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Es dämmert. Es ist schön einen Spaziergang an einem Frühlingsabend zu machen. Ich gehe schnell die Straße entlang, die Straße ist leer. Es riecht nach Frühling.
Plötzlich kommt ein feiner und süßer Geruch von Flieder. Ich liebe Fliederduft. Meine Beine führen mich von allein in die Richtung, von wo dieser herrliche Duft herkommt. Er führt mich zu einem Friedhof. Um den Friedhof herum wachsen Fliederbüsche. Wunderschöne weiße Flieder.
Durch ein kleines Tor gehe ich hinein, gehe einen Weg zwischen die gepflegten Grabsteine und Kreuze. Der Duft des Flieders macht mich trunken, ich fühle mich glücklich.
Da sehe ich einen alten Mann auf einer Bank sitzen, diese steht unter einem großen Fliederbaum. Ich sehe an seiner Uniform, dass er ein Friedhofswächter ist. Der Wächter ist klein und alt, er hat schneeweiße Haare. Ich komme zu ihm und begrüße ihn:
„Schönen Abend wünsche ich ihnen!“
Er sieht mich neugierig an und fragt: „Wo kommst du her? Dich habe ich hier noch nicht gesehen. Ist hier einer aus deiner Verwandtschaft beerdigt?“
„Ach nein! Ich gehe spazieren. Roch Flieder. So viele herrliche Flieder wachsen hier!“
Der Alte sieht mich mürrisch an und sagt: „Die Flieder beruhigen die Geister. Die Geister im Frühling sind unruhig.“
„Geister?“, frage ich überrascht, es ist lustig so was von einem alten Kerl zu hören, „Und gibt’s viele Geister auf diesem Friedhof?“
Ich tue mein Bestes um mein Lachen zurück zu halten.
„Ja. Siehst du dort beim weißen Grabstein?“, der Alter deutet auf einen großen Stein, „Susanna kommt immer als erste!“
Ich sehe in die Richtung und entdecke eine junge Frau, die kopfgesenkt beim weißen Grabstein steht. Sie trägt ein langes rosa geblümtes Kleid und hat braune Haare.
„Meinst du, dass sie ein Geist ist?“, frage ich mit einem Lächeln, “Kannst du etwa die Geister sehen?“
„Ja, ich bin mit dieser Gabe verflucht! Aber ich mag nicht, wenn einer mir zu nah kommt – mir friert dann so fürchterlich.“, sagt der Alte und sieht mich böse an. Dann steht er auf und geht zum Wächterhaus.
„Habe ich dich beleidigt?“, frage ich ihn und gehe hinter ihm her.
Der Mann dreht sich um und sagt streng: „Ich habe dir doch gesagt, dass es mich friert, wenn ein Geist zu nah kommt! Geh deinen Weg!“
„Was meinst du? Willst du sagen, dass ich ein Geist bin?“, frage ich überrascht, ich bin verärgert.
Der Alter sieht mich traurig an und schüttelt den Kopf: „Warum kannst du dann Susanna sehen? Und den dort! Schau: Hinter dir steht einer!“
Ich drehe mich um: Ein paar Meter hinter mir steht ein Mann. Er trägt einen schwarzen Anzug, Krawatte und weißes Hemd. Schrecklich. Der alte Wächter geht mit schnellen Schritten zu seinem Haus und schlägt die Tür zu.
Die junge Frau, der Wächter nennte sie Susanna, kommt näher. Sie und der Mann mit dem Anzug sehen mich ohne was zu sagen an.
„Hat er recht?“, frage ich sie. Sie geben mir keine Antwort, sie sehen mich nur an, ihre Gesichter zeigen keine Regung.
Ich fasse mit meinen Händen an den Kopf, ich kann nicht glauben: „Das kann nicht sein! Es ist unmöglich! Ich kann doch riechen! Ich rieche Fliederduft!“




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Tag der Veröffentlichung: 06.04.2009

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