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Erstes Kapitel


'Etar



„'Etar, du stehst mir im Weg!“, bellte mir die heißere Stimme direkt ins Ohr.
Ich fuhr herum und knurrte: „Ach ja? Und was willst du dagegen unternehmen, du armseliger Wurm?“
Meine Hand legte ich drohend auf das Heft meines langen, gebogenen Dolchs.
Der Ork vor mir war um gute drei Köpfe größer als ich und vor allem zwanzig Mal so muskulös, sein eines Auge war geschwollen und scheußlich verfärbt, zweifellos das Überbleibsel einer anderen Schlägerei. Tar' Amrar war einer der schlimmsten und gefährlichsten Raufbolde des Stammes, bei zahllosen Rangkämpfen fielen seine Gegner wie die Fliegen unter seinen Fäusten. Und jetzt hatte er mich auf dem Kieker, wahrscheinlich weil er meine Portion von der Mahlzeit, die wir gerade erhalten hatten, haben wollte.
Doch ich würde nicht nachgeben und mich wie ein räudiger Hund mit eingezogenen Schwanz davonschleichen, meinen Troll-Eintopf ihm überlassend. Mit gebleckten Zähnen musterte ich ihn.
„Ich mache Hackfleisch aus dir und werfe deine Eingeweide den Ratten zum Fraß vor!“, brüllte mein Gegner, Speichel tropfte aus seinem Mundwinkel. Dann stürzte er sich auf mich. Nur knapp entging ich dem Fausthieb, der geeignet gewesen wäre, einem Ochsen das Genick zu brechen.
Ich war schwächer als er, aber ich war schneller. Schneller auch als die anderen Orks unseres Stammes und das hatte mir bis jetzt das Leben gerettet auch wenn es verdammt oft verdammt knapp gewesen war.
„Stinkender Rattenköttel!“, fauchte ich, derweil ich mich unter dem nächsten Schlag hindurch duckte und versuchte hinter meinen Gegner zu kommen. Ich verpasste ihm einen Tritt in die Wirbelsäule, der mir aber wohl stärker wehtat als ihm und deswegen sprang ich danach lieber mit einem Satz auf seinen Rücken und klammerte mich an ihn, meine Beine um seinen Brustkasten, die Arme um seinen Hals geschlungen. Er versuchte mich abzuschütteln und mich zu beißen, doch auch wenn ich nicht so stark war wie er, die Kraft in meinen stahlharten Muskeln reichte, um mich zu halten.
Die Orks, die sich um uns herum versammelt hatten um dem Kampf zuzusehen johlten und feuerten uns an. Ich konnte hören, wie Wetten abgeschlossen wurden.
„Ich setze mein Mittagessen auf 'Etar!“
„Ach Unsinn, Tar' Amrar macht die Schmeißfliege fertig!“, hallte es durch die große Höhle in der wir hausten.
Und im nächsten Moment sah es auch wirklich danach aus. Meinem Gegner gelang es, mich über seinen Kopf hinweg auf den Boden zu schleudern und im nächsten Augenblick war er über mit, seine haarigen Pranken krallten sich um meinen Hals um mich zu erwürgen. Idiot. Bevor er wusste, wie ihm geschah rammte ich ihm meinen Dolch in den Hals und wand mich aus seinem schwächer werdenden Griff bevor mich sein schwarzes Blut über und über beflecken konnte.
Wieder einen Kampf um den Rang gewonnen, das würde mit die anderen einige Tage von Hals halten. Zufrieden wandte ich mich meinem leider erkalteten Eintopf zu, während die Köchin und ihre Gehilfen den Leichnam von Tar' Amrar in die Küche schleiften. Heute Abend stand frisches Fleisch auf dem Speiseplan.

Ceodyn



Wir gaben uns größte Mühe, leise zu sein. Diese Gänge wimmelten nur so von Trollen, Orks und Schlimmerem. Doch wir hatten keine andere Wahl als sie zu durchqueren. Außerhalb der Höhlen und Tunnel suchten die Söldner der schwarzen Königin nach uns und meine zwei Gefährten und ich waren ihnen nur knapp entkommen. Nur auf diesem Weg bestand wenigstens eine geringe Chance, durch das Gebirge zu kommen und so die Grenze des Landes zu erreichen.
Schon mein ganzes Leben war ich auf der Flucht, denn ich war der Neffe des verstorbenen Königs und hatte somit einen rechtmäßigen Anspruch auf den Thron und die Königin fürchtete, dass ich nur zu leicht genug Unterstützung finden konnte um ihr Regime zu stürzen. Deswegen ließ sie seit meiner Geburt vor 18 Jahren Jagd auf mich machen.
Mein Vater war zusammen mit seinem Bruder, dem König, gefallen und meine Mutter hatte sich alleine um mich kümmern müssen. Sie hatte mich jahrelang bei den Elfen versteckt, die die schwarze Königin nicht leiden konnten und sich deshalb um meine Ausbildung gekümmert hatten. Dann, als ich 16 wurde und ihrer Meinung nach langsam alt genug, um damit zu beginnen, gegen die Königin zu kämpfen hatte sie mich zu den Rebellen unter den Menschen gebracht und seit zwei Jahren suchte ich nun schon unermüdlich nach Verbündeten, die mir helfen würden, das Unrecht zu beenden, das die Königin über das Land brachte. Ich würde hoffentlich einen besseren, gerechteren und gnädigeren König abgegeben als sie.
Ich war gerade unterwegs in die Nordlande, um mich der Hilfe und Unterstützung der dort lebenden Grafen zu versichern, doch die Schärgen der Königin machten mir einen Strich durch die Rechnung. Nur wegen ihnen trieb ich mich jetzt in Orktunneln herum und versuchte, nicht erwischt zu werden oder, fast genauso schlimm, mich zu verlaufen. Calas, einer meiner Gefährten, war bereits um die nächste Biegung verschwunden, um den Weg auszukundschaften, doch den Schein seiner Fackel konnten wir immer noch wahrnehmen, er erhellte Gweddry und mir den Weg, so dass wir nicht gegen Wände liefen.
Plötzlich ertönte ein Schrei und das Licht erlosch. Vollkommene Finsternis hüllte uns ein. Ich zog mein Schwert, konnte aber in der Dunkelheit nichts erkennen. Eigentlich wollte ich nichts lieber, als Calas zu Hilfe eilen, denn mit Sicherheit war er angegriffen worden, aber da ich nichts sehen konnte, war es klüger abzuwarten, als blindlings in den Tod zu rennen.
Doch Orks sahen auch im Dunkeln. Ich hörte sie nicht kommen und wurde mir meines Angreifers erst bewusst, als mich sein heißer Atem in Nacken kitzelte. Im nächsten Moment erhielt ich auch schon einen Schlag auf den Kopf, der mich bewusstlos zu Boden gehen ließ.


'Etar



Ich hatte gerade mein Mittagessen beendet und streckte meine langen, schlanken aber dennoch kräftigen Beine in den weiten Hosen und den schon etwas zerschlissenen Lederstiefeln, die ich wie alle meine anderen Kleidungsstücke einfach einem unserer Opfer abgenommen hatte. Wenn wir Beute machten entbrannte immer ein heftiger Kampf um solche Sachen und ich war froh, dass ich die Stiefel ergattert hatte, auch wenn sie mir nicht ganz passten. Ich hatte mit einer langen Narbe am Oberarm dafür bezahlt.
Die Metallplatten meines schweren Brustpanzers klirrten als ich mich geschmeidig erhob. Kein Ork lief jemals unbewaffnet oder ohne Rüstung herum, das war regelrechter Selbstmord und schlafen musste man mit blankem Schwert, wenn man wieder aufwachen wollte. Vor allem ich musste immer vorsichtig sein. Denn ich war keine Ork. Ich war zwar hier bei diesem Stamm aufgewachsen und fühlte mich auch wie einer von ihnen, aber ich war anders. Ich war ein „Menschenmädchen“, denn genau das bedeutete „ 'Etar“. Schon immer musste ich mich abmühen, um akzeptiert oder wenigstens nicht getötet zu werden, denn von Natur aus war ich schwächer als die meisten Orks. Außerdem konnte ich ihm Dunkeln nicht so sehen wie sie und ich hörte auch nicht so gut. Doch noch war ich am Leben und wenn es nach mir ging sollte das auch so bleiben.
Als ich gerade einen kleineren Ork anfuhr, mir aus dem Weg zu gehen erklang plötzlich Lärm vom Eingang unserer großen Höhle her. Neugierig folgte ich den lauten Rufen und dem Gejohle und musste mich durch einen Haufen anderer Orks drängen, die ebenfalls herbei gelaufen waren um zu sehen, was los war. Unter Einsatz meiner Ellbogen, meines Dolchs und einiger deftiger Flüche gelang es mir schließlich, bis in die erste Reihe vorzudringen.
Eine unserer Patrouillen war mit Beute zurückgekehrt. Die Orkkrieger schleiften drei bewusstlose Menschenmänner mit sich. Nicht, dass ich besonders oft welche gesehen hätte, aber was sollten sie sonst sein. Alle drei hatten sie braune Haare und trugen beschmutzte aber mit Sicherheit gute Gewänder, von denen ich gerne etwas abbekommen hätte, wenn es mir gelang, mich gegen meine Rivalen durchzusetzen. Die schönen Waffen waren noch besser, allerdings hatten die sich schon die Orks unter den Nagel gerissen, die die Menschen gefangen genommen hatten. Schade. Ein neues Schwert hätte mir sehr gut gefallen.
Einer der Männer begann nun sich zu bewegen. Er hatte von den dreien das hellste Haar und seine Augen waren blau und obwohl ich den Himmel noch nie tagsüber gesehen hatte, war ich mir in diesem Moment sicher, dass er die gleiche Farbe haben musste. Der Mann versuchte sich etwas aufzurichten, wurde aber von einem der Orks neben ihm mit einem hämischen Lachen in das alle anderen, einschließlich mir einstimmten, wieder zu Boden gestoßen.
„Seht was wir gefunden haben!“, spottete An' Garau, der Hauptmann dieser Patrouille, „Ein paar Ratten, die durch unsere Gänge schlichen!“
„Wir...“, begann der Mensch, wurde aber durch einen Fußtritt zum Schweigen gebracht.
„Quiekende Ratten!“, lachte An' Garau. Dann fiel sein Blick auf mich. Er konnte mich nicht ausstehen, war bis jetzt aber noch nicht so unvorsichtig gewesen, sich auf einen Kampf mit mir einzulassen. Jetzt kam er einen Schritt auf mich zu und meinte: „Ratten wie du, 'Etar“
Sein Mund verzog sich zu einem hinterhältigem Grinsen.
„Drecksack“, murmelte ich, dann wurde ich mir auf einmal der blauen Augen bewusst, die sich auf mich gerichtet hatten.

Ceodyn



Ich hielt sie zuerst für eine Einbildung, ein Trugbild, kein Wunder bei dem schwachen Licht, doch da stand tatsächlich eine junge Menschenfrau mitten zwischen den Orks. Sie hatte schwarzes, verfilztes Haar und dunkle Augen von undefinierbarer Farbe, ihr ganzer Körper starrte vor Dreck aber unter den diversen Schichten Schmutz im Gesicht mochten sich vielleicht ganz hübsche Züge verbergen und ihre Gestalt unter den weiten, hässlichen Fetzen, die sie trug, war bestimmt attraktiv. Vor allem sprach aus ihren Bewegungen eine Anmut und Geschmeidigkeit, die mir, wäre ich ihr auf dem Schlachtfeld begegnet, Sorgen bereitet hätten. Ich fragte mich, wie sie hier herkam.
Am Boden im Dreck der Orkhöhle liegend blickte ich zu ihr auf und fragte mich, ob ich sie irgendwie benutzen konnte um einen Weg aus dieser gefährlichen Lage zu finden. Wenn mir nichts einfiel waren meine Gefährten, die immer noch ohnmächtig am Boden lagen und ich tot und die Orks satt. Leider sah es im Moment nicht danach aus, als ob mir etwas einfallen würde und mein Gehirn konnte nur sehr schwerfällig Rückschlüsse ziehen, was mit Sicherheit auf den harten Schlag auf meinen Hinterkopf zurückzuführen war. Ich verlegte mich also zuerst wieder aufs Beobachten.
„Drecksack“, murmelte die Frau mit einer dunklen und rauen, aber angenehmen Stimme, die allerdings nicht wirklich kultiviert klang.
Der Ork lachte, dann meinte er: „Weißt du, 'Etar, mir fällt gerade ein lustiges Spiel ein. Kleine Orkkinder versuchen doch immer, Ratten dazuzubringen, gegeneinander zu kämpfen. Wir könnten das auch eine Nummer größer versuchen. Du gegen ihn. Oder bist du zu feige, 'Etar?“
Die Frau schnaubte abschätzig: „Ich bin keine Ratte du Bastard, aber ich bin auch nicht feige. Er ist so gut wie tot. Nur etwas schade, dass er so mager ist, das gibt nicht besonders viel Fleisch für die Suppe.“
Die Orks lachten und ich musste sehr an mich halten, um mich nicht zu übergeben. Das Mädchen würde mich essen! Wer weiß, wie oft sie so etwas sogar schon getan hatte.
Doch wenigstens bot mir dieser Zweikampf vielleicht einen Ausweg. Ich war ein guter Kämpfer.
Mühsam versuchte ich mich hochzurappeln und diesmal ließ mich der Ork neben mir sogar. Als mir das gelungen war hustete ich und meinte schließlich: „Ich mache aber nicht mit. Ich werde nicht kämpfen, wenn ich sowieso sterbe“
„Wie meinst du das?“, knurrte der Ork. Wirklich intelligent waren die meisten von ihnen nicht gerade.
„Ihr tötet mich doch auch wenn ich gewinne“, erklärte ich also, „da kann ich mir das kämpfen doch genauso gut sparen und mich einfach so von euch ermorden lassen. Versprecht mir die Freiheit wenn ich siege und lasst meine Gefährten sofort laufen, dann tue ich, was ihr wollt“
„Wir können dich zwingen. Mal sehen wie schnell du deine Meinung änderst, wenn wir dich foltern!“, brüllte einer der Orks.
„Du Trottel! Wenn wir ihn foltern kann er nicht mehr richtig kämpfen!“, entgegnete die Frau.
Wenigstens einer hier, der nicht total dämlich war. Ich beobachtete sie scharf. Hoffentlich kam sie nicht auf den Gedanken, mir mit dem sofortigen Tod meiner Gefährten zu drohen, wenn ich mich nicht gefügig zeigte, aber seltsamerweise fiel ihr das nicht ein.
„Wir lassen deine Leute und dich laufen, wenn du siegst“, meinte sie stattdessen und ich nickte zustimmend. Mehr konnte ich nicht erwarten. Allerdings bestand leider immer noch die Gefahr, dass sie sich nicht an ihr Wort halten würden. Orks hatten einen etwas anderen Begriff von Ehre.
„Schwört bei euren Höhlen, dass ihr mich und meine Gefährten ungehindert ziehen lasst, und all unsere Waffen zurückgebt und uns auch nicht verfolgt, wenn ich siege!“, forderte ich also.
Die Orks schwiegen, doch plötzlich trat ein besonders großer und furchteinflößender aus dem Kreis um uns heraus und sagte: „Ich bin Häuptling Karun Einauge. Ich gebe dir mein Wort und leiste dir hiermit diesen Schwur“
Dann, an einen Ork neben mir gewandt befahl er: „Gib ihm seinen Dolch“
Als die Frau nun einen Schritt nach vorne trat und ihre Waffe aus der Scheide zog, stieß er ein zufriedenes Knurren aus und meinte: „Und du, 'Etar, lass ihn bluten wie ein abgestochenes Schwein“
Die Frau nickte und zeigte ihre erstaunlich weißen, scharfen Zähne. Irgendwie bekam ich es mit der Angst zu tun.

'Etar



„Greif endlich an, du Feigling!“, fauchte ich. Der Mann trieb mich langsam in den Wahnsinn. Ich hasste es, bei einem Kampf den ersten Schritt zu machen, aber wenn es nach ihm ging würden wir uns wohl noch stundenlang weiter mit gezogenen Waffen umkreisen. Nicht einmal auf meine Beleidigung reagierte er. Ich machte also einen Satz nach vorne und stach nach ihm, zog mich aber sofort wieder zurück, als er mir geschickt auswich. Sofort hatte ich gemerkt, dass er ein gefährlicher Gegner war. Er war bestimmt etwas stärker als ich, genauso erfahren und vor allem genauso schnell. Hier konnte ich die Taktik, die ich normalerweise gegen meine Gegner anwandte vergessen, nie würde ich ihn durch Geschwindigkeit besiegen.
Noch einmal startete ich einen Blitzangriff und entkam nur knapp seiner Gegenattacke. Diesmal setzte er mir auch nach und beinahe hätte er mich gegen die zusehenden Orks gedrängt, die den Kampf inzwischen etwas langweilig fanden, da immer noch kein Blut geflossen war. Ich beschloss jetzt aufs Ganze zu gehen, da ein langweiliger Kampf meinem Ruf sehr schaden würde und wagte es, meine Deckung zu vernachlässigen. Wir gerieten eng aneinander, seine freie Hand umschloss meinen Arm und ich hatte meine Finger in seine Haare gekrallt, derweil wir immer noch versuchten uns gegenseitig zu erstechen.
Indem ich meine Waffe von der einen in die andere Hand wechselte gelang es mir schließlich einen Treffer zu landen und er stöhnte auf, als sich die Klinge in seine Schulter bohrte. Allerdings gelang es ihm, sie aus meinem Griff zu winden, aus seinem Fleisch zu ziehen und wegzuwerfen, so dass ich unbewaffnet war. Und irgendwann lag ich unter ihm.
Ich strampelte und wand mich und versuchte verzweifelt freizukommen, doch trotz seines verwundeten Armes hielt er mich fest. Als sein Dolch sich meinem Hals näherte blickte ich meinem Gegner stolz in die blauen Augen und bereitete mich darauf vor, zu sterben. Vor dem Tod hatte ich keine Angst, ich hatte vor gar nichts Angst, aber es war demütigend zu verlieren. Seine Klinge berührte meine Haut.
„Habe ich gesiegt?“, fragte er da plötzlich. Ich stutzte.
„Habe ich gesiegt?“, fragte er noch einmal, diesmal lauter.
„Ja“, entgegnete der Häuptling, „hast du, also töte sie“
„Töte sie! Töte sie!“, wiederholten die Orks, sie wollten jetzt endlich richtig Blut fließen sehen.
Doch der Mann hielt seinen Dolch weiter an meinem Hals ohne zuzustoßen.
„Dann dürfen ich und die anderen Menschen gehen?“, meinte er.
„Ja!“, knurrte der Häuptling, „Du hast mein Wort darauf, verdammt nochmal!“
„Gut!“, sagte der Mann, steckte seinen Dolch weg und erhob sich.
Ich blieb ratlos liegen und auch alle anderen starrten ihn verwundert an. Was sollte das? Warum tötete er mich nicht? Er hatte mich besiegt und mein Leben war damit verwirkt! Die anderen freuten sich bestimmt schon auf einen Nachtisch aus meinem Fleisch, wenn ich auch wahrscheinlich ein bisschen zäh war.

Ceodyn


„Was soll das?“, rief sie und sprang auf als ich ihr den Rücken zukehrte und zu meinen Gefährten ging, die inzwischen wieder auf den Beinen waren und etwas abseits von den erstaunten Orks standen. Doch ich erreichte sie nicht ganz, das Mädchen lief mir hinterher und drehte mich zu sich herum.
„Wieso tötest du mich nicht? Bist du zu feige dazu?“, knurrte sie.
Jetzt war es an mir, sie verwundert zu mustern.
„Ich bin nicht feige, aber ich töte nun mal keine wehrlosen Gegner, die bereits am Boden liegen.“
Sie schüttelte energisch den Kopf. „Du musst mich töten! Ich bin schließlich unterlegen und verdiene es nicht, weiterzuleben!“
Das war eine sehr nach Ork klingende Weltanschauung, der Schwächere wir vom Stärkeren umgebracht, aber ich hoffte doch sehr, dem überlegen zu sein und ich hätte es nie über mich gebracht, diese seltsame Frau zu erstechen, das Licht in ihren stolzen Augen zum Verlöschen zu bringen, solange es nicht unumgänglich nötig war. Schließlich machte es mir keinen Spaß Blut zu vergießen und zu töten, aber das schien sie nicht zu verstehen. Irritiert zog sie die Augenbrauen zusammen.
„Wenn du mich nicht töten willst, muss ich es selbst tun“, meinte sie schließlich und zuckte die Achseln.
Ich hatte mich abgewendet, fuhr aber jetzt wieder zu ihr herum.
„Bist du des Wahnsinns? Nein, musst du nicht!“
„Doch, wenn ich es nicht tue werden mich die anderen nicht mehr als Kriegerin akzeptieren, sie werden mich davonjagen, denn nur ein Feigling fürchtet den Tod und ein Feigling gehört nicht zu einem Orkstamm“
Das wurde ja immer schöner! Eigentlich wollte ich mich jetzt gerne um meine Wunde kümmern, meine Gefährten zusammenpacken und von hier weg bevor wir doch noch gegessen wurden, aber anscheinend musste ich zuerst dieses Mädchen davon abhalten einen völlig unnötigen Selbstmord zu begehen. Sie hatte bereits nach ihrer Waffe gegriffen.
„Warte!“, rief ich „Wir brauchen einen Führer durch die Tunnel, die du sicher kennst. Komm mit uns! Bei uns gilt es nicht als Feigheit am Leben zu bleiben sondern als Vernunft.“
Gut, dass war jetzt nicht nur Freundlichkeit sondern auch eine gehörige Portion Eigennutz, da ich einen Führer wirklich gebrauchen konnte und gegen eine Kämpferin wie sie war auch nichts einzuwenden.
Doch sie ließ nur ihren Dolch sinken und starrte mich mit großen Augen an.

'Etar



Wieso sagte er das? Er verhielt sich so ganz anders als ich es erwartet hätte, so ganz anders als jeder Ork. Aber er war ja auch ein Mensch. Wie ich.
Ich begann auf meiner Unterlippe herumzukauen, wie immer wenn ich über irgendetwas nachdenken musste oder vor einer schweren Entscheidung stand. Sollte ich diesen Mann wirklich begleiten? Es würdes sicherlich gefährlich werden und unbequem, aber hier blühte mir auf alle Fälle der Kochtopf oder die Verbannung, da war eine Reise ins Ungewisse doch wesentlich ausichtsreicher. Mit Menschen, wie mir.
„Gut, gehen wir!“, meinte ich also entschlossen mit einem Blick über die Schulter auf die Orks, die sich langsam von ihrem Erstaunen über das Verhalten des Menschen erholten. Wenn wir ihnen zu viel Zeit ließen, kamen sie bestimmt zu dem Entschluß, dass ein gutes Abendessen den Bruch eines Versprechens rechtfertigte und töteten uns doch. So waren Orks nun mal.
„Los! Wir holen uns jetzt eure Waffen zurück“, murmelte ich und packte den Menschen mit den blauen Augen am Arm. Er keuchte und verzog sein Gesicht vor Schmerz. Ach, ich hatte ihm ja mein Messer in die Schulter gerammt! Das hatte ich schon fast wieder vergessen. Aber er sollte sich nicht so anstellen, dieser Schwächling. Jetzt gab es Wichtigeres zu tun als zu jammern.
Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf und trat auf die Orks zu.
„An' Garau“, knurrte ich, „gib den Menschen ihre Waffen zurück! Sie haben gewonnen“
An' Garau grinste.
„Und wenn nicht, Ratte?“
„Dann hole ich sie mir, du faules Aas“, fauchte ich.
Er fletschte die Zähne und knurrte, ich tat es ihm nach. Allerdings sieht so eine Drohgebärde bei einem ausgewachsenen, pelzigen Ork leider wesentlich furchteinflößender aus als bei einer Menschenfrau und ich registrierte, dass die drei Männer hinter mir einen Schritt zurückwichen. An' Garau zog eines der Schwerter, um die es ging und es folgte noch ein Schritt. Feiglinge. Mit gewaltigen Sätzen rannte ich auf meinen Gegner zu.
Natürlich hob er seine Waffe um mich frontal hineinlaufen zu lassen. Getrieben von meinem eigenen Schwung wäre ich aufgespießt worden, wie ein Stück Fleisch des leckeren Rattenschaschliks, das es bei uns manchmal gab, aber ich hatte mit dieser Abwehrtatik gerechnet. Nur wenige Milimeter von seiner Klinge entfernt ließ ich mich plötzlich nach hinten fallen und trat mit einem Fuß nach oben, direkt nach seiner Hand. Jaulend ließ er das Schwert fallen. Mein zweiter Fuß traf sein Knie und er knickte ein. Leider knallte ich bei diesem Manöver mit dem Hinterkopf auf den Höhlenboden und musste einige wertvolle Sekunden liegen bleiben, bis der Schmerz nachließ. Als ich mich wieder aufrappelte war auch An' Garau wieder auf den Beinen.
„Du widerlicher Haufen Trollkot!“, brüllte er und zog seinen Dolch. Da war wohl einer lebensmüde.
Ich ging leicht in die Knie, spannte alle meine Muskeln an und ließ ebenfalls meinen Dolch aus der Scheide schnellen. Um uns herum bildete sich wieder ein Kreis von grölenden Orks, niemand wollte sich diesen Kampf entgehen lassen.
„Greif an du jämmerlicher Feigling. Wenn du dich traust!“, rief ich und fuhr drohend mit meiner Waffe durch die Luft. An' Garau knurrte zornig. Ich lächelte.
Im nächsten Moment musste ich bereits einem gutgezielten Stich in Richtung meines Herzens ausweichen. Unter einem weiteren, raschen Hieb duckte ich mich hindurch, um danach mit Schwung wieder nach oben zu kommen, meinen Dolch mit beiden Händen durch das lederne Wams meines Gegners ziehend. Für mehr reichte es nicht, der hässliche Wurm trug ein Kettenhemd darunter. Knurrend wich ich vor einer geschickten Kombination von Angriffen zurück. Das hätte ich bedenken müssen, anscheinend ließ ich nach. Drei Kämpfe an einem Tag waren selbst für mich ungewöhnlich viel und der Schlag auf den Kopf hatte wohl doch mehr Schaden angerichtet, als ich zuerst angenommen hatte, meine Reflexe waren langsam und meine Sicht beunruhigend unscharf. Außerdem tat es weh, aber Schmerzen waren etwas alltägliches für mich. Über das alles musste ich mir allerdings bald keine Gedanken mehr machen, wenn ich nicht besser aufpasste, beinahe hätte mir An' Garau sein Knie in den Magen gerammt. Zeit, dem ein Ende zu setzen.
Als er das nächste Mal nach mir stach packte ich seinen Arm und schickte ihn mit Hilfe seines eigenen Schwungs, einiger Geschicklichkeit und eines kräftigen, hervorragend gezielten Trittes zu Boden. Mein triumphierendes Knurren als ich mich auf ihn stürzte war wohl das letzte, was er in seinem erbärmlichen Leben hörte.
Während die anderen Orks noch damit beschäftigt waren, abgeschlossene Wetten zu begleichen, riss ich mir die Waffen der Menschen unter den Nagel, sowie An' Garaus altes Schwert, das er immer noch am Gürtel getragen hatte und das mir jetzt gute Dienste leisten konnte.
„Zeit zu gehen!“, schnaubte ich dann und schob einen der Männer vorwärts, in Richtung des Ausgangs unserer Höhle und der vielen sich daran anschließenden Tunnel. Wo genau ich sie hinführen sollte, konnten sie mir immer noch sagen, wenn wir von hier verschwunden waren. Bei den meisten Orks gilt nämlich das Sprichwort „aus den Augen aus dem Sinn“ und je schneller wir hier wegkamen, desto besser.

Impressum

Texte: verval
Bildmaterialien: verval
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für n.nomido, der eigentlich alle meine Bücher gewidmet sein sollten, weil sie so unglaublich genial ist ;)

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