her, und vor allem wie transportieren wir sie in die Schule?«, hackt Roxy nun nicht mehr so überzeugt nach. Nach einer kurzen Denkpause, kommt mir auch sogleich eine Idee. »Wir nehmen uns irgendeine Karre aus der Garage von Logen.« Sie schaut mich erschrocken über meinen Vorschlag an. »Du willst ihn beklauen?«, hackt sie schüchtern nach. Mit abfälligem Ton antworte ich: »Beklauen würde ich jetzt nicht unbedingt sagen, eher Ausleihen.« Kurz denke ich darüber nach, welche verbotenen Dinge sie bereits durchgezogen hat, wenn sie sich bei einem einfachen Autoklau schon in die Hosen macht. Ich fahre mit meinem Plan fort, und erkläre: »Dann spazieren wir in einen Baumarkt, besorgen uns was wir brauchen, und ab geht’s. Was mir allerdings Sorgen bereitet ist, wie wir ins Schulgebäude kommen. Das ist sicherlich abgeschlossen.« Sie fährt sich mit der Hand durchs Haar und sagt: »Ach, das ist kein Problem. Ich habe einen Ersatzschlüssel. Also mein Dad, hat einen. Er ist der Hausmeister«, gibt sie beschämt von seiner niederen Tätigkeit zu. »Geile Sache. Dann kann es ja los gehen. Ich muss nur noch herausfinden, wo Logen die Schlüssel für die ganzen Autos versteckt hat«, gebe ich zu. »Frag doch einfach Killian, also unter einem Vorwand natürlich«, schlägt sie vor. »Hm, das müsste ich hinbekommen«, sage ich und begebe mich sogleich durch das Bad in sein Zimmer. Mit einem warnenden Klopfen mache ich mich bemerkbar, ehe ich einfach die Tür aufreiße. Er liegt ausgestreckt auf seinem Bett, und mustert mich neugierig: »Bist du gekommen um dich zu entschuldigen?«, fragt er und ich muss mich echt zusammenreißen, ihm nicht die Augen auszukratzen. »Ganz bestimmt nicht.«, sage ich und ziehe die Worte extra schön lang, damit er sie auch ja versteht. »Was kann ich dann für dich tun?«, fragt er und wir kommen der Sache schon näher. Ich lächle ihn zuckersüß an, und komme direkt zur Sache. »Wo bewahrt Logen die Schlüssel für die Autos auf?« Ein fieses grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Was bekomme ich denn dafür, wenn ich es dir sage?«, fragt er und klopft neben sich aufs Bett. Mit zusammengebissenen Zähnen zische ich: »Was willst du denn?« Er legt sich zwei Finger an die Schläfen und meint: »Hm, lass mich kurz darüber nachdenken.« Mein Geduldsfaden reißt gleich, während er sich genüsslich mit der Zunge über die Lippen fährt und meint: »Ich will, dass du morgen in der Schule an unserem Tisch sitzt.« Abwartend das da vielleicht noch etwas kommt, zuckt er mit den Schultern. »Das ist meine Bedingung.« Ungläubig über diese nun wirklich unproblematische Forderung stimme ich entspannt zu. »Also, wo sind die Schlüssel«, fordere ich nun seinen Teil der Abmachung ein. »In fünf Minuten unten«, weist er mich an und ich verschwinde mit einem zufriedenen Lächeln. Nachdem ich Roxy über meinen Erfolg aufgeklärt habe, begeben wir uns gemeinsam nach unten zu meiner Mutter. Sie lächelt mich verhalten an, wahrscheinlich macht ihr die Situation von heute Morgen ganz schön zu schaffen. Ich nutze die Gelegenheit beim Schopfe und frage: »Kann ich Geld haben? Wir wollen ins Kino.« Sie schaut mich mit einem Hauch von misstrauen an zückt aber sofort ihr Portemonnaie und überreicht mir einen Hunderter. Zum Dank nicke ich ihr zu und wir verschwinden.

In der Garage angekommen bemerke ich, dass auch Killian bereits da ist, und mustere erst einmal die unzähligen Autos hier unten. Ich frage mich wirklich wer zum Teufel so viel Blech braucht. Zielgerichtet steuert er auf einen Schlüsselkasten zu, der sich hinter einem versteckten Bild befindet. Wie Paranoid kann man sein?

Nachdem er endlich fündig geworden ist, überreicht er mir mit einem schelmischen grinsen den Schlüssel. Ich drücke auf den Knopf der Zentralverriegelung, und gehe zielstrebig auf den geöffneten Wagen zu. Kurze Zeit Später sitzen wir auch schon in einer protzigen Karre, dessen Namen ich wahrscheinlich nicht mal aussprechen kann. Auf einmal bemerke ich wie sich die Hintertür öffnet, und Killian sich auf die Rückbank setzt. »Kannst du überhaupt fahren?«, fragt er mit neugieriger Miene. »Nicht das dich das was angeht, aber Ja.« Er legt seine Hände lässig in meinen Nacken und meint: »Sei mal nicht so Frech.« Da ich auf den Scheiß jetzt wirklich keine Lust habe, sage ich einfach nur: »Du kannst jetzt gehen.« Ein gellendes lachen ertönt und die Worte: »Ich komme mit.« Seine Frechheit kennt wirklich keine Grenzen. »Bestimmt nicht, und jetzt raus«, fordere ich, doch er macht keinerlei Anstalten auszusteigen. »Entweder ich komme mit, oder ihr werdet nirgendwo hinfahren«, droht er.  »Willst du mich etwa allen Ernstes Erpressen?« Da er nicht auf meine Frage reagiert, sondern nur lässig die Schultern zuckt, sage ich: »Wie du willst«, und trete das Gaspedal durch.

Das aufsteigende Adrenalin, und das Tempo mit dem ich den Wagen über die Straßen lenke, beschert mir ein Gefühl von vollkommener Freiheit. Kurz hoffe ich das uns die Polizei nicht anhält, denn dann wäre die Fahrt hier vorbei. Andererseits wäre es nurmehr ein Grund für meine Mom ihre Erziehungsmethoden zu überdenken. Also beschleunige ich noch einmal und lehne mich entspannt zurück. »Wo hast du gelernt Auto zu fahren? Du bist doch erst siebzehn«, fragt Roxy mich neugierig. Mein Blick starr auf die Straße gerichtet antworte ich wahrheitsgemäß: »Ich hatte in München einen guten Freund, er hat mir einiges beigebracht.« »Verstehe.«, sagt sie während mein Blick ungewollt auf Killian fällt. »Was habt ihr eigentlich vor?«, erkundigt er sich und schaut mir direkt in die Augen. Mit einem frechen Grinsen kläre ich ihn über unser Vorhaben auf. Sein Blick verrät mir deutlich, was er von unserem Vorhaben hält. »Es hat dich keiner gebeten mit zu kommen«, erinnere ich ihn. Vielleicht habe ich ja doch noch Glück, und er macht einen Rückzieher. Mit einem Schulterblick, lenke ich den Wagen in die Einfahrt von Roxys Elternhaus. »Bin gleich zurück«, sagt sie und verschwindet. Während wir warten mustere ich das kleine Häuschen vor mir. Es ist zwar recht überschaubar, aber sehr gepflegt und einladend. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich zehn Mal lieber hier wohnen, als in der Protzvilla von Logen. Da nun auch Killian ausgestiegen ist, und zu meinem Leidwesen zu mir herumkommt, bleibt mir nichts übrig als ihn zu fragen: »Na, hast du dich endlich dazu entschieden dich vom Acker zu machen?« »Nö, ich wollte dich einfach nur nerven«, witzelt er und schaut sich, genau wie ich zuvor die Umgebung an. Endlich kommt Roxy zurück und die Fahrt kann weiter gehen. »Hab ihn.«, wedelt sie mit einem kleinen Schlüsselbund in ihrer Hand, und steigt nach hinten in den Wagen, da Killian es sich ungefragt vorn bequem gemacht hat. »Was wird das?« Anscheinend weiß er genau worauf ich hinaus will, denn seine Antwort lässt keine Zweifel aufkommen. »Ich sitze vorn.« Noch bevor ich ihn mit einem Tritt aus der Tür befördern kann, mischt Roxy sich ein: »Schon okay. Ich sitze sowieso lieber auf der Rückbank.« Da ich nicht weiß ob sie das ernst meint, oder nur gesagt hat um Ruhe zu schaffen, gebe ich schließlich nach. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Killian während der Fahrt sein dummes Maul hält. Mit einem Lächeln, nickt er zur Bestätigung und bedeutet mir los zu fahren. Im Baumarkt angekommen, besorgen wir uns eine fertig gemischte Farbe, zwei Maler Rollen und einen Pinsel. Der letzte griff gilt drei Einweg Overalls um uns vor eventuellen Farbklecksen zu schützen. Als wir alles im Auto verstaut haben, machen wir uns endlich zu unserer Mission auf. Derweil herrscht im Auto eine angespannte Stimmung. Wie gerne würde ich das hier, allein mit Roxy machen, aber mein nervtötender Stiefbruder muss mir ja unbedingt einen Strich durch die Rechnung machen. »Da wären wir«, sage ich und lenke den Wagen in eine Parklücke ein. Bepackt mit unseren Utensilien, begeben wir uns auf direktem Weg ins Lehrerzimmer. Es ist ein Mittelgroßer Raum, mit zwei Tischen und einer angrenzenden Kaffeeküche. Die beschrifteten Fächer der einzelnen Lehrer sind prall gefüllt mit irgendwelchen Unterlagen. Da ich nicht vor habe hier irgendetwas abzudecken, werden sie sich sicherlich morgen schwarzärgern, wenn hier alles Pink bemalt ist. Um ein wenig mehr Spaß an der Sache zu haben, zücke ich mein Handy aus der Tasche und schalte den Player ein. Augenblicklich ertönt die Stimme der Ärzte, mit ihrem Song Rebell, in unsere Ohren. »Wie passend.«, wirft Killian ein, während Roxy sich ein Lachen nicht verkneifen kann. »Show Time.«, sage ich, streife mir den Overall über, und tunke die Rolle in den Eimer vor mir. Mit einem nicht sehr gekonnten Handgriff verteile ich die Farbe wahllos über die Wand, während ich beobachte wie Killian und auch Roxy es mir gleichtun. Kurze Zeit später, erkennt man schon deutlich die ungleichmäßigen Verzierungen auf der Wand. Mit zufriedenen Mienen, beschließen wir kurz Pause zu machen. »Sieht doch gleich viel fröhlicher aus«, bemerkt Roxy die sich einen großen Klecks Farbe vom Overall streicht. Ich erhebe mich und tunke die Rolle erneut in den Farbeimer, ganz ausversehen, lande ich jedoch auf Killians Rücken anstatt auf der Wand. Mit einer einzigen Bewegung ziehe ich die Rolle einmal von oben nach unten, während er hysterisch beginnt zu fluchen. »Hubs«, entfährt es mir. Ein strafender Blick signalisiert mir, dass ich mich lieber in Acht nehmen sollte. Mit einem Pinsel bewaffnet streift er mir die Borsten quer durchs Gesicht. »Igitt.« Die klebrige, kalte Masse läuft mir ungehindert über Stirn und Nase, bis hin zu meinen Lippen. Ein paar Retourkutschen später, packen wir dann zusammen und begeben uns wieder zum Auto. »Ich könnte etwas zu essen vertragen«, klärt Killian uns mit knurrendem Magen auf. »Ich auch«, erwidern Roxy und ich gleichzeitig. »McDonalds?«, werfe ich hoffnungsvoll ein. Zu meiner Überraschung nicken beide heftig, während ich den Wagen gekonnt in den Verkehr einfädle. Nach etwa zehn Minuten haben wir auch schon das Schnellrestaurant erreicht, und begeben uns hinein. Ich bestelle mir wie immer ein Menü, während Roxy sich für eine große Portion Chicken Nuggets, und eine Apfeltasche entscheidet. Als mein Blick auf Killians Tablett fällt, wird mir schlecht. Neben seinem Menü, türmen sich vier Cheeseburger, ein Mc-Rib sowie diverse Soßen und ein Milchshake. »Willst du das alles allein verdrücken?«, frage ich, und ernte einen merkwürdigen Blick. »Etwa was dagegen.«, zischt er bereits mit den ersten Pommes im Mund. Roxy und ich schütteln angeekelt mit dem Kopf. »Na dann, Guten Appetit.« Beim Essen schweigen wir uns alle gebannt an, und keiner scheint diese ruhe unterbrechen zu wollen. Nachdem selbst Killian sein Tablett restlos gelehrt hat, bringe ich Roxy nach Hause. »Hat Spaß gemacht.« »Fand ich auch«, ruft sie, während ich bereits den Motor wieder gestartet habe.

Logen und Mom sitzen vor dem Fernseher mit einem Glas Wein, während Killian ohne ein Wort die Treppe hinauf geht, fragt meine Mom: »Wie war der Film?« »Gut.«  »Setz dich doch zu uns«, schlägt sie vor. Ich muss mich wirklich stark zusammenreißen, um ihr nicht die Worte Fick dich an den Kopf zu schmeißen. »Bin müde.«, sage ich stattdessen, und begebe mich hoch in mein Zimmer. Erschrocken nehme ich eine Silhouette auf meinem Bett wahr. »Was machst du hier?«, frage ich Killian, der es sich anscheinend sehr gemütlich gemacht hat. »Auf dich warten.« Sein anzügliches grinsen, während er neben sich aufs Bett klatscht, um mir zu signalisieren das ich mich zu ihm setzen soll, bringt mich zum Lachen. »Hast du irgendetwas eingenommen?« Ohne ein weiteres Wort halte ich ihm die Tür auf. »Du schuldest mir noch etwas.«, sagt er und macht keinerlei Anstalten sich von meinem Bett zu erheben. »Ach ja, und wofür?« »Das darfst du dir aussuchen. Aber ich denke, für mein Stillschweigen über die heutige Aktion, habe ich mir zumindest eine Kleinigkeit zu meiner Befriedigung verdient, findest du nicht?« Langsamen Schrittes schreite ich auf ihn zu und lasse eine meiner Haarsträhnen verführerisch durch meine Finger gleiten. »So, du glaubst also das ich dir was schuldig bin.«, flüstere ich kaum hörbar. »Ja«, nuschelt er überzeugt im recht zu sein. »Dann komm mal her.« Mit abwartendem Blick mustert er mich, und fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Mit zwei Fingern winke ich ihn näher an mich heran. Sein lächeln lässt mich ahnen, was er sich einbildet jetzt zu bekommen. Ich lege meine Hände auf seine Schultern und sehe wie er sich überrascht noch ein Stück zu mir vorbeugt. Sollte er es tatsächlich in Erwägung ziehen mich zu küssen, muss ich ihn wohl oder übel umbringen. Mein Knie hebt sich wie automatisch an, und rammt sich genau zwischen seine Beine. Da ich unüberhörbar seine empfindlichste Stelle getroffen habe, sage ich: »So, nun hast du genau das bekommen, was du verdienst, und jetzt Hau ab.« Erneut schreite ich zur Tür und brülle etwas energischer: »Raus.« Dieses Mal kommt er meiner bitte tatsächlich nach, aber nicht ohne mir ausdrücklich seine Rache zu schwören.

 

Kapitel 11

Es kommt immer anders als man denkt

 

Mein Wecker klingelt mal wieder viel zu laut, und vor allem zu früh, an diesem beschissenen Montagmorgen. Mühsam schäle ich mich unter der Bettdecke hervor und gehe ins Bad. Einen Toilettengang später, wasche ich mich, und begebe mich auf der Suche nach etwas Adäquatem für die Schule in mein Ankleidezimmer. Nach einiger Zeit werde ich endlich fündig. Da die Sonne bereits warm durchs Fenster strahlt, sollte etwas Luftiges reichen. Meine Wahl, fällt auf eine knappe Hot Pants und ein Rückenfreies Top. Wie immer schnappe ich mir einen Latte Machiato aus der De'Longhi Maschine, und einen Apfel aus dem Obstkorb. Zu meiner Überraschung bietet Killian mir an, mich mit zur Schule zu nehmen.

An der Schule angekommen, lenkt er die Protzige Karre, in eine der freien Parklücken ein, und erntet für seinen Angeber Auftritt natürlich unzählige Blicke. Während ich noch in meinem Rucksack nach einem Kaugummi krame, öffnet er meine Tür und hält mir die Hand zum Aussteigen hin. Mit gerunzelter Stirn schaue ich ihn fragend an. »Komm«, sagt er und zieht mich mehr oder weniger heraus. Misstrauisch lasse ich mich von ihm zu seinen Kumpels führen. Mit den Worten: »Was geht?«, schlagen sie einer nach dem anderen ein. Die Jungs, vor allem Sascha mustern mich eindringlich, während Barbie und ihre beiden Freundinnen, mich mit ihren finsteren Blicken aufspießen. Der nervige Gong signalisiert mir, dass es Zeit wird sich in den Unterricht zu begeben. Meine erste Stunde ist Bio bei Frau Singer. Für eine Lehrerin mittleren Alters, ist sie eine wahre Schönheit. Blondes Lang gewelltes Haar, dezent geschminkt, und ein natürliches lächeln. Aber sie kann auch anders wie ich mir habe sagen lassen. Naja, ist ja auch egal. Da ich keinen von den anwesenden kenne, setze ich mich neben einen Jungen, der sich als Flynn vorstellt. Ein lauter Signalton kündigt die Stimme unseres Direks an: »Guten Morgen liebe Schüler und Schülerinnen. Wie ich bereits heute Morgen feststellen musste, haben sich am Wochenende ein paar von euch die Mühe gemacht, unser Lehrerzimmer zu verschönern. Da die Künstler aber leider talentfrei waren, bitte ich doch schleunigst ein paar freiwillige, und vor allem wirklich begabte Schüler des Kunstunterrichts, den Schaden wieder auszugleichen. Natürlich wird eure Mühe mit einer Zeugnisrelevanten Note belohnt. Schönen Tag noch.«, ebbt seine Stimme ab und ich kann nicht glauben das er das so locker nimmt. Immerhin haben wir uns unbefugt, Zutritt Zum Lehrerzimmer verschafft, und Sachbeschädigung begangen. Er kann das doch nicht einfach auf sich sitzen lassen. Was ist das denn für eine Vorbildfunktion? Man, ich könnte wirklich heulen. Nie klappt etwas so wie ich mir das vorgestellt habe.

Immer noch wütend, versuche ich dem Beginn des Unterrichts zu folgen. Zu meinem Bedauern scheint die Zeit überhaupt nicht enden zu wollen. Ebenso wie die nächsten drei unendlich langen Stunden, bis zum heutigen Schulende.

Die Mittagspause wird endlich eingeläutet, woraufhin ich hungrig in die Mensa flitze. Nachdem ich mir einen Teller Spagetti geschnappt habe, steuere ich gerade Wegs auf Roxy und die anderen zu. Ein widerliches Pfeifen und der klang meines Namens, erregt dann aber doch meine Aufmerksamkeit. Ich drehe mich zu dem Verursacher um. Killian, der mit einem breiten Grinsen am mittleren Tisch sitzt ruft: »Komm rüber.«, und erinnert mich damit an unsere Abmachung von gestern. Um diese einzuhalten, setze ich mich natürlich brav zu ihnen. Roxy und Lana werfen mir einen fragenden Blick zu, den ich mit einer abwinkenden Handbewegung auf später vertage. »Julie, richtig?«, wendet sich einer der Jungs an mich. Ich glaube er heißt Dennis. Mit einem stummen Nicken beantworte ich seine Frage, und stopfe mir eine gehäufte Gabel Nudeln in den Mund. »Würdest du mal mit mir ausgehen?«, kommt er gleich zur Sache. Mit vollem Mund schmatze ich nicht sehr Damenhaft: »Nein.« und schiebe mir sogleich eine weitere Gabel in den Mund. Barbie, die das Schauspiel angewidert beobachtet sagt: »Wenn du weiter so viel Kohlenhydrate in dich hineinschiebst, wirst du noch Fetter.« Mit erhobenem Mittelfinger mache ich ihr deutlich, was sie mich mal kann. Die Truppe am Tisch bricht in schallendes Gelächter aus, während Barbie mich nur böse anfunkelt. »Ich wäre auch nicht mit ihm ausgegangen«, sagt Sascha plötzlich und wechselt damit geschickt das Thema. »Du solltest lieber mit mir ausgehen.« Erwartungsvoll starren sie mich an. Ganz nach dem Motto; Na, was wird die Kleine jetzt wohl sagen. »Bitte Leute, hebt euch den Scheiß für jemand anderen auf. Ihr könnt eure Wetteinsätze als verloren betrachten, Kapiert.« Levi der das ganze heiter beobachtet meint schlicht: »Na wenigstens ist sie nicht auf den Mund gefallen.« Ich lächle ihn wissend an und widme mich dann meinem Schokoriegel. »Aber wie kommst du denn darauf das wir um dich gewettet haben?«, stochert er plötzlich nach und grinst verschwörerisch. Ich setze mein Glas Cola an und leere es in einem Zug. »Ich kenne solche Typen wie euch. Ihr denkt immer, dass ihr der Damenwelt einen gefallen erweist, wenn ihr euch in ihre Jungfräulichen Löcher vergrabt. Lasst gut sein Jungs. Als ob ich nicht merken würde, was ihr da versucht«, kläre ich sie auf, während sie mich einfach nur anstarren. »Da spricht wohl jemand aus Erfahrung«, mischt Killian sich zum ersten Mal in die Unterhaltung ein. Barbie kann sich ein höhnisches Lachen nicht verkneifen, und zu allem Überfluss presst sie nicht ganz jugendfrei die Lippen auf seine. »Nur damit du es weißt, ich finde dich Interessant und wollte dich wirklich kennen lernen«, rechtfertigt Sascha sich. »Ja, und nachdem ich dich zwischen meine Beine gelassen habe, werden wir glücklich bis ans Ende unserer Tage, oder du wirst Schwul«, rutscht es mir voller Hohn heraus. Marvin der meinen Kommentar als einziger verstanden hat, sieht mich ertappt und zugleich Stock sauer an. Sascha hingegen klärt mich auf: »Glaub mir Schätzchen, hier am Tisch ist keiner Schwul.« Um etwas vom Thema abzulenken spotte ich: »Naja, wenn ich mit das hier so ansehe«, ich deute auf Barbie und Killian, »Dann verzichte ich lieber auf eine Beziehung.« Ein spitzes Gelächter ertönt aus den Mündern der Jungs. »Sie ist nicht meine Freundin«, stellt mein Stiefbruder in spitzem Ton klar und stößt Barbie damit sichtlich vor den Kopf. Ob er das ernst meint, oder nur gesagt hat um vor seinen Jungs nicht als Loser dazustehen, kann ich noch nicht so ganz ausmachen. Dabei ist Barbie wahrscheinlich wirklich nur eine Spielgefährtin für ihn, und wenn sie zu abgenutzt oder eintönig wird, dann tauscht er sie einfach aus. Naja, dass es nicht die große Liebe ist, war mir schon nach der Nummer mit der Nutte klar und da ich wohl niemals so etwas wie Sympathie für dieses billige Ersatzteillager aufbringen werde, tut sie mir auch nicht leid. Hat sie eben Pech gehabt. Der schrille Gong ertönt, und nie war ich erfreuter über das nervige Störgeräusch welches das Ende unserer Pause einläutet als jetzt. Nach dem Unterricht bei Herrn Meisen, erhalte ich von ihm die Nachricht, mich vor der nächsten Stunde im Büro des Direktors einzufinden. Mit einem lautstarken Klopfen, betrete ich den Raum. Er sieht mich finster an und beginnt ohne Umschweife. »Miss Morrow, wo waren sie am Samstag? Soweit ich mich erinnere waren wir verabredet.« Ich zwinkere ihm frech zu und antworte: »Aber Herr Lennart, sie können mir ja wohl nicht verübeln, dass ich ihr Angebot nicht angenommen habe. Ich meine, was würde das denn für einen Eindruck machen, wenn sich der Direktor mit einer Schülerin trifft«, spotte ich und sehe wie seine Halsschlagader zu pochen beginnt. »Miss Morrow, ich bitte sie derartige Kommentare zu unterlassen. Der einzige Zweck ihres Erscheinens, war der, des Nachsitzens«, verteidigt er sich sofort. »Oh, dann habe ich das wohl falsch verstanden«, scherze ich, und bin gespannt was er jetzt tun wird. Er zieht irgendein Schriftstück aus seinem unsortiertem Papierstapel hervor. »Nun, ich habe bereits mit ihrer Mutter gesprochen, und wir sind der Ansicht das ihr unangebrachtes verhalten bestraft werden muss. Deshalb werden sie einer Senioreneinrichtung nach Schulschluss ihre Dienste erweisen. Heute Nachmittag beginnt ihre erste Schicht«, sagt er und drückt mir einen Zettel mit der Adresse in die Hand. Etwas perplex starre ich ihn an. »Sollten sie dieser Aufgabe nicht nachkommen, werde ich sie von der Schule verweisen. Glauben sie mir, wenn ich mit meiner Beurteilung über sie fertig bin, ist die einzige Einrichtung die sie dann noch aufnehmen wird, eine Förderschule. Lassen sie sich gesagt sein, dass sie ihr Studium, Kunst und Designwissenschaften somit vergessen können«, fährt er fort und in meinem Hals bildet sich ein Kloß so schwer wie eine Bowlingkugel. Mit finsterer Miene versichere ich ihm verstanden zu haben und verlasse sein Büro. Was für ein Albtraum, wenn ich nicht in dieses beschissene Altenheim gehe, dann schicken sie mich auf eine Sonderschule, und das kann ich definitiv nicht zulassen. Wie würde das in meinem Lebenslauf aussehen? Wahrscheinlich als ob ich eine faule nichtsnutzige Last der Gesellschaft wäre.

Mein Weg führt mich geradewegs in die Mädchentoilette. Zum Glück sind alle noch im Unterricht, weshalb ich hier Mutterseelen allein bin. Mein einziger Gedanke ist auf irgendetwas einzudreschen. Deshalb trifft meine Faust auch ungehemmt auf den großen Spiegel über dem Waschbecken. Ein klirren, lässt ihn in all seine Einzelteile zerspringen. Missmutig hocke ich mich auf eines der Klos, und hoffe das ich einfach Tod umfalle. Nachdem ich mich dann wieder abgeregt habe, entscheide ich mich doch noch dazu, an der letzten Stunde für heute teil zu nehmen. Auf dem Weg in die Klasse, bemerke ich Marvin der an einem der Spinde steht. Als sein Blick auf mich fällt kommt er direkt herüber. »Was sollte die Scheiße vorhin in der Mensa«, fragt er. »Sorry, ist mir so rausgerutscht«, verteidige ich mich und halte meine Blutende Faust mit der anderen Hand fest umschlossen. »Das muss verbunden werden, komm mit«, sagt er, und ich folge ihm zügigen Schrittes ins Krankenzimmer. Eine zierliche Frau mit dunklem Haar nimmt uns in Empfang. »Oh je, wie ist das denn passiert?«, fragt sie, während ich mich auf die Krankenliege setze. Sie Tupft das Blut mit einem kalten Tuch ab, und ich überlege kurz, alles zusammen zu schreien, weil das brennt wie Feuer. Stattdessen presse ich aber die Zähne aufeinander und bleibe still. Nachdem alles gesäubert ist klatscht sie mir eine Kompresse mit irgendeinem klebrigen Zeug darauf und verbindet meine Hand. Ich bedanke mich bei ihr, als sie noch einmal ausdrücklich nachfragt wie das passiert ist. Ich erkläre ihr, dass ich aus Versehen mit der Hand gegen den Spiegel im Mädchenklo gelaufen bin, während sie mich mit einem ungläubigen Blick bedenkt. »Ich muss den Direktor darüber informieren.« Nickend verlasse ich den Raum. Zum Glück verläuft der Rest der Stunde ruhig, und keiner geht mir mit nervigen Fragen auf die Eier. Der Gong ertönt, und ich begebe mich schnellen Schrittes auf den Parkplatz, wo Killian bereits auf mich wartet. Mit skeptischem Blick sehe ich ihn fragend an. »In fünf Minuten fahren wir los.« Aus dem Augenwinkel erkenne ich Roxy, Lana und Paul. Sofort gehe ich zu der kleinen Gruppe herüber, und werde sogleich komisch angesehen. »Wieso hast du heute bei diesen Möchtegern Lackaffen gesessen«, fragt Paul beleidigt. »Hi Leute«, begrüße ich sie erst mal locker. »Ich hatte keine Wahl. Ich schuldete Killian etwas, und das war seine Bedingung. Ab morgen sitze ich natürlich wieder bei euch.« Roxy die sofort zu verstehen scheint, lächelt und meint: »Seht ihr, ich sagte doch sie wird einen guten Grund haben.« Mit einer kurzen Umarmung und ein paar Handschlägen verabschiede ich mich von ihnen und steige zu Killian ins Auto.

 

 

Kapitel 12

Jeder Triumph fordert seinen Tribut

 

In der Küche wartet meine absolute Lieblingstorte auf mich. Irritiert über die Tatsache das meine Mutter trotz des Gesprächs, mit Direktor Lennart sich die Mühe macht, mir eine Victoria von Eberbach Torte zu Backen, begrüße ich sie mit den Worten:« Hi Mom«, und werfe Logen einen bin da, Blick zu. »Setz dich«, fordert sie und ich fühle mich irgendwie seltsam. Killian ist sofort auf sein Zimmer verschwunden, weshalb sie nur Logen und mir auftischt. Sie selbst, isst nämlich überhaupt keinen Kuchen. »Dein Direktor hat mich angerufen«, beginnt sie noch während ich mir die erste Gabel auf der Zunge zergehen lasse. »Und?«, erwidere ich in der Hoffnung, möglichst gleichgültig zu klingen. »Er hat dir sicherlich von unserer Idee erzählt«, sagt sie und ich nicke. »Julie, ich muss für drei Tage nach Bosten. Mein Chef ermöglicht mir eine Weiterbildungsreise auf seine Kosten.« »Welcher Chef?«, entfährt es mir fassungslos. »Logen hat mir einen Job in seiner Bank beschafft, dazu muss ich nur einen Lehrgang machen, um mich mit der Materie auseinander zu setzen.« Dieser Möchtegern Bankfutzi, jetzt macht der meine Mutter auch noch von ihm abhängig. »Wie schön für dich«, antworte ich patzig und werfe ihr einen: Du kannst mich mal, Blick zu. »Du wirst derweil bei Logen bleiben, und genau das tun, was er dir sagt. Ich verlange das du dich zusammen reißt, bis ich zurück bin und keine Dummheiten begehst, hast du mich verstanden?« Ich wundere mich wirklich über die wachsende Autorität, welche sie mir gegenüber an den Tag legt. Früher schien ihr immer alles so egal zu sein, und jetzt versucht sie ständig mir vorzuschreiben, was ich zutun oder zulassen habe. »Kein Problem«, antworte ich nur, und sehe in zwei verwirrte Gesichter. »So einfach«, hackt sie nach. »Ja Mom, so einfach. Du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich werde mich benehmen«, versichere ich ihr, auch wenn ich nicht vorhabe dieses Versprechen einzuhalten. »Danke mein Schatz, in zwei Stunden muss ich los. Da du ja noch in die Seniorenstiftung musst, werden wir uns wohl nicht mehr sehen«, sagt sie und nimmt mich liebevoll in den Arm. Zum Schluss drückt sie mir noch ein Küsschen auf, welches ich sofort mit dem Handrücken wegwische. »Alles klar, bis dann«, verabschiede ich mich, um auf mein Zimmer zu gehen. Oben angekommen, fahre ich den PC hoch und Google erst mal, nach dem beschissenen Heim.

Leider erfahre ich genau das, was ich mir schon gedacht habe. Lauter alte Knacker mit ihren Wehwehchen. Da ich bereits in einer Stunde da sein soll, schlüpfe ich schnell in eine weiße dreiviertel Hose, und ein Graues Long Shirt. Nicht das denen da noch die Augen rausfallen, bei meinem Anblick. Aufbruch fertig, suche ich noch einmal meine Mom auf, um sie zu fragen wie ich zu besagter Adresse kommen soll. Zum Glück mischt Logen sich sofort ein und gibt James die Anweisung mich dort hin zu fahren. Zufrieden mit seiner Entscheidung, besteige ich die Protzige Limousine und los geht’s.

Eine Frau in den Vierzigern mit losem Dutt und Schwesternrobe erwartet mich. »Ah, du musst Julie sein. Schön dich kennen zu lernen«, sagt sie und führt mich an der Hand in ihr Büro. Nach einem kurzen Aufklärungsgespräch Teilt sie mir mit, welches meine Aufgaben sind. Gelangweilt schaue ich aus dem Fenster und reflektiere ihre Worte. Spazierengehen Gesellschaftsspiele anbieten und Bücher vorlesen. Mehr darf und soll ich nicht machen. Nachdem sie mir ein paar der Hausbewohner vorgestellt hat, überkommt mich noch mehr der drang hier schnellstens die biege zu machen, doch dann erklärt sie, dass ich erst ab morgen richtig einsteige und für heute erst mal wieder nach Hause gehen kann. Juchhu denke ich mir, und zücke mein Handy, um James anzurufen. Nach fünfzehn Minuten, die ich vor der Einrichtung verbracht habe, lenkt er die Limmo geschickt auf den Parkplatz und ich steige ein.

Zuhause angekommen bemerke ich das meine Mutter schon weg ist. Dafür sehe ich sofort das meine Bestellung endlich eingetroffen ist, zumindest ein Teil davon. Mit verstohlenem Blick mustere ich die Kartons und erkenne den Affen sowie die Notebooks. In einem weiteren muss die Gummipuppe sein, denn sie ist ohne Aufschrift. Ich erinnere mich, dass derartige Produkte immer Anonym geschickt werden. Zu meinem Glück, hat mein lautstarkes Wühlen in den Kartons, Logens Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Mit belustigter Miene steht er vor mir. »Wie ich sehe, hast du die Vorteile einer Master Card für dich entdeckt.« Ungläubig starre ich ihn an, er will mir ja wohl nicht allen Ernstes weismachen, dass es ihm scheiß egal ist, dass ich sein Konto geplündert habe. »War das denn schon alles oder kommt da noch mehr?«, fragt er mit vollkommen neutraler Stimme. »Da kommt noch mehr«, antworte ich ausdruckslos. »Das ist schön. Die Hauptsache ist, dass du mit dem Zeug was du bestellt hast auch etwas anfangen kannst. Ich habe James bereits beauftragt, alle Pakete in dein Zimmer bringen zu lassen. Also viel Spaß damit.« Sprachlos schüttle ich den Kopf, dem scheint ja wirklich alles egal zu sein. Schnell verschwinde ich aus seinem Blickfeld und begebe mich auf mein Zimmer. Oben angekommen, sitzt Killian mal wieder ungebeten auf meinem Bett. »Da bist du ja.« »Was willst du schon wieder«, frage ich und pflanze mich in den Schreibtischstuhl. »Ich will, dass du aufhörst meinen Freunden den Kopf zu verdrehen«, bringt er seine Absichten sofort auf den Punkt. »Ach guck mal einer an, hast wohl Angst, dass sie sich mehr für mich, als für dich interessieren könnten«, entgegne ich mit einem höhnischen lachen. »Darum geht es hier nicht. Ich bin nur um meinen guten Ruf besorgt, ich will nicht der Stiefbruder eines Flittchens sein«, sagt er und baut sich vor mir auf. »Du kannst mich mal«, sage ich beleidigt. Seine Hand presst mich am Hals gegen die Wand. »Lass den Scheiß.« »Erst wenn du zustimmst meine Freundin zu werden«, sagt er ganz ernst. »Drehst du jetzt völlig durch?«, frage ich und beginne lauthals zu lachen. Seine Halsschlagader pocht und ich merke wie angespannt er ist. Vermutlich würde er mir jetzt am liebsten eine verpassen, doch er bleibt ganz ruhig. »Hör auf zu Lachen. Ich meine das vollkommen ernst.« Ich versuche mich unter seiner Hand zu winden, was ihn dazu veranlasst, endlich seinen Griff zu lockern. Mit entsetztem Blick, reibe ich mir über die schmerzende Stelle und schiebe ihn ein Stück von mir weg. »Wieso sollte ich das tun«, hacke ich nach, weil er mich doch ein wenig neugierig gemacht hat. »Weil ich es dir sage.« Unfähig darauf etwas zu erwidern schüttle ich nur den Kopf. Ob er glaubt sich dadurch Respekt zu verschaffen? Der Tickt ja nicht ganz richtig. »Überlege es dir, du hast bis morgen Zeit.« Ohne ein weiteres Wort verschwindet er und lässt mich einfach stehen. Völlig Perplex über seine Forderung, rufe ich Lexa an. Vielleicht weiß sie ja, was in ihm vorgeht. »Süße. Wie geht es dir«, will sie auch sogleich wissen. Ich erzähle ihr alles und wische mir verzweifelt eine Träne aus dem Gesicht. »Hi, du wirst wegen dieses miesen Arschlochs doch wohl nicht heulen«, fährt sie mich an. »Nein, natürlich nicht.« »Gut, pass auf, vielleicht habe ich da eine Idee.«

Nachdem wir das Telefonat beendet haben, liege ich rücklings auf dem Bett und denke über ihre Worte nach. Schmeißt dich in Schale, und versuch Logen zu verführen, positioniere irgendwo in Reichweite eine Kamera, die alles sorgfältig aufnimmt und schwuppdiwupp, Tschüss Logen. Sollte er sich allerdings nicht auf dich einlassen, dann kommt Killians Forderung ins Spiel. Denn dann stimmst du zu seine Freundin zu spielen, wenn er dir im Gegenzug hilft, seinen Vater in einer eindeutigen Pose mit dir vor zu finden. Klingt eigentlich total plausibel und einfach. Und damit Killian noch einen Anreiz bekommt, Sorgst du dafür das er sein Geschenk erhält.

 

Kapitel 13

 Die Allianz

 

Entschlossen unseren Plan in die Tat umzusetzen, krame ich die Puppe aus dem Karton und klopfe an Killians Zimmertür. Da auch nach dem dritten Klopfen, keine Reaktion kommt, beschließe ich einfach hinein zu gehen. Zu meiner Überraschung ist er tatsächlich nicht da, weshalb ich die Puppe breitbeinig auf seinem Bett platziere. Dann schnappe ich mir noch einen Zettel, und kritzle die Nachricht: Willst du mit mir Spielen darauf. Das sollte genügen, denke ich mir und begebe mich in meinen Ankleideraum. Nach einigem hin und her, komme ich zu der Auffassung, dass ich vielleicht besser bei meiner Mutter in den Sachen kramen sollte. Deshalb mache ich mich, auch direkt auf den Weg ins Schlafzimmer der beiden. Logen ist noch nicht da, so kann ich mir in aller Seelenruhe etwas Passendes heraussuchen. Am Ende fällt mir ein Negligé in die Hand, welches seinen Zweck wohl erfüllen wird. Mit dem Schwarzen Teil in der Hand begebe ich mich die Treppe hinauf, als Killian plötzlich vor mir steht. »Ich bevorzuge lebende Spielzeuge«, sagt er und hält mir die Puppe vors Gesicht. »Wenn du mir nochmal eine Freude machen willst, dann bestell mir lieber das Original.« Etwas Enttäuscht, weil meine Idee nicht so angekommen ist, wie ich es mir ausgemalt habe, stemme ich beleidigt die Arme vor die Brust. »Ach komm schon, sonst bist du doch auch nicht so Wählerisch.« Er schmeißt mir die Puppe vor die Füße und verschwindet mit einer abfälligen Geste. Nach einer heißen Dusche, gebe ich mir ein paar Spritzer Parfüm, welches ebenfalls meiner Mom gehört, auf die Haut und ziehe mir das Negligé über. Mit einem letzten Blick in den Spiegel, stelle ich fest, dass ich meiner Mutter sehr ähnlich bin. Bis auf den Haarschnitt und die Farbe könnte ich glatt, als die jüngere Version von ihr durchgehen. Nach kurzem Überlegen entscheide ich mich dann aber doch noch, den dazugehörigen Spitzenbademantel drüber zu ziehen. Zufrieden mit mir, laufe ich nach unten ins Wohnzimmer. Logen sitzt auf dem Sofa und schaut irgendeine Börsensendung. Als sein Blick meine Erscheinung wahrnimmt, wirkt er zunächst irritiert. »Kann ich mich zu dir setzen?«, frage ich unschuldig. »Ja sicher, komm«, entgegnet er und schiebt das Kissen neben sich zur Seite, um mir Platz zu machen. Nach einem Moment des Schweigens, mustert er mich und kommt direkt zur Sache. »Hübsches Teil.« Ich rutsche ein Stück näher an ihn heran, was er mit leicht gerunzelter Stirn zulässt. »Ich finde es schön, dass du mir Gesellschaft leistest«, sagt er, und ich lächle verführerisch. »Naja, jetzt wo Mom nicht da ist, dachte ich, wir könnten uns etwas besser kennen lernen.« Ob er meine zweideutige Bemerkung richtig verstanden hat, kann ich nicht sagen. »Möchtest du etwas anderes sehen?«, fragt er und fährt sich mit der Hand durch die blonden Haare. Schulterzuckend signalisiere ich ihm das es mir egal ist, und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Ein Gefühl von Abscheu durchströmt mich. Nah an ihn geschmiegt, schiebt er mich Plötzlich ein Stück von sich weg. »Netter Versuch aber den Rest des Theaters kannst du dir sparen.« Mit unschuldiger Miene starre ich ihn entsetzt an. »Glaubst du, mir ist nicht aufgefallen, dass du die Sachen, und das Parfüm deiner Mutter trägst. Julie, du kannst doch nicht ernsthaft glauben das du mich verführen kannst. Ich bitte dich«, sagt er abfällig und sieht mich streng an. Ohne mich zu rechtfertigen erhebe ich mich. »Oh nein, du bleibst schön hier«, fordert er und hält mich am Arm fest. »Ich verstehe deine Rebellische Phase ja, aber das hier geht eindeutig zu weit. Ich verlange, dass du derartige Aktionen in Zukunft unterlässt.« Ich glaube ich habe ihn noch nie so wütend gesehen. Augenblicklich bringe ich Platz zwischen uns, und schaue ihn mit verschränkten Armen vor der Brust beleidigt an. »Ich werde eure Verbindung niemals respektieren, merke dir das.« Ich verlasse den Raum um in die Küche zu gehen. Ich könnte jetzt echt einen Schnaps gebrauchen. Leider finde ich nur einen Orangensaft, und Killian der mich mit weit aufgerissenen Augen Mustert. Sein Blick streift meinen, als ich frage: »Was gibt es da zu Glotzen?« Sofort räuspert er sich und kommt einen Schritt auf mich zu. Ohne meine Frage zu beantworten, streicht er mir sanft übers Gesicht und kommt mir verdammt nahe. »Hast du über meinen Vorschlag nachgedacht?« Zärtlich streift er mir eine meiner Haarsträhnen hinters Ohr. Automatisch weiche ich ein Stück zurück und ziehe den Gürtel meines Bademantels enger. »Lass uns auf dein Zimmer gehen«, sage ich und betrete Vorweg die Treppe.

Ich setze mich auf die Bettkante und sage: »Was bist du bereit dafür zu tun, wenn ich deine Freundin spiele?« Seine Hand legt sich auf meinen Oberschenkel. »Kommt ganz darauf an, was du dir vorgestellt hast.« Mit einer groben Bewegung, löse ich seinen unverschämten Griff und komme gleich zum Punkt. »Ich will das du mir dabei hilfst, ein Foto von deinem Vater, und mir in eindeutiger Pose zu machen.« Ein leichtes entsetzen macht sich auf seinem Gesicht breit. »Bist du dir über die Konsequenzen deines Vorhabens bewusst? Ich meine, du zerstörst nicht nur die Beziehung unserer Eltern, sondern schadest auch dem Ansehen unserer Familie. Ist dir das Klar?« fragt er und sieht mich eindringlich an. »Ja, das ist mir durchaus bewusst, aber ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt. Hilfst du mir jetzt oder nicht?«, bluffe ich ihn an. »Das wird dich aber mehr kosten als nur eine einfache Theatervorstellung.« »Und was wäre das?«, erwidere ich angepisst, von seiner Dreistigkeit mich erneut zu erpressen. Er wendet sich mir zu, so nah das seine Lippen beinahe meine berühren. Aus irgendeinem Grund wünschte ich, dass er die Lücke einfach schließen würde. Plötzlich sieht er mir tief in die Augen und sagt: »Schlaf mit mir.« Sofort ist die aufgeladene Spannung zwischen uns verpufft. »Spinnst du? Garantiert werde ich nicht.« Er unterbricht mich mitten im Satz und lacht. »Man das war ein Witz, krieg dich mal wieder ein.« Erleichtert schlage ich ihm spielerisch aufs Bein. »Jetzt sag schon, was willst du dafür?« »Ich will, dass du deine Rolle überzeugend rüberbringst. Wenn dir das gelingt, werde ich dir helfen. Außerdem sollst du dich nicht mehr so Nuttig anziehen. Meine Freunde können dich zwar heiß finden, aber sie sollen nicht denken, dass du leicht zu haben bist. Immerhin habe ich einen Ruf zu verlieren.« »Wie lange gedenkst du dieses Spiel zu spielen«, hacke ich nach. Am Ende muss ich den Scheiß noch bis zum Abschluss durchziehen. Nein danke. »Nur solange, bis du dich wirklich in mich verliebt hast.« Ich verdrehe genervt die Augen. »Kleiner Scherz, sagen wir erst mal eine Woche, danach sehen wir weiter.« Ich atme einmal tief durch und stimme dann zu. »Gut, dann kommen wir zum eigentlichen Problem. Wie bekommen wir deinen Vater dazu sich mit mir fotografieren zu lassen?«, will ich nun wissen, nachdem wir die Bezahlung geklärt haben. Er macht eine abwinkende Handbewegung: »Lass mich nur machen. Morgen Abend bekommst du deine Fotos«, verspricht er und ich willige ein. Zufrieden über die Tatsache, dass mein Plan langsam Früchte trägt, lege ich mich schlafen.

 

Kapitel 14

  Zickenblabla

 

»Aufwachen.«, weckt mich eine raue Stimme aus dem Schlaf. Da ich noch nicht vorhabe dem nachzukommen, grummle ich etwas Unverständliches und gähne ausgiebig. Ruckartig wird mir die Decke weggezogen, und ich liege im Slip und knappen Schlafshirt da. »Hi«, protestiere ich deshalb, und spüre eine kitzelnde Berührung im Nacken. Schnell drehe ich mich herum, um dem unverschämten Treiben ein Ende zu setzen. Schockiert blicke ich in die warmen Ozeane meines Stiefbruders. »Na endlich«, sagt er genervt und weist mich daraufhin, dass es bereits halb acht ist. Shit, denke ich mir und hüpfe mit einem Satz aus dem Bett. Im Badezimmer erledige ich schnell das nötigste, ehe ich mich in eine enge Jeans und ein Trägerloses Top werfe. Killian dem es anscheinend nicht schnell genug geht, scheucht mich aus dem Zimmer. Wieso genau habe ich mich nochmal darauf eingelassen seine Freundin zu spielen? Ach ja, damit ich endlich hier wegkomme. Als er versucht mich aus der Haustür zu schieben, zische ich: »Ohne Latte läuft hier gar nichts.« Sein schelmisches grinsen verrät mir, dass er nicht an meinen Kaffee denkt. »Ich wusste ja nicht, dass du sie heute schon gebrauchen willst«, neckt er mich und gibt mir einen Klaps auf den Po. »Sehr witzig.« Das leise Blubbern weist mich darauf hin, dass mein Macchiato gleich fertig ist. Nach dem ersten Schluck geht es mir schon besser, und ich denke darüber nach, dass er mich ungefragt angetatscht hat. Naja, Ihm jetzt noch eine Szene zu machen wäre wohl überflüssig, also steige ich auf den Beifahrersitz des Lamborghinis und nehme einen Schluck aus meinem Thermobecher.

»Wir sind da, du weißt was du zu tun hast?«, hackt er nach. Genervt verdrehe ich die Augen. »An deinem Arsch kleben, jedem erzählen das du mich flachlegen darfst, und nett lächeln«, erwidere ich und steige aus. »Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.« Kurz bevor wir den Brunnen erreichen, bleibt er plötzlich stehen, streift mit seinen Lippen sanft meine Wange und gewährt seinen Kumpels freie Sicht auf unser Schauspiel. »Hi.«, rufen sie uns zu, während wir auf sie zumarschieren und mein Stiefbruder jeden mit einem Handschlag begrüßt. »Hast du sie endlich rumgekriegt?«, wendet sich Marvin an meinen Stiefbruder. Doch statt einer Antwort lächelt Killian, wendet sich mir zu und ohne das ich reagieren kann, liegen seine Lippen auf meinen. »Hebt euch das für später auf«, sagt Marvin, während ich in Gedanken bereits Plane, wie ich Killian versehentlich gegen ein Auto schubse, denn das mit dem Kuss ging eindeutig zu weit. Anscheinend besteht da doch mehr Klärungsbedarf, als ich zunächst angenommen hatte. Meine Grübelei wird unterbrochen, als Barbie mit ihren beiden Anhängerinnen zu uns kommt. Aufgebracht zieht sie Killian am Hemd und versucht ihn ein Stück von der Gruppe zu entfernen. »Das ist doch jetzt nicht dein Ernst?«, jault sie. Mit einer groben Handbewegung schiebt er sie ein Stück von sich weg und meint: »Wir reden später darüber, und jetzt zisch ab.« Mit gerunzelter Stirn beobachte ich das Szenario. Zum einen frage ich mich ob sie bescheuert ist, so mit sich reden zu lassen. Und zum anderen denke ich mir, wieso hat er sie nicht klipp und klar abgewiesen. Da stimmt doch was nicht. Mit einem: »Bis Später«, verabschiede ich mich und schlendere durch die Eingangstür in den Flur. Roxy steht an ihrem Spinnt, und kramt darin herum. Leise schleiche ich mich von hinten an sie heran, und versuche sie mit einem: »Buh.«, aus der Reserve zu locken. Sofort fährt sie wie gewünscht zu mir herum. »Mensch musst du mich so erschrecken«, fragt sie und hält sich zur Untermauerung die Hand aufs Herz. Ein entschuldigendes lächeln meinerseits besänftigt sie, und wir begeben uns gemeinsam in die erste Stunde. Der Vormittag verläuft recht gut, denn die Zeit verfliegt wie im nu. Das Klingeln ertönt und wir begeben uns gemeinsam in die Mensa. Leider habe ich mein Geld im Spind gelassen, weshalb ich jetzt noch mal zurückmuss. Als ich alles habe, steht Barbie mit vier weiteren Tussen vor mir. »Pass mal auf du Flittchen. Killian gehört mir, dass weiß hier jeder. Wenn du klug bist, hältst du dich lieber von ihm fern.« Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Wegen eines Typen, solch eine Show hier abzuziehen, ist einfach nur lächerlich. »Wie es aussieht, bin ich aber nicht klug«, entgegne ich. Zwei ihrer Freundinnen drängen mich daraufhin gegen die Wand. »Du weißt anscheinend nicht, mit wem du es hier zu tun hast.« So langsam geht sie zu weit. »Kannst du nicht jemand anderen mit deiner Eifersucht nerven?« Ihre Miene verfinstert sich. »Ich mach dich fertig.« Anscheinend denkt sie wirklich, dass sie mit dem Theater hier etwas erreichen kann. »Mach dich doch nicht lächerlich«, sage ich Kopfschüttelnd und wende mich zum Gehen. »Wir sind noch nicht fertig.« Ihr versuch mich festzuhalten scheitert. Ich entziehe ihr meinen Arm und funkle sie warnend an.  »Hör zu, finde dich lieber damit ab. Killian gehört jetzt zu mir«, sage ich und trete den Weg in Richtung Mensa an.

Als ich mein Tablett geholt habe, setze ich mich selbstverständlich zu Roxy und der Künstlergruppe. Es tut gut, mal etwas anderes zu hören als das ständige gezicke von Barbie, oder Killians Frechheiten. Erst zum Ende der Pause fällt mir auf, das weder Killian noch Barbie in der Mensa waren. Sehr Merkwürdig. Zurück im Unterricht, stupst Roxy mich an. »Stimmt es das du mit Killian zusammen bist?« »Können wir später darüber reden?«, bitte ich und habe das Glück das die Lehrerin den Raum betritt. Die Stunde verläuft genauso schnell wie die zuvor und so begebe ich mich zum Schulschluss auf den Hof. Killian steht mit Sascha und Levi bereits an seinem Wagen. Roxy und ich bleiben etwas abseitsstehen. »Verrätst du mir jetzt was los ist?« hackt sie nach. »Ja, aber nicht hier. Komm heute Abend zu mir, dann erkläre ich dir alles.« Sie stimmt nickend zu, und ich begebe mich zu meinem nervtötenden Stiefbruder. Seine Arme ziehen mich besitzergreifend an ihn, während er mir einen Kuss auf die Wange haucht. Zumindest hat er den Anstand, mich nicht nochmal auf den Mund zu küssen. Nachdem wir uns von seinen Kumpels verabschiedet haben, steige ich wortlos ins Auto. Mit zufriedener Miene fädelt er den Wagen in den Verkehr ein. Da mich sein Übergriff von heute Morgen noch immer wütend macht, beschließe ich ihn sofort darauf anzusprechen. »Wir sollten uns noch mal über die Regeln des Zusammenseins unterhalten«, sage ich und ernte einen belustigten Blick. »Regeln«, wiederholt er, und fordert mich auf zu sprechen. Meine Hände ballen sich unwillkürlich zu Fäusten. »Das ich deine Pseudo-Freundin spielen soll, ist eine Sache. Aber das du mich ungefragt abknutscht, geht eindeutig zu weit.« Kurz dreht er den Kopf zu mir herum, konzentriert sich dann aber wieder auf die Straße. »Wir haben ausgemacht, dass du überzeugend mitspielst. Das war der Deal, schon vergessen?« »Ach, und deshalb musst du mich Küssen oder was?« »Sonst hätte uns ja wohl keiner geglaubt«, rechtfertigt er sich. »Wenn du das nochmal machst, verpass ich dir eine?« »Komm mal wieder runter, ist ja nicht so, als ob ich dich gezwungen hätte mit mir zu schlafen«, verteidigt er sich und biegt auf das Grundstück der Villa ein. »Außerdem würde ich gerne wissen, wo du heute in der Pause warst?« Überrascht sieht er mich an und schaltet den Motor ab. »Kommst du nicht mal eine halbe Stunde ohne mich klar?«, scherzt er und tätschelt mir über die Wange. »Kannst du vielleicht mal ernst bleiben«, fauche ich ihn an. »Ich war beschäftigt, mehr musst du nicht wissen«, brummt er und steigt aus. »Oh, Entschuldige bitte, dass ich gefragt habe«, höhne ich und öffne die Tür. Plötzlich steht er direkt vor mir und ergreift mein Gesicht. Für einen Moment wirkt er nachdenklich und ich habe das Gefühl, dass er mich am liebsten in den Arm nehmen würde. Doch dann besinnt er sich wieder. »Ich musste Verena besänftigen«, erklärt er. »Wer ist Verena?« zische ich gespielt eifersüchtig, und stemme beleidigt die arme vor die Brust. »Sehr witzig. Verena ist die, die du Barbie nennst.« »Das ist jetzt nicht dein Ernst«, fahre ich ihn an, was ihn sofort zum Gegenschlag ausholen lässt. »Mit wem ich was mache, geht dich einen Scheißdreck an. Vergiss nicht, dass wir nur so tun als ob.« Ich kann meine Wut kaum noch zügeln. Ach, so ist das? Ich muss dich küssen, damit jeder denkt das wir auch wirklich ein paar sind, und du gehst während der Pause zu einem Schäferstündchen mit Barbie oder was.« Kurz sieht er mich skeptisch an, ehe ich wieder los brülle: »Jetzt pass mal auf, wenn du durch deine Bettgeschichten meinen Ruf gefährdest, geht mich das sehr wohl etwas an. Vergiss nicht, dass wir offiziell ein Paar sind, und wenn die anderen mitbekommen, dass du Barbie weiterhin ranlässt, sieht das für mich nicht so gut aus. Also halt gefälligst deine Hose geschlossen du Notgeiler Bock.« Überrascht von meinem kleinen Wutanfall, zieht er mich hinter sich her, die Treppe hinauf direkt in sein Zimmer. »Setz dich.«, weist er mich an. Ich schmeiße mich auf den Stuhl in der Ecke, und starre die Decke an. »Jetzt krieg dich mal wieder ein. Ich verspreche dir auch, die Finger von Ihr zu lassen. Zumindest so lange bis wir uns offiziell trennen.« »Gut. Dann können wir ja jetzt über die wichtigen Dinge sprechen«, sagt ich und er ist ganz Ohr. »Wir müssen deinen Vater noch außer Gefecht setzen«, erkläre ich. Er sieht mich enttäuscht an. »Mach dir keine Sorgen, ich kenne jemanden, der uns dabei helfen kann. Allerdings verlangt er etwas, dass nur du ihm geben kannst.« Ich frage mich ob er sich tatsächlich einen Plan ausgedacht hat. »Ja, und was will dieser Mysteriöse Fremde?« »Das weiß ich nicht. Marvin meinte, dass er das nur mit dir besprechen will.« »Marvin.«, zische ich und ernte einen neugierigen Blick. »Also, was will er von dir?« »Ich habe keine Ahnung«, lüge ich. Dann fordere ich ihn auf, seinen Plan etwas genauer darzulegen. Er erklärt mir, dass Marvin Logen außer Gefecht setzen will. Danach wird er ihn in mein Zimmer schleppen und ausziehen. Dann werden wir ihn so platzieren das es den Anschein einer heißen Nacht erweckt. Natürlich halten wir das Ganze mit einer Kamera fest. »Hätte ich dir gar nicht zu getraut, so einen Plan auf die Beine zu stellen«, gestehe ich, bevor ich in mein Zimmer verschwinde. Leider ruft mich Logen nach unten ins Wohnzimmer. »Was willst du?« »Wie war die Schule?«, will er wissen. Als ob ich mich hier mit ihm über die Schule austauschen würde. »Super.«, antworte ich und wende mich zum Gehen. »Warte doch mal, ich dachte, wir könnten uns etwas unterhalten«, sagt er traurig. Jetzt ist er völlig übergeschnappt. »Du erwartest jetzt aber nicht, dass ich dich Daddy nenne oder?« Sein Blick wird ernst. »Nein, natürlich nicht. Hast du etwa Angst, dass ich versuche mich als dein Vater aufzuspielen. Glaube mir, dass ist das letzte was ich will. Gib mir doch einfach eine Chance Julie.« Da er mir ein bisschen leidtut, und ich ihn ab morgen sowieso los bin, tue ich ihm den Gefallen und gehe ein Schritt auf ihn zu. »Okay, was erwartest du von mir?«, frage ich ernst und bringe ihn damit ganz schön aus dem Konzept. »Ich würde es schön finden, etwas Zeit mit dir und Killian zu verbringen. Vielleicht bei einem Brettspiel.« »Von mir aus«, antworte ich und ernte ein erfreutes lächeln, sowie ein gratis tätscheln auf meiner Schulter. »Bis nachher dann«, verabschiedet er sich. Wenn er wüsste. In der Küche besorge ich mir schnell einen Hotdog, eine Tafel Schokolade, und einen heißen Kakao. In meinem Zimmer angekommen, lausche ich dem Beat von Ramstein, welcher mich bis zum Beginn meiner Sklavenarbeit kurz alles vergessen lässt.

 

 

Kapitel 15

 In netter Gesellschaft

 

Mit lustloser Miene betrete ich die Senioreneinrichtung und werde von Philine, wie sie sich vorgestellt hat in Empfang genommen. Die junge Frau ist kaum älter als ich. Ihre Erscheinung ist sehr gepflegt und sie trägt wie alle Mitarbeiter hier, eine weiße Hose und ein Rotes Shirt mit der Aufschrift Seniorenresidenz Oldstars. »Komm, ich stell dir Frau Reevers vor«, sagt sie und läuft los. Vor einer stinknormalen Zimmertür bleiben wir stehen, während sie anklopft. »Hallo Elli, schau mal, ich habe dir jemanden mitgebracht«, erklärt sie und ich stelle mich mit einem höflichen grinsen vor. Das breite lächeln, welches die alte Dame daraufhin erwidert, löst ein seltsames Gefühl von Zufriedenheit in mir aus. »Ich lass euch dann mal alleine«, verabschiedet sich Philine,  und schließt die Tür hinter sich. »Komm setz dich zu mir«, sagt sie und deutet neben sich auf den alten Barockstuhl. »Was hast du angestellt?« Ich bin überrascht das sie sofort erkannt hat, dass ich nicht freiwillig hier bin. »Bin nicht zum Nachsitzen erschienen, und war frech zum Direktor«, gestehe ich schulterzuckend. Ein kleines schmunzeln verlässt ihre Lippen. »So war ich früher auch, hab mir nichts gefallen lassen.« Ich bedenke sie mit einem skeptischen Blick. »Nenn mich doch bitte Elli.« »Gerne«, erwidere ich und fühle mich eigentlich ganz wohl hier. »Also Elli, was wollen wir machen?« »Lese mir doch ein wenig aus dem Buch da vor«, sagt sie und deutet auf einen dicken Wälzer auf dem Nachttisch. Als ich die Aufschrift sehe, bin ich wirklich überrascht. »So etwas lesen sie?«, hacke ich amüsiert nach. »Na hör mal, Shades of Grey ist eines der besten Liebesromane die ich kenne.« »Liebesroman.« »Ganz recht, immerhin ist die Liebe zwischen Christian und Anna Bestandteil des gesamten Buches.« Nachdem ich mich wieder ein gekriegt habe, lese ich ihr die letzten paar Kapitel daraus vor und stelle schnell fest, wie viel wir gemeinsam haben. Wir lachen über dieselben Szenen, philosophieren über den Ausflug den Christian mit Anna im Helikopter macht, und sind gleichermaßen betroffen über das traurige Ende, wo sie ihn schließlich doch verlässt. Da ich für heute fertig bin, schlage ich Elli vor, bis zum nächsten Mal den zweiten Teil zu besorgen. Mit einem fröhlichen Augenzwinkern stimmt sie zu, und verabschiedet sich.

Zu Hause angekommen, steht keine halbe Stunde später, Roxy mit James vor der Tür. »Besuch für sie«, sagt er und meine Freundin betritt den Raum. »Hi«, begrüße ich sie und schmeiße die Klamotten auf meinem Bett herunter, um ihr Platz zu machen. »Also erzähl«, fordert sie und schaut mich neugierig an. »Okay, aber du musst es für dich behalten.« Sie nickt. »Killian und ich haben einen Deal gemacht und das war seine Bedingung.« Ihre Augen weiten sich. »Er erpresst dich seine Freundin zu sein?«, fragt sie ungläubig. »Könnte man so sagen.« »Wieso?«, hackt sie nach. »Angeblich damit mich seine Kumpels nicht mehr so sabbernd anstarren«, erkläre ich und muss lachen. »Naja, und weil ich seine Hilfe brauche.« Sie sieht mich verwirrt an. »Du sollst seine Freundin spielen, damit seine Kumpels nicht an dir rumbaggern?« Bei ihrer Aussage kommen selbst mir Zweifel. Bisher habe ich nicht wirklich über sein Motiv, mich zu seiner Freundin zu machen nachgedacht. Einen kurzen Moment herrscht Stille. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, welchen Vorteil Killian aus eurem Bündnis zieht. Ich meine, was hat er davon, dass du seine Freundin spielst?« Die Überlegung von Roxy stimmt mich ebenfalls misstrauisch. Jetzt bin ich total verwirrt. Wenn er angeblich so viel Respekt besitzt, wie alle immer sagen, hätte es da nicht ausgereicht, wenn er ihnen verboten hätte mich anzufassen. »Du hast recht. Ich muss ihn unbedingt noch mal darauf ansprechen.« »Ja, das solltest du. Aber ich habe dir ja noch gar nicht erzählt, dass Marvin mit mir gesprochen hat«, wechselt sie plötzlich das Thema, woraufhin ich sie neugierig anstarre. »Er war total süß. Hat die ganze Zeit vor sich hin gestammelt, und sich entschuldigt. Nachdem ich ihn daraufhin traurig angeschaut habe meinte er dann, dass ich bestimmt jemanden finde, aber dieser Jemand nicht er sein kann, da sein Herz bereits vergeben ist. Krass oder?« »Er hat echt gesagt, dass er verliebt ist?« »Ja, kannst du das Glauben? Der größte Player neben deinem Stiefbruder, hat mir gestanden verliebt zu sein. Irgendwie finde ich das ziemlich abwegig«, gesteht sie. »Wollen wir eine Runde im Pool drehen«, frage ich um die Spekulationen über Marvin zu beenden. Kurz erinnert sie mich daran, keine Badesachen dabei zu haben. Am Handgelenk gepackt, ziehe ich sie hinter mir her ins Kleiderzimmer. Ich öffne eine der Schubladen und weise sie an sich etwas auszusuchen. Lächelnd wühlt sie sich durch die Unmengen an Badesachen und wird zu meiner Verwunderung sofort fündig. Es ist ein schlichter schwarzer Badeanzug, der in meinen Augen ein absolutes No-Go ist. Ich weiß wirklich nicht, wieso sie sich ausgerechnet diesen Figur-Killer ausgesucht hat. Aber was soll ich auch sagen, immerhin ist es genau ihr Stiel.

Das Wasser ist herrlich erfrischend, weshalb wir erst mal ein paar Bahnen ziehen. Danach unterhalten wir uns über belangloses Zeug und tollen unbefangen herum. Leider fällt mein Blick dann auf Killian, der mit Sascha und Marvin am Beckenrand steht. »Hi Ladys«, begrüßen sie uns. »Hi.« »Bekomme ich kein Begrüßungsküsschen«, fragt Killian und sieht mich abwartend an. Langsam und sehr elegant steige ich die Treppe hinauf und wende mich meinem Pseudo-Freund zu. »Das wurde aber auch Zeit«, sagt er, greift an meinen Arsch und lässt dann die Zunge in meinen Mund wandern. Entsetzt weiche ich zunächst ein Stück vor ihm zurück. Doch dann besinne ich mich wieder und schubse ihn in den Pool. Als er wieder auftaucht sieht er mich böse an. »Spinnst du?« »Du warst so aufgeheizt, da dachte ich, du könntest eine Abkühlung vertragen.« Ein spöttisches Lachen ertönt aus den Mündern seiner Kumpels, während ich mit einem Dackelblick auf ihn zu marschiere und ihm die Wange Tätschle. Mit einem geschickten Handgriff, streift er sich sein Shirt über den Kopf und gewährt mir freie Sicht auf seinen athletischen, braungebrannten Oberkörper. Mit der flachen Hand reibt er sich die restlichen Wassertropfen von seinem Waschbrettbauch, und sieht mich provozierend an. Bevor ich noch etwas Unüberlegtes tue, schnappe ich Roxys Hand und ziehe sie hinter mir her. »Gott ist der heiß«, schwärmt sie, als wir bereits die Treppe zu meinem Zimmer erreicht haben. »Wollen wir noch einen Film sehen?« »Ich muss leider los«, sagt sie und umarmt mich.

Ich beschließe mir erstmal eine heiße Dusche zu genehmigen. Einige Zeit ist bereits vergangen, als es an der Tür Klopft. Genervt rufe ich: »Was«, da steht Marvin auch schon im Zimmer. »Habe ich herein gesagt?« »Entschuldige, aber ich muss mit dir reden«, verteidigt er sein plumpes auftauchen. Mit einer einladenden Geste signalisiere ich ihm, dass er sich setzen darf. »Was kann ich für dich tun?«, frage ich lustlos, da ich genau weiß, dass es nichts Gutes sein kann. »Killian hat mir gesagt, dass du Hilfe gebrauchen könntest«, beginnt er. »Und?« »Naja, ich könnte die Lösung deines Problems sein. Allerdings verlange ich eine kleine Gegenleistung von dir.« »So so, dann komm endlich zum Punkt«, fordere ich und verdrehe die Augen. »Ich möchte, dass mein Geheimnis bei dir in guten Händen ist. Das bedeutet, du wirst es nie wieder gegen mich verwenden«, fordert er monoton. »Das ist alles?«, hacke ich nach, woraufhin er die Stirn runzelt. »Anscheinend bist du doch nicht so blöd, wie alle denken. Aber keine Panik es ist nichts Schlimmes. Nur ein klitzekleiner Gefallen«, sagt er und zwinkert mir zu. »Und der wäre?«  »Ich verlange, dass du in der Schule preisgibst, dass wir miteinander geschlafen haben. Naja, und natürlich ein wenig davon schwärmst«, klärt er mich über seinen klitzekleinen Gefallen auf. »Du spinnst doch.«, fauche ich entsetzt. Er zuckt lässig mit den Schultern. »Tja, ich kann dich zwar nicht zwingen, immerhin ist es deine Entscheidung aber ohne diesen Gefallen, werde ich Logen nicht ausknocken.« Ich atme hörbar aus. »Und wie bitte soll ich das erklären? Ich meine, alle denken doch das ich mit Killian zusammen bin«, rutscht es mir heraus. »Alle denken«, wiederholt er und fügt hinzu: »Interessant. Soll das etwa heißen, dass eure Beziehung nur Fake ist?«, erkundigt er sich. Schnell versuche ich die Situation noch zu retten und zische: »Natürlich nicht. Ich meinte, alle wissen das wir zusammen sind. Wie stehe ich denn da, wenn ich ihn mit dir betrüge?« Kurz sieht er mich mitleidig an, doch mein Versuch ist definitiv gescheitert. »Das ist ja dann wohl dein Problem«, sagt er stumpf und ohne jede reue in der Stimme. Ich bin zwar wütend, vor allem über die Tatsache, dass er mich grade tatsächlich zu erpressen versucht. Andererseits bin ich aber morgen sowieso nicht mehr hier, also kann es mir auch egal sein. Wenn meine Mom erst mal die Fotos gesehen hat, kann sie gar nicht anders als ihn zu verlassen. Mit einem schiefen lächeln kommt er zu mir herüber, um unseren Pakt mit einem Handschlag zu besiegeln. »Ich bin dann erst mal wieder weg«, verabschiedet er sich und schließt die Tür. Nachdem ich endlich etwas Zeit für mich hatte, erinnert Logen mich allen Ernstes an unseren gemeinsamen Spieleabend. Zum Glück kauft er mir die Ausrede mit den Kopfschmerzen ohne weiteres ab und wir verschieben das Ganze auf morgen. Am nächsten Morgen, verläuft die Schule wie gewohnt, und da ich es noch nicht geschafft habe, den zweiten Teil Shades of Grey zu besorgen, bin ich mit Elli nur etwas spazieren gegangen. Ihr Leben ist ganz schön aufregend, es macht wirklich Spaß ihr zu zuhören. Der Glaube, dass sie mich mit dieser Aktion bestrafen können, ist wohl schiefgelaufen. Zum Glück verbringe ich gerne Zeit mit ihr, weshalb es mir nicht sonderlich schwerfällt, die zwei Stunden nach der Schule hier abzusitzen. Nach ein paar weiteren Stunden ist es dann endlich soweit. Killian kommt ins Zimmer und weist mich an, mir etwas Nettes anzuziehen. Alles weitere, würde er mit Marvin machen. Also ziehe ich mich bis auf String und BH komplett aus, und positioniere mich wartend auf dem Bett. Nach etwa zehn Minuten öffnet sich meine Tür, und Killian kommt mit seinem Vater, den er einfach über die Schulter geworfen hat ins Zimmer. Sein Blick mustert mich und ich erkenne deutlich das ihm gefällt was er sieht. »Glotz mich nicht so an«, fordere ich woraufhin er Logan nicht sehr rücksichtsvoll auf mein Bett schmeißt. »So, er gehört dir.«  sagt er und setzt sich lässig in den Schreibtischstuhl. »Kannst du mir vielleicht mal helfen ihn auszuziehen und in Stellung zu bringen, anstatt da nur rum zu sitzen?«, bluffe ich ihn an. »Wenn es sein muss«, gibt er genervt von sich, ehe er zu mir rüberkommt. Nachdem Logen Nackt auf meinem Bett liegt, was wie ich zugeben muss, echt ekelhaft ist, schlinge ich mein Bein um seine Hüfte, und umarme ihn. »Jetzt sei mal nicht so prüde. Ich dachte, das soll echt aussehen«, drängt er, während ich mir die passende Taktik überlege. »Man, Küss ihn doch einfach«, schlägt er vor. Ich nehme all meinen Mut zusammen, und versuche das aufsteigende Kotzgefühl zu Ignorieren. Langsam presse ich meine Lippen auf seine. Diese Position sollte mehr als eindeutig rüberkommen. Denn durch seine geschlossenen Augen, sieht es so aus, als wäre er gerade tief in mir versunken. Nachdem mein überraschter Stiefbruder das Signal gibt, dass er fertig ist, löse ich mich von Logen und ziehe mir schnell etwas über. Anschließend tragen wir ihn gemeinsam ins Elternschlafzimmer, und schmeißen ihn Nackt wie er ist ins Bett. »Wo ist Marvin eigentlich?«, frage ich erschöpft. »Zu Hause«, antwortet er und ich freue mich wirklich über die Tatsache, dass alles so reibungslos funktioniert hat. »Wir sind ein gutes Team«, gebe ich anerkennend zu, während Killian mir nickend zustimmt.

 

Kapitel 16

 Der Schein trügt

 

Da an Schlaf für mich noch nicht zu denken ist, gammeln Killian und ich noch etwas in meinem Zimmer herum. Kurz betrachte ich seine wahnsinnig tiefgründigen Augen, ehe ich ansetze: »Kann ich dich mal etwas fragen?« Lässig legt er seine Hände hinter den Kopf, was wie ich zugeben muss, wahnsinnig sexy aussieht. »Klar.« »Wieso gehst du auf so eine heruntergekommene Schule? Ich meine, müsstest du als wohlhabender Junge nicht eigentlich eine Elite Uni besuchen oder so?« Mit gerunzelter Stirn, richtet er sich auf. »Interessiert dich das wirklich?« »Sonst hätte ich ja wohl kaum gefragt«, antworte ich, was ihn lächeln lässt. »Weißt du, eigentlich bin ich ganz anders, als du mich einschätzt.« »Ist das so?«, necke ich ihn. Sein Ausdruck wird unergründlich. »Nur weil wir Geld haben, bedeutet das nicht das wir etwas Besseres sind. Als ich meinem Vater mitgeteilt habe, dass ich eine ganz normale Schule besuchen will, hat er keine Sekunde versucht mich davon abzuhalten. Im Gegenteil, er hat mich sogar unterstützt und gesagt, dass er meine Entscheidung richtig findet. Ich will nicht bevorzugt werden. Ich brauche weder eine Sonderbehandlung, noch Geld, um Glücklich zu sein.« In seiner Stimme liegt ganz klare Entschlossenheit, aber auch ein wenig Enttäuschung. Vielleicht ist er ja doch nicht so oberflächlich, arrogant und hochgestochen, wie ich ihn eingeschätzt habe. »Was ist, gefällt dir meine Antwort nicht?«, fragt er und holt mich so aus meinen Gedanken. »Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht gedacht, dass du solch eine Einstellung hast«, gestehe ich, und bemerke das er sich sein dämliches Grinsen nicht verkneifen kann. »Tja, hättest du dir einen Ruck gegeben, und versucht mich kennen zu lernen, dann wüsstest du jetzt eine ganze Menge mehr über mich. Aber ich, oder besser gesagt wir, hatten ja nie eine Chance bei dir.« In seiner Stimme schwingt ein vorwurfsvoller ton mit. Natürlich hat er recht, aber ich werde einen Teufel tun, und ihm das sagen. Immerhin ist mein Verhalten die einzige Chance, wieder nach Hause zu kommen.

»Was glaubst du wird deine Mutter machen, wenn sie die Bilder sieht?«, hackt er plötzlich nach, und irritiert mich mit seinem plötzlichen Themenwechsel. »Also eigentlich bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als deinen Vater zu verlassen«, antworte ich. »Und was, wenn dein Plan nicht aufgeht?« »Das ist ausgeschlossen.«

Sein Blick ist gedankenverloren aufs Fenster gerichtet. »Was geht dir durch den Kopf?«, frage ich, um die unangenehme Stille zu durchbrechen. »Mir Gefällt der Gedanke einfach nicht, dass du unsere Eltern auseinanderbringen willst.« »Das fällt dir ja früh ein«, entgegne ich. Bisher hat es ihn schließlich auch nicht gestört. » Sind wir denn wirklich so schlimm, dass du keinen anderen Ausweg mehr siehst, als zurück nach Berlin zu gehen?« Sein Emotionsausbruch weckt in mir ein unbekanntes Gefühl. Freue ich mich etwa? Will er damit sagen, dass er nicht möchte, dass ich aus seinem Leben verschwinde? So ein Quatsch. Bestimmt passt es ihm nur nicht, dass ihm jemand Paroli bietet. »Du machst jetzt aber keinen Rückzieher, oder?«, hacke ich vorsichtig nach. »Nein, natürlich nicht. Dann wäre ja alles umsonst gewesen, nicht wahr.« In seiner Stimme schwingt ein verletzter Unterton mit, und in seinen Augen liegt ein merkwürdiger Ausdruck. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt denken das er mich mag, und mir grade versucht zu sagen, dass ich hierbleiben soll. »Bist du dir sicher?«, frage ich extra noch mal nach, weil ich es einfach nicht glauben kann. »Ja, aber nur, wenn du dir einen Film mit mir ansiehst.« Habe ich mich gerade verhört, oder versucht er mich schon wieder zu erpressen? Man, dieser Kerl hat wirklich keine Manieren. »Soll das etwa eine Drohung sein? Du kannst mich mal«, schreie ich aufgebracht, und strecke ihm meinen Mittelfinger entgegen. »Halt mal die Luft an, dass sollte eigentlich nur ein Scherz sein«, erwidert er ganz ruhig und schüttelt den Kopf. Etwas verstört sehe ich ihn fragend an. »Mir ist langweilig und Außerdem sehe ich dich vielleicht, bald nie wieder. Da ist es doch nur Fair, wenn du dir, mit mir die restliche Zeit vertreibst.« Irgendwie ist es ja süß, dass er den letzten Abend vor meiner Abreise, unbedingt mit mir verbringen will. »Ach komm, hab dich nicht so.« Mit der rechten Hand, deutet er neben sich aufs Bett. Ohne groß darüber nachzudenken, lege ich mich neben ihn. Zufrieden wählt er einen Film aus. Als ich endlich etwas zur Ruhe komme, zieht er sich ohne Vorwarnung das Shirt über den Kopf. Na toll, wie soll ich mich jetzt noch auf den Film konzentrieren?

Als ich am Morgen, noch vor meinem Wecker erwache, bemerke ich, dass Killian ebenso wie ich eingeschlafen sein muss. Er liegt friedlich neben mir, und ich kann der Versuchung ihn mit meinen Fingern, über seine Nackte Haut zu streicheln nicht widerstehen. Als er sich im Schlaf bewegt, und seine Hand ganz ausversehen über meine Brust streift, überlege ich kurz ihm eine zu Knallen. Doch ich bin viel zu abgelenkt, von seinem Makellos schönen Körper, als das ich mir weiterhin den Kopf darüber zerbreche. Seine blonden Locken fallen ihm geschmeidig in die Stirn, wodurch sein Gesicht noch zarter aussieht. Die Unschuldsmiene die er im Schlaf hat, lässt ihn so zerbrechlich wirken. Ganz anders als seine harten Gesichtszüge, die er immer zum Vorschein bringt, wenn er mit seinen Kumpels zusammen ist. An diesen Liebevollen und zärtlichen Ausdruck könnte ich mich glatt gewöhnen. Oh man, ich glaube ich muss mir schleunigst einen echten Freund suchen. Sonst falle ich am Ende noch über ihn her.

Ein verschlafenes: »Guten Morgen«, reißt mich aus meinen Gedanken. »Morgen«, nuschle ich und fühle mich irgendwie ertappt. »Sorry, bin wohl eingenickt«, rechtfertigt er sich. »Schon Okay. Ich bin dann mal duschen«, sage ich verlegen, und hüpfe aus dem Bett.

Nachdem Frühstück, was wie ich zugeben muss, dass reinste Schlemmerparadies war, begebe ich mich auf den Weg zu Killians Auto. Doch kurz bevor ich die Haustür aufmache, steht Logen plötzlich hinter mir. »Ist alles Okay bei euch«, fragt er, woraufhin ich gezwungen bin, mich ihm zu zuwenden. »Ja.« Marvin scheint wirklich ganze Arbeit geleistet zu haben. In Logans Miene spiegelt sich deutlich, dass er total neben der Spur ist.

Killian zieht natürlich wieder alle Blicke auf uns, als er wie ein beschränkter auf den Parkplatz fährt. Seine Anhänglichkeit und die Art wie er mich seit heute Morgen ansieht, bringt mich ganz durcheinander.

Die ersten vier Stunden haben Roxy und ich gemeinsam. Durch unsere Lästerattacken bekommen wir jedoch nicht viel mit. Ich habe wirklich Glück, das Marvin heute nicht da ist, obwohl es schon etwas seltsam ist, denn gestern ging es ihm noch blendend. Naja, ist ja nicht mein Problem. Außerdem habe ich so noch eine kleine Schonfrist, denn der Teil wo ich allen erzählen muss, dass ich was mit ihm hatte, steht mir ja erst noch bevor. Der Rest des Tages vergeht dann relativ schnell, weshalb ich mich nun ausgiebig von Roxy und den Künstlern verabschiede. Auch wenn ich sie noch nicht lange kenne, so habe ich sie doch irgendwie in mein Herz geschlossen. Ich kann nicht behaupten, dass sie mir nicht wichtig geworden sind. Mit verwirrten Gesichtern erwidern sie meine Umarmung, die eigentlich einen Moment zu lange andauert. Als ich es endlich schaffe mich von ihnen zu lösen, schlendere ich wehmütig zu Killian, und setze mich Wortlos in den Wagen. »Was war das denn?«, fragt er nachdem er den Motor gestartet hat. »Was meinst du?« »Na deine aufdringliche Abschiedszeremonie. Ich dachte, wir gehen dir alle am Arsch vorbei«, sagt er, und fädelt den Lamborghini in den Straßenverkehr ein. »Du schon. Die anderen werde ich schrecklich vermissen.« »Wie, und mich wirst du nicht vermissen?« »Naja, vielleicht ein klitzekleines bisschen.« Er atmet hörbar aus und zieht einen Schmollmund. »Du bist ganz schön fies. Dabei haben wir uns doch so schön zusammengerauft.« »Du hast mich erpresst. Also verzeih, wenn ich keine Sympathie für dich aufbringen kann.« »Ach komm, so schlimm kann es ja wohl nicht gewesen sein meine Freundin zu spielen. Immerhin war ich ganz lieb zu dir.« Trotz seiner überheblichen Art muss ich schmunzeln. Den Rest der Fahr schweigen wir.

Als wir die Haustür öffnen, steht meine Mom auch schon freudestrahlend im Flur, und zieht mich liebevoll in die Arme. Zu schade, dass ich ihre gute Laune bald in den Keller befördern werde. »Wie geht es dir Spatz? Ich habe dich so vermisst«, haucht sie, und knuddelt mich fast zu Tode. »Ich krieg keine Luft«, beschwere ich mich, woraufhin sie den griff lockert. »Seid ihr ohne mich klargekommen?« Ohne das einer von uns darauf geantwortet hat, wuschelt sie Killian zur Begrüßung wild durch die Haare. »Hey.«, protestiert er und begibt sich die Treppe hinauf. »Hast du dich gut mit Logen verstanden?«, will sie sofort wissen, als wir alleine sind. »Nö.«, antworte ich, was sie natürlich besorgt fragen lässt: »Wieso, was ist passiert?« »Als ob dich das interessieren würde«, bluffe ich sie gereizt an. »Nicht in diesem Ton, Fräulein. Nun, sag doch einfach was los ist.« Ich schaue sie gleichgültig an. »Dein Macker ist ein Notgeiler Bock, du musst dich von ihm trennen.« Sie stemmt beleidigt die Hände in die Hüfte und seufzt genervt. »Ich kann das wirklich nicht mehr hören. Logan gehört jetzt zu uns, doch anstatt dich zusammenzureißen, lässt du dir mal wieder nur Hirngespinste einfallen«, schreit sie, und sieht mich enttäuscht an. Kurz überlege ich, wie ich meine Wut am besten zum Ausdruck bringen kann. »Ich habe mit ihm geschlafen.« Sofort herrscht Stille. »Mit wem hast du geschlafen?«, hackt sie irritiert nach. Ich versuche so schuldig wie möglich zu klingen. »Mit Logen. Deinem, Logen.« Sie erstarrt, man sieht ihr deutlich an, dass sie nicht weiß wie sie darauf reagieren soll. Zu meiner Verwunderung bleibt sie jedoch ganz ruhig. »Ist das wieder einer deiner Versuche, uns auseinander zu bringen?«, fragt sie ganz ernst. Als ob ich ihr darauf ehrlich antworten würde. »Mehr fällt dir dazu nicht ein?« Ich atme einmal tief durch. »Mann, der Typ ist Pervers. Sieh es doch endlich ein«, fordere ich, mit vor der Brust verschränkten Armen. Dann setze ich noch einen drauf. »Mom, er konnte es gar nicht erwarten mich zu betatschen.« Ich versuche ihren Gesichtsausdruck zu deuten, aber ich schaffe es einfach nicht hinter ihre Fassade zu blicken. »Es tut mir leid, aber ich glaube dir kein Wort. Bitte erspare mir deine Lügen in Zukunft«, sagt sie, und holt mit der flachen Hand aus. Ehe ich mich versehe landet diese in meinem Gesicht, und ich starre sie entsetzt an. Stillschweigend reibe ich mir über die Schmerzende Stelle. Geschockt über ihre Tat, presst sie ihre Hände auf den Mund. »Es tut mir leid. Das wollte ich nicht«, entschuldigt sie sich sofort, und will mich tröstend in die Arme nehmen. Ich weiß wie sehr sie es bereut mich geschlagen zu haben, und ich glaube ihr auch das es ihr leidtut. Aber dass ich es jetzt einfach so hinnehme, kann sie vergessen. Enttäuscht von ihrer Reaktion, stoße ich sie von mir. »Du bist für mich gestorben«, knalle ich ihr an den Kopf, bevor ich mich auf den Weg zu Elli mache.

»Hallo Julie, ich dachte schon du kommst heute nicht«, sagt sie und wirkt erleichtert, dass ich nun doch da bin. »Ach Quatsch, ich habe mich nur etwas verspätet«, gestehe ich und zeige ihr freudestrahlend, den zweiten Teil, des Dicken Wälzers. »Soll ich dir vorlesen?«, frage ich hoffnungsvoll, woraufhin sie sofort nickt. Nach etwa sechs Kapiteln, verabschiede ich mich, mit dem Versprechen morgen etwas mehr Zeit mitzubringen. Eine liebevolle Umarmung und weg bin ich. Irgendwie ist mir diese süße Omi ans Herz gewachsen. Zu schade, dass ich selbst keine mehr habe.

Auf dem Weg nach Hause, überkommt mich plötzlich das Bedürfnis mit Killian zu reden. Ohne vorher anzuklopfen stehe ich in seinem Zimmer und erstarre. Er sitzt auf der Bettkannte und Barbie kniet vor ihm. Sie streichelt ihn und zeichnet mit ihren widerlich-langen Fingernägeln, die Konturen seines braungebrannten-athletischen Körpers nach. Ihr Rock ist bis zur Hüfte hochgeschoben und Kilians Hände liegen auf ihren Schultern. »Du verfluchter Drecksack«, fauche ich, um den Schein zu Wahren. Immerhin denkt sie doch, dass wir zusammen sind. Augenblicklich schubst er sie nach hinten, sodass sie auf ihrem Allerwertesten landet und einen spitzen schrei ausstößt. »Julie.«, ist alles was ihm dazu einfällt. So ein Mistkerl denke ich mir, als Barbie sich aufrichtet. »Merkst du nicht das du störst?«, fragt sie, was sofort den Wunsch in mir auslöst, ihren Kopf solange gegen die Wand zu schlagen bis kein einziger Tropfen Blut mehr in ihrem Körper ist. »Halt deine Fresse«, brülle ich sie nicht sehr damenhaft an, und verlasse das Zimmer.

Wie soll ich diesen Anblick je wieder aus meinem Kopf bekommen? Ich bin so wütend, dass ich mich einfach ins Bett plumpsen lasse. Ich kreische so laut, dass ich mir lieber ein Kissen vor den Mund halte. So ein Arschloch. Aber was habe ich auch erwartet, immerhin bin ich nur seine Fake-Freundin. Mir ist Bewusst das er Bedürfnisse hat, aber wieso muss er sie unbedingt mit Barbie befriedigen? Das ist so ungerecht. Er hätte wenigstens warten können bis ich weg bin.

Eine halbe Stunde später klopft es zaghaft an der Tür. Nachdem ich nicht reagiere, steht Killian wie immer unaufgefordert vor mir. »Julie, was ist los?«, fragt er, und setzt sich zu mir aufs Bett. »Du zerstörst meinen Ruf«, versuche ich mein Verhalten zu erklären. »Geht es hier nur um deinen Ruf?«, will er wissen und rückt ein Stück näher an mich heran. »Julie, wenn du mich für dich allein willst, dann musst du nur etwas sagen«, offenbart er, und ich bin platt. Mit solch einer Aussage hätte ich jetzt nicht gerechnet. Was soll das überhaupt bedeuten, wenn ich ihn für mich will? Der Spinnt ja. Ich beschließe mich nicht auf sein Spielchen einzulassen. »Komm, verzieh dich einfach.« Ich will mich jetzt nicht mit ihm streiten. Als ich mich grade zum Gehen wenden will, hält er mich fest. »Hey, komm mal her«, sagt er und zieht mich in seine Arme. Was geht denn jetzt ab? Ich kann nur für ihn hoffen, dass er nicht versucht, seine aufgestaute Spannung bei mir entladen zu wollen. Deshalb löse ich mich abrupt von ihm, woraufhin er mich erneut festhält, und mir tief in die Augen sieht. »Was hat deine Mom gesagt«, fragt er plötzlich, und ich kann nicht glauben, wie plump er das Thema gewechselt hat. »Sie glaubt mir nicht. Stattdessen hat sie mir eine Gescheuert«, antworte ich, und setze mich wieder zu ihm. »Hast du ihr die Fotos gezeigt?« »Wie denn, sie hat mir eine verpasst, schon vergessen?«, entgegne ich. »Dann schick ihr die Fotos doch einfach aufs Handy.« Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Zufrieden mit seiner Idee und der Tatsache das ich nun eine neue Mission habe, entgegne ich: »Du hast Recht.« Zunächst sagt er gar nichts, doch dann kommt er immer näher. Die zärtliche Berührung seiner Finger, die kaum merklich über meinen Rücken fahren, besänftigen meine Wut augenblicklich. Was ist nur los mit mir? Wieso schafft es dieser Kerl mich immer wieder um den Verstand zu bringen?

 

 

Kapitel 17

  Aufgeflogen

 

Nachdem Killian endlich aus meinem Zimmer verschwunden ist, beschließe ich erst mal Lexa anzurufen, bestimmt weiß sie Rat. »Seelsorge. Was kann ich für sie tun?«, ertönt es am anderen Ende der Leitung. Sofort lache ich lauthals in den Hörer. »Ach Lexa, ich bin total am Ende«, gestehe ich mit Tränen in den Augen. »Beruhige dich und erzähl mir was passiert ist«, erwidert sie mit sanfter Stimme. »Mom hat mir eine geknallt, und ich habe zugesehen, wie sich Killian mit Barbie vergnügt hat«, beginne ich und erzähle ihr alles was vorgefallen ist. »Das mit deiner Mutter ist echt unfassbar. Dein nutzloser Stiefbruder hingegen, ist einfach nur ein missratener Bauer, dem die Gefühle anderer völlig egal sind«, sagt sie und ich frage mich, wieso sie lieber auf dieses Thema eingeht, anstatt das Problem mit meiner Erzeugerin durchzukauen. »Empfindest du etwas für ihn?«, will sie nun wissen. »Natürlich nicht«, entfährt es mir sofort. Denn bevor ich mir die Frage selbst nicht beantworten kann, brauchen wir auch nicht darüber diskutieren, was ich tun würde wenn ich etwas für ihn empfinden würde. »Was soll ich denn jetzt machen?«, winsle ich hilfesuchend ins Telefon. Ein tiefer Atemzug von ihr lässt mich wissen, dass sie kurz darüber nachdenken muss. »Also ich glaube, zuerst solltest du ihr mal die Fotos schicken, um zu sehen wie sie reagiert. Dann trennst du dich offiziell von Killian, um nicht länger sein Spielzeug zu sein. Aber letzten Endes, wirst du dich wohl damit abfinden müssen in München zu bleiben, zumindest bis du achtzehn bist«, erklärt sie und mich trifft der Schlag. »Wie kannst du mir so etwas vorschlagen? Ich dachte du bist auf meiner Seite?«, brülle ich verbittert. »Das bin ich auch. Aber du musst einsehen, dass deine Taten keinerlei Konsequenzen haben«, versucht sie mich zu beschwichtigen. »Ach, und deshalb schlägst du mir vor, alles hin zu schmeißen? Tolle Freundin bist du«, zische ich enttäuscht. »Man Julie, jetzt sei doch nicht so.« Da mich ihre Worte irgendwie mehr verletzt haben als ich mir eingestehen will, beende ich das Gespräch unter einem Vorwand, und lasse meinen Tränen freien Lauf. Warum mich das alles so fertig macht, verstehe ich wirklich nicht. Auch wenn ich sie, in Bezug auf das Vögeln mit Logan angelogen habe, so sollte meine Mutter mir wenigstens zuhören oder noch besser meinen Worten einfach Glauben schenken, immerhin bin ich ihr Fleisch und Blut. Aber stattdessen scheuert sie mir lieber eine. Tolle Mom. Und über Killian will ich lieber erst gar nicht nachdenken. Erst zwingt er mich seine Pseudo-Freundin zu werden, sucht ständig den Kontakt zu mir, will das ich ihn besser kennenlerne und das alles nur um hinter meinem Rücken ungestört mit Barbie rumzumachen. Aber das Schlimmste an der ganzen Sache ist, dass ich keinen Schritt weitergekommen bin. Ich bin immer noch gezwungen hier zu bleiben. Mein Leben ist eine Vollkatastrophe.

Da ich Marvin ja noch einen gefallen schulde, beschließe ich es lieber direkt hinter mich zu bringen. Ich setze mich aufrechthin, wische mir die Tränen aus dem Gesicht, nehme mein Handy vom Nachttisch und wähle seine Nummer. Nachdem ich Marvin gebeten habe schleunigst hier aufzutauchen, steht er auch schon geschlagene zwanzig Minuten Später vor der Tür. James, der ihn wie immer in mein Zimmer begleitet hat, verabschiedet sich höflich und wir sind allein. »Was ist so Wichtig, dass du mich hier her zitierst?«, fragt er und wirkt angespannt. »Ich schulde dir noch etwas.« Sein verwirrter Blick lässt mich erklären: »Da alle wissen sollen, was für ein geiler Hecht du bist, stellen wir ein Bild von uns ins Netz. Die Gerüchteküche wird innerhalb weniger Minuten brodeln.« Nach einem Moment des Schweigens, zieht er anerkennend eine Augenbraue nach oben und meint: »Gefällt mir!« »Wie schön, dann zieh dich mal aus«, sage ich, und sehe ihn abwartend an. Ohne einen weiteren Kommentar, tut er was ich verlangt habe und steht nun oben ohne da. »Und jetzt?«, hackt er nach. Genervt von seiner Blödheit, setze ich mich auf ihn und küsse seinen Hals, während ich in die Kamera zwinkere. Als das Selfie fertig ist, sitzen wir noch eine Weile nebeneinander auf meinem Bett. »Ich hoffe, dass dein Plan auch aufgeht«, wirft er nachdenklich ein. »Keine Sorge, wenn du beim Essen in der Mensa verlauten lässt, wie geil der gestrige Abend war, ergibt sich der Rest von ganz alleine. »Dann sehen wir uns morgen in der Schule.« Er zwinkert mir zu, erhebt sich und will grade gehen als mein nervtötender Stiefbruder, genau wie ich zuvor bei ihm, ohne anzuklopfen im Zimmer. Bevor ich realisieren kann was passiert, liegt Marvin auch schon auf dem Boden und versucht seine Schläge abzuwehren. Die gegenseitigen Beschimpfungen der Beiden, arten in so lautes Gebrüll aus, dass Logen plötzlich im Zimmer steht. Aufgebracht packt er Killian am Shirt, und zieht ihn so von Marvin runter. Nachdem mein Stiefbruder sich heftig gegen die Maßnahme seines Vaters gewehrt hat, schmeißt er ihm einen tödlichen Blick zu. »Was ist hier los?«, fordert der Häuptling zu wissen. Mit Wutverzerrtem Gesicht schreit Killian: »Der Wichser hat sich an Julie ran gemacht.« »Und was genau ist so schlimm daran?«, fragt er, woraufhin er ihn gereizt anschnauzt. »Er soll sie in Ruhe lassen. Sie gehört zur Familie, und an der vergreift sich keiner ungestraft.« Marvin der sich bisher ganz ruhig verhalten hat, versucht sich zu rechtfertigen. »Ich würde ihr nie zu nahekommen, und das weißt du auch«. »Schluss jetzt!«, brüllt Logen in Richtung der sich ankeifenden Streithähne. Meine Mutter, die in der Zwischenzeit ebenfalls den Raum betreten hat, schaut mich fragend an. »Julie, kannst du uns vielleicht sagen, weshalb sich dein Bruder so aufführt?« Ich atme tief durch, weil ich ansonsten gleich Amok laufe. »Er ist nicht mein Bruder«, schreie ich, und betone jedes einzelne Wort. »Julie.«, ermahnt sie mich. Marvin der sich erneut von Killian beschimpfen lässt, sagt kein Wort. Komische Freundschaft, die die beiden dahaben. »Du! Sofort raus«, zischt Logen und zeigt mit ausgestrecktem Finger auf Marvin.

Killian der sich mittlerweile einfach auf mein Bett gesetzt hat, streicht sich das Haar aus dem Gesicht und schnaubt verärgert. »Was ist bloß los mit euch?«, fragt meine Mutter, die uns mit wenig Verständnis, ausdruckslos ansieht. »Das ist alles seine Schuld«, verteidige ich mich und zeige auf Killian. Da ich ausnahmsweise mal wirklich unschuldig bin, möchte ich mir auch nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen. »Komm Schatz, dass müssen die beiden schon unter sich aus machen«, sagt Logen und zieht meine Mutter Richtung Tür. Wieso sie mit keinem Wort die Fotos erwähnt hat, kann ich nicht verstehen. Obwohl, dass kann eigentlich nur bedeuten, dass sie sie noch gar nicht gesehen hat. Kopfschüttelnd folgt mein Blick den beiden, die schweigend das Zimmer verlassen. Somit sind nur noch Killian und ich da. »Wieso hast du das gemacht?« »Was gemacht?«, frage ich ahnungslos. »Spiel nicht die Dumme. Du hättest, wenn ich euch nicht gestört hätte, mit Marvin rumgemacht«, erklärt er, als hätte er irgendein recht auf mich. »Tja, da muss ich dich leider enttäuschen. Ich hätte nicht nur, ich habe«, entgegne ich unfreundlich. »Was hast du?«, fragt er. Seine Wut steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Mit ihm geschlafen, soll ich es dir buchstabieren?« Kurz herrscht Stille, doch anders als erwartet flippt er nicht aus, sondern schlägt sich die Hände vors Gesicht. »Man Julie, er wird dich niemals so gernhaben, wie du vielleicht gerade annimmst.« »Du führst dich hier auf wie ein eifersüchtiger Psychopath.« Augenblicklich zeichnet sich ein gehässiger Ausdruck auf seinem Gesicht ab. »Mit Eifersucht hat das nichts zu tun.« »Aha, und wieso führst du dich dann so auf?«, hacke ich nach, weil mir sein Gelaber allmählich auf die Nerven geht. »Marvin ist Schwul«, sagt er mit so viel Genugtuung in der Stimme, dass ich einfach nur lachen kann. »Meinst du allen Ernstes das wüsste ich nicht?« Sein Überraschter Blick lässt mich wissen, dass er genau das dachte. »Und weshalb machst du dann mit ihm rum?«, fährt er mich an. »Wieso nicht?«, antworte ich ebenso gereizt wie er. Das Knirschen seiner Zähne verrät mir, dass er wütend ist. Ich würde zu gerne wissen, was in seinem Spatzenhirn vorgeht, dass er sich aufführt, als sei er irgendwie für mich verantwortlich. »Ich will nicht das du verarscht wirst«, sagt er plötzlich und bestätigt meine Vermutung damit. »Wenn du nicht willst das ich verarscht werde, dann hör auf mit Barbie rumzumachen«, rutscht es mir raus. Shit, wieso kann ich nicht einmal meine Klappe halten? Peinlich berührt wende ich den Blick ab, und kaue nervös an meinen Fingernägeln herum. »Was soll das heißen?«, will er natürlich wissen. Da mir langsam die Sprüche ausgehen, brülle ich verzweifelt: »Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?« Er nickt, und steht auf. »Aber nicht das du glaubst, damit wäre das Thema erledigt.«

Als ich mir aus dem Arzneischrank eine Kopfschmerztablette geholt habe, begebe ich mich auf der Suche nach einem Glas Wasser in die Küche. Ein Streit ist zu hören, doch leider bekomme ich nur Bruchstücke mit. Deshalb beschließe ich mich der Geräuschquelle mal etwas zu nähern. Im Elternschlafzimmer werde ich fündig. Logen steht mit einem flehenden Ausdruck meiner Mom gegenüber und beteuert das er sie liebt. Ob sie wohl endlich die Fotos angesehen hat? Da ich ungern entdeckt werden möchte, stelle ich mich etwas seitlich und lausche aufmerksam dem Gespräch. »Wie kannst du nur ernsthaft glauben, dass ich deine Tochter berührt habe? Verdammt nochmal, sie ist doch noch ein Kind.«, fährt Logen meine Mutter an. »Dann erkläre mir doch mal wie diese Bilder hier zustande gekommen sind?«, sagt sie und fuchtelt mit dem Handy vor seiner Nase herum. »Bitte vertrau mir. Ich kann mir nicht erklären wie solche Fotos entstehen konnten. Sie muss es irgendwie eingefädelt haben, vielleicht hat sie mich betäubt, du kennst sie doch. Wäre ja nicht die erste dumme Idee von ihr«, rechtfertigt er sich. Meine Mutter holt einen großen Koffer unter dem Bett hervor, und beginnt wahllos ihre Sachen hinein zu werfen. »Das ist doch nicht dein Ernst. Du weißt genau, dass Julie alles tut um uns auseinander zu bringen, willst du wirklich das sie gewinnt?«, hackt er mit gebrochener Stimme nach. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, als sie sich einfach in seine Arme fallen lässt. Fuck, dieser Mistkäfer. Wieso lässt sie sich so von ihm einwickeln? Mit eindringlicher Miene fragt Logen schließlich: »Was willst du jetzt machen?« Sie seufzt und antwortet: Erstmal einen Kaffee.« Er lächelt und nimmt sie erneut in seine tröstenden Arme. Möglichst schnell versuche ich mich vom Acker zu machen. Einen Toilettengang später, drehe ich die Anlage auf. Ein lautes Klopfen, reist mich aus meiner Trance. »Julie, ich muss mit dir reden«, sagt meine Mutter die sich neben mich setzt. »Worüber?«, frage ich patzig. »Nun, ich möchte die Wahrheit wissen. Wenn er wirklich mit dir geschlafen hat, dann verspreche ich, dass wir auf der Stelle ausziehen.« Überglücklich, endlich am Ziel zu sein sage ich: »Mom, das hat er. Ich bin deine Tochter wieso glaubst du mir denn nicht?« antworte ich so verzweifelt wie möglich. »Ich versuche es ja, das ist nur nicht so einfach nachdem was du dir die letzten Monate geleistet hast«, gesteht sie ehrlich. »Pass auf Julie, wenn es so war wie du sagst, und dir das alles nicht einfach nur ausgedacht hast, dann kannst du mir ja sicherlich ein paar Fragen beantworten?«, beginnt sie woraufhin ich nervös werde. »Klar, immer raus damit«, antworte ich Selbstbewusst. »Ich möchte wissen, was genau ihr getan habt?«, fordert sie und ich bin baff. »Ich soll dir erzählen, wie wir es getrieben haben?« frage ich ungläubig. Sie nickt und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie irgendetwas vorhat. »Wir haben Fern geschaut, ich war traurig, weil es in der Schule scheiße lief und dann hat er mich in den Arm genommen. Zuerst habe ich protestiert, doch er hat mich einfach ganz festgehalten. Irgendwann haben wir uns dann tief in die Augen gesehen und uns geküsst. Tja und dann ist es halt passiert. »Okay, das reicht.«, sagt sie endlich und ich atme erleichtert aus. »Logen hat an einer bestimmten Stelle ein kleines Tattoo. Ich möchte von dir wissen, welches Motiv es zeigt, und wo es sich befindet?« »Wie bitte.« So eine Scheiße, wie kann sie mich bloß so etwas fragen? Hat sie denn überhaupt kein bisschen Anstand? »Das kann ich dir nicht beantworten. Wir waren viel zu beschäftigt, als das ich auf so etwas geachtet hätte«, erkläre ich in der Hoffnung das es funktioniert. Sie runzelt die Stirn. »Dann eben etwas anderes. Welche Farbe hat sein Schamhaar?«, will sie wissen und ich gebe einen angewiderten Laut von mir. » Mom. Ich bitte dich, dass ist echt ekelhaft«, hauche ich. »Du machst es mir aber auch echt nicht einfach«, empört sie sich, und atmet hörbar aus. »Dann sag mir wenigstens welche Augenfarbe er hat? Immerhin hast du ihm zu Beginn ja tief hineingesehen, wie du eben selbst gesagt hast.« Misstrauisch überlege ich, was sie damit bezwecken will? Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie bereits genau weiß, dass ich Lüge. Da Killian Blaue Augen hat, gehe ich stark davon aus, dass sein Vater wohl dieselbe Farbe hat. »Blau, seine Augen sind Blau.« Sie Schüttelt verständnislos ihren Kopf und sieht mich abwartend an. »Gut, dann werden wir gemeinsam einen Frauenarzt aufsuchen, der mir deine Entjungferung bestätigt.« »Wie bitte. Du spinnst wohl«, fahre ich sie an. Ihre Miene ist undurchdringbar und ich frage mich, woher sie weiß das ich noch Jungfrau bin. Das weiß nämlich keiner. Nicht mal Lexa, dafür habe ich schon vor zwei Jahren gesorgt. In meiner alten Schule war man sofort unten durch als Jungfrau, deshalb habe ich das Gerücht verbreitet, nicht mehr unbefleckt zu sein. Auch meine Mutter hat diese Gespräche zwischen Lexa und mir mitbekommen. Ich verstehe einfach nicht, wieso sie denn noch überzeugt davon ist, dass ich es doch bin. Ich grinse sie frech an: »Gut, dann mach einen Termin aus. Aber nicht, dass du nachher zu sehr enttäuscht bist«, sage ich und bringe sie damit kurz aus dem Konzept. »Du kannst jetzt mit dem Theater aufhören, ich habe dich längst durchschaut. Das Tattoo befindet sich auf seinem Handrücken, dass hättest du auch längst bemerkt, wenn du ihm auch nur einmal die Hand gereicht hättest. Und seine Augenfarbe ist Braun, nicht Blau so wie die seines Sohns, darauf hast du doch Spekuliert, habe ich recht? Also mach mir nichts vor. Außerdem weiß ich das du noch nie mit einem Jungen Intim warst. Knutschen ja, aber weiter bist du noch nie gegangen. Also hör endlich auf mit dem Schwachsinn, und gib zu das du dir das nur ausgedacht hast.« Ihr Wissen schockiert mich zu tiefst. Ich meine, woher zum Teufel weiß sie das alles? Langsam macht sie mir echt Angst. »Gut, wenn dir nichts weiter dazu einfällt, dann komm«, sagt sie und zieht mich am Arm Richtung Flur. »Wohin?«, frage ich entsetzt. »Zum Frauenarzt«, entgegnet sie unbeeindruckt. »Jetzt.«, entfährt es mir und ich sehe ertappt zu Boden. »Ja, oder meinst du ich lasse es zu, dass du dir vorher von irgendeinem dahergelaufenen deine Unschuld rauben lässt?« Sie kennt mich einfach viel zu gut. Denn ohne Zweifel hätte ich genau das getan. Nur was soll ich jetzt machen? Wenn ich zum Doc gehe, wird er ihr bestätigen das ich noch Jungfrau bin, und das wäre um einiges peinlicher als ihr die Wahrheit zu sagen. »Hast du mir vielleicht doch noch was zu beichten?«, hackt sie nach, und scheint sich ihrer Sache verdammt sicher zu sein. Mit Stotternder Stimme gebe ich schließlich zu, dass ich mir alles nur ausgedacht habe, weil ich nach Hause will. Erleichtert und doch Stinksauer sieht sie mich an. »Mach so etwas nie wieder.« Überrascht von ihrer Reaktion, die ich ihr im Übrigen niemals zugetraut hätte, nicke ich Stumm. Wieso bleibt sie immer so locker? Kopfschüttelnd wende ich mich von ihr ab. »Dir ist hoffentlich klar, dass dein Verhalten Konsequenzen haben wird«, sagt sie und bedenkt mich mit einem Strafenden Blick. »Und was genau hast du dir Vorgestellt?«, hacke ich nach und gebe mich damit endgültig geschlagen. »Du wirst dich aufrichtig bei Logen entschuldigen, und du hast eine Woche Hausarrest.« Ich nicke zum Verständnis, und kann nicht glauben das meine Mom denkt, mich damit bestrafen zu können.

Da sie mich Richtung Wohnzimmer drängt, tue ich ihr den Gefallen und entschuldige mich bei Logen. Er sitzt auf dem Sofa und liest. Als ich in sein Blickfeld trete, legt er die Zeitschrift weg und sieht mich abwartend an. »Ich weiß, dass ich übers Ziel hinausgeschossen bin.« Logan sieht mich schweigend an, und ich male mir für einen Moment aus, dass er mir nicht verzeihen kann und uns rauswirft. »Schon gut«, sagt er und ich starre ihn ungläubig an. Wie kann er es einfach so abtun, dass ich ihm unterstellt habe mit mir geschlafen zu haben. Ratlos verlasse ich das Zimmer und verzieh mich in mein Reich.

 

 

 

 

Kapitel 18

  Unerwartete Hilfe

 

Völlig verzweifelt hocke ich mit beiden Händen, vor dem Gesicht auf meinem Bett. Ich muss irgendwie auf andere Gedanken kommen, geht es mir durch den Kopf, da steht Killian plötzlich, wie immer ungebeten in meinem Zimmer. »Verschwinde!«, keife ich sofort, doch er macht keinerlei Anstalten zu gehen. Stattdessen lässt er sich neben mir nieder und schlingt seine Arme um mich. Unschlüssig wie ich darauf reagieren soll, schniefe ich und wische mit dem Handrücken über meine Tränenbenetzte Wange. »Du sollst abhauen hab ich gesagt.«

 »Erzähl mir lieber was los ist«, fordert er und zieht mich fester in seine Umarmung. »Was soll schon los sein?«, sage ich mehr zu mir selbst. Am liebsten würde ich jetzt schreien, fluchen oder mit der Faust solange auf irgendetwas einschlagen, bis ich mich nicht mehr so hilflos und verloren fühle. »Mir geht’s gut.«

»Ach komm, jetzt rede doch einfach mit mir.«

Ich weiß wirklich nicht, was ich jetzt noch starten könnte, um zurück nach Berlin zu kommen. All meine Versuche sind gescheitert. Ich habe wirklich alle Register gezogen, und trotzdem scheint nichts davon schlimm genug gewesen zu sein. Ich atme tief aus und löse mich aus seiner Umarmung. »Wollen wir etwas unternehmen?«, fragt er, wartet aber meine Antwort erst gar nicht ab. Ruckartig stehe ich auf den Beinen und werde vorwärts aus dem Zimmer, in Richtung Garage gedrängt. »Was hast du vor?«, frage ich, doch er lächelt nur und deutet auf den Beifahrersitz. »Steig ein.« Ein wenig Ablenkung kann ja nicht schaden, geht es mir durch den Kopf. Schweigend starre ich aus dem Fenster, während Killian den Wagen in den Verkehr einfädelt. Ich weiß nicht wie lange wir schon unterwegs sind, als er plötzlich anhält. »Komm mit«, sagt er, und reicht mir die Hand zum Aussteigen hin. »Was wollen wir hier?«, frage ich und lasse meinen Blick durch den dunklen Park schweifen. »Ich dachte, du könntest vielleicht etwas Ablenkung gebrauchen«, sagt er, und deutet mit der Hand auf eine der Schaukeln. Vielleicht hat er recht. Ich setze mich und werde zunächst mit sanften Stößen in die Luft befördert. Es ist ein befreiendes Gefühl und irgendwie tut es verdammt gut. Der Schwung nimmt zu und ich muss unwillkürlich lachen. »Na, wie fühlt sich das an?«, fragt Killian, während ich meine Augen schließe und das Gefühl habe auf Wolken zu schweben.

Als wir wieder im Auto sitzen bedanke ich mich bei ihm und schalte das Radio ein. »Wollen wir uns gleich noch was zu essen machen?«, fragt er und ich wundere mich wirklich, wieso er auf einmal so nett ist. »An was hast du denn gedacht?«, hacke ich in der Hoffnung, dass es etwas Vernünftiges ist nach. »Pizza«, sagt er, und lenkt den Wagen in die Garage.

Gemeinsam gehen wir in die Küche und bereiten unser Abendessen vor. Mit seiner Art bringt er mich immer wieder zum Lachen. Als die Pizza endlich im Ofen ist fragt er: »Was ist eigentlich so toll an Berlin?« Überrascht von seiner Frage, muss ich tatsächlich kurz darüber nachdenken. »Es ist mein zu Hause«, sage ich schnell, und hoffe ihn damit überzeugt zu haben. »Und weiter«, entgegnet er, während ich beobachte, wie er langsam auf mich zukommt. Er greift nach einer meiner Haarsträhnen und zwirbelt sie zwischen seinen Fingern. Seine Berührung, löst das Bedürfnis, ihm ganz nah sein zu wollen in mir aus. Als ob er meine Gedanken lesen könnte, lehnt er sich noch ein Stück weiter vor, so das mir sein überausgutriechendes Parfüm in die Nase steigt. Seine Lippen sind nur noch wenige Zentimeter von meinen entfernt. »Was soll das hier werden?«, frage ich, ohne den Blick von ihm abzuwenden.

»Na ihr beiden«, sagt meine Mom plötzlich, und ich fühle mich irgendwie ertappt. »Es ist ja schön, dass ihr euch inzwischen so gut versteht, aber übertreibt es nicht.« Ihr durchbohrender Blick, macht deutlich, was sie von unserer Nähe hält.  Zum Glück sagt sie nichts weiter dazu, nimmt sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, und verlässt die Küche. Nachdem wir einen Blick in den Ofen geworfen haben, hole ich zwei Teller heraus. Nachdem essen bin ich völlig platt und will nur noch in mein Bett.

Als ich die Augen öffne und auf den Wecker sehe, bemerke ich, dass ich verschlafen habe. Zwanzig Minuten um sich anzuziehen, einen Kaffee zu holen, sich frisch zu machen und auch noch einigermaßen gut auszusehen, sind einfach viel zu wenig. Logen und meine Mom scheinen schon unterwegs zu sein, in der Küche waren sie jedenfalls nicht.

Killian und ich haben während der Autofahrt kein Wort miteinander geredet. Als wir endlich in der Schule ankommen, begebe ich mich auf der Suche nach Roxy direkt ins Gebäude. An ihrem Spind werde ich fündig. »Julie!«, brüllt sie über den ganzen Flur. Anscheinend freut sie sich sehr mich zu sehen. »Guten Morgen«, murmle ich noch etwas verschlafen. »Hast du die Nacht durchgemacht?«, hackt sie nach, und ich weiß genau, was sie damit andeuten will. »Nein, hab nur verschlafen.«

Mein Blick fällt auf eine Gruppe kichernder Schülerinnen, die geradewegs auf uns zusteuern.

»Stimmt es, dass du mit Marvin im Bett warst?«, fragt mich eine brünette, mit ihrer Piepsigen Stimme. Schnell schaue ich Roxy an und sage: »Erklär ich dir später.« Mit einem schiefen lächeln, wende ich mich wieder den Mädels zu. 

»Oh, woher wisst ihr das?«

»Aus dem Netz, es ist ein Foto von euch Online.«

»Echt!«

»Ist er wirklich so gut im Bett, wie man sich erzählt?«

»Nein! Er ist noch viel besser, der reine Wahnsinn, wenn du verstehst.« Anscheinend bin ich überzeugend genug, denn eines der Weiber fragt: »Und was ist mit Killian? Ist er genauso heiß, habt ihr es zu dritt gemacht?«

»Na klar, dass war der Hammer, solltet ihr auch mal ausprobieren.«

Ihre Augen weiten sich, doch dann nicken sie und gackern wie wilde Gänse. »So Mädels, war schön mit euch aber wir müssen jetzt in den Unterricht.« Mit einem provokanten winken verabschiede ich mich, und ziehe Roxy hinter mir her. Kurz vor unserem Klassenzimmer bleibt sie abrupt stehen. »Ist da was dran?«

»Natürlich nicht!«

»Und was sollte das dann ebent?«

»Ich schulde Marvin einen Gefallen, und das war seine Bedingung.«

»Was für einen Gefallen?«

»Erzähl ich dir später. Aber glaub mir, der Interessiert sich nicht für Frauen«, rutscht es mir heraus. Mist, jetzt muss ich ihr die ganze Wahrheit sagen, sonst wird sie noch wütender, was ich ihr ohne Zweifel nicht verübeln könnte. »Was soll das heißen?«, fragt sie und schaut mich skeptisch an. »Du musst versprechen es für dich zu behalten«, fordere ich obwohl ich auch so weiß, dass sie niemandem etwas sagen wird. Sie nickt. Ich lasse meinen Blick umherschweifen um sicher zu gehen, dass auch wirklich keiner in unserer Nähe ist. Nachdem ich ihr alles erzählt habe, fühle ich mich um einiges besser. Nicht das sie wütend oder entsetzt ist, weil er sie belogen und ausgenutzt hat. Nein, sie fängt so laut an zu lachen, dass ich unwillkürlich in ihr Gelächter mit einsteigen muss. Die letzten paar Stunden vergehen wie im Flug. Nachdem der ersehnte Gong dann endlich ertönt, der die Schule für heute beendet, entschließe ich mich dazu, direkt zu Elli zu fahren.

Als ich Killian frage, ob er einen kleinen Umweg machen kann, sieht er mich wütend an. »Wieso geht das Gerücht rum, dass du mich mit Marvin betrogen hast, und ich auch noch mitgespielt habe?«, fragt er und ich verstehe endlich wieso er so schlechte Laune hat.

»Ach komm, das war doch nur Spaß.«

»Beantworte meine Frage«, fordert er, und kommt mir immer näher. Ich erzähle ihm von der Abmachung mit Marvin und bereue es keine zwei Sekunden später, denn laut seiner Aussage, wird er ihm gleich die Fresse polieren. Mein Beruhigungsversuch scheitert, denn als Marvin zu uns rüberkommt, stürzt er sich sofort auf ihn. Wie auch schon bei uns zu Hause. Moment, was denke ich denn da? Ich meinte natürlich in Logens Villa, schreien sie sich gegenseitig an. Killian der eindeutig die Oberhand hat, sitzt auf ihm drauf und schlägt ihm ohne Gnade immer wieder ins Gesicht. "Wenn du noch einmal mein Mädchen berührst, erpresst oder auch nur mit ihr redest, bist du ein Toter Mann.« »Lass den Scheiß.« brülle ich aus Leibeskräften, doch keiner reagiert auf mich. »Das wirst du bereuen.«, fährt Marvin ihn an, dem es gelingt ihm einen Schlag in den Magen zu verpassen. Killian der sich daraufhin kurz krümmt, steht auf und zieht Marvin am Hemd ebenfalls auf die Beine. »Verpiss dich jetzt, oder ich mach dich fertig.«, droht mein Stiefbruder. Zu meiner Überraschung haut Marvin tatsächlich ohne ein weiteres Wort ab.

 

 

 

Kapitel 19

Eine Überzeugende Show

 

Völlig verdutzt stehe ich da, und werde von den umherstehenden Schülern begafft. Killian der offensichtlich noch immer aufgebracht ist, schubst mich beim Versuch mit ihm zureden einfach bei Seite, und läuft auf seinen Wagen zu. »Warte!«, versuche ich ihn aufzuhalten, aber da startet er auch schon den Motor. So ein Mist, wie komme ich denn jetzt zu Elli?

Allmählich lehrt sich der Schulhof, und ich stehe wie bestellt und nicht abgeholt an der Mauer. Ich verstehe einfach nicht, weshalb er so ein Drama macht. Er hat überhaupt kein Recht dazu, wir sind weder ein Paar, noch können wir uns besonders gut leiden.

Eine Berührung an meiner Schulter lässt mich zusammenzucken. Erschrocken blicke ich auf, und sehe direkt in die Augen von Marvin. »Was machst du denn noch hier?« Ich erzähle ihm, dass Killian mich einfach stehen gelassen hat. Kopfschüttelnd fragt er: »Soll ich dich mitnehmen?« »Bist du gar nicht sauer?«, hacke ich nach, woraufhin er zu lachen beginnt. »Ach quatsch, wieso sollte ich? Du hast deinen Teil der Abmachung erfüllt, und das Killian so ausrastet, habe ich mir schon gedacht, nachdem ich von deiner überzeugenden Show gehört habe.«

Er setzt sich Richtung Auto in Bewegung und ich folge ihm. »Danke das du mich mitnimmst.« »Gerne.«

Gedankenverloren richte ich meinen Blick aus dem Fenster. Um meinem Vorhaben, heute noch zu Elli zu fahren, ein Stück näher zu kommen, nutze ich die Gelegenheit, und bitte ihn mich beim Oldstars rauszuwerfen. Als wir endlich da sind, begebe ich mich auf der Suche nach Elli zum Eingang. Sie steht lässig an der Tür und qualmt eine Zigarette.

»Hallo Elli«, begrüße ich sie.

»Was ist los? Du siehst traurig aus.«

»Wollen wir eine Runde im Park drehen?«

»Gerne.«

Ich berichte ihr von Killians Verhalten in der Schule. Da sie aber verständlicherweise nicht ganz mitkommt, erzähle ich ihr alles was bisher vorgefallen ist. »Für mich klingt das fast so, als wenn er eifersüchtig ist«, sagt sie, nachdem ich meine Erzählung beendet habe. Doch das kann ich nicht glauben. »Nein, der spielt sich einfach nur auf, weil er Angst um seinen Ruf hat«, entgegne ich, obwohl sie nicht ganz unrecht hat. »Weißt du, die Dinge sind nicht immer so, wie sie auf den ersten Blick scheinen.« Das leuchten ihrer Augen, löst in mir den Wunsch aus sie zu umarmen. Als hätte sie gerade meine Gedanken gelesen, bleibt sie stehen und sagt: »Komm mal her.« Ich schmiege mich an sie, und genieße die Wärme, die ihre Umarmung in mir auslöst. »Mach dir nicht so viele Gedanken.« Ich lächle und begleite sie wieder nach oben in ihr Zimmer. »Bis morgen«, verabschiede ich mich und verlasse die Einrichtung. Zum Glück hat sie mich telefonieren lassen, weshalb ich nun unten auf James warte, der mich gleich abholt. Während der Fahrt kommt mir der Gedanke, dass ich meine Fake-Beziehung zu Killian, vielleicht auch vor meiner Mom etwas offensichtlicher machen sollte. Immerhin war sie gestern nicht unbedingt erfreut über unseren nahen Moment.

Nach einer erfrischenden Dusche, platzt Killian unerwartet fröhlich ins Bad. »Kannst du eigentlich nie anklopfen?«

»Sorry, dass ich dich in der Schule einfach stehen gelassen habe.«

»Kein Problem, Marvin war so freundlich mich mitzunehmen.«

Ich weiß genau, wiesehr ihm diese Antwort missfällt. Zum Glück geht er nicht weiter darauf ein, und folgt mir ins Zimmer.

»Hast du Lust einen Film anzusehen?«, frage ich, und rubble mir die feuchten Haare trocken. »Klar! Komm einfach rüber wenn du fertig bist«, sagt er, und wendet sich zum Gehen. »Ich dachte eher daran, ihn gemeinsam mit Logen und meiner Mom anzusehen.« Ungläubig sieht er mich an.

»Was hast du vor?«

»Nichts, wieso? Ich wollte einfach nur etwas Zeit mit unseren Eltern verbringen.«

»Ich glaub dir kein Wort«, sagt er, und setzt sich auf die Bettkannte.

»Gut, ich will unsere Fake-Beziehung auch vor unseren Eltern ausleben.«

»Und was soll das bringen?«, fragt er, und lässt mich keine Sekunde aus den Augen.

»Naja, begeistert werden sie nicht sein. Vielleicht schaff ich es ja, die beiden gegeneinander auszuspielen.« Sein ernster Gesichtsausdruck, zerstört in mir die Hoffnung das er mit macht. Doch dann steht er auf, zieht mich dicht an sich heran, und legt seine Lippen auf meine. Wie erstarrt stehe ich da, gefangen, wie in einem Traum. Eine Welle undefinierbarer Gefühle durchströmt mich. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich den Kuss erwidere. Meine Hände vergraben sich in seinen weichen Locken.

»Okay, ich mach mit«, verkündet er, und bricht den Kuss ab.

»Was sollte das?«, frage ich, obwohl ich es eigentlich gar nicht wissen will. Mir stellt sich eher die Frage, wieso er den Kuss so schnell abgebrochen hat. »Wenn du dein Vorhaben, Überzeugend rüberbringen willst, solltest du dich langsam an meine Berührungen gewöhnen. Da hat er gar nicht so unrecht. Immerhin sollen sie ja denken das wir miteinander Vögeln. Da wird es nicht ausreichen, sich ab und an mal zu umarmen. »Du hast Recht«, sage ich, und schlage vor unsere Show in einer Stunde zu starten.

Als wir im Wohnzimmer ankommen, fragen wir unsere Eltern ganz unschuldig ob sie einen Filmabend mit uns machen wollen. Freudestrahlend stimmen sie natürlich zu. Zuerst sitzen wir einfach nur nebeneinander, doch schon nach wenigen Minuten kuschle ich mich enger an ihn. Schlau wie er ist, hat er nämlich bewusst einen Horrorstreifen ausgewählt. Meine Mutter tut es mir gleich, und schmiegt sich in die Arme von Logen. Je länger der Film läuft, desto grusliger wird er. Mittlerweile hat Killian sich ganz ausgestreckt und ich liege mit dem Rücken, zwischen seinen Beinen an seiner Brust gelehnt. Die Arme hat er auf meinem Bauch platziert, und sein warmer Atem streift unaufhörlich meinen Nacken.

Wenn er so weiter macht, bekomme ich gleich eine Gänsehaut. Logen, der uns immer wieder verstohlene Blicke zuwirft, scheint nicht sonderlich erfreut über unsere Annäherung. Um ihn zu provozieren, flüstere ich Killian belanglose Worte ins Ohr. Vollkommen auf mich fixiert, lächelt er verführerisch und knabbert mir am Ohrläppchen.

Dieser Mistkerl, macht seine Sache so gut, dass ich aufpassen muss, nicht gleich über ihn herzufallen. Seine anzüglichen Blicke, scheinen auch unseren Eltern nicht zu entgehen.

Plötzlich setzt Logen sich aufrecht hin, schiebt meine Mutter zur Seite und schnaubt verächtlich. »Gehts noch, was macht ihr denn da?«, brüllt er wütend.  Killian, der sich anscheinend überhaupt nicht am Ton seines Vaters stört antwortet: »Wir schauen einen Film.«

»Ach so, und weil Julie die Handlung nicht versteht, sabberst du ihr ins Ohr oder was?« Ich kann mir ein Lachen, wirklich nur schwer verkneifen. »Willst du mir jetzt verbieten, mich mit ihr zu unterhalten?«, fragt Killian stocksauer, hält mich aber weiterhin im Arm. Meine Mutter die das ganze bisher nur Stillschweigend beobachtet hat, wendet sich mir zu.

»Julie, wenn du Zuneigung brauchst ist das völlig Okay, aber dann such dir doch bitte jemand anderen.«

»Das sehe ich ganz genauso.« Sofort erhebe ich mich und funkle sie giftig an. Mein Pseudo-Freund tut es mir gleich und meint: »Komm, wir sind hier wohl nicht mehr erwünscht.«

»Julie, ich meine es ernst, lass deine Spielchen.«, ruft meine Mom mir hinterher, während Killian die Tür zu seinem Zimmer öffnet.

»Wenn die mal nicht sauer sind«, sagt er, und deutet mit der Hand neben sich aufs Bett.

»Das Gesicht deines Erzeugers war einfach zu geil.«

»Ich denke, dafür schuldest du mir was«, sagt er, woraufhin ich ihn grimmig ansehe.

»Woran hast du gedacht?«

»Weiß ich noch nicht, aber mir fällt bestimmt was ein«, sagt er, und ich wette darauf, dass er sich etwas besonders fieses einfallen lässt. Wenn ich ihn so ansehe, überkommt mich das Bedürfnis, mich zu ihm unter die Decke zu kuscheln, weshalb ich lieber schnell in mein Zimmer verschwinde. »Gute Nacht.«

Als ich am Morgen erwache, begebe ich mich zur morgendlichen Grundhygiene ins Bad. Nachdem ich fertig bin, mache ich mich auf den Weg in die Küche, Logen und Mom sitzen bereits am gedeckten Frühstückstisch. »Guten Morgen«, summt sie fröhlich, während ich mir einen Macchiato und eine Banane schnappe. »Wir wollen nachher einen Familienausflug machen«, sagt sie und belegt sich ihr Brötchen. Das sie einfach so zur Tagesordnung übergehen, und mit keinem Wort mehr die Situation von gestern ansprechen, hätte ich nicht gedacht. »Ich wäre wirklich gerne mitgekommen, aber leider muss ich pünktlich zur Zwangsarbeit im Oldstars sein«, entgegne ich, woraufhin sie mich Überlegen angrinst. »Mach dir keine Sorgen, dass ist bereits geklärt«, antwortet sie und drückt mir einen Zettel in die Hand. Na toll, sie stellt mich Frei. Wieso kann sie das einfach so entscheiden? »Ich dachte, du willst das ich verantwortungsbewusst mit meiner Aufgabe umgehe?«, versuche ich sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. »Ja, aber da wir euch nächste Woche leider für zwei Tage alleine lassen müssen, wollen wir die Zeit nutzen, und etwas gemeinsam Unternehmen.« Na toll! Ohne weiter darauf einzugehen, nicke ich stumm und male mir aus, wie ich sie heute schocken kann, als Killian sich ebenfalls zu uns gesellt. »Guten Morgen meine schöne«, flüstert er, und haucht mir einen sanften Kuss auf die Stirn. Logan der das Ganze mit einem Missbilligendem Blick verfolgt, steht auf und räuspert sich. »Ich dachte wir hätten uns gestern klar ausgedrückt«, entfährt es ihm. Genervt verdrehe ich die Augen, drücke Killian einen Fetten Kuss auf die Lippen und sage: »Komm Schatz.«

In der Schule angekommen, verläuft der Tag recht gut. Hin und wieder haben sie mich versucht nochmal über den dreier auszufragen, doch ich habe keinerlei Anstalten gemacht, ihnen darauf zu antworten. Irgendwann war es ihnen dann wohl zu blöde, und sie haben mich endlich in Ruhe gelassen. Noch fünf Minuten, und meine Pflicht ist für heute getan. Naja, zumindest hier in der Schule, denn zu Hause erwartet mich ja leider noch der beschissene Familienausflug.

 

 

 

Kapitel 20

 Harmonischer Zoobesuch

 

»Julie, wir wollen los«, schreit meine Mutter von unten.

»Ich komm ja schon«, schnaube ich und drücke den Abzieher. Nicht mal in Ruhe aufs Klo gehen kann man hier. James hat die Familienkutsche bereits vor der Haustür geparkt. Während der Saulangweiligen Fahrt, frage ich mich immer wieder, wieso der Zoo am Arsch der Welt sein muss. Fünfundvierzig Minuten Anfahrt, das ist doch nicht normal oder? Killian der neben mir sitzt schläft lieber, anstatt sich mit mir zu beschäftigen.  Nach weiteren endlosen dreißig Minuten sind wir endlich am Ziel.

Mit einem unsanften: »Aufwachen«, wecke ich das schlafende etwas neben mir. Verwirrt blinzelt er und steigt sofort aus, um sich zu strecken. Gemeinsam latschen wir Richtung Kasse.

Es scheint rappelvoll zu sein, denn wir müssen an der Überdimensional langen Schlange, nochmal 25 Minuten darauf warten, dass wir unsere Tickets bekommen. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Killian mich mustert.

»Ich freue mich ja so«, sagt meine Mom jubelnd. Fehlt nur noch das sie in die Hände Klatscht.

»Ich mich auch«, entgegne ich sarkastisch.

 »Es ist ja so schön, dass wir endlich mal alle zusammen sind«, schwärmt sie weiter, während mich der drang überkommt sie Blutend ins Löwengehege zu werfen.

Als wir endlich an der Reihe sind, marschieren wir durch das Drehkreuz, ins Innere des Parks. Unser erster Stopp sind die Affen. Sie erinnern mich ein wenig an Barbie, die hängst sich ja auch ständig, an alles und jeden. Als nächstes begegnen wir den Straußen. Wie ich diese Biester hasse. Meine Mom steht wie eine bekloppte mit dem Fotoapparat da. Ihr versuch Tierlaute zu imitieren ist der Knaller. Vor lauter lachen, mache ich mir noch in die Hose. Denn leider hört sich ihr Gestammel mehr nach Gutschigutschi, als einem Tierlaut an.

»Schnell weg hier«, sage ich, und lächle meiner Mom fröhlich zu.

»In einer Stunde treffen wir uns am Tropenhaus«, ruft Logen uns hinterher. Ich beschließe meiner schlechten Laune ein Ende zu setzen, und schleppe meinen Begleiter zu den Frettchen. Dort angekommen, begutachte ich die niedlichen Wesen. Vollkommen zufrieden Muckern sie in ihrem Areal, und man kann deutlich erkennen das sie sich Sauwohl fühlen. Frettchen müsste man sein, geht es mir durch den Kopf als Killian ein Stück an mich herankommt, und seinen Arm um mich legt.

»Es sind meine absoluten Lieblingstiere.« Verträumt guckt er ihnen nach, als ich ihn weiter zum Reservat führe. »Wollen wir?«, frage ich, und zeige auf den vor uns liegenden Safari Jeep. Auf unserer Entdeckungstour begegnen wir jeder Menge Tiere. Vom Zebra bis zum Löwen ist alles dabei. Plötzlich bleibt der Jeep stehen, und ein einsamer Alpaka kommt auf uns zu. Es bleibt genau vor uns stehen und Geifert wie verrückt. Killian Lacht und meint: »Guck mal, der sabbert ja genauso wie du, bei meinem Anblick.« »Ha ha«, entgegne ich, als das Tier sich plötzlich vorbeugt, und ihn mit der Zunge über das ganze Gesicht leckt. Sofort pruste ich los, und hole mein Handy heraus. Dieser Anblick muss einfach festgehalten werden. Schnell tippe ich auf das kleine Symbol, welches das Bild für alle Kontakte in meiner Freundesliste sichtbar macht. »Sehr witzig«, entgegnet er, und versucht sich mit einem Taschentuch den Speichel weg zu wischen. Das diese Viecher so zahm sein können, habe ich noch nie gesehen. Das Alpaka verschwindet wieder, und wir fahren weiter. »Vielleicht sollten wir uns auch eins anschaffen, immerhin scheinst du ja einen ganz besonderen Draht zu den Viechern zu haben.« »Hast du einen Clown zum Frühstück gehabt?«, fragt er, woraufhin ich zur Bestätigung nicke. Die Fahrt endet, und Killian reicht mir wie ein Gentleman die Hand zum Aussteigen hin. Da mein Magen so langsam zu knurren beginnt, beschließen wir erst mal unsere Eltern zu suchen. Wie besprochen stehen sie am ausgemachten Treffpunkt und warten auf uns. »Da seid ihr ja«, winken sie uns freudig zu sich.

»Wie war die Tour?«, fragt meine Mom.

»Super, aber jetzt habe ich Hunger.«

»Eigentlich wollten wir erst noch ins Tropenhaus«, sagt Logan.

»Ach nö, die Luft darin ist immer so ätzend.«

»Wie wäre es, wenn wir uns in einer Stunde vor dem Restaurant treffen?«, schlägt meine Mom schließlich vor.

Dabei wundere ich mich wirklich, wieso sie uns auf einmal so schnell los werden will. Immerhin war sie diejenige, die unbedingt diesen Familientag wollte.

»Jap. Geile Idee«, antworte ich, und lasse mich von Killian durch den Park führen. Als wir an einem Eiswagen ankommen fragt er: »Was willst du?« Ich lasse den Blick über die Auswahl streifen. »Mango-Haselnuss.« Wir setzen uns auf eine kleine Bank und ich beginne genüsslich an meinem Eis zu schlecken. Dabei entgeht mir Killians anzügliches Grinsen keines Wegs. »Willst du auch mal?«, provoziere ich ihn. Als er die Zungenspitze über das tropfende Eis fahren lässt, nutze ich die Gelegenheit und klatsche ihm die klebrige Masse ins Gesicht. Geschockt starrt er mich an. »Na warte.«, ruft er, doch ich bin schon weg.

Mühelos hat er mich eingeholt und hält mich im Schwitzkasten gefangen. Langsam kommt er immer näher, und ehe ich mich wehren kann, leckt er mir mit seiner Kalten Zunge einmal quer durchs Gesicht. Einen Toilettengang später, sind wir wieder halbwegs ansehnlich. »Was machen wir jetzt bis zum Essen?«, hacke ich nach. Schulterzuckend signalisiert er mir das es ihm egal ist. Spielerisch schlage ich gegen seinen Oberarm. »Ach komm, worauf hast du denn Lust?« Er grinst mich frech an. »Willst du es sehen?« Ohne mir etwas dabei zu denken Nicke ich stumm. Sein anzügliches grinsen wird breiter und er kommt mir immer näher. So langsam bekomme ich eine Ahnung davon, was er vorhat, doch ehe ich reagieren kann liegen seine Lippen auf meinen. Seine Hände fahren meinen Rücken hoch und runter, bis sie schließlich an meinem Arsch landen. Mein erster Gedanke ist ihm eine zu knallen, denn unsere Eltern sind weit und breit nicht zu sehen. Leider fühlt es sich so verdammt gut an, das ich es unwillkürlich zulassen muss. Nachdem er den Kuss beendet hat, schaue ich ihn verwirrt an. »Was war das denn?«

»Na, ich hoffe der beste Kuss deines Lebens.«

»Da musst du dir schon etwas mehr Mühe geben.«

»Das kannst du haben«, entgegnet er, und will mich grade von seinem Talent überzeugen, als unsere Eltern aufgebracht hinter uns stehen.

»Hört sofort auf damit«, brüllt Logen und zieht Killian von mir weg. Ohne ein weiteres Wort, begeben wir uns zum Restaurant. Überglücklich endlich etwas zwischen die Zähne zu bekommen, bestelle ich mir eine große Portion Currywurst Pommes. Nach der Pinguin Show, beschließen wir uns langsam auf den Rückweg zu machen. Tja, und auch wenn ich es nur ungern zugebe, war der Tag doch recht schön.

 

Kapitel 21

 Überraschender Arschtrit

 

Am Abend bin ich so erledigt, dass ich mir zur Entspannung erst mal eine heiße Wanne einlaufen lasse. Meine Gedanken schweifen schnell ab, und erst jetzt wird mir richtig bewusst, dass seit unserem letzten Telefonat Funkstille herrscht. Deshalb greife ich reflexartig zu meinem Handy und wähle Lexas Nummer. »Julie. Welch eine Ehre«, sagt sie bissig, was mir sofort einen Stich ins Herz versetzt. »Es tut mir leid.« Doch außer einem abfälligen schnauben, ist am anderen Ende nichts zu hören. »Du fehlst mir, ich wollte nicht die beleidigte Leberwurst spielen«, versuche ich mein Verhalten zu erklären. »Ja ja, schon gut. Los, erzähl was passiert ist, und ich will jedes noch so schmutzige Detail hören.« Sofort berichte ich ihr von den letzten Ereignissen. »Ich wusste es, du bist in deinen Stiefbruder verknallt.« Mein Versuch zu widersprechen scheitert, denn sie lässt sich einfach nicht von ihrer Meinung abbringen. Irgendwie hat sie ja recht. Wieso muss sie mich auch so gut kennen? »Verdammt, ich habe keine Ahnung, was das zwischen uns ist. Mal ist er lieb und total aufmerksam, und dann mutiert er wieder zum Riesenarsch. Was soll ich bloß machen?«, frage ich sie verzweifelt. »Du solltest herausfinden wie er im Bett ist«, sagt sie, und ich schüttle sprachlos den Kopf. »Sehr Witzig!« Als ob das meine Probleme schlagartig lösen würde. »Wieso denn nicht, was hast du denn schon zu verlieren?« »Und wenn er mich gar nicht will?« Mein Einwand bringt sie dazu, so laut in den Hörer zu Lachen, dass mir mein Handy vor Schreck fast ins Wasser fällt. »So wie ich die Sache sehe, wartet er doch nur auf eine Gelegenheit, dir die Kleider vom Leib zu reißen.« Ich schalte den Lautsprecher ein, und lege das Handy auf den Rand der Wanne. »Jetzt stell dich doch nicht so an«, sagt sie. Der Gedanke, wie sich sein nackter Körper unter meiner warmen Haut anfühlt, ist schon verlockend. »Erde an Juli.«, ruft sie, doch ich bin viel zu abgelenkt. Mit dem Versprechen, mich die Tage nochmal zu melden, beende ich das Gespräch.

Verträumt spiele ich mit dem Schaum in meinen Händen, als Killian plötzlich das Bad betritt. »Bist du bald fertig?«, hackt er ohne den Blick von mir abzuwenden nach. Erschrocken blicke ich auf. »Kannst du dich vielleicht mal umdrehen«, entgegne ich, genervt von seiner Dreistigkeit. »Wieso, da gibt es nichts, dass ich nicht schon gesehen habe.« »Ach ja.« »Arsch, Titten, und ein paar nicht zu verachtende Rundungen. Wie du siehst, nichts das ich nicht schon gesehen habe.« »Mach das du hier rauskommst, aber sofort«, fahre ich ihn an. Er lächelt frech und setzt sich zu mir an den Rand der Wanne. Sein Blick streift über meinen gesamten Körper. Zum Glück ist noch so viel Schaum im Wasser, dass er keine meiner Intimen Zonen sehen kann. »War ein cooler Tag heute, hätte nicht gedacht das man so viel Spaß mit dir haben kann.« »Hör zu, ich fand es auch toll, aber wenn du plaudern willst, dann warte gefälligst bis ich aus der Wanne komme«, fordere ich, und warte darauf das er endlich abhaut. »Meinetwegen, aber beeil dich.« Nachdem ich mich fix abgeduscht, und wieder angezogen habe, begebe ich mich ausnahmsweise mit einem Klopfen in sein Zimmer. »Komm rein«, ertönt seine Stimme und ich öffne die Tür. »Also, was willst du?« »Schlaf heute Nacht bei mir«, kommt er ohne Umschweife zum Punkt. »Hast du was getrunken?«, fahre ich ihn an, und kann nicht glauben was er da von sich gibt. Versucht er jetzt auf Tuchfühlung zu gehen, oder hat er etwa unser Gespräch belauscht? »Ach komm, jetzt stell dich doch nicht so an«, fordert er ohne meine Frage zu beantworten. »Und was habe ich davon?« Er muss ja nicht wissen, dass ich ihm am liebsten um den Hals fallen würde. Ein schelmisches grinsen zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. »Du willst etwas als Gegenleistung dafür, dass du neben mir liegen darfst?« »Natürlich.« »Gut, wenn du willst, dann schlaf ich halt mit dir.« Sein Angebot klingt so ernst, dass ich es ihm beinahe abkaufe. »Einverstanden«, sage ich und schlüpfe zu ihm unter die Decke. Ungläubig weiten sich seine Augen. »Was ist, hat es dir die Sprache verschlagen?« »Das war ein Scherz.« Ich lege meine Hand auf die Innenseite seines Oberschenkels. »Wie, das war gar nicht ernstgemeint?« Seine <Miene verfinstert sich für einen Moment. »Also gut, wenn du nicht willst, dann lass uns wenigstens einen Film ansehen«, schlage ich vor. Zufrieden drückt er auf seiner Bedienung ein paar knöpfe, und schon erscheint irgend so ein Aktionstreifen. Da ich beschlossen habe etwas mutiger zu werden, kuschle ich mich ganz langsam dichter an ihn heran. Ohne zu zögern erwidert er meine Annäherung, und zieht mich sogar noch enger an sich. Es fühlt sich ungewollt gut an. Ich könnte sofort die Augen schließen und wäre auf rosa Wolken. Meine Gedanken schweifen irgendwie in die falsche Richtung ab. Ich bemerke wie er den Kopf leicht zu mir herumgedreht hat. Seine Lippen sind unweit entfernt von meinen, und ich kann dem Drang nicht widerstehen ihn zu küssen. Also ergreife ich die Initiative und presse etwas unbeholfen, meinen Mund auf seinen. Mein Knie schlingt sich um ihn, weshalb ich automatisch zur Hälfte auf ihm drauf liege. Ich gewähre ihm Einlass, und es beginnt ein leidenschaftliches Spiel unserer Zungen. Das er seine Sache verdammt gut macht, kann ich nicht mehr leugnen, viel zu groß ist das Verlangen nach ihm. Er schiebt mir gekonnt das Shirt über den Kopf, was mich kurz in meiner Bewegung innehalten lässt. Meine Brust wird nur noch von dem knappen Stück Stoff, meines BHs verdeckt, was mich zugegeben etwas nervös macht. »Entspann dich«, flüstert er. Seine Hände berühren meinen gesamten Körper. Er knetet meine Pobacken und schiebt seine Hand in meine Hose. Dabei liebkost er unaufhaltsam weiter meinen Mund. Ein leises stöhnen entfährt ihm, und ich spüre die immer stärker werdende Ausbuchtung seiner Erektion, zwischen meinen Schenkeln. Mittlerweile habe auch ich ihm sein Shirt ausgezogen, und er macht sich an meiner Hose zu schaffen. Als wir fast nackt aufeinander liegen, überkommt mich ein ungutes Gefühl. Er steigert den Rhythmus seiner Bewegungen und stöhnt Lustvoll auf. Wie sehr habe ich mir diesen Moment gewünscht, aber jetzt wo es soweit ist, überkommt mich die pure Angst. Das Gefühl, etwas Falsches zu tun wird immer stärker. »Bist du bereit?«, fragt er und zieht ein Kondom hervor. Ich hebe meinen Blick und sehe ihm direkt in die Augen. »Es tut mir leid«, sage ich, und spüre wie er sofort in seiner Bewegung innehält. »Was ist denn los?«, fragt er, und ich werde das Gefühl nicht los, dass er tierisch angepisst ist. »Ich kann das nicht«, entgegne ich, und verschwinde voller Scharm aus seinem Zimmer.

Gott, war das Peinlich. Was ist bloß los mit mir? Dabei habe ich mir das doch die ganze Zeit gewünscht, und jetzt liege ich hier und jammere wie ein kleines Kind. Wie blöd kann man eigentlich sein?

Da ich die halbe Nacht durch geheult habe, sehe ich schrecklich aus. Die Augenringe sind da nur das kleinere Übel. Nachdem ich mir eine gefühlte Tonne Makeup, und etwas halbwegs Repräsentatives zum Anziehen herausgesucht habe, gehe ich nach unten. In der Küche wartet bereits ein gedeckter Tisch auf mich. »Hast du gut geschlafen?«, fragt meine Mutter und sieht mich liebevoll an. »Geht so«, nuschle ich und schnappe mir ein halbes Brötchen. Als Killian hereinkommt, sieht man ihm sofort an, dass er mies gelaunt ist. Das unfreundliche: »Morgen«, bestätigt meine Vermutung. »Wir werden uns wohl nicht mehr sehen, wenn ihr aus der Schule zurückkommt. James und Rebecca sind aber da. Sie werden für euer Wohlergehen sorgen«, erklärt Logen, als wären wir nicht in der Lage uns selbst zu versorgen. Da ich keine Lust auf eine Diskussion habe, ignoriere ich ihn weitestgehend und widme mich meinem Latte. »Mach Platz, fährt Killian mich an, der offensichtlich ebenfalls einen Kaffee braucht. Nicht sehr elegant schiebt er mich zur Seite, und wirft mir einen vernichtenden Blick zu. Na, wenn der mal nicht sauer ist. Aber wer kann es ihm verübeln? Ich wäre auch nicht begeistert, wenn er mich erst scharf macht, nur um mich dann zurück zu weisen. Aber egal, da muss ich jetzt durch. »Wie ich sehe, gibt es bereits ärger im Paradiese«, sagt Logen, und ich würde ihm für diesen Spruch am Liebsten in die Eier treten. »Ich hatte euch ja gewarnt«, mischt meine Mutter sich jetzt auch noch ein, woraufhin ich sie mit einem abfälligen Blick bedenke. »Macht bitte keinen Blödsinn während wir weg sind«, sagt sie und tätschelt mir über den Kopf. »Nur während ihr weg seid«, werfe ich ein und ernte einen Bitterbösen Blick. »Keine Panik, zwischen Julie und mir ist alles geklärt. Ihr könnt beruhigt fahren«, stellt Killian klar und aus irgendeinem Grund scheinen unsere Eltern, mehr auf sein Wort zu vertrauen, als auf meins. Ohne mich weiter zu beachten, schlendert er zur Tür und ruft: »Bis später dann.« Ich brauche einen Moment um zu begreifen, dass er einfach ohne mich gefahren ist. So ein Arsch!

»Kann ich etwas Geld für den Bus haben?«, frage ich meine Mutter, die mich entsetzt ansieht. »Aber James kann dich doch.« »Nein.«, unterbreche ich sie sofort. »Ich werde mit dem Bus fahren.« Sie reicht mir einen Schein und ich verschwinde aus der Tür. Genau vor dem Schulgebäude endet die Fahrt, und ich steige aus. Schon von weitem erkenne ich Killian, und seine Möchtegern Playboys. Zielsicher laufe ich auf meinen Pseudofreund zu. Die Ungläubigen Blicke seiner Freunde haften auf mir, als Sascha verwirrt fragt: »Wieso fährst du denn mit dem Bus?« »Weil der Herr keinen Bock hatte mich mitzunehmen«, antworte ich, und zeige vorwurfsvoll auf Killian. »Ist das dein Ernst?«, hackt Sascha nach, woraufhin ich nicke. »Alter, was ist denn mit dir los?«, mischt sich Marvin plötzlich ein. »Du, hältst deine Fresse«, blufft er Marvin an. Da ich mir vorgenommen habe kurz mit Roxy zu sprechen, flitze ich ohne mich zu verabschieden schnell ins Gebäude, und durchforste die Flure. Vor dem Mädchenklo werde ich fündig. »Sieht man dich auch mal wieder«, fragt sie gekränkt, und kramt irgendwas aus ihrem Rucksack. »Entschuldige, ich weiß das ich dich ziemlich vernachlässigt habe.« Ein kleines lächeln zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. »Und wie gedenkst du das wieder gut zu machen?«, hackt sie schnippisch nach. Schulterzuckend sage ich: »Wie wäre es, wenn wir nach der Schule etwas zusammen machen.« Sie runzelt die Stirn. »Egal was?« Um sie nicht weiter zu verärgern, nicke ich zustimmend. »Dann gehen wir Shoppen.« Och nö, ich hasse Shoppen. Überfüllte Einkaufspassagen, jede Menge Leute, die sich wie Tiere auf ihre Beute stürzen, und wir mittendrin. Schrecklich. Anhand meiner Miene scheint sie wohl bemerkt zu haben, was ich von ihrem Vorschlag halte. Enttäuscht sieht sie mich an. Deshalb atme ich einmal tief durch und willige ein. Mit zufriedener Miene folgt sie mir in den Unterricht. Endlich hat dieser beschissene Schultag ein Ende, und ich mache mich auf den Weg nach draußen. Roxy steht voller Vorfreude an ihrem Käfer und wartet auf mich. Worauf habe ich mich da bloß eingelassen? Killian hingegen ist bei seinen Kumpels und winkt mich herüber. Da ich nicht vorhabe ihm auch nur einen Funken Beachtung zu schenken, zeige ich ihm stumpf den Mittelfinger und steige zu Roxy in den Wagen. Während der gesamten Autofahrt erzählt sie mir vom Kunstwettbewerb. Sie ist so aufgeregt weil sie gemeinsam mit den anderen, den sechzehnten Platz gemacht haben. Zu Schade nur, dass mich das gerade überhaupt nicht interessiert. Nachdem wir zigtausend Läden auf der Suche nach etwas adäquatem unsicher gemacht haben, beschließen wir etwas essen zu gehen. Im guten alten Mc-Donalds füllen wir unsere Knurrenden Mägen. Völlig in Gedanken versunken, schweift mein Blick aus dem Fenster. Doch was ich dort sehe, gefällt mir ganz und gar nicht. Barbie wird von Killian im Arm gehalten. Sie beugt sich zu seinem Ohr vor und flüstert ihm etwas zu. Dann legt sie ihre Lippen auf seine. Ihr Blick ist voller Begierde und auch er scheint sichtlich Spaß an ihr zu haben.

Geschockt starre ich auf diesen einen Punkt, der mir einen schmerzhaften Stich ins Herz versetzt. »Was geht denn hier ab?« unterbricht Roxy meine Starre. Aus irgendeinem Grund haben sich tränen in meinen Augen gesammelt und ich sitze hier wie ein Häufchen Elend. »Mensch Julie, mach was. Das kannst du dir doch nicht einfach so gefallen lassen«, spornt sie mich an. »Du hast recht.« entgegne ich und stehe auf. Mit geballten Fäusten verlassen wir gemeinsam den Laden. »Habt ihr Spaß?«, brülle ich so laut, dass sich alle zu uns umdrehen. »Kann nicht klagen«, entgegnet Killian, und grinst Barbie frech an. »Alles klar!«, sage ich bissig während er mich nur ausdruckslos anstarrt. Wie gerne würde ich ihn jetzt zu Hackfleisch verarbeiten. Doch leider muss ich mich ja am Riemen reißen. Immerhin sind wir ja nicht wirklich zusammen. Obwohl ich mittlerweile schon gehofft habe, dass sich da mehr zwischen uns entwickeln könnte. Nachdem er immer noch keine Anstalten gemacht hat Barbie loszulassen, zieht Roxy mich in Richtung Ausgang. »Komm, der ist weniger Wert als ein Stück Dreck.« Um meiner Wut doch noch etwas Luft zu machen, drehe ich mich noch mal zu den beiden um. »Komm mir nie wieder zu nahe.«

Mit einem großen Schokoladeneis, sitzen wir auf einer Bank vor dem Einkaufscenter. Roxy die sich als wahre Freundin beweist, versucht mich abzulenken. »Es tut mir so leid«, sagt sie und nimmt mich tröstend in die Arme. »Ich hasse ihn!«, fauche ich und würde am liebsten alles zusammenschlagen.

»Willst du mir nicht die ganze Geschichte erzählen?«, fragt sie und ich breche mein Schweigen. Es tut gut mit jemandem darüber zu reden. Klar, Lexa weiß auch Bescheid, doch es ist irgendwie anders, wenn der Gesprächspartner einem in die Augen sieht. Leicht betrübt sagt sie: »Das hättest du mir ruhig ein wenig früher erzählen können.« Wie zur Bestätigung nicke ich, bin aber irgendwie abwesend. Wir beenden den Bummel für heute und fahren nach Hause. Da ich fix und fertig bin, will ich nur noch ins Bett. Leider habe ich die Rechnung ohne meinen Stiefbruder gemacht.

 

 

Kapitel 22

Kurzschlussreaktion

 

Leicht überdreht und etwas sauer steht er vor mir. »Was willst du?«, zicke ich und funkle ihn böse an. Er atmet tief durch und meint dann: »Wir haben noch etwas zu klären.« »Ach echt?«, sage ich übertrieben bissig, und kratze mir die Stirn. Er packt mich an den Unterarmen und zieht mich vom Stuhl auf die Beine. »Hey«, protestiere ich sofort, da hat er sich schon vor mir aufgebaut. »Das nächste Mal wenn du beschließt mich heiß zu machen, dann rate ich dir das du auch zu ende bringst was du begonnen hast, ansonsten könnte das nicht gut für uns beide ausgehen«, droht er und umgreift schmerzhaft meinen Arm. »Du glaubst ich hätte das mit Absicht getan«, fahre ich ihn entsetzt an und bringe ihn damit kurz aus der Fassung. »Was sonst.« Ich merke wie mir unwillkürlich Tränen in die Augen steigen. Schnell laufe ich ins Bad und verschließe die Tür bevor er mich noch heulen sieht. Leider habe ich vergessen auch seine Seite des Bads abzuschließen, weshalb er weniger Sekunden wieder vor mir steht. »Ich dachte du wolltest es auch«, sagt er vorwurfsvoll, während ich mir die Tränen aus dem Gesicht wische. »Wollte ich auch, aber ich war noch nicht so weit«, gebe ich beschämt von meiner Schwäche zu. Ich habe das Gefühl sein Blick durchbohrt meine gesamte Seele. »Weißt du was, du hast recht. Vielleicht wäre es tatsächlich das Beste, wenn du von hier verschwindest«, sagt er und lässt mich einfach stehen. 

Das hätte ich mir ja denken können, so ein gefühlskalter Arsch. Zum Glück habe ich nicht mit ihm geschlafen, denke ich mir und lasse meinen Tränen freien Lauf. Nach einigen Stunden voller Selbstmitleid und unzähligen Gefühlsausbrüchen bin ich völlig am Ende und treffe eine Entscheidung. Ich will mein normales Leben wiederhaben, ohne dieses ganze Chaos. Deshalb gehe ich zurück nach Berlin, und zwar noch heute Abend. Wieso zur Hölle fällt mir das erst jetzt ein? Ich bin so blöd. Ohne wirklichen Plan, durchforste ich das gesamte Haus nach Bargeld. Im Schlafzimmer von Logen und Mom werde ich endlich fündig. Fünfhundert Euro, nicht viel aber für den Anfang wird es reichen. Ich schnappe mir ein Kapuzenshirt und schlüpfe in meine Schuhe. Wie damals nehme ich mir einen Autoschlüssel, und borge mir den erstbesten Wagen aus der Garage. Zum Glück hat das Ding ein integriertes Navi, weshalb ich nicht lange nach dem Weg Googeln muss. Ich starte den Motor und fahre los. Schneller als gedacht bin ich auch schon am Ziel. Zu meinem großen Glück ist Last-Minute sogar noch ein Platz in der Maschine, die in zwanzig Minuten starten wird frei. Ich nehme das Ticket entgegen und begebe mich zum Einchecken. Kurze Zeit später sitze ich endlich im Flieger nach Hause. Völlig übermüdet schließe ich die Augen und schlafe ein. Die Laute Stimme des Piloten reißt mich aus meinem Traum und ich vernehme die Durchsage das wir bald da sind. Nach der Landung mache ich mich auf den Weg zum Ausgang, und rufe Lexa an. Ihre Aufregung ist deutlich hörbar, und sie weist mich an sofort in die Bahn zu steigen, da diese genau bis vor ihre Haustür fährt. »Julie«, ruft sie überschwänglich und schließt mich in die Arme. Es ist so schön, sie endlich wieder zu sehen. »Ich freue mich ja, aber was machst du hier?«, fragt sie und lächelt übers ganze Gesicht. Ich folge ihr an der Hand ins Haus hoch in ihr Zimmer. Sie holt uns einen warmen Kakao und ich beginne: »Es ist mir alles zu viel geworden. Meine Mutter wird niemals zurück nach Berlin kommen und Killian«, ich breche mitten im Satz ab. »Ach Süße, komm mal her«, sagt sie und schließt mich liebevoll in die Arme. »Weiß deine Mom oder irgendwer anders das du hier bist?« hackt sie mit neutraler stimme nach. Ich schüttle den Kopf und antworte: »Nein, niemand weiß das ich hier bin, und das soll auch bitte so bleiben.« Vielleicht klang das gerade etwas zu schroff, deshalb schaue ich sie entschuldigend an. »Von mir erfährt es keiner.«, schwört sie und ich heule mich bei ihr aus. Nachdem sie nun auf dem neusten Stand ist, will sie wissen wie es weiter gehen soll. Da ich mir aber noch keine Gedanken darüber gemacht habe, gehen wir gemeinsam meine Möglichkeiten durch. »Also Fakt ist, dass sie dich suchen werden, und da deine Mutter nicht dumm ist, wird sie wissen das du hier bist.« »Ich weiß, aber im Moment ist mir das völlig egal«, entgegne ich gleichgültig. Ohne weiter darauf einzugehen, strahlt sie mich an. »Hör mal, morgen ist die Party von Linus, da müssen wir unbedingt hingehen.« Sofort willige ich begeistert ein. Party ist immer gut, vor allem nach dem ganzen Stress. Da werde ich mir so richtig die Kannte geben, mir einen heißen Typen schnappen, und mich von ihm entjungfern lassen. Immerhin bin ich fast achtzehn, da sollte ich mich besser mal ranhalten. Sonst sterbe ich am Ende noch als alte Jungfer. »Ich sollte dir vielleicht noch sagen, dass Felix und seine neue Freundin auch da sind.« Überrascht sehe ich sie an. »Felix.« Erst jetzt wird mir klar, dass ich nicht ein einziges Mal an ihn gedacht habe. Dabei muss ich zugeben, dass Killian der Grund dafür ist. Ich war so mit ihm und meinen Sabotageplänen beschäftigt, dass ich keine Zeit hatte darüber nachzudenken, dass ich betrogen und auf widerliche Art und Weise abserviert wurde. »Julie«, reist mich Lexas besorgte Stimme aus meinen Überlegungen. »Um ehrlich zu sein, geht er mir am Arsch vorbei.« »Okay.« »Wir werden uns schon amüsieren. Ich freue mich schon riesig«, besänftige ich ihre Zweifel. An ihrem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass sie mir zwar nicht so recht glaubt, aber zumindest nervt sie mich nicht weiter. »Was willst du überhaupt anziehen?«, wechselt sie plötzlich das Thema. Ahnungslos zucke ich mit den Schultern, was sie zum Anlass nimmt freudig in die Hände zu klatschen. »Dann werden wir wohl Schoppen müssen und keine wiederrede«, weist sie mich an. Da sie recht hat, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mir einen Ruck zu geben und mich in das nervige Getümmel der Shoppingmall zu stürzen. Da es bereits sehr spät geworden ist, beschließen wir für heute Schluss zu machen und schlüpfen in ihr großes Doppelbett. Die Nähe zu ihr tut mir wirklich gut und so kuschle ich mich etwas an sie heran. Laute Musik aus dem Radio weckt mich aus meinem unruhigen Schlaf. Eigentlich hatte ich gehofft, mich etwas mehr entspannen zu können, jetzt wo ich wieder zuhause bin. Doch leider habe ich die halbe Nacht kein Auge zu gemacht. »Guten Morgen«, begrüßt Lexa mich fröhlich und trällert den Song The Greatest mit. »Morgen«, grummle ich, und ziehe mir die Decke über den Kopf. »Aufstehen Murmeltier«, sagt sie und krabbelt zurück aufs Bett um mich Durchzukitzeln. »Aufhören«, protestiere ich und stehe auf. Eine Dusche später, begebe ich mich zu ihr in die Küche und wir frühstücken erst mal ausgiebig. »Sag mal, wo sind deine Eltern eigentlich?« hacke ich nach, da ich sie seit meiner Ankunft noch nicht gesehen habe. »Auf Geschäftsreise.«, antwortet sie knapp und schiebt sich ein Stück Brot in den Mund. »Musst du gar nicht zur Schule?«, frage ich und sehe sie abwartend an. »Fällt aus, Lehrerkonferenz.« Ich genehmige mir ein Schluck Kaffee, und muss leider zugeben, dass ich den leckeren Latte vermisse. »In einer Stunde fahren wir in die Stadt. Die Party beginnt erst um sieben, also genug Zeit«, beginnt sie und ich habe das Gefühl das sie alles bis ins kleinste Detail durchgeplant hat. Nickend willige ich ein. Die Stunde ist schnell vergangen und schon befinde ich mich in der riesigen Shoppingmall. Anscheinend hatten heute noch einige andere dieselbe Idee, denn es ist Rappel voll hier drinnen. »Komm«, sagt sie, und schleppt mich in zig Läden. Endlich werden wir fündig, und ich werde von Lexa gezwungen in ein Türkises Kleid das mir gerade mal knapp über den Hintern reicht zu steigen. Die Überkreuzten Träger auf dem Rücken halten das ganze zusammen. Dazu sucht sie mir schwarze spitzen Pumps raus. Der Blick in den Spiegel zeigt mir das es sehr gewagt ist. Aber mein Plan war ja sowieso auf Männerfang zu gehen, wieso also kein Passendes Outfit? »Ich nehme es.«, sage ich, und betrachte mich ein letztes Mal.  »Gute Wahl.« meint sie und präsentiert mir sogleich ihr Outfit für heute Abend. Ein hautenger Minirock mit Crop Top, und kniehohen Schnürsandalen. Wenn ich mir das so ansehe, werde ich das Gefühl nicht los, dass auch sie vorhat einen Typen aufzureißen. Zufrieden mit unserer Ausbeute, schlendern wir zur Kasse und Bezahlen. In einer kleinen Bäckerei genehmigen wir uns einen Kaffee und plaudern ein wenig. »Gehst du überhaupt noch zu dieser Elli?« will Lexa neugierig wissen. Elli habe ich bei meinem Fluchtplan völlig vergessen. »Momentan nicht.« kichere ich mit einem leichten Anflug von schlechtem Gewissen. Ich werde sie vermissen, sie war schon echt cool. »Meinst du nicht, dass dein Direktor sich sorgen macht, wenn du nicht zum Unterricht erscheinst? Killian wird sich sicherlich auch fragen wo du bist. Vielleicht macht er sich ja sogar sorgen«, meint sie und ich muss lachen. »Na sicher. Er wird Stinksauer sein, dass sein Spielzeug weg ist.« antworte ich sarkastisch und füge hinzu: »Bisher hat sich auch keiner darum geschert wie es mir geht, geschweige denn was ich will. Von daher können sie mich jetzt alle mal kreuzweise. Die sollen mich einfach in Ruhe lassen«, erkläre ich viel betrübter als ich eigentlich sollte. Ich meine, es stimmt ja auch, keiner hat sich wirklich für mich interessiert oder versucht mich zu verstehen. Killian hat mich nur für seine eigenen Zwecke missbraucht, genau wie meine Mom. »Können wir bitte das Thema wechseln?«, frage ich leicht angepisst. Sie nickt und erzählt mir, dass sie neulich einen total süßen Typen gedatet hat. Nach etwa vier treffen, hat sich dann herausgestellt, dass er Schwul ist und das macht ihr ziemlich zu schaffen. Ich kann mir das Schmunzeln nicht verkneifen, doch zum Glück nimmt sie es mir nicht übel. Leider erinnert mich das an Marvin, der auch nur ein weiterer Teil meines verhassten und aufgezwungenen Lebens ist. Wir beschließen wieder zu ihr zu fahren. Nachdem wir uns einen Film angesehen haben, beginnen wir uns fertig zu machen. Perfekt gestylt, machen wir uns schließlich auf den Weg zu Linus Party. In dem ganzen Trubel habe ich zweimal, dass klingeln meines Handys vernommen. Da mich nun doch die Neugier packt, schaue ich aufs Display, und mich trifft der Schlag. Vierundsiebzig neue Nachrichten und die Anrufe habe ich nicht mal mitgezählt. Die ersten fünf überfliege ich schnell. Es sind alles Drohungen von Killian. Etwa wie: Wo bist du? Komm sofort zurück. Es tut mir leid und so weiter. Da ich keine Lust habe mir dadurch den Abend zu ruinieren, schalte ich mein Telefon aus und der Spaß kann beginnen.

Kapitel 23

 Party und andere Überraschungen

 

Die große Wohnung von Linus ist natürlich nicht halb so Luxuriös wie die Villa von Logen, aber zum Feiern reicht es allemal. Das Wohnzimmer wird durch die verschiedenen Lichtdefekte in eine gemütliche Atmosphäre getaucht. Es gibt genügend Sitzgelegenheiten, aber auch eine nicht zu verachtende Freifläche zum Tanzen. Die Soundanlage spielt moderne Songs und der Alkohol sorgt für gute Stimmung. »Hi, begrüßt uns der Gastgeber, und drückt uns sogleich zwei volle Becher in die Hand. »Lexa, wer ist denn deine Zauberhafte Begleitung«, schleimt er und küsst tatsächlich meinen Handrücken. Wie altmodisch, denke ich mir, als ich sehe wie Felix fröhlich den Raum betritt. An seiner Hand, eine rothaarige Schönheit, die ich aber noch nie zuvor gesehen habe. Als sein Blick auf mich fällt, kommt er direkt herüber. »Julie«, sagt er überrascht und stellt mir seine Freundin vor. »Das ist Meredith.« Ich halte ihr die Hand entgegen und begrüße sie, aber nur anstandshalber. »Schön dich zu sehen, aber ich dachte du lebst jetzt in München«, platzt es aus ihm heraus. »Tja, jetzt bin ich wieder da.« entgegne ich gelangweilt und verabschiede mich unter einem Vorwand. Da mein Becher bereits leer ist, nehme ich mir aus den Kisten die hier überall rum stehen ein Bier. Mit einem Zug habe ich es geleert und greife gleich nach einem neuen. Lexa die sich bereits ein Opfer ausgesucht hat, zwinkert, und winkt mich zu sich auf die Tanzfläche. »Süße, das ist Robert«, stellt sie uns vor und beginnt sich im Takt der Musik an ihm zu reiben. Um es ihr gleich zu tun fehlt mir allerdings noch der gewisse Alkoholpegel, weshalb ich beschließe mir etwas härteres zu suchen. Nach dem vierten Glas Wodka-O bin ich schon gut dabei. Ein paar meiner ehemaligen Klassenkameradinnen fragen natürlich wieso ich wieder da bin, und was es Neues gibt. Aber lange hält ihr Interesse nicht an. Etwas gelangweilt schweift mein Blick umher, als mir ein Schwarzhaariger Typ in die Augen sticht. Gelassen grinst er mich an und kommt zu mir herüber. In seiner Hand hält er zwei Becher, wovon er mir einen reicht. »So ganz allein Schöne Frau.«, säuselt er und sieht mir begierig in die Augen. Gut, der beste Anmachspruch ist das jetzt nicht, aber was solls. Ich lasse mich von ihm auf die Tanzfläche führen, und mustere ihn. Sein schwarzes Haar und die braunen Augen verleihen ihm etwas Gefährliches. Da ich ihn irgendwie anziehend finde, lasse ich mich auf sein Gelaber ein, und muss schnell feststellen, dass er nicht das hellste Köpfchen unter dem Horizont ist. Aber wie sagt man so schön, Dumm Fickt gut. Er packt meine Hüften, und zieht mich so näher an sich. Dabei spüre ich deutlich, wie sich in seiner Unteren Region etwas härtet. Da er anscheinend voll auf mich abfährt, provoziere ich ihn ein wenig und bringe meine weiblichen Waffen gekonnt zum Einsatz. Es dauert keine fünf Minuten, da presst er seine feuchten Lippen auf meine. Der Kuss ist schon okay, aber leider nichts im Vergleich zu Killians zartem Mund. Wieso denke ich überhaupt an ihn? Der kann mich mal, ja genau. Mein Körper reibt sich an dem unbekannten, während seine Hände meinen Arsch begrapschen. Besonders gefühlvoll stellt er sich dabei aber nicht an. Seine Zunge knabbert an meinem Ohrläppchen, während er fragt: »Wollen wir nicht wo anders hingehen?« und schon zieht er mich aus dem Raum, in eines der anderen Zimmer. Mein Blick streift umher, und ich stelle fest, dass es wohl das Schlafzimmer ist. Ohne Zeit zu verlieren, zieht er mir Ruckartig die Träger meines Kleides herunter und liebkost meine Brüste. Seine Zunge sabbert meinen Hals entlang und ich muss sagen, dass ich mir das irgendwie anders vorgestellt habe. Als seine Hände mir zwischen die Beine greifen, stöhnt er kurz auf und schmeißt mich unsanft aufs Bett. Jetzt ist es soweit. Wie ein Tier springt er auf mich drauf, und zerquetscht mich fast. Ein gequälter laut dringt mir aus der Kehle. Leider scheint ihn das nur noch mehr zu erregen, denn sogleich schiebt er mein Kleid nach oben. Zwei seiner Finger werden tief in mir versenkt und sein Atem geht immer schneller. Regungslos liege ich da, und lasse alles über mich ergehen. Sollte das nicht eigentlich Spaß machen, schwirrt es mir im Kopf herum, als seine Gier immer deutlicher wird. Mit seinem ganzen Gewicht presst er mich tiefer in die Matratze und stöhnt lustvoll auf. Dann beißt er mir in die Unterlippe und schiebt meinen Slip zur Seite. Meine Trockenheit verwehrt ihm den Einlass, weshalb er sich die Finger in den Mund schiebt, um sie dann wieder in mich einzuführen. Ich spüre das nackte Fleisch zwischen meinen Schenkeln. Plötzlich zieht sich mein ganzer Körper zusammen und ich frage mich ob ich das wirklich tun soll? Ich habe das Gefühl noch nicht bereit zu sein. Klar, ich habe ihn provoziert, und eigentlich will ich das auch so schnell wie möglich hinter mich bringen. Trotzdem fühlt es sich irgendwie falsch an.  »Ähm«, beginne ich, und schiebe ihn ein Stück weit in mein Sichtfeld. Verwirrt sieht er mich an. »Es tut mir leid, aber ich hab's mir anders überlegt«, sage ich stumpf und versuche mich unter ihm heraus zu schieben. Er hebt seinen Oberkörper an und meint: »Soll das ein Scherz sein?« »Nein, dass meine ich ernst«, erkläre ich sachlich und versuche erneut etwas Platz zwischen uns zu schaffen. Ungläubig verdreht er die Augen und schmunzelt verführerisch. »Willst du es dir nicht noch mal durch den Kopf gehen lassen«, flüstert er und beginnt erneut mich mit seinen Küssen zu liebkosen. Da er mir tierisch auf die Nerven geht, werde ich etwas aggressiver und brülle ihn an. »Ich sagte, du sollst aufhören.« Sauer geht er endlich von mir runter. »Scheiß Weiber«, murmelt er und schließt den Reißverschluss seiner Hose. Dann verschwindet er und ich atme erleichtert aus. Man, was ist nur los mit mir? So werde ich nie entjungfert. Toll, fluche ich weiter, als plötzlich jemand zur Tür hereinkommt. »Lexa«, sage ich und freue mich wirklich sie zu sehen. »Hör mal, da ist wer am Handy für dich. Holian oder so«, hickst sie und ist sichtlich angetrunken. Verwirrt nehme ich das Telefon, was sie mir entgegenhält. Ohne darüber nach zudenken gehe ich ran. »Hallo.« »Wo zur Hölle steckst du?«, ertönt die mir nur allzu bekannte Stimme. »Killian. Das geht dich einen Scheiß an«, entfährt es mir leicht angepisst. Zu meiner Überraschung bleibt er ganz ruhig. »Bitte Julie, es tut mir leid. Las uns reden. Ich verspreche, dass wir alles klären können.« Für einen kurzen Moment denke ich darüber nach, es ihm zu sagen. »Ich bin, ja wo bin ich denn«, scherze ich und höre wie er wütend ausatmet. »Bist du etwa besoffen? Sag mir sofort wo du bist.«, fordert er ungeduldig. Nun klingt seine Stimme nicht mehr so sanft. »Und dann? Was willst du machen, kommst du mich bestrafen?«, lalle ich in den Hörer, und lache mich schlapp. Aufgebracht murmelt er irgendwas von: »Das darf ja wohl nicht wahr sein«, doch ich höre ihn schon gar nicht mehr, denn plötzlich wird mir ganz schummerig. Abrupt schmeiße ich das Handy auf den Boden und flitze so schnell mich meine Beine tragen ins Bad. Die fragenden Stimmen, habe ich nur am Rande wahrgenommen. Mit dem Kopf über der Toilettenschüssel, entledige ich mich erst mal meines gesamten Mageninhaltes. Lexa die mir wie immer zur Seite steht, hält mir liebevoll das Haar aus dem Gesicht. Völlig erschöpft spüle ich mir den Mund aus. Da meine Kehle etwas trocken ist, gehe ich wieder nach draußen und nehme mir ein neues Bier. Gut, es ist nur ein Mischbier, aber irgendwie muss ich ja den Geschmack los werden. »Wer war das am Telefon?« will Lexa wissen und nimmt sich ebenfalls ein neues Getränk. »Ach, das war nur mein verblödeter Stiefbruder«, antworte ich und sehe wie sich ihre Augen weiten. »Der hat sich echt voll Sorgen gemacht«, erzählt sie und sieht mich abwartend an. »Ja von wegen. Der wollte nur wissen wo ich bin. Der hat wahrscheinlich Angst, dass er sich jetzt ein neues Opfer suchen muss«, entfährt es mir wütend. »Ihr zwei seid wirklich wie Katz und Maus«, stellt sie fest, und grinst belustigt. »Ha ha, sehr witzig.«, entgegne ich, und versinke mal wieder in Gedanken. Dieser arrogante, selbstgefällige und super heiße Mistkerl. Wieso muss er auch so gut aussehen? Ich meine, wie er mich immer ansieht, und seine zärtlichen Hände, die mich immer ganz ausversehen streifen. Wie seine Lippen von mir Besitz ergriffen haben, und dann noch sein Geruch, der wie eine verdammte Droge auf mich wirkt. Wach auf. Versuche ich mich wieder zur Vernunft zu bringen. »Ich hab Hunger.« platzt es aus mir heraus, was mir ein höhnisches Lachen von Lexa einbringt. »Das kann ich mir gut vorstellen«, sagt sie und wir begeben uns gemeinsam in die Küche. Das kalte Buffet sieht super aus. Ich nehme mir ein paar Minifrikadellen, und zwei kleine Brötchen. Dann setzen wir uns nach draußen und genießen unsere Mahlzeit. »Na ihr zwei Hübschen«, ertönt Roberts Stimme hinter uns. Lexas strahlen ist nicht zu übersehen. Er reicht ihr seine Hand hin und fragt ob sie wieder mit ihm reinkommt. Ihr entschuldigender Ausdruck veranlasst mich dazu, ihr nickend zu signalisieren das es okay ist, wenn sie mich hier allein lässt. Mein Blick schweift nach Oben zu den Sternen, und für einen Moment fesselt mich die Klare Aussicht. Wie schön die Nacht ist. Tausend Gedanken schwirren mir im Kopf herum. »Worüber denkst du nach?«, flüstert jemand dicht neben mir. Erschrocken drehe ich meinen Kopf herum. Ich weiß genau, wem diese Stimme gehört, aber das kann unmöglich wahr sein. »Killian«, hauche ich und sehe ihm direkt in seine Ozean blauen Augen. Es spiegelt sich eine Traurigkeit in ihnen wieder, die mich fragen lässt: »Ist etwas Passiert?« »Wie man es nimmt«, antwortet er und neigt den Kopf zur Seite um mich zu mustern. Für einen Moment herrscht Stille, doch dann besinne ich mich wieder und frage: »Woher weißt du das ich hier bin?« Mit gleichgültiger Miene sagt er: »Ich habe dich halt gesucht.« Irritiert blinzle ich ein paar Mal, weil jemand die Gartenbeleuchtung eingeschaltet hat. »Und was willst du?« hacke ich nach, da das alles keinen Sinn ergibt. »Las uns nicht schon wieder streiten. Du hast mir gefehlt«, erklärt er, und ich starre ihn ungläubig an. »Ach so. Sag mal willst du mich jetzt komplett verarschen?« brülle ich vielleicht etwas zu schroff. Aber mal ehrlich, er taucht hier ungeladen auf, zieht es vor zu schweigen und hat nicht mal den Anstand sich zu entschuldigen. Er sieht mir tief in die Augen, und als hätte er meine Gedanken gehört entschuldigt er sich plötzlich. »Es tut mir leid. Ich habe vielleicht etwas überreagiert.« Nach dem ich realisiert habe, dass er es auf seine Art ernst meint, will ich wissen wieso er hier ist. Er nimmt meine Hand und beginnt: »Hör zu, ich weiß das ich manchmal ein Arsch bin, aber bitte tu mir den Gefallen, und lass uns nur diesen einen Abend gemeinsam Spaß haben.« Wie kommt er nur darauf das wir nach allem was war jetzt einfach so tun als ob überhaupt nichts gewesen wäre. Der Tickt doch nicht ganz sauber, doch als Lexa plötzlich mit zwei Bier zu uns kommt und mir freudestrahlend eins davon in die Hand drückt, bin ich gewillt keinen Aufstand zu machen und stelle die beiden einander vor. Überrascht hebt sie eine Augenbraue. »Das ist Killian«, hackt sie schon gut angetrunken nach. Ich nicke zur Bestätigung und lasse mich von ihr zurück ins Haus schleifen. Auf der Tanzfläche beginnt sie sich zu bewegen, wobei ich bei ihrem Gehopse eher einen Lachkrampf kriege als das ich weiterhin sauer sein kann. Killian steht derweil in einer der Ecken und beobachtet mich. Da ich keine Lust mehr habe, Lexas peinliche Show zu unterbinden beschließe ich sie in Ruhe zu lassen und geselle mich zu meinem Stiefbruder. Er lächelt mich charmant an, und erzählt mir irgendwelche belanglosen Sachen. Seine Hände berühren mich immer wieder ganz zufällig. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen er versucht mich anzubaggern. Da die Stimmung aber recht angenehm ist, und ich auf eine verquere Art irgendwie Spaß mit ihm habe, versuche ich einfach den Abend zu genießen. Der Alkohol macht den Rest, und ehe ich mich versehe stehen wir arm in arm auf der Tanzfläche. Seine Hände sind um meine Taille geschlungen und wir bewegen uns im Einklang mit der Musik. All seine Worte sind auf einmal so witzig und ich könnte die ganze Zeit über nur grinsen. Erst als er mein Gesicht fest zwischen seine Hände nimmt und meint: »Hör auf damit.« werde ich wieder ernst und frage: »Womit?« Sein Blick zieht mich in den Bann und noch bevor ich merke was er vorhat, liegen seine Lippen auf meinen. »Mich so anzusehen.« antwortet er und unterbricht damit den Kuss.  »Okay, aber nur wenn du mir verrätst, wie du mich gefunden hast«, scherze ich und lockere so die drückende Spannung zwischen uns. Er schüttelt belustigt den Kopf und meint: »Ein nettes Mädchen ist ans Handy gegangen als du es weggeworfen hast. Sie hat mir sofort gesagt wo du bist. Nachdem du weg warst, bin ich sofort hier hergeflogen. Leider hatte ich nur keine Ahnung, wo ich dich suchen soll. Gut das dir schlecht geworden ist und du das Handy weggeschmissen hast«, erklärt er und ich muss lachen. »Du findest es also gut, dass ich Kotzen musste ja?« Sein Blick ist mir Antwort genug. Nachdem wir uns kurz angeschwiegen haben, holt er zwei neue Getränke. »Las uns Frieden schließen«, meint er, und hebt die Flasche zum Prosten an. Da ich wirklich keine Lust auf Stress habe, und ehrlich gesagt seine Anwesenheit sogar genieße, lächle ich wie eine bekloppte und schlage ihm spielerisch auf den Oberarm.

 

 

 

 

 

Kapitel 24

  Beschissenes Gefühlschaos

 

Nachdem wir angestoßen haben, gehen wir wieder nach draußen und schauen uns gemeinsam die Sterne an. »Und was jetzt?«, frage ich gähnend. Ein verschmitztes grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Jetzt suchen wir Lexa, fahren zu ihr nachhause, und dann kuscheln wir uns in den Schlaf.« Ich verschlucke mich fast an meinem Bier. »Das war ein Scherz«, sagt er Augenverdrehend und ergreift meine Hand. Lexa die zu meinem Glück auch keine Lust mehr hat, ist sofort einverstanden und so endet die Party für heute. Wir rufen uns ein Taxi und ab gehts. Da Lexa sofort ins Bett gegangen ist, muss ich mich wohl alleine um die Schlafgelegenheit für Killian kümmern. Doch noch bevor ich etwas zurecht machen kann, schmeißt er sich aufs Sofa und fragt: »Schläfst du bei mir?« Als hätte ich bereits zugestimmt klopft er mit der Hand neben sich und hebt die Wolldecke ein Stück an. Ganz schön unverschämt, denke ich mir, krieche aber wortlos zu ihm unter die Decke. Kaum habe ich mich neben ihn gelegt, schlingen sich auch schon seine starken Arme um meinen Körper. Mit hochgezogener Augenbraue denke ich darüber nach, ihm eine zu verpassen, entscheide mich aber dagegen, da ich mich eigentlich Pudelwohl so nah bei ihm fühle. Seine Atmung verlangsamt sich und allmählich schläft er ein. Ich bin ebenfalls so erledigt, dass ich nicht mal über das geschehene nachdenken kann, da bin ich ebenfalls eingeschlafen. Der Geruch von frischem Kaffee steigt mir in die Nase und ich wache auf. Nachdem ich mich im Bad etwas zurecht gemacht habe, folge ich dem köstlichen Duft. In der Küche steht Killian und bereitet das Frühstück zu. Träume ich etwa? »Guten Morgen?« sagt er und lächelt mich an. Irritiert runzle ich die Stirn und nehme Platz. »Alles in Ordnung«, fragt er, als wäre es selbstverständlich das er hier den Hausmann spielt. Nickend greife ich nach einem Brötchen und beschmiere es mit Honig. Herzhaft beiße ich hinein, als Lexa uns völlig fertig Gesellschaft leistet. »Ihr seid schon wach«, nuschelt sie und greift nach der Tasse Kaffee die ich ihr hinhalte. Nachdem Frühstück Chillen wir gemeinsam an ihrem Hauseigenen Pool. Die stille tut so gut, dass ich tatsächlich nochmal einnicke. Ein sanftes rütteln reist mich aus der Dämmerung. »Was ist«, nörgle ich, und reibe mir die Augen. »Können wir reden?«, fragt Killian, der sich zu mir auf die Liege gesetzt hat. Mit einem tiefen grummeln antworte ich: »Wenn es sein muss.« Er zwickt mich spielerisch in den Bauch und meint: »Ja, muss es.« Da Lexa immer noch schläft, können wir uns ganz in Ruhe unterhalten. »Also, ich wollte mich entschuldigen. Es war nicht richtig von mir, dich so unter Druck zu setzten, das habe ich jetzt begriffen«, sagt er und ich beschließe das er weiterreden darf. »Okay«, antworte ich daher und er fährt fort. »Ich möchte das du wieder nach Hause kommst.« Seine Stimme klingt beinahe flehend, was mich stutzig macht. »Wieso«, hacke ich deshalb nach und bin gespannt auf seine Erklärung. »Einfach so.« Ungläubig schüttle ich meinen Kopf. Wenn er denkt das er mich damit überzeugen kann, dann ist er noch dümmer als ich dachte. »Na klar«, antworte ich ironisch, woraufhin er mich wütend ansieht. »Wieso kannst du nie das machen was man von dir verlangt«, sagt er und atmet hörbar genervt aus. »Jetzt reicht es mir aber«, entgegne ich auf seine dreiste Ansage. Er kommt einen Schritt auf mich zu und umfasst schmerzhaft mein Handgelenk. »Aua«, entfährt es mir, doch das scheint ihn nicht wirklich zu berühren. »Jetzt pass mal auf und hör gut zu. Bisher habe ich dir alles durchgehen lassen, deine Frechheiten, deine dummen Kinderstreiche und dein Rebellisches Verhalten. Aber jetzt ist definitiv Schluss damit. Du kommst mit zurück und darüber werde ich nicht weiter diskutieren.« Die Art wie er mich dabei ansieht, und der Zorn in seiner Stimme lassen mein Herz automatisch schneller schlagen. Um ehrlich zu sein habe ich auch ein wenig Angst. Er besitzt wirklich etwas Einschüchterndes, aber das werde ich ihm auf keinen Fall zeigen. »Lass mich sofort los, du Psycho«, weise ich ihn zurecht und trete mit voller Wucht auf seinen Fuß. Reflexartig lässt er mein Handgelenk los und weicht ein Stück zurück. Lexa die mittlerweile aufgewacht ist, sieht uns mit weit aufgerissenen Augen an. »Was ist hier los«, brüllt sie. Jetzt kann er was erleben, geht es mir schadenfroh durch den Kopf. Ich grinse vor mich hin, während Lexa sich bereits vor ihm aufbaut und mich schützend hinter sich schiebt. »Hat man dich als Kind zu oft vom Wickeltisch fallen lassen oder was bildest du dir ein, so mit meiner Freundin zu sprechen«, blufft sie ihn an. »Misch dich nicht ein.«, zischt Killian und schubst sie zur Seite um wieder freie Sicht auf mich zu haben. Lexa die sich seit ich sie kenne, noch nie etwas gefallen lassen hat, mustert ihn angriffslustig. »Verpiss dich, oder ich mach dich fertig«, warnt sie ihn und setzt ihren Killer blick auf. Killian hingegen scheint völlig unbeeindruckt und packt mich wieder am Handgelenk. »Lass mich sofort los«, keife ich und versuche mich aus seinem Griff zu befreien. Doch leider ist er viel zu stark. Erst das dumpfe Geräusch lässt ihn seinen Griff lockern. Automatisch weiche ich ein Stück zurück und sehe wie er sich seinen Hinterkopf reibt. Erschrocken dreht er sich um und brüllt: »Hast du sie noch alle du Miststück.« Völlig überrumpelt von ihrer Aktion verschaffe ich mir einen Überblick und muss feststellen das Lexa ganze Arbeit geleistet hat. Ihm einen der Blumenkübel an den Kopf zu werfen, dass hätte auch von mir sein können. »Verzieh dich jetzt oder du bekommst echte Probleme«, droht sie. Überraschenderweise kneift er die Augenlider zusammen und setzt sich Richtung Ausgang in Bewegung.

Als er endgültig das Grundstück verlassen hat, hallt mir seine Abschiedspredigt im Gedächtnis wieder. »Das wirst du bitter bereuen. Glaube nicht das ich so einfach aufgebe.« Lexa sieht mich entsetzt an. »Süße, jetzt versteh ich endlich wieso du zurückwolltest. Der tickt ja nicht ganz richtig.« Immer noch Fassungslos schüttelt sie ihren Kopf. »Ach, vergiss es einfach. Las uns lieber über etwas anderes reden«, bitte ich sie, um ihn endlich aus dem Kopf zu bekommen. Den restlichen Tag verbringen wir vor der Glotze und erzählen uns alte Geschichten. Als ich am Morgen erwache bin ich total gerädert. Die halbe Nacht habe ich wach gelegen und über meine Zukunft nachgedacht. Ich meine, eigentlich habe ich überhaupt keinen Plan wie es weitergehen soll. Bisher war ich so damit beschäftigt die Beziehung meiner Mutter zu sabotieren, dass ich mein eigenes Leben dabei völlig aus den Augen verloren habe. Tja, und jetzt stehe ich hier und weiß überhaupt nicht wie es weiter gehen soll. Die Gefühle für Killian, sind da auch nicht gerade hilfreich. »Guten Morgen«, begrüßt mich die fröhliche Stimme von Lexa und unterbricht damit meine Grübelei. Ich geselle mich zu ihr in die Küche und genehmige mir eine Tasse Kaffee. »Du siehst scheiße aus«, bemerkt sie was mich keinen Schritt weiterbringt. »Vielen Dank auch«, antworte ich patzig und schaue in ihr grinsendes Gesicht. »Was wirst du jetzt tun?« hackt sie nach, woraufhin ich sie nur ahnungslos ansehe. Doch bevor wir gemeinsam einen Plan aushecken können, läutet es an der Tür. »Wo ist sie?«, fragt meine Mutter kühl. »In der Küche«, antwortet die Verräterische Stimme meiner besten Freundin. Lexa deutet mit ausgestrecktem Arm in meine Richtung, da steht sie auch schon vor mir. »Das wird Konsequenzen haben«, sagt sie ohne mich zu begrüßen oder auch nur anzusehen. »Jetzt geh und Pack deine Sachen, unser Flieger geht in einer Stunde.« Ihre Autoritäre Art jagt mir einen kalten Schauder über den Rücken. So habe ich sie noch nie erlebt. Beleidigt stemme ich die Hände in die Hüften und antworte: »Ich hab dich auch vermisst, Mutter«, antworte ich sarkastisch. »Spar dir diesen Ton. Ich bin sehr enttäuscht von dir«, entgegnet sie, ohne mir auch nur einmal in die Augen zu schauen. »Ich bleibe hier.«, sage ich extra laut, damit sie mich auch versteht. Bevor ich jedoch bemerke was sie vorhat, brettert ihre flache Hand direkt in mein Gesicht. Sofort reibe ich mir die Schmerzende stelle, und starre sie entsetzt an. »Das ist jetzt schon das zweite Mal das du mich schlägst«, werfe ich ihr vor. »Ja, und das wird noch viel öfter geschehen, wenn du dich nicht endlich wieder zusammenreißt, und jetzt mach dich endlich fertig«, presst sie zwischen ihren Zähnen hervor. Geschockt von ihrer Eiskalten Art mir zu zeigen wer hier der Boss ist, tue ich was sie sagt und folge ihr ohne weiteren Protest. Ich konnte mich nicht mal richtig von Lexa verabschieden, und nun sitze ich schweigend im Flieger auf dem Weg zurück in meine persönliche Hölle. Aber das wird sie mir Büßen. Nachdem ich mich wieder beruhigt habe, beschließe ich meinen versäumten Schlaf nachzuholen. Wie auch schon beim Hinflug, werde ich durch die Stimme des Piloten geweckt. Als wir das Flughafengebäude verlassen, steht Logen auch schon mit seiner Protz karre Parat. Er begrüßt mich freundlich und wir steigen ein.

 

 

Kapitel 25

 Schluss mit Lustig

 

Die gesamte Fahrt über herrscht betretenes Schweigen. Nicht einmal Logen, der sonst immer etwas zu sagen hat redet. Das einzige worüber ich nachdenke ist Killians grinsendes Gesicht, weil er gewonnen hat. Ich bin zurück und werde wohl keine Chance mehr bekommen erneut abzuhauen. Als der Wagen dann endlich zum Stehen kommt, gehen wir gemeinsam hinein. Meine Mutter führt mich geradewegs in mein Zimmer und verschließt die Tür hinter uns. »Setz dich«, weist sie mich an und ich gehorche. Mit ausgestrecktem Finger beginnt sie ihre Predigt. »Du wirst dein Zimmer nur noch verlassen, wenn es dir ausdrücklich erlaubt wurde. Ich verbiete jeglichen Umgang mit Lexa, und du wirst ab sofort nur noch das tun was ich dir sage. Damit eins klar ist, deine Rebellische Phase hat nun ein Ende. Solltest du versuchen meine Regeln in irgendeiner Form zu umgehen, wirst du meinen Zorn zu spüren bekommen. Haben wir uns verstanden?«, brüllt sie und erhebt drohend ihre Hand. Geschockt starre ich sie ungläubig an. Die Frau mir gegenüber ist so fremd. Wie kann sie nur so hart zu mir sein? Bockig wie ein kleines Kind stemme ich die Hände vor die Brust. »Und wie willst du mich daran hindern? Willst du mich etwa wieder schlagen«, provoziere ich sie. Doch in ihrer Miene ist keinerlei Reue zu erkennen. »Treib es nicht zu weit.«, warnt sie und kommt einen Schritt auf mich zu. Sanft streichelt sie meine Wange und fährt dann fort: »Ich wollte nie, dass es soweit kommt. Das musst du mir glauben, doch leider lässt du mir ja keine Wahl. Julie, du bist mein einziges Kind und ich liebe dich über alles, aber dein Verhalten kann, und will ich so nicht mehr hinnehmen«, rechtfertigt sie sich. Die Ironie ihrer Worte verschlägt mir fast die Sprache. »Ich verstehe, dass ist bloß ein Zeichen deiner grenzenlosen liebe, wenn du mir eine reinhaust. Entschuldige, mein Fehler.« Ihre Ansichten machen mich unsagbar Wütend. Wo ist nur ihre fürsorgliche und beschützende Art hin? »Kannst du mich bitte alleine lassen«, frage ich müde. Als sie aufsteht und die Tür hinter sich schließt, schaut sie nicht einmal zurück. Kein liebes Wort oder die Frage wieso ich das getan habe. Es scheint sie wirklich nicht zu interessieren. Ich fühle mich so im Stich gelassen das ich am liebsten schreien würde. Mir muss unbedingt etwas einfallen. Doch gerade bin ich viel zu verzweifelt, als das ich ernsthaft über eine Lösung nachdenken könnte. Schluchzend presse ich mir ein Kissen aufs Gesicht und schreie hinein. Noch immer in Trance bemerke ich wie jemand meine Handgelenke umfasst. »Julie, beruhige dich.« Die Stimme klingt vertraut aber viel zu sanft als das es tatsächlich Killians sein könnte. Nur langsam lasse ich mir das Kissen von ihm abnehmen. Er setzt sich neben mich und streichelt zärtlich meinen Rücken. »Alles wird gut.« sagt er und ich frage mich was das soll. »Nimm deine Pfoten von mir«, brülle ich ihn an, woraufhin er sie tatsächlich wegnimmt. Irritiert schaue ich ihn an. »Was willst du hier?« bringe ich nun hervor. »Ich habe dich weinen gehört und habe mir Sorgen gemacht.« Eine seiner Strähnen fällt ihm ins Gesicht. Ich schiebe sie unauffällig wieder hinter sein Ohr, was ihn verschmitzt lächeln lässt. Seine Hände ergreifen meine und er sagt: »Hör mal, es tut mir wahnsinnig leid wie das alles gelaufen ist, lass es mich wieder gut machen.« Doch ich kann ihm nicht zuhören, viel zu sehr bin ich vom funkeln seiner Augen gebannt. Wie er so da sitzt, ganz unschuldig und rein. Seine Nasenflügel die sich auf und ab bewegen, immer dann, wenn er versucht etwas in Worte zu fassen, dass er nicht ausdrücken kann. Seine weichen Hände, deren Berührungen mir ständig einen kleinen elektrischen Schlag verpassen. Aber am schlimmsten ist der Blick auf seine vollen Lippen, die mich immer so einladend ansehen. Ich kann nicht mehr klar denken. Am liebsten würde ich ihn jetzt einfach Küssen. »Julie, sag doch was«, bittet er und reist mich damit aus meinen Gedanken. Ich räuspere mich kurz und nicke einfach, da ich nicht wirklich weiß worum es geht, oder was er von mir will. »Ich hau dann jetzt wieder ab«, sagt er und steht auf. Nach weiteren zwei Stunden, in denen ich mich zu Tode gelangweilt habe beschließe ich auf die Regeln meiner Mutter zu scheißen und öffne die Tür. Doch leider ist sie verschlossen. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Doch wenn sie denkt das mich das aufhält, hat sie sich geschnitten. Auf leisen Sohlen pirsche ich mich durch das Badezimmer zu Killians Tür heran. Da es mucksmäuschenstill ist, öffne ich langsam einen Spalt und erkenne das tatsächlich keiner da ist. Ha, denke ich mir und benutze sein Zimmer als Durchgangstür. Leider komme ich nicht mal die Treppe hinunter, da Logen sie grad betritt und mich darüber in Kenntnis setzt das, dass Essen erst in einer halben Stunde fertig sein wird. Also gebe ich mich geschlagen und verziehe mich wieder auf mein Zimmer. Da ich absolut keinen Appetit verspüre, beschließe ich ins Land der Träume einzutauchen.

Die laute Stimme meiner Mutter weckt mich aus meinem viel zu kurzen Schlaf. »Wach auf, du musst zur Schule«, sagt sie und zieht mir die Decke weg. Grummelnd schlüpfe ich aus dem Bett. Endlich kann ich dieses Haus verlassen denke ich mir und hüpfe ins Bad. Nach einer kurzen Dusche steige ich in frische Klamotten und mache mich ohne zu frühstücken auf den Weg. Killian der bereits an seinem Wagen steht ruft mir fröhlich: »Steig ein« zu, und wir fahren los. »Hast du gut geschlafen?«, fragt er und lächelt mich an. »Geht so«, erwidere ich nicht gerade freundlich. Als wir da sind nimmt er sofort meine Hand. Fassungslos entziehe ich sie ihm. Er denkt ja wohl nicht ernsthaft das wir da weiter machen wo wir aufgehört haben. Mit einem gespielten grinsen sage ich: »Viel Spaß« und verschwinde. Roxy sitzt bereits auf ihrem Platz, redet aber die ersten beiden Stunden kein Wort mit mir. In der ersten Pause bitte ich sie mir wenigstens zuzuhören. »Wo warst du?«, ist das erste was sie auf mein Bitten erwidert. Ich muss nicht lange überlegen, und erzähle ihr die ganze Geschichte. Stirnrunzelnd sieht sie mich an. »Ist das dein Ernst? Zuerst macht er mit dir rum und als es dir zu schnell geht, wendet er sich an Verena, als du daraufhin nach Berlin abhaust folgt er dir, nur um dich dann anzublaffen«, reflektiert sie meine Erzählung. »Okay, du hattest wirklich allen Grund hier abzuhauen. Entschuldigung angenommen«, sagt sie und ich bin erleichtert. Nach der letzten Stunde gehe ich nach draußen, um auf James zu warten. Zum Glück ist mir die Begegnung mit Barbie heute erspart geblieben, ihr dämliches Gesicht hätte ich wirklich nicht ertragen. »Wollen wir direkt ins Oldstars fahren?« hackt James nach als ich auf der Beifahrerseite Platz genommen habe. Mist, daran habe ich ja gar nicht mehr gedacht. Aber eigentlich freue ich mich riesig über die Ablenkung, und so nicke ich freudig.

Als ich an Ellis Zimmertüre Klopfe ruft sie fröhlich: »Herein.« Aus irgendeinem Grund nehme ich sie sofort in die Arme und entschuldige mich dafür, solange nicht mehr da gewesen zu sein. Sie lächelt mich an und meint: »Kein Problem, jetzt bist du ja wieder da.« Nachdem sie mich aufgefordert hat ihr von meinen Problemen zu erzählen, vertraue ich ihr tatsächlich alles an. »Vielleicht solltest du anfangen, an dich zu denken. Versöhne dich mit deiner Mutter und werde dir im Klaren darüber was du mit deinem Leben anfangen willst. Erst wenn du selbst wieder mit dir im reinen bist, wirst du auch wieder Glücklich sein«, sagt sie und ich denke über ihre Worte nach. Sie hat recht. Ich muss aufhören mich wie eine verzogene Rotznase zu benehmen und endlich anfangen mein eigenes Leben zu leben.

 

 

 

Kapitel 26

  Unerwartete Ausbrüche

 

Als ich wieder zu Hause bin suche ich das Gespräch mit Logen und meiner Mom. »Kann ich mit euch reden?« frage ich und sehe in ihre erstaunten Gesichter. »Natürlich«, erwidert Logen gelassen und ich setze mich. »Ich möchte mich entschuldigen. Ich weiß, dass mein Verhalten in letzter Zeit sehr unreif war. Aber ich möchte euch zeigen das ich auch anders kann. Bitte gebt mir die Chance mit euch ins Reine zu kommen.« Meiner Mutter weicht fast sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Damit hat sie wohl nicht gerechnet. Logen hingegen sieht mich amüsiert an und meint: »Ich freue mich das du dich für den richtigen Weg entschieden hast. Ich hoffe wir können jetzt endlich einen Draht zueinander finden.« Killian den ich bis jetzt gar nicht bemerkt habe, sieht mich erstaunt an. »So, da das nun geklärt ist, würde ich gerne mit Julie zum See fahren«, klärt er die beiden mehr auf, als das er fragt. Ohne den geringsten Einwand meint meine Mutter daraufhin: »Aber sicher, viel Spaß euch beiden.« Leicht verstört lasse ich mich von Killian in mein Zimmer führen. »Pack dir Badesachen ein, den Rest erledige ich«, sagt er und ich frage mich ernsthaft was hier gespielt wird? Gestern durfte ich nicht mal das Zimmer verlassen und heute willigt sie ohne weiteres ein, dass ich mit Killian zum See fahre. Irgendetwas stimmt hier doch nicht. Ich meine, die Art wie er sie gefragt hat war ja eigentlich eher eine Ansage. Auf meinen verwirrten Blick hin meint Killian dann: »Komm schon, ich will es doch nur wieder gut machen, gib mir eine Chance.« Ich atme tief ein, immerhin ist der Gedanke ihn oben ohne zu sehen schon sehr verlockend. Als wir am See ankommen, führt er mich zu einer abgelegenen Stelle, wo sich weit und breit keiner befindet. Ich muss zugeben, dass es mir hier ausgesprochen gut gefällt. Obwohl es schon recht spät ist, scheint noch immer die Sonne und lässt das Wasser etwas klarer erstrahlen. Als er die Decke ausbreitet und den Picknickkorb aufstellt, habe ich fast das Gefühl, dass es sich hier um ein Date handelt.  Eine kurze Zeit sitzen wir einfach schweigend nebeneinander und ich genieße die Geräusche der Natur. »Wollen wir ins Wasser?« fragt er und steht auf. Nickend tue ich es ihm gleich und wir beginnen uns auszuziehen. Dabei fällt mein Blick auf seinen durchtrainierten Oberkörper. Mit Anlauf rennt er ins Wasser, wohingegen ich mich ganz langsam vortaste. Die Temperatur ist zwar angenehm, aber doch kälter als ich erwartet habe. Unwillkürlich richten sich meine Nippel auf. Wie er so dasteht, und versucht mich unauffällig zu mustern, lässt mich noch mehr zittern. Aber vermutlich ist es nur die Aufregung, rede ich mir ein und taste mich weiter vor. Endlich stehe ich bis zur Hüfte im Wasser. Langsam gewöhne ich mich an die Kälte, da schwimmt Killian auf mich zu. Seine Arme schlingen sich um meinen Oberkörper, und er hebt mich mit Leichtigkeit hoch. Noch ehe ich aufschreien kann, lande ich rücklings im Wasser. Eine wilde Rangelei beginnt, doch er ist mir einfach überlegen. Deshalb gelingt es mir gerade mal ihn nass zu spritzen, wohingegen er mich immer wieder hochhebt und hineinschmeißt. Als ich dieses Mal wiederauftauche, steht er ganz nah vor mir. Seine Hände halten meine fest und unsere Blicke treffen sich. Es ist einer dieser Magischen Filmmomente, wo sich beide ganz tief in die Augen schauen, und vor Verlangen dahin schmelzen. Seine Hände umfassen meine Handgelenke und er zieht mich ein Stück näher an sich heran. Erwartungsvoll blicke ich ihm in die Augen und warte darauf, dass er seine Lippen endlich auf meine legt. Leider lässt er genau in diesem Moment, von meinen Händen ab, und spritzt mir unbeholfen etwas Wasser ins Gesicht. »Wir sollten uns aufwärmen«, sagt er und drängt mich zum Ufer. Fürsorglich legt er mir das Handtuch um und reicht mir etwas zu trinken. »Wieso hast du mich hierhergebracht?« beginne ich, woraufhin er mir sanft eine meiner Haarsträhnen hinters Ohr schiebt. »Ich wollte mit dir allein sein«, gesteht er und ich bin verwirrt. Wieso sagt er so etwas? Wenn ich darüber nachdenke, dass er immer wieder mit Barbie rumgemacht hat und wie er sich dann in Berlin verhalten hat, fällt es mir wirklich schwer zu glauben, dass er etwas für mich empfinden könnte. Tausend Fragen schwirren in meinem Kopf und ich weiß nicht, welche er mir zuerst beantworten soll. »Ich weiß, es ist nicht ganz optimal zwischen uns gelaufen, und du hast allen Grund auf mich sauer zu sein, aber ich bitte dich hier und jetzt, gib uns eine Chance Julie.« Sein Blick senkt sich schuldbewusst und ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Immerhin habe ich auch meinen Teil zu unserer jetzigen Situation beigetragen. »Dann sag mir endlich was das zwischen uns ist«, fordere ich um Gewissheit zu bekommen. »Okay, seit ich dich das erste Mal gesehen habe, kann ich nicht aufhören an dich zu denken. Zuerst wollte ich es nicht wahrhaben. Deine frechen Sprüche, die miesen Aktionen und dein atemberaubendes lächeln, haben mich mitten ins Herz getroffen«, gesteht er und ich muss unwillkürlich lachen. »Was ist so lustig«, hackt er nach. »Das es mir genauso geht. Auch ich habe versucht mich mit aller Macht dagegen zu wehren, leider ohne Erfolg.« Dennoch verstehe ich nicht, wieso er mich immer wieder verletzt hat, wenn er mich doch angeblich Mag. »Wieso hast du deine Finger nicht von Barbie gelassen?« komme ich deshalb auch direkt zum Punkt. Man kann ihm deutlich ansehen, dass ihm diese Frage an die Substanz geht. »Das war völlig bescheuert«, sagt er. »Ich wollte das eigentlich gar nicht, aber du hast mich so wütend gemacht, dass ich dachte, wenn ich dich eifersüchtig mache, geht es mir besser.« »Empfindest du etwas für sie?« Ich kann mir diese Frage einfach nicht verkneifen. Die beiden so intim zu sehen, hat mich schon ziemlich fertig gemacht. »Wie kommst du darauf. Sie interessiert mich kein Stück. Man versteh doch endlich, Du bist diejenige, die ich will«, entfährt es ihm aufgebracht. »Vielleicht wäre dir das auch aufgefallen, wenn du nicht so damit beschäftigt gewesen wärst, unsere Eltern auseinander zu bringen.« Sein Geständnis, löst in mir eine Welle von Schuldgefühlen aus. »Sag doch etwas«, fordert er, weil ich einfach nur regungslos dasitze. »Ich denke, ich mag dich auch«, ist das einzige was ich hervorbringen kann. Ein lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. »Na endlich.« sagt er und wirkt erleichtert. Sanft zieht er mich zu sich heran, seine warmen weichen Lippen erkunden meine, und ich bin gefangen in einem Sog, aus purem Verlangen und wilder Leidenschaft. Auch wenn der Kuss zunächst sanft beginnt, steigert er die Intensität stetig, sodass ich mich Rittlings auf ihn setze. Meine Hände vergraben sich in seinem Haar, und ich genieße die streichelnden Berührungen seiner Finger. Unsere Zungen spielen gekonnt miteinander, und ich kann an nichts anderes mehr denken als an ihn. Leider beendet er den Kuss dann doch und positioniert mich so, dass ich mit dem Rücken an seiner Brust gelehnt in seinen armen liege. »Und, wie soll es jetzt weiter gehen?«, flüstere ich in die Stille hinein, während er immer wieder eine meiner Haarsträhnen um seinen Finger wickelt. »Willst du denn noch immer zurück nach Berlin«, hackt er vorsichtig nach. Ich drehe mein Gesicht in sein Blickfeld. »Kommt ganz darauf an.« »Worauf?« will er natürlich sofort wissen und ich glaube, so etwas wie Angst in seinem Blick zu sehen. »Na, ob du mich behalten willst«, sage ich ernst und werde prompt von ihm, mit dem Rücken in den weichen Sand gedrückt. »Keine Spielchen mehr?« »Versprochen.« Den Rest der Zeit, genießen wir schweigsam aneinander gekuschelt. Ich kann mir noch nicht vorstellen, wie das mit uns funktionieren soll, aber zum ersten Mal, seitdem wir in München sind habe ich so etwas wie Hoffnung.

 

 

 

Impressum

Bildmaterialien: Coverd by Kathyjana Simons. http://coverdesign-epicmoon.jimdo.com/
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2016

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