Lena war aufgeregt. Gleich würde sie Thomas treffen. Es war ihr erstes Interview mit einem Spieler aus der ersten Bundesliga. Sie hatte erst vor ein paar Monaten begonnen, als Sportjurnalistin für eine noch etwas kleinere Fußballseite im Internet zu arbeiten. Dementsprechend wurden ihr erst einmal die unbedeutenden Aufgaben zugeteilt. Aber ihr hoher Arbeitseinsatz in den letzten Wochen hatte sich nun gelohnt. Der Chef hatte gemeint, sie sei nun bereit für etwas Größeres und hatte ihr den Interviewtermin verschafft.
Nun saß sie oben in der Loge des Bundesligisten und wartete ungeduldig auf das Spielende. Um viertel vor sechs war sie hier mit Thomas verabredet, jetzt war es zehn nach fünf. Sie saß am Tresen und schaute sah sich immer wieder aufgeregt ihre Notizen an.
„Na? Dein erstes Interview?“ fragte plötzlich eine Stimme neben ihr. Die Frau zu ihrer Linken lächelte sie freundlich an und setzte sich auf den freien Barhocker.
„Ja.“ antwortete Lena verwundert.
„Mit Thomas richtig?“
„Woher wissen Sie…...“
„Entschuldige“ sagte die Frau „ich bin Petra, Thomas Frau.“ und streckte ihr die Hand zur Begrüßung entgegen.
„Lena“ antwortete sie und reichte ihr ebenfalls die Hand.
Die Frauen kamen ins Gespräch und bemerkten gar nicht, dass das Spiel längst zu Ende war und Thomas neben ihnen stand. Lena sprang von ihrem Hocker auf.
„Guten Tag Herr Fehn.“
„Guten Tag Frau…“ suchend schaute er auf ihren Presseausweis, den sie mit einem Band um den Hals trug.
„Behrens…“ ergänze sie seinen Satz „Können wir beginnen?“ fragte sie vorsichtig.
„Gerne!“
Das alles geschah nun vor fast anderthalb Jahren. Kurze Zeit später zog Lena endgültig nach Bremen. Sie hatte die kleine möblierte Ein-Zimmer-Wohnung, die sie fürs erste gemietet hatte, satt. Am Anfang war es die beste Lösung gewesen, da sie nicht wusste, ob sie die Probezeit übersteht und ob sie sich in Bremen überhaupt wohlfühlen konnte. Schließlich hatte sie bisher noch nie in der Großstadt gewohnt. Aber nun konnte sie nichts mehr davon abhalten, ihr Leben hier neu zu beginnen. Die Probezeit war überstanden und sie fühlte sich immer wohler. Auch eine schöne aber dennoch bezahlbare Wohnung in der Stadt hatte sie letztendlich gefunden. Zwei Zimmer, Küche, Bad und eine Dachterrasse. Nicht zuletzt diese war es, die sie dann endgültig von ihrer Entscheidung überzeugt hatte. Fast den ganzen Tag schien dort die Sonne, lediglich am Morgen warfen die umstehenden größeren Gebäude einen Riesigen Schatten. Dennoch, der Ausblick war einfach wundervoll. Oft stand sie abends dort und dachte nach. Hier konnte sie abschalten.
Da Lena des öfteren über die Spiele des Vereins berichtete und somit viel Zeit im Stadion verbrachte, hatte sich zwischen Petra und ihr langsam aber sicher eine Freundschaft entwickelt. Die beiden Frauen waren sich sympathisch und hatten irgendwann begonnen, etwas zusammen zu unternehmen. Jetzt trafen sie sich fast jeden Freitag. Auch zu Thomas und zu den zwei Kindern hat Lena guten Kontakt.
Es war Samstagabend und die beiden Mädchen der Familie Fehn hatten Lena am Nachmittag beim Fußballspiel so lange damit genervt, dass sie unbedingt heute Abend mit ihr Pizza backen wollten, bis sie schließlich nachgegeben hatte. Schon bei den Vorbereitungen stritten die Mädchen darum, wer die Pizza nun besser belegen könne und letztendlich endete die ganze Sache in einer riesen Mehlschlacht zwischen den beiden. Petra, Thomas und Lena hatten ihre Not, die Mädchen wieder friedlich zu stimmen.
Nach dem Essen setzte Thomas sich beschwichtigend mit den beiden Mädchen aufs Sofa und ließ sich kurze Zeit später dazu überreden, zum bestimmt einhundertsten Mal die DVD von Hannah Montana anzuschauen. Petra und Lena machten sich daran, da Chaos in der Küche zu beseitigen. Als Thomas die Mädchen eine dreiviertel Stunde später in Bett gebracht hatte, saßen sie noch gemütlich bei einem Gläschen Wein zusammen.
„Und?“ fragte Thomas „hast du heute Abend noch was vor?“.
„Nein!“ antwortete Lena kurz „Ich hab keine Lust noch wegzugehen.“.
„So lernst du aber nie jemanden kennen, wenn du immer nur zu Hause hockst!“ stichelte er. „Wer hat denn gesagt, dass ich unbedingt jemanden kennenlernen will“ erwiderte Lena „Ich bin mit meinem Leben wie es jetzt ist ganz zufrieden.“
„Ich mein ja nur! Von allein wird das nichts. Oder meinst du, du bekommst die Männer hier in Bremen auf nem goldenen Tablett serviert?“ fragte er und grinste.
„Das wäre doch mal ne Idee Thomas!“ rief sie begeistert „Aber nur, wenn du sie mir servierst.“ Lena hatte eigentlich gar keine Lust auf dieses Thema. In den letzten Jahren hatte sie nicht so viel Glück mit der Liebe gehabt und im Moment hatte sie auch nicht im Geringsten das Bedürfnis etwas an ihrem Singleleben zu ändern. Thomas und schenkte ihr noch ein Glas Wein ein.
„Na, ich werd dich bei Gelegenheit mal den Jungs vorstellen.“
„Bloß keinen Fußballer!“ schrie sie entgeistert.
„Was soll das denn jetzt bitte heißen?“ fragte Thomas.
„Äh…nicht das die nicht nett wären oder so, aber ist halt so ne Ansicht von mir. Ein Typ der in der Öffentlichkeit steht und man muss ständig aufpassen was man tut, wo man sich zeigt, überall lauern Paparazzi und so. Nein Danke!“.
„Na so schlimm ist das ja nun auch wieder nicht. Die lauern hier ja nicht hinter jedem Baum, wir sind immerhin keine Popstars.“ entgegnete Thomas.
„Trotzdem!“ warf Lena ein und wandte sich zu Petra um das Thema zu wechseln. Auch Petra musste sich ein Lachen verkneifen.
„Ich hab hier noch die Fotos von meinem letzten Ibizaurlaub mitgebracht, die ich dir zeigen wollte.“ sagte Lena zu ihr. „Die neue Kamera, die ich mir gekauft habe, ist echt spitze!“
„Oh ja! Zeig mal her!“ antwortete Petra und wartete gespannt auf die ersten Aufnahmen. Auch Thomas schaute beigeistert mit.
„Die sind ja echt gut! Das hätte ich dir ja gar nicht zugetraut!“ zog Thomas Lena auf.
Sie strecke ihm die Zunge raus.
„Nein mal im ernst. Du hast gute Ideen und ein Händchen dafür. Hast du schon mal drüber nachgedacht, in die Branche einzusteigen?“ fragte er.
„Wie soll ich das denn bitte machen? Ich hab keine Ausbildung dafür und überhaupt, stell dir das nicht so einfach vor. Fotografen gibt’s doch schon wie Sand am Meer.“.
„Na man könnte ja zu Beispiel erst mal klein anfangen. Ein Praktikum bei einem Fotografen, eine Homepage erstellen, ein paar Aufnahmen als Referenzen, und nebenbei kannst du immer noch die Ausbildung machen oder was du dafür brauchst. Mach dich doch mal schlau.“ regte er an.
„Mh, ich weiß nicht. Eigentlich bin ich mit meinem jetzigen Job ganz zufrieden. Aber mal schauen. Vielleicht krieg ich so ja ein paar nette Männer vor die Linse.“
„Oh ja!“ schaltete sich Thomas in ihre Überlegungen ein, „Ich kenn da ein paar, die sich bestimmt gerne von dir fotografieren lassen würden. Einige von den Jungs könnten mal wieder ein paar neue Fotos auf der Homepage gebrauchen.“.
Sie philosophierten weiter über die Idee und der Abend wurde immer länger und lustiger. Der Flache Wein folgten noch zwei weiter und Petra beschloss, dass Lena lieber bei ihnen auf dem Sofa übernachten sollte.
Am nächsten Morgen saßen die drei gerade beim Frühstück, als es an der Tür klingelte.
„Oh! das wird Clemens sein, der sollte mich heute mitnehmen. Es schüttet wie aus Eimern. Da werd ich wohl kaum mit dem Motorrad zum Training fahren!“. Thomas stand auf und ging zur Tür. Lena rief ihm lachend hinterher: „Ach, und der Ferrari ist nun zu klein geworden oder was?“
„Ne! Der ist mal wieder in der Werkstatt. Irgend so ein Trottel hat mir da ne Beule reingefahren!“ Er öffnete die Tür und begrüßte er seinen Mitspieler.
„Komm rein! Du bist ja ganz schön früh dran. Dann haben doch noch Zeit für einen Kaffee oder?“
„Für Kaffee am Morgen doch immer!“ antwortet der junge Mann und folgte Thomas in die Küche, wo Petra und Lena am Tisch saßen. Lena verschlug es die Sprache,
bei seinem umwerfenden Lächeln, das sie für einige Sekunden vergessen ließ, wie man atmete.
„Hallo Clemens. Wie geht’s dir?“ durchbrach Petra die Stille.
„Danke gut. Und selbst?“
„Auch gut danke. Darf ich vorstellen? Das ist Lena.“
„Hallo“ sagte Clemens und lächelte Lena an. Sie musste aufpassen, dass sie sich nicht an ihrem Brötchen verschluckte.
„Hi!“ antwortet sie kurz und schlürfte verlegen an ihrem Kaffee. Lenas Herz begann noch schneller zu schlagen. Clemens hatte sich inzwischen an den Tisch gesetzt und Thomas schenkt ihm eine Tasse Kaffee ein. Nervös schaute Lena auf ihre Armbanduhr.
„Petra, ich muss jetzt langsam mal los! Ich hab heute noch einiges aufm Zettel. Danke für euer Asyl.“ platzte sie mitten in das Gespräch, stand auf und nahm ihre Tasche.
„Warte ich bring dich noch zur Tür.“ sagte Petra und stand ebenfalls auf.
„Tschüss!“ warf Lena in die Männerrunde ohne sich umzudrehen. Die Antwort darauf hörte sie schon gar nicht mehr, so gedankenversunken war sie. Sie verabschiedete sich von Petra und ging zu ihrem Auto. Dort angekommen setzte sie sich auf den Fahrersitz, schloss die Tür und atmete tief durch. Es kribbelte in ihrem Bauch.
„Lena ist schon ne nette oder meinst du nicht Clemens?“ fragte Thomas auf dem Weg zum Training.
„Bitte? Na ich weiß ja nicht. Ein wenig seltsam ist sie schon oder?“ Clemens schaute seinen Teamkollegen fragend an.
„Ach quatsch. Du kennst sie ja gar nicht richtig. Aber du könntest sie ja mal kennenlernen. Was hältst du von Freitag? Essen bei uns? Um sieben?“
„Na, nun mal langsam! Freitag hab ich schon was vor.“
„Ach keine Widerrede. Nur einen gemütlichen Abend zusammen verbringen!“
„Freitag geht aber wirklich nicht!“ antwortete er energisch.
„Gut, dann halt ne Woche später.“ beschloss Thomas.
„Na gut.“ lenkte Clemens ein bisschen widerwillig ein.
In den darauf folgenden Tagen musste Lena immer wieder an den jungen Mann mit dem schönen lächeln und den niedlichen Grübchen denken. Er ist groß und sportlich gebaut (wie sollte es auch anders sein bei einem Fußballer?), seine braunen Haare hatten viele blonde Strähnchen, die schon ein bisschen herausgewachsen waren, seine brauen Augen, in denen man hätte versinken können. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um ihn.
Auch Petra bemerkte bei ihrem nächsten Treffen mit Lena, dass etwas anders war. Lena begründete Ihre Gedankenlosigkeit damit, dass sie über die Sache mit den Fotos nachdenken würde, was sie natürlich nicht im Geringsten tat. Das war Nebensache.
„Ach übrigens“ begann Petra „Kommst du am nächsten Freitag zu uns zum Essen?“
„Schon wieder? Ich war doch erst letzte Woche da. Seh ich so verhungert aus?“ fragte Lena
„Ach quatsch.“ erwiderte Petra „Das ist auf Thomas Mist gewachsen. Clemens hat er auch eingeladen.“
„Was?“ fragte Lena ungläubig. Das war jetzt nicht ihr ernst oder?
„Vielleicht geht es um die Fotos“ ergänzte Petra schnell ihre Aussage „Wer weiß was die Männer schon wieder abgekaspert haben.“ Lena sollte nicht wissen, dass Thomas Petra in seinen Plan eingeweiht hatte. „Sie sollen sich doch nur mal kennenlernen!“ hatte er unschuldig gesagt. Aber Petra kannte ihren Mann lange genug, um zu wissen was er wirklich vorhatte.
Einige Tage später stand Lena um kurz vor sieben vor der Tür der Familie Fehn. So aufgeregt hatte sie noch nie vor dieser Tür gestanden, durch die sie doch nun schon oft gegangen war. Sie hatte zwei Stunden vor dem Spiel verbracht, sich aufgebretzelt und wieder abgeschminkt. Letzten Endes ist sie zu dem Ergebnis gekommen, dass sie nicht auf eine Gala geht, sondern nur zu guten Freunden zum Essen und dass heute ausnahmsweise noch ein gewisser Clemens dabei ist, dessen Gegenwart sie, warum auch immer, nervös werden lies. Sie hatte sie sich schließlich doch dafür entschieden, eine Jeans, ein schlichtes weißes Shirt und ihren schwarzen Blazer anzuziehen. Auch auf hohe Schuhe hatte sie verzichtet und sich lieber für ihre bequemen Turnschuhen entschieden. Ihre dunklen lockigen Haare hatte sie lässig zu einem Pferdeschwanz gebunden. Was, wenn er total anders ist, als ich es mir vorstelle, dachte sie. Was, wenn er so ein richtiger „Arschlochtyp“ ist? So ein richtiger Aufreißer. Ihr fuhr ein Schauer über den Rücken. Nein, das konnte sie sich wiederum aber eigentlich nicht vorstellen, wobei man sich auch ganz gewaltig in Menschen täuschen kann. Das hatte sie nun schon zu oft erlebt.
Sie atmete noch einmal tief durch und klingelte. Thomas öffnete die Tür, sie begrüßten sich und gingen ins Esszimmer, wo Clemens schon wartete. Er stand von seinem Stuhl auf und reichte ihr die Hand zur Begrüßung.
„Guten Abend“ sagte er auch ein wenig aufgeregt. „Heute einmal förmlich. Das haben wir das letzte Mal irgendwie versäumt.“
„Ja. Nabend!“ entgegnete sie, gab ihm die Hand und versuchte nicht zu hyperventilieren.
„Du bist also die, die absolut keine Fußballer mag richtig?“ fragte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Thomas!“ Lena drehte sich zu ihm um und sah ihn grimmig an.
„Was denn? Ich fand deine Einstellung mit den Paparazzi so lustig, das musste ich einfach erzählen“ lachte Thomas. Sie grummelte vor sich hin und ging in die Küche zu Petra.
„Na? Alles klar?“
„Mh“ erwiderte Lena, was Petra schmunzeln ließ, die die Unterhaltung mitbekommen hatte. Das ist ja ein gelungener Anfang, dachte sie, der Typ denkt jetzt bestimmt ich hab ne Vollmeise. Genervt ließ sie sich auf einen Stuhl fallen.
Der Rest des Abends verlief dann doch besser als gedacht, was die Sache für Lena nicht einfacher werden ließ. Clemens war total nett, witzig und charmant. Eigentlich war sie heute Vormittag noch drauf und dran, abzusagen. Jetzt war sie froh, dass sie es nicht getan hatte.
Sie plauderten locker über dieses und jenes und lachten viel. Immer wieder schaute Clemens, der ihr direkt gegenüber saß, zu ihr rüber. Wenn sie ihn dann anschaute, lächelte er nur kurz und schaute wieder weg.
„Oh Mist!“ rief Lena, als sie auf die Uhr schaute „schon so spät und ich hab den Artikel für morgen noch nicht fertig und der muss doch in zwei Stunden beim Chef sein.“ Sie bedankte sich noch einmal für die Einladung, stand auf und verabschiedete sich. Sie war schon im Flur, als sie sich noch einmal umdrehte und sah, dass Clemens ihr zum Abschied noch einmal eines von diesen hinreißenden Lächelnd schenkte. Zufrieden machte sie sich auf den Weg nach Hause.
Auch Clemens machte sich einige Zeit später auf den Weg. An der Tür fragte Thomas ihn: „Und? Nun hast du sie ja kennengelernt! Was meinst du?“
„Ja, ist sie ist ganz nett.“ antworte er
„Nur nett?“ fragte Thomas ungläubig „Das sah aber vorhin ganz anders aus! Ich wollte dich schon fragen, ob wir Plätze tauschen wollen, damit du neben ihr sitzen kannst und ihr Händchen halten könnt!“ flaxte er.
„War das so offensichtlich? Mist!“.
„Na, ja abgeneigt bist du offensichtlich nicht. Wo ist denn dein Problem? fragte Thomas.
Clemens schaute auf seine Füße und überlegte.
„Tja“ sagte er plötzlich „das größte Problem wäre dann ja wohl, dass ich Fußballer bin!“
In den letzten Tagen hatte Lena sich wirklich ernsthaft Gedanken über diese Geschichte mit der Fotografie gemacht. In ihrem Kopf wurde die ganze Sache immer klarer. Nur die Referenzen bräuchte sie noch. Moment, was hatte Thomas ihr da noch gleich angeboten? Vielleicht sollte sie die Chance doch einfach ergreifen und die Spieler des Bundesligisten „in ihr Licht rücken“. Sie sprach Thomas bei der nächsten Gelegenheit noch einmal an. Er war sofort hellauf begeistert, wahrscheinlich auch ein wenig mit dem Hintergedanken an Clemens. So einfach wollte er nicht aufgeben und lud sie ein, am Samstag mit Petra ins Stadion zu kommen. Lena sagte zu.
Schnell war es Samstag. Diese Woche hatte Lena viel zu tun gehabt. Sie konnte zwar das meiste von zu Hause aus über ihren Laptop erledigen, aber auch das kostete Zeit. Mehrere Tage hatte sie nun bis tief in die Nacht hinein gearbeitet. Umso mehr freute sie sich, dass sie nun das Wochenende frei hatte. Die Sonne schien und sie beschloss, die wenigen Kilometer zum Stadion mit dem Fahrrad zu fahren. Voller Vorfreude holte sie ihr altes klappriges Rad aus dem Keller und radelte los. Vor dem Stadion wartete Petra schon ungeduldig.
„Man, wo kommst du denn her?“ fragte sie „bist du etwa noch einmal um die halbe Welt gefahren. So weit ist es doch gar nicht von dir zu Hause!“
„Sehr witzig!“ antwortet Lena „Mein doofes Rad fährt auch nicht mehr so wie früher. Alles ist eingerostet und geht nur noch schwer. Ich glaub, da muss mal ein Neues her, sonst bleib ich womöglich noch irgendwo liegen!“ Die beiden lachten bei der Vorstellung und gingen hinein.
Gespannt verfolgten sie das Spiel. Die Mannschaft war heute wirklich mal wieder Weltklasse und gewann verdient mit 5: 1. Nach dem Spiel kam Thomas nach oben und begrüßte die beiden Frauen.
„So mein Schatz“ sagte er zu Petra, „ich muss dir die kleine hier jetzt mal entführen.“
„Na dann mal los! Viel spaß und bring sie mir heil wieder ja?“
„Klar doch!“ antwortete er und drückte ihr ein Küsschen auf die Wange. Dann nahm er Lena an die Hand und zog sie hinter sich her.
“ So“, sagte er, „jetzt nicht durchdrehen okay?“
„Warum sollte ich durchdrehen?“ fragte sie verwundert.
„Na ja, wir gehen jetzt in die Kabine und …..“.
„Wow!“ prustet sie los „und ich sehe gleich elf halbnackte Männer oder was?“ Sie konnte sich das lachen nicht mehr verkneifen.
„Na ich weiß ja nicht….“ begann er zu stottern, „Im Grunde genommen, sind in einer Mannschaft mehr als elf Spieler…“
„Mach dir mal keine sorgen Thomas, wenns mir zu viel wird, halt ich mir die Augen zu.“ unterbrach sie ihn.
Unten angekommen klopfte Thomas an dir Tür der Kabine.
„Achtung Damenbesuch!“ flaxte er.
„Bitte alle etwas anziehen!“ rief Lena prustend hinterher. Dann gingen sie rein. „Ja also Männer….das ist Lena. Ich hab euch schon von ihr erzählt. Nun wollte sie euch endlich mal kennenlernen!“
„Was wollte ich?“ platze sie heraus. „Du hast mich doch mitgeschliffen!“
„Pss!“ fauchte er sie an. Dann stellte er sie allen vor. Lena war grade in ein eine Diskussion mit Peter vertieft, als Thomas sie am Arm packte und sagte
„Ach ja, Clemens kennst du ja schon.“ Sie drehte sich ein wenig Richtung Duschbereich.
„Hallo! rief er freundlich, hob kurz die Hand, daddelte dann weiter an seinem Handy rum und setzte sich auf seinen Platz, nur mit einem Handtuch bekleidet. Lenas blick folgte ihm.
„Mach den Mund wieder zu!“ flüsterte Thomas.
„Ich, äh was?“ fragte sie und schaute ihn an.
„Na? Doch fast am durchdrehen?“
„Quatsch!“ erwiderte sie und drehte sich wieder zu Peter, der auch ein breites Grinsen im Gesicht hatte und Thomas zuzwinkerte.
Einen Augenblick später unterbrach Thomas sie mitten im Gespräch mit Claus „Du, ich muss jetzt leider los. Petra und ich müssen die Mädels noch abholen.“
“Alles klar!“ antwortete sie flüchtig „wir sehen uns!“ Doch er war schon fast an der Tür, so eilig hatte er es. Sie wandte sich wieder an Claus und versprach ihm, sich ein paar Gedanken über die für ihn passenden Fotos zu machen. Dann schaute sie sich um. Alle Spieler bis auf Peter und Claus waren schon gegangen und so verabschiedete sie sich und ging hinaus. Draußen angekommen traute sie ihren Augen kaum. Wo war das schöne Wetter von vorhin geblieben? Der Sonnenschein und die Wärme? Jetzt regnete es wie aus Eimern.
„Mist!“ fluchte sie vor sich hin. Sie verließ den trockenen Unterstand, ging zu ihrem Fahrrad und fummelte am Schloss herum. Klar, wie sollte es auch anders sein? Es gießt wie aus Eimern und dann geht das Schloss auch nicht mehr auf. „Ganz großes Kino!“ fluchte sie und trat gegen das Fahrrad. Von ihr unbemerkt hatte an der anderen Straßenseite ein großer schwarzer VW gehalten. Die Fensterscheibe ging runter und eine männliche Stimme rief:
„Kann ich dich mitnehmen? Oder willst du schwimmen?“. Genervt schaute sie zu dem Wagen. Peter sah sie mit einem breiten Lächeln an.
„Bist du sicher? Ich meine, wenn ich einsteige, dann…..“
„Nun mach dir mal keine Gedanken. Die Sitze trocknen doch wieder. Also was ist nun? Wenn du da noch länger rumstehst, hast du bald ne fette Erkältung.“
sagte er und beugte sich zur Beifahrertür, um sie zu öffnen. Schnell lief sie um das Auto herum und stieg ein. Sie schnallte sich an, während Peter ihre Adresse in sein Navi eingab. Er wollte sich nicht auf Abbiegemanöver und ähnliches konzentrieren müssen, schließlich wollte er ja versuchen, etwas über Lena zu erfahren, um zu sehen, ob sie auch wirklich so gut zu seinem Freund passte, wie Thomas gesagt hatte. Das Gespräch auf der Fahrt kam nur stockend voran. Sie redeten über das Wetter, was Peter dann aber dazu brachte, Lena von seinem Sohn zu erzählen, und davon, wie er letzten eine halbe Ewigkeit beigeistert den Regen beobachtet hatte. Bald darauf waren sie schon bei Lenas Wohnung angekommen. Peter suchte einen Platz zum Halten und schaute sich um.
„Danke fürs Mitnehmen!“
„Kein Problem. “antwortete er und sah immer noch suchend aus dem Fenster.
„Suchst du was?“ fragte Lena vorsichtig
„Äh ja….also…..ach da!“ stieß er hervor „da ist ja die Nummer 15!“
„Die Nummer 15? Was ist denn da besonderes?“
„Na da wohnt Clemens! Kam mir doch gleich so bekannt vor der Straßenname.“
„Achso!“ Lena versuchte das so normal wie möglich zu sagen. Hatte sie das gerade richtig verstanden? Clemens wohnt schräg gegenüber von ihr? Warum hatte sie das noch nie bemerkt? Oft hatte sie auf ihrer Dachterrasse gestanden und hinuntergeblickt. Andererseits war er sehr darauf bedacht, sich nicht Gott und der Welt ständig zu präsentieren.
„Aber hängs nicht an die große Glocke okay?“ ermahnte Peter Lena.
„Meinst du, ich renn hier gleich durch die Straße und schreie es laut heraus? Dann wohnt er halt da. Und wenn schon. Jeder muss ja irgendwo wohnen oder?“ sie merkte, dass sie immer mehr Mist erzählte und beschloss, die Sache hier zu beenden.
„Also wir sehen uns bestimmt mal irgendwann wieder Peter! Schönen Abend noch!“ sagte Lena und verließ das Auto
„Danke dir auch!“ antwortet er und fuhr etwas verdutzt davon.
Lena stand noch eine ganze Weile auf dem Bürgersteig und schaute auf das Haus mit der Nummer 15. Da wohnt er also. Nur einen Katzensprung von ihr entfernt. Wie gerne wäre sie jetzt rübergegangen. Aber was sollte sie machen? Einfach bei ihm klingeln und sagen: „Hallo! Entschuldige, dass ich dich grade störe, aber ich finde dich echt toll!“?
Bei dem Gedanken daran musste sie schmunzeln. Sie drehte sich um und schloss die Haustür auf. Sie war schon im Treppenhaus, als auf der anderen Straßenseite ein roter WV Polo hielt, aus dem eine junge Frau ausstieg und in das Haus mit der Nummer 15 ging.
Clemens lag faul auf dem Sofa und schaute fern, als die Haustür aufging. Die blonde junge Frau legte ihren Schlüssel im Flur ab und ging ins Wohnzimmer. Sie schaute entsetzt auf den Wohnzimmertisch, der völlig zugestellt war mit Chips, Cola, Gummibärchen und einer halb aufgegessenen Pizza.
„Oh man Clemens, was hast du denn hier veranstalte? Ich glaub ich spinne. Das darf doch wohl nicht wahr sein…“
„Reg dich nicht so auf Schwesterchen.“ unterbrach er sie „Ich räum das schon wieder weg.“
„Das will ich dir auch geraten haben. Ich bin schließlich nicht deine Putze!“.
„Ja ja schon klar!“ entgegnete er und quälte sich vom Sofa hoch. Er nahm die Sachen vom Tisch und brachte sie in die Küche. Die Pizza warf in den Mülleimer. Dann trottete er zurück und legte sich wieder auf Sofa. Constanze stand noch immer mitten im Wohnzimmer und schaute ihn ungläubig an.
„Sag mal, was ist los mit dir in letzter Zeit? Du bist so merkwürdig, gehst mir aus dem Weg, hängst ständig nur rum und mal ganz ehrlich gesagt lässt du dich ganz schön gehen mein Lieber. Gibt’s irgendwas, worüber du reden möchtest?“. Sie setzte sich zu ihm auf Sofa.
Clemens schüttelte den Kopf.
„So kenn ich dich ja gar nicht. Was ist los? Raus mit der Sprache!“
„Es ist nichts!“ antwortete er mürrisch.
„Geht’s wieder um Fußball?“
„Nein!“
„Was denn dann? Hast du dich wieder mit Peter in den Haaren gehabt?“
„Nein verdammt!“. Sein Ton wurde aggressiver, was sie von ihm so gar nicht kannte. Eine Weile schwieg Constanze, dann sagte sie plötzlich:
„Jetzt hab Ichs! Es geht um ein Mädchen, hab ich Recht? Klar hab ich Recht! Damals bei Vivien warst du ähnlich drauf.“ Vivien. An sie wollte er gar nicht mehr denken. Sie war seine letzte Freundin gewesen. Nach der anfänglichen Geheimhalterei schien alles perfekt, bis sie sich schließlich um 180 Grad gedreht hatte und der Rummel um ihre Person ihr zu Kopf stieg. Nach und nach krieselte es zwischen den beiden, bis sie sich schließlich trennten.
„Ach jetzt hör schon auf!“ erwiderte er. Er wollte sie nicht merken lassen, dass sie den Nagel genau auf den Kopf getroffen hatte, denn er hatte Lena wirklich gern. Er genoss es, in ihrer Gegenwart zu sein.
„Na ja. Wenn du reden willst, du weißt ja wo du mich findest.“
„Ja, oben die erste Tür links. Danke, ich kenn mich in meiner Bude aus“ sagte er, stand vom Sofa auf und ging in sein Zimmer. Die Tür fiel mit einem leichten Knall ins Schloss. So forsch war er lange nicht zu seiner Schwester gewesen. Aber er konnte nicht anders. Er wusste im Moment selber nicht, was richtig oder falsch ist, was er eigentlich will. Liebe passte gerade gar nicht in sein Konzept. Im Job lief es nicht sonderlich gut aufgrund seiner zahlreichen Verletzungen, die mittlerweile gut verheilt waren, aber trotzdem war er noch nicht wieder in Topform. Sein Beruf war ihm wichtig, aber die Gedanken an Lena konnte er auch nicht verdrängen. Wie sieh ihn angesehen hatte mit ihren blauen Augen. Es war einfach ihre ganze Art, die ihn fesselte. Sie waren buchstäblich auf einer Wellenlänge. Abgesehen von der dämlichen Aussage, dachte er, und legte sich auf sein Bett. Das konnte sie doch nicht wirklich ernst gemeint haben oder, dachte er und grübelte weiter, bis er schließlich einschlief. Am nächsten morgen wurde er unsanft geweckt.
„Hey Brüderchen!“ Constanze hämmerte an seine Zimmertür „Steh auf, wir müssen gleich los!“
Clemens richtete sich auf „Wie spät ist es?“ fragte er schlaftrunken.
„Halb neun! Nun los, raus mit dir! Wir müssen in einer halben Stunde bei Peter sein!“ Sie hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da drängte Clemens sich an ihr vorbei und ging ins Badezimmer. Constanze schaute ihn von oben bis unten an.
„Hast du etwa in deinen Klamotten von gestern geschlafen?“
„Ja sieht wohl so aus“ murmelte er und schloss die Badezimmertür. Er duschte in Windeseile, nicht so ausgiebig, wie er an freien Tagen sonst gerne machte. Heute hatte er keine Zeit dafür, schließlich musste er heute mit Constanze den Babysitter bei Peter spielen. Er wollte seinen Freund nur ungern warten lassen. Als er kurz darauf fertig war, ging er wieder in sein Zimmer, zog sich ein neues Hemd und eine Jeans an und ging zu Constanze, die in der Küche schon mit einer Tasse Kaffee wartete.
„Bitte schön der Herr!“
„Danke, lieb von dir!“ sagte er und trank einen Schluck.
„So, wir müssen uns jetzt echt auf den Weg machen, sonst kommen wir noch zu spät.“ mahnte ihn seine Schwester und deutet auf die Uhr. Heute war ihr Bruder anscheinend wieder etwas besser drauf, dachte sie, und hoffte, dass sie bald erfahren würde, was ihn im Augenblick so bewegte. In der Hinsicht war er ein echter Stuhrkopf. Wenn er nicht will, dann will er nicht. Das hatte er von seinem Vater. Aber sie hatte in den ganzen Jahren auch gelernt, dass man ihm einfach Zeit lassen musste und das tat sie.
Clemens nahm seinen Schlüssel vom Haken und hielt Constanze die Tür auf. Gemeinsam gingen sie hinaus.
Auch Lena machte sich zeitgleich auf den Weg. Sie war mit einer alten Freundin in der Stadt verabredet. Sie wollten einfach mal wieder ein bisschen über alte Zeiten quatschen. Das hatten sie schon lange nicht mehr gemacht. Solche Treffen mit alten Freundinnen mussten sich auf die Wochenenden, an denen sie ihre Eltern besuchte, beschränken. Beide waren beruflich eingespannt und hatten nicht viel Zeit für solche Aktivitäten. Es war pures Glück, dass Vanessa heute Nachmittag einen Termin in Bremen hatte und sie sich deshalb am Vormittag treffen konnten.
Lena verließ das Haus und schaute als erstes in den Himmel. Ein wunderschöner Tag. Strahlend blauer Himmel und die Sonne lachte, nur ein kleines Lüftchen wehte. Sie schaute sie hinüber zu Clemens Haus. Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür des Hauses und Clemens und Constanze kamen heraus. Sie stiegen in Constanzes Auto und fuhren davon. Lena schaute den beiden verdutzt hinterher. Wer war sie und warum kam sie lächelnd mit Clemens aus der Tür? Sie war ein bisschen schockiert. Aber was hatte sie erwartet? Da so ein Typ wie Clemens keine Freundin hat? Eigentlich sollte ihr das auch egal sein, aber das war es nicht, ganz im Gegenteil. Unwohlsein machte sich in ihrem Bauch breit und verdrängten die vielen kleinen Schmetterlinge, die noch zuvor bei seinem Anblick anfingen, wie wild zu flattern.
Sie stieg in ihren kleinen silbernen Corsa und fuhr los, mit den Gedanken noch immer bei Clemens und der jungen Frau.
Vanessa, Lenas Freundin, wartete schon in einem kleinen Cafe am Stadtrand. Lena hatte den Tipp von Petra bekommen, die sich dort auch öfter mit Freundinnen traf, um zu reden.
Lena parkte auf dem kleinen nahe gelegenen Parkplatz des Cafés. Als sie um die Ecke bog, sah sie Vanessa bereits draußen an einem der Tische. Lena setzte ein Lächeln auf, als sie ihre Freundin sah. Eigentlich war sie froh, dass die beiden sich gerade jetzt trafen, denn das war es, was sie jetzt brauchte. Sie umarmten sich zur Begrüßung. Nach einer Weile sinnlosen Smalktaks fragte Vanessa: „Was ist mit dir los? Du siehst so bedrückt aus?“ Lena schaute traurig auf den Fußboden. Sie spürte den Klos in ihrem Hals.
„Ach, na ja. Es gibt da diesen Typen…Clemens…..“ sagte sie kleinlaut.
„Und? Ist er dein Freund oder was?“
Lena grinste verschmitzt „Nein, das nun absolut nicht!“. Ihr Gesicht wurde ernster. Vanessa schauter sie verwundert an.
„Nun mal raus mit der Sprache!“ befahl sie ihrer Freundin. Lena zögerte ein wenig, bevor sie zu erzählen begann. Vanessa hörte gespannt zu.
„Ja, und eben, als ich los wollte, hab ich gesehen, wie er mit einer Frau aus dem Haus kam und ins Auto einstieg!“
„Oh!“ sagte Vanessa, etwas Besseres viel ihr dazu auf die Schnelle auch nicht ein.
„Du sagst es!“ entgegnete Lena, der die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben stand. Vanessa überlegte kurz und sagte dann: „Meinst du nicht, dass es besser wäre, das ganze zu vergessen? Ich meine noch ist nichts zwischen euch passiert. Dann lieber jetzt, bevor du dich da noch mehr reinsteigerst. So ein Typ der wird immer Weiber um sich haben. Denk mal drüber nach!“
„Wahrscheinlich hast du recht.“ antwortete Lena bedrückt. Sie wollte auch eigentlich gar nicht mehr darüber nachdenken müssen und vor allem nicht jetzt, da ihre beste Freundin schon mal hier war, und schnitt schnell ein neues Thema an. Der restliche Vormittag verging viel zu schnell. Vanessa musste zu ihrem Termin, aber die Freundinnen beschlossen, dass sie versuchen wollten, sich ab jetzt wieder öfter zu treffen.
„Wenn was ist, ruf mich einfach an okay? Egal wann!“ sagte Vanessa eindringlich zum Abschied. Lena nickte nur. Es tat gut zu wissen, dass sie jemanden hatte, der ihr den Rücken stärkte.
Als Lena wieder zu Hause war, blieb sie noch einen Augenblick in ihrem Auto sitzen und schaute zu Clemens Haus hinüber. Vanessa hatte Recht. Sie sollte ihn vergessen und das am besten jetzt sofort. Was hatte sie denn erwartet? Ihr hätte doch eigentlich klar sein müssen, dass die Frauen bei ihm Schlange stehen.
Eine Woche später war Lena mit Claus zum „Shooting“ verabredet. Er hatte so bei Thomas gedrängelt, bis Lena sich endlich hatte erweichen lassen. Sie wollten sich eine Stunde nach dem Spiel am Sonntag auf dem Platz im Stadion treffen. Lena war extra spät losgefahren, um Clemens nicht zu begegnen. Sie betrat das Stadion und ging die Tribüne hinunter. Unten wartete Claus schon ungeduldig.
„Da bist du ja endlich!“ rief er ihr freudig entgegen.
„Ja sorry, es war so viel Verkehr und ich war sowieso schon so spät dran!“ flunkerte sie. Sie gingen zusammen zum Tunnel, der zu den Kabinen führte. Lena gab Claus Anweisungen und knipste eifrig drauf los. Sie bemerkten nicht, wie sie von jemandem beobachtet wurden. Claus hatte Clemens voller Vorfreude berichtet, dass Lena heute noch vorbeikommt, um ihn zu fotografieren.
„Was machst du denn hier?“ fragte Peter und stellte sich neben Clemens. Sie standen am Rand des Fußballfeldes, so, dass Lena sie nicht sehen konnte.
„Nichts!“ antwortete Clemens ohne seinen Blick von Lena abzuwenden.
„Warum sagst du ihr nicht einfach was Sache ist!“ forderte Peter seinen Freund auf.
„Wieso? Was ist denn Sache?“ fragte Clemens gleichgültig.
„Nun komm schon. Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock was hier los ist. Du magst sie oder?“
Clemens antwortete nicht auf seine Frage. Er schaute noch immer wie hypnotisiert zu Lena und Claus.
„Komm, lass uns gehen!“ sagte er, vergrub die Hände in den Hosentaschen und wandte sich zum Gehen. Peter schaute ihm kurz nach bevor er ihm folgte.
Clemens und Constanze hatten ihren Job anscheinend gut gemacht. Peter hatte sie schon wieder gefragt, ob sie heute auf den kleinen aufpassen könnten. Er und Ulli müssten mal raus, hatte er gemeint, mal ein bisschen Zeit für sich haben. Allein wollte Clemens das jedoch nicht machen und so spannte er kurzer Hand seine Schwester mit ein. Sie kamen ein paar Minuten später bei Peter an, als ausgemacht. Peter wartete schon ungeduldig auf die beiden.
„Da seid ihr ja endlich. Ich hab schon gedacht, ihr kommt nicht mehr!“ freudig begrüßte Peter seinen Kollegen und dessen Schwester.
„Du weißt doch, dass du dich auf mich verlassen kannst!“ antwortet Clemens und ging Richtung Wohnzimmer, wo Peters kleiner Sohn wartete.
„Also“ begann Peter „Windeln sind neben der Wickelkommode, seine Flasche steht da vorne in der Küche und wenn….“
„Mach dir mal keine Sorgen!“ unterbrach Constanze ihn „wir kriegen das schon hin. Ist ja schließlich nicht das erste Mal. Genießt ihr mal euren Vormittag allein. Das habt ihr euch verdient!“
„Gut“ meinte Peter und verabschiedete sich von seinem Sohn und seinen Freunden. Sie hatten ja Recht. Nach neun Monaten nur zu Hause mit dem kleinen, mussten sie sich mal endlich wieder Zeit für sich nehmen. Er nahm seine Frau bei der Hand und sie verließen das Haus. Clemens war schon damit beschäftigt mit Noah zu spielen und Constanze gesellte sich zu ihnen in die Spielecke. Der Vormittag verlief ganz friedlich, abgesehen davon, dass Clemens sich vehement weigerte, Noah die Windel zu wechseln.
„Man Clemens, wenn du später mal Kinder hast, dann kommst du auch nicht drum herum!“ ermahnte ihn seine Schwester und wechselte Noah nebenbei gekonnt die Windel. Clemens stand nachdenklich neben ihr.
„Wenn es überhaupt mal so weit kommt!“ antwortete er „Dafür braucht man nämlich eine Frau weißt du!“
Er hatte gerade zu ende gesprochen, als sich die Haustür öffnete.
„Da seid ihr ja schon wieder. „ rief Constanze und setzte Noah auf den Boden, der schnurstracks zu seiner Mama krabbelte.
„Ja“ antwortete Ulli und nahm ihren Sohn auf den Arm „ich hab es nicht mehr ohne ihn ausgehalten.“
„Ihr müsst aber auch mal was ohne ihn machen“ riet Constanze und ging zu ihr.
„Ich weiß ja, aber das muss ich glaub ich langsam angehen. Immer mal ein bisschen. Aber jetzt reichts mir fürs erste.“
„Na ja, wenn ihr uns noch mal braucht, sagt einfach bescheid okay?“
„Danke Constanze. Lieb von dir. Wir kommen bestimmt noch mal drauf zurück.“
„So, Clemens! Wir müssen noch einkaufen. Wollen wir los?“ fragte Constanze ihren Bruder, der immer noch neben der Wickelkommode stand.
„Ja klar!“ antwortet er kurz und ging mit ihr zur Haustür.
„Du Clemens?“ rief Peter und ging hinter ihm her „Du kommst doch Samstag auch zu Tom zum Grillen oder?“
„Denke schon wieso?“
Peter zog seinen Freund ein bisschen zur Seite.
„Willst du nicht mal Lena fragen, ob sie mitkommen will? Ich meine, du bist der einzige, der immer alleine kommt.“
„Bitte was? Lena? Warum das denn?“ fragte Clemens entgeistert.
„Na warum denn nicht? Sie ist doch ganz nett oder? Und die anderen kennt sie schließlich auch.“
„Ne lass mal lieber. Ich glaube das ist keine gute Idee.“
„Ach komm schon. Ich frag sie auch. Du müsstest sie nur mitnehmen, schließlich seid ihr ja fast Nachbarn.“
„Was sind wir? Das wird ja immer schöner hier. Was redest du denn da? War der Kaffee nicht gut heute?“
Peter erklärte Clemens, dass er Lena letztens nach Hause gebracht hatte, als es nach dem Spiel so geregnet hatte und daher wusste, wo sie wohnt. Clemens war perplex. Da wohnt die doch tatsächlich gegenüber.
„Also ich ruf sie einfach mal an und dann sag ich dir bescheid. So nun aber mal los, nicht, dass ihr bald nix mehr im Kühlschrank habt.“ sagte Peter und drückt seinen Freund sanft Richtung Ausgang. Man verabschiedete sich und sie fuhren los. Als Constanze nach dem Einkaufen vor seiner Haustür einparkte, schaute Clemens neugierig auf die andere Straßenseite. Da wohnt sie also, dachte er sich und grübelte, wie lange das wohl schon so ist. Er selber wohnte nun seit fast zwei Jahren hier in der Gegend. Komisch, dass er sie noch nie getroffen hatte. Wobei er, wenn er rausging, allenfalls die drei Meter bis zu seinem Auto lief oder direkt vor der Tür abgeholt wurde.
„Clemens!“ schrie Constanze, die schon ausgestiegen war und am Kofferraum stand „kannst du mir jetzt bitte mal helfen? Die Kiste ist echt sau schwer!“
Clemens sprang aus dem Auto und trug den Kasten Mineralwasser ins Haus.
Peter saß derweilen zu Hause in der Küche am Tisch und starrte auf das Telefon. Gerade hatte er Thomas angerufen und ihn um Lenas Nummer gebeten. Natürlich hatte Thomas diese nicht so einfach rausgegeben. Er wollte genaue Hintergrundinformationen. Peter lenkte schließlich ein und berichtete von dem Shooting. Auch Thomas gab zum Besten, was sich an einem Freitagabend bei ihm zugetragen hatte. Die beiden Männer waren sich einig, dass sie der ganzen Sache ein wenig auf die Sprünge helfen mussten. Nun musst Peter Lena nur noch überreden, am Samstag mit zu Tom zukommen und er musste ihr erklären, dass Clemens sie abholen wird. Er atmete noch einmal tief durch und wählte Lenas Nummer.
„Hallo Lena? Hi! Hier ist Peter. Ich hab deine Nummer von Thomas. Wie gehts dir? Danke mir geht’s auch gut. Du sag mal, hast du am Samstagnachmittag schon was vor? Super! Hast du Lust mit zu Tom zum Grillen zu kommen? Ach´, ich lad dich doch jetzt ein. Komm schon, das wird lustig. Petra kommt auch. Und du kannst Noah und Ulli endlich kennen lernen. Gut! Du wirst um zwanzig vor drei abgeholt! Von wem? Ähm…lass dich überraschen. Bis dann!“ Peter legte auf und grinste.
„So, der erste Schritt wäre gemacht!“.
Es war halb drei und Lena ging unruhig in der Wohnung auf und ab. Warten war eigentlich gar nicht ihre Stärke. Sie machte sich Gedanken, wer alles da sein würde und plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihre Kamera mitnehmen wollte. Bei solchen Treffen springen bestimmt ein paar Schnappschüsse raus, dachte sie und ging zurück ins Wohnzimmer, um ihre Kameratasche zu holen. Da klingelt es. Lena ging zu Gegensprechanlage „Ja bitte?“
„Schuttleservice!“ sagte der junge Mann unten vor der Haustür.
„Ich komm runter!“ antwortete sie, schnappte ihre Tasche und ihren Schlüssel und machte sich auf den Weg.
Clemens trat unten nervös von einem Fuß auf den anderen, als Lena die Tür öffnete und ihn verdutzt anschaute. Ach du Schande! Der?, dachte sie und versuchte sich zu fangen.
„Hallo!“ begrüßte sie ihn freundlich, ohne sich anmerken zu lassen, dass sie lieber zu Fuß gegangen wäre, als mit ihm mitzufahren. Sie hatte doch gerade damit angefangen diesen Typen abzuschreiben, was ihr wirklich nicht leicht gefallen war, und dann platzte er wieder einfach so ihn ihr Leben.
„Hi! Können wir los?“
„Klar!“
Sie überquerten die Straße und gingen zu seinem Auto. Lena fiel auf, dass er den gleich Wagen wie Peter fuhr.
„Kriegt man so ein Auto, wenn man bei gut Fußball spielt? Dann fang ich jetzt auch damit an!“. Clemens musste schmunzeln bei dem Gedanken und erklärte ihr, dass er und Peter sich zeitgleich ein neues Auto gekauft hatten, ohne zu wissen, dass sie sie sich für den gleichen Wagen entschieden hatten. Sie stiegen ein und Clemens fuhr los. Schweigen machte sich breit.
„Wie lange wohnst du denn schon in deiner Wohnung? Ich meine, wir haben uns vorher noch nie gesehen oder?“ fragte Clemens plötzlich.
„Ach, so anderthalb Jahre sind es jetzt schon.“
„Wirklich? Ich wohne hier auch schon zwei Jahre und seit einem Jahr nicht mehr alleine.“ Lena stockte der Atem. Genau in diesem Moment merkte sie, dass er ihr doch noch nicht so gleichgültig war, wie sie gehofft hatte.
„Aha“ brachte sie knapp hervor. Wollte er ihr jetzt etwa von seiner Freundin vorschwärmen? Wenn er damit jetzt anfängt, dann springe ich augenblicklich aus dem fahrenden Auto, dachte sie, das muss ich mir echt nicht anhören.
„Ja, ja“ sagte er „Meine Schwester Constanze wohnt seit einem Jahr bei mir. Sie schreibt ihre Diplomarbeit hier in Bremen!“ Schwester? Hatte sie gerade richtig gehört? Ein Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit.
Ein wenig interessierter fragte sie nach und Clemens erzählte ihr von seiner Schwester. Schnell war die Zeit vorbei und Clemens parkte den Wagen bei Tim vor der Tür. Sie stiegen aus und gingen durch einen schmalen Gang zwischen Haus und Garage in den Garten, wo die anderen Gäste schon warteten. Ein raunen ging durch die Menge. Die allgemeine Begrüßung begann. Tim, Per und Thorsten tuschelten ein wenig, als Clemens sich dazugesellte. Alle drei grinsten ihn an.
„Na? Wo hast du die denn die ganze Zeit versteckt?“ zog Tom ihn auf.
„Ach, hör auf!“ entgegnete Clemens „ ihr benehmt euch wie Teenager. Er ging zum Tisch und setzte sich auf einen der Gartenstühle und plauderte mit Toms Frau. Auch Lena hatte sich an den großen Tisch neben Petra gesetzt und wirkte zufrieden. Kurz darauf war das Essen fertig. Alle saßen essend am Tisch als Tom sich Lena wandte: „Und du machst also so tollte Fotos ja?“
„Ja, ich möchte behaupten, dass sie nicht schlecht sind!“ antwortete Lena kess. Alle hörten gespannt zu.
„Und warum meinst du, dass du besser bist als alle anderen? Oder warum man dich beauftragen sollte?“
„Ist das hier ein Vorstellungsgespräch oder was?“ fragte sie „Ich hab nie gesagt, dass ich besser bin als andere. Aber anders.“
„Aha, nenn mir doch mal ein Beispiel!“ forderte er sie auf.
Sie dachte nach. Jetzt war Spontanität gefragt, dachte sie und hatte eine sogleich auch eine Idee.
„Pass auf!“ sagte sie „Ich setz dir sogar ne Bratwurst in Szene!“ fragend sah Tom sie an.
„Ich zeigs dir!“ Sie forderte Tom auf aufzustehen und drückte ihm eine der Bratwürste in die Hand. Gelächter machte sich breit. Sie gab Tom immer wieder Anweisungen was er machen sollte und fotografierte munter drauf los. Schließlich schaute sie auf das Display ihrer Kamera und schaute kurz die zuvor gemachten Bilder an. Dann lächelte zufrieden und rief:
„Ich habs!“. Gespannt schaute Tom auf das Display.
„Wow! Für ne Bratwurst nicht schlecht!“ sagte er und gab die Kamera weiter. Alle schauten neugierig auf das Foto.
„Der Bratwursthalter war aber auch nicht schlecht. So, glaubst du mir nun?“ fragte sie Tom
„Na gut! Eins zu Null für dich“ sagte er und hob sein Hand zu einem High Five. Lena schlug ein. Von irgendjemanden kam die Idee, dass man doch noch ein paar Gruppenfotos als Erinnerung an den Nachmittag machen sollte. Lena war einverstanden und fotografierte, was das Zeug hielt.
„Du musst aber auch mit auf ein Gruppenfoto!“ sagte Peter plötzlich „Gib mal deine Kamera her, ich mach mal weiter!“
„Aber vorsichtig sein okay?“ sagte Lena.
„Klar doch! Stell dich mal da vorne neben Clemens!“ Lena folgte Peter´s Anweisungen, was ihr ganz recht war. So war es wenigstens nicht ihre Idee sich neben Clemens zu stellen.
„Alle noch mal ein bisschen näher zusammenrücken bitte!“ forderte Peter alle auf. Clemens rückte noch ein Stück näher an Lena heran. Er kannte es so nah neben „fremden“ Frauen zu stehen. Ständig wollen die weiblichen Fans Fotos mit ihm machen, aber neben Lena zu stehen war irgendwie anders.
Peter zog Clemens nach dem Foto sanft zur Seite.
„Und?“ fragte er neugierig
„Was und?“ entgegnete Clemens
„Bist du jetzt schon weiter gekommen?“
„Wovon sprichst du Peter?“
„Ach Clemens. Nun versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen. Ich rede von Lena alter. Geh mal ein bisschen ran, wenn das in diesem Leben noch was werden soll! Das mit dem Fußballer kann sie doch nicht ernst gemeint haben.“
„Woher weißt du…?“Clemens stockte „Ja klar, Thomas das kleine Plappermaul. Man kann hier auch echt keinem mehr was sagen!“
„Hey nu hör mal auf. Wir wollen dir doch nur helfen.“
„Ich brauch eure Hilfe nicht. Vielen Dank auch!“ Clemens drehte sich wütend um und ging zu Lena
„Clemens nun warte doch! War nicht so gemeint!“ rief Peter seinem Freund hinterher.
„Lass gut sein Peter!“ schrie Clemens und wandte sich an Lena „Soll ich dich mitnehmen? Ich möchte jetzt gerne fahren.“ Lena war fast ein wenig erschrocken.
„Ähm, ja. Ich komm mit!“
„Tschüss Leute! Wir sehen uns morgen!“ sagte Clemens so freundlich wie es nur ging und klopfte auf den Tisch. Dann waren er und Lena verschwunden.
„Was war das denn?“ fragte Tom, als Peter sich wieder zu ihm an den Tisch setzte.
„Ach, keine Ahnung. Ist auch egal. Sag mal, wie war das eigentlich bei euch so, als euer kleine Anfing zu laufen?“ fragte Peter, um schnell das Thema umzulenken.
Clemens und Lena saßen schweigend im Auto. Lena traute sich nicht zu fragen, was eben los war. Zu groß war ihre Angst, dass sie als nächstes seine schlechte Laune abkriegen könnte.
„Schaust du eigentlich gerne Filme?“ fragte er plötzlich. Ich hab mir letztens Transporter 3 gekauft. Ich glaub den schau ich mir gleich noch an, ist ja erst neun Uhr. Also wenn du Lust hast….ich meine wenn dich so ne Filme interessieren?“ Clemens schaute zu ihr herüber.
Lena zögerte einen Moment. Eigentlich war sie ganz schön K.O., aber so ein Angebot konnte sie wohl kaum ausschlagen. Sie hatte es schließlich später auch nicht so weit nach Hause, also stand dem eigentlich nichts im Weg.
„Gerne!“ antwortete sie und sah, wie Clemens zufrieden lächelte.
Als er eingeparkt hatte stiegen sie aus und gingen ins Haus.
„Hallo Brüderchen!“ begrüßte Constanze ihn freudig. Sie hatte Lena noch nicht gesehen, die genau hinter Clemens durch die Tür kam.
„Bist du schon wieder da? Es ist doch noch so früh. Ich dachte…..“ sie stockte als sie Lena sah. „Ach, hallo! Ich bin Constanze, Clemens Schwester.“ Sie ging auf Lena zu und reichte ihr die Hand.
„Hallo ich bin Lena.“ antwortete sie verlegen und schüttelte ihre Hand. Clemens rettete die Situation: „Also bei Tom war es total langweilig. Wir wollen uns jetzt noch nen Film ansehen...“ drängend sah er seine Schwester an. Diese begriff sofort die Situation und unterbrach ihn gekonnt.
„Ja ich muss jetzt auch mal weitermachen. Muss noch ein bisschen was recherchieren! Schönen Abend euch noch“ sagte sie und ging nach oben in ihr Zimmer. Clemens ergriff die Gelegenheit beim Schopf und ergriff Lenas Hand. Damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. Er ging mit ihr ins das großzügige Wohnzimmer, das geschmackvoll eingerichtet war. Auf der linken Seite befand sich ein moderne Anbauwand mit einem riesigen Fernseher, einer Dolby-Soround-Anlage und jede Menge DVDs. Mitten im Raum stand ein großes weißes Ledersofa und ein dazu passender Sessel und ein Tisch. Überall im Raum verteilt waren passen abgestimmt Accesoirs. Direkt an das Wohnzimmer angrenzend befand sich die Küche. Auch diese war modern eingerichtet. Fast hätte man denken können, man stehe in Mitten eines Möbelhauses, wenn nicht hier und da ein paar Fotos und persönliche Dinge daran erinnert hätten, das hier wirklich jemand wohnte. Lena genoss die Führung, wenngleich das auch damit zu tun hatte, dass Clemens noch immer ihre Hand hielt. Sie wollte ihn am liebsten gar nicht mehr loslassen.
„Ja und oben ist dann noch das Badezimmer und die Schlafzimmer. Nichts spektakuläres also.“ sagte er und ließ nur widerwillig ihre Hand los, um die DVD von einem der Regale zu holen. Lena machte es sich auf dem Sofa bequem. Clemens setzte sich neben sie. Einen Moment saßen sie so da, ohne ein Wort zu wechseln. Sie schauten stumm auf den Fernseher, wo schon der Film lief. Dann stand Clemens auf und ging in die Küche, um etwas zu trinken und Popcorn zu holen. Er stellte die Gläser auf den Tisch und holte eine Schale aus dem Schrank neben dem Fernseher, in die er das Popcorn füllte.
„Brauchst du noch irgendetwas?“ fragte er ein weinig aufgeregt.
„Was denn bitte? Taschentücher für die vielen Liebesszenen?“ fragte sie lachend „Nun setz dich endlich hin.“ Clemens drehte noch schnell das Licht herunter und setzte sich neben sie, diesmal ein Stückchen näher. Lena, die rechts neben ihm saß, hob seinen rechten Arm hoch. Er sah sie verwundert an, ließ sie aber dennoch weitermachen. Sie rückte ganz nah an ihn heran, legte ihren Kopf auf seine Brust und legte seinen Arm auf ihre Schulter. Sie konnte hören, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. Wieder sagten sie kein Wort, sondern schauten starr Richtung Fernseher. Clemens war aufgeregt. Lange hatte er nicht mehr so mit einer Frau auf dem Sofa gesessen. Es fühlte sich gut an und er beschloss, die Situation einfach zu genießen. Der Film war fast zu Ende, als er ihr sanft über den Kopf streichelte. Keine Reaktion. Vorsichtig beugte er sich ein wenig nach vorne, um ihr Gesicht sehen zu können. Sie war eingeschlafen. In dem Moment kam Constanze aus ihrem Zimmer, blieb im Türrahmen des Wohnzimmers stehen und lächelte zufrieden.
„Das ist also der Grund für deine Stimmungsschwankungen?“
„Pss!“ zischte Clemens und versuchte aufzustehen, ohne dass er Lena aufweckte „Hilf mir lieber mal. Was soll ich denn jetzt machen?“ fragte er ein wenig hilflos.
„Warte!“ befahl Constanze und eilte zu ihm. Zusammen schafften sie es, Lena auf das Sofa zu legen, ohne sie aufzuwecken. Clemens nahm die schwarze Wolldecke vom Sofarand und deckte sie zu. Dann ging er mit Constanze in die Küche. Sie lehnte sich gegen die Küchenzeile und grinste ihren Bruder an.
„Ist was?“ fragte er.
„Nö! Warum?“
„Na weil du mich so dämlich angrinst!“
„Ist das deine Freundin?“ fragte sie erwartungsvoll.
„Äh, nein! Also ich weiß nicht…ich….“ Clemens stockte.
„Aha. Was denn dann? Ich meine, man sitzt ja nicht mit einer guten Bekannten so auf dem Sofa oder?“
„Mein Gott noch mal! Soll ich ihr vielleicht nen Zettel hinlegen mit „Willst du mit mir gehen? Kreuze an!“ oder was? Ich hab keine Ahnung was das ist oder wird, aber wenn ich es weiß, werde ich dir natürlich als erstes bescheid geben Schwesterchen!“
„Sei doch nicht gleich so genervt! Ich hab doch nur gefragt!“ sagte sie ein wenig angesäuert.
„Ich geh jetzt schlafen! Ich hab morgen ein wichtiges Spiel. Gute Nacht! Und mach dir nicht zu viele Gedanken um andere Leute!“ sagte er, drehte sich um und verließ die Küche.
Clemens dachte über Constanzes Worte nach. Sie hatte ja Recht, aber was war das zwischen ihnen und was sollte es werden? Er wusste es nicht, aber er wusste, dass er gerne in ihrer Nähe war.
Lena wurde von dem frischen Duft von Kaffee geweckt. Langsam öffnete sie ihre Augen und schaute sich um. Sie war nicht zu Hause, so viel stand fest. Dann fiel es ihr ein. Sie war gestern noch mit zu Clemens gefahren und anscheinend auf dem Sofa eingeschlafen. Wie peinlich, dachte sie, und richtete sich langsam auf.
„Guten morgen Schlafmütze! Es ist schon neun Uhr!“ Lena drehte ihren Oberkörper Richtung Küche.
„Guten Morgen“ begrüßte sie Clemens und lächelte ihn an. Clemens lächelte ebenfalls. Wieder kamen seine Grübchen zum Vorschein, die seinem Gesicht noch mehr Ausdruck verliehen und ihr Herz noch ein Stückchen höher schlagen ließen.
„Warum hast du mich denn nicht geweckt gestern Abend? Ich wollte doch eigentlich nach Hause gehen!“ fragte sie, als sie bereits auf dem Weg zu ihm in die Küche war.
„Ist mein Sofa so unbequem? Du hast so schön geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken! Sorry!“ antworte er „Willst du noch schnell mit frühstücken? Ich will dich ja nicht rauswerfen, aber ich muss dann nämlich bald los. Heute ist ein echt wichtiges Spiel.“
„Ne danke. Ich muss mal langsam nach Hause. Ich brauch erst mal ne Dusche.“ Sie ging zurück ins Wohnzimmer und nahm ihre Tasche vom Sofa. Dann ging sie zur Tür. Clemens folgte ihr. An der Tür dreht sie sich zu ihm und gab ihm ein Küsschen auf die Wange.
„Dank für den schönen Abend. Viel Glück heute.“ sagte sie, drehte sich um, öffnete die Tür und ging hinaus. Clemens stand verwundert da und konnte nicht einmal ein „Tschüss“ herausbringen. Erst Constanze riss ihn aus seiner Trance. Sie stand neben ihm auf der Treppe und klatschte vor Freude leise in die Hände.
Clemens kam so zufrieden zum bevorstehenden Spiel wie lang nicht mehr. Er ging in die Umkleidekabine, wo die anderen Spieler schon warteten.
„Ah! Der Herr kommt auch noch!“ rief Tom ihm entgegen. Clemens ging zu seinem Platz und begrüßte alle mit einem freundlichen Hallo. Dann wandte er sich Peter zu.
„Sorry wegen gestern.“ sagte er „Ich weiß auch nicht was los war“.
„Schon gut Alter!“ antwortete Peter und lächelte seinen Freund an. Tom hatte sich zu ihnen gesellt.
„Du bist ja so fröhlich heute. Ging da etwa noch was zwischen dir und Lena? Du hast sie doch nicht nur nach Hause gefahren oder?“ fragte er.
„Das wüsstest du wohl gerne was Tom?“ entgegnete Clemens trocken „Betriebsgeheimnis“ sagte er und lachte.
„Also ja! Hab ichs doch gewusst!“
„Wenn du meinst. Denk doch was du willst.“ antwortete er und zog sich um. Peter war genau so gespannt zu hören was gestern noch passiert ist wie Tom, aber er wusste, dass Clemens ihm das früher oder später schon erzählen würde und hakte deshalb nicht weiter nach.
Lena hatte, als sie zu Hause war, schnell geduscht, damit sie so schnell wie möglich Vanessa anrufen konnte. Schließlich musste sie ihrer besten Freundin sofort von dem gestrigen Abend erzählen.
Sie nahm das Telefon von der Station und wählte ihre Nummer.
„Ja?“ meldete sich Vanessa gelangweilt
„Hi süße, ich bins!“
„Na? Alles klar bei dir? Was gibt’s denn?“
„Bei mir ist alles klar. Und bei dir?“
„Ja auch soweit. Was ist denn los? Du klingst so freudig.“
Lena begann zu erzählen. Sie fing ganz von vorne an, als Peter sie angerufen und eingeladen hatte, wer sie abgeholt hatte und dass sie bei Tom beim Grillen waren. Vanessa hörte gespannt zu und brachte zwischendurch nur immer ein kurzes „Aha“ oder „Echt jetzt“ hervor.
Dann kam Lena zu der Stelle der Geschichte, als Clemens und sie das Haus betraten und sie Constanze kennenlernte.
„Und dann?“ fragte Vanessa gespannt.
Lena fuhr fort. Händchenhalten, kuscheln…bis hin zum heutigen morgen.
„Und dann hab ich ihm einen Kuss auf die Wange gegeben und ihm viel Glück für das Spiel gewünscht und bin gegangen.“ berichtet sie stolz.
„Das hast du nicht oder? Oh mein Gott!“. Vanessa konnte gar nicht fassen, was Lena ihr da erzählt hatte. Noch vor kurzem hatte sie ihr geraten ihn zu vergessen und jetzt das.
„Und wie geht’s nun weiter? Wann seht ihr euch wieder?“
Lena zögerte.
„Ich weiß nicht.“ sagte sie vorsichtig. Darüber hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht. „Ich lass das mal auf mich zukommen. Eigentlich wäre er jetzt an der Reihe, den nächsten Schritt zu machen.“
„Na das seh ich aber auch so.“ sagte Vanessa und lachte. Kurz darauf verabschiedeten sie sich und beendeten das Telefonat.
Lena machte sich widerwillig an die Arbeit. Sie musste noch eine Recherche ausarbeiten. Das Wetter war heute wieder so schön, dass sie beschloss, die wohl letzten Sonnenstrahlen des Jahres auf ihrer Dachterrasse zu genießen, schließlich war bereits Ende Oktober und der Winter nicht mehr weit. Sie zog sich eine Jacke über und schnappte ihren Laptop. Dann machte sie es sich auf einem Stuhl über den Dächern von Bremen gemütlich und begann zu schreiben.
In den darauf folgenden Tagen hatte die Arbeit sie voll im Griff. Sie mächtig viel zu tun mit den unzähligen Interviews und Spielberichten, ganz zu schweigen von den anderen Sportarten, die auch noch mit dem ein oder anderen Artikel berücksichtigt werden wollten. Erschöpft ließ sie sich nach der Arbeit auf ihr Sofa fallen. Erst jetzt realisierte sie, dass seit dem letzten Zusammentreffen mit Clemens schon fast eine Woche vergangen war. Sie hatte keine Telefonnummer von ihm und er auch nicht von ihr. Aber wenn es ihm wirklich ernst wäre, dachte sie, dann kann er doch auch Thomas oder Petra nach meiner Handynummer fragen. Es klingelte an der Tür. Lena stand auf und ging zur Gegensprechanlage.
„Ja bitte?“ sagte sie und ließ gleich darauf den kleinen Knopf wieder los, um zu hören, was ihr Gegenüber sagt.
„Hi ich bins“ antwortet eine männliche Stimme, die ohne Zweifel die von Clemens war. Geht doch, sagte sie zu sich und betätigte wieder die Gegensprechanlage.
„Komm rein, 6. Stock!“ sagte sie und drückte auf den Türöffner. Kurz darauf kam Clemens an der Wohnungstür an, wo Lena schon ungeduldig aber lächelnd wartete. Wieder feierten die Schmetterlinge in ihrem Bauch eine Party. Sie merkte, dass er ihr gefehlt hatte.
„Man, was hat dich denn bitte geritten in den sechsten Stock zu ziehen?“ fragte er.
„Dachterrasse!“ antwortete sie trocken.
„Das ist mal ein Argument.“ entgegnete er lächelnd und trat ein.
„Ich wollte eigentlich schon viel früher rüberkommen, aber ich hatte so viel um die Ohren in den letzten Tagen….“ fing er an sich zu rechtfertigen.
„Schon gut“ unterbrach sie ihn „bei mir war es genauso stressig.“
„Also warum ich eigentlich hier bin“ sagte er und hatte wieder sein schönstes Lächeln aufgesetzt „Wir haben nächst Woche ein Spiel gegen Erfurt, meinen Heimatverein. Hast du vielleicht Lust mitzukommen? Natürlich in journalistischer Hinsicht meine ich!“
Ach, deswegen war er gekommen, dachte sie, und machte einen etwas enttäuschten Gesichtsausdruck, der auch Clemens nicht entging.
„Ich muss mal mit meinem Chef sprechen“ antwortet sie flüchtig und drehte sich um, um in die Küche zu gehen.
Clemens packte sie an der Hand und riss sie wieder herum, so dass sie ganz dicht vor ihm stand. Ihre Hand hielt er hinter seinem rücken fest und schaute zu ihr herunter.
„Ich würde mich freuen, wenn du mitkommst.“ sagte er und schaute ihr tief in die Augen. Ihre Knie wurden weich.
„Ich muss sehen was sich machen lässt!“ hauchte sie und löste sich von ihm.
„Möchtest du auch einen Tee?“ fragte sie und stellte den Wasserkocher an.
„Ähm“ begann er zu stottern „nicht böse sein, aber ich muss eigentlich schon wieder los.“
Na toll, da war er nun endlich mal hier und dann muss er schon gleich wieder los. Wie genial ist das denn? Wenn ich jemanden besuchen komme, dachte sie sich, dann bring ich auch mehr als fünf Minuten Zeit mit. Sie hängte einen Teebeutel in ihre Tasse.
„Achso. Na dann.“ antwortet sie ein wenig genickt und goss das inzwischen heiße Wasser in Tasse.
„Ich lass dir noch schnell meine Handynummer hier. Hast du was zu schreiben?“ Lena holte einen Zettel und einen Stift aus der Schublade und legte es Clemens kommentarlos vor die Nase auf den Küchentisch. Er kritzelte etwas auf den kleinen gelben Zettel.
„Also, du meldest dich dann?“ fragte er bittend.
„Mh“ antwortete sie ein wenig abwesend. „Wann ist das denn überhaupt?“
„Also am Dienstag ist das Spiel. Ich wollte aber gerne schon am Montagmorgen losfahren. Wenn ich schon mal wieder da bin, muss ich mich mal schnell bei meinen Freunden blicken lassen. Ich nehm dich dann selbstverständlich mit und um die Unterkunft brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen.“
„Na gut ich kläre das und dann melde ich mich bei dir.“ sagte sie. Die Verabschiedung fiel dieses mal weniger herzlich aus. Es gab kein Küsschen, keine Umarmung oder der gleichen. Clemens stürmte die Treppe hinunter und winkte nur flüchtig. Lena schloss die Tür hinter sich. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. In dem einen Moment reist er sie an sich und im nächsten Moment reicht es nicht mal mehr für eine kleine Umarmung zum Abschied. Sie wurde wütend. Was ist das hier bitte, dachte sie, ich bin doch echt im falschen Film oder? Sie ging zurück in die Küche und nahm den Teebeutel aus der Tasse. Erst jetzt schaute sie auf den kleinen Zettel auf dem Tisch. Darauf stand seine Handynummer und darunter ganz klein und gedrängt „Bitte komm mit. Ich würde mich wirklich freuen. Kuss Clemens.“
Lena stockte der Atem. Dieses kleine Stück Papier machte alles vergessen, was sie noch eben so aufgeregt hatte. Schnell griff sie zum Telefon und rief ihren Chef an. Sie berichtete ihm von dem Spiel in Erfurt. Lenas Chef war gar nicht davon begeistert, ein paar Tage auf eine seiner besten Leute, wie er sie betitelte, zu verzichten, lenkte aber trotzdem ein, nachdem Lena ihm versichert hatte, weiter ihrer Arbeit nachzugehen und ihm den Artikel sofort als Mail zu schicken, damit sie ihn als erstes online hatten Das überzeugte ihn dann doch. Lena legte auf und tanzte freudig durch das Wohnzimmer. Nun musste sie nur noch Clemens bescheid sagen. Sie nahm ihr Handy und begann eine Sms zu schreiben:
„Also das mit Erfurt geht klar.
Der Chef ist begeistert.
Küsschen. Lena.“
Ein paar Sekunden später kam die sms bei Clemens an. Schon verrückt über die kurze Distanz so zu kommunizieren dachte er, als er die sms gelesen hatte. Er überlegte einen Augenblick, dann schrieb er zurück:
„Super, ich freu mich riesig.
Treffen uns dann am Montag um halb acht unten.
Schlaf gut und träum süß.“
Lena musste schmunzeln.
„Ich hoffe, ich träum von dir“
schrieb sie schnell zurück, bevor sie ihr Handy ausmachte. Eine Antwort darauf wollte sie gar nicht haben.
Es ist 7:28 Uhr am Montag. Lena verlässt hastig ihre Wohnung und rennt die vielen Treppen hinunter zum Ausgang. Unten angekommen reißt sie die Tür auf und schaut als erstes auf die andere Straßenseite. Clemens wartet schon in seinem Wagen. In normalem Tempo überquert sie die Straße. Clemens hatte sie inzwischen gesehen und war ausgestiegen. Er umarmt sie zur Begrüßung und öffnet den Kofferraum. Lena stellt ihre Reisetasche hinein und schloss ihn wieder. Dann stieg sie ins Auto. Clemens stieg ebenfalls ein, schnallt sich an und fährt los. Betretenes Schweigen. Lena traut sich nicht etwas zu sagen. War ihre letzt sms vielleicht doch nicht ganz angebracht? Aber die Ereignisse der letzten Zeit deuteten ja nun eindeutig nicht darauf hin, dass er sie nicht mochte. Schließlich rang sie sich doch dazu durch den Anfang zu machen:
„Wann geht’s denn morgen los?“ frage sie.
„Anpfiff ist um 15:30 Uhr.“ antwortet er.
„Mh“ entgegnete sie kurz und schaute dann aus dem Fenster. Was ist dem denn für ne Laus über die Leber gelaufen, dachte sie, der hat ja mehr Stimmungsschwankungen als ne Schwangere.
„Entschuldige“ sagte er nach einer Weile „Das Spiel gestern ist echt schlecht gelaufen. Irgendwie harmoniert es im Moment nicht zwischen uns allen. Ich hab das Gefühl, jeder versucht sein eigenes Ding durchzuziehen.“ Er blickte weiter nach vorne auf die Straße und klagte Lena sein Leid.
Lena wusste nicht was sie sagen sollte. Gerne wollte sie ihn aufmuntern, ihm gut zureden. Wieder herrschte Schweigen.
Clemens drehte das Radio lauter. Lena sah zu ihm rüber. Noch immer schaute er nachdenklich drein. Fast eine ganze Stunde war vergangen, ohne dass sie miteinander geredet hatten. Lena war nicht böse darüber. Sie hatte ihren Kopf gegen die Fensterscheibe gelehnt und war eingeschlafen. Clemens bemerkte es erst jetzt und sagte lächelnd: „Aufwachen Dornröschen! Wir sind bald da!“
Lena schreckte augenblicklich hoch und ihr stieg ein wenig die Röte ins Gesicht.
„Kommst du nachher mit?“ fragte nach ein paar Minuten der Stille weiter.
„Wohin?“
„Ich treff mich mit ein paar alten Freunden. Die würden dich sicher gerne kennenlernen.“ Lena überlegte einen kurzen Moment.
„Ich wollt mir eigentlich ganz gerne die Stadt ansehen wenn ich schon mal hier bin. Wer weiß, wann ich mal wieder herkomme.“ antwortet sie schnell „Ich kann sie doch auch noch morgen beim Spiel kennenlernen oder?“
„Klar“ antwortet Clemens ein wenig enttäuscht. Lena hätte nicht gedacht, dass es ihm so wichtig war, aber so lange sie nicht wusste, woran sie nun bei ihm wirklich war, wollte sie solche Zusammentreffen lieber meiden. Was wollte er ihnen denn erzählen wer sie ist, dachte sie. Wieder schwiegen sie sich an.
„So, nun sind wir gleich da!“. Clemens fuhr die Auffahrt zu dem kleinen Einfamilienhaus hinauf.
„Aha.“ Lena war verwirrt. Wo zum Teufel hatte er sie denn jetzt hingebracht. Clemens hatte derweil schon den Wagen abgestellt und stieg aus. Vorsichtig stieg auch Lena aus und schaute sich um. Es war schön hier.Im Garten rund um das Haus blühten viele Blumen und Büsche. Lena wusste gar nicht, dass es um diese Jahreszeit noch so viele schöne blühende Blumen gab. Clemens ging zur Haustür, die sich schon öffnete. Eine Frau trat heraus und begrüßt Clemens überschwänglich.
„Darf ich vorstellen“ sagte er an Lena gerichtet „Meine Mutter“. Lena musste sich zusammenreißen, um nicht loszuschreien. Freundlich begrüßte auch sie dann seine Mutter und sie gingen ins Haus. Lena war nervös. Das hätte er mir auch mal vorher sagen können, dachte sie ärgerlich, nimmt der mich einfach so mit zu seinen Eltern. Das macht man doch nicht.
Doch irgendwie bewältigte sie auch diese Herausforderung. Eigentlich waren seine Eltern ja auch ganz nett. Sie saßen zusammen in der Küche, als Lena Clemens in einer stillen Sekunde fragte, wann sie denn in die Stadt oder besser gesagt, ins Hotel fahren würden.
Clemens flüsterte:
„Hotel? Na wenn es das ist was du willst! Willkommen im Hotel Mama!“ er lächelte und zwinkerte ihr zu. Na Prima, dachte sie. Das ist ja ein Volltreffer. Da fährt sie mit ihm hier her, besucht seine Eltern und dann soll sie auch noch dort übernachten. Das ist ein bisschen viel für den Anfang, wobei sie nicht mal sicher war, ob es nun überhaupt einen Anfang gab. Sie wollte sich aber nicht darüber aufregen, Clemens zu liebe. Sie sah, wie viel ihm seine Familie bedeutet. Außerdem wurde sie hier gut angenommen, wobei keiner der Anwesenden genau wusste, wer sie denn nun eigentlich war. Clemens hatte sie nur als Lena vorgestellt und es wurde auch nicht weiter nachgehakt. Man hatte nur darüber gesprochen was sie beruflich macht und woher die beiden sich kennen.
„So, nun lass uns mal in die Stadt fahren, sonst ist gleich der ganze Tag vorbei.“ forderte Clemens am frühen Nachmittag auf. Lena hatte gar nicht mitbekommen, wie die Zeit vergangen war, so nett waren die Gespräche gewesen.
Sie verließen das Haus, als sie sich von seinen Eltern verabschiedet hatten und fuhren in die Erfurter Innenstadt. Dort angekommen hielt Clemens auf einem kleinen Parkplatz an.
„Und du willst dir wirklich alleine die Stadt anschauen und nicht lieber mitkommen. Das wird bestimm lustig.“
„Triff du dich mal in Ruhe mit deinen Freunden. Ich schau mich hier ein bisschen um, mach ein paar Fotos oder so. Wir treffen uns dann später bei deinen Eltern ja? Ich fahr dann mit dem Taxi dort hin, wenn ich hier fertig bin. Hausnummer 35 war richtig oder?“
„Ja, 35 ist korrekt. Na, ja wenn du meinst. Ich wünsch dir viel Spaß und pass auf dich auf ja?“ ermahnte er sie.
„Keine Angst, mich klaut schon keiner. Und wenn doch, dann bringen die mich freiwillig wieder zurück das schwör ich dir“ lachte sie und drehte sich nach rechts um die Autotür zu öffnen. Sie wollte gerade aussteigen, als Clemens sie aufforderte zu warten. Lena drehte sich wieder zu ihm. Er beugte sich ein wenig zu ihr rüber, eine Hand am Lenkrad, die andere legte er in Lenas Nacken. Sanft zog er ihren Kopf immer näher an seinen heran. Sie schauten sich tief in die Augen. Lenas Herz klopfte immer lauter und schneller und auch Clemens Herz war kurz davor sich zu überschlagen. Ihre Lippen berührten sich gerade für eine tausendstel Sekunde, als jemand schrie: „Ey, habt ihr kein zu Hause oder was? Das ist ja ekelhaft.“ Clemens schreckte auf und sah sich um. Direkt vor dem Auto stand Marco.
„Ey Engel….lange nicht gesehen!“ Clemens sprang förmlich aus dem Auto und begrüßte seinen alten Freund.
„Lena, das ist Marco Engelhard. Mein wohl bester und ältester Freund. Marco, das ist Lena“ Lena sah Clemens verblüfft an. Wieder wurde kein Wort darüber verloren, in was für einem Verhältnis sie und Clemens zueinander stehen. Viel zu perplex war sie von den Geschehnissen, als das sie sich darüber jetzt aufregen könnte. Auch sie stieg aus dem Auto aus und begrüßte Marco. Nach und nach trafen auch die anderen Freunde am Treffpunkt ein.
Nachdem alle permanent auf sie einredeten mitzukommen, willigte Lena schließlich ein. Der Nachmittag verging schnell und die Freunde beschlossen, das Treffen noch ein wenig auszuweiten und noch etwas Essen zu gehen. Mittlerweile war es kurz nach zehn. Clemens verabschiedete sich nur ungern von seinen Freunden, aber morgen musste er fit sein für das Spiel. Sie hatten gerade das Restaurant verlassen, da nahm Clemens wieder Lenas Hand. Nah ein paar Metern weiter beim Auto angekommen. Clemens lehnte Lena mit dem Rücken gegen die Beifahrertür seines Wagens. Er stand so dicht vor ihr, dass sie sein Herz schlagen hören konnte. Er legte seine Hände um ihre Hüften und schaute abermals tief in die Augen.
„Ich muss da noch was zu Ende bringen“ hauchte Clemens. Leicht neigte er seinen Kopf und seine Lippen kamen immer näher an Lenas Lippen heran bis sie sich endlich berührten. Wieder war es Marco der die Zweisamkeit störte. Dies mal jedoch nicht durch einen gekonnten Kommentar, sondern dadurch, dass er genau im richtigen Moment den Auslöser an Lenas Kamera betätigte. Clemens und Lena schauten ihr erschrocken an.
Marco grinste bis über beide Ohren und sagte: „Lasst euch nicht stören. Lena, du musst ein bisschen besser auf deine Sachen aufpassen. Da hast du doch glatt deine Kamera liegen lassen.“ Er ging ein Stück auf die beiden zu und gab Lena ihre Kamera. Dann dreht er sich um und ging wieder Richtung Restaurant. Ohne sich umzudrehen rief er den beiden zu: „Von dem Bild möchte ich einen Abzug haben, klar?“. Lena und Clemens mussten schmunzeln. Sie stiegen ins Auto ein und fuhren zurück zu Clemens Elternhaus. Dort angekommen stieg Clemens zuerst aus und wartete, dass Lena ebenfalls ausstieg und um den Wagen herum zu ihm kam. Dann nahm er wieder ihre Hand. Sie gingen hinein. Seine Eltern saßen im Wohnzimmer und schauten fern. Lena und Clemens blieben im Türrahmen des Wohnzimmers stehen und begrüßten sie. Ute schaute ihren Sohn an. Er strahlte förmlich. Dann sah sie, dass er Lenas Hand hielten. Auch Clemens registrierte, dass sie es bemerkt hatte, aber er machte nicht die geringsten Anstalten, Lenas Hand loszulassen.
„Na? Wie war euer Tag?“ fragte Ute
„Ja, war ganz nett.“ antwortet Clemens.
„Wollt ihr euch nicht noch ein bisschen zu uns setzen?“ fragte Ute weiter.
„Ne lass mal. Ich glaub wir gehen hoch. Ich bin echt erledigt und schließlich muss ich ja morgen fit sein.“
„Okay gut“ antwortet Ute enttäusch. Zu gerne hätte sie gewusst, was wirklich zwischen den beiden jungen Leuten war.
„Lena, ich habe das Gästezimmer schon für dich vorbereitet.“ Erklärte Ute.
„Danke!“ sagte Lena höflich.
„Soll ich noch mit hochkommen und es dir zeigen?“
„Nicht nötig Mum. Ich mach das schon. Schlaft schön!“ Clemens hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da dreht er sich auch schon auf dem Absatz um und ging mit Lena zur Treppe. Dort ließ er ihre Hand los.
„Geh schon mal hoch, die zweite Tür links. Ich hol noch schnell die Taschen aus dem Auto.“ flüsterte er und ging zur Tür hinaus. Lena ging die Treppe hinauf. Sie öffnete die Tür zu dem besagten Zimmer und trat ein. Es war nicht zu verkennen, dass das Clemens Zimmer sein musste. Staunend schaute sie sich um. Es war nicht groß, aber gemütlich. An den Wänden hingen viel Medalien. Auf den vielen Regalen, die an der Wand befestigt waren, standen unzählige Pokale. Lena nahm ihre Kamera zur Hand und machte schnell ein Foto, bevor Clemens schon wieder hinter ihr stand.
„Ey, Exklusivfotos waren aber nicht vereinbar!“ scherzte er und stellte die Reisetaschen neben seinem Schreibtisch ab. Lena nutzte die Gelegenheit und schoss das nächste Foto. Clemens ging an Lena vorbei zu seinem Bett und legte sich erschöpft darauf.
„Ja genau so bleiben!“ sagte sie lachend und drückte abermals den Auslöser.
Clemens richtet sich auf. Fragend schaute er von seinem Bett zu Lena und wieder zurück.
„Meinst du, das Teil ist groß genug für uns beide?“ fragte er schließlich.
„So dick bin nun auch wieder nicht!“ fauchte sie ihn an und lachte dabei „Das ist doch mindestens 1,40 m breit, das sollte wohl ausreichen oder?“ Clemens nickte zustimmend.
„Clemens?“ Ute stand vor der Tür und klopfte „Hast du noch mal eben eine Sekunde?“ fragte sie vorsichtig.
„Nicht weglaufen!“ hauchte er Lena im Vorbeigehen ins Ohr „Ich bin gleich wieder da.“. Er öffnete die Tür und ging zu seiner Mutter auf den Flur. Lena legte sich erschöpft auf das Bett. Sie konnte nicht genau verstehen, was die beiden da draußen besprachen. Die Tür hatte Clemens hinter sich wieder geschlossen. Nur im Ansatz bekam sie mit, dass es wohl darum ging, ob sie nicht lieber im Gästezimmer schlafen wolle. Sie hörte Clemens etwas antworten, konnte aber nicht genau verstehen was. Dann hörte sie die beiden die Treppe hinuntergehen.
„Ist da was zwischen euch?“ fragte Ute ihren Sohn.
Genau dieses Gespräch wollte Clemens vorerst vermeiden. Er verstand sich eigentlich ganz gut mit seiner Mutter, aber manchmal nervte es ihn, wenn sie so neugierig war. Schmunzelnd sah er Ute an:
„Wäre das so schlimm?“ Ute schaute ihn verwundert an.
„Also, ähm nein…“ stotterte sie.
„Ich weiß es noch nicht.“ unterbrach er sie „Aber ich weiß, dass ich Lena unheimlich gern hab.“
„Das ist die Hauptsache!“ sagte Ute freudestrahlend „Alles weitere wird sich zeigen.“.
Lena bemerkte plötzlich, wie sich jemand hinter sie ins Bett legte. Sie spürte, wie ein Arm um sie gelegt wurde und jemand immer näher an sie herankam. Dann spürte sie den warmen Atem in ihrem Nacken und wie jemand zärtlich begann, diesen zu küssen. Lena drehte sich auf den Rücken. Clemens beugte sich über sie und küsste sie. Erst zaghaft, dann immer fordernder. Lena schlang die Arme um seinen Hals. Langsam wanderte seine Hand unter ihr Shirt.
Die Sonne schien in das Zimmer. Langsam öffnete Lena ihre Augen und bemerkte, dass sie nicht allein war. Neben ihr lag Clemens noch tief und fest schlafend. Lena lächelte zufrieden. Leise stand sie auf, schnappte sich ihre Tasche und ging ins Badezimmer. Frisch geduscht kam sie einige Minuten später zurück in Clemens Zimmer. Er war bereits aufgestanden. Nur mir einer grauen langen „Wohlfühlhose“ bekleidet und kam lächelnd auf Lena zu. Wieder waren seine unwiderstehlichen Grübchen zu sehen. Lena wollten gerade die Beine wieder weich werden, als er schon vor ihr stand, seine Hände um ihre Hüfte legte und ihr einen kurzen Kuss auf den Mund gab. Lena musste sich ein wenig auf ihre Zehnspitzen stellen, obwohl Clemens mit seinen 1,83 m gar nicht so viel größer war als sie. Na gut, 15 cm waren es schon an Unterschied, das musste sie sich eingestehen.
„Guten morgen Kleine!“ sagte er lächelnd und drückte sie sanft wieder nach unten.. „Ich dachte schon, du wärst weggelaufen!“ Lena lächelte ihn an.
„Also wirklich. So schlecht war die letzte Nacht ja nun auch wieder nicht!“ antwortete sie frech, was ihr gleich einen Knuff in die Seite einbrachte.
„Gehen wir runter frühstücken?“
„Vielleicht solltest du dir noch was anziehen! Oder möchtest du deiner Mutter gleich Rechenschaft ablegen?“
Er grinste und holte ein T-Shirt aus seiner Tasche, welches er überzog.
Dann gingen sie nach unten.
Am frühen Nachmittag saß Lena mit Marco etwas abseits der schon wartenden Fans auf der Tribüne im Erfurter Fußballstadion. Clemens hatte ihn extra etwas früher dort hin bestellt, damit er Lena Gesellschaft leisten konnte. Marco war ihr wirklich sympathisch, sie konnten gut nachvollziehen, warum er Clemens bester Freund war.
Unten auf dem Platz tummelten sich die Spieler. Einige Fans bekamen zwischendurch Autogramme und schossen eifrig Fotos.
Peter, der direkt neben Clemens stand, schaute sich um. Plötzlich entdeckte er Lena und Marco auf der Tribüne.
„Ist das da oben Lena?“ fragte er Clemens ungläubig.
„Ja“ entgegnete er trocken und wandte sich wieder ab.
Doch Peter war zu neugierig, um die Sache so auf sich beruhen zu lassen. Kurz entschlossen machte er sich auf den Weg zu Lena auf die Tribüne.
„Hi! Was machst du denn hier?“
„Ähm“ stotterte Lena „Ich….“
„Na eure Fans wollen doch immer auf dem Laufenden sein. Auch wenn ihr nicht in Bremen seid.“ half Marco ihr schnell aus der Patsche. Lena warf ihm einen dankenden Blick zu.
„Mh…achso, klar.“ antwortet Peter kurz, bevor er von dem Trainer gerufen wurde und sich wieder auf den Weg nach unten machte.
„Viel spaß beim Spiel. Und schreib nur gutes über uns!“ rief er Lena noch schnell zu.
„Klar, immer doch!“ rief sie zurück und schaute nachdenklich zu Clemens auf das Spielfeld.
Lena war ganz aufgewühlt. Vor ein paar Minuten war sie noch so glücklich darüber gewesen, dass sie mit Clemens nach Erfurt gefahren war und sie zueinander gefunden hatten und jetzt musst sie feststellen, dass Clemens Peter anscheinend kein Sterbenswörtchen erzählt hatte, wo er doch sonst immer alles wusste. Er hätte ihm ja nicht jedes einzelne Detail erzählen müssen, aber er hätte ja zumindest mal andeuten können, dass sie mit ihm hier war. Oder war es ihm doch peinlich? Lena schossen tausend Gedanken durch den Kopf.
„Lena? Hey! Hörst du mir zu?“ Marco sah sie fragend an
„Was? Oh entschuldig. Was hast du gesagt?“
„Was ist denn los mir dir? Du bist auf einmal so still.“ stellte Marco sogleich fest.
„Ach, es ist nur… wegen Clemens…..also…..anscheinend weiß nicht mal Per bescheid, dass ich mit ihm hierhergekommen bin und…“ Lenas Gesichtsausdruck wurde immer trauriger.
Tröstend legte Marco seinen Arm um sie.
„Hey, ich glaub ich muss dich mal aufklären!“ sagte er sanft. Lena schaute ihn fragend an. Marco erzählte ihr von Clemens und Vivien.
„Du musst ihn verstehen. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Gib ihm einfach ein wenig Zeit.“ sagte er schließlich. Lena nickte zustimmend und gleichwohl nachdenklich. Eine Beziehung mit jemandem, der in der Öffentlichkeit steht ist nicht einfach, das war ja von Anfang an ihr Reden.
Marco begleitete Clemens und Lena nach dem Spiel noch zum Auto. Die beiden Männer verabschiedeten sich und beschlossen, dass bis zu ihrem nächsten Treffen nicht wieder so viel Zeit vergehen sollte.
„Ich werde dich…oder eher gesagt euch….einfach mal in Bremen besuchen!“ beschloss Marco.
Zufrieden sah Lena zu Clemens, der neben ihr stand. „Euch“ ließ sie es in Gedanken noch einmal erklingen. Schön hört sich das an. Clemens lächelte ebenfalls und begrüßte den Vorschlag von Marco.
„Kann ich noch schnell ein Foto von euch beiden machen? Nur so als Erinnerung an die schönen Tage.“ Fragte Lena vorsichtig in die Männerrunde. Die beiden jugen Männer stimmten sofort zu und stellten sich nebeneinander. Lena drückte auf den Auslöser und verabschiedete sich ebenfalls von Marco. Dann stieg sie ins Auto. Wenig späte stieg auch Clemens ein und sie fuhren los..
Der Weg zurück nach Bremen war wenig ereignisreich. Lena wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte und sie wusste auch nicht, ob Marco Clemens beim Abschied erzählt hatte, dass sie über seine Ex-Freundin bescheid wusste. Clemens wirkte nachdenklich.
In Bremen angekommen, hielt Clemens vor Lenas Wohnung. Lächelnd sah er sie an. Da war es wieder das Lächeln, welches sie die ganze Zeit über vermisst hatte. Es war, als hätte er seinen scheinbar inneren Konflikt gelöst.
„Sehen wir uns morgen?“ fragte er
„Klar, warum nicht!“ antwortet sie hoffnungsvoll.
„Alles klar, ich komm dann nach dem Training vorbei!“
sagte er und drückte ihr einen Kuss auf den Mund.
Lena stieg aus und öffnete die Haustür.
In ihrer Wohnung angekommen packte sie noch schnell ihre Sachen aus und ging dann ins Badezimmer.
Etwas später ging sie noch einmal in die Küche, um einen Schluck Wasser zu trinken. Schnell schaute sie noch einmal auf ihr Handy. Keine Sms und keinen Anruf verpasst. Von wem auch, dachte sie sich, legte das Handy auf den Küchentisch und trotte müde ins Schlafzimmer.
Am nächsten Morgen klingelte Lenas Wecker so früh, wie er es wahrscheinlich schon lange nicht mehr getan hatte. Sie wollte heute so früh wie möglich mit der Arbeit fertig sein, damit sie den restlichen Tag mit Clemens verbringen konnte.
Etwas schlaftrunken wankte sie ins Badezimmer, duschte, zog sich an und ging sodann in die Küche und machte sich einen Kaffee. Ihr Blick fiel auf ihr blinkendes Handy auf dem Tisch. Sie hatte eine Sms bekommen.
„Hi Süße! Ich hab morgen nach dem Training noch einen Termin und weiß leider nicht, wie lange das dauern wird.
Kuss Clemens.“
Lenas Laune sank in den Keller. War das jetzt eine Absage oder was? Hätte sie ihr Handy doch bloß mit ins Schlafzimmer genommen, dann hätte sie die Sms vielleicht gestern noch gelesen und hätte sie das frühe Aufstehen heute Morgen sparen können. Sauer auf sich selbst steckte sie ihr Handy in die Tasche und nahm noch einen großen Schluck Kaffe, bevor sie Richtung Wohnungstür machte.
Ihr Chef war schon ganz gespannt auf den Bericht. Am Nachmittag hatte Lena dann alle anfallende Arbeit so weit erledigt, das sie beschloss, Feierabend zu machen. Völlig erledigt steigt sie in ihr Auto und fuhr nach Hause. Clemens schien nicht zu Hause zu sein, zumindest konnte sie seinen Wagen nirgends sehen. Enttäuscht stieg sie aus und ging in ihre Wohnung. Oben angekommen, zog ihr Jacke und ihre Schuhe aus und ging ins Badezimmer, wo sie sich ein Bad einließ. Wenig später lag sie entspannt in der heißen Badewanne und döste vor sich hin. Das Wasser war schon fast kalt, als sie beschloss, sich endlich abzutrocknen, etwas bequemes anzuziehen und sich auf Sofa zu legen. Sie machte den Fernseher an und zappte durch die Programme. Wieder mal kam nichts Gescheites in der glotze. Genervt stand sie auf und ging in die Küche. Sie öffnete den Kühlschrank und schenkte sich ein Glas Saft ein. Suchend blickte sie aus dem Küchenfenster, aus dem sie auf die Straße vor ihrem Haus sehen konnte. Clemens Wagen war noch immer nicht zu sehen. Schlurfend ging sie zurück ins Wohnzimmer und ließ sich wieder aufs Sofa fallen, als der dunkle BMW auf der anderen Straßenseite hielt.
Clemens stieg aus und hechtete über die Straße. Hoffentlich war Lena nicht sauer, dachte er, schließlich hatte er ihr erst spät am Abend noch geschrieben, dass das Treffen heute fraglich ist. Eine Antwort hatte er nicht bekommen. Mit einem mulmigen Gefühl drückte er auf die Klingel.
Lena schreckte vom Sofa auf, als der schrille Ton der Türklingel ertönte. Eilig lief sie zur Gegensprechanlage.
„Ja bitte?“ fragte sie erwartungsvoll.
„Ich bins!“ das war eindeutig Clemens Stimme. Lena drückte den Türöffner und rannte so schnell sie konnte ins Schlafzimmer. Sie riss ihren Kleiderschrank auf und nahm schnell eine Jeans und einen Pullover heraus. In Windeseile zog sie sich um und rannte wieder zur Tür. Clemens kam gerade die letzte Treppe herauf.
„Einen schönen guten Tag!“ begrüßte sie ihn und zog ihn in den Flur. Sie hatte die Wohnungstür noch nicht ganz geschlossen, als sie ihm schon um den Hals fiel und ihn leidenschaftlich küsste. Über die Freude, dass er doch noch vorbeigekommen war, hatte sie doch glatt vergessen, wie sauer sie heute Morgen noch gewesen war.
„Können wir kurz reden?“ fragte er bittend
„Klar was ist denn los?“
„Also Marco hat mir gestern noch gesagt, worüber ihr geredet habt und…“
„Pss!“ unterbrach Lena und legte Clemens ihren Zeigefinger auf die Lippen.
„Ist okay. Lass uns nicht weiter drüber reden ja? Ich hätte da eine viel bessere Idee, wie wir die Zeit nutzen können.“ sagte sie und lächelte ihn an.
Durch die Stille des Morgens erklang das Klingeln eines Handys. Clemens brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es seins war. Er sprang er aus dem Bett und suchte nach seiner Hose, die er schließlich auf dem Schlafzimmerfußboden fand. Schnell kramte er sein Handy aus der Hosentasche und ging ran.
„Ja?“ fragte er abgehetzt.
„Ey Alter. Ich steh hier schon ne halbe Ewigkeit vor deiner Tür. Mach doch mal endlich auf.“ Am anderen Ende erkannte der Blonde die Stimme von Peter.
„Äh sorry! Hab ich gar nicht gehört!“ log er „Kannst du uns ein paar Brötchen besorgen. Ich muss noch schnell unter die Dusche.“
Am anderen Ende war ein genervtes Stöhnen zu hören.
„Na gut aber beeil dich!“ mahnte Per seinen Freund.
Clemens beendete das Gespräch und suchte seine restlichen Klamotten zusammen. Lena sah ihm verwundert an.
„Peter steht bei mir vor der Tür! Ich hab ihn jetzt schnell Brötchen holen geschickt.“ erklärte er und zog sich an.
Schnell gab er Lena einen Kuss und war verschwunden. Er rannte so schnell er konnte die Treppen hinunter und stürzte aus der Tür. Vorsichtig schaute er sich um. Peter war nirgends zu sehen. Der Bäcker war nicht weit entfernt also hatte er nicht mehr viel Zeit. Hastig rannte er über die Straße. Zu Hause angekommen atmete er tief ein und aus. Das wäre geschafft. Nur einige Sekunden später klingelte es an seiner Tür.
Er öffnete und Peter musterte seinen Freund von oben bis unten. Seine Klamotten waren zerknittert, seine Haare völlig durcheinander.
„Sag mal, wolltest du nicht duschen?“ fragte er verblüfft.
„Ach hör bloß auf. Kaum hatte ich aufgelegt, da rief meine Mutter an.“ flunkerte er .
„Aha“ entgegnete Peter trocken. „Hast du in den Klamotten etwa geschlafen? Das Shirt hattest du doch gestern schon an oder?“
Clemens musste schlucken. Lass dir was einfallen, mahnte er sich, sonst fliegt gleich alles auf.
„Ja sieht wohl so aus.“ gab er schnell zurück und ging Richtung Küche, wo er schnell den Tisch deckte.
„Ich bin halt auf dem Sofa eingepennt. Kann ja mal passieren!“
Peter setzte sich an den Tisch und schüttelte grinsend den Kopf.
Clemens wirkte sein einigen Tagen wie ausgewechselt. Er war stets gut gelaunt und ihn konnte nichts so leicht auf die Palme bringen, nicht einmal Toms nervige Sprüche. Andererseits war er oft nicht richtig bei der Sache. Nach dem Training saß er mal wieder grinsend mit seinem Handy in der Hand auf seinem Platz in der Kabine.
„Thomas?“
„Ja Peter“
„Sag mal, weißt du was mit Clemens los ist? Irgendwie benimmt der sich komisch seit wir in Erfurt waren.“ beklagte sich der Lange beim Kapitän.
„Keine Ahnung.“ entgegnete er. Beide schauten fragend in Clemens Richtung. Dieser saß noch immer da und starrte auf sein Handy.
„Na Clemens, antwortet deine Flamme nicht mehr oder was?“ fragte Tom spöttisch.
„Ne, ich warte doch auf das Kuchenrezept, das du von meiner Mutter haben wolltest.“ konterte er gekonnt.
Tom winkte ab und ging zu seinem Platz.
Thomas und Peter schauten sich an.
„Das ist es!“ stieß Peter hervor und klatschte sich mit der Hand gegen die Stirn „Da steckt ne Frau dahinter. Man das ich nicht selber drauf gekommen bin.“
„Meinst du wirklich?“ fragte Thomas skeptisch.
„Na klar. Was denn sonst? Vielleicht hat er in Erfurt jemanden wiedergetroffen. Kann doch sein!“
„Ja da könntest du Recht haben!“ antwortet Thomas zustimmend. „Vielleicht sollten wir der Sache mal auf den Grund gehen!“
„Geritzt!“ stimmte Peter zu „Ich häng mich gleich dran!“ Fest entschlossen ging er zu Clemens.
„Na kleiner. Was ist? Gleich noch ein Bierchen bei mir?“
„Heute?“ Clemens stockte „Also eigentlich hab ich noch nen Termin, ähm, vielleicht morgen oder so?“
Peter grinste ihn an. Damit hatte er gerechnet. Also lag er mit seiner Theorie wohl nicht ganz falsch.
„Na gut!“ versuchte er so betroffen wir möglich zu antworten, wobei er sich ein triumphierendes Lächeln verkneifen musste. Clemens stand kurz darauf auf und verabschiedete sich von seinen Mannschaftskollegen.
Clemens stieg in sein Auto und hielt nur wenige Straßen weiter auf einem kleinen Parkplatz wieder an. Lena wartet schon auf ihn. Sie stieg ins Auto und Clemens strahlte über beide Ohren.
„Na? Wie war dein Tag?“ fragte er und gab ihr einen Kuss.
„Ganz gut eigentlich und bei dir?“
„Geht so. Ich glaube, Peter merkt langsam was. Er kennt mich einfach zu gut.“
„Mh“ antwortet Lena knapp.
„Was ist denn?“ fragte er vorsichtig.
„Meinst du nicht, dass du ihn wenigstens einweihen könntest? Ich meine, das ständige Versteckspiel nervt langsam. Gerade Peter wird doch nichts erzählen!“
Clemens schaute sie bittend an.
„Ja ist ja gut! Ich sag ja schon nichts mehr!“ sagte sie kleinlaut. „Also was machen wir heut?“
„Ich hab mir da folgendes überlegt…..“ sagte er und fuhr los.
Sie merkten nicht, wie Peter ihnen unterwegs mit dem Auto entgegen kam.
Lena und Clemens saßen in einem kleinen Restaurant am Rande der Stadt als Clemens Handy klingelte. Er schaute auf das Display.
„Hallo Peter. Was gibt’s?“ fragte er freundlich
„Sag mal, bist du zufällig mit Lena unterwegs?“
Clemens stockte der Atem.
„Ja wieso? Ich hab sie unterwegs aufgelesen und nach Hause gefahren, schließlich wohnen wir in der gleichen Straße, schon vergessen?“
„Ne weiß ich schon, aber warum seid ihr denn dann in die andere Richtung gefahren?“
„Spionierst du mir hinterher oder was?“ fragte er forsch
„Nein, ich ähm…“ stotterte Peter.
„Du, ich muss jetzt auch Schluss machen. Ich hab noch was zu erledigen!“ sagte er und legte auf. Lena sah ihn verdutzt an, wollte aber nicht weiter darauf eingehen.
Später am Abend saßen die beiden bei Clemens zusammen auf dem Sofa und schauten sich mal wieder einen Film an.
„Was ist eigentlich mit der Sache mit den Fotos?“ fragte Clemens „Torsten hat mir mal davon erzählt. Hast du dir nun schon mal Gedanken gemacht?“
„Ach, ich glaub ich lass das vorerst. Ich hab mit meinem Job genug zu tun. Vielleicht später mal.“
Lena wirkte nachdenklich.
„Du sag mal“ begann Clemens ein neues Thema anzuschneiden „hast du übernächste Woche Samstag schon was vor?“
„Ne ich glaub nicht. Warum?“
„Na, ja. Ich wollte meinen Geburtstag feiern. Nichts großes, nur im kleinen Kreis.“
Lena schaute ihn nachdenklich an. Würde er bis dahin die ganze Sache offiziell machen, zumindest unter seinen Freunden?
„Klar!“ antwortete sie ein wenig skeptisch, aber hatte sich vorgenommen, die Sache jetzt nicht weiter auszudiskutieren.
„Super“.
Zur gleichen Zeit klingelte Thomas Handy.
„Thomas? Ja Peter hier. Du wirst nicht glauben was ich gerade gesehen hab...also…ähm…pass auf.“
Der Kapitän staunte nicht schlecht über die Neuigkeiten.
„Ja Peter, dann sind wir ja schon mal einen Schritt weiter was? Ich denke wir haben jetzt einen Anhaltspunkt. Ja genau. Wir werden uns was einfallen lassen. Tschüss.“
Am nächsten Tag lag Lena gerade auf dem Sofa als das Telefon klingelte.
„Ja?“ ging sie ein wenig genervt ans Telefon
„Hi hier ist Petra. Stör ich gerade? Du klingst gestresst.“
„Oh hallo. Nein du störst doch nicht. Was gibt’s denn?“ fragte Lena und es war ihr fast ein bisschen peinlich, als ihr einfiel, dass sie sich schon länger nicht mehr bei Petra gemeldet hatte.
„Ach eigentlich nichts bestimmtes. Wollte nur mal hören, wie es dir so geht. Wir haben lange nichts mehr voneinander gehört. Wie geht’s dir denn?“
„Eigentlich ganz gut. Ist im Moment viel zu tun bei der Arbeit. Sorry, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Wie geht’s euch denn?“
„Soweit auch ganz gut. Ja, ich hab schon gehört, dass du auf großer Reise in Erfurt warst.“ Begann Petra das Thema umzulenken.
Lena stockte.
„Äh ja genau. Der Chef hatte auf einmal solche Ambitionen von wegen Auswärtsspiele und so, ganz komisch.“
„Ach so“ entgegnete Petra gekonnt gleichgültig. „Na wenn er wenigstens die Fahrtkosten und das Hotel übernimmt, dann kann dir das ja egal sein oder?“
„Ja in solchen Sachen ist er immer sehr spendabel….kann er wahrscheinlich absetzten.“ kicherte Lena. Sie hatte absolut nicht die Absicht, Petra einzuweihen, wo sie wirklich in Erfurt übernachtet hatte. Zwar war Petra eine wirklich gute Freundin, aber Lena hatte sich fest vorgenommen sich zusammenzureißen und nichts von Clemens zu erzählen.
„Ja also ich dachte, wir können ja mal wieder zusammen kochen oder so? Die Mädchen würden dich auch gerne mal wieder sehen und ich natürlich auch. Wie siehts aus? Hast du Lust?“ fragte Petra nachdem Peter, der neben ihr saß, sie angestupst und auffordernd angesehen hatte.
„Ja klar sehr gerne“ antwortet Lena wie aus der Pistole geschossen „am Freitag wie immer?“
„Ja, Freitag hört sich gut an. Bis dann also“.
Lena verabschiedete sich und legte das Telefon zurück auf die Sofalehne.
Am anderen Ende der Leitung legte Petra ebenfalls auf und grinste Peter zufrieden an.
„Sie kommt am Freitag zum Essen.“
„Sehr gut.“ Entgegnete Per und rieb sich die Hände.
„Dann verläuft ja alles nach Plan.“
Der Rest der Woche verging in Lenas Augen relativ schnell, denn sie freute sich schon riesig auf Freitag und auf das Wiedersehen mit Petra und dem Rest der Familie.
Pünktlich um sieben Uhr am Freitag stand Lena dann vor der Haustür der Familie Fehn. Sie hatten am Vormittag beschlossen doch etwas zu Essen zu bestellen, damit sie mehr Zeit zum Reden hatten. Ein wenig verwundert schaute sie schon, als niemand andere als Peter ihr die Tür öffnete.
„Guten Abend!“ begrüßte er sie freundlich.
„Hallo.“ Versuchte Lena so unüberrascht wie möglich zu antworten und ging an ihm vorbei ins Esszimmer, wo sie schon freudig erwartet wurde. Schnell setzte sie sich neben Petra und sah sie fragend an.
„Schau mich nicht so an!“ flüsterte sie „Peter hat sich nicht abwimmeln lassen, als er mitbekommen hatte, dass wir heute beim Chinesen bestellen.
„Wollt ihr mich etwa nicht dabei haben?“ fragte Peter gekonnt traurig und schluchzte. „Ich kann auch wieder gehen!“
„Na wir werden es schon aushalten…irgendwie.“ wandte sich Lena an ihn und zwinkerte ihm zu.
Sie versuchte zu überspielen, wie unwohl sie sich gerade in seiner Gegenwart fühlte. Er war schließlich Clemens bester Freund und wusste nicht mal annähernd bescheid.
Nach dem Essen saßen sie noch gemütlich zusammen und plauderten. Lenas Bedenken waren verflogen und sie konnte nun den Abend voll und ganz genießen.
„Sagt mal“ begann Peter plötzlich das Thema zu wechseln „was machen wir nun eigentlich morgen mit Clemens? Also ich finde wir machen irgendetwas, womit er gar nicht rechnet, schließlich wird man nicht alle Tage 30 oder?“
Lena schaute verlegen zu Boden. Da war es nun das Thema: Clemens. Sie hatte gehofft, dass gerade dieses Thema heute nicht aufkommen würde. Wie sollte sie sich verhalten, wenn sie jetzt jemand auf ihn ansprechen sollte.
Das leise piepsen ihre Handys riss sie aus ihren Gedanken. Sie kramte in ihrer Handtasche nach dem Mobiltelefon. Eine Sms. Von Clemens
Hallo Kleine,
ich vermisse dich. Kommst du vorbei?
Kuss Clemens.
Ein Schmunzeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Schnell schrieb sie zurück.
Hey Großer,
bin noch bei Petra.
Aber in 20 Min. könnte ich bei dir sein, wenn es okay ist.
Küsschen.
„Lena? Hey…hörst du mir zu?“ fragte Petra.
Lena riss den Kopf hoch
„Wie bitte? Ich… ähm, Entschuldigung.“
„Ich habe gefragt, ob du auch zu Clemens Geburtstag morgen kommst.“
„Ich?“ fragte Lena ein wenig verdutzt
„Ja du! Oder ist hier noch eine andere Lena?“
„Ähm…na ja also so gut kenn ich ihn ja nun auch nicht, dass ich zu seinem Geburtstag gehe oder?“
Sie hatte gerade den Satz beendet, als ihr Handy erneut auf sich aufmerksam machte.
Ich warte auf dich kleine…wenn es sein muss die ganze Nacht.
Lena lächelte zufrieden.
„Mit wem schreibst du denn die ganze Zeit?“ fragte Peter mit einem hämischen Grinsen.
„Tut mir leid, aber ich muss los Leute…meine beste Freundin braucht mich grade. Der Abend war echt schön. Ich hoffe, dass wir das bald mal wieder machen!“
Sie nahm ihre Tasche und verabschiedete sich schnell von den Männern. Petra begleitet sie noch zur Tür.
„Was ist denn auf einmal los mit dir?“ fragte Petra und sah das Funkeln in Lenas Augen.
„Das erkläre ich dir ein anderes Mal okay?“ sagte sie und drückte ihr schnell ein Küsschen auf die Wange bevor sie ging.
Schnell stieg sie in ihr Auto und fuhr los.
„Was war das denn bitte?“ fragte Peter verwundert, als Petra wieder auf ihrem Stuhl platz nahm.
„Keine Ahnung. Mensch mir fällt gerade ein, Clemens wollte doch schon immer mal wieder zum Paintball. Was haltet ihr davon, wenn wir ihn morgen früh einfach aus dem Bett schmeißen und entführen?“
„Hey Schatz, das ist doch mal ne Idee. Hätt ich dir gar nicht zugetraut.“ flaxte Thomas und warf ihr ein Küsschen zu.
„Warte, ich rufe kurz Constanze an, ob sie uns morgen früh schnell rein lässt.“ beschloss Peter und griff nach seinem Handy. Gespannt lauschten Petra und Thomas dem Telefonat.
„Alles klar!“ verkündete Per freudig „Constanze fährt zwar gleich übers Wochenende zu Freunden, aber sie bringt mir gleich den Haustürschlüssel vorbei. Also Leute ich fahr dann mal los. Ich würde sagen wir treffen uns hier morgen früh um halb acht und fahren dann zusammen zu Clemens!“.
Wenige Minuten später parkte Lena ihr Auto am Straßenrand, zog den Schlüssel ab und stieg aus. Prüfend schaute sie nach links und rechts bevor sie die Straße überquerte. Auf der anderen Straßenseite angekommen drückte sie auf die Fernveriegelung ihres Schlüssel und schaute sich kurz um, ob die Scheinwefer ihres Wagens blinkten. Dann athmete sie noch einmal tief durch und klingelte bei Clemens. Es vergingen ein paar Sekunden, bevor der Blonde Abwehrspieler ihr die Tür öffnete und sie anlächelte. Da war es wieder…dieses Lächeln, sein Lächeln. Freudig nahm er Lena in den Arm, sah prüfend aus der Haustür hinaus und zog Lena fast zeitgleich, ohne sie aus seinen Armen zu entlassen, weiter in den Flur und schloss die Tür. Lena schaute ihm tief in die Augen, sah sein Gesicht immer näher kommen, bis sich ihre Lippen schließlich trafen. Clemens legte seine Hände auf Lenas Hüfte und schob sie sanft Richtung Wohnzimmer. Dort angekommen ließen sich beide küssend auf das weiße Ledersofa fallen.
„Kann ich vielleicht erst mal meine Jacke ausziehen?“ kiecherte Lena als sie sich von seinen Lippen gelöst hatte. Clemens grinste sie frech an.
„Na wenn es denn unbedingt sein muss!“ gespielt genervt stand er vom Sofa auf und ließ Lena sich aufrichten.
„Lust auf nen Film?“ fragte er und war schon bei dem DVD-Regal angekommen.
„Ja warum nicht.“ Antwortete Lena, zog ihre Jacke und ihre Schuhe aus und machte es sich bequem.
Clemens legte die DVD ein und machte es sich ebenfalls gemütlich.
Zeitgleich stand Constanze bei Peter vor der Haustür und gab ihm den Schlüssel.
„Danke!“ entgegnete dieser begeistert „Du bist echt die Beste!“. Er verabschiedete sich von ihr, ging wieder in seine Wohnung und setzte sich zufrieden aufs Sofa. In Gedanken plante er schon den morgigen Überfall.
Lena saß nachdenklich neben Clemens auf dem Sofa und schaute ihn an.
„Was ist denn?“ fragte er ohne seinen Blick vom Fernseher zu wenden.
„Kann ich dich mal was fragen?“ begann Lena vorsichtig.
„Klar!“ noch immer schaute er starr zum Fernseher.
„Warum erzählst du nicht mal Peter von uns? Ich meine immerhin ist er dein bester Freund.“
Jetzt schaute Clemens Lena endlich an.
„Das ist nicht so einfach…“ begann er sich zu rechtfertigen.
„Doch ist es!“ unterbrach Lena ihn.
„Marco hat mir von der Sache mit Vivien erzählt. Ich will jetzt gar nichts darüber von dir wissen. Ich möchte einfach nur, dass du zu uns stehst. Oder was meinst du wie lange dieses Versteckspiel noch dauern soll?“
Clemens wurde nachdenklich, sein Blick war nach unten gerichtet. Lena wartet auf eine Antwort, das war ihm klar.
„Okay“ sagte er.“ Ich werde es ihm bei der nächsten Gelegenheit sagen, versprochen.“
„Ich möchte nicht, dass du etwas machst was du nicht willst, aber…“
Diesmal war es Clemens der sie unterbrach: „Nein, du hast ja Recht! Aber jetzt genug davon. Ich will nicht noch mit dir streiten. Da hätte ich ganz andere Ideen.“ Frech grinste er sie an, bevor er erneut begann sie zu küssen. Es verging eine ganze Weile, bis Clemens aufstand, Lena ebenfalls vom Sofa hochzog und sie sich küssend den Weg nach oben suchten. Auf dem Weg dorthin fiel das eine oder andere Kleidungsstück schon zu Boden. Schließlich erreichten sie das Schlafzimmer, Clemens schloss die Tür hinter sich und sie ließen sich aufs Bett fallen.
Am nächsten Morgen stand Clemens schon in der Küche und bereitete das Frühstück vor, als Lena langsam die Augen aufschlug. Fast zeitgleich öffnete sich die Haustür und Peter, Petra und Thomas betraten das Haus. Verwundert darüber, dass schon Licht im Haus brannte blieben die drei erst einmal im Flur stehen.
„Hat Constanze etwa gepetzt?“ fragte Petra verwundert.
„Ach quatsch!“ entgegnete Peter sofort.
„Ich glaube Clemens hat schon reingefeiert!“ mischte sich Thomas mit einem breiten Grinsen ein und schwenkte einen BH hin und her.
„Den hab ich hier grade auf der Treppe gefunden!“. Lachend ließ er ihn wieder zu Boden fallen und folgte Peter und Petra, die schon auf dem Weg in die Küche ware.
„Überaschung! Alles Gute zum Geburtstag!“ riefen die drei im Chor als sie Clemens erblickten. Erschrocken drehte er sich um, wobei er fast die Kaffeekanne fallen ließ.
„Was macht ihr denn hier? Und dann noch um diese Uhrzeit?“
„Tja mein lieber. Wir wollten mal sehen, ob du mit 30 immer noch so fit und spontan bis und wollten dich jetzt abholen zum Paintball spielen. Aber wenn du schon dabei bist für uns Frühstück zu machen, dann können wir natürlich auch erst noch…“ Ein Räuspern unterbrach Peter in seiner Ansprache. Lässig an den Türrahmen gelehnt stand Lena, die jetzt an den Freunden vorbeiging, sich neben Clemens stellte und ihm ihren Arm um die Hüfte legte.
„Also wenn ihr noch ein paar Brötchen besorgt, dann könnt ihr gerne mit frühstücken.“ sagte Lena trocken, dann wandte sie sich zu Clemens und gab ihm einen kleinen Kuss.
„Guten morgen“ flüsterte sie.
Peter konnte seine Begeisterung nicht mehr für sich behalten.
„Hab ichs doch gewusst! Jetzt ergibt da auch alles einen Sinn mit Erfurt, der eine Morgen als ich bei dir vor der Tür stand, der Abend, als ich euch im Auto gesehen habe und …“
„Ja Peter!“ unterbrach Clemens seinen Freund. „Ist ja gut.“
Lachen machte sich breit. Thomas erklärte sich bereit schnell zum Bäcker zu gehen und gemeinsam deckten die anderen in der Zeit den Tisch.
„Na dann geht unser Plan wohl doch in die Hose was?“ bemerkte Petra ein wenig betroffen.
„Warum denn?“ fragte Lena.
„Na ihr habt doch sicherlich was vor oder? Ich meine, ihr habt doch sicherlich etwas geplant für heute Vormittag.“
„Nein, mach dir mal keine Sorgen Petra.“
„Wobei du natürlich auch gerne mitkommen kannst zum Paintball. Könnte lustig werden.“ regte Petra an.
„Gerne! Ich will doch mal sehen, was der ALTE SACK noch so drauf hat!“ antwortete Lena spöttisch. Clemens stand neben ihr und knuffte sie leicht in die Seite.
„Na wir beiden Reden noch Fräulein….von wegen alter Sack. Warte mal ab! Ich werde nachher beim Spiel gnadenlos sein.“ Schämisch grinste er sie an.
„Uhhh!“ rief Lena ironisch „Mir zittern schon die Knie!“.
Kurz darauf klingelte es an der Tür und Thomas kam mit den Brötchen. Eine gute Dreiviertelstunde später waren alle zur Abfahrt bereit. Auf der Fahrt wurde heiß darüber diskutiert, wer mit wem in eine Mannschaft kommt. Da die Freunde aber zu fünft waren, beschlossen sie kurzerhand, dass das Duell heute unter dem Motto Männer gegen Frauen laufen sollte. Nur ein Mann sollte den Frauen noch beistehen, schließlich waren sie ja das schwächere Geschlecht, wie Thomas immer behauptete. Also losten sie. Ganz zum Leidwesen von Thomas, der nun den beiden Frauen beistehen musste.
Als alle Ihre Anzüge angezogen, die Schuhe festgeschnürt und die Waffen geladen hatten, begann das Spiel. Clemens und Peter waren ein gutes Team und trafen als erstes Petra, die widerwillig den Raum verließ und nun zuschauen musste. Nun war es also an Lena die Ehre der Frauen zu retten. Sie schlug sich eigentlich ganz gut, nur leider war sie noch nicht so treffsicher und schoss des öfteren nur gegen die Deckung, hinter der sich Peter oder Clemens versteckten. Gut versteckt hinter einer Wand wartete sie gerade auf den nächsten Angriff, als sie plötzlich eine leise Stimme hinter sich hörte.
„Ich mag dich wirklich, aber ich muss dich leider erschießen!“ sagte Clemens kurz, bevor Lena auch schon die volle Ladung seiner Farbpistole traf.
„So ein Mist!“ fluchte sie „Dabei war das Versteck so gut.“ Wütend verließ sie nun ebenfalls den Raum und setzte sich zu Petra. Gespannt schauten die beiden Frauen zu, wie die Männer sich nun einen erbitterten Kampf lieferten. Lena nahm ihre Kamera zur Hand und schoss ein paar Fotos. Farbenfroh waren sie ja, das konnte man nicht anders sagen.
„Du hast das Ding auch immer dabei oder?“ fragte Petra und begann zu lachen.
„Na ja, nicht immer, aber das hier muss man doch für die Nachwelt festhalten oder nicht?“ antwortet Lena und lachte ebenfalls.
„Stimmt auch wieder.“ bestätigte Petra sie.
Es dauerte nicht lange, da wurde auch Thomas getroffen und somit hatten „die Frauen“ eindeutig verloren. Clemens und Peter jubelten wie kleine Jungs und konnten sich gar nicht wieder einkriegen. Erst als Lena die beiden zu einem abschließenden Erinnerungsfoto zitierte, benahmen sich die beiden wieder halbwegs wie erwachsene Menschen.
Peter wollte den Sieg natürlich gebührend feiern und somit beschlossen sie, am Abend noch zusammen wegzugehen. Pünktlich um halb neun stand Clemens bei Lena vor der Tür, um sie abzuholen. Er trug ein weißes schlichtes Hemd, welches er in die blaue Jeans gesteckt hatte und darüber ein schwarzes Jackett. Lena schaute an sich hinunter und fühle sich plötzlich ein bisschen underdressd mit ihrer schwarzen Leggings, den Ballerinas und dem blauen Longshirt.
Auch Clemens bemerkte ihre Unsicherheit und fragte:
„Was ist denn los?“
„Na gegen dich seh ich ja aus, als wäre ich gerade vom Sport gekommen.“ stellte sie kleinlaut fest.
„Ach so ein quatsch, du siehst immer gut aus.“ entgegnete Clemens sofort.
Boah Schleimer, dachte sich Lena, war aber trotzdem irgendwie froh so etwas zu hören.
„Wenn du das meinst.“ gab sie kurz zurück „Aber ich zieh mich trotzdem noch mal kurz um.“ sagte sie und war auch schon verschwunden.
„Aber das dauert jetzt keine zwei Stunden oder?“ rief Clemens ihr hinterher.
„Hallo? Was denkst du von mir? Gib mir fünf Minuten!“ rief Lena und kramte in ihrem Kleiderschrank. Kurz darauf entschied sie sich, ihr Outfit doch nur etwas „aufzuhübschen“. Genau in dem vom ihr genannten Zeitrahmen stand sie wieder vor Clemens, der es sich auf dem Sofa mit einer Zeitung gemütlich gemacht hatte.
„So!“ sagte sie stolz „Ich bin fertig. Nimmste mich so mit?“
Clemens musterte sie von oben bis unten. Jetzt trug sie ein paar Stiefel anstatt der Ballerinas, ein paar große Ohrringe, die Haare hatte sie lässig hochgesteckt und ganz hinten in ihrem Kleiderschrank hatte sie noch einen Schal gefunden, den sie vor Monaten schon gekauft, aber noch nie getragen hatte.
„Neee“ antwortet er ironisch und verzog dabei das Gesicht. Lena ging zum Sofa und boxte ihn gegen den Arm. Dann nahm sie ihre Tasche vom Sofa und verließ mit Clemens lachend die Wohnung.
Vor dem „Downstairs“ stand eine ganze Reihe von Menschen, die darauf warteten reingelassen zu werden. Es war eine kleiner Club in der Stadt, in den man nur reinkam, wenn man auf der Gästeliste stand, oder sehr viel Zeit hatte, um draußen zu warten, bis sich der Türsteher erbarmte und nach und nach ein paar Leute reinließ. Selbstverständlich nur, wenn eine entsprechende Anzahl von Leuten den Club wieder verlassen hatten.
Peter hatte es ohne große Mühe organisiert, dass die fünf auf der Gästeliste standen. Es hat halt seine Vorteile, wenn man die richtigen Leute kennt. Genervt schaute die wartende Masse, als die fünf an ihnen vorbei direkt in den Club gingen.
Wie der Name es schon ahnen ließ, ging es über eine kleine Treppe nach unten in den Club, der im Keller eines Geschäftsgebäudes lag. Es war gemütlich dort mit indirekter Beleuchtung, vielen weißen Ledersofas und einer großzügigen Tanzfläche genau in der Mitte des Raumes. Die fünf nahmen auf einem der Sofas platz und bestellten die Getränke. Sie feierten ausgelassen, tanzten und lachten viel. Sie saßen schon wieder auf dem Sofa, als das Blitzlicht einer Kamera sie aus ihrem Gespräch riss. Nur war es dieses Mal nicht Lena, die das Foto gemacht hatte.
Selbstsicher ging die junge blonde Frau ein Stück näher auf Clemens und Lena zu und lächelte.
„Hi Clem.“ sagte sie überschwänglich und stellte sich vor die beiden.
„Hallo“ erwiderte Clemens trocken. Er hasste es, wenn sie ihn so nannte. Er hatte es schon damals gehasst. Lena bemerkte, dass er anscheinend nicht sehr erfreut über dieses Wiedersehen war.
„Willst du uns nicht vorstellen?“ fragte die junge Frau und setzte sich sogleich neben Clemens aufs Sofa.
Clemens zögerte kurz. Schließlich sagte er: „Lena das ist Vivien. Vivien das ist Lena.“
Als Clemens ihren Namen ausgesprochen hatte, musste Lena schlucken, Vivien jedoch streckte ihr freundlich ihre Hand entgegen.
„Freut mich dich kennenzulernen.“ sagte sie überfreundlich.
„Äm ja mich auch.“ antwortete Lena ein wenig unsicher. Es war schon komisch plötzlich auf die Exfreundin des Freundes zu treffen. Lena wusste nicht, wie sie sich nun verhalten sollte. Clemens war die Situation merklich unangenehm. Unruhig rutschte er auf seinem Platz hin und her und suchte einen Weg heraus aus der Situation. Er schaute auf die leeren Gläser auf dem kleinen Tisch vor ihnen.
„Ich geh uns mal schnell einen neuen Drink holen!“ merkte er kurz an und war auch schon verschwunden. Tolle Nummer, dachte sich Lena und hoffte, dass das nun folgende Gespräch nicht zu schräg werden würde.
„Und?“ fing sie an das peinliche Schweigen zu brechen, „Was machst du hier in Bremen?“. Ohne sich zu wundern, dass Lena anscheinend wusste wer sie war und wo sie herkam, fing Vivien an zu erzählen:
„Ja also…wo fang ich denn am besten an? Mh…also dass ich ein Händchen für Mode hab, hast du ja sicherlich schon mitbekommen?!“ Lena musterte sie kurz und musste sich ein grinsen verkneifen. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden, aber Lena fand die Kombination ihrer Kleidung nicht gerade atemberaubend. Aber gut, dachte sie sich, lassen wir sie mal in dem Glauben, und so nickte sie zustimmend.
„Ja und nun habe ich das Angebot aus Bremen bekommen für ein Praktikum bei einem Designer. Sein Name ist…“ fuhr sie fort, als Petra plötzlich vor Lena stand und sie betteln ansah.
„Da ist mein Lieblingssong. Du musst unbedingt mit Tanzen kommen!“ fiel Petra Vivien ins Wort und ergriff Lenas Hand und nahm sie mit auf die Tanzfläche. Lena drehte sich noch einmal kurz zu Vivien um und sah sie schulterzuckend an.
„Vielen Danke du bist meine Rettung!“ flüsterte sie Petra kurz danach ins Ohr. Die zwinkerte ihr nur kurz zu und die beiden begannen zu tanzen.
Vivien schien die ganze Situation wenig zu stören. Im Gegenteil. Dieses war die Chance auf die sie gewartet hatte. Sie stand auf und ging ebenfalls zur Bar, wo Clemens noch darauf wartete endlich etwas zu bestellen. Sie schlag von hinten ihre Arme um seinen Bauch und legte ihr Kinn auf seiner Schulter ab.
„Was dauert das denn so lange?“ hauchte sie ihm ins Ohr. Erst jetzt bemerkte er wer wirklich hinter ihm stand. Erschrocken löste er sich aus der Umarmung und schaute sie böse an.
„Was soll das denn werden?“
„Früher hat es dich doch auch nicht gestört!“ gab sie pampig zurück.
„Richtig….früher!“ setze er hinzu und drehte sich wieder um.
Vivien packte ihn an der Schulter und riss ihn wieder zu sich rum.
„Was hast du eigentlich für ein Problem? Jetzt bin ich mal hier in Bremen und dachte wir machen uns ein paar schöne Tage.“ Mit einem Dackelblick sah sie ihn an und griff sogleich nach seinen Händen. Clemens jedoch zog seine Hände zurück und konnte kaum glauben was sich gerade abspielte.
„Sag mal hast du sie noch alle? Meinst du ich empfange dich mit offenen Armen? Nach den was du dir geleistet hast?“ fragte er entgeistert und drängte sich an ihr vorbei. Sein Weg führte geradewegs zu Petra und Lena auf die Tanzfläche.
Leise näherte er sich Lena von hinten und schlag liebvoll seine Arme um sie.
„Wollen wir los?“ hauchte er ihr ins Ohr.
„Jetzt schon?“ fragte sie ihn ungläubig nachdem sie sich umgedreht hatte.
„Ich würde lieber noch ein wenig mit dir alleine sein.“ Antwortete er mit einem leichten grinsen im Gesicht.
Lena musste ebenfalls grinsen und so wandte sich Clemens an Petra.
„Petra, vielen Dank für den Wunderschönen Tag, aber wir fahren jetzt nach Hause ich bin echt kaputt.“
„Schon okay. Bist halt jetzt ´n alter Sack!“ antwortete sie und zwinkerte ihm zu. Schnell verabschiedete sich auch Lena von ihrer Freundin und versprach im gleichen Atemzug sie bald anzurufen.
Auf dem weg nach draußen verabschiedeten sich die beiden noch von Peter und Thomas, bevor sie in eines der vor dem Eingang des Clubs wartenden taxen stiegen. Fast zeitgleich stieg auch Vivienne in ihr Auto und folgte de beiden. Die Fahrt dauerte nicht lange und als das Taxi mit Clemens und Lena in die Bernhardstraße einbog und kurz darauf anhielt, stoppte auch Vivienne ihr Fahrzeug und parkte wenige Meter hinter dem Taxi am Straßenrand. Von da aus konnte sie genau beobachten, in welchem der Häuser sie verschwanden. Ein sarkastisches Lächeln lag auf Viviens Lippen.
Lena machte langsam die Augen auf. Sie musste sich erst einmal orientieren. Als sie das dunkle Laminat und die hellen Möbel sah, wusste sie jedoch sofort wo sie war. Langsam drehte sie sich um und blickte in. Clemens Augen. Diese braunen Augen, die es ihr immer wieder warm ums Herz werden ließen. Sie blickte weiter. Jetzt, da es langsam aber sicher Winter wurde, waren seine Sommersprossen weniger geworden, aber es waren immer noch deutliche Ansätze zu sehen.
Auch Clemens sah Lena eine Weile an, jedoch holte ihn ein lautes Magenknurren ins Jetzt zurück. Er musste schmunzeln.
„Ich glaube wir sollten was fühstücken oder?" fragte er.
„Aber auf jeden fall. Ich hab echt Kohldampf. Ich könnt ein halbes Schwein verdrücken!" antwortete Lena und begann zu lachen. Auch Clemens stimmte mit ein.
„Na dann sollten wir lieber fühstücken gehen. Halbe Schweine habe ich für gewöhnlich nicht im Kühlschrank. "
Lena boxte ihn leicht auf den Oberarm.
„Spinner!" lachte sie.
Clemens musste wieder lachen. Er war froh sie kennengelernt zu haben. Sie machte sich keine Sorgen darüber immer perfekt auszusehen oder nicht zu viel zu essen, um nicht ein Gramm zu viel zuzunehmen.
Einfach ganz normal, nicht so übertrieben wie Vivien. Bei dem Gedanken an sie war ihm plötzlich nicht mehr zum Lachen. Ihm gefiel es einfach nicht, dass sie in Bremen war. Konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Er hatte doch klar und deutlich seine Abneigung ihr gegenüber geäußert und das nicht nur gestern Abend.
- Flashback –
Das klingeln des Handys riss ihn aus seinen Gedanken.
Ein wenig gleichgültig ging er ran.
„Hi Clemens. Sag mal hast du Zeit?" fragte der junge man am anderen Ende.
„Klar. Was gibt's?"
„Das wollte ich eigentlich nicht am Telefon besprechen. Kann ich vorbeikommen?"
„Ja klar. Bin sowieso gerade allein." entgegnete Clemens.
„Gut, dann bis gleich." Kaum hatte er den Satz vollendet legte er auch schon auf.
Es musste etwas wichtiges sein, wenn ihn sein guter Freund, der nicht oft in der Gegend war, an einem Donnerstag Abend noch so dringend sehen wollte. Aber da er allein zu Hause saß, machte ihn das auch nichts aus. Seine Freundin war wieder einmal unterwegs. Wie so oft in letzter Zeit. Die Zeit des jungen Paares war sowieso knapp bemessen und morgen würde er für eine Woche ins Trainingslager fliegen. Warum sollte man auch den letzten Abend zusammen verbringen? Nein. Vivien dachte nur an sich. Sie müsse unbedingt noch heute zum Friseur und außerdem noch ihre Nägel machen lassen, hatte sie gesagt. also hatte er sie ziehen lassen. Lieber allein zu Hause sitzen, als den ganzen Abend mit einer frustrierten Frau zu verbringen.
Ein paar Minuten später klingelte es an der Wohnungstür. Clemens stand von seinem Sofa aus und ging in den kleinen Flur, um den Türsummer zu betätigen, machte die Wohnungstür auf und ging schon einmal Richtung Küche. Er wusste ja schließlich, wen er erwartete. René war seit Jahren ein sehr guter Freund von ihm. Nur eine kurzen Augenblick später stand René im Flur.
„Bier?" fragte Clemens trocken.
„Ja gerne" antwortete René, schloss die Tür hinter sich und ging nun ebenfalls in die Küche. Er setzte sich an den keinen Esstisch und zog seine Jacke aus, die er über die Stuhllehne hängte.
„Was gibt’s denn so wichtiges, was du mir nicht am Telefon sagen kannst?" fragte Clemens und setzte sich ebenfalls.
„Nun ja..." René zögerte einen Moment.
„Raus mit der Sprache. So schlimm kanns doch nicht sein oder?" ermutigte Clemens seinen Freund. Wenn der wüsste, dachte René. Nie im leben hätte er gedacht, dass er einmal so ein Gespräch mit seinem Freund führen müsste.
„Also…vor zwei Wochen, als du gerade in Bremen warst, na ja, da war ja diese Party wo wir alle waren.“ begann er.
„Ja das weiß ich. Vivien war doch auch da und hat mir schon erzählt, dass ich die Party des Jahres verpasst hab. Ihr Jungs habt echt Gas gegeben hab ich gehört. Man, das hätte ich gerne gesehen.“ warf Clemens mit einem breiten Grinsen im Gesicht ein
„Ja genau. Vivien war auch dort“ fuhr René etwas kleinlaut fort. „Clemens, wir waren alle wirklich sehr betrunken und …. Ich weiß das das die Sache nicht rechtfertigt, aber…“ wieder verstummte er.
Clemens Miene verfinsterte sich.
„Was René?“ sein Herz begann schneller zu schlagen. „Sag es mir!“ forderte er auf.
René schluckte.
„Ich hatte was mit Vivien.“ sagte er fast flüsternd und blickte zu Boden.
Bam! Das hatte gesessen! Clemens rang nach Fassung.
„Bitte was? Sag das noch mal!“ seine Stimme war laut und wütend.
„Clemens ich … ich musste es dir sagen. Sie wollte es geheim halten und sogar noch eine kleine Affäre draus machen…“
„Lass es René!“ fuhr Clemens ihn an. „Ich will es gar nicht wissen. Die Tatsache allein reicht schon.“
„Clemens…“
„Ich glaube du gehst jetzt besser René.“ Inzwischen war er wieder etwas ruhiger geworden. Zumindest seine Stimme. Eigentlich sollte ihn das nach den letzten Monaten gar nicht mehr wundern. Vivien hatte sich verändert und das nicht gerade zum Positiven. Das war ihm auch schon aufgefallen. Aber er hatte gehofft, dass sich das alles wieder legen würde, dass sie ihm nicht auch noch so etwas antun würde.
René war aufgestanden und hatte sich seine Jacke genommen. Wortlos gingen beider zur Tür.
Clemens war gefasster, als noch vor einigen Minuten.
„Es ist verständlich, dass ich gerade etwas sauer bin oder?“
René nickte nur.
„Ich muss jetzt erst mal alleine sein. Wir sehen uns irgendwann.“ Er öffnete die Tür und René ging immer noch wortlos an ihm vorbei in den Hausflur. Dann schloss Clemens die Tür wieder.
Eine knappe Stunde später hörte er, wie jemand den Schlüssel in die Wohnungstür steckte und diese aufschloss. Vivien. Gut gelaunt und mit gemachten Haaren und Nägeln betrat sie die gemeinsame Wohnung. Sie ging ins Wohnzimmer, wo Clemens auf dem Sofa saß und starr auf den Fernseher schaute. Sie drückte ihm ein Küsschen auf die Wange und ging in die Küche. Auf dem Weg dorthin fing sie an von ihrem Friseurbesuch zu berichten. Clemens starrte noch immer auf den Fernseher.
„Und? Was gibt’s neues seit ich weg war?“ fragte sie und nahm sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.
„Du ziehst aus!“ entgegnete Clemens trocken.
Vivien verschluckte sich fast an ihrem Wasser. „Was?“ fragte sie lachend und ging wieder ins Wohnzimmer.
„Du hast mich schon verstanden.“ sagte Clemens, seinen Blick noch immer starr nach vorn gerichtet. „Du glaubst doch nicht allen ernstes, dass ich noch eine Sekunde meines Lebens mit dir vergeude?!“
Vivien sah ihn fragend an.
„Tu nicht so unschuldig!“ Jetzt wurde er lauter.
„René war hier. Er hat mir alles erzählt. Und jetzt mach das du hier weg kommst!“
„Clem, es tut mir so leid. Du hattest so wenig Zeit für mich und…
Clemens war vom Sofa aufgestanden und hatte sich vor sie gestellt.
„Nein Vivien.“ schrie er jetzt schon fast. „Fang jetzt nicht so an. Es war und beiden von vorne herein klar, dass diese Beziehung nicht einfach wird und nicht so perfekt und überhaupt.“ Er gestikulierte wild mit den Armen. „Aber du bist echt das Letzte. Du hast mich von vorne herein nur benutzt und verarscht und ich Idiot hab dich wirklich geliebt.“
Applaudierend stand Vivien vor ihm.
„Bravo! Du hast es endlich erkannt Clem.“ Ein dreckiges Lächeln umspielte ihre Lippen. Jetzt zeriss es ihn innerlich.
„RAUS HIER! SOFORT!“ war das einzige, was er jetzt noch sagen konnte.
- Flashback Ende -
Schnell verdrängte er diese lästigen Gedanken. Zu lange hatte er über sie oder besser gesagt über ihre Beziehung nachgedacht. Hatte sich zu viele Vorwürfe gemacht, zu viel über das "was wäre wenn" gegrübelt. Es war Lena, die ihn mit einem kleinen Küsschen wieder aus den Gedanken riss.
"Ich geh noch mal eben schnell rüber, ja? Duschen und was anderes anziehen." sagte sie, stand auf und zog sich an.
"Und ich dachte wir Duschen zusammen!" schmollte Clemens und ließ sich wieder in die Kissen fallen.
"Dann kommen wir ja nie los!" witzelte Lena, legte noch schnell ihren Schal um und beugte sich dann über den Abwehrspieler und gab ihm einen kurzen Kuss.
"Wir sehen uns doch gleich wieder!" sagte sie und machte sich auf den weg. Auch Clemens raffte sich auf und begleitete Lena zur Tür und ging dann ins Badezimmer.
Vivien parkte bereits seit über einer Stunde an der Stelle, an der sie am Abend zuvor schon gestanden hatte. Sie wartete auf einen Hinweis, ob irgendjemand schon wach war.
Plötzlich tat sich etwas. Die Haustür wurde geöffnet und Lena verließ das Haus. Aufmerksam beobachtete Vivien sie, wie sie auf die andere Straßenseite ging und das Mehrfamilienhaus betrat.
"Oh nein wie süß." murmelte sie ironisch vor sich hin "Die beiden sind Nachbarn. Ja, ja. Das nette Mädchen von nebenan."
Lena war erst seit wenigen Minuten in dem Haus verschwunden, als Vivien aus ihrem Wagen ausstieg und zu Clemens´ Haus ging. Clemens wunderte sich nicht, als es an der Tür klingelte. Wahrscheinlich hatte Lena wieder irgendetwas vergessen. Schnell zog er sich einen Bademantel über und öffnete die Tür. Er staunte nicht schlecht, als er Vivien und nicht Lena sah.
"Was willst du denn hier?" fragte er angewidert, bevor er im gleichen Atemzug hinterher schob: "Woher weißt du eigentlich wo ich wohne?"
"Tja, es gibt für alles Mittel und Wege! "grinste Vivien ihn an und ging noch einen Schritt näher an Clemens heran.
"Und was willst du nun?" fragte er abermals. Vivien zögerte einen Augenblick. Plötzlich überbrückte sie auch noch die letzten sie trennenden Zentimeter und küsste ihn.
Clemens packte sie an den Schultern und drückte sie von sich weg. entgeistert sah er sie an.
"Drehst du jetzt vollkommen durch? Ich glaub ich Spinne! Alter...ich...ach.." wütend drehte er sich um und knallte die Tür zu. Vivien lächelte. Punkt eins wäre geschafft, dachte sie und ging zu Clemens Wagen. Sie klebte etwas an die Fahrertür, bevor sie in ihr Auto einstieg und davon fuhr.
Lena hatte sich beeilt. Schnell hatte sie geduscht, sich umgezogen und ihre Haare gefönt und sie locker zusammengebunden. Nun schnappte sie sich schnell ihre Tasche und den Haustürschlüssel von der Flurgarderobe und verließ die Wohnung. Sie ging über die Straße und wollte gerade bei Clemens klingeln, als dieser schon die Tür öffnete.
„Wow! Hast du eine neue persönliche Bestzeit im Duschen aufgestellt? Ich wusste gar nicht, dass das bei dir so schnell gehen kann!“ begrüßte sie ihn lächelnd. Clemens trat aus dem Haus und schloss die Tür hinter sich.
„Ich will ja nicht, dass du mir noch verhungerst!“ antwortete er, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie.
„Können wir?“ wollte er wissen. Lena stand noch immer mit geschlossenen Augen vor ihm.
„Mhhhh“ nickte sie zur Antwort und beide gingen zu Clemens Wagen. Lässig hatte er diesen bereits mit der Fernveriegelung des Schlüssels geöffnet.
Lena öffnete die Beifahrertür und war gerade dabei einzusteigen, als Clemens etwas am Fenster der Fahrerseite entdeckte. Er sah den kleinen gelben Notizzettel an, nahm ihn ab, zerknüllte ihn und steckte ihn in die Jackentasche. Dann stieg auch er ein.
Montagmorgen. Es war kalt geworden, aber es war ja auch schon fast Mitte Dezember. Lena zog ihre Jacke ein Stück weiter zu und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Lust hatte sie keine, aber was sein muss, muss sein hatte ihr Vater immer gesagt. Ihr Vater. Lange hatte sie ihre Familie nicht mehr gesehen. Viel zu lange. Lena beschloss, sie vor Weihnachten auf alle Fälle noch einmal zu besuchen. Jetzt musste sie sich aber erst einmal mit dem Chef auseinandersetzten, wegen des missglückten Artikels letzte Woche.
Clemens parkte seinen Wagen lässig vor dem Trainingsgelände des Vereins. Hoffentlich lässt der Trainer heute nicht wieder seine schlechte Laune an uns aus, dachte er und ging Richtung Umkleidekabine. Montags war er nämlich meistens etwas gefrustet, wenn das Spiel am Wochenende nicht so gut gelaufen war. Und das war es bei weitem nicht. Es war ein einziges Desaster gewesen. Nichts hatte funktioniert. Aber auch wirklich gar nichts. Im Endeffekt sind sie mit einer 5:1 Niederlage vom Platz gegangen und der Trainer hatte kaum ein Wort darüber verloren. Das bedeutete nichts Gutes. Sie konnten sich heute also auf etwas gefasst machen. Ganz in seine Gedanken vertieft, hatte er gar nicht bemerkt, wie ihm jemand gefolgt war. Schon von zu Hause an. Vivien parkte ihren Wagen unauffällig ein wenig entfernt von Clemens seinem. Sie schaute ihm nach, wie er in dem großen Gebäude verschwand. Jetzt musste sie nur noch warten.
Clemens sollte Recht behalten. Das Training war kein Zuckerschlecken gewesen.
Völlig verschwitzt und abgekämpft ging die Mannschaft nach der Trainingseinheit zu den Duschen.
„Ich hoffe Vivien hat euch nicht mehr allzu sehr genervt am Samstag.“ wandte sich Clemens nach dem Duschen an Peter.
„Ne du. Die war wie vom Erdboden verschluckt, als ihr weg wart.“ antwortete er.
Clemens überlegte kurz.
„Das erklärt einiges.“ sagte er und zog sich weiter an.
„Wieso?“ wollte Peter wissen.
„Gehen wir gleich was Essen? Dann kann ich dir alles in Ruhe erzählen.“ Peter nickte.
Bei einem leckeren Mittagessen erzählte Clemens ausführlich, was am Wochenende vorgefallen war.
Von ihren Annäherungen im Club, als sie vor seiner Tür stand, von dem Kuss und nicht zu guter letzt von dem Klebi an seinem Auto.
„Du meinst der ist von ihr?“ wollte Peter wissen.
„Von wem den sonst?“ entgegnete Clemens trocken. „Der trau ich alles zu.“
„Also ein bisschen komisch ist sie ja schon oder?“ fragte Peter vorsichtig.
„Ein bisschen? Die hat ne Vollmeise!“ lachte Clemens und Peter stimmte mit ein.
Die beiden Freunde waren nach dem Training so schnell verschwunden, dass sie nicht mitbekommen hatten, was sich wenige Minuten nachdem sie das Gelände des Vereins verlassen hatten, abgespielt hatte.
Vivien saß noch immer in ihrem Wagen und wartete. Sie wartete auf jemand ganz bestimmtes. Als sie Claus aus den Umkleidekabinen kommen sah, stieg sie aus und lehnte sich lässig an die Motorhaube. Sie schaute auf ihre Armbanduhr und sah dann immer wieder suchend in die Richtung, aus der nun auch die anderen Spieler kamen. Claus kam näher.
„Entschuldigung?“ rief sie ihm entgegen. „Kannst du mir sagen ob Clemens bald rauskommt?“ Claus sah sie verwundert an.
„Keine Angst ich bin keiner seiner Groupies!“ lachte sie. „Ich bin eine alte Freundin von ihm. Ich wollte ihn eigentlich überraschen.“ sagte sie und ging auf Claus zu.
„Das tut mir leid. Der ist schon weg so weit ich weiß.“ antwortet Claus höflich.
„Ach so ein Mist. Und ich hab seine Nummer nicht, weil ich mein Handy gestern verloren hab, jetzt kann ich ihn nicht mal anrufen.“ enttäuscht blickte sie zu Claus.
„Ihr seid doch Kollegen. Kannst du mir vielleicht seine Nummer schnell aufschreiben? Dann könnte ich ihn anrufen und… na ja die Überraschung wäre nicht ganz so groß, aber das hab ich wohl selber verbockt. Warum bin ich auch nie pünktlich?!“ Claus überlegte kurz, nickte dann aber.
„Klar warum nicht. Hast du was zu schreiben?“ Vivien zückte ein Adressbuch und einen Stift aus ihrer Handtasche. Claus angelte währenddessen sein Handy aus seiner Hosentasche, suchte Clemens´ Nummer heraus und schrieb sie auf. Vivien lächelte zufrieden.
„Vielen, vielen Dank!“ sagte sie überschwänglich. „Vielleicht kannst du mir deine Nummer ja auch gleich noch dazuschreiben? Dann können wir ja vielleicht mal was Trinken gehen. So als Dankeschön!“ frech grinste sie ihn an. Auch dieses mal fackelte Claus nicht lange und schrieb seine Handynummer ebenfalls auf. Vivien verabschiedete sich, stieg in ihr Auto und fuhr los. Punkt zwei auf ihrer Liste war damit auch geschafft.
Clemens hatte es sich bei Lena auf dem Sofa gemütlich gemacht. Nachdem beide einen anstrengenden Tag hatten, wollten sie nur noch auf dem Sofa liegen, kuscheln und einen Film schauen.
„Hast du morgen Nachmittag schon was vor?“ fragte Lena.
„Bis jetzt noch nicht. Warum?“
„Na ja, ich hatte gedacht vielleicht können wir morgen mal einen Spaziergang machen. Ich hab da letzten so ein schönes Wäldchen hier ganz in der Nähe entdeckt und…“ sie stockte.
„Was ist denn? Erzähl weiter!“ forderte Clemens sie auf. Lena wurde ein wenig verlegen.
„Ich…also vielleicht ist da ja auch ne blöde Idee. Ich weiß ja gar nicht, ob du überhaupt gerne spazieren gehst und….“ Clemens begann zu lachen.
„Du bist echt süß. Na klar würde ich gerne Spazierengehen. Vor allem mit dir.“ antwortete er und küsste sie. Die Zweisamkeit währte jedoch nicht lange, denn Clemens Handy fing an zu klingeln. Er ignorierte es jedoch.
„Willst du gar nicht rangehen?“ fragte Lena ihn.
„Wer was will, der wird schon noch mal anrufen. Ich hab jetzt grade gar keine Zeit!“ antwortet er, legte seine Hand in Lenas Nacken und zog sie zu sich heran.
„Bleibst du heute bei mir?“ fragte Lena leise.
„Alles was du willst!“ hauchte er und beide gaben sich voll und ganz ihren Gefühlen hin.
Clemens konnte nicht schlafen. Zu viel ging ihm heute wieder einmal durch den Kopf. Angefangen bei Lena und was er für ein Glück hatte, sie kennengelernt zu haben, über das Training heute und das, was der Trainer ihnen gesagt hatte, bis hin zu Zukunftsplänen und ähnlichem. Ein Piepsen riss ihn aus seinen Gedanken. Eine SMS. Von einer unbekannten Nummer oder besser gesagt von der unbekannten Nummer, die ihn heute schon mehrere Male versucht hatte zu erreichen.
„Weißt du eigentlich, dass ich Einzelkind bin und immer das bekomme, was ich will?“
Clemens war verwundert. Da hatte sich doch jemand verwählt. Schnell tippte er eine Antwort:
„Das freut mich für dich, aber ich glaube du hast die falsche Nummer. Sorry.“
„Nein ich habe genau die richtige Nummer ;-)“
„Okay wenn du meinst! Schönen Abend noch.“
So blöde Spielchen konnte er ja leiden. Aus dem Alter war er nun wirklich raus. Er wollte gerade das Handy ausmachen, als die nächste Nachricht aufblinkte.
„Clem, es tut mir alles so furchtbar leid was ich damals getan habe. Ich habe einen riesigen Fehler gemacht das weiß ich jetzt. Bitte verzeih mir.“
So nannte ihn nur eine. Vivien. Er hätte es gleich ahnen müssen, als heute der Telefonterror begann.
„Woher hast du meine Nummer?“ schrieb er sauer zurück.
Kaum hatte er die SMS gesendet, schrieb er noch hinterher.
„Ach, ich will es eigentlich gar nicht wissen woher. Schlimm genug das du sie hast. Und deine Reue kannst du dir schenken. Gute Nacht.“
Schnell machte er das Handy aus und kuschelte sich an Lena. Jetzt musste er sich wirklich anstrengen, um endlich einschlafen zu können. Aber bei dem Anblick einer friedlich schlafenden Lena übermannte auch ihn bald die Müdigkeit und er schlief ein.
Am nächsten Morgen fühlte er sich wie gerädert. Er hatte schlecht geschlafen, war ständig aufgewacht in der Nacht und hatte zu allem Überfluss auch noch von Vivien geträumt.
Lena öffnete langsam die Augen und blickte einen nachdenklichen Clemens an.
„Guten Morgen“ lächelte sie ihn an „Was ist denn mit dir los?“
„Guten Morgen!“ jetzt konnte Clemens schon wieder ein wenig grinsen und gab Lena einen flüchtigen Kuss. „Ich hab nur an das bevorstehende Training gedacht. Wird bestimmt wieder stressig.“
Lena streckte sich und griente von einem Ohr bis zum anderen.
„Ach ja…ich hab heute frei und werde einfach mal gar nichts tun!“
Clemens brummte nur beleidigt vor sich hin. Er hätte heute auch gerne frei, aber Job ist nun mal Job. Bald stand ja die Winterpause bevor und er hoffte, mit Lena ein paar ruhige Tage verbringen zu können. Träumend grinste er vor sich hin, als Lena wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett aufsprang und rausrannte.
Clemens schaute verwundert.
Einige Minuten später kam Lena wieder. Sie sah scheußlich aus. Clemens richtet sich im Bett auf.
„Hey…komm mal her. Was ist denn los?“
„Weiß auch nicht, wahrscheinlich hat mich dieser dämlich Magen-Darm-Virus erwischt, der rumgeht.“
Antwortete sie und legte sich wieder ins Bett.
„Na super! Und das an deinem freien Tag!“ entgegnete er besorgt. „Soll ich hierbleiben und dich gesund pflegen?“
„Das könnte dir so passen was? Ne! Fahr du mal schön zum Training. Ich hab jetzt wenigstens einen Grund den ganzen Tag im Bett zu bleiben.“ Erwiderte sie und rang sich ein lächeln ab.
„Okay, aber wenn was ist meldest du dich ja?“
Lena nickte.
Clemens stand auf und zog sich an.
„So, ich muss noch eben nach Hause und meine Sachen holen.“
Wieder nickte Lena nur. Ihr war immer noch Hundeelend.
Clemens küsste sie zu, Abschied auf die Stirn. Lena hörte noch die Wohnungstür ins Schloss fallen, bevor sie wieder einschlief.
Clemens trat aus der Haustür und ging hastig zur Straße. Er schaute schnell nach rechts und links bevor er diese überquerte. Im Augenwinkel sah er seinen Wagen und blieb abrupt stehen, mitten auf der Straße.
„Das….also….“ versuchte er sein Erstaunen in Worte zu fassen, als er näher an seinen Wagen rantrat.
„Ich…dieses Miststück!“ fluchte er und trat gegen den linken Vorderreifen. Er nahm sein Handy aus der Hosentasche und wählte Peters Nummer.
„Peter? Ja, Ich bin’s. Kannst du mich heute zum Training mitnehmen? Frag nicht! Erklär ich dir später! Ist doch egal! Machst du´s oder nicht?“ fuhr Clemens seinen Freund an. „Alles klar bis gleich!“ dann legte er auf. Er schloss die Haustür auf und stürmte nach oben. Eilig nahm er seine Tasche und stopfte wahllos irgendwelche Klamotten hinein. Nebenbei versuchte er Constanze zu erreichen. Nervös packte er immer wieder Sachen ein und dann wieder aus.
„Na endlich!“ stöhnte er, als Constanze an ihr Handy ging. „Du musst sofort herkommen. Dieses kleine Miststück hat mir das ganze Auto versaut.“ Doch bevor er weiter schimpfen konnte, schnitt Constanze ihm das Wort ab.
„Nun mal langsam Brüderchen! Ich muss gar nichts! Und worum geht es überhaupt?“
Clemens schilderte Constanze kurz, was vorgefallen war. Ihr fiel auf die schnell auch nicht mehr ein als ein erstauntes „Oh ha!“
Kannst du bitte den Wagen in die Waschanlage fahren? Ich will nicht, dass Lena das mitbekommt.!“ Fragte er dann noch einmal vorsichtig. „Danke, du bist ein Schatz. Den Schlüssel leg ich auf den Küchentisch.“ säuselte er in sein Mobiltelefon und legte auf, um sich auf den Weg zu machen. Peter würde sicherlich gleich da sein. Und so war es auch. Keine Minute später parkte er am Straßenrand vor Clemens Haus.
Ungläubig starrte er auf das Auto vor sich und schnallte sich ab. Er stieg aus, um sich das Kunstwerk genauer anzusehen. Clemens verdrehte die Augen. Gleich würde wieder ein dummer Spruch von Peter kommen, das kannte er schon.
Peter ging um das Auto herum und begutachtete alles. Das ganze Auto war mit Lippenstift beschmiert. Herzchen, Kussmünder, Sprüche wie „I Love You“, „Komm zurück“ oder „Du gehörst zu mir“.
Als er fertig war stellte er sich neben Clemens.
„Alle Achtung. Da hat sich aber jemand Mühe gegeben was?“ sagte er und grinste Clemens an.
„Wenn du es so toll findest, geb ich dir gern ihre Nummer!“ witzelte Clemens.
„Du weißt wer es war?“ fragte Peter erstaunt.
„Was glaubst du denn? Zu so etwas ist nur eine fähig!“
„Ach komm, das kann genau so gut irgendein Fan gewesen sein oder jemand der das Auto verwechselt hat!“ entgegnete Peter.
„Peter! Das glaubst du ja wohl selber nicht! Aber das wird sie büßen!“ sagte Clemens und stieg in Peters Wagen ein. Peter jedoch blieb an der geöffneten Fahrertür stehen und warf noch einen letzten Blick auf das Auto seines Freundes.
„Die hat doch echt nen Knall!“ sagte er und stieg ein.
Das Training war vorbei. Clemens musste die ganze Zeit an Lena denken und dran, wie es ihr wohl geht. Kaum in der Kabine angekommen holte er sein Handy aus seiner Tasche und schrieb ihr eine SMS.
„Hey Kleine,
Wie geht’s dir? Kuss.“
Dann ging er duschen. Lena hatte schon zurückgeschrieben, als er aus der Dusche kam.
„Hey Großer!
Ist alles wieder gut. Wie siehts mit unserem Spaziergang aus? Küsschen“
Ein lächeln schlich sich auf Clemens Lippen, als er die Antwort las. Es ging ihr wieder besser. Schnell schrieb er zurück.
„Wenn du magst gerne! Muss gleich nur noch mal schnell zum Chef. Bis später.“
Lena saß unterdessen auf ihrem Sofa und schaute fern. Irgendetwas Belangloses. Sie schaute sowieso nicht hin, da sie in Gedanken schon längst bei Clemens war. Das Wetter war perfekt für einen Spaziergang. Die Sonne schien und das Laub an den Bäumen leuchtete farbenfroh.
Eine gute Stunde später waren Lena und Clemens auf einer kleinen Lichtung im Wald angekommen. Lange waren sie durch den Wald spaziert, bis sie dieses wunderschöne Fleckchen entdeckt hatten. Lena blickte hinauf zu den riesigen Bäumen, die sie umgaben.
„Schön hier oder?“ fragte sie Clemens ohne dabei ihren Blick wieder nach unten zu richten.
„Mhhh.“ entgegnete dieser nur, ebenfalls von der Schönheit der Natur gefesselt.
Lena öffnete ihre „Handtasche“, holte ihre Kamera heraus und begann zu fotografieren. Clemens verstand nicht, dass Frauen so etwas Handtasche nennen konnten. Das Teil war so groß wie seine Einkaufstüten. Er musste schmunzeln. Frauen. Manchmal einfach nicht zu verstehen.
Ein Blitzlicht riss ihn aus seinen Gedanken. Verwundert sah er Lena an.
„Du hast nicht grade ein Foto von mir gemacht oder?“ versuchte er ernst zu wirken, wobei er sein Lächeln nicht verbergen konnte.
„Nein!“ schüttelte Lena ironisch den Kopf. „Das würde ich nie tun!“ jetzt musste sie kichern. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart wie ein verliebter Teenager. Diese Kribbeln, wenn er sie ansah geschweige denn, wenn er sie küsste. Und genau das tat er dann auch. Langsam nahm er ihr die Kamera aus der Hand und verwickelte sie in einen tiefen Kuss, bis er sich abrupt von ihr löste und sich ein paar Schritte von Lena entfernte.
Er schaute schelmisch auf das Display der Kamera und dann wieder zu Lena.
„So, jetzt bist du aber mal dran!“ griente er und drückte ab.
„Du bist gemein!“ erwiderte Lena und versuchte, ihm die Kamera wieder wegzunehmen, ohne Erfolg jedoch, denn Clemens war bedeutend stärker als sie, das musste sie zugeben.
„Pass auf, ich hab da noch ne Idee.“ Lena sah Clemens verunsichert an. Eng mit den Köpfen aneinander gekuschelt hielt Clemens die Kamera eine Armlänge weit entfernt von den beiden und drückte den Auslöser. Solche Fotos fand Lena eigentlich schrecklich. Entweder war eine Person nicht ganz mit drauf oder irgendeiner zog ein dummes Gesicht. Clemens ließ sie jedoch das Foto nicht ansehen. Mit ausgestrecktem Arm hielt er die Kamera in die Höhe.
„Das schauen wir uns irgendwann mal zusammen an, okay? Dann haben wir was zu lachen“ schmunzelte er.
Lena wollte gerade darauf erwidern, als Clemens Handy in seiner Jackentasche auf sich aufmerksam machte. Er drücke ihr die Kamera in die Hand und suchte nach dem Mobiltelefon. Lena steckte ihr Heiligtum wieder in ihre Tasche und schaute zu Clemens. Er sah nicht gerade begeistert aus über das, was er da las.
„Clem, bitte gibt mir noch eine Chance!“
Vivien. Schnell steckte er das Handy wieder in die Jackentasche. Wo zum Teufel hatte sie nur seine Nummer her. Lena sah ihn fragend an.
„Nix wichtiges!“ entgegnete er kurz. „Was ist? Wollen wir nach Hause?“ Es wird langsam frisch, jetzt wo die Sonne weg ist.
Lena nickte zustimmend. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie lange sie eigentlich schon hier waren, also machten sie sich auf den Weg.
„Zu mir oder zu dir?“ fragte Clemens mit hochgezogenen Augenbrauen, als er den Wagen am Straßenrand parkte.
„Du, sei mir nicht böse, aber ich muss morgen früh raus und ….!“
„Ja, du hast ja recht.“ fiel Clemens ein. „Sehen wir uns morgen?“
„Klar!“ antworte Lena kurz, bevor sich die beiden zum Abschied küssten. Dann stieg Lena aus dem Auto aus und ging hinüber zu ihrer Wohnung.
Es war schon kurz nach Elf und Clemens lag hellwach in seinem Bett. Er war kaputt, aber dennoch nicht müde genug, um schlafen zu können. Seine Gedanken ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Und wieder ertönte der ihm so bekannte Ton seines Handys, der eine Kurznachricht ankündigte.
„Clem, bitte verzeih mir, es tut mir so leid. Ich liebe dich doch!“
Wütend tippte er eine Antwort.
„Vergiss es Vivien! Lass mich endlich in Ruhe!“
Schnell drückte er auf „Senden“ und legte das Handy auf den Nachttisch. Kaum hatte er sich umgedreht, meldete sich erneut das Handy. Eigentlich hatte er gar keine Lust mehr zu lesen, was Vivien jetzt schon wieder wollte. Er rang sich jedoch doch dazu durch. Zu groß war seine Neugier.
Zu seiner Verwunderung war die SMS jedoch von Lena.
„Hey Großer!
Hoffe, ich habe dich jetzt nicht geweckt. Wollte dir nur noch mal sagen, wie schön ich den heutigen Tag fand. So was können wir ruhig öfter machen.Wünsche dir eine gute Nacht und süße Träume.
Küsschen.“
Seine Gefühlslage änderte sich schlagartig.
„Hey Kleine.
Kann auch nicht schlafen. Ja, der Tag war wirklich schön. WIEDERHOLUNGSBEDARF! ;) Schlaf du auch schön.
Kuss.“
Er hatte die SMS noch nicht einmal abgesendet, als schon die nächste eintraf. Schnell schickte er Lena seine Gute-Nacht-Grüße, bevor er die neue Nachricht las.
„Na gut, du wirst schon sehen, was du davon hast! Ich mach dich fertig. Verlass dich drauf!“
„Phhhh!“ entfuhr es ihm in die Stille der Nacht. Was sollte denn so etwas jetzt? Langsam war er sich sicher, dass Vivien ernsthafte Probleme hatte.
„Du kannst mir gar nichts, weißt du das eigentlich?! Und jetzt verschwinde aus meinem Leben!“
Diese Antwort war ja nun hoffentlich eindeutig. Er beschloss, so schnell wie möglich seine Nummer ändern zu lassen, aber so leicht ließ Vivien sich nicht abfertigen.
„Dann schau mal morgen in die Bild Zeitung und pass gut auf deine kleine Freundin auf.“
Clemens war irritiert. Wenn sie das wirklich tun sollte, dann würde er aber langsam mal andere Mittel einsetzen müssen, um sie loszuwerden. Er beschloss jedoch, auf so eine Anspielung gar nicht erst einzugehen und legte das Handy beiseite. Unruhig wälzte er sich hin und her. Was sollte sie denn groß anrichten, dachte er sich. Selbst wenn sie der Presse erzählen sollte, dass er eine Freundin hat, konnte ihm das eigentlich egal sein oder? Schließlich stand er zu Lena. Aber war er wirklich schon bereit, damit an die Öffentlichkeit zu gehen? Gut, irgendwann muss es ja auch mal so weit sein, warum dann nicht jetzt?
Am nächsten morgen wachte Clemens auf und fühlte sich wie gerädert. Er hatte schlecht geschlafen, war immer wieder aufgewacht und hatte sich Gedanken gemacht.
Entschlossen griff er zu seinem Handy und rief Lena an.
„Ja?“ meldete sich eine verschlafene Lena.
„Guten morgen kleines! Na? Gut geschlafen?“
„Mh….du auch? Wie spät ist es denn?“ fragte sie verträumt.
„Ähm…halb acht“
„Bitte was?“ unterbrach sie ihn fast panisch.
„Mist, ich hab verschlafen und ich muss doch heute….oh man. Wo ist denn nur meine Hose….und ach man…“
„Ich will dich auch gar nicht länger stören. Ich wollte dich nur schnell was fragen“ versuchte sich Clemens zu erklären.
„Was denn? Clemens ich muss mich echt beeilen…ich bin voll spät dran und wenn ich da zu spät komme…“
„Ja ist ja gut. Ich wollte dir nur sagen, dass am Samstag die Weihnachtsfeier vom Verein ist und ich hätte dich gerne dabei.“
Lena schluckte.
„Samstag? Okay, ja da hab ich noch nichts vor. Ich würde mich freuen.“
„Alles klar. Dann hol ich dich um sieben ab ja?“
„Klar. Okay, wir telefonieren später noch einmal. Ich muss jetzt echt los. Lieb dich! Küsschen.“
„Ich dich auch!“ antwortete Clemens und schmatzte einen dicken Kuss in sein Handy. Dann legte er auf und ließ sich zufrieden zurück in die Kissen sinken, schließlich musste er erst in zwei Stunden beim Training sein.
Pünktlich um 19:00 Uhr stand Clemens am Samstag vor Lenas Wohnungstür.
Als Lena diese öffnete, stockte ihm der Atem. Sie trug ein rotes, eng anliegendes Kleid, was ihrer Figur ungemein schmeichelte. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt und sich dezent, aber dennoch sichtbar geschminkt.
„Wow. Ich…Du siehtst toll aus!“ stieß er hervor und küsste sie.
„Danke! Du bist aber auch schick mein lieber.“ antwortete sie und musterte ihn von oben bis unten.
„So ein Anzug steht dir echt gut. Solltest du öfter tragen!“
„Tja, mal sehen. Vielleicht bewerbe ich mich mal bei ner Bank, dann lauf ich jeden Tag so rum und nicht immer in den verschwitzten Trikots.“
„Ach, so verschwitzt gefällst du mir aber auch ganz gut.“ konterte sie und zwinkerte ihm zu, was ihr den nächsten Kuss einbrachte.
„Können wir?“ Er schaute ihr tief in die Augen.
„Mh..“ nickte Lena zustimmend. Mehr konnte sie unter seinem liebevollen Blick nicht herausbringen.
Am Hotel ankommen stiegen die beiden aus dem Auto und liefen händchenhaltend über den Parkplatz. Es war kalt geworden und Lena schmiegte sich eng an Clemens. Gemeinsam betraten sie das große Gebäude und Lena staunte nicht schlecht, als sie den riesigen Weihnachtsbaum betrachtete. Er war bestimmt vier Meter hoch und wunderschön geschmückt. Sie kam sich vor wie ein kleines Kind am Heilig Abend. Ihre Augen leuchteten.
Clemens sah sie an: „Schön nicht wahr?“
„Traumhaft!“ antwortete Lena und ließ sich dann sanft von Clemens weiterziehen, ohne ihren Blick von dem Baum abwenden zu können.
Doch sie hatten die Rechnung ohne die Presse gemacht.
Ein älterer Herr kam auf die beiden zugerannt. Um seinen Hals trug er eine Kamera in der Hand hielt er einen Block und einen Kugelschreiber.
„Herr Fritz, guten Abend. Darf ich schnell ein Foto von Ihnen vor dem Tannenbaum machen? Sie wissen schon, für den alljährlichen Artikel und so. „
„Natürlich!“ antwortet Clemens fachmännisch.
Die beiden stellten sich vor die große Tanne und Clemens legte seinen Arm um Lena.
„Vielen dank, das wars auch schon. Darf ich noch fragen, wer Ihre reizende Begleitung ist?“
„Natürlich dürfen Sie das. Das ist Lena, meine Freundin!“ antwortete er und sah Lena an.
Diese schaute Clemens ebenfalls tief in die Augen, bevor sie sich mit ihrem schönsten lächeln wieder zu dem Herrn umdrehte und Clemens Aussage nur kopfnickend bestätigte.
Anfangs war Lena ein wenig mulmig zumute gewesen, doch bestärkt durch Clemens öffentliches Bekenntnis trat sie vollen Mutes in den riesigen, festlich geschmückten Saal. Zum zweiten Mal an diesem Abend staunte sie. So viele Menschen hatte sie nicht erwartet. Unzählige Spieler mit ihren Frauen und teilweise mit Kindern und viele, viele andere Menschen, die wahrscheinlich eher im Hintergrund eine Rolle spielten.
Clemens musste leicht schmunzeln.
„Komm.“ sagte er und zog sie sanft hinter sich her „Das wird ein toller Abend, das verspreche ich dir! Mach dir wegen der vielen unbekannten Gesichter keine Gedanken. Solange ich bei dir bin, kann dir gar nichts passieren!“
Tag der Veröffentlichung: 01.11.2011
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