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Prolog

Prolog:

 

„Kann ich jemanden für dich anrufen Schätzchen?“, fragte die mollige Krankenschwester, die immer noch neben mir kniete. „Nein, es gibt niemanden, den Sie anrufen könnten“, antwortete ich. Meine Stimme war kalt und durchschnitt die ebenso eisige Luft. Mein Atem bildete weiße Wolken und der Wind ließ mich erzittern. Doch es war mir egal.

 

„Hör mal Kindchen, wie wärs, wenn du für eine Nacht hier bleibst. Du weißt bestimmt nicht, wo du hin sollst, nicht wahr?“ Wärmend glitt ihre Hand über meinen Rücken. Nein, ich wusste nicht, wohin heute Nacht und auch sonst nicht. Meine Heimatstadt hatte ich hinter mir gelassen, keiner der noch auf mich wartete oder mich vermisste. „Nein, danke. Ich werde gehen, sobald der Regen sich gelegt hat.“ Sie erwiderte nur ein Seufzen, aber ich wusste, dass sie es aufgegeben hatte, mich ins Warme zu bekommen.

 

Ich winkelte meine Beine an und ließ mich hart gegen die Steinsäule des Krankenhauses sinken. Regentropfen tobten zusammen mit dem Wind und ließen die Nacht verlassen und einsam wirken. Manchmal fielen einige Tropfen auf mein Gesicht, zart, so als könnte ich nicht mehr vertragen, wischte ich sie weg. Meine Fingerkuppen verfärbten sich bei der Winterkälte blau, doch ich spürte es kaum. Ab und zu ging die Schiebetür auf und empfing neue Patienten oder deren Besucher. Alles war mit Weihnachtsdekoration geschmückt worden, sogar ein kleiner Tannenbaum stand in der Eingangshalle. Hier draußen, unterm Abdach, war es kahl und der graue Beton schien sich jedes mal ein Stückchen näher an mich zu drücken. Mein weißes T-Shirt schützte mich nicht vor dem eisigen Dezemberwetter, doch ich hatte keine Jacke, die mich hätte wärmen können.

 

„Hey, bist du taub, oder was?“ Ein Mann mit Uniform stand vor mir und starrte mich wütend an. Verwirrt blinzelte ich und richtete mich ein wenig auf. „Du sollst verschwinden, habe ich gesagt“, schrie der Mann erneut. Ein kleines Schild an seiner linken Brust verriet mir, dass er der Hausmeister war. Steif nickte ich, raffte mich auf und schlenderte viel zu langsam durch den Regen. Der Wind zerrte an mir und verursachte eine starke Gänsehaut. Schnell schlang ich meine Arme um mich und zog meine Schultern ein. Ich war hier nicht erwünscht. Ich war nirgendwo erwünscht ...

 

1. Kapitel

„Mensch Cathy, schwing deinen hübschen Hintern hier rüber, Süße. Du hast einen Gast an Tisch 3!“

Lachend legte sie einem hübschen Latino eine Hand in den Nacken und zog ihn zu einem langen Kuss zu sich runter. Ich schmunzelte leicht und ging zu meinem Tisch rüber. Schwungvoll nahm ich einen linierten Block aus der Tasche und drückte auf den Kuli, um zu schreiben.

 

„Na, was kann ich heute für dich tun Big D?“, fragte ich hastig den bulligen Typen, der mich tagtäglich mit Trinkgeld beglückte. Er hatte dunkelbraune Haut und geflochtene schwarze Haare, die er heute unter einer roten Mütze versteckte. „Oh, lass mich überlegen, wie wärs mit einem romantischen Abendessen, nur wir zwei, allein ...“ Sein anzügliches Grinsen wurde noch breiter, als ich mich mit einem Stöhnen auf seinen Schoß setzte und mir einen Schluck von seiner Cola gönnte. „Sorry, hab ne Doppel- Schicht heute, aber ich kann dir nen Burger bringen, der die Entäuschung bestimmt wieder wed macht!“, flüsterte ich ihm verführerisch ins Ohr. Sein Lachen vibrierte in meinem Rücken und brachte auch mich zum Lachen. Ich stütze mich am Tisch ab und erhob mich wieder.

 

„Na gut, Cathy, dann bring mir diesen Burger, ich hoffe wirklich, er ist sein Geld wert.“ Mit gespielt ernster Miene, machte ich mich daran, seine Bestellung zu notieren und ging zum Tresen. Ich klatschte Ollie den Zettel hin und stützte meinen Kopf auf die Hände. „Oh, mein Spezialburger wird wieder verlangt. Und wie ich sehe, hast du Big D ganz schön den Kopf verdreht!?“ Fragend zog der alte Herr die Augenbraue hoch.

 

Ich schlug ihm leicht auf den Hinterkopf und schüttelte belustigt den Kopf. „Wo du nur wieder hin denkst, Ollie“, seufzte ich. Ollie war seit vielen Jahren der Inhaber des Grills und ließ es sich nicht nehmen, jeden Tag aufs neue selbst in der Küche zu stehen. Nur selten war Pablo, der eigentliche Koch, alleine am Werk.

 

Er nahm sich seine karierte Mütze vom Kopf und knallte sie auf den Tresen. „Cathy, du solltest aufpassen, was den Typen angeht. Ich weiß, wie solche wie er ticken und du bist mein kleines Mädchen. Ich will nicht, dass dir was passiert, meine Schöne.“ Ernst blickte er mich an und ich wusste, er hatte recht. Mit Typen wie Big D war nicht zu spaßen. Er war der Chef der Rolling 20´s, einer der afroamerikanischen Gangs in Chicago. Ich seufzte und rollte trotzig die Augen. Warnend senkte er seinen Blick und bedeutete mir damit, vorsichtig zu sein. Ich nickte nur und ging zu Rose rüber, die immer noch mit ihrem Freund beschäftigt war.

 

Mit einem leichten Klaps auf Juans Hinterkopf lenkte ich ihre Aufmerksamkeit auf mich. „Na, hat Big D dich wieder angemacht?“, fragte sie streng. „Nein, kein Stress, alles okay“, erwiderte ich. „Du weißt ja, ich kann ihm mit meinen Jungs ein paar Träume bescheren, wenn du möchtest ...“, mischte sich nun auch Juan ein. Wir kannten uns schon seit Kindertagen und er wusste nur zu gut, was ich von dem Gangleben hielt. Doch seine Jungs waren mehr als okay und ignorierten meine Meinung einfach. Für mich war er mein Bruder und seine Kumpels meine Freunde. Alle akzeptierten das und zwangen mich nicht dazu, ebenfalls ein Mitglied zu werden.

 

Dankend lehnte ich ab und seufzte, als ich sah, dass Ollie den Burger bereits fertig gestellt hatte. Schnell eilte ich zum Tresen und nahm das Essen entgegen. Mit einem zurückhaltenden Lächeln schob ich Big D den Teller zu. Seine Hand legte sich auf meinen Oberschenkel und fuhr sanft auf und ab, während er mich arrogant musterte. Ich schubste seine hastig Finger weg und genoss das Gefühl seines verletzten Stolzes. Wütend wandte er sich seinem Essen zu. Ich stockte, normalerweise ließ er sich ein solches Verhalten nicht gefallen, doch mit einem Blick hinter mir erkannte ich Juan, der mich besorgt ansah. Die beiden Gangs waren einst heftig verfeindet gewesen, Frieden herrschte erst seit wenigen Jahren und Ärger war aufgrund dessen leicht heraufzubeschwören. Mit schlechtem Gewissen, stolzierte ich wieder zu meinem besten Freund und seiner Freundin Rose, die sich nun auch wieder an die Arbeit machen wollte. „Gehts dir gut?“, fragte er. Ich nickte stur.

 

Ich war seit ich vierzehn geworden war Kellnerin im Grill und erlebte sowas jeden Tag. Wäre es nicht Big D gewesen, hätte niemand einen Aufstand darum gemacht, aber in diesem Fall ging es um meine Ehre, die nun von meiner Familie verteidigt werden musste. Die Situation war angespannt, das spürte ich deutlich, doch ich fand es kindisch, sich darüber aufzuregen. Ich war 16 und konnte alleine auf mich aufpassen. Viele Leute hatten Respekt vor mir und die meisten trauten sich allein deswegen schon nicht, mich anzumachen. Und falls dann doch jemand so dumm war, bekam er es mit Juan und den Venice 13 Jungs zu tun. Juan war der stellvertretende Boss der Gang und erntete daher hohen Respekt von anderen.

 

Ich holte mir einen Schwamm und Wasser, bevor ich mich daran machte, einen dreckigen Tisch zu säubern. Ich nahm das Geschirr mit und räumte es in die Spülmaschine, welche Ollie vor einem Jahr gekauft hatte. Davor hatten wir alles mit der Hand spülen müssen - eine langwierige Prozedur. Nun kam sauberes Geschirr innerhalb weniger Minuten. Ich sah mich noch einmal um und entdeckte keinen neuen Kunden, sodass ich mich schnell umziehen konnte.

 

Ich verschwand im Pausenraum und zog mir die gelb/orange Uniform aus, um schnell in eine zerschlissene Jeans und ein schwarzes Shirt zu schlüpfen. Ich zog meine Stundenkarte durch den Zähler und schnappte mir im Vorbeigehen meine Lederjacke vom Hacken. Ich küsste Ollie und Juan auf die Wange, bevor ich aus dem Grill rannte und in meine Wohnung stürmte. Ich holte rasch Erbsen und Fleisch aus der Truhe und zündete den Herd an. Meine Jacke schmiss ich achtlos in den Flur und schaltete den Fernseher ein. In einer halben Stunde würde Dave aus der Schule kommen und würde vor Hunger wahrscheinlich sterben, wenn ich ihm nichts kochte.

 

Stöhnend zog ich auch meine Snickers aus und setzte mich in den Sessel. Entspannt knotete ich meine Haare zu einem großen Dutt, der meine langen Haare vor fettigem Öl schützen würde. Im TV liefen hauptsächlich Familiendokus. Ich hasste solche Serien, waren sie doch so weit entfernt von der Realität. Hatte man kein Geld, wehrte sich in unserer Gegend keiner gegen Arbeit, nur hatten wir absolut keine andere Chance als eine Karriere als Gangmitglied zu starten. Seufzend hörte ich, wie das Öl in der Pfanne knisterte. Ich schaltete den Fernseher wieder aus und legte das Schweinefleisch ins Fett. Leise brutzelte es, während ich die Erbsen in der Mikrowelle auftaute und sie schließlich auf zwei Teller verteilte. Auch das Fleisch war rechtzeitig fertig.

 

Dave knallte gerade die Tür zu und legte seine Tasche in seinem Zimmer ab. Grinsend umarmte ich meinen kleinen Bruder und kitzelte ihn spielerisch an den Seiten. Er war vor einer Woche acht geworden und hatte die Spielkonsolen bekommen, die er sich so sehr gewünscht hatte. Sein Verhalten grenzte seitdem an das eines Süchtigen, was mir zwar nicht gefiel, aber ich betrachtete es als unausweichlich in der heutigen Zeit. Er kreischte überrascht auf und versuchte mir auszuweichen, scheiterte jedoch kläglich, bis wir irgendwann auf dem Teppichboden landeten. Ich strich durch mein Haar und bändigte es zurück in den Dutt. Begeistert von dem Essensduft, setzte er sich an den Tisch und fraß förmlich alles auf. Schuldgefühle plagten mich - hätte ich mehr machen müssen oder war es genug? Schadete so eintöniges Essen seiner Gesundheit? Ich seufzte. Seit Wochen schob ich eine Doppelschicht nach der anderen und ging nebenbei noch zur Schule. Gleich würde ich erneut in den Grill gehen und kellnern.

 

Ich fuhr durch sein dunkles Haar und sah, dass er mit dem Gedanken wo anders war. „Was ist, Kleiner?“, fragte ich besorgt. „Hab nur an Mum und Dad gedacht ...“ Seine Stimme war kalt geworden. Doch ich sah die Tränen in seinen Augen und ich wusste, dass ich sie nicht hätte sehen sollen. „Tut mir leid, Dave. Ich wünschte, sie wären hier ...“ Das Zittern in meiner Stimme konnte ich nicht verstecken. Unser Vater hatte mal wieder zu viel getrunken und unsere Mutter vom Revier abgeholt. Beide verunglückten, als das Auto gegen einen Baum krachte. Selbst davor, war unsere Familie nicht die Beste gewesen, hatte sich Mum den Drogen verkauft und Dad dem Alkohol. In dem Punkt waren sie sich immer einig - ihre Sucht stand an erster Stelle. Viel zu oft hatten wir kein Essen gehabt oder nichts zu trinken. Ich schüttelte den Kopf. Ich war traurig über ihren Tod, aber ich konnte nicht sagen, dass wir ohne sie schlechter dran wären. Als wir beide fertig waren, bat ich Dave, das Geschirr abzuwaschen und sich dann um seine Hausaufgaben zu kümmern.

 

Ich band mir die silberne Armbanduhr um, die ich von Juan zum Geburtstag bekommen hatte, und ging wieder zum Grill. Unsere Wohnung war nur eine Kreuzung von meinem Job entfernt und somit ein echter Glückstreffer gewesen. Diese Gegend war ziemlich übel und heruntergekommen. Nur wenige Häuser waren ohne Graffitis oder zerbrochene Scheiben. Die Straßen waren vermüllt und hatten große Schlaglöcher, waren nicht wirklich ansehnlich. Man lernt früh, sich hier durchzuschlagen, auch wenn mans nicht immer leicht hat. Selbst Dave mit seinen acht Jahren war schon mehrmals in irgendwelche Schlägereien verwickelt worden, auch wenn seine Gegner in seinem Alter waren und dann auch noch in Aufsicht von Lehrern, machte mir dieses Wissen Angst. Angst, dass er eines Nachmittags nicht mehr nach Hause kommen und ich alleine mit meinem Essen warten würde, Abends alleine TV gucken und mich über die schlechte Schauspielkunst lustig machen würde. Dass ich alleine war, ohne ihn, meinen kleinen Bruder.

 

Die Fassade des Grills war im Vergleich zu den anderen Gebäuden sauber, die braunen Backsteine waren wie ein schützendes Dach für mich. Ein Zuhause und meine Familie. Ollie, Rose, Juan, selbst Big D waren das, was ich so sehr an Chicago liebte. Jeder kannte jeden. Grinsend öffnete ich die Tür zum Grill und nahm mir vor, heute Abend die Scheiben zu putzen, die bereits wieder verdreckt waren. Hatte ich sie nicht gerade mal vor einer Woche blitze blank poliert?! Naja, was solls ... „Hey, Cathy, wird auch Zeit, Juan will mich heute Abend ausführen, kannst du meine Tische übernehmen?“ Flehend sah mich Rose aus großen, runden Augen an. Ihre schwarzen, gelockten Haare hatten sich an ihren großen Ohrringen verheddert, sodass ich sie liebevoll entwirrte. Ich nickte stumm und sah mir den vollen Laden an. Innerlich stöhnte ich genervt, aber ich wusste, dass Juan nur selten Zeit für sie hatte, also schluckte ich meinen Ärger hinunter.

 

„Danke Süße, hast was Gut bei mir.“ Sie drückte mir einen Kuss auf meinen Mundwinkel und schnürte mir ihre Schürze um, bevor sie sich begeistert aus dem Staub machte. Ich zog die Schürze wieder aus und zog mir im Pausenraum meine komplette Arbeitskleidung an. Ich hasste es, wenn Flecken auf meine eigenen Klamotten kamen.

 

Ich versuchte mich zu beeilen, denn der Laden war gerappelt voll. Wenigstens würde ich viel Trinkgeld abstauben, dachte ich mir. Ollie hatte bereits zwei Pommes auf die Theke gestellt. Ich eilte zu ihm und nahm sie entschuldigend, bevor ich zu Tisch 7 eilte und ihre Bestellung ablieferte. So ging es den ganzen Abend, nur Mini, eine kleine Japanerin, nahm mir ein wenig Last ab. Sie war leider noch sehr unerfahren, sodass ich ihr ständig bei den Bons helfen musste. Als ich endlich wieder nach Hause kam, war es acht Uhr und die Fensterscheiben des Grills noch immer ungeputzt.

 

Dave schlief im Sessel und schnarchte leise. Ich legte eine wärmende Decke über ihn und trug ihn zu seinem schmalen Bett. Der Kleine war ein Leichtgewicht, Haut und Knochen, wenn man es so sagen wollte. Ich werde gleich morgen einkaufen gehen, versprach ich ihm leise und drückte ihm damit einen Kuss auf die Stirn. Er grummelte leise, als ich ihn hinlegte, fasste sich aber schnell wieder. Wie abgemacht, hatte er abgewaschen - jedenfalls seinen Teller. Die Pfanne und alles andere lag noch genau da wo ich sie gelassen hatte. Seufzend machte ich alles sauber und entspannte mich bei den gleichmäßigen Geräuschen der Bürste auf dem Metall. Zum Trocknen legte ich die Sachen auf ein Handtuch und duschte mich noch ab, bevor auch ich mich schlafen legte. Das Wasser hatte meine Muskeln aus der Anspannung gelöst und die warme Decke lud mich zum Träumen ein. Doch trotzdem konnte ich nicht schlafen. Ich welzte mich von einer Seite auf die Andere und glitt ruhelos in einen traumlosen Schlaf.

2. Kapitel

Die Sonne schien durch das kleine Fenster direkt auf mein Gesicht und weckte mich leicht. Verschlafen seufzte ich und schlug die Decke zurück. Meine nackten Beine wärmten sich mit den Sonnenstrahlen. Meine Augen öffneten sich nur langsam.

 

Ich liebte Wochenenden, Ausschlafen und einfach nur nichts tun. Verschlafen wie ich war, lugte ich durchs Fensterglas nach draußen auf die Straße und ließ mich von dem Straßenlärm einlullen. "Na, Schlafmütze, auch mal wach?" Meine Zimmertür ging knarrend auf und erinnerte mich daran, sie endlich zu ölen. "Mmmh, eigentlich noch nicht. Ist Dave schon auf?", fragte ich Juan, der sich lässig an den Türrahmen lehnte. "Ja, er ist schon mit einem Jungen aus dem Haus spielen gegangen", antwortete er. An seiner Stimme erkannte man, dass seine Nacht lang gewesen war und die Kratzer auf seinem Gesicht verstärkten den Eindruck. "Was war gestern los?" Ich streckte mich und lief zum hölzernen Kleiderschrank, um mir eine Hotpans anzuziehen. Der Tag versprach warm zu werden, also konnte ich getrost kurze Sachen anziehen.

 

"Mike wurde von einer anderen Gang angeschossen...", sagte er langsam. Mike war noch nicht lange dabei und ich mochte ihn nicht wirklich. Er war ein ziemlicher Macho und konnte seine Hände nicht bei sich lassen. Ich konnte mich zwar wehren, aber andere nicht. "Wie gehts ihm?" Ich schlüpfte in pinke Snickers und zog mir noch ein blaues Spitzentop über den Kopf, dann war ich fertig. "Es hat ihn nur an der Schulter getoffen. Morgen darf er wieder raus." Mit einem Lächeln kam er zu mir und umarmte mich von hinten. "Du magst ihn ja eh nicht, also tu nicht so, als würde es dich interessieren, Cathy", mahnte er mich. Seine Stimme verriet mir aber, dass er es nicht ernst meinte, also gab ich ihm nur einen Kuss auf die Wange und stellte mich in die Küche, um mir Frühstück zu machen. Juan kam fast jeden Morgen her, wenn die Zeit es ihm erlaubte. Besonders für Dave war er ein Vorbild, was mir einiges erleichterte. Denn wenn er auf mich nicht hörte, dann sicherlich auf Juan. "Willst du auch?" Ich hatte mir gerade ein paar Cornflakes in eine Kermaikschüssel getan und übergoss sie nun mit Milch. Er schüttelte nur den Kopf und ließ sich auf den Holzstuhl neben dem Tisch sinken. Ich setzte mich zu ihm und löffelte genüsslich mein Frühstück. "Wollen wir gleich einkaufen? Ollie hat mir deinen Scheck für diese Woche gegeben." Ich legte den Kopf schief und überlegte, was wir alles brauchten. "Ja, am besten ich mach mir gleich ne Einkaufsliste, der Kühlschrank braucht ne General-Überholung", lachte ich. Als ich fertig war, spülte ich die Schüssel aus und trocknete sie ab. Unsere Küche war klein und weiß, also nichts Besonderes. Und die schwarz-weiß karierten Fliesen schienen irgentwie nicht zum Rest der Einrichtung zu passen. Aber so mochte ich es und so kannte ich es auch.

 

Ich seufzte leicht und stellte mich ins Badezimmer, um mich zu schminken. Ich hatte eine blasse Haut und dunkelbraune lange Haare. Sie waren total  gegensätzlich zueinander, was mich ab und zu ärgerte. Doch alles in allem, war ich ganz hübsch. Ich hatte eine schlanke Figur und war von allen Schönheitsmarkeln verschont geblieben. Meine Haare lockte ich ein wenig und ließ sie über die Schultern fallen. Schnell legte ich Make-up auf und schnappte mir mein Portmonaie vom Flurschrank und verstaute es in meiner braunen Ledertasche ,die ich mir um die Brust schlang. Juan wartete bereits auf mich und hatte trotz des warmen Wetters eine schwarze Lederjacke an, die er jedoch offen trug. So viel Sonne konnte er also doch nicht vertragen. Mit einem Lächeln auf den Lippen, verließen wir die Wohnung und stürzten gleichzeitig auf den Aufzug, der gerade die Türen öffnete. Lachend stiegen wir ein und drückten den Knopf fürs Erdgeschoss.

 

"Und, was hast du vor heute? Irgendeinen Typen in Aussicht für eine schöne Nacht?", fragte er zwinkernd. Ich war über seine Frage nicht überrascht, über soetwas konnten wir ohne Peinlickeiten reden. Er war zwar wie ein großer Bruder für mich, doch in der Hinsicht, auch nur ein Mann. "Nein, ich genieße einfach meinen freien Nachmittag und beschäfftige mich ein bisschen mit Dave. In den letzten Wochen bin ich ja nicht richtig dazu gekommen", anwortete ich ihm. "Oh, Cathy, du kümmerst dich besser um ihn als irgendeine Mutter es je tun würde. Entspann dich mal und geh ein wenig feiern. Du bist 16 und nicht 60!", maulte er. Er hatte recht, aber für mich war er eben mein Kleiner und den konnte ich nicht einfach alleine lassen...  "Hör mal, wenn du willst, nehme ich ihn heute und dich nimmt Rose mit auf eine Party. Okay?" Ich wusste, dass das eigentlich keine Frage war und nickte nur ergeben. Dave liebte Juan und war dort gut aufgehoben. Der Aufzug glitt auf und wir spazierten die lange Straße zum Laden entlang, ohne uns zu unterhalten. Es war ein angenehmes Schweigen, also guckte ich nur verträumt in die Sonne und ließ mich von ihr wärmen.

 

Im Laden war die Klimaheizung bereits auf vollem Betreib, sodass ich sogar ein bisschen fröstelte. Ich suchte uns ein paar Obststücke aus und auch Fleisch, das heute Abend auf unserm Teller landen würde, und sogar Süßes für Dave und Juan. Bei der Kasse erkannte ich Jay und umarmte sie von hinten. "Cathy, du scheiß Schlampe, wie gehts dir? Du hast dich ewig nicht gemeldet!", schrie sie quietschend. "Oh Baby,  glaub mir, ich hätte noch nicht mal Zeit für nen Quikie in den letzten Wochen gehabt", murmelte ich enttäuscht. Wir beiden redeten noch eine Weile, bis Juan sich schließlich auch zu uns gesellte und mich am Handgelenk rausschleifte. Er konnte nicht mit Jay, für ihn war sie eine billige Schlampe, die nichts als Party im Kopf hatte. Und er hatte recht, aber sie war meine beste Freundin seit ich klein war und sie war eben für jeden Spaß zu haben. Ich lachte nur bei Juans Gesicht und kam bereitwillig mit ihm. Sein leises Husten verriet mir, dass auch er nicht anders konnte, als zu lachen. Es war fast eins, als wir wieder zurück waren und mit dem Kochen anfingen. Immer noch schmunzelnd, überließ ich ihm das meiste der Arbeit und lehnte mich einfach nur an die graue Arbeitsplatte. Er ignorierte mein Nichts-tun einfach und machte still die Pfanne heiß. Mein Handy klingelte und ich sah, dass Rose bereits einen Club für uns ausgespäht hatte. Langsam tippte ich ihr eine Antwort und verstaute mein altes Tastenhandy in meiner Tasche. Ein neueres Smartphone lag in meiner Nachttischschublade, welches ich aber gewissentlich ignorierte. Es war ein echt nobles Teil, was mich, um ehrlich zu sein, ziemlich blöd aussehen ließ, denn ich hatte keine Ahnung, wie man es bediente. Also machte ich lieber gleich ein großen Bogen darum und blieb bei meinem treuen, kleinen Begleiter. Kurze Zeit später klingelte es wieder und ich krammte es WIEDER raus. Seufzend las ich die SMS von Rose.

 

"Hey Süße, wie wärs, wenn ich dir einen Kumpel von mir vorstelle?:) Ich weiß schon genau, was du heute Abend anziehen kannst, ich hab da so ein blaues Kleid bei mir, das dir passen könnte... ;) Sag mir Bescheid C. ja? xoxo R."

 

Ihre Widmung war zwar unnötig, aber gehörte genauso zu ihr wie ihre riesen Ohringe, die sie Tag für Tag trug. Ich lächelte bei dem Gedanken an den Tag, an dem sie sie verloren hatte. Damals hatten wir eine Party bei ihr Zuhause gefeiert und sie hatte sich am Morgen nicht mehr daran erinnert, wo sie ihre Schätzchen hingelegt hatte. Nach langem Suchen war doch alles vergebens und so musste sie sich Neue kaufen. Vor ein paar Wochen habe ich sie wiedergefunden und sie ihr stolz überreicht. Ja, was würde Rose nur ohne mich machen?! "Essen ist fertig, Cathy, du kannst jetzt aufhören, so zu tun, als wärst du schwer beschäftigt", riss mich Juan aus meinen Gedanken. Ok, zugegeben, ganz uneigennützig war die Simserei mit R. nicht, aber bestimmt habe ich mich nicht gedrückt! Ungeduldig schob er mir meinen Teller zu und setzte sich auf einen Stuhl. Ich tat es ihm gleich und schob das Essen regelrecht in mich hinein. Mmmh, lecker! Zufrieden mit sich selbst, legte er sich satt nach hinten gegen die Stuhllehne und musterte mich argwönisch. "Was ist?", wollte ich unsicher wissen. Dieser Blick bedeutete nichts Gutes...

3. Kapitel

Drei Stunden später stand ich mit einem spärlich bedeckenden Cheerleader-Outfit an einer Bar, umgeben von betrunkenen Kotzbrocken, die ich eigenhändig umbringen würde, wenn auch nur noch ein weiterer Anmachspruch kam. Juan hatte mich doch tatsächlich zu einer seiner "Gang-Besprechungen" mitgenommen, die wie immer in einer ziemlich überfüllten Bar stattfand. Nach endlosem Betteln, hatte ich nachgegeben und mich breittreten lassen, ihn zu begleiten. Seiner Meinung nach, würde mein Beisein die Stimmung lockern (wenn ich nicht lache...) . Ganz ehrlich, wie ich in dieses Köstum gekommen bin, ist mir immer noch unerklärlich! Eigentlich hatte ich nur der total überforderten Kellnerin helfen wollen, als einer der Kerle sich einen Spaß daraus machte, sein Bier über mich zu schütten. Angeblich hatte niemand etwas anderes als dieses ETWAS von Kleidung dabei und da es eindeutig zu weit war, um zu laufen und die Taxikosten mein Limit deutlich überschreiten würden, hatte ich mich überwunden und war in den blauen Rock gestiegen, der am Saum rot war und hatte mich in das bauchfreie, ebenfalls blaue, Top gezwängt. Juan war mir eindeutig was schuldig! Schließlich war ich nur für ihn mitgekommen, um die  "Stimmung aufzulockern". Und jetzt? Jetzt bediente ich Typen, die sich selbst kaum auf den Füßen halten konnten.

 

Da Juan immer noch mitten in der Besprechung war, und sich der Nachmittag nur langsam dahinzog, half ich der stämmigen Kellnerin, die sich mir als Susi vorstellte. Ihre blonden Haare hatte sie in einem strengen Zopf zusammen gebunden und ihr Make-up hatte sie sorgfälltig auf ihre Uniform abgestimmt. Alles in allem war sie recht gepflegt, hatte aber gut 30 Kilo zu viel auf den Rippen. Das machte sie aber durch ihre charismatische Art wet. Die meisten Gäste sahen sich gemeinsam ein Football-Spiel im Fernsehen an und gröllten laut, wenn ein Spieler gefoult wurde. Ab und zu hörte ich, wie sie sich untereinander stritten, machte mir aber nicht wirklich was draus. "Ist es immer so voll hier?", fragte ich Susi, während sie hektisch zwei Bier abzapfte. "Ja, aber normalerweise sind wir mindestens zu zweit, doch meine Kollegin ist krank geworden. Dass du hier bist, ist ein Geschenk Gottes!" Dankend legte sie mir eine Hand auf meine Schulter und schenkte mir ein Lächeln. Ich erwiederte es kurz und machte mich daran, einer ziemlich bedröppelt aussehenden Frau eine Weinschorle zu bringen.

 

Auf dem Weg dahin merkte ich, wie sich hinter mir ein Mann an die Wand lehnte. Verstohlen sah ich zu ihm nach hinten. Seine kurzen, dunkelbraunen Haare hatte  er modern hochgestylt, und im Gegensatz zu den übrigen Kerlen hier, war sein Kleidungsstil erstklassig. Er trug ein weißes Hemd und eine enganliegende, blaue Jeanshose, die zu meiner Überraschung mal nicht unter dem Arsch hing. Nichts gegen meine Bekannten, aber die Mehrzahl bevorzugten den typischen Hip-Hop Kleidungsstil. Der Mann hatte meinen Blick bemerkt und schaute mir über den Gang hinweg direkt in die Augen. Peinlich berührt sah ich zu Boden und stellte das Glas mit der Weinschorle freundlich lächelnd auf den Tisch der Frau. Sie wollte direkt bezahlen und zog einen Zehner heraus, den ich in die Schürze steckte, die Susi mir grinsend umgebunden hatte, nachdem sie mich in dem Aufzug gesehen hatte. Die schwarze Schürze war etwa doppelt so lang wie der Minirock, der gerade so meine Arschbacken bedecken wollte.

 

Ich machte mich auf den Weg zurück zur Bar, als ich eine Hand auf meiner Hüfte spürte. Erschrocken, und schlußendlich  auch genervt von den andauernden Tatschereien, zog ich augenblicklich meine Hand hoch, drehte mich um und klatschte meinem Gegenüber eine. Meine Hand brannte ein wenig und die Handinnenfläche verfärbte sich rot. Überrascht über mein Verhalten, trat er sofort einen Schritt zurück. "Tut mir leid, ich wollte Ihnen nur Ihr Geld zurückgeben", sagte er, nun doch wütend. Seine Augenbrauen hatten sie merklich zusammengezogen und ließen Falten auf seiner Stirn enstehen. Verduzt schlug ich meine Hand vor den Mund. "Sorry, dachte, Sie wären auch so ein Arschloch wie die andern. Aber für irgendwas haben Sie bestimmt schon mal eine Ohrfeige verdient, also was solls?!", antwortete ich schnippisch. Seine Augen funkelten gefährlich, doch ich blieb stehen, um mir die zehn Dollar zu nehmen, die er mit seinen Händen fast erdrückte.

 

Fordernd hielt ich ihm die offende Hand hin und wartete. Als er immer noch nicht mit dem Geld herausrückte, wurde ich richtig wütend. Mein Gott, wie nachtragend kann man denn sein? Es war eine Ohrfeige, kein Tritt in die Eier. Er sollte sich echt nicht so anstellen... "Ich kann gerne noch mal ausholen, wenn Sie mir das scheiß Geld jetzt nicht geben, und ich bezweifle, dass Sie das wollen!" Meine Stimme war ruhig, zu ruhig. Für Leute, die mich kannten, ein Zeichen, sich schleunigst zu verpissen, sonst gabs echt was auf die Fresse... Es ist nicht so, als wäre ich gewalttätig oder so... Aber wenn mir einer krumm kam, konnte ich mich jedenfalls wehren!  Okay... zugegeben ich gab Leuten auch mal so ein bisschen was aufs Maul, aber das war ja keine Schandtat, oder? Er zog spöttisch die Augenbraue hoch und musterte mich erneut. Wahrscheinlich war ich in meinem Cheerleaderkostüm nicht gerade eindrucksvoll, aber das ändert nichts daran, dass mir Juan Einiges gezeigt hatte, was "Folter" bei Männern anging... ihr wisst schon! "Glaub mir, ob mich ein kleines Mädchen wie du schlägt oder ne Fliege auf mich zurast, einen Unterscheid merke ich zwischen den beiden Sachen nicht." Arrogant wie er war, hob er spielerisch die Hand mit dem Schein und wedelte damit in der Luft herum, so hoch, dass ich gerade so NICHT rankam. Nun war ich es, die spöttisch die Augenbraue nach oben zog und ihn nur arrogant ansah. Waren wir im Kindergarten, oder was? Oh man, so einer hatte meine Aufmerksamkeit echt nicht verdient.

 

"Gibts hier ein Problem?" Plötzlich stand mein allerliebster Lieblingsfreund neben mir und legte einen Arm besitzergreifend um meine Schulter. Typisch Beschützer, dachte ich und verdrehte genervt die Augen. Ist ja nicht so, als wäre ich ein Baby, das nicht mit einem Macho, wie dem Kerl vor mir, klarkam.  "Mmmh, ich würde eher fragen, ob deine Hübsche ein Problem hat, schließlich hat SIE mich geschlagen",  antwortete er. "Denk dir nichts dabei, das macht sie öfter", lachte Juan nun neben mir. Geschockt erstarrte ich. Hatte mein, (nun EX-) Lieblingsbruder, mich gerade fallen lassen?! Auch der Macho lachte laut und gab  mir nun den Schein. Juan hatte mittlerweile auch seine beschützerische Geste aufgegeben. Jetzt waren Männer also unter sich! "Wie BITTE???? Haben Sie sie noch alle? Ich habe ihn geschlagen, nachdem ER mich begrabscht hat!", schrie ich nun. Immer den Trumpf spielen und das Opfer geben, okay, das mit dem Begrapschen stimmte vielleicht nicht ganz, aber das wusste ich in dem fraglichen Moment ja nicht! Auch jetzt blieb Juan noch locker und lehnte sich lässig an die Wand, während er mich begutachtete.

 

"Süße, ich traue dir zu, dich alleine gegen Grapscher zu schützen und wenn er immer noch nicht die Finger von dir lassen sollte, versprech ich dir, bringe ich ihn um. Aber jetzt ist er ganz brav und du kannst aufhören zu meckern! Er ist ja wohl nicht der Erste, der dich anmacht oder?", sagte er nur. War die Welt jetzt verdreht, oder was? Sonst verprügelte er jeden Kerl, der nur zulange auf meinen Arsch starrt und jetzt lässt er mich eiskalt im Regen stehen? Beleidigt nahm ich leere Gläser von einem Tisch neben uns und zischte ab zur Bar, um mich wenigstens noch von Susi zu verabschieden. Sie schickte mich dankbar nach Hause und gab mir noch ihre Handynummer, falls ich mal wieder Lust hätte, zu kellnern oder auch nur mal so.... Ich nickte nur dankend und zog wieder meine nassen Klamotten ein. Beim Vorbeigehen fragte ich sie noch, warum sie eigentlich ein Cheerleaderkostüm dabei hatte. Sie zuckte nur mit den Schultern und gab mir eine Visitenkarte, die das Logo eines Kostümverleihs zeigte. Ich lächelte und winkte zum Abschied. Ich ging durch die Ladentür und schaute auf mein Handy. Verdammt, 31 Anrufe in Abwesenheit, alle von Rose.

 

Mit einem Blick auf die Uhr sah ich, dass sie wohl schon seit einer halben Stunde vor meiner Wohnung stehen musste. Ich stoß einen Fluch aus und zog Juan von dem Typen weg. "Verdammt, du musst mich schnell nach Hause fahren, Rose köpft uns, wenn sie noch länger warten muss!", jammerte ich. Kopfschüttelnd betrachtete ich die immer noch witzelnden Männer, die mich spöttisch ansahen. Ja witzig, ich war leicht reizbar und ein echter Witzbold, wir haben es alle verstanden... "Juan, du  hast versprochen, dich um Dave zu kümmern, während ich mit Rose weggehe!", sagte ich jetzt lauter. Sofort verstummte er und sah den Typen ernst an. Entschuldigend legte er eine Hand auf seine Schulter und ließ sich von mir mitziehen. Unglaublich, dass ich so lange in dieser Kneipe war. Die Zeit war wie im Flug vergangen. In einer halben Stunde waren wir wieder Zuhause und wurden von Rose zetternd zusammengestaucht. Nach wenigen Minuten hatte sie sich beruhigt und machte uns beide für die Party fertig, während sie den Erzählungen über die Situation im Laden lauscht. Sie machte immer wieder Bemerkungen über mein Gemüt und ließ sich nicht von meinen Protesten stören. Irgendwann gab ich es ganz auf und saß nur noch still da.

 

Endlich waren wir beide fertig, ich in einem dunkelblauen Kleid mit passenden High-Heels, Rose in einem roten Ballonkleid, das geschickt ihre Polster umspielte. Sie war ein wenig dicker als ich, was ihr aber super stand. Ihre dunkelbraune Haut und ihre schwarzen Haare kombinierten sich hervorragend mit dem blutroten Stoff. Bewundern musterte ich sie, was sie nur mit einem Grinsen zur Kenntnis nahm. Sie stellte mich vor einen bodenlangen Spiegel und ich zog scharf die Luft ein. Mein Anblick war atemberaubend. "Sicher, dass ich das bin?", fragte ich Rose. Meine Haare hatten lange Locken, die mir bis zur Hüfte ragten, meine Haut schien wie Porzellan und mein Kleid umzog meinen dürren Körper. Ich sollte mehr essen, mahnte ich mich still. Die Rippen standen schon etwas raus, was durch den Stoff zum Glück nicht sichtbar war. Aber trotz allem war ich bildschön. Ich lächelte glücklich und verschwand mit Rose durch die Haustür, nachdem ich mir meine heiß geliebte, schwarze Lederjacke übergetreift hatte. Sie war mein ein und alles und hatte mich ein halbes Monatsgehalt gekostet.

 

Ungeduldig wippten wir vor der Aufzugtür, die sich einfach nicht öffnen wollte. Lachend zog ich Rose schließlich zur Treppe und eilte (so schnell ich in den hohen Hacken konnte) die Stufen hinunter. Wir verließen das Haus und hielten ein Taxi an. Zum Glück mussten wir auf das nicht lange warten. Ich stieg ein und rutschte bis ans Fenster, so hatte Rose genug Platz. Sie nannte dem Fahrer die Adresse zur Party und betrachtete die vorrüberziehende Nacht. "Ich dachte, wir gehen in einen Club." Fragend sah ich sie an. Sie schüttelte nur den Kopf und erzählte mir, dass ein guter Freund von ihr einen Raum gemietet hatte, in dem er nun seinen Geburtstag feierte. Ich würde also auf den Geburtstag eines Typen gehen, den ich noch nicht einmal kannte. Unangenehm war mir das schon, aber ich hoffte einfach, nicht lange alleine bleiben zu müssen. Wenn ich schon heute Abend frei hatte, wollte ich auch einen Kerl abschleppen, möglichst gutaussehend und talentiert...

 

Ich musste wohl abwesend gewirkt haben, denn R. wedelte augenrollend vor meinem Gesicht rum. Mit einem kurzen Ruck packte ich sanft ihre Hand und legte sie auf ihren Oberschenkel. "Ich bin noch da", erinnerte ich sie. "Merkt man ja. Du starrst aus dem Fenster und merkst nichtmal, dass wir angehalten haben. Komm schon, ich will hier nicht ewig sitzten!", tadelte sie mich. Oh, wir waren schon da? Ich hatte echt nichts gemerkt. Seufzend stieg ich aus und betrat, zusammen mit meiner Freundin, eine riesige Halle, die den  Sound der Musik wiederhallte. Der Beat entspannte mich sofort und verführte mich zum Tanzen. Ich lief zur Tanzfläche, vor der sich ein erstklassiger DJ platziert hatte, und bewegte mich zum Takt. Schwang meine Hüften, schloß die Augen, sang leise mit. Ja, ich hatte Partys vermisst. Grinsend nahm ich wahr, wie sich zwei Hände auf meine Hüfte legten und mich jemand an seine steinernde Brust zog. Gut gebaut, war er also schon mal... Ich legte meine Hand auf seine und drehte mich zu ihm um. Verwirrt sah ich, dass es der Typ aus der Kneipe war. Verfolgte der mich etwa? Ehrlich gesagt war es mir in dem Moment schnuppe, also tanzte ich einfach weiter mit ihm, bis meine Füße schwer wurden.

 

Stöhnend, von den schmerzenden Zehen, stolzierte ich zur Bar. Gott sei dank, war die nicht weit von der Tanzfläche entfernt und hatte sogar Barhocker. Einen von diesen schnappte ich mir und ließ mich genüsslich darauf sinken. Ich bestellte mir einen Wodka-Lemon von dem Barkeeper und bezahlte stolze 12 Dollar für das Glas. Eins musste man dem Geburtstagskind lassen,  er hatte ein Sinn fürs Geschäft und geile Partys. Der Knackarsch, wie ich den Macho aus der Bar heimlich getauft hatte (wieso, könnt ihr euch sicher denken), setzte sich neben mich und musterte mein Gesicht. Plötzlich war ich verlegen und schaute auf mein Glas. Mit einer Hand griff er meine und schüttelte sie leicht. "Damien", sagte er nur über die dröhnende Musik hinweg. Ich nickte zurückhaltend und erwiederte nur ein kurzes "Cathy, freut mich." Er lächelte, was mich irgendwie aus dem Konzept brachte. Scheiße, er sah einfach geil aus, in seinem nun schwarzen Hemd, das sich eng an seine Muskeln schmiegte. Ich erlaubte mir ein kurzes Schmachten, was ich aber sofort unterbrach, als er mich dabei erwischte.

 

"Gefällt dir, was du siehst?" Seine Stimme war arrogant, doch auch purer Sex. So verführerisch tief und rau, dass ich ihn am Liebsten sofort angesprungen hätte. Doch stattdessen hob ich nur spöttisch eine Augenbraue und nippte an meinem Drink. Er lachte finster und betellte einen Whisky, von dem er eine Minute später gedankenverloren trank. Seine Muskeln bewegten sich jedesmal verfüherisch und ich überlegte, ob ich mich ihm nicht vielleicht einfach an den Hals schmeißen sollte. Was Besseres würde ich heute Abend, oder um genauer zu sein: in meinem ganzen Leben, nicht mehr bekommen! Doch ich blieb standhaft, mein Stolz stand mir im Weg und ich würde ihm sicher nicht wie eine läufige Hündin am Arsch kleben (der nebenbei gesagt, ECHT lecker war).

 

Nachdem mein Glas leer war, versuchte ich Rose wiederzufinden. Ich hatte sie immerhin seit unserer Einkunft nicht mehr gesehen. Als ich sie in der Ecke mit nem Typen sah, blieb mir mein Mund offen stehen. Was fiel ihr ein? Ich dachte sie liebte Juan? Verdattert stand ich reglos da und versuchte das zu verarbeiten. Lachend legte sie ihre Arme um seinen Hals und spielte mit seiner Zunge. Gedankenlos und stockwütend, rannte ich zu ihr und verpasste ihr eine ordentliche Ohrfeige. Erschrocken hielt sie sich ihre Wange und strich ihre aufsteigenden Tränen weg, als sie mich sah. "Was glaubst du eigentlich, wer du bist, Rose? Leckst hier mit nem Typen rum, der eindeutig NICHT Juan ist und verhälst dich wie eine notgeile Schlampe, oder was?! Lass dich NIE wieder bei mir blicken und fass Juan noch einmal an und ich reiß dir deine frischlackierten Fingernägel raus, verstanden?", schrie ich und schnappte mir kurzerhand ein Bier, das ich über ihr ausschüttete, bevor ich die Halle verließ. Draußen  wickelte ich mich tiefer in meine Jacke und kramte mein Handy raus. Verdammt, wo war das scheiß Ding?! Seufzend stellte ich fest, dass ich allein, ohne Handy, irgendwo im Nirgendwo war. Meine einzige Bekanntschaft dadrin hatte meinen Besten Freund/Bruder betrogen und vergnügte sich wahrscheinlich weiterhin mit diesem Kerl. Was sollte ich Juan nur sagen? Er würde total fertig sein, schließlich vergötterte er diese Frau! Ich lehnte mich an die Außenwand und betrachtete die Sterne. Plötzlich wurde ein Tuch vor meine Nase gedrückt. Ich versuchte die Hand wegzuziehen und möglichst NICHT zu atmen, damit das bitterte Chlorophorm nicht in meine Atemwege gelangte. Langsam ging mir echt die Puste aus und ich atmete notgedrungen auf. Weiterhin versuchte ich um mich zu schalgen, doch der Griff blieb fest. Dann überkam mich die Schwärze...

4. Kapitel

Stöhnend wurde ich von schlimmen Kopfschmerzen geweckt, die sich anfühlten als würde ich gleich zerplatzen. Ich kniff die Augen zusammen und legte eine Hand auf meine Schläfe. "Na, auch mal wach?" Ein Mann kniete am Bettende und musterte mich. Irgendwoher kannte ich ihn doch... Braune Haar, geile Muskeln, ein göttliches Lächeln. Verdammt, der Knackarsch! Hatte  ich gestern etwa... NEIN! Nein, das hatte ich bestimmt nicht, oder? Ich versuchte krampfhaft, mich an gestern Abend zu erinnern, doch da war nur gähnende Leere. "Morgen", antwortete ich so normal wie möglich. Am Besten einfach so tun, als würde ich mich an alles erinnern und dann so schnell wie möglich von hier abhauen. "Ich glaube, ich sollte mal wieder gehen. Versteh mich nicht falsch, gestern das war... WOW, aber ich hab einen Job und ich muss echt los!", brabbelte ich, für mich eine Spur zu verzweifelt. Er lachte. Laut. Sehr laut. Warum lachte er? Wütend schwang ich die Beine über die Bettkante und wollte gerade aufstehen, als ich an meiner Hand zurück zum Bett gezogen wurde. "Au", schrie ich, als sich schneidendes Metall in meine Haut rammte. Verwirrt sah ich zu meiner rechten Hand. Sie war mit Handschellen an das Bettgerüst gekettet. Oh, ich wusste nicht, dass ich auf solche Spielchen stand... "Oh, die habe ich ja vollkommen vergessen. Weißt du noch, wo wir den Schlüssel hingelegt haben?", fragte ich beschämt.Mein Gesicht glühte und ich versuchte es hinter meinen Haare zu verbergen.

 

Das war das erste mal, das ich Sexspielzeug benutzte, sonst war ich, was sowas anging, eher prüde. Generell konnte ich kaum glauben, dass ich mein erstes Mal, und damit meine ich richtigen  Geschlechtsverkehr, total vergessen hatte. Ich spielte meist mit den Jungs, ließ sie ran, machte mit ihnen rum, aber  niemals ging ich mit ihnen bis zum Äußersten. Ich wollte es eigentlich mit jemanden machen, den ich liebte. Umso schlimmer fand ich es, dass ich von allem nichts mitbekommen hatte und vorallem, dass ich meinen guten Vorsatz, abstinent zu bleiben bis ich den Richtigen fand, gebrochen hatte. Knackarsch hob eine Augenbraue und holte einen kleinen Schlüssel aus der Hosentasche und hielt ihn hoch. Ich  versuchte zu lächeln, doch ich merkte, dass  es mir nicht gelang. Zu groß war die Enttäuschung über mich selbst. "Du erinnerst dich nicht, oder?", fragte er tadelnd. War ich so leicht zu durchschauen? Ich hielt mich immer für eine gute Lügnerin... Meine Wangen wurden rot, doch ich schüttelte ehrlich den Kopf.

 

"Tut mir leid, ich bin mir sicher, ich fand es toll! Aber ich hab echt nen Blackout", antwortete ich schüchtern. Er betrachtete mich von unten bis oben. Ich folgte seinem Blick. Zum ersten mal fiel mein Blick auf meine Kleidung. Ich hatte immer noch das blaue Kleid an, das sich so gut an meinen Körper schmiegte, sogar die Schuhe befanden sich noch an meinen Füßen. "Also hatten wir wohl nicht...!?" Ich ließ die Frage offen und schaute ihn bedeutungsvoll an. "Nein", antwortete er nur und setzte sich auf die Bettkante. Oh scheiße, was machte ich dann  bitte hier? War ich nebenbei eingeschlafen und er war zu voll, um mich noch von den Fesseln zu befreien? "Okay... Was war  dann los? Aber zuerst: Mach mich bitte von den Dingern ab, die schneiden mir ziemlich ins Fleisch", meckerte ich in meinem üblichen Ton. Ich hatte mich also wieder gefangen. Ich war immer noch Jungfrau und ich hatte anscheinend auch nichts Wichtiges verpasst. Gedanklich wischte ich mir erleichtert den Schweiß von der Stirn.

 

"Das kann ich nicht machen, Cathy. Du wirst ne Weile hierbleiben..." Seine Stimme war wieder so rau. Verführerisch und ein ticken arrogant. Erst jetzt drangen die Worte in meinen Kopf. `Du wirst ne Weile hierbleiben`, was meinte er damit?! Ich bekam Panik, und die scheiß Handschellen halfen da nicht wirklich. Okay C. beruhig dich, alles wird gut! Fasse die Lage sachlich zusammen, riet ich mir selbst. Der heiße Knackarsch vor mir ist ein Psychopat, der mich allem Anschein nach entführt hat. Meistens wollen solche Menschen Geld, was ich und auch meine Freunde nicht besaßen. Also würde er es von der Polizei bekommen. Blöd nur, dass mich niemand als vermisst melden würde, denn Dave war zu klein und kümmert sich herzlich wenig darum, ob ich da war oder nicht, und Juan würde für ne Woche nach London fliegen (Urlaub machen, den ICH ihm geschenkt hatte). Warum war ich auch nur so sozial? Da will man den Leuten etwas Gutes tun und schon verreckte man in nem Loch, ohne dass es igendeinen schert... Und Rose ? Nach dem Streit gestern würde sie sich nicht wundern, wenn sie nichts von mir hörte. Also war ich ziemlich am Arsch! "Wenn du Geld willst, geh Arbeiten und entführe keine Leute, die eindeutig Besseres zu tun haben, als hier in einem Loch zu wohnen", schnauzte ich ihn an. Meine Stimmungsschwankungen erlebten gerade ihr Comeback und gleichzeitig anscheinend auch ihr Coming-Out, denn jetzt konnte ich mich vor Wut nicht mehr zügeln. Gerade noch eingeschüchtert wurde ich zu ner Bitch, wie ich immer so schön sagte.

 

"Und glaub ja nicht, dass du auch nur einen Cent siehst. Denn ich schwöre bei Gott, da draußen findest du keinen Arsch, der mich als vermisst melden würde. Also wirds auch keinen Polizisten interesieren, dass du mich was-weiß-ich-wo-hin geschleppt hast und jetzt Lösegeld willst!" Ich war schon immer stolz auf mein lautes Organ und hatte es anscheined geschafft, ihn fertig zu machen, denn er hatte sein Gesicht abgewannt, die Hände zu Fäusten gebalt und versuchte sich unter Kontrolle zu bringen. Innerlich lachte ich mich schlapp, ich meine: Hallo? Ich bin an ein Bett gefesselt und entführt worden, und trotzdem schaffte ich es, Leuten den letzten Nerv zu rauben. Aber glaubt mal, dass ich mich ruhig verhalte! Wenn er mich umbringt, würde ich bestimmt nicht so gütig sein und auch noch winselnd um mein Leben betteln. Und er WIRD mich umbringen, schließlich hatte er keine Chance auf Geld, das würde ihm früher oder später auch klar werden und dann würde er mich einfach umlegen, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Sofort wurde ich wieder zum schüchternen Mädchen, als mir bewusst wurde, dass ich mich in Gefahr befand. Ich würde sterben! Verdammt, was würde aus Dave werden? Ich meine, klar... er wird wahrscheinlich erst merken, dass ich nicht da bin, wenn das Essen nicht auf dem Tisch steht, aber er war mein Leben, mein ein und alles. Und das wusste er hoffentlich. Wie würde er zurecht kommen, er war doch erst 8 und in unserer Gegend, mit dem Hintergrund, würde er sich irgendeiner Gang anschließen...

 

"An deiner Stelle würde ich die Klappe halten und hoffen, dass sich jemand bei der Polizei meldet. Du bleibst nähmlich solange hier, bis es jemand tut", erwiderte er gefühllos. Seine Augen waren hart und unnachgiebig, keine Anzeichen für Mitleid oder Schuldgefühle. Er war so SEXY, wenn er so abweisend war, dachte ich plötzlich. Seine Muskeln waren dann angespannt und zeichneten sich noch deutlicher unter dem weißen Hemd ab wie sonst. Sein Gesicht war kantig und er hatte einen drei Tage Bart, der ihn unnahbar wirken ließ. Seine Augen brannten sich geradezu in mein Gehirn. Völlig vergessen war die Entführung, sein Anblick brachte mich echt um den Verstand. HALLO?! Der Knackarsch hat dich entführt und egal wie heiß er ist, der hält dich hier fest bis jemand dich als vermisst meldet, entgegnete mir mein treuer Verstand. Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zu befreien, und rutschte so nah an die Lehne des Bettes, dass das Metall sich in meiner Haut lockerte. "Oh bitte, lass Gnade walten und bring mich endlich um die Ecke, deinen Anblick ertrag ich jetzt schon nicht mehr", stöhnte ich und lehnte mich soweit nach vorne, dass die Handschellen sich wieder tiefer in meine Haut schnitten. Seine wohlgeformten Augenbrauen zuckten nach oben und seine Augen zeigten seinen Unglauben. "Wow, ich hatte gedacht du würdest um dein LEBEN betteln, aber um deinen TOD? Naja, vorerst musst du es wohl mit mir aushalten, wie gesagt: Du bleibst erstmal hier", murmelte er. Er stand auf und wollte zur Tür. "Wie heißt du eigentlich?", fragte ich schnell, fiel mir doch gerade ein,  dass das von Vorteil wäre, wenn mir die Flucht gelingt und die Polizisten Infos wollten. "Du bist nicht gerade in der Stellung Fragen zu stellen", tadelte er mich sanft. Er verharrte mit der Hand auf der Klinke und glitt unschlüssig über mein Gesicht. Doch dann schüttelte er nur seinen Kopf und schlüpfte durch die Holztür.

 

Erst jetzt schaute ich mich im Raum um. Die Wände waren beige und wurden von Gemälden verziert, die die endlosen Weiten des Meeres zeigten. Das Bett war mit weißem Lack überzogen und passte zu den ebenfalls weißen Mobiliar im Rest des Raumes. An der mir gegenüberliegenden Wand war sogar ein Flachbildfernseher angebracht. Was die Frage aufwarf: Warum brauchte er dann Geld? Sah ja nicht so aus, als wäre er arm dran. Seuzend lehnte ich mich ans Bettgeländer und ließ meinen Kopf an die Wand schlagen. Einmal, zweimal, dreimal. So, genug Selbststrafe für die Dummheit, mich entführen zu lassen. Normalerweise hatte ichs ja nicht so mit Selbstgeißelung, aber das war echt nötig, immerhin durfte ich ja jetzt hier vor mich hin gammeln, bis der Knackarsch wieder Lust hatte, sich mit mir zu streiten. Ich ließ die linke Hand (da die Rechte ja immer noch gefesselt war) über das rote Satinlacken gleiten. Es war weich und unter normalen Umständen hätte ich mich tagelang darunter verschanzt, nur um nicht von diesem geilen Laken weg zu  müssen. Doch nun war es nur eine Beschäftigung, eine Ablenkung um nicht an diese Situation zu denken. Die Tür ging auf und mein Lieblingsarsch erschien mit einer Suppenschüssel in der Hand. "Gehts noch, nicht mal anklopfen kannste! Ein Gentleman biste ja nicht gerade, oder?" Meine Stimme verriet meine Wut, aber auch die unterschwellige Unsicherheit. Schließlich war ich hier die Entführte und verlor damit wohl das Recht darauf, alle unfähigen Menschen fertig zu machen. Er durchlöcherte mich mit seinem harten Blick und stellte die Suppe auf den Nachtisch, wo ich schwer hinkam.

 

"Wenn du weiterhin so respektlos bist, musst du selber gucken, wie du die Suppe in dich hineinlöffelst", knurrte er. Er tauchte einen großen Löffel in das Gebräu und hielt ihn mir hin. Ich strafte ihn mit einem kalten Blick, machte aber dann gehorsam den Mund auf. Zu meiner Überraschung schmeckte es echt gut, leicht salzig und ein wenig nach Basilikum. Genüsslich schloss ich die Augen. So gut hatte ich seit Jahren nicht gegessen. Meine Mutter war eine schlechte Köchin, und das war eines der wenigen Dinge, die sie mir vererbt hatte. "Das schmeckt echt gut, danke", sagte ich ehrlich. Ihm war das anscheinend unangenehm, denn er sah mir nur kurz in die Augen, bevor er mir wieder einen Löffel reichte. Als die Schüssel leer war, meinte ich kurz sowas wie einen liebevollen Blick von ihm gesehen zu haben, doch das war unmöglich. Er setzt sich zu mir aufs Bett, streckte die Beine aus, und schaltete, mit einer Fernbedienung vom Nachtisch, den Tv ein. Er zippte solange bis wir bei einer Doku ankamen. Ich seufzte. Tierdokus waren schrecklich langweilig. Ich beobachtete ihn und sah, wie er sich ein Lachen verkniff. Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich sein Minenspiel, bis es für ihn anscheinend kein Halten gab. Lachend krümmte er sich und  reichte mir die Ferbedienung. Verwirrt hob ich die rechte Augenbraue. Er stöhnte und legte sie nachdrücklich in meine linke Hand. Ich sah ihn noch kurz an, schaltete dann aber um.

 

Super: RTL, der Uhr auf dem Tv nach zu urteilen also die perfekte Zeit, um sich Assi-TV reinzupfeifen. Wenn ich schon wieder daran dachte, dass manche Menschen da freiwillig mitspielten, war ich von der Menschheit doch ein bisschen enttäuscht, was sich aber gleich legte. Schließlich war das mein Unterhaltungsprogramm, bei dem ich mir so schön normal vorkam. Da meine rechte Hand unangenehm nach oben gezogen wurde, gelang ich in keine angenehme Stellung. Seufzend stoppte ich meine Verusche und rutschte einfach soweit runter, dass ich auf dem Kissen lag. Den Blick starr nach vor gerichtet, sah ich mir meine Lieblingssoap an: Mitten im Leben. Knackarsch sah mich mit unergründlichen Augen an. Doch dann wendete auch er sich dem Tv zu.

5. Kapitel

Beim Fernsehen hatte ich an manchen Stellen einen Lachflash und auch Knackarsch schien amüsiert zu sein. Er hatte sich in das Kissen neben mich gelegt und spielte mit seinem Handy. Ein Smartphone... Natürlich! Da viel mir wieder die Sache mit der Entführung ein. Und ja, ich weiß, was ihr jetzt denkt: Hallo (?!) wie kann man eine Entführung vergessen? Aber ja, ich hatte für KURZE, wirklich nur kurze Zeit vergessen, dass ich nicht freiwillig neben diesem Sexgott lag. Ich sah auf die beige Wand neben mir und war auf einmal stark auf die Faserung der Tapete fokusiert. Ich weiß, das war unsinnig, aber es verletzte mich, nicht zu wissen, warum ich hier war, denn an Geld mangelte es ihm nicht! Knackarsch versteifte sich neben mir und sein Gesicht war ausdruckslos, doch ich ignorierte es einfach. "Okay, jetzt sag an, warum hast du mich entführt, denn an Geld mangelt es dir nicht..." Ich ließ die Frage am Ende in der Luft hängen und sah ihn direkt an. Er schien sich unwohl zu fühlen, jedenfalls wich er meinem Blick aus, was mich stocken ließ. Ich meine, er ist der Sexgott, der Knackarsch, der Macho, und dass er jetzt verlegen war, passte nicht zu seinem Auftreten. Er stieg wortlos aus dem Bett und knallte seine Faust gegen die Wand, die unter dem Druck nachgab und ein großes Loch freigab.

 

"Verdammt...", stöhnte er und ließ seinen Kopf hängen, sich beidseitig mit den Händen daran abstützend. Ich wollte meine Frage schon zurück nehmen und ihn bitten, es einfach zu vergessen, denn ich hatte Angst, er würde mir etwas antun. Er entspannte sich und ließ sich wieder auf das Bett plumpsen."Ich möchte nicht darüber reden...", sagte er nur und strich mit den Fingerspitzen leicht über meine Wange, auf der sich unbemerkt Tränen gesammelt hatten. Meine Haut prickelte und ich merkte, wie mir dir Röte ins Gesicht stieg. Ich drehte meinen Kopf etwas, sodass seine Finger in der Luft hingen. Er senkte die Hand wieder, blickte mich noch ein paar Sekunden an, bevor er aus der Tür schoß, die mit einem lauten Knall zufiel. Ich konnte die Tränen nicht mehr aufhalten und versteckte meinen Kopf in dem Kissen, versuchte mich zusammenzureißen, doch ich verlor jegliche Kontrolle über meine Schluchzer. Erst hatte ich um mein Zuhause geweint, doch jetzt, weil ich den Sexgott verstehen wollte, weil ich ihn beruhigen wollte, weil ich mich nach seinen Berührungen sehnte, obwohl mein Verstand jedesmal vor seiner Nähe zurückzuckte. Ich blinzelte ein paar mal und beruhigte mich wieder. Ich war ein OPFER und so würde ich mich in Zukunft auch verhalten, keine Gefühle für den Entführer, keine Zickereien mehr, die ihn veranlassten auszurasten. Denn trotz dieser Sehnsucht, hatte ich auch Angst. Angst vor ihm, Angst davor ihn zu verlieren, und davor nicht mehr nach Hause zu kommen. Ich kuschelte mich in die die Satindecke, die ich mir auch zulegen sollte, wenn ich hier wieder raus kam. Am Besten ich lege ein Sparkonto dafür an, dachte ich. Vielleicht konnte ich ein paar extra Schichten im Grill schieben? Doch noch mehr Arbeit würde sich nicht mehr mit der Schule vereinbaren lassen... "FUCK!!!", schrie ich plötzlich laut. "Was? Was ist passiert, geht es dir gut? Bist du verletzt?" Eine Hand hatte sich auf meinen Oberarm gelegt und drehte mich auf den Rücken. Mit besorgtem Blick sah mir der Knackarsch entgegen. Meine Wangen waren rot... vor ZORN!!!! "Du Arsch! Wegen dir habe ich meine Matheklausur verpasst!", schrie ich ihn wütend an und holte mit meiner freien Hand aus. Noch vor dem Aufschlag, hielt er mich an meinem Handgelenk fest. "Wolltest du, du, die Geisel, mich, den Entführer, schlagen???" Seine Stimme war ruhig, zu ruhig und nach meiner eigenen Erfahrung, brach der Vulkan gleich aus. Doch auch ich konnte meinen Zorn nicht zügeln "JA!", erwiederte ich immer noch schreiend. Er funkelte mich an, verdrehte mein Handgelenk schmerzvoll und brodelte förmlich. Seine Hand packte mich kalt und versteifte sich immer mehr an meinem Handgelenk. Ich würde trotz der Schmerzen nicht anfangen zu jammern, oder gar zu weinen, die Demütigung würde ich ihm nicht bieten.

 

"Ich habe MONATE damit verbracht, mir diesen Scheiß einzuprägen und jetzt bekomme ich eine 6(!), weil ich nicht anwesend war", sagte ich noch immer zornig. Der Schmerz war furchtbar, doch ich blieb standhaft. Er dreht mein Gelenk noch weiter, was mich fast aufstöhnen ließ. Plötzlich ließ er los und stockte. "Ernsthaft? Eine verpasste Mathearbeit und du schreist so, als wärst du kurz vorm Abkratzen?!" Ungläubig musterte er mich an. Mein Gelenk pulsierte vor Schmerz, doch ich bewegte es nicht von der Stelle. Durch ein Nicken bestätigte ich seinen Verdacht. Er prustete los und hielt sich nur mit Mühe auf den Beinen. "Eins muss man dir lassen: Verrückt bist du schon!", sagte er grinsend und nahm meine Hand, was mich aufkeuchen ließ. Er verzog sein Gesicht und strich zart über die geschwollene Haut. Ehrfürchtig küsste er die rote Stelle und strich mir behutsam über den Arm. Ich hatte aufgehört zu atmen und sah ihm fasziniert zu. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem kompletten Körper. Kein Wunder, redete ich mir ein, immerhin saß ich hier immer noch in einem kurzen Kleid, und eine Heizung gabs auch nicht. Sanft aber bestimmt entzog ich ihm meine Hand und machte dabei selbst einen enttäuschtes Flunsch. Er wendete sich ab, sichtlich verwirrt über sich und diese Situation. Mit dem Rücken zu mir, legte er seinen Kopf in die Hände. Ein gefrustetes Seufzen erklang von ihm, was überhaupt nicht in mein Bild von ihm passte. Was sollte er für einen Grund haben, Frust zu schieben, er nahm sich schließlich immer das, was er wollte, oder nicht? Als er sich nach ner Zeit immer noch nicht umdrehte, wurde ich leicht unruhig. Okay, was sollte ich jetzt machen, immerhin hatte ich mir eigentlich gesagt, die Opfer-Entführer Beziehung zu pflegen, aber hatte ich das nicht schon mit meinem Wutanfall gebrochen? Ich nickte zufrieden und tippte mit meinem Zeigefinger zögerlich auf seine Schulter. Mehr konnte ich ehrlich nicht tun, immerhin war ich gefesselt! Er bewegte sich nicht, also seufzte ich nur resegnierend und legte mich zum Schlafen, sollte er doch sehen, wo er blieb. Andererseits wollte ich auch nicht zusehen, wie er Stundenlang auf dem Bett rumsaß, was mir, zugegeben, beim Schlafen helfen würde, aber mich auch nervös werden ließ. Verdammte scheiße, reiß dich zusammen! Er ist ein Fremder, der dich festhält und kein Typ, den du flachlegen willst, spar dir also deinen romantischen Tick und  LASS IHN IN RUHE, schrie mein Verstand, aber ihr kennt mich ja, er wurde knallhart ignoriert...

 

Ohne Zögern legte ich ihm meine ganze Hand auf den Rücken und massierte sanft seine Muskeln, die zum Zerreissen gespannt waren. Jetzt nervten mich die Handschellen aus anderen Gründen, denn sie hinderte mich daran, ihn zu trösten. "Tut mir leid, ich werde mich zusammenreißen, wenn es dir dann besser geht...", murmelte ich ergeben. Ich wurde eben echt schwach, wie er da saß, so allein und verletzlich, erinnerte er mich an meinen Dave. "Wer ist Dave?", fragte er knurrend und bleckte seine Zähne. "Hää?", brachte ich nur heraus. "Dein Freund?" Seine Frage klang bedrohlich, fast mörderisch. Ich schüttelte meinen Kopf. "Nein, mein kleiner Bruder...", antwortete ich leise. Ich wollte ihn besänftigen, wollte, dass er mich wieder so berrührte wie eben, als ich mich ihm entzogen hatte. Hör auf, Cathy, hör auf! Ich schauderte als ich seinen Blick sah, der mich musterte. "Entspann dich, ist alles okey?" Meine Frage ließ ihn innehalten. "Das geht dich nichts an!", erwiederte er streng. Mein  Gesicht zeigte, wie verletzt ich war, da war ich mir sicher. Er ging, von seiner scharfen Stimme selbst erschrocken, zu mir und streichte meine Haare aus dem Gesicht.

 

"Tut mir leid", flüsterte er, so leise, dass ich fast dachte, es mir eingebildet zu haben. Im nächsten Moment war er verschwunden. Suchend blickte ich mich um, entdeckte ihn aber nirgendwo. Dieser Mann machte mich noch wahnsinnig, genau deswegen sollte ich aufhören, ihn als ein mögliches Sexobjekt zu betrachten, dachte ich ärgerlich. Ich rollte meine Augen und legte mich wieder in mein Kissen. Verdammt, wenn ich ihn anzicke, mache ich es noch schlimmer, aber wenn ich nett bin, reagiert er total anders als erwartet. Beides war mir schleierhaft und eigentlich sollte es mir auch total egal sein, sagte ich mir. Das Wichtigste war, dass ich hier rauskam. Aber wenn ich ehrlich war: Es war mir überhaupt nicht egal! Es verletzte mich, dass er so reagierte und DAS durfte absolut nicht sein! Ich knurrte genervt und versteckte mein Gesicht im Kopfkissen.

6. Kapitel

Eine Hand weckte mich aus dem Schlaf. "Mmh noch ein bisschen länger, Juan. Ich hab mir den Schlaf verdient!", jammerte ich. Ein dunkles Lachen löste mich von meinen Gedanken und ließ mich aufschrecken. Reglos setzte ich mich hin und starrte ihn an. "Sorry Babe, aber draußen ist es schon hell. Ich dachte, du würdest gerne frühstücken!?" Fragend hob der Unbekannte eine Augenbraue. Seine Wut war verraucht, nur ein warnendes Funkeln erinnerte mich daran, ihn nicht nochmal zu berühren oder ihn wütend zu machen. Ich nickte schüchtern und nahm den Teller, den er mir reichte, mit meiner freien Hand entgegen. Ein bisschen umständlich stellte ich ihn auf meine Beine und began, den Toast zu essen. Schweigend stand er da und beobachtete mich. Langsam wurde ich nervös und fummelte an der Bettdecke rum. "Wie lange bin ich schon hier?", fragte ich in Stille hinein. "Einen Tag". Was? Nur einen Tag? So oft wie ich geschlafen hab, muss es mindestens ein paar Tage her sein, dass ich (*schluck*) entführt wurde. Wahrscheinlich war mein Zeitgefühl aber auch einfach nur im Arsch... Vor wenigen Minuten hatte mein Magen noch geknurrt, doch jetzt knabberte ich nur noch lustlos an meinem Toast herum. Genervt ließ ich es schließlich ganz sein und schob den Teller von mir auf die Matratze. "Keinen Hunger?", fragte er besorgt. Sorge? Nein, das konnte nicht sein, sagte ich mir und setzte zu einer sarkastischen Antwort an. "Könnte davon kommen, dass ein verficktes Arschloch meint, mich in einem Raum einsperren zu müssen und sich anschließend über mangelnden Appetit beschwert", motzte ich und schubste den Teller ganz auf den Boden, sodass ein Stück davon abbrach.

 

Ein Knurren kam aus seiner Kehle und ließ mich erschrocken zurückfahren. Verdammt Cathy, dass du dich auch nicht zurückhalten kannst, tadelte ich mich selbst. Ergeben krümmte ich meine Schultern und sah ihm nicht ins Gesicht, was (zugegeben) auch kein schlechter Ausblick war. Seine Muskeln waren stählern und seine Unterarme sehnig. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Ich klatschte mir selbst eine. "Nicht, dass ich was dagegen hätte, aber warum willst du dich selber schlagen?". fragte er. Scheiße, hatte ich mich echt geschlagen? Nein, meine Wange tat nicht weh und auch sonst war das ja wohl nur ne Vorstellung und keinesfalls die Realität gewesen. Ich hob eine Augenbraue und schmunzelte leicht, als er anscheinend merkte, dass er sich verraten hatte. "Du kannst Gedanken lesen?", fragte ich erstaunt und rutschte, so weit ich konnte, zur Bettkante. Er nickte nur und sah mich wütend an. "Woran denke ich gerade?" BLAU; BLAU; BLAU; BLAU..."Blau", sagte er und lachte leise. Ich zog die Luft ein.

 

"Scheiße, das ist nicht fair, hör weg!", schrie ich verdattert. Das hieß kein Schmachten in seiner Gegenwart, keine Sextagträume mehr und auch keine Beleidigungen. Obwohl das mit den Beleidigungen könnte ich sogar machen, um ihn zu ärgern... "Sextagträume, ja?" Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln und brachte mein Herz zum Rasen. "Keine über dich...", sagte ich nur und sah wieder das gefährliche Funkeln in seinen Augen. Doch dann wandte er sich der Kommode zu und holte einen kleinen Schlüssel heraus. "Ich werde dich jetzt losmachen und dich ins Badezimmer bringen. Da kannst du duschen und alles. was du sonst so machen musst...", kündigte er stolz an. Fast so, als wäre das ein riesen Geburtstagsgeschenk, dachte ich und kassierte prompt ein böses Lächeln. "Tja, ich werde dabei die ganze Zeit mit dir in einem Raum sein, also eher ein Geschenk für mich, oder?", fragte er belustigt. Ich schaute ihn böse an und betastete stöhnend mein Handgelenk, das bereits angeschwollen war. Hätte er nicht einfach das Zimmer abschließen können, fragte ich mich selber und stand zögernd auf. Ich hatte mich circa einanhalb Tage lang nur auf einem Bett bewegt und war dementsprechend ungelenk.

 

"Komm, ich zeig dir den Weg", murmelte er und nahm kurzerhand mein gesundes Handgelenk, um mich mit sich zu ziehen. Ich schnaufte empört, war aber dann doch erleichtert darüber, denn kaum machte ich ein paar Schritte, stolperte ich über einen Teppich, der direkt vor meiner Zimmertür lag. Gerade rechtzeitig fing er mich auf und stellte mich wieder aufrecht hin. Ich ignorierte, dass er mich vor dem harten Boden gerettet hatte, schließlich war er immer noch mein Entführer, und der hat ganz bestimmt kein Danke verdient, dachte ich. Mit einem einfachen Nicken in seine Richtung, drückte ich meinen Dank aus und folgte ihm durch einen langen Flur zu einem großen, in grau gehaltenen Badezimmer. Er drückte mir ein Handtuch in die Hand und deutete auf eine Reihe von Kleidungsstücken. "Ich hab dir ein paar Klamotten rausgelegt, such dir was raus, wenn du fertig bist. Wie gesagt, ich kann dich nicht alleine hier lassen, aber ich werde mich umdrehen, wenn du darauf bestehst", bot er mir an. Ich funkelte noch mal böse, immerhin ist das ja wohl eine Selbstverständlichkeit, was anderes würde ich auch gar nicht zulassen. Mit einem Seufzen stieg ich aus meinem Kleid und ließ es auf den Boden  sinken.  Auch die Unterwäsche lag nun auf den Fliesen.

 

"Schöner Anblick." Ich schrie auf und schmiss mein Handtuch nach ihm, was reichlich blöd war, wenn man bedachte, dass ich  nun ganz ohne Schutz vor ihm stand. Schnell hob ich mein Kleid auf und hielt es mir vor. Er lachte dreckig und reichte mir das Handtuch wieder. Mit einem Schmunzeln, beugte er sich zu mir und flüsterte rau in mein Ohr "Oh Süße, glaub mir, du bist nicht die erste Frau, die ich nackt sehe. Schäm dich nicht, früher oder später zieht sich jede für mich aus..." Seine Stimme triefte vor Arroganz, doch mir lief trotzdem ein warmer Schauer über den Rücken. Ich straffte mich und wickelte mich ins Handtuch, bevor ich ihn mit aller Kraft zur Tür drehte und ihm wortlos bedeutete, soetwas nicht noch einmal zu wagen. Er lachte nur wieder und ich stieg in die Dusche. Das warme Wasser entspannte meine Muskeln und ich seufzte wohlig auf. Der Geruch von Waldbeeren stieg mir in die Nase, als ich das Duschgel auftrug. Mmh lecker... Nach zwanzig Minuten hörte ich ein Räuspern. Ich stöhnte und grummelte etwas Unverständliches vor mich her. "Man sollte meinen, bei der Wohnung könntest du dir die Wasserkosten leisten", murrte ich, nachdem ich mich in das Handtuch gemümelt hatte.

 

Er verdrehte nur die Augen und laberte etwas von "Umweltschonung ginge jeden etwas an". Pah! Ich durchstöberte die Klamotten und zog mir ein mit Blumen bedrucktes Sommerkleid über. Ich nickte zufrieden und musste gestehen, dass es mir echt gut stand und perfekt passte. "Fertig", murmelte ich und quetschte mich an ihm vorbei in den Flur. Dabei berührte ich kurz seine Arme, die sich warm und weich, an meine Haut schmiegten. Kurz hielt ich inne, raffte mich aber schnell wieder und beschloss, das Haus zu erkunden, bevor ich wieder ans Bett gefesselt wurde. Auch er war erstarrt und hatte die Kiefer fest aufeinander gepresst. Schüchtern öffnete ich eine Tür nach der anderen und staunte jedes mal aufs neue. Die Räume waren hell und auf dem neustens Stand, was Elektronik anging.

 

“Gefällt's dir?“ fragte er mich unsicher. “Klar, aber ist ja auch unwichtig. Mir muss es ja nicht gefallen“, maulte ich nur und schloss auch die letzte Tür. Er musterte mich kurz, wand sich dann aber wieder ab. “Willst du mir jetzt endlich mal sagen, warum ich hier bin?“, fragte ich zögernd. Sofort wurde er wieder steif und schüttelte heftig seinen Kopf. “Später“, antwortete er und zog mich wieder in mein Zimmer. Unsicher setzte ich mich auf die Bettkante und spielte mit dem Saum meines Kleides. Ich überlegte angestrengt, warum ich hier war, wenn er offensichtlich kein Geld wollte. Mit einem Seufzen verbot ich mir weitere Gedanken daran, sonst bekäme ich womöglich noch Denkfalten. Knackarsch stand im Türrahmen und schien abzuwägen, ob er mich fesseln musste. Ich erleichterte ihm seine Entscheidung und murmelte ein patziges "Ich werde schon nicht abhauen", was ihn nur die Stirn runzeln ließ.

 

„Heißt du eigentlich wirklich Damien, oder war das nur eine Taktik, um mein Vertrauen zu gewinnen?“, fragte ich wieder selbstsicher und lehnte mich auf meine Ellenbogen nach hinten. „Ja, ich heiße wirklich Damien. Außerdem hätte es ja wohl nichts gebracht, dein Vertrauen zu gewinnen, wenn ich dich mehr oder weniger mit Gewalt entführt habe...“, fügte er an und setzte sich zu mir. Okay, das klang logisch. Aber viel wusste ich von dem Abend sowieso nicht mehr, also könnte er mir alles auftischen und ich würde es glauben. Ich legte mich flach aufs Bett und starrte an die Decke. Ob man mich wohl schon vermisste? Wahrscheinlich nicht, immerhin wurde ich ja nirgends erwartet, also konnte mich auch niemand vermissen, dachte ich enttäuscht. Und Dave würde sich die Zeit, die er alleine hatte, sicher nicht nehmen lassen. Für ihn hieß das schließlich einen Freifahrtschein für langes Aufbleiben und nächtliche DVD-Eskapaden, bei denen ich ihm die Ohren langgezogen hätte. Ich schloss die Augen. Würde ich ihn je wiedersehen? Oder Rose, die ich zwar momentan mehr als alles hasste, die ich aber auch nicht von der Bettkante stoßen würde, wäre sie hier? Vielleicht nicht, aber wer weiß, ob ich irgendwann nicht doch die Chance zur Flucht bekam.

 

Ich beobachtete Knackarsch und seufzte leicht. Wären wir uns auf der Straße begegnet, hätte ich ihm gedankenlos meine Jungfräulichkeit hinterher geschmissen, egal, ob ich mir selbst ein Versprechen gegeben hatte oder nicht. Ich hätte keinen Gedanken daran verschwendet, dass er ein scheiß Psychopath ist, der mich festhält und was-weiß-ich mit mir vorhat. “Kannst du bitte aufhören, mich so anzusehen?“, fragte er genervt. Ich zog die Augenbrauen hoch. “Wie sehe ich dich denn an?“, fragte ich belustigt zurück. Er schnaubte nur und ließ sich zu mir aufs Bett fallen. “Was hast du mit mir vor, wenn du kein Lösegeld willst?“, setzte ich noch einmal an, gelangweilt, so als wäre es mir egal. Er kaute auf seiner Unterlippe und schaute mir sanft in die Augen. „Ich...“, fing er an, stockte dann aber und sah verzweifelt zur Decke. Ich tastete unsicher nach seiner Hand und strich behutsam über seine Haut. Er verspannte sich erst, lockerte sich aber mit der Zeit. „Ich bin ein Vampir“, sagte er nur und schaute mir dabei stur in die Augen. Ich realisierte seine Worte nicht und strich immer noch über seine Haut. Er seufzte und umschlang meine Hand fest, sodass ich keine Möglichkeit hatte, auszuweichen. Mit der anderen hob er mein Kinn an, sodass ich gezwungen war, ihn direkt anzusehen. „Ich bin ein Vampir“, wiederholte er wieder und diesmal verstand ich, was er sagte. Ich nickte mechanisch und schloss die Augen, in der Hoffnung, das wäre alles nur ein Traum und mich hätte kein Psychopath entführt, der glaubte ein Vampir zu sein.

 

Ich hatte mit ziemlich viel gerechnet, aber sicher nicht damit, dass er SO verrückt ist. Ich hatte in einer Zeitschrift gelesen, man sollte solche Leute in ihrem Glauben bestärken und ihnen zeigen, dass man ihnen auch glaubt. Also blinzelte ich und öffnete meine Augen wieder. Er sah mich immer noch an, beobachtete meine Reaktion. Ich lächelte schüchtern und hob meine frei Hand, um sie an sein Gesicht zu legen. Er wich erschrocken zurück und zog mich mit einem Ruck vom Bett. Ich schrie leicht auf, beruhigte mich aber schnell wieder. „Du glaubst mir nicht.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich schüttelte den Kopf und versuchte noch einmal, mich ihm zu nähern, um ihm zu verdeutlichen, dass ich ihm wirklich glaubte. Er fing meine Hand ab, aber hielt sie in seiner Hand. „Ich kann deine Gedanken lesen“, erinnerte er mich und augenblicklich schaute ich verlegen weg. Fuck! Das war mein Ende... Er lachte nur und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Keine Sorge, ich werde dir nichts tun“, beruhigte er mich und sah mich liebevoll an. „Aber ich bin wirklich ein Vampir“, sagte er zaghaft und öffnete seinen Mund etwas. Seine Eckzähne waren stark verlängert und lugten heraus. Vorsichtig löste ich meine Hand aus seiner und betastete den rechten Zahn. Er war hart und spitz: Eindeutig echt. Als ich das merkte, sprang ich von ihm weg und lehnte mich geschockt an die Wand, so weit weg von ihm, wie es der Raum zu ließ. Er lachte verbittert und steckte seine Hände in die Hosentasche. Nach einer Weile löste ich mich aus der Starre und kam langsam auf ihn zu. Schüchtern berührte ich nochmal seine Eckzähne, die nun wieder auf normale Länge geschrumpft waren, sich aber erneut verlängerten, als ich sacht mit einem Finger darüber strich. Lachend nahm er meine Hand und löste sie von seinen Fänge. „Glaubst du mir jetzt?“, fragte er leise und schaute mir so intensiv in die Augen, dass ich meinen Blick automatisch abwandte.

 

Ja, dachte ich, ich glaube ihm. Aber es stellte meine ganze Welt auf den Kopf. Wie viele von den Menschen, die ich dachte zu kennen, waren in Wahrheit gar kein Mensch, sondern etwas anderes? Fragen über Fragen schwirrten mir im Kopf herum und verwirrten mich. Damien legte seine Hände auf meine Schultern und schob mich zum Bett, wo ich mich achtlos plumpsen ließ. Scheiße, mein Entführer ist ein Vampir!

7. Kapitel

Nachdem wir eine ganze Weile schweigend dagesessen hatten, knurrte mein Magen protestierend. Ich seufzte und lief zum Zimmer, in dem ich vorhin die Küche entdeckt hatte. Damien hatte mich ohne Gegenwehr ziehen lassen, also ging ich davon aus, dass er mich ab jetzt wohl nicht mehr ans Bett fesseln wird. Die Küche war, wie das Meiste hier, ziemlich modern: Eine dunkle Arbeitsfläche hob sich von den weißen Schränken ab und hatte den gleichen Holzton wie der Fußboden unter mir. Da ich barfuß herum lief, empfand ich die Fußbodenheizung als etwas sehr Nützliches, hatte ich sie sonst auch immer als unnötiges Schnik schnak abgetan. Ich öffnete den Kühlschrank und entdeckte: Nichts! Okay, eine Frage hätten wir damit wohl abgehakt, nämlich die nach seinen Essgewohnheiten! Nachteil für mich: Ich würde verhungern und verdursten!

 

Schritte hinter mir lenkten mich ab. Damien lehnte sich, nun arrogant wie immer, an den Türrahmen und beobachtete meine ergebnislose Suche. Auch alle anderen Schränke beinhalteten nichts Essbares, sodass ich mich geschlagen gab und im Schneidersitz auf den Boden setzte. Belustigt hob der Knackarsch mich an der Hüfte hoch und setzte mich auf das Sofa im Wohnzimmer. Ich schnaubte wütend, schließlich hatte er mich wie ein Kind durch die Gegend gejuckelt. Er lachte nur und reichte mir fürs erste einen Apfel, der der Marke nach zu urteilen, sogar einer meine Lieblingssorte war. Zufrieden mampfte ich ihn in wenigen Minuten auf und sah Damien erwartungsvoll an. Er erwartete ja wohl nicht, dass ich jetzt satt war, oder? Er schüttelte nur den Kopf und verschwand, bevor er mit ner Pizza wiederkam. Sie dampfte verführerisch und ich schaffte die Hälfte davon, doch dann war ich kurz vorm Platzen.

 

Mit einem glücklichen Seufzen, lehnte ich mich nach hinten und zog meine Beine an. Er hatte mich die ganze Zeit über vom gegenüberliegenden Sessel aus beobachtet und sah mich musternd an. Im Moment kam es mir völlig verrückt vor, dass ich Angst vor ihm gehabt hatte. „Satt?“, fragte er. Ich nickte und nahm den Teller mit der restlichen Pizza, um sie in den Kühlschrank zu stellen. Mein Kleid hatte ein paar Flecken von der Tomatensoße, die ich verzweifelt mit einem nassen Trockentuch raus zu waschen versuchte. Ich gab es nach einer Weile auf und schenkte mir ein Becher voll Wasser ein, das ich zügig austrank. Nach einer Weile schlenderte ich zurück zum Sofa, legte mich hin und beobachtete ihn. Auch er sah mich an, doch keiner löste den Blick. „Warum hast du mich entführt?“, fragte ich wieder murmelnd. Okay, er war ein Vampir, doch das erklärte nichts. Er kam langsam auf mich zu und setzte sich auf den Boden vor mir. Zögernd, aber bestimmt, legte er eine Hand an meine Wange und streichelte sie sanft. Ein Schauder lief über meinen Körper. „Weißt du, jedes übernatürliche Wesen hat einen Gefährten, der von den Göttern bestimmt wird. Gefährten sind so etwas wie Seelenverwante, und auch übernatürlich. Nur die Wenigsten finden ihren, immerhin leben über 7 Milliarden Wesen auf dieser Erde, da ist es schon schwer jemand Bestimmtes zu finden. Als ich dir in dieser Bar begegnet bin, wusste ich, dass du meine Gefährtin bist. Aber ich verstand es nicht, denn du bist ein Mensch und...“ Verzweifelt sah er mich an. Seine Stirn war gerunzelt und seine Augen bohrten sich in meine, erwarteten eine Reaktion von mir. Doch ich konnte mich nicht rühren.

 

„Ich bin eine Gefährtin? DEINE Gefährtin?“, fragte ich nun ungläubig. Er nickte und spielte mit einer meiner Haarsträhnen. „Deswegen kann ich auch deine Gedanken lesen“, erklärte er verlegen. Ich schloss meine Augen und seufzte innerlich auf. Oh Cathy, du hast so was von abgekackt! Damien ist nicht nur ein Vampir und kann meine Gedanken lesen, NEIN! Ich bin auch noch seine Gefährtin, eine menschliche Gefährtin, war ja klar, dass ich aus der Norm fallen musste! Er legte seine Stirn an meine, sodass seine warme Haut an meiner lag, und seufzte wohlig auf. Ich genoss es auch, ihn zu spüren, aber mein Stolz wehrte sich dagegen. Ich wich etwas zurück und drehte mich auf den Rücken. So viele Fragen, so wenig Antworten, dachte ich. „Frag mich alles, was du willst“, bat er und schaute mich ernst an. „Wie alt bist du?“, fragte ich als erstes. „1500 Jahre alt“, antwortete er. Ich musste schlucken. So alt, echt? Dann hat er die Weltkriege miterlebt und was weiß ich noch alles. Er lachte und spielte wieder mit einer Haarsträhne „Wenn alles, was dich stört, mein Alter ist, dann kann ich damit leben!“, murmelte er verzückt.

 

Ich schnaubte und drehte mich nun doch wieder auf die Seite, um ihn besser ansehen zu können. „Ich versteh immer noch nicht, warum du mich entführt hast“, erwiderte ich verwirrt. Er ließ seufzend von mir ab und schaute stur auf den Fußboden. „Ich gebe zu, das war nicht gerade die beste Aktion. Aber es ist so: Wenn man seine Gefährtin gefunden hat, kann man nicht lange von ihr getrennt sein. Ich war die ganze Zeit über in deiner Nähe. Das Problem ist, dass ich ziemlich viel Verantwortung in unserer Welt habe und nicht einfach hinter dir herlaufen konnte. Mir ist nichts anderes eingefallen, als dich zu entführen“. Mit einem Schulterzucken sah er mich an. „Was wäre passiert, wenn du mir nicht gefolgt wärst?“ Meine Stimme klang selbst für meine Ohren besorgt. „Es hätte uns beiden weh getan. Körperlich und seelisch. Irgendwann wären wir wohl einfach in Ohnmacht gefallen“. Sein Gesicht und seine Stimme ließ keine Emotionen zu, was mich verunsicherte. „Bleibt das für immer so? Ich meine, können wir nie wieder getrennt sein?“, fragte ich nun doch etwas wütend. Er nickte. „Es wird immer so sein, wir werden immer in der Nähe des Anderen bleiben müssen“, antwortete er. Mir entfuhr ein ärgerliches Schnauben und ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. Ich würde mich also nie wieder alleine und frei bewegen können, jammerte ich nun. Er antwortete nicht, sah nur zu Boden.

 

Ich stand auf und rannte in mein Zimmer, schlug mit einem lauten Knallen die Tür zu und schmiss mich aufs Bett. Tränen rollten aus meinen Augen und tropften aufs Kissen. Ich wischte so gut wie es ging welche von meiner Wange, doch es kamen zu schnell wieder welche nach.

 

Ich verstand es nicht, wie konnte so etwas sein? Mir fiel es schwer, zu akzeptierten, dass Damien ein Vampir war, weil es meine ganze Weltanschauung damit durcheinander brachte. Früher, als ich noch klein war, hatte meine Mum mich immer beruhigend umarmt, wenn ich Angst vor einem Monster im Schrank hatte. Doch das Problem war, das Monster war nicht im Schrank, sondern direkt im Zimmer neben mir und ich würde für immer an ihm kleben. Keine Chance, ihm zu entkommen, keine Chance auf ein normales Leben. Denn ich würde nirgendwo alleine sein, immer mit ihm zusammen. Wie ein Stalker, dachte ich. Egal was passiert, einer von uns und dessen Leben wird nicht mehr das alte sein. Was meint er überhaupt mit Gefährtin? Sollte das heißen, ich war seine Freundin? Das konnte er sich abschminken, wahrscheinlich war das alles sowieso nur ne ganz kranke Anmache! Allerdings hatte keiner genug Fantasie für so was, oder?

 

Ich schluchzte laut und versteckte mein Gesicht im Stoff des Kissens. Ich war einfach nur ratlos und verzweifelt. Ich fühlte mich, wie an dem Tag, an dem meine Eltern starben. Wie in dem Moment, in dem ich realisierte, dass sie nicht mehr wieder kommen würden. Einfach weg, für immer. Zwei Polizisten standen vor der Tür zur unserer alten Wohnung, die innen versüft und kaum begehbar war voller Flaschen. Ich hatte nur ein Nachthemd an und fror erbärmlich, da die Heizkosten wieder nicht bezahlt worden waren. Dave war damals 6 und verstand noch nicht was es bedeutete, wenn jemand starb, doch ich wusste genau, was es bedeutete. Denn neben der Trauer, war auch eine andere, große Last auf mich gefallen. Die Erziehung meines Bruders, die Kosten für die Beerdigung und auch die sonstigen Geldangelegenheiten musste ich alleine klären. Manchmal glaubte ich, es war trotzdem ein Segen Gottes, dass die Beiden von uns gegangen sind. Denn für uns war es kein Leben gewesen, sondern ein Albtraum. Vielleicht kam ich deshalb so gut über die Trauerphase hinweg, oder aber auch einfach nur, weil ich nie eine gute Bindung zu ihnen hatte. Egal, jedenfalls hatte es damals viele Probleme für mich bedeutet und auch heute schien das nicht anders zu sein, dachte ich abschätzend. Ich fühlte mich zwar sehr angezogen von Damien, aber könnte ich ihn lieben, wenn Gefährtin das bedeutete, was ich dachte!? Ich wusste es nicht, mein Kopf war zu voll fürs logische Denken. Nach ein paar Stunden fiel ich in einen tiefen Schlaf.

8. Kapitel

Ein lautes Poltern weckte mich und ließ mich erschrocken hochfahren. Es kam eindeutig aus dem Wohnzimmer, doch als ich horchte, war alles still. Ich runzelte verwirrt die Stirn und fragte mich, ob ich jetzt vielleicht verrückt werden würde. Seufzend ließ ich mich zurück in die Kissen fallen und wollte schon wieder anfangen zu schlummern, als ein lautes Klopfen mich störte. „JA?“, schrie ich genervt. Konnte man mich nicht einfach mal ausschlafen lassen? Konnte ja nicht so schwer sein... “Hey, zieh dir was an. Wir müssen los.“ Damien stand mit verschränkten Armen in der Tür und wartete auf meine Reaktion. Ich hob nur eine Augenbraue und schloss trotzig wieder meine Augen. Er stöhnte und zog mir plötzlich die Decke weg. Ich schrie erschrocken auf, machte einen Satz aus dem Bett und schmiss mich auf ihn. Mit einem lauten Knall landete ich auf dem harten Holzboden. „Au...“, murmelte ich verwirrt. Ich schaute auf und sah in die wütenden Augen von Knackarsch. „Wir haben keine Zeit für Spielereien. Außerdem würde ich dir raten, dich niemals mit einem Vampir anzulegen“, riet er mir nur emotionslos und verschwand durch die Tür, nachdem er noch ein "Kleidung liegt im Badezimmer" gemurmelt hatte. Ich war wohl nicht die Einzige, die nach dem Gespräch gestern, ihre gute Laune verloren hatte. Man ey, nicht mal Ausschlafen kann man hier. Und ich dachte noch, ich könnte ihm eine saftige Ohrfeige verpassen, aber nichts da. Er ist ja ein Vampir, gegen die hat man keine Chance, dachte ich und verdrehte genervt die Augen.

 

Ich schlüpfte, immer noch in dem Kleid von gestern, ins Badezimmer und zog mir eine dunkelblaue Röhrenjeans an. Eine Weile schwankte ich zwischen einer schwarzen Bluse und einem schlichten weißen T-Shirt. Schlussendlich entschied ich mich für die Bluse und musste sie zweimal neu knöpfen. Nach dem Schlafen war ich eben noch nicht ganz auf der Höhe. Das Kleid schmiss ich achtlos in die Badewanne und ging ins Wohnzimmer. Damien saß auf dem Sofa, ein schmächtiger Teenager ihm gegenüber. Ich war kurz verwirrt, riss mich dann aber zusammen und schlenderte zu den Beiden. Knackarsch sah nicht mal hoch, als ich mich zu ihm setzte und unterhielt sich weiterhin mit dem blonden Teenie. Dieser lächelte mich kurz an, was ich erwiderte, und zog mich mit seinen Augen aus. Ich genoss ein wenig das Gefühl der Begehrtheit, doch wendete mich verlegen von ihm ab. Damien achtete nicht auf uns und redete einfach weiter: “... das bedeutet, wir müssen ihn finden und wohl oder übel dem Gericht übergeben. Vielleicht kann ich noch ein gutes Wort einlegen, aber ich fürchte, mehr lässt sich nicht machen. Tut mir leid Simon, ich hätte dir gern geholfen. Vor allem, um meine Schuld bei dir zu begleichen“, sagte er und lehnte sich nach hinten. Simon nickte abgehakt und strich sich nervös durchs Haar.

 

„Was ist mit ihr?“, fordernd zeigte er auf mich. Verdutzt hielt ich inne und schaute ihn unsicher an. „Ich fürchte, das wirst du mit ihr selbst ausmachen müssen. Sie schuldet dir nichts, und sie ist nicht mein Eigentum. Vielleicht wird sie dir den Gefallen tun, vielleicht auch nicht...“, murmelte er kalt und zuckte mit den Schultern. „Worum geht’s?“, fragte ich verwirrt. „Mein Bruder George ist verschwunden, nachdem er in Schwierigkeiten geraten ist, bei denen eine Hexe umkam. Ich weiß, dass er nie vorhatte, jemanden zu verletzten, aber wenn er dem Gericht vorgeführt wird... Es wird nicht gut für ihn ausgehen.“ Zum Ende hin wurde seine Stimme immer dünner, bis sie ganz wegbrach. Schüchtern sah er weg und fummelte mit seinen Händen an seinem T-Shirt rum. „Was kann ich tun?“, fragte ich sanft. Verwundert sah er auf und sah Damien durchdringend an. Dieser schnaubte nur und sah aus dem Fenster. „Sie sind die Gefährtin des mächtigsten Vampir im ganzen Land. Und Gefährtinnen sind meist mächtiger als ihre Gefährten...“, beendete er seine Erklärung. „Dachtest du, ich wolle das nicht wissen!? HALLO???", schrie ich und schaute ihm wütend in die Augen.

 

Er lachte hart auf und ging einfach aus dem Raum. Verärgert rannte ich ihm hinterher und legte eine Hand auf seine Schultern, um ihn zu mir zu drehen. Wir waren mittlerweile auf dem Flur vor meinem Zimmer und sahen uns schweigend an. Ich schüttelte nur den Kopf und verschränkte meine Arme vor der Brust. Ich kam nicht umhin, ihn ausgehend zu betrachten. Heute hatte er ein enges schwarzes T-Shirt und eine gleichfarbige Jeans an, die seine langen Beine umschlangen. Seine muskulösen Arme, wurden durchs Shirt deutlich betont und brachten mich fast zum Seufzen. Damien kämpfte damit, nicht zu lachen und weiterhin erbost drein zu schauen, was ihm kläglich missglückte, als ich eine Schnute zog. Bei seinem Lachen liefen mir wohlige Schauer über den Rücken und ich lächelte leicht, bevor auch ich laut los prustete. „Okay, wieder zum Geschäftlichen. Warum hast du es mir nicht gesagt?“, fragte ich ihn direkt und auch er wurde wieder ernst. Nervös fuhr er sich durch die braunen gestylten Haare. „Ich... Ich wusste nicht, ob das auch auf dich zutrifft. Du bist ein Mensch und... ich weiß nicht, was das für Auswirkungen hat“, antwortete er zögernd. Ihm gefiel es eindeutig nicht, etwas nicht zu wissen, es ließ ihn verrückt werden. Denn so sah er im Moment auch aus: Verrückt. Seine Miene war wütend verzogen und seine Hände waren zu Fäusten geballt. Ich seufzte und löste meine Arme aus der Verschränkung.

 

„Ich werde mit dem Rat reden und rausfinden, was es mit dir auf sich hat...“, meinte er und reichte mir meine Highheels, die auf dem Boden neben der Tür standen. Da sie ebenfalls schwarz waren, passten sie ganz gut dazu und ich lief zusammen mit Knackarsch zurück zu Simon, der uns besorgt musterte. Ich lächelte und reichte ihm meine Hand „Ich bin Catherine, du kannst mich Cathy nennen“, stellte ich mich vor und schüttelte seine. „Ich bin Simon Bielson, der Sekretär Damiens“, erwiderte er und gab mir noch einen leichten Handkuss. Ich spürte, wie meine Wangen sich röteten und versteckte mein Gesicht schnell hinter einem Vorhang aus Haaren. Knackarsch beäugte ihn kritisch, als er meine Hand los ließ.

 

Gespielt theatralisch seufzte ich und setzte mich aufs Sofa. „Also Simon“, begann ich, „was kann ich für Sie und Ihren Bruder tun?“ „Das Gericht wird verschiedene Meinungen zu seinem Fall einholen und davon wird das Urteil beeinflusst. Wenn Sie eine Positive abgeben würden, wäre das sehr hilfreich“, sagte er. Ich zog nur die Augenbrauen zusammen. Wenn´s weiter nichts ist, dachte ich mir und nickte zustimmend. Er wirkte erleichtert und verbeugte sich zum Abschied tief vor mir. Ich bekam einen richtigen Schock, ich meine, wir leben im 20. Jahrhundert, was bei ihm anscheinend noch nicht angekommen war. Als er durch die Tür verschwand, war es erst ein Uhr. Es waren mir wie Stunden vorgekommen.

 

„Hast du nicht gesagt, wir müssten weg?“, fragte ich gelangweilt. „Ja, in zwei Stunden. Im Schrank steht ein Koffer und ich hab dir noch ein paar Klamotten besorgt und sie ins Bad gelegt. Wir müssen George Bielson finden, solange das Gericht noch nicht nach ihm fahndet. Wenn sie das nämlich tun, wird es, selbst mit deiner Empfehlung, schwer ihn lebend daraus zu bringen. Er muss sich freiwillig stellen, das ist die einzige Chance.“ Er raufte sich wieder die Haare und ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Mein Gott, Cathy! Das da vor dir ist ein VAMPIR!!! Langsam drehte ich noch durch, ich konnte mich ja ins seiner Nähe kaum noch zusammen reißen. Andererseits war ich doch seine Gefährtin, oder? Waren solche Gedanken dann nicht völlig normal!? Ich würde ihn wohl oder übel fragen müssen, wie das so ist... mit dem Gefährten-dings-bums. Ich schlenderte zum Bad und klemmte mir einen Haufen von Unterwäsche und Kleidern, sowie ein paar eher praktische Sachen unter den Arm.

 

Der Koffer war, wie versprochen, im Schrank und knall pink. Ich hasste grelle Farben, besonders pink, aber er war geräumig und man würde ihn in der Masse wenigstens nicht verlieren können. Die Sachen passten gerade so alle rein und ich wunderte mich, woher der Knackarsch meine ganzen Größen kannte. Ich zweifelte daran, dass es nur gutes Augenmaß war, immerhin hätte er dann selbst meine Körbchengröße richtig bestimmt! Und in dem Kleid, das ich an dem Abend trug, sahen meine Brüste noch größer aus, als sie sonst schon waren. Ich weiß, viele Frauen lassen sich extra solche Möpse machen, aber ich kann nur davon abraten! Denn es bedeutete arsch Rückenschmerzen und sah ziemlich scheiße aus im Vergleich zum Rest des Körpers. Wer will schon, dass einem die ganzen Männer auf die Brüste starren, wenn man gerade ein ERNSTES Gespräch führen will? Man wird ja gar nicht für voll genommen!

 

Aber mal wieder zurück zum Thema: Woher wusste er das? War auch egal, Hauptsache ich hatte was zum Anziehen, sagte ich mir nach ner Zeit des Grübelns. Es klopfte leicht und die Tür ging auf, ohne dass ich geantwortet hätte. Knackarsch stand in der Tür, so wie ich ihn seit meiner Ankunft oft gesehen hatte, und streckte die Hand nach meinem Koffer aus. Ich hievte den Koffer vom Bett und trug ihn trotzig selbst, doch im Wohnzimmer fiel mir auf, dass ich gar nicht wusste wohin. Also blieb ich verlegen stehen und sah zu Damien. Er lächelte spöttisch, verkniff sich aber ein Kommentar, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Ich war ziemlich stolz und konnte es nicht leiden, wenn ein Mann dachte, mir alles abnehmen zu müssen. Er nahm mir den Koffer aus der Hand und führte mich zu einem Mercedes GL 500, dessen weißer Lack ihn noch edler wirken ließ. Er war groß und geräumig, doch ein wirklich teures Auto, was ich neidisch erkannte. Ich mochte Autos, ich verstand einiges davon und doch hatte ich nie ein eigenes gehabt.

 

„Steig ein“, sagte Damien und hielt mir die Beifahrertür auf. Mmh, wenn ich den Hundeblick aufsetzte, könnte ich ja vielleicht selber fahren... “Duuuu...“, fing ich an, wurde aber durch ein Kopfschütteln unterbrochen. „Selbst wenn du einen Striptease für mich hinlegen würdest, ich lasse dich garantiert nicht Autofahren! Bei deinem Glück landen wir noch beide im Straßengraben“, antwortete er kalt und schob mich ungeduldig in den Wagen. Ein Schauer rann mir den Rücken runter, als er seine Hand auf meine Schulter legte, um mich in den Sitz zu drücken. Mein Körper war ein übler Verräter, stellte ich verärgert fest. Knackarschs Mund zuckte leicht nach oben und formte sich zu etwas wie einem Lächeln, was meinen Atem stocken ließ. Verdammt, er war so heiß!!! Am liebsten würde ich durch seinen braunen Haar fahren und seine vollen Lippen küssen, mit meiner Zunge über seine Haut fahren und ihn überall auf meiner spüren. Ich seufzte und kaute auf meiner Unterlippe, um mich abzulenken, sonst würde ich ihn noch anfallen. Er ging um das Auto herum und setzte sich neben mich. Augenblicklich spürte ich seine Anwesentheit und ich verschränkte zur Sicherheit noch meine Arme.

 

„Wie lange dauert die Fahrt?“, fragte ich und meine Stimme bebte vor Sehnsucht, was mich innerlich fluchen ließ. „10 Stunden“, antwortete er nur und ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe. Scheiße! 10 Stunden mit diesem Sexgott in einem Raum, würde ich nicht überleben. Ein hüsteln erinnerte mich daran, dass er noch immer meine Gedanken lesen konnte. Meine Wangen röteten sich sofort und ich schluckte laut. War ja klar, ich war so etwas wie ein Magnet für Peinlichkeiten. Vor zwei Jahren war ich mit meiner Klasse im Freibad gewesen und hatte im Bikini am Beckenrand gestanden, um mich innerlich auf einen Sprung ins kalte Wasser vorzubereiten. Ein Junge, der mir bis heute absolut verhasst war, kam von hinten und löste so schnell die Schleife in meinem Nacken, dass ich gar nicht reagieren konnte und ihm nur verdutzt hinterher sah. Großes Gelächter ging durch die Menge, erst dann bemerkte ich, dass ich halbnackt vor allen stand. Mit Wangen so rot wie Tomaten hielt ich mir verzweifelt die Hände vor meine Brüste. Ich rannte so schnell, wie ich noch nie gerannt war, in die Kabinen und stellte dabei wohl einen neuen Rekord in Sachen Umziehen auf. Ich war natürlich der Lacher der ganzen Schule in den folgenden Wochen und Monaten. Irgendwann konnte ich es ignorieren, aber einfach war´s nicht.

 

Ein Knurren vom Fahrersitz riss mich aus meinen Gedanken. „Was ist?“, fragte ich verwirrt. „Ich bringe sie um!“ Mit zu Schlitzen verengten Augen, sah er stur geradeaus. „Was? Wen?“ Jetzt wurde ich ja doch neugierig und erfreute mich an der willkommenen Ablenkung. „Der Junge... der das gemacht hat. Er hat dich nackt gesehen“, antwortete er nur. Ich hob die Augenbrauen und schüttelte verwirrt den Kopf. „Und willst du jetzt jeden Typen umbringen, mit dem ich gevögelt oder rumgemacht habe?“, fragte ich sarkastisch. „Nein, du bist ja zum Glück noch Jungfrau. Das erleichtert die Sache ungemein“, sagte er ruhiger, sogar ein bisschen sanft. Verärgert runzelte ich die Stirn „Was macht dich da so sicher?“ Ich war sauer, so was von sauer! Ich wollte nicht als jemand mit wenig Erfahrung angesehen werden, und ich würde es um keinen Preis freiwillig zugeben. „Gedanken lesen, weißt du noch? Aber ich kann es auch an deinem Geruch erkennen, er ist rein und unschuldig. Der Geruch ist der Spiegel der Seele...“, sagte er liebevoll und strich sanft über meinen Handrücken, den ich verkrampft gegen meinen Oberschenkel gestemmt hatte. Ich entspannte mich sofort und bereute es. Denn jetzt war mein Verlangen so groß, dass ich verzweifelt aufstöhnte und auf meiner Unterlippe kaute. Ich wusste, dass er jetzt breit grinste, auch wenn ich ihn nicht sah. Er verschränkte unsere Hände miteinander und strich weiterhin beruhigend meine. Ich lehnte mich weiter nach hinten und schloss meine Augen. Ich wusste, ich sollte mich mit Händen und Füßen gegen seine Berührung wehren, aber ich tat es nicht. Es fühlte sich gut an und ich war zu schwach, um dagegen anzukämpfen. Außerdem wusste ich nicht mal, ob ich das überhaupt wollte.

 

Irgendwann war ich wohl eingeschlafen, denn das Zuschlagen einer Autotür ließ mich aufschrecken. Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen und schaute ein bisschen verwirrt in das Gesicht vom Knackarsch. Dieser schmunzelte nur und zog mich auf seine Arme. Ich quiekte erschrocken auf und klammerte mich an seinen Hals, was ihm ein leises Lachen entlockte. „Keine Sorge, ich werde dich schon nicht fallen lassen!“, sagte er nur und lief mit mir in ein beeindruckendes Hotel, wo er mich an der Rezeption abstellte. „Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“, fragte eine gespielt freundliche Brünette, die Damien schamlos verlangende Blicke zuwarf. „Ich habe eine Suite auf den Namen Pierce gebucht.“ Seine Stimme klang sexy, was mir gar nicht gefiel, wie ich verärgert feststellte. Mein Gott, Cathy! Er ist ein ungebundener arroganter Arsch von Vampir, was denkst du denn? Dass er dir seine Liebe schwört und dir treuselig hinterherdackelt? Er wird jede Frau im Umkreis von 100 Meilen flachlegen, ohne mit der Wimper zu zucken, versuchte ich mir klar zu machen. Trotz allem versetzte es mir einen Stich in der Brust, ihn mit der Rezeptionistin flirten zu sehen. Innerlich tadelte ich mich selbst für so eine Albernheit. Ich verhielt mich, wie eine eifersüchtige Ehefrau, die ich eindeutig nicht war! Schließlich mochte ich ihn ja noch nicht mal...

 

Ein Page kümmerte sich um unsere Koffer und begleitete uns zu unserer Suit, die sich im 23 Stock befand, wie ich geschockt erkannte. Ich hatte heftige Höhenangst, wenn das Zimmer jetzt auch noch so ein Luxusding war, wo man eine gläserne Fensterfront hatte, würde ich in Panik ausbrechen. Verdammt, vielleicht könnte ich ja einfach einen Schimmel-Befall vortäuschen, um ein anders Zimmer zu bekommen? Der Aufzug glitt wieder auf und wir betraten ein großes Wohnzimmer, welches direkten Zugang zur Küche hatte. Juhu, eine offene Küche! Ich liebte so etwas, konnte sie mir aber natürlich nicht leisten. Damien reichte dem Pagen spendabel 500$ und zeigte mir anschließend das Schlafzimmer. Ein beiges Doppelbett lud zum Schlafen ein und ich konnte nicht anders, als meine Schuhe auszuziehen und wie ein Kind darauf herumzuhüpfen. Ich lachte und berührte zum Spaß immer wieder die Decke. Mit einem kurzen Schrei sprang ich in Damiens Arme, wobei ich hoffte, ihn zu Boden zu stürzen. Klappte natürlich nicht... Hätte ich mir ja eigentlich denken können, oder? Stattdessen fing er mich auf und hielt mich wie ein Baby in seinen Armen, die eine Hand unter meinen Kniekehlen, die Andere stützte meinen Nacken. Er sah mich belustigt an und setzte mich aufs Bett.

 

„Hätte ich gewusst, dass du eine Leidenschaft für fremde Betten hast, wäre ich schon früher mit dir in ein Hotel gegangen.“ Sein dreckiges Lächeln verlieh dem recht unschuldig wirkenden Satz die nötige Arroganz, sodass ich mir schnell ein Kissen schnappte und ihn damit schlug. Gespielt ängstlich rannte er vor mir weg, als ich ihn lachend durch die Wohnung jagte. Ab und zu ließ er mich soweit heran, dass ich schon siegesgewiss war, entkam mir dann aber doch wieder. Erschöpft ließ ich mich auf den Boden im Esszimmer nieder, wo er als letztes hin geflüchtet war. Mein Atem ging schnell und mein Herz raste. Er kam (so fit wie immer) zu mir und setzte sich lächelnd mir gegenüber. Im Schneidersitz betrachtete ich ihn. Seine braunen Haare standen verwuschelt nach oben und seine markanten Züge spiegelten eine unbändige Lebensfreude wieder. Augenblicklich lächelte ich verträumt und mein Blick glitt weiter. Seine Brust war immer noch hinter dem schwarzen Stoff des Shirts von heute morgen verdeckt und hob sich in regelmäßigen Abständen. Auch wenn es mir zuwider war, es zuzugeben, aber er war einfach heiß! Er könnte auch einen Müllsack tragen und würde noch von allen Frauen angesehen werden. Andererseits würde ich auch einem Typen im Müllsack hinterher sehen...

 

Er sah mich nur an und schwieg. Er wusste so oder so, was ich dachte. Ich sah in seine Augen und versank in dem tiefen Blau. Ich runzelte die Stirn, waren sie vorher nicht dunkelgrau gewesen? Da er meine Gedanken las, antwortete er. „Bei Vampiren wechselt die Augenfarbe je nach Stimmung“. Ich nickte nur und nahm mir vor, in Zukunft darauf zu achten. Er hob eine Hand und strich mit ihr über meine Wange, welche prompt rot wurde. Er lachte dunkel und strich mir noch eine Strähne aus dem Gesicht, bevor er sich wieder zurückzog. „Du bist wunderschön, Catherine“, flüsterte er und ich lächelte darauf nur verlegen und murmelte ein leise "Danke", was ihn wieder kichern ließ. Ich schmollte und schob meine Unterlippe vor. Ich mochte es nicht, wenn man über mich lachte. Normalerweise sagte ich demjenigen einfach die Meinung, doch selbst wenn ich wollte, von dem Herumgerenne war ich immer noch außer Atem. Ich musste sagen, in dem Punkt hatten es Vampire echt gut. „Sei nicht beleidigt, es sieht nur so süß aus, wenn du rot wirst“, sagte er und strich zum Beweis wieder über meine Wange, die sich verräterisch dunkel färbte. Jetzt lachte auch ich, zwar schüchtern, aber ich beließ es einfach dabei. Mein Körper wusste halt was er wollte...

 

Was mich zu der Frage von heute Morgen zurück brachte. „Wie ist das eigentlich mit dieser Gefährten-Geschichte?“, fragte ich zögerlich nach. Er runzelte kurz die Stirn, setzte dann aber sein Pokerface auf. „Was genau willst du denn wissen?“, fragte er nur. Ich schaute verlegen auf den Boden. Wie sollte ich das jetzt fragen, ohne total notgeil rüber zu kommen? „Ähm... Ich meine, was genau erwartest du von mir, als Gefährtin?“, setzte ich nach. „Ich erwarte nichts von dir“, sagte er ehrlich. Seine Worte taten irgendwie weh und ich musste mich zusammenreißen, um die Tränen nicht rollen zu lassen. Schon komisch, da redet man sich die ganze Zeit ein, dass man nicht in diesen Typen verliebt ist und trotzdem verletzte es mich zu hören, dass er nichts von mir will. Ich wollte mich erheben und in mein Zimmer gehen, einfach so tun, als wäre nichts gewesen und mich schlafen legen. Ich war bereits vor der Tür, als Damien mich am Handgelenk festhielt. Verwirrt blieb ich stehen und drehte mich zu ihm um.

 

„Was ist?“, fragte ich und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Er umfasste mein Gesicht mit seinen Händen und zwang mich, ihn anzusehen. Seine Augen waren jetzt grün und ich erschauderte leicht unter seiner Berührung. „Ich erwarte nichts von dir“, sagte er wieder und stieß das Messer damit noch tiefer in die Wunde. Ich konnte die Tränen nicht mehr stoppen und schluchzte leise. Es tat so weh, dass ich dachte, ich würde vor Schmerz sterben. Verzweifelt versuchte ich, mich von ihm zu lösen, doch er hielt mich einfach weiter. Es war so peinlich und plötzlich fühlte ich mich entblößt, denn jetzt wusste er wahrscheinlich, dass ich was für ihn empfand. So peinlich, so dumm, so schmerzhaft. „Aber ich wünsche mir so viel... Ich wünsche mir, dass du mich liebst, dass ich dich küssen darf. Dass du für immer MEIN bist. Aber ich erwarte nichts davon. Ich möchte dich zu nichts zwingen, was du nicht willst. Du bist meine Gefährtin, mein Leben. Ich will, dass du glücklich bist“, sagte er sanft und strich mir mit den Fingerspitzen über die Schläfe, hin zu meinem Kiefer. Meinte er das ernst?

 

Ich sah durch den Tränenschleier nicht viel, aber ich sah, dass er eine Antwort von mir wollte. Ich strich mir die Tränen aus den Augen und löste seine Hände bestimmt von meinem Gesicht. Enttäuschung und Schmerz funkelten kurz in seine Augen, doch dann lächelte er nur hart und nickte. „Verstehe“. Ich nahm seine Hände wieder in meine und hob sie zu meinem Mund. Sanft verteilte ich Küsse auf seine Fingerknöchel, die vor Anspannung schon weiß hervortraten. Ich lächelte still und sah ihn wieder an. Seine Mimik war immer noch steinern und verrieten fast keine Emotion. Ich kicherte leise über seine mühsam versteckte Unsicherheit. Es passte überhaupt nicht zu ihm, so unsicher zu sein und auch wenn er es gut versteckte, erkannte ich es. Ich legte eine Hand in seinen Nacken und zog ihn vorsichtig zu mir herunter, während ich stur in seine Augen sah, die immer wieder ihre Farbe zu wechseln schienen. Ich streckte mich ihm entgegen und stöhnte leise, als sich unsere Lippen zum ersten mal trafen. Sie waren weich und passten sich meinen an. Mit der Zunge fuhr ich über seine Unterlippe, die sich bereitwillig öffnete, sodass ich mit seiner zusammentraf. Er legte eine Hand an meine Hüfte, die Andere höher an meinen Rücken, um mich näher zu sich zu ziehen. Ich seufzte glücklich und trennte mich von ihm.

 

„Ich liebe dich“, flüsterte er verführerisch in mein Ohr und knabberte dabei an meinem Ohrläppchen. Meinen Kopf lehnte ich an seine Brust und atmete seinen berauschenden Duft ein. Er war schwer und süß, umnebelte meine Gedanken und machte mich süchtig. „Ich liebe dich auch“, antwortete ich wahrheitsgemäß und legte meine Lippen wieder auf seine. Er lächelte in den Kuss hinein und strich über meine Haare. Unser Kuss war erst sanft, verspielt, vorsichtig. Doch er wurde verlangender und ich ließ meine Hand sehnsüchtig über seine Brust wandern. Er stöhnte leise, was meinen Unterleib zusammenziehen ließ. Ich biss mir auf meine Unterlippe und zögerte kurz. Doch dann fuhr ich bestimmt unter sein T-Shirt und streichelte die Haut über den steinernen Muskeln. Ich fühlte, wie er sich unter meiner Berührung anspannte und mich noch drängender küsste. Während ich ihn weiterhin erforschte, ließ er seine Hände auf meiner Hüfte liegen, was mich verunsicherte. Damien merkte, dass ich nicht mehr bei der Sache war und löste sich von mir. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ich unsicher und spürte schon wieder die Hitze in meinen Wangen. Er lächelte „Mir ging es noch nie besser“, seufzte er kurz und streifte mit den Lippen meine. „Aber?“, fragte ich ungeduldig weiter. Er stöhnte.

 

„Ich bin ein Vampir, Cathy. Beim Sex beißen wir unsere Liebhaber und tauschen Blut aus. Bei uns würde das aber die Gefährtenschaft bestätigen“, antwortete er zögernd und schlang dabei die Arme um mich, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Ich verstand nicht, war ich jetzt doch nicht seine Gefährtin? „Was meinst du damit?“, fragte ich leise, hatte ziemliche Angst davor, dass all das nur eine Lüge gewesen war. Mein Herz schlug immer noch schneller als normal. „Wenn wir unser Blut tauschen, wird unsere Bindung bestätigt. Danach kannst du meine Gedanken lesen, wie ich deine. Wir werden nicht nur Schmerzen haben, wenn wir nicht zusammen sind. Es wird sich so anfühlen, als würden wir sterben. Und sollte einer von uns wirklich... tot sein, dann wird der Andere auch sterben“, hauchte er und ich hörte seine Angst heraus. Ich hob verblüfft die Augenbrauen und war erst einmal geschockt. Ziemlich heftig, diese Sache mit der Gefährtenschaft, dachte ich. Ich liebte ihn, das wurde mir bewusst, auch wenn mein Stolz jetzt geknickt ist, hatte ich mir ja eigentlich vorgenommen, ihm nicht zu verfallen. Aber es fühlte sich so... richtig an. Komplett. Wenn er bei mir war, war alles andere egal. Auch die Tatsache, dass wir für immer an einander gebunden waren, empfand ich als nichtig. Ohne ihn, war ich sowieso nur zur Hälfte da. Ich weiß nicht, wieso ich plötzlich so dachte, es war eigenartig und fremd. Damien lachte kurz auf.

 

„Das kommt, weil du es akzeptiert hast. Die Gefährtin spricht aus dir“, antwortete er und ich spürte, dass er glücklich war. Ich hob meinen Kopf und küsste seinen Hals, sein Kinn (an mehr kam ich auch nicht ran) und, nachdem ich mich aus seinem Griff befreit hatte, auch seinen Mund. Er spielte mit meiner Zunge und mein Unterleib zog sich wieder zusammen, was mir ein Stöhnen entlockte. „Ich will es“, flüsterte ich an seinen Lippen. Er schüttelte nur den Kopf. „Nein, nicht du willst es, die Gefährtin will es“, berichtigte er und schob mich sanft von sich. Ich wollte protestieren, doch er hielt mir mit dem Finger den Mund zu. „Nicht heute. Du solltest es dir gut überlegen“, sagte er etwas strenger. Mir kam der Gedanke, dass er es nicht wollen könnte und augenblicklich spürte ich wieder ein Gefühl der Zurückweisung. Ich drehte mich verlegen weg. Wie konnte ich nur denken, er wolle mich für immer bei sich haben? Ich war nur ein Spiel auf Zeit für ihn. 1500 Jahre lebte er bereits und er hatte sicherlich schon die halbe Welt durchgevögelt, dachte ich traurig. Für ihn war ich wahrscheinlich nicht mal attraktiv im Vergleich zu seinen anderen.

 

Ich schnaubte und ging wortlos ins Schlafzimmer, wo ich mich bis auf die Unterwäsche auszog und unter die Bettdecke kroch. Ein paar Tränen liefen mir übers Gesicht , doch ich machte mir nicht die Mühe, sie wegzuwischen. Ich hörte Schritte zu meinem Bett und auch, wie die Decke hochging. Ich schnaubte wieder. Diesmal fassungslos. Dachte er wirklich, ich würde jetzt mit ihm in einem Bett schlafen? Als sich ein Arm um meine Taille legte und meine nackte Haut berührte, zischte ich und drehte mich wütend zu ihm um. Den Arm hatte ich dabei sorgsam auf seine Seite verfrachtet. Ich verzog meine Augen zu Schlitzen. „Was willst du hier?“, fragte ich aufgebracht. Er runzelte die Stirn und wischte mir über meine nasse Wangen. „Ich will, dass du für immer MEIN bist“, fing er an und stockte kurz. „Aber ich will auch, dass du glücklich wirst. Und ich bin mir nicht sicher, ob du dir darüber in klarem bist, was Ewigkeit bedeutet. Ich bin ein Vampir und du...“ Er beendete seinen Satz nicht, spielte nur gedankenverloren mit einer meiner Haarsträhnen. Aber er brauchte es nicht zu beenden, denn ich verstand auch so. Wenn ich für immer mit ihm zusammen sein wollte, dann müsste ich auch ein Vampir werden. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, denn ich wusste so wenig über das Vampir-Dasein.

 

„Erzähl mir davon“, bat ich und verschränkte meine Hand mit seiner. „Tja, wo soll ich anfangen?“ Er überlegte. „Fang damit an, wie du zu einem Vampir geworden bist“, schlug ich vor und konnte mich nicht davon abhalten, ihm mit den Fingerspitzen über die Wange zu streichen. Er verzog kurz den Mund, antwortete aber. „Ich bin eines Nachts von der Arbeit auf dem Feld nach Hause gelaufen. Mein Vater war bereits seit einiger Zeit sehr krank und konnte mir deshalb nicht dabei helfen. Um so länger musste ich arbeiten, um alles zu schaffen. Jedenfalls, lief ich nach Hause, es war bereits dunkel und ich konnte nicht mehr viel sehen. Ein Mann griff mich an und ich dachte, er wolle mich überfallen. Ich sagte ihm, dass ich kein Geld bei mir habe, aber er ließ nicht von mir ab. Bevor ich wusste, was geschah, biss er mich und saugte mich fast vollkommen aus. Danach gab er mir sein Blut und...“ Er verstummte, sah verlegen zur Seite. Ich schenkte ihm ein Lächeln, wollte, dass er weiter erzählt.

 

„Er schlief mit mir, damit die Verwandlung vollendet wurde. Es ist eine besondere Verbindung zwischen Schöpfer und Abkömmling. Man würde alles für ihn tun, er hat die komplette Macht über dich, denn sein Blut ist in deinem Körper.“ Er zuckte kurz mit den Schultern und sah verträumt hinter mich auf die Wand. „Was ist dann passiert?“, fragte ich drängender. Er runzelte die Stirn und sah mich an. „Ich erwachte und Dubmin erklärte mir alles. Wir gingen zusammen jagen und reisten gemeinsam weiter. Auf der Durchreise begegneten wir einem Menschenmädchen und mein Schöpfer verwandelte sie für mich. Er dachte, er würde mir damit einen Gefallen tun, indem er ihr befahl, mir eine Frau zu sein. Dubmin starb einige Zeit später, er wurde von Menschen verbrannt. Danach reiste ich mit Camillé weiter. Sie wurde mir lästig, also trennte ich mich von ihr, doch sie folgt bis heute dem Befehl ihres Schöpfers, was ziemlich anstrengend ist, wenn ich sie treffe“.

 

Ich wusste, dass ich diese Camillé jetzt schon nicht mochte, einfach, weil sie MEINEN Knackarsch angefasst hatte. Okay, das hörte sich jetzt irgendwie anders an, als beabsichtigt war, aber ihr wisst, was ich meinte, oder? Jedenfalls war ich schon ein bisschen eifersüchtig auf sie, wenn man bedachte, dass sie etwas mit ihm geteilt hat, was ich nicht tat... „Siehst du sie häufig?“, fragte ich und versuchte desinteressiert zu wirken, was mir kläglich missglückte. Auch er hörte die Eifersucht in meiner Stimme und lachte in mein Ohr. „Du bist die Einzige für mich, Catherine. Und nein, ich sehe sie nicht häufig. Aber es wird wohl unumgänglich sein, sie hier zu sehen. Sie arbeitet im Rat“, hauchte er gegen meine Haut und bescherte mir damit eine Gänsehaut. Sein warmer Atem strich über meinen Hals und ich seufzte leise. Er küsste meine Kehle, leckte über meine Halsschlagader, spielte mit seiner Zunge an meinem Ohrläppchen. Ich genoss es und verfluchte gleichzeitig, dass ich mich ihm nicht ganz hingeben konnte. Er drehte mich auf den Rücken, sodass er über mir lag und glitt zu meinen Lippen. Wir küssten uns, erst ganz sachte, dann verlangender. Er schmeckte nach Schokolade und Kirschen. Ich zeichnete mit meiner Zunge seinen Mund nach und spielte mit seiner. Wir ließen sie immer heftiger kämpfen und ich stöhnte laut in den Kuss. Ich spürte das Ziehen in meinem Unterleib und konnte nicht anders, als mich an ihm zu reiben. Ich spürte seine Härte durch meinen Slip und stöhnte wieder. Er zog scharf die Luft ein und küsste sich an meinem Hals runter zu meinem Schlüsselbein, welches er mit der Nase nachfuhr und glitt dann runter zum Bauchnabel. Ich krallte meine Hände in sein Haar und drückte ihn leicht gegen meinen Bauch. Ich schloss die Augen und biss mir auf die Unterlippe. Ich zog ihn zu mir hoch und küsste ihn mit der ganzen Leidenschaft, die sich in mir aufstaute.

 

„Bitte“, jammerte ich und küsste ihn wieder. „Bitte, ich möchte, dass du mir gehörst“, flüsterte ich an seine Lippen. Ich wollte ihn besitzen, ihn spüren und mich mit ihm verlieren. Er stöhnte, als ich mich fester an ihm rieb und meine Beine um seine Hüfte schlang. Seine Erektion drückte sich heftig gegen mich und ich unterdrückte ein erneutes Aufstöhnen. Ich sah ihm in die Augen und sah, dass ihre Farbe zwischen dunkelrot und schwarz schwankte. Ich küsste ihn, diesmal langsam, nicht so stürmisch. Nur zaghaft berührten sich unsere Lippen. Ich rieb mich nicht mehr an ihm, sondern blieb ganz still. Lag einfach nur dar. Ich wollte, dass es seine Entscheidung ist und ich verstand ihn jetzt. Ich wollte ihn zu nichts drängen, auch wenn ich es mehr wollte, als alles andere. Er erwiderte meinen Kuss und jagte mir einen Schauer über den Rücken. „Nicht heute“, sagte er leise und löste meine Beine bestimmt von seiner Hüfte. Ich nickte schnaufend und schwieg. Es fiel mir schwer, ihn nicht anzufallen, aber ich wusste, dass er dachte, es wäre zu früh. Und er hatte irgendwie recht: Wir waren heute erst zusammen gekommen! Ich hatte mich all die Jahre für den Richtigen aufgespart und ich war mir sicher, das Damien der Richtige war. Aber ich wollte es genießen. Wollte, dass mein erstes mal zärtlich war und sanft. Innerlich dankte ich ihm dafür, auch wenn mein Körper das gerade anders sah.

 

Ich seufzte und kuschelte mich an seine Brust. Er streichelte über meine Haare und legte seine Stirn an meine. 'Schläfst du überhaupt?' ,fragte ich ihn im Gedanken. Es war das erste mal, dass ich mich in dieser Art mit ihm unterhielt, aber ich wollte die Stille nicht durchbrechen, jedenfalls nicht mit MEINER Stimme. „Ja, tue ich. Das meiste ist nur Mythos, den wir selbst verbreitet haben, um nicht gefunden zu werden“, flüsterte er. Ich kuschelte mich noch enger an, wenn das überhaupt ging und schlang meine Arme um seinen Nacken. Ich küsste ihn kurz, kraulte ihn, strich durch seine Haare. Ich war süchtig nach diesem Mann, und das machte mir Angst, auch wenn es sich so richtig anfühlte. 'Sterbt ihr, wenn man einen Pflock in euer Herz rammt?', fragte ich etwas vorsichtiger, immerhin wusste ich ja nicht, wie Vampire darauf reagierten, wenn man sie so etwas fragte. Er schüttelte nur den Kopf. „Nein. Man kann uns nur verbrennen oder köpfen“, sagte er flüsternd. „Und jetzt hör auf, solche Fragen zu stellen, du solltest schlafen, meine Süße.“ Damit küsste er meine Nasenspitze und zog mich fester an seine Brust. Wie sollte ich denn bitte schön schlafen, wenn der heißeste Knackarsch, den ich je gesehen hatte, neben mir schlummerte? Ich schloss meine Augen und schlief trotz meiner Bedenken wenige Minuten später ein.

9. Kapitel

Am Morgen wurde ich von einem schnarchenden Damien geweckt, der im Schlaf eine Hand in mein Gesicht geschlagen hatte. Au (!), sag ich da nur. So aus den Träumen gerissen zu werden, war nicht sehr schön und vor allem schmerzhaft. Könnt ihr euch vorstellen, wie schwer es war, die Hand von einem Vampir zu bewegen? Nein? Ich bis dahin auch nicht! Da er keine Anstalten machte, den Widerstand zu verringern und ich ihn ja nicht weg kriegte... nutzte ich die Chance und weckte ihn. Auf meine Weise natürlich! Ich schielte unter seinen Fingern hindurch, versicherte mich, dass er tatsächlich schlief und robbte (Unter heftiger Last mehrmals zusammenbrechend) in die Nähe seines Ohrs. „Guten Morgen, mein Schatz“, flüsterte ich so leise wie ich konnte. Schließlich wollte ich ihm ja eine faire Chance lassen (wie sozial ich doch war, oder?)! „OH JA!SIMON, GIBTS MIR!“, schrie ich aus leibes Kräften und stöhnte gespielt erregt in sein Ohr. Oh, ich war schon gemein, aber man muss seine Karten doch ausspielen, oder?

 

Ich hatte gestern den Blick von Damien aufgefangen, als Simon mir einen Handkuss verabreichte und hatte ja schon damit geliebäugelt, ihn eifersüchtig zu machen. Seine Augen schossen auf, ein Knurren entwich ihm und bevor ich es registrierte, war er aus dem Bett gesprungen, in Kampfstellung gegangen und bleckte die Zähne. Man er war echt heiß, selbst wenn er gerade aufgestanden war, konnte ich kaum die Augen von ihm abwenden. Ich lachte als ich seinen Gesichtsausdruck sah, als er merkte, dass ich allein im Bett war. „Haha, sehr lustig“, knurrte er beleidigt. Ich kicherte nur noch lauter. „Du hast es verdient, immerhin wurde ich mehr oder weniger von dir entführt.“ Grinsend kletterte ich zu ihm aus dem Bett und umarmte ihn. „Ach, hab dich nicht so. War ja nur ein Scherz“, murmelte ich gegen seine nackte Brust und küsste seinen nackten Hals, da das alles war, was ich im Moment erreichen konnte. Er brummte nur leise und zog mich tiefer in die Umarmung. Ich löste mich vorsichtig von ihm und sah sein verletztes Gesicht. Innerlich tadelte ich mich schon selber dafür, dass ich diese Aktion gestartet hatte. Ich seufzte und strich mit meinen Fingern über seine Schultern.

 

„Tut mir leid“, nuschelte ich ehrlich. Er nickte nur knapp und löste sich ganz von mir. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und beobachtete ihn kritisch. War es nur wegen diesem Streich? Man der ist aber nachtragend! Ich werde wohl demnächst besonders vorsichtig sein müssen, wenn es um andere Männer ging, dachte ich kopfschüttelnd. Ich folgte ihm ins 'Wohnzimmer' der Suite und pflanzte mich in einen der schwarzen Sessel. Da bemerkte ich, dass ich immer noch nur meine Unterwäsche trug und flitze, rot vor Scham, ins Zimmer, um mich umzuziehen. Ich zog mir ein romantisches weißes Seidenkleid an, das eine niedlich Schleife unter der Brust trug. Ich lächelte leicht, wie schön es doch war. Wie schön das alles hier war. Wie ein Märchen, dachte ich. Ich liebte Damien, das überraschte mich selber. Irgendwie habe ich nie wirklich daran geglaubt, jemanden richtig zu lieben. Damit meinte ich diese Ich-würde-mein-Leben-für-dich-geben Liebe.Auch wenn ich über den Verlauf meiner Entführung erstaunt war, es fühlte sich richtig an, bei ihm zu sein.

 

Ich schnupperte verwirrt und roch Speck mit Eiern. JA, Frühstück!!! Ich rannte in die Küche und seufzte begeistert. Mein Magen knurrte laut und ich kicherte über meine Ungeduld. Damien stand am Herd und ignorierte mich gekonnt. Auch wenn ich seine Wut nicht ganz verstand, beschloss ich, ihm einfach seine Zeit zu lassen. Er platzierte das Essen auf einem Teller und stellte ihn vor mir hin. „Danke“, sagte ich freundlich und schaufelte das Essen in mich hinein. Ein dröhnendes Lachen holte mich zurück in die Realität. Sofort spürte ich die Hitze in meinen Wangen. Da hatte ich glatt meine nicht vorhandenen Manieren vergessen! „Sorry“, murmelte ich mit vollem Mund und schluckte laut, bevor ich mich gerade hinsetzte und versuchte langsam zu essen. „Es freut mich, dass es dir schmeckt“, erwiderte er nur und ich starrte wie gebannt auf seine nackte Brust. Oh man, reiß dich zusammen Cathy! Das wird noch peinlich werden... Er grinste nur selbstgefällig und beobachtete mich weiterhin.

 

„Isst du denn gar nicht?“, fragte ich verdutzt. Ich meine, klar ich hatte seinem leeren Kühlschrank entnommen, dass er wohl nicht der große Esser war, aber wer weiß? „Nein, ich trinke nur Blut. Wir können zwar essen, aber es bringt uns nichts und schmecken tut's auch nicht“, antwortete er. Ich nickte nur und fragte mich augenblicklich, wie es wohl Dave ging. War Juan wirklich geflogen? Wo hatte er den Kleinen abgesetzt? Ich hatte die Tage kaum an ihn gedacht und fühlte mich sofort schuldig. Hoffentlich machte er sich keine Sorgen! „Darf ich telefonieren?“, fragte ich drängend. Immerhin war dies ja jetzt keine Entführung mehr, oder? Er nickte wissend und führte mich zum Telefon im Flur. „Danke, ich weiß das zu schätzen“, sagte ich und drückte kurz seine Hand, bevor ich die Nummer von Zuhause wählte. Es tutete drei mal, bis schließlich jemand abhob. „Bei den Wilsons“, erklang eine mir nur zu vertraute Stimme. Rose! Ich schnaubte, versuchte aber mich zu beruhigen. „Hey, ich bin's. Cathy. Ist Dave da?“, fragte ich sie ruhig. Ein Schluchzen erklang und ich verzog besorgt die Augenbrauen. „Oh Gott, Cathy bist du's wirklich? Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Wo bist du? Geht es dir gut?“ Ihre Stimme brach ab und zu und ich war überrascht, wie gut sie ihre Rolle als trauriges Miststück spielte. Fast schade, dass ich es besser wusste. „Ja, Rose ich bin's wirklich. Und jetzt hör mit deiner Nummer auf und gib mir Dave, klar?“, schnautzte ich sie an. Ich war immer noch sauer wegen Juan und ich würde ihr ganz bestimmt nicht verzeihen. Nicht, solange er es auch nicht tat. „O- Okay...“, stotterte sie und ein Klicken erklang.

 

Ich hörte Schritte und endlich die Stimme von meinem Kleinen. „Cathy? Cathy, ich vermiss dich so, komm nach Hause“, jammerte er und ich hörte, wie er weinte. Ich schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen. Er war gesund und alles lief gut. „Klar, mein Süßer. Mir geht's gut. Und dir?“, fragte ich. „Mir auch. Rose war die ganze Zeit bei mir und hat mit mir Spiele auf meiner Konsole gespielt“, antwortete er aufgeregt. Ich lachte, typisch Dave. „Ich komme bald nach Hause, okay? Ich bin im Urlaub, weißt du, und ich komme nächste Woche wieder...“, murmelte ich in den Hörer. „Kannst du mir vielleicht Rose geben?“ Ich würde sie fragen müssen, ob sie ihn für eine Weile zu sich nahm. Andererseits hatte ich noch was gut bei ihr und sie konnte ihn ja auch schlecht alleine lassen, solange ich nicht da war. Sie wusste, wenn sie es verbockte, würde sie niemals heil aus der Sache raus kommen.

 

„Na gut... Cathy, Geht es dir wirklich gut?“, wollte sie wissen, nachdem sie eingestimmt hatte. Ich lächelte breit. „Es ging mir nie besser“, sagte ich und es stimmte. Ich kannte Damien nicht lange und ich war noch kürzer mit ihm zusammen, aber er war der Mensch (bzw. Vampir) mit dem ich mein Leben teilen wollte. Es war komisch und ich war immer noch nicht sicher, wie es so schnell passieren konnte, aber ich gehörte an seine Seite. Für immer. War das schon wieder die Gefährtin, die aus mir sprach? Vielleicht, aber sie war nicht weniger ich, als der Rest von mir, oder? Also ja, für immer und ewig, dachte ich und mein Grinsen wurde noch breiter. Am anderen Ende vernahm ich ein leises Seufzen und ohne abzuwarten legte ich auf. Ich drehte mich um und bemerkte, dass Damien an der Wand lehnte, mit dem Gesicht mir zu gewandt. Er lächelte und ich sah die Zuneigung in seinen Augen, was mich erröten ließ. „Du vermisst ihn sehr, nicht wahr?“, fragte er, sichtlich nervös. Ich nickte und kaute auf meiner Unterlippe. „Aber ich würde dich noch mehr vermissen, wenn ich ohne dich wäre“, flüsterte ich schüchtern und sah verlegen auf den Boden. Eine Hand unter meinem Kinn hob mein Gesicht an, sodass er mich ansehen konnte. „Ich liebe dich und das ist nichts, wofür ich mich schämen würde“, sagte er ernst. Unbewusst reckte ich mich zu ihm hoch für einen Kuss. Er lachte kurz und kam mir dann entgegen. Ich schmeckte seine Lippen und verkniff mir ein glückliches Seufzen. Er beendete den Kuss schnell und nahm meine Hand. Der Streich vom Morgen war also noch nicht vergessen. Ich fragte mich, was ihn so verletzte?

 

Ich zuckte nur mit den Schultern und ließ mich von ihm mitziehen. Wir waren wieder in der Küche und ich wurde wie ein böses Kind auf den Stuhl verfrachtet, während der Knackarsch sich irgendein Gebräu zurecht braute. Als er sich zu mir umdrehte, zog ich fragend eine Augenbraue hoch. „Getrocknetes Blut. Es wird mit heißem Wasser aufbereitet und schon kann man es trinken. Praktisch, wenn man gerade keine Zeit zum Jagen hat“, sagte er nur und wendete sich wieder seiner Suppe zu. So hatte ich das Zeug jetzt getauft- Suppe. Denn, wenn man einen Blick darauf riskierte, sah man nur dunkelrotes Wasser mit komischen Sachen, die darin herumschwammen. Ganz ehrlich, ich glaube, ich wollte es gar nicht wissen! Damien hatte sich neben mich gesetzt und auf seinen Schoss gezogen, nachdem er leer getrunken hatte. „Du trinkst von Menschen?“, fragte ich, bemüht um einen sachlichen Tonfall. „Normalerweise schon, aber wenn man seine Gefährtin findet, kann man nur noch von ihr trinken. Alles andere ist ab jetzt Gift für mich. Nur das getrocknete Blut ist mir also geblieben...“, murmelte er. Ich kaute schuldbewusst auf meiner Unterlippe. Wäre ich nicht gewesen, könnte er wie sonst auch durchs Leben ziehen und eine Frau nach der anderen flachlegen, nachdem er sie ausgesaugt hat. Eigentlich tat es mir nicht leid, nur der Gedanke, er könnte einer anderen Frau so nahe kommen, machte mich wütend.

 

„Ooooh wie süß, du bist eifersüchtig.“ Belustigt kicherte er hinter mit. „Stimmt gar nicht“, erwiderte ich wenig überzeugend. Vor allem da er immer noch meine Gedanken lesen konnte. Ich verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust und sah konsequent auf den Tisch. Er lachte und legte mir eine Hand auf die Taille, um mich näher an seine Brust zu ziehen. „Willst du dir nicht mal was anziehen?“, fragte ich verärgert. Er kicherte, entließ mich aber aus seinem Griff. Nach ein paar Minuten war er wieder da und hielt mir einen Autoschlüssel hin. „Hörst du auf einen Schmollmund zu ziehen, wenn du den Wagen fahren darfst?“ Fragend wedelte er mit dem Schlüssel. „Nur weil ich jetzt das Auto fahre, heißt das noch lange nicht, dass ich dir verzeihe, verstanden?!“, zischte ich streng, bevor ich schnell das Ding aus seiner Hand schnappte. „Ja klar, du bist immer noch stinkwütend, meine Wildkatze“, lachte er leise. Ich erreichte die Haustür als erste und stolperte somit direkt in die Arme eines nichtsahnenden Pagen. „Oh t-tut mir l-leid“, stotterte er verlegen und sah beschämt zur Seite. Ich winkte nur ab und ging zum Aufzug, wobei ich das ärgerliche Knurren von Damien hörte. Ich verdrehte die Augen und musste wieder an heute Morgen denken. Man oh man, ist das normal bei Gefährten? Oder vielleicht habe ich auch einfach nur das große Los gezogen, wer wusste das schon...

 

Die Türen glitten auf und mit schnellen Schritten trat ich ein. Knackarsch legte mir besitzergreifend den Arm um die Schulter und zeigte dem, immer noch verlegenen, Pagen, dass ich zu ihm gehörte. 'Damien! Hör auf damit, der fängt gleich ja noch an zu hyperventilieren', ermahnte ich ihn belustigt. Irgendwie fand ich es ja süß und musste mich unwillkürlich enger an ihn schmiegen. Er hatte recht: Ich war eine Katze, aber wohl eher eine Schmusekatze, dachte ich verwirrt. Ich hatte keine Abneigungen gegen Berührungen, aber ich war jetzt auch nicht einer dieser ADHS Typen, die um Aufmerksamkeit bettelten. Wir kamen im Parkhaus des Hotels an und schlenderten zu meinem Baby. Ich seufzte verträumt und streichelte zärtlich über den Lack. Damien schüttelte nur entsetzt den Kopf. „Hör mal, wenn ich vor einem Pagen meinen Besitz verteidigen muss, finde ich das noch okay, aber vor einem Auto? Muss ich Angst haben, dass du mir fremd gehst?“, fragte er kichernd. Bei dem Wort 'Besitz' verzog ich die Augenbrauen, beließ es aber dabei. Kommentarlos stieg ich ins Auto und startete den Motor. Knackarsch konnte noch gerade so auf den Sitz springen, bevor ich auch schon zum Ausgang düste. Okay düsen war übertrieben, eigentlich fuhr ich mit Schrittgeschwindigkeit, um das Baby nicht der geringsten Gefahr auszusetzen: Das Tempo erhöhte ich auch nicht auf der Autobahn, sodass mehrere Fahrer ärgerlich hupten oder mir ihren Mittelfinger präsentierten. Auch meinem neuen Liebhaber schien mein Fahrstil nicht zu gefallen, aber er schwieg nur. Mit einem fetten Grinsen schaltete ich das Radio ein, wobei ich wieder feststellen musste, wie schlecht ich in Sachen Technik war. Jetzt denkt ihr bestimmt, was ist so schwer daran, einen Knopf zu drücken, aber zu meiner Verteidigung sollte ich erwähnen, dass dieses Auto eines dieser Hightechsysteme besitzt, wo man alles per Stimme lenkte.

 

Damien schob einfach eine CD rein und stellte die Lautstärke aufs Höchste. Ich wippte im Takt von Stray heart– Green day mit dem Kopf. Knackarsch zuckte nicht mal mit der Wimper, was mich mittlerweile beunruhigte. Er war ja eigentlich nicht so der stille Typ, allerdings kannte ich ihn ja auch noch nicht lange. „Alles okay, bei dir?“, schrie ich fragend über die dröhnende Musik hinweg. Er nickte kurz mit dem Kopf und setzte sogar ein Lächeln auf. Es erreichte seine Augen nicht und entstellte sein Gesicht zu einer grässlichen Maske. „Was ist los?“, fragte ich flüsternd, wohl wissend, dass er mich so oder so verstand. Mit einem einfachen Drücken des Ausschalters, stoppte die Musik und ich konnte Damien lauschen. Abwartend schielte ich ab und zu zu ihm rüber, so oft wie der Straßenverkehr es erlaubte. „Ich mach mir nur Sorgen, was der Rat sagen wird, wenn sie von dir erfahren“, murmelte er. Ich verharrte kurz, nickte dann aber zögerlich. Ich wusste nicht, was er meinte, war aber nicht sicher, ob eine Frage seine Stimmung gerade heben würde. „Wie gesagt, normalerweise sind Gefährten beide übernatürlich und die Gefährtin ist dabei stärker, als ihr männlicher Gegenpart. Du bist jedoch menschlich, was es schwer macht, die Situation einzuordnen. Die meisten Vampire sind arrogant und halten die menschliche Rasse für unterlegen und Abfall, das nur dafür geboren wurde, um uns zu nähren. Ich bin der mächtigste Vampir in Amerika, so was wie ein König und das macht dich zu meiner Königin. Ich weiß nicht, ob die Vampire dies akzeptieren werden“, sagte er und ich hörte eine Spur Unsicherheit heraus, die er angestrengt zu verbergen versucht. Ich streichelte beruhigend über seine Hand und zeichnete kleine Muster auf seine Haut.

 

Da ich eh so langsam wie eine Schnecke fuhr, bestand auch nicht gerade die größte Gefahr von einem Autounfall, jedenfalls nicht, wenn alle anderen Autos sich schön an die Regeln hielten. Damien entspannt sich ein wenig, sah mich aber immer noch nicht an. Ich seufzte und fragte mich langsam, wohin wir eigentlich fuhren, denn außer ein paar Anweisungen, hatte er nichts dazu gesagt. „Wohin...“, wollte ich fragen, doch Damien schnitt mir das Wort ab. „Zu einem Informanten. Wir müssen herausbekommen, wo George sich befindet“, sagte er und sah wieder nach draußen. Ich schnaubte verärgert und erhöhte mein Tempo endlich. Mittlerweile fuhr ich mit 150 Ps zwischen den Lücken der Autos hin und her. Ein grüner Minivan hupte ununterbrochen und rief mir Beleidigungen hinterher. Ich zeigte ihm im Rückspiegel den Mittelfinger, was er mit erneutem Hupen quittierte. Knackarsch beobachtete das Ganze mit Argusaugen und ich war mir sicher, dass er die beiden Typen eigenhändig killen würde, wenn sie mich noch einmal so anmachten. Also senkte ich mein Tempo wieder, was die tollen Kerle hinter mir natürlich auf ihre Schippe nahmen. Sie dachten wahrscheinlich, dass sie diejenigen wären, welche mich vom sündigen Autofahren bekehrt hatten!

 

Ich fuhr von der Autobahn ab und wir fuhren noch eine Weile auf einer Landstraße in Richtung eines kleinen Dorfes. Kurz vor einer Brücke sollte ich links in einen Waldweg abbiegen, der als solcher nicht mal zu erkennen war. Ich hielt an und sah mich um. Wir standen mitten im Wald, gefangen zwischen Bäumen und nervigem Vogelgezwitscher. Damien nahm meine rechte Hand und dirigierte mich zu einer versteckten Blockhütte, die zerrüttet und zerfallen, versteckt hinter einem größeren Felsen lag. Das Dach reichte kaum über meinen Kopf, sodass ich mich bücken musste, um hinein zu gelangen. Drinnen befand sich nur ein Loch im Boden und Reste von längst verdorbenen Lebensmitteln. Ich sah zögernd ins Loch, erkannte jedoch nichts. „Wir müssen darunter klettern. Direkt vor uns ist eine Leiter ins Mauerwerk eingelassen, die du benutzen kannst“, flüsterte er sanft in mein Ohr und eine Gänsehaut zog sich über meinen Rücken. Er kicherte leise und strich wärmend über meine Oberarme. Ich kniete mich hin und tastete nach der ersten Stufe, die ich sofort erfasste. Unsicher setzte ich meinen ersten Fuß darauf und hangelte mich an den gusseisernen Stäben hinunter. Am Boden war ein teuer aussehender Teppich, der mich an den im Haus von Rose erinnerte. Damien sprang einfach neben mich und ich verdrehte die Augen bei so viel Arroganz. Natürlich kann er NICHT wie jeder andere die Leiter nehmen, nein, er springt die zwanzig Meter in das unbekannte Schwarz. Er lächelte nur kurz und ging voran in einen langen Gang, der von LED-Lichtern erhellt wurde.

 

Wir gelangten in ein kleines Vorzimmer und meldeten uns bei der Rezeption an, bevor wir uns auf eine weiße Ledercouch niederließen. Ich schlug meine Beine übereinander und faltete meine Hände zu einem kleinen Dach. Immer wieder stupste ich die Fingerspitzen im Rhythmus von 'Mirrors - Justin Timberlake' gegeneinander und summte im Kopf den Text mit. Damien, der das natürlich hörte, konnte sich ein Seufzen nicht verkneifen. Ich kicherte kurz, wurde aber wieder still, als der Rezeptionist uns bedeutete, in das Zimmer zu gehen. Das Zimmer war eigentlich eine Halle, die eindrucksvoll mit Kunstwerken geschmückt worden war und von mächtigen Kronleuchtern erhellt wurde. Die Wände leuchteten in einem satten Rotton, während der Holzboden bereits abgenutzt aussah. In der Mitte befanden sich einige Statuen, an denen ich ab und zu anhielt, um sie zu bewundern. „Ah, eine Kunstliebhaberin wie es scheint“, säuselte eine hohe Stimme vom anderen Ende zu uns rüber, worauf ich meine Aufmerksamkeit ganz dem jungen Schönling widmete. Er hatte stark blondierte Haare und seine Züge waren eher zierlich, als markant, wie man es von einem Mann eigentlich erwartete. Doch das schadete seinem Aussehen nicht, im Gegenteil: er wirkte interessant und anziehend auf mich. Damien zog mich am Handgelenk hinter ihm her, zu ihm hin. Schönling verbeugte sich tief vor Knackarsch und mir gab er einen ziemlich langen Handkuss. Ich nickte ihm nur freundlich zu, da ich keine Ahnung hatte, was ich sonst machen sollte. Wir folgten ihm in ein Separee , das durch einen roten Vorhang von der Halle getrennt wurde. Innen war es moderner angehaucht, geradliniger und auch ungemütlicher, wie ich fand.

 

Ich setzte mich auf einen unbequemen Holzstuhl, während die beiden Männer da standen und sich anstarrten. Ein Räuspern meinerseits, unterbrach die Stille. „Schön dich zu sehen, Markus“, sagte Damien galant und schüttelte seine Hand. Dieser nickte und reichte ihm schweigend wenige Blätter. Knackarsch machte seinem Namen alle Ehre und schritt wie ein langjähriges Model zu mir herüber. „Catherine, das ist Markus. Mein Informant. Er wird für ein paar Stunden auf dich aufpassen, während ich versuchen werde, George zu finden“, erklärte er und per Gedanken streckte ich ihm dem Mittelfinger entgegen, doch äußerlich blieb ich natürlich ganz cool. Obwohl... das ist gelogen, denn auch äußerlich konnte man mir mein Missfallen deutlich ansehen, woraufhin Markus sein Lachen geradeso hinter einem Husten verbergen konnte. Damien musterte mich streng, doch in seinen Augen konnte ich auch Besorgnis erkennen, was er zu verstecken versuchte. „Gut“, flüsterte ich und versuchte meine ganze Sehnsucht in das kleine Wort zu legen, was anscheinend auch gut gelang, denn er zog mich in seine Arme und küsste mich sanft. Ich vertiefte den Kuss und fuhr mit meiner Zunge in seinen Mund, wo sie mit seiner kämpfte. Ein Räuspern ließ Damien zurückweichen, was ich mit einem enttäuschten Seufzen quittierte. „Wollen sie vielleicht lieber ein Weile alleine sein, Herr?“, fragte Markus unsicher. Dieser schüttelte nur seinen Kopf und sah mich verärgert an. 'Was?', fragte ich sarkastisch. Eine Frau hat eben auch ihre Waffen! Er verdrehte nur seine Augen und ging durch de Vorhang zurück in die Halle.

 

Ich setzte mich wieder und lächelte meinem Gegenüber schüchtern zu, der es erwiderte. „Was machen Sie eigentlich beruflich, Markus“, fragte ich neugierig. Er schaltete seinen PC an und lehnte sich weiter vor, um das Kennwort einzugeben. „Ich bin Privatdetektiv und besitze eine eigene Computerfirma“, antwortete er und hob seinen Blick kurz, um mich zu mustern. „Und Sie, Madamè?“, fragte er unerwartet. Ich sah kurz auf meine Finger und fragte mich, ob ich wirklich antworten sollte. Er ignorierte meine Unsicherheit und wartete gespannt. „Ich bin... Kellnerin“, sagte ich zögernd. Er hob die Augenbrauen. „Kellnerin? Ich muss zugeben, dass habe ich nicht erwartet“, murmelte er mehr zu sich, als zu mir. Ich runzelte verärgert die Stirn. „Was haben Sie denn erwartet?“ Ha, Gegenfragen sind immer gut, dachte ich mir und sah ihm herausfordernd entgegen. Er zuckte nur die Schultern und tippte weiter am PC. Ich schüttelte den Kopf und nahm ein Buch aus einem kleinen Regal neben mir. „Darf ich?“, fragte ich. Er sah mich kurz an und hob gespannt die Augenbrauen. „Wenn Sie es lesen können“, sagte er und wendete sich eilig wieder ab. Ich klappte das Buch auf und begann, mich ein wenig einzulesen. Es ging um die Prophezeiung einer Frau, soviel erkannte ich auf den ersten Seiten. Doch danach verstand ich nichts mehr, zu alt war die Sprache.

 

Ich fuhr über die Seite des Buches und entdeckte einen eingeritzten Namen: Catherine Elisabeth Brown. Ich zog scharf die Luft ein und fuhr immer wieder über das Geritzte, um sicherzugehen, dass es tatsächlich da war. „Markus, dürfte ich mir das Buch ausleihen?“, flüsterte ich, immer noch geschockt. „Soll das witzig sein, Madamè?“, fragte er verwirrt. Ich schüttelte nur den Kopf und klammerte mich an das Buch. „Madamé, wissen Sie, was Sie da in den Händen halten? Es ist die Prophezeiung über die Tochter des Gottes Zeus, der sich mit einer Menschenfrau gepaart haben soll. Man erzählt sich, dass die Erwählte, wenn sie das Buch berührt, ihren Namen hinterlässt, sodass ihr Vater sie finden, und sie mit in das Reich der Götter nehmen kann“, erklärte er und beobachtete mich dabei. „Doch in der Prophezeiung steht auch, sollte sie ihren Gefährten finden, würde sie zusammen mit diesem auf der Erde weilen und über Tod oder Leben entscheiden“, fuhr er fort. „Über Leben und Tod?“, fragte ich und schluckte hart. „Sie soll richten über Gut und Böse, so erzählt man sich. Das Buch ist das Original, kaum jemand kann es noch entziffern, deswegen fertigte man Kopien an. Ich habe die Ehre, die Prophezeiungen aller Götterkinder aufbewahren zu dürfen und sie zu beraten. Jedes Götterkind hat andere Aufgaben, doch die dieses Götterkindes ist die Mächtigste.“ Mit zu Schlitzen verengten Augen nahm er mir das Buch aus der Hand und betrachtete den Buchrücken. Langsam nickte er. „Deswegen ist es mir unmöglich, dieses Buch aus den Händen zu geben. Nur die Auserwählte darf ihr Schicksal entgegennehmen“, murmelte er und fuhr über den Namen. „Catherine Elisabeth Brown. Es ist Ihr Name, nicht wahr?“, fragte er zögernd. Ich nickte. Er schüttelte den Kopf und gab mir das Buch. „Behalten Sie es, aber wie gesagt, dass Buch ist in alter Götterschrift geschrieben. Sie können es zwar lesen, aber wahrscheinlich nicht verstehen“, antwortete er ernst und setzte sich zu mir.

 

„Machen Sie sich keine Sorge, Madamè, es wird sich alles fügen“, versuchte er mich zu beruhigen und strich behutsam über meinen Rücken. Ich nickte leicht und sah abwesend auf den Boden. Verdammt, was bedeutete das für mich? Und für Damien? Warum ausgerechnet immer ich in solche Situationen kam, war mir schleierhaft, doch ich würde das Beste daraus machen müssen, dachte ich mir. Ich legte das Buch auf meinen Schoss und lehnte mich gegen die Lehne des Stuhl. „Ich muss kurz weg, aber ich werde gleich wieder da sein“, versprach er und ging durch den roten Vorhang. Nun war ich alleine... Warte! Hieß das, dass ich auch übernatürlich war? Vor allem WAS war ich dann? Oh man, so viele Fragen... Ich seufzte zum gefühlten tausendsten mal und ließ meinen Kopf hängen. Das war doch alles scheiße! Plötzlich fühlte ich ein Ziehen in der Brust und musste unwillkürlich aufschreien. Ich verkrampfte mich und rang nach Atem. Das Ziehen wurde schwächer und hörte schließlich ganz auf, als Damien außer Atem vor mir stand und mich entschuldigend ansah. Ich hob die Augenbrauen. Ein Vampir außer Atem, das ich das noch erlebe! „Tut mir leid, geht es?“, fragte er besorgt und strich über meine Wange, was mein Herz zum Poltern brachte. Ich runzelte die Stirn „Was meinst du damit?“, fragte ich verwirrt und verschränkte meine Finger mit seinen. „Der Schmerz. Ich habe mich mit dem Rat, hier im Haus getroffen, als Simon auftauchte und eine Szene veranstaltete. Der Rat hat eine Suchmeldung rausgegeben...“ Er stockte und beobachtete unsere verwobenen Finger. „Was ist?“ Ich wurde ungeduldiger, je länger er schwieg. „Das bedeutet, dass er keine Chance hat, sich selbst zu stellen. Er wird bestraft, sobald man ihn findet. Wir sind zu spät“, murmelte er und ich merkte, dass es ihm nahe ging.

 

Ich wunderte mich kurz, denn es war mir bisher nicht aufgefallen, dass er George so gut kannte. Er schüttelte darauf nur den Kopf, schwieg aber weiter. Da fiel mir wieder die Prophezeiung ein und ich versuchte krampfhaft nicht daran zu denken. Ich wollte erst mehr darüber herausfinden. Damien hob eine Augenbraue und sah mir forschend ins Gesicht. Ich stöhnte entnervt und hielt ihm das Buch hin. Das man aber auch so gar keine Privatsphäre hatte, jammerte ich vor mich hin. „Was soll ich damit?“ Seine Stimme klang verwirrt und ich musste augenblicklich an Dave denken, wenn er eine Matheaufgabe nicht verstand. Oh, mein kleiner Dave... “Cathy!“, drängelte Knackarsch wieder und ich zeigte auf den Buchrücken. Damien erstarrte. Ja, da war der große Knackarsch nicht mehr so vorlaut, was? „Was steht in der Prophezeiung?“ Ich schwieg. „Cathy! Was steht da?“ Seine Stimme wurde wütend. Ich sah betreten zu Boden. „Ich verstehe nicht alles davon, aber... Markus meint, dass ich über Leben und Tod entscheiden würde. Jedenfalls wenn ich meinen Gefährten bereits gefunden habe. Anderenfalls würde ich in das Reich der Götter aufsteigen“, flüsterte ich und sah wie gebannt auf sein Gesicht. Seine Augenfarbe wechselte von dunkelrot zu eisblau bis hin zu einem leichten rosa (was mir einen Lachanfall bescheren würde, wäre die Situation nicht so ernst).

 

„Das ist...“, begann er, doch ich unterbrach ihn mit einem Kuss. Er war immer noch über mich gebeugt, sodass ich leicht an ihn herankam. Ich bewegte meine Lippen sanft auf seinen und steckte all meine Liebe hinein. Ich hatte Angst davor, dass er mich verlassen könnte, doch er tat nichts dergleichen. Er erwiderte meinen Kuss, erst zögernd, dann drängender und fuhr mit seiner Zunge über meine Unterlippe, bat um Einlass. Ich öffnete meinen Mund ein Stück und kam ihm mit meiner Zunge entgegen. Wir streichelten einander und schmeckten uns. Ich stöhnte auf, als sein Zeigefinger anfing, Muster auf mein Schlüsselbein zu zeichnen. Ich löste mich aus dem Kuss und lehnte meine Stirn an seine. „Ich werde dich NIEMALS verlassen“, sagte er und küsste meine Nasenspitze. Er richtete sich wieder auf und spielte mit einer Haarsträhne, die in mein Gesicht gefallen war. Ich lächelte leicht und ließ mich von ihm hochziehen. „Was war das nun mit dem Schmerz?“, versuchte ich auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen. „Wie gesagt, Simon hat eine Szene gemacht und ist ziemlich wütend weggerannt. Ich wollte ihm hinterher, aber das war wohl zu viel“, sagte er ärgerlich. „Was meinst du damit, es war zu viel?“, hackte ich noch einmal nach. Ich stellte heute eindeutig zu viele Fragen, dachte ich und ging zusammen mit MEINEM Knackarsch durch die riesige Halle. Ja, er war MEIN und ich platzte vor Stolz bei diesem Gedanken.

 

„Weißt du noch, wie ich dir am Anfang sagte, dass wir nicht weit von einander getrennt sein dürften? Ich war zu weit weg und das hat den Schmerz verursacht. Es tut mir leid, es war unüberlegt, ihm einfach hinterher zu rennen...“, sagte er und senkte verlegen den Blick. Er war es wohl nicht gewohnt, sich zu entschuldigen. Obwohl ich sagen musste, dass mich das bei seinem Charakter schon wunderte, da hatte er schließlich VIEL zu entschuldigen... Er schnaubte und zog etwas kräftiger an meinem Handgelenk. Ich kicherte leise, na war da jemand beleidigt??? Wir meldeten uns beim Rezeptionisten ab und gingen zurück zu meinem Baby. Ich war mir sicher, dass meine Augen wässrig glänzten, als ich sachte über den Lack strich. „Das glaubst du doch selber nicht, oder?“, fragte Damien belustigt. Mit großen Augen sah ich ihn verwirrt an. „Na, glaubst du, ich lass dich damit fahren, nachdem du dich so über mich lustig gemacht hast?“, flüsterte er unheilvoll in mein rechtes Ohr. Ich zuckte gespielt unbeteiligt mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. „Glaubst du, ich steige in ein Auto, das du fährst?“, fragte ich trotzig zurück, was mir nur ein Lachen einbrachte. Er schob mich zur Beifahrertür und öffnete mir diese galant. Ich schüttelte nur den Kopf und lehnte mich mit dem Rücken an das Auto. Er seufzte und hob mich kurzerhand hoch, um mich dann auf dem Sitz fallen zu lassen. Sicherheitshalber schloss er den Gurt über mir und verriegelte die Türen, nachdem auch er eingestiegen war. Auf der Autobahn fuhr er noch schneller als ich und verlangsamte seine Fahrt auch nicht. Manchmal krallte ich mich in den Ledersitz (der nebenbei bemerkt traumhaft bequem war) oder schloss vor Angst die Augen. Dass ich mich nicht direkt in den Fußraum übergab, war ein echtes Wunder und nur meiner Vorliebe für dieses Auto zu verdanken. Es mit meinem Frühstück zu zieren, würde es nämlich nicht gerade verschönern, rief ich mir immer wieder in den Gedanken.

 

Knackarsch nahm keine Rücksicht auf mich und langsam vermutete ich, dass das Ganze hier meine Bestrafung war. Ich stöhnte auf, als er mit quietschenden Reifen um eine Kurve fuhr. Gott, mach dass ich das heil überlebe, betete ich hoffnungsvoll. Doch dieser stand heute nicht auf meiner Seite, wie es aussah. Denn Damien achtete weder auf Verkehrsregeln, noch auf die Fußgänger, die verschreckt versuchten uns auszuweichen. Einer alten Oma war das nur knapp gelungen und ich hatte mich gedanklich schon auf ihrer Beerdigung gesehen, auf der mich ihre 100 Enkel vorwurfsvoll ansahen. Andererseits hatte ja nicht ich, sondern Damien das Auto gefahren! Nach nur der halben Zeit der Hinfahrt , kamen wir wieder im Hotel an und gingen zu unserer Suite, die mittlerweile von der Abendsonne durchflutete wurde.

10. Kapitel

Damien setzte sich aufs Sofa, während ich mir etwas beim Zimmerservice bestellte. „Also... Wie viel weißt du über Götterkinder?“, fragte ich leise in die Stille hinein. Er runzelte kurz die Stirn und sah zu Boden. „Nun ja, ich denke, soviel wie jeder andere auch. Der eine Elternteil ist ein Mensch, der andere ein Gott. Das Kind wird auf die Erde geschickt, bis es seine Prophezeiung findet und wenn es seinen Gefährten noch nicht gefunden hat, steigt es in das Reich der Götter auf. Die Götter haben zwar sehr viel Macht, doch sie mischen sich nur selten in unser aller Leben ein. Das Einzige, was sie machen, ist, unsere Gefährten zu bestimmen, sonst kümmern sie sich nicht wirklich um uns. Alle Götterkinder die ihren Gefährten schon gefunden haben, bleiben auf der Erde und bekommen eine Bestimmung, so etwas wie eine Aufgabe. Markus, mein Informant, betreut die Kinder im Namen der Götter und hilft ihnen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Und er bestraft sie, wenn sie... Fehler machen“, sagte er und malte kleine Kreise auf das Leder des Sofas. „Fehler?“, hakte ich nach. Er nickte. „Ja, Fehler. Wenn einer sich nicht an die Spielregel hält. Wenn einer seine Aufgabe vernachlässigt oder verkehrt handelt“.

 

„Zimmerservice!“, schrie es vom Flur und ich lief hastig zur Tür. Kaum hatte ich sie geöffnet, sah ich den Pagen von heute Morgen, der schon wieder verlegen zur Seite schielte. Ich gab ihm das Geld in die Hand und nahm lächelnd das Essen entgegen. Ein Knurren aus dem Wohnzimmer ließ mich aufhorchen. „Was ist?“, fragte ich. „Der Typ sollte dich nicht so ansehen“, sagte er drohend und verengte seine Augen zu Schlitzen. Ich schüttelte verzweifelt den Kopf und ignorierte seine Kindereien so gut es ging. Nachdem ich fertig gegessen hatte, setzte ich mich zu Damien und schaltete den Fernseher ein. Bei einer Tierdokumentation hielt ich an und legte die Fernbedienung weg. Stattdessen nahm ich die Hand von MEINEM Knackarsch und strich in Mustern über seine weiche Haut. Immer verspielter malte ich Sachen und Damien erschauderte einmal sogar. Plötzlich legte er seine Lippen auf meine und zog mich auf seinen Schoß. Seufzend erwiderte ich den Kuss und schlang meine Arme um seinen Nacken, sodass ich durch seine Haare streichen konnte. Drängend fuhr ich mit meiner Zunge über seine Unterlippe und bettelte um Einlass, den er mir sofort gewährte. Ich schmeckte Erdbeere und Karamel und Pfirsiche und Marshmellows. Es fühlte sich an, als hätte ich alles mögliche aus den Supermarktregalen im Mund und ich genoss es. Er zog mich an der Hüfte näher zu ihm heran und strich mit seiner Hand über meinen Rücken, verursachte sogar eine Gänsehaut. Ich glitt mit meinen Lippen von seinem Mund zu seinem Hals und verteilte sanfte Küsse auf seiner Haut. Er stöhnte und zog mich noch näher, sodass nicht einmal mehr ein Blatt zwischen uns gepasst hätte und ich eine deutliche Beule durch seine Hose spüren konnte. Er wollte sich sofort ein wenig zurückziehen, doch ich legte schnell wieder meine Lippen auf seine und vertiefte den Kuss solange, bis er sich nur noch auf mich konzentrieren konnte.

 

Vorsichtig glitt ich mit meinen Fingern unter sein T-Shirt und tastete neugierig nach seiner Haut. Samtig weich schmiegte er sich an meine Fingerkuppen und ich fuhr zärtlich die Konturen seiner Muskeln nach. Er spannte sich unter meiner Hand etwas an, doch blieb still. Ich schloss meine Augen und ließ mich einfach fallen. Nie wieder wollte ich von ihm getrennt sein, nie wieder wollte ich ohne ihn leben müssen. „Bitte“, flüsterte ich in sein Ohr und knabberte verführerisch an seinem Ohrläppchen. Er stöhnte und hob mich von ihm runter. Kurz hatte ich die Hoffnung, er würde mich ins Schlafzimmer tragen wollen, doch in Wahrheit brachte er nur genügend Abstand zwischen uns. „Nicht so“, sagte er und wich meinem Blick aus. „Wie dann?“, fragte ich verbittert nach. Langsam wurde ich wütend. Wollte er mich etwa nicht? Bitte, dann knall ich halt den Pagen, der würde sich darüber freuen, dachte ich beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es ist dein erstes mal und ich will nicht, dass es eine... Affekthandlung ist, verstehst du? Ich will nicht, dass es etwas ist, was einfach beim Rummachen passiert ist“, sagte er und fügte noch ein „Ich will nicht, dass du es bereust“ hinzu. 

 

Ich seufzte leicht und umarmte ihn. „Selbst wenn mein erstes mal auf einer Raststättentoilette wäre, ist es mir egal. Hauptsache, ich habe mein erstes mal mit dir“, murmelte ich und strich ihm sanft durchs Haar. Seine Augen glühten in einem tiefen violett und fixierten meine. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, sodass ich nicht anders konnte als sie zu küssen. „Trotzdem“, tadelte er mich sanft, als ich ihn in einen Kuss verwickeln wollte. Ich rollte ergeben mit den Augen und beschloss, erst einmal duschen zu gehen. „...“ Ich wackelte anzüglich mit den Augenbrauen, was ihn zum Lachen brachte. Schmollend ging ich ins Bad und schnappte mir eins dieser Sauna-Handtücher, um kurz darauf so wie Gott mich schuf in die Dusche zu steigen. Meine Haare verwöhnte ich mit der hoteleigenen Haarspülung und meine Haut mit meinem Lieblingsduschgel, das den Duft von Waldbeeren besaß und mir damit sofort ein Seufzen entlockte. Dampfend und tiefen entspannt watschelte ich in unser Zimmer und blieb vor dem Schrank stehen. Ich nahm mir, zugegeben, ziemlich sexy Unterwäsche raus und dazu ein Nachthemd, das mit Blumen übersät war und sich bis zu den Knöcheln um meine Beine schlingen würde. Ich ließ das Handtuch einfach auf den Boden fallen und wollte mich gerade umdrehen, als ich eine Gestalt auf dem Bett sitzen sah. Mein Herz setzte einen Schlag aus und raste dann umso schneller weiter.

 

„Fuck! Was machst du denn hier?“, fragte ich erschrocken und griff schnell nach dem Handtuch hinter mir. Mit Schamesröte im Gesicht, sah ich zu Knackarsch, der sich krampfhaft am Bettlacken festhielt. Ich musste leise lachen, als ich die Situation analysierte. Ich meine: Erstens ist er mein Freund und zweitens wollte ich gerade eben noch mit ihm schlafen. Und jetzt? Jetzt griff ich nach jedem Zentimeter Stoff, den das Handtuch hergab. Irgendwie schon komisch, aber es war mir trotzdem unangenehm, so entblößt vor ihm zu stehen. Er lockerte seinen Griff ein wenig und wand seinen Blick von meinem Körper. „Du machst es mir nicht gerade leicht, Cathy“, zischte er unter zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich zuckte nur mit den Schultern, nach dem Motto Wer nicht will, muss fühlen ließ ich das Handtuch auch prompt wieder fallen, natürlich erst nachdem ich meine Unterwäsche angezogen hatte, versteht sich! Er knurrte leise und seine Muskeln spannten sich an. Ich grinste selbstgefällig und krabbelte zu ihm aufs Bett. Sanft legte ich eine Hand auf seine Schulter und musste unwillkürlich an den ersten Tag mit ihm denken, an dem ich, mit Handschellen an das Bettgerüst gekettet, versucht hatte, ihn zu beruhigen. Er lachte leise und entspannte sich wieder ein wenig, auch wenn die Beule in seinem Schritt noch nicht zurück ging. Ich hob die Bettdecke und legte mich in das Kissen. Knackarsch (Gott, (oder besser Götter) ich danke Euch für DIESEN Arsch!) kam zu mir, drückte mir aber noch das Nachthemd in die Hand.

 

„Komm schon, gestern habe ich doch auch so geschlafen“, versuchte ich ihn zu überzeugen. Eigentlich hatte ich ja sowieso vorgehabt, mit Nachthemd zu schlafen, doch ich wollte ihn ein wenig um seine Selbstbeherrschung bringen. Er schüttelte hart den Kopf und ich zog mir das Ding unter der Bettdecke an. Er grinste zufrieden und küsste meine Stirn. Unbefriedigt streckte ich mich seinem Mund entgegen, doch er zog mich nur an seine Brust, wo ich sein vibrierendes Lachen spürte. „Du spielst mit unfairen Mitteln, Damien“, warf ich ihm schmollend vor, worauf er nur noch stärker lachte. „Und du? Du springst splitterfasernackt vor mir rum! Da wirfst du mir Betrug vor?“, entgegnete er. Ich kicherte leise vor mich hin und schmiegte mich enger an ihn. Er legte seufzend seine Arme um mich und vergrub seine Nase in meinem Haar.

 

11. Kapitel

Am nächsten Morgen war Damien als erstes wach und weckte mich mit einem Frühstück im Bett. Mein grummelnder Magen war nahezu verzückt von dem großen Angebot und verschlang sage und schreibe 6 Brötchen. Wenn mich das nicht zum Vielfraß machte, dann wusste ich auch nicht weiter! Knackarsch saß dabei die ganze Zeit an meiner Seite und mit jedem Bissen wirkte er zufriedener. „Was grinst du so?“, fragte ich nach. „Ich bin nur glücklich, dass du endlich was auf die Rippen kriegst, schließlich will ich nicht, dass du mir einfach so aus den Schuhen kippst“, antwortete er und sein Blick tadelte mich zusätzlich zu seinen Worten. Ich schnaubte nur und verdrückte weiter meine Brötchen, obwohl ich nicht einmal mehr Hunger hatte. Man war ich etwa eine dieser Frauen, die sich vollfrassen, um ihren Männern zu gefallen? Wahrscheinlich war Damien einer dieser Feeder, die ihre Frauen mästeten bis sie 300Kg wogen und reif für den Schlachthof oder besser gesagt reif fürs Vögeln waren.

 

„Ich liebe dich so wie du bist, auch wenn du 300Kg wiegen würdest“, murmelte er und gab mir einen Kuss an die Hauptschlagader, wo er anfing zu schnurren. Ich lachte leise und sah ihm in die Augen. Vorsichtig legte ich eine Hand an seine Wange und sah in seine tiefschwarzen Seelentore, die sich langsam wieder zu einem sanften rose zurückverwandelten. „Tut mir leid“, flüsterte er und sprang eilig aus dem Bett. Ich strich mir meine zerzausten Haare aus dem Gesicht und folgte ihm. In der Küche sah ich, wie er nervös hin und her tigerte, bis er eine Tasse voll Trockenblut hinunterkippte und gleich noch eine aufsetzte. Ich blieb einfach im Türrahmen stehen und betrachtete ihn, wie er starr auf den Boden sah und sich gegen den Kühlschrank lehnte. „Was ist?“, fragte ich vorsichtig und wollte auf ihn zugehen, doch er wich sofort zurück. Ich hielt inne und seufzte leise. Wenn ich nur wüsste, was in ihm los wäre, dachte ich und wurde plötzlich von zwei Armen gegen eine steinerne Brust gedrückt. Ich atmete den Duft meines Liebsten (mein Gott, die Gefährtin in mir breitet sich echt aus) ein und schmiegte mich an ihn.

 

„Tut mir leid“, wiederholte er die Worte von eben und legte seinen Kopf auf meinen Scheitel. “Ich bin nur hungrig gewesen und habe nicht darauf geachtet“, murmelte er gegen mein Haar. Ich nickte zögerlich und entwand mich aus seiner Umarmung, um ihm ins Gesicht zu sehen. „Geht es dir gut?“, fragte ich besorgt. Er nickte leicht und schenkte mir ein beruhigendes Lächeln, doch es hatte nicht die gewünschte Wirkung auf mich.

„Hey, es ist wieder alles in Ordnung. Versprochen!“, sagte er noch einmal und nahm mein Gesicht zwischen seine Hände. Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich an seine Brust. „Habe ich dich erschreckt?“, flüsterte er leise an meinen Haaren. „Nein“, erwiderte ich und ging in Richtung Schlafzimmer, wo das leere Tablett auf mich wartete. Mit schnellen Schritten, trug ich es zur Spülmaschine und räumte dort alles ein. Die Teller unten, die Tassen oben. Den Tab rein stecken und den On-Knopf drücken, so wie Mum es mir mit 4 gezeigt hatte. Irgendwie erinnerte mich das Ganze an sie. Wahrscheinlich hatte das ganze Götterkind-Gelaber mich aus der Fassung gebracht, dachte ich mir. Ich drehte mich um und entdeckte Damien im Türrahmen stehen, wie er mich angespannt musterte. Seine Mimik wirkte steif und hart, nicht so wie der Knackarsch, den ich kannte. Doch was hieß schon kennen? Wie lange war ich hier, vielleicht eine Woche? Nicht einmal, und trotzdem fühlte es sich an, als würde ich ihn in- und auswendig kennen. Als wäre er das Wichtigste in meinem Leben.

 

Und ich fand diesen Gedanken nicht einmal schlecht, es war beruhigend zu wissen, dass da jemand war, der nicht anders KONNTE als mich zu lieben. Auch wenn es sich komisch anhörte, denn wer wollte schon jemanden zwingen, einen zu lieben? Aber es fühlte sich überhaupt nicht falsch an, es war richtig! Ich lächelte leicht und nahm mir eine Tasse aus dem Schrank, zusammen mit einem Teebeutel, den ich mit heißem Wasser übergoss. Sanft senkte ich den Beutel, bis das Nass sich kirschrot färbte und wartete ungeduldig darauf, dass er durchzog. „Na, ungeduldig heute?“, fragte mich eine Stimme hinter mir. Ich seufzte und zuckte mit den Schulter. „Nicht mein Tag heute“, flüsterte ich und konnte nicht anders, als an seine schwarzen Augen vorhin im Schlafzimmer zu denken. Ich hatte keine Angst gehabt, aber es hatte mir verdeutlicht, wie sich das Ganze auf ihn auswirkte. Er konnte nicht mehr von Menschen trinken und war auf das Trockenblut angewiesen, doch gleichzeitig ignorierte er seinen Durst. Ich schadete ihm durch das Ganze und ich verstand seine Zweifel nicht. Ich WOLLTE ihn, bedingungslos. Und ja, ich wusste, was das hieß. Aber musste ich es nicht so oder so tun? Ich meine, nur wenn ich meinen Gefährten bereits gefunden hatte, durfte ich in der Menschenwelt bleiben und Damien BRAUCHTE mein Blut. Also: Wir mussten die Gefährtschaft bestätigen! Ganz einfach, oder auch nicht...

 

“Ich will nicht, dass du die Entscheidung aus der Not heraus triffst“, sagte er wieder, doch diesmal konnte ich es nicht nachvollziehen, denn ich war mir absolut sicher. „Ist das der einzige Grund?“, fragte ich zweifelnd und starrte auf die Tasse in meinen Händen. „Ja“, antwortete er ernst und drehte mich zu ihm um. „Komm, wir machen einen Spaziergang, ja?“, schlug er vor und verzog seinen Mund zu einem fröhlichen Lächeln. Ich wusste, dass es kein echtes Lächeln war, doch ich hatte keine Lust, mich mit ihm zu streiten, also nickte ich nur und schlüpfte in Jeans und T-Shirt.

 

12. Kapitel

Wir gingen in einen nahegelegenen Park und liefen nebeneinanderher einen Sandweg entlang, der sich durch die ganze Anlage schlängelte. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien und auch sonst war das Wetter gut. Kein Wind oder ein wolkenbedeckter Himmel. Ein perfekter Sommertag eben, dachte ich mir und betrachtete die Enten im kleinen Teich, der sicherheitshalber von einem Zaun umrandet worden war. Damien schwieg und ich wusste auch nicht recht, wie ich die Stille durchbrechen sollte, also hielt ich einfach meine Klappe. Ab und zu bemerkte ich seinen Blick auf mir, war aber nicht mutig genug, um ihn zu erwidern. Ich war verunsichert und wusste nicht recht, wie ich das Alles überstehen sollte. Damien wollte, dass ich mich nicht zu einer Entscheidung gedrängt fühlte, aber ich fragte mich ernsthaft, wie ich das erreichen sollte. Ich hatte Angst. Richtige Angst. Denn ich kannte mich in dieser Welt nicht aus. Ich wusste nicht, was ich war, oder besser gesagt- wer ich war!

 

Ich liebte meinen Gefährten, doch liebte er mich genug, um mich für immer bei sich haben zu wollen? Seine Reaktion machte mich nachdenklich. Immer mehr steigerte ich mich in die Idee, er wolle mich nur nicht, bis er schließlich die Notbremse zog und mich mit einem Griff am Oberarm zum Anhalten zwang. „Hör auf, dir Sorgen zu machen, die total unbegründet sind. Ich liebe dich und ich will die Ewigkeit mit dir verbringen. Genau das ist der Punkt. Ich habe ewig Zeit und du solltest endlich verstehen, dass an dieser Bestätigung viel mehr hängt als das Blut des anderen zu trinken und miteinander zu schlafen“, sagte er ernst. Beim Letzten stieg mir die Röte ins Gesicht, was ich wirklich verfluchte. „Was ist, wenn ich dir zu viel Blut abzapfe und dich damit zu einem Vampir mache?“, warf er ein und strich mir über die Wange. Ich nickte zögerlich, er wollte mich nicht verletzten.

 

Aber er musste verstehen, dass es nicht anders ging. Früher oder später würden wir wegen seiner Sturheit noch verletzt werden! Er raufte sich die Haare und schüttelte verzweifelt den Kopf. „Nein, DU verstehst es nicht. Warum kannst du es nicht einfach so lassen wie es ist?“, schrie er plötzlich. So lassen wie es ist? Ging es hier nur darum, dass ihm alles zu schnell ging? Ich lachte hart auf. „Na, dann viel Spaß alleine. Ich hab kein Bock darauf, mitanzusehen, wie du dir selber Schmerzen zufügst, nur weil du plötzlich Angst davor hast, dich fest zu binden“, entgegnete ich und drehte mich ruckartig um. Ich wischte die Tränen auf meiner Wange mit meinem Handrücken weg und rannte um die nächste Ecke. Ein Blick nach hinten reichte mir, um festzustellen, dass er mir nicht hinterher kommen würde. Tja, das wars dann wohl mit dem romantischen Liebesgeständnis, das sonst immer an solchen Stellen kam. Ich schluchzte auf und rannte schneller den Sandweg entlang, weg von ihm, weg von hier. Ich würde einfach nach Hause gehen und mein normales Leben weiter führen, mit meinen normalen Freunden und meiner normalen kleinen Familie. Meine Sicht verschleierte, denn die Tränen kamen zu schnell wieder nach, um sie wegwischen zu können. Wütend erhöhte ich nocheinmal das Tempo und spürte schon bald ein stechendes Gefühl in meinem Brustkorb. Meine Lungen fühlten sich an, als würden sie gleich platzen oder noch schlimmer, einfach verkauern. Einfach so aufhören zu funktionieren. Als noch ein ziehender Schmerz im Bauch dazukam, hielt ich atemlos an und ließ mich an einer Hauswand runtergleiten. Mein Herz raste und wollte sich nur langsam wieder beruhigen. Der Schmerz in meinem Bauch fühlte sich an, wie ein Band, das meinen Magen aus dem Körper ziehen wollte. Der Schmerz eines Gefährten, wenn er sich zu weit von dem andern entfernt, dachte ich verärgert.

 

Dieses Arschloch! Ich konnte noch nicht mal von ihm weg. Egal, was ich tat, ich hing an ihm wie eine Klette, machtlos und absolut naiv. Ich hatte glauben wollen, dass er mich bei sich haben wollte, doch in Wahrheit hat er jede Chance genutzt, um mir fern zu bleiben. Es ging nie darum, mich zu schützen, immer nur darum, seine Freiheit zu bewahren. Und das Schlimme war: Ich liebte ihn trotzdem. Und zwar nicht nur die Gefährtin in mir, sondern alles schrie förmlich nach ihm. Allen voran natürlich meine Libido. Ich schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte ungehemmt. Es fühlte sich so surreal an, als wäre all das nur ein blöder Traum und ich würde jeden Moment neben meinem Knackarsch aufwachen. Doch stattdessen saß ich hier und heulte meinem Freund hinterher. Ich wusste, dass er mich liebte, schließlich hatte er ja auch keine andere Wahl. Aber ich fühlte mich betrogen, denn ich würde für ihn alles geben und jetzt wusste ich, dass er das gar nicht wollte. Für ihn kam das alles zu schnell. Hätte er mir das nicht von Anfang an sagen können? Dann hätte ich mein Herz wenigstens aus der Gefahrenzone retten können, doch so war es ein Totalschaden. Tja, da half nichts. Kein Pflaster und auch kein Schmerzmittel.

 

„Hey, alles in Ordnung mit dir?“, fragte da jemand. Verwirrt sah ich auf. Ein junger Mann stand vor mir, Mitte zwanzig vielleicht. Blonde Wuschellocken und süße grüne Augen, die mich freundlich anlächelten. Ich nickte zögerlich, doch er schien es mir nicht abzunehmen. „Du siehst schrecklich aus. Wie wärs, wenn ich dir in der Bar da drüben einen Drink ausgebe und du mir erzählst, was passiert ist“, schlug er vor und reichte mir seine Hand, um mich hochzuziehen. Ich nahm sie zögerlich und hievte mich hoch. Ja, Alkohol könnte ich jetzt gebrauchen, sagte ich mir aufmunternd. Die Bar war kaum zehn Schritte entfernt und war ziemlich versüfft. Rauchwolken schwebten durch den Raum und es roch nach abgestandenem Bier und billigem Aftershave. Wir setzten uns auf die zwei letzten Barhocker und bestellten uns jeweils einen Wodka Tonic.“Garry“, sagte er „Ich bin Cathy“, murmelte ich nachdem einem vorsichtigen Schluck aus meinem Glas genommen hatte. Ein bisschen zu viel Wodka meiner Meinung nach, aber es könnte nicht schaden, sich zu betrinken, oder? Die Antwort war: Doch. Denn nach den ersten drei Gläsern, fing mein Gegenüber an zu flirten, was mir zwar nicht gefiel, aber ich unterband es auch nicht. Warum auch? Meinem Freund war es eh egal. Okay, das wahrscheinlich nicht, aber aufs Ganze gehen, wollte er auch nicht. Und mein Motto war: Ganz oder gar nicht!

 

Jedenfalls ab jetzt, denn alles andere verletzte nur, wie ich heute feststellen musste. Ich erzählte ihm von heute (natürlich die zensierte Version) und er stimmte mir zu, dass mein Freund ein Arschloch war, der nicht wusste, was er an mir hatte. Nach einiger Zeit versuchte er dann, sich an mich ranzumachen und schreckte auch nicht zurück, als ich abblockte. Im Gegenteil- er wurde aufdringlicher und ich schüttete ihm kurzerhand meinen Drink über sein Hemd. Tja, das hat ihn dann wohl zum Schweigen gebracht, wenn auch vor allem wegen der starrenden Menge, die das Ganze belustigt beobachtet hatte. Ich ging Richtung Ausgang, wobei ich einige Male stolperte und lief die Straße runter. Der Schmerz war zu einem nervigen Ziepen verklungen, was wohl bedeutete, dass er hier in der Nähe war. Wie konnte ich ihm bitte entkommen? Egal, wo ich war, er war bei mir. Egal, was ich dachte, er konnte es hören. Es gab kein Entkommen, dabei wollte ich im Moment nichts mehr als das. Es verletzte mich zu sehr, dass er mich angelogen hatte und so tat, als würde er das alles nur wegen mir nicht machen wollen. Ich hasste solche Menschen, die vorgaben, etwas zu sein, was sie nicht waren. Er war ein Vampir und er liebte mich, doch er war noch nicht bereit für etwas Ernstes. Doch anstatt dazu zu stehen, verdrängte er seinen Hunger, tat so, als würde er die Ewigkeit mit mir verbringen wollen und versteckte sich hinter Ausflüchten.

 

Die Straßenlampen sprangen an, obwohl es noch hell war. Die Uhr in der Bar hatte späten Nachmittag angezeigt, ich hatte wohl lange an der Hauswand gesessen, bevor 'Gerry' mich angesprochen hatte, dachte ich. Mir war es nicht so lange vorgekommen, vielleicht wie ein paar Minuten. Und dann noch die Drinks in der Bar... Ich seufzte schmerzhaft, als das starke Ziehen zurück kam. Er ging also wieder weg. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Am Besten gar nichts, sagte ich mir und strich mir eine braune Strähne aus dem Gesicht, die sich dorthin verirrt hatte. Als das Ziehen zu stark wurde, drückte ich beide Arme fest auf meinen Bauch, doch auch das machte es nicht besser. Ein leiser Schrei entfuhr mir. Alle Gedärme verkrampften sich und drückten gegen meinen Bauch. Ich glaubte, sie sogar zu spüren. Eine Hand legte sich auf meinen Arm, doch ich konnte meine Augen nicht öffnen, um zu sehen, wer es war. Und plötzlich umgab mich völlige Dunkelheit.

13. Kapitel

Ein einfacher See, mit weißem Strand umrandet. Kleine Fische schwammen ihre Runden und Enten schnappten nach den Brotkrumen, die ich ihnen zuwarf. „Warum sind wir hier?“, fragte ich und riss ein Stück vom alten Brot in meinen Händen ab. „Du weißt, warum", antwortete die Stimme nur. Ich schüttelte den Kopf. Meine braunen Haare waren streng nach hinten hochgesteckt und ich trug eine weiße Toga, die meinen blassen Körper noch käsiger aussehen ließ. Mein Spiegelbild jedoch zeigte eine wunderschöne Frau, die mir mit traurigem Blick entgegen sah. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst", beharrte ich weiter. „Deine Aufgabe, Catherine. Du musst über Leben und Tod richten, erinnerst du dich? Es wird Zeit, deiner Pflicht nachzukommen", antwortete die Stimme wieder. Ich nickte. „Du entscheidest darüber, ob jemand stirbt oder lebt. Du ersetzt den Rat. Er regiert schon zu lange, er sieht die Wahrheit nicht mehr", fuhr sie fort. Ich nickte wieder. „Geh nun, du wirst gebraucht da draußen." Ich warf die letzten Brotkrumen in den See und lief am Strand entlang in den Wald.

14. Kapitel

„Wir wissen noch nichts Genaues, aber wir werden weitere Nachforschungen anstellen“. Ein Schluchzen, dann wieder Stille. „Wann wird sie wieder aufwachen?“ Juan. „In wenigen Minuten. Wir haben ihr das Gegenmittel gegeben." Ich schlug die Augen auf. Alles war verschwommen, doch ich machte Rose und Juan aus, jeweils an einer Seite des Bettes. Und Dave, der am Laken festgekrallt auf der Bettkante saß. „C. Oh mein Gott! Ich bin so froh, dass du endlich wieder wach bist. Wie geht's dir? Hast du Schmerzen?“, fragte Rose wild drauf los, doch ich ignorierte sie. „Lass sie doch erst einmal wach werden“, sagte Juan und warf ihr einen kalten Blick zu. Er wusste es also. „Hey“, flüsterte ich. Meine Stimme klang hohl und trocken, doch immer noch nach mir. „Cathy!“, quietschte Dave und sprang auf mich drauf. Stöhnend legte ich meine Arme um seinen Körper. „Dave“, ermahnte Juan sofort, doch ich winkte müde ab. Mein Brustkorb drückte zwar unter seinem Gewicht, aber ich hatte ihn schon fünf Tage nicht gesehen. Fünf Tage- sie kamen mir wie Wochen vor.

 

Die Schmerzen in meinem Bauch waren weg. War das Ganze mit Damien vielleicht nur ein Traum gewesen? "Wie lange liege ich schon hier?", fragte ich leise. „Nur ein paar Stunden. Man hat dich an einer Hauswand gelehnt gefunden. Du hast vor Schmerz geschrien und um dich geschlagen, während du bewusstlos warst. Die Ärzte haben dir ein Schlafmittel gegeben“, antwortete Rose. Ich nickte knapp und wendete mich wieder meinem kleinen Bruder zu. „Du hast übrigens Besuch, einen gewissen Damien!?“ Fragend hob der Latino die Augenbrauen. Ich zuckte nur unschuldig mit den Schultern, was ziemlich schmerzte. Verwirrt schob ich das Hemdchen ein wenig weg und entdeckte blaue Flecken, die sich quer über meinen Körper zogen. Erschrocken hielt ich die Luft an. „Wie gesagt, du hast um dich geschlagen und dich dabei selbst ziemlich zugerichtet“, sagte er noch, bevor sie alle drei rausgingen und ein ziemlich fertig aussehender Damien hereinkam. Er hob nicht den Blick, setzte sich einfach nur auf einen Stuhl neben dem Bett und sah auf den Boden. Ich schwieg ebenfalls, doch meine Gedanken rasten.

 

„Ich liebe dich. Das tue ich wirklich und ich dachte, wenn ich einfach so tun würde, als hätte ich keine Probleme mit diesem Gefährten-Ding, würde sich alles irgendwie einrenken. Doch in Wirklichkeit hatte ich einfach Angst davor, meine Freiheit zu verlieren. Ich...Bevor du kamst, war ich... ein Macho. Ich habe alles gevögelt, was nicht bei drei auf dem Baum saß und hab mich einen Scheiß um Gefühle gekümmert. Und ich habe es genossen, verstehst du? Ich dachte... ich weiß auch nicht! Ich dachte einfach, wenn ich dich lang genug hinhalten könnte, würde ich einfach nebenbei weiter mit jeder Frau schlafen, die mir begegnet. Und du würdest nicht mal was merken, weil du ja noch nicht meine Gedanken lesen kannst. Ein guter Deal eben“, fing er an. Jedes Wort stach in meinem Herzen. Immer und immer wieder, tiefer und tiefer, trieb mich in den Wahnsinn, weil ich nie das erlösende 'Aber' hörte. „Das Problem ist nur, dass ich es nicht mehr konnte. Ich hatte mir das alles zu einfach vorgestellt, hatte meine eigenen Gefühle nicht eingeplant. Ich dachte nicht, dass es so … intensiv sein würde. Ständig bin ich eifersüchtig oder habe Angst, dass dir etwas passiert. Ich will ständig bei dir sein und das machte es so schwer. Ich konnte aber auch nicht von meiner Freiheit loslassen, war nicht bereit, sie aufzugeben. Als du die Schmerzen hattest, du weißt schon, bei Markus. Ich war nicht beim Rat und ich bin auch nicht Simon gefolgt. Ich war bei einer anderen Frau und wollte mit ihr schlafen. Deswegen die Schmerzen, nicht, weil ich zu weit weg war." Er sah immer noch nicht auf.

 

Ich schluckte hart und fing an zu weinen. Stumm, ohne einen Laut, rollten die Tränen meine Wange runter und tropften auf das Krankenhaushemdchen. Meine Hände zitterten und das schmerzhafte Ziehen war wieder da. Es zeriss mich, doch diesmal erlöste mich keine Dunkelheit, denn es war nicht der Gefährten-Schmerz, sondern mein gebrochenes Herz. Eine Hand legte sich auf meine, doch ich zog sie angewidert weg. Ich konnte es nicht ertragen, ihn so nah bei mir zu haben. „Es tut mir leid. Ich liebe dich, wirklich. Und ich weiß, was ich falsch gemacht habe. Ich werde ab jetzt meine Freiheit loslassen“, versprach er. „Nicht nötig“, flüsterte ich. Ich wusste, dass er es hörte, auch wenn ich selbst es kaum verstand. „Nein, Cathy. Bitte. Mach es nicht schwerer, als es eh schon ist“, sagte er und strich über mein Schlüsselbein. Wollte er mich so rum kriegen? Das könnte er vergessen, denn durch keinen Sex der Welt könnte ich diesen Schmerz verdrängen. Er hatte mit einer anderen geschlafen, er hatte sie angefasst und er war nur zu mir zurückgekommen, weil die Schmerzen zu groß waren. Ich war nur zweite Wahl. Etwas, das man nicht ändern konnte, sondern nur hinnahm.

 

„Ich liebe dich Cathy. Ich war nur zu dumm, um es kapieren. Ich habe es dir immer wieder gesagt und selbst nicht verstanden, dass es die Wahrheit ist. Ich liebe dich Catherine“, sagte er immer wieder und strich solange beruhigend über meinen Oberarm, bis irgendwann die Tränen versiegten und ich nur noch starr an die Decke sehen konnte. „Sag mir, dass du mir verzeihst“, bat er, doch ich schüttelte verbittert den Kopf. „Ich kann nicht“, murmelte ich erschöpft und schloss die Augen. „Ich kann nicht“, hauchte ich nochmal. „Was kann ich tun?“, fragte er verzweifelt. „Nichts." Und das war die Wahrheit. Nichts konnte mir helfen, diese Schmerzen zu ertragen, diese Erniedrigung, zu wissen, dass alles nur eine Lüge war. Doch andererseits konnte ich ihn immer noch nicht hassen. Die Tür ging auf und ein alter Mann trat herein. „Guten Tag, ich bin Dr. Miller, Ihr behandelnder Arzt. Wir haben keine Unregelmäßigkeiten bei Ihnen gefunden. Sie sind kerngesund. Ich fürchte, wir werden Sie so nach Hause schicken müssen. Sollte es Ihnen jedoch nicht gut gehen, kommen Sie sofort wieder her, verstanden?“, fragte er. Ich nickte gehorsam und unterschrieb noch liegend die nötigen Papiere. Als er verschwunden war, reichte Damien mir meine Klamotten und drehte sich freundlicherweise sogar um, als ich mich umzog.

 

Der Spiegel zeigte eine blasse, erschöpfte Frau, die so gar nichts mit mir gemein haben wollte. Ich verstand nicht, wie ich mich so hatte irren können. Seine Blicke waren für mich immer voller Liebe gewesen und seinen Worten hatte ich blind vertraut. Nie hatte ich etwas bemerkt, nie einen Funken des Zweifels empfunden. Wie konnte das alles eine Lüge sein? Wie hatte das so ausarten können? Selbst als ich in der Bar saß und mich mit diesem Garry betrunken hatte, war ich mir sicher gewesen, dass ich in nur wenigen Stunden wieder in seinen Armen liegen würde, denn ich hatte geglaubt, er würde mich lieben. Und ja er liebte mich, aber nicht genug, um für mich seine 'Freiheit' aufzugeben, wie er es so gerne ausdrückte. Das Hemdchen legte ich achtlos auf das Bett und trat durch die Tür nach draußen, hörte die Schritte von Damien hinter mir, doch wagte es nicht, mich umzudrehen. Auf dem Flur standen Juan, Rose und Dave (die erst Genannten schwiegen sich kalt an) und warteten auf mich. Dave hängte sich an meinen Arm und kuschelte sich in eine gefühlte Dauerumarmung. Mein Latinobruder musterte erst mich, dann Damien, um im nächsten Moment knurrend auf ihn zu stürzen. Damien wich dem ersten Schlag aus, konnte gegen den Zweiten jedoch nichts machen. Vielleicht wollte er es auch gar nicht.

 

Rose war sichtlich geschockt, doch ich verfolgte das Schauspiel nur halbherzig. Knackarsch hatte eine Abreibung verdient und Juan war an Prügeleien ja schon gewöhnt, also wen störts? Die Krankenschwestern sahen das wohl anders, denn sie schrien nach dem Sicherheitsdienst, der nur wenig später eintraf, aber wahre Mühe hatte, die Beiden zu trennen. Juan hatte ziemlich einstecken müssen, während Damien nur eine Aufgeplatzte Unterlippe hatte, welche nach ein paar Sekunden schon wieder verheilt war. Das merkten die anderen zum Glück nicht, auch wenn sie erstaunt waren, dass er anscheinend keinerlei Verletzungen davon getragen hatte. Ich folgte eilig der Krankenschwester, welche Juan verarztete und setzte mich neben ihn auf das Bett. „Gehts dir gut?“, fragte er mich. Ich hob eine Augenbraue und deutete auf sein Auge, das schon jetzt blau anlief. „Sollte ich dich das nicht fragen?“ Er zuckte nur mit den Schultern und deutete auf meine Augen. „Meins verheilt. Doch deine sehen aus, als wäre gerade etwas gebrochen, was nicht so leicht heilt.“ Deutete er an und strich beruhigend über meine Hand. „Was hat er dir angetan, Süße?“, hakte er nach. „Ich...“, setzte ich an, wurde dann jedoch durch den Knackarsch unterbrochen, der im Türrahmen verharrte und unsere Hände anstarrte. „Anscheinend bist du ja auch nicht so ganz ehrlich gewesen“, sagte er kalt und drehte sich abrupt um.

 

„Liebst du ihn?“, fragte mich Juan drängend. Ich nickte traurig. „Dann geh ihm hinterher“, antwortete er. Ich riss überrascht die Augen auf. „Aber...“ „Nichts aber! Geh, bevor es zu spät ist“, sagte er und schubste mich vom Bett. Erst stand ich verdattert im Raum, doch dann stürmte ich aus dem Behandlungszimmer und rannte den Gang runter, immer meinem Gefühl nach. Die Gefährtin in mir würde ihn schon finden, sagte ich mir immer wieder. Und tatsächlich- da saß er. Allein gegen die Wand gelehnt und wütend drein blickend. Als er aufsah, glänzte sogar eine Träne in seinem Auge, die er schnell wegwischte und so tat, als wäre sie nie da gewesen. „Fühlst du das?“, fragte ich, als ich direkt vor ihm stand. Verwirrt sah er mich an. „Den Schmerz. Mich mit jemand anderem zu sehen“, erklärte ich. Er nickte zögerlich. „Doch du weißt wenigstens, dass Juan nur ein Bruder für mich ist und zwischen uns nie etwas war. Ich weiß, dass du es mit irgendeiner Frau da draußen getrieben hast, während ich dachte, du würdest einem Freund helfen. Du weißt, dass ich dir mein Leben geben würde, selbst jetzt noch. Und dein einziger Gedanke gilt deiner verdammten Freiheit. Dir ist alles egal, Hauptsache, du kannst dich durch die Welt vögeln“, spuckte ich verächtlich aus und musste mir erneute Tränen verkneifen. Er schüttelte den Kopf „Ich hatte nur Angst davor, mich in etwas zu verrennen und enttäuscht zu werden. Ich hatte Angst davor, meine Freiheit für nichts und wieder nichts aufzugeben. Ich wusste nicht, dass ich dich liebe, bis du weggelaufen bist und mich allein gelassen hast. Dann habe ich dich gehört, mit diesem Kerl in der Bar und du hast ihm von mir erzählt... Erst da habe ich verstanden, was ich dir angetan habe. Und als du ihn abgewiesen hast, da habe ich mich gefragt, warum ich das nicht kann. Jemanden abweisen, weil ich weiß, dass da draußen jemand ist, der mir viel mehr Wert ist als bloßer Sex. Und da wusste ich es: Weil da bisher niemand war, der mir soviel wert war. Du bist mir tausendmal mehr wert als meine sogenannt Freiheit“, sagte er und stand auf. „Ich liebe dich Catherine“, flüsterte er plötzlich direkt vor mir.

 

Ein Lächeln breitete sich in mir aus und ich nickte leicht. „Ich liebe dich auch“, murmelte ich dann. Es tat immer noch weh, und ich wusste nicht, woran es lag, vielleicht an der Gefährtin in mir oder einfach, weil ich gesehen hatte, wie viel ich ihm bedeutete, aber ich verzieh ihm. In diesem Moment verzieh ich ihm. Er nahm meine Hand und verschränkte sie mit seiner. „Diesmal gehen wir es langsamer an“, versprach ich und er schüttelte den Kopf. „Nein. Jedenfalls nicht wegen mir. Ich weiß jetzt, was ich will. Ich will dich“, sagte er und umfasste mein Gesicht. Einen Moment lang dachte ich, er wollte mich küssen und wich schon zurück, doch er strich einfach nur über meine gerötete Wange. Wir gingen den Gang runter zu den Andern, die schon auf Juan warteten. Rose sah sehnsüchtig zu ihm rüber, doch er ignoriert sie. Ich verstand ihn. Und ich wusste, dass es bei den Beiden wahrscheinlich nicht so laufen würde, wie bei Knackarsch und mir. Denn Rose liebte Juan nicht. Sie liebte nur sein Aussehen und seinen umsichtigen Charakter, aber sie liebte nicht genug von ihm. Dave stürmte auf mich zu und ich umarmte ihn lachend. „Hey Kleiner, ist ja gut. Ich bin ja wieder da“, redete ich beruhigend auf ihn ein. „Das ist übrigens Damien, mein Freund“, erwähnte ich betont unschuldig, bekam aber trotzdem ein anzügliches Grinsen von Rose.

 

„Hey“, sagte dieser nur kurz und ich meinte, ein dunkles Grollen in seiner Brust rumoren zu hören. Mit gerunzelter Stirn musterte ich ihn, was ihm natürlich nicht entging. Er strich über meine Hand und ich drückte seine fester. „Ohhhh“, sagte Dave und löste sich von mir, um Damien gespielt freundlich seine Hand zu geben. „Ich bin Dave und wenn du nicht nett zu meiner Schwester bist, kannst du was erleben. Freut mich dich kennenzulernen“, sagte er und schüttelte kräftig seine Hand. Ich strich kichernd durch die Haare meines kleinen Bruders und beobachtete Knackarschs Miene. Er entschied sich für ein einfaches Nicken, was ihm wohl schwer fiel, denn sein versuchtes Lächeln scheiterte kläglich. Stattdessen war sein Mund zu einem Strich verzogen und seine Stirn war durch tiefe Furchen gezeichnet. Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und flüsterte ein leises „Viel Glück“ in sein Ohr.

15. Kapitel

Die Glastür öffnete sich und ein düster dreinblickender Juan kam aus dem Zimmer geschlendert. Ich wusste nicht, auf wen er wütender war, auf Rose, die ihn betrogen hatte, auf Damien, der ihn zusammengeschlagen hatte oder auf mich, die einfach mal für eine Woche verschwunden war. Ich schätze, dass ich die Auserwählte für heute war, denn er umarmte mich nur kurz, um mich danach eiskalt zu ignorieren. Dieser Typ hatte die schlimmsten Stimmungsschwankungen, die ich je erlebt hatte. Als ich bei ihm im Zimmer war, hatte er mich noch aufgemuntert und jetzt beachtete er mich nicht einmal. Seufzend ging ich neben Kackarsch den Flur runter zum Aufzug und quetschte mich mit den anderen vier in den kleinen Raum. Ich musste mir wirklich eine gute Ausrede einfallen lassen, denn die Wahrheit würde er wohl kaum verkraften. Vielleicht sollte ich einfach behaupten, spontan mit Knackarsch in den Urlaub gefahren zu sein, um mit ihm allein zu sein? Ganz gelogen wäre das ja schließlich nicht, irgendwie war ich ja im Urlaub: Ich musste weder arbeiten, noch zur Schule oder mich um Dave kümmern. Im Grunde genommen war es der reinste Luxus, der ab heute wohl vorbei seien würde... oder? „Warte mal, bist du nicht der Typ aus dieser Bar, der Cathy angemacht hat? Ich wusste doch, dass ich dich irgendwo her kenne!“, lachte Juan plötzlich hinter mir. Hä? Bar? Ach ja, die Bar! Unsere erste Begegnung...

 

Jetzt kicherte auch Damien, beide mussten wohl an diese Situation denken. Ich hatte ihnen damals ziemlich Stoff zum Lachen gegeben, ich dagegen fand das Ganze nicht so lustig. Und das Cheerleader-Outfit erst! Gott, wurde ich grade echt rot? Ja, tatsächlich, da war eindeutig ein gewisse Hitze in meinen Wangen zu spüren! „C. Ist dir das etwa peinlich?“, hackte Rose auch noch nach. Verschämt senkte ich den Blich und präsentierte ihr zur Antwort einfach meinen Mittelfinger. Das mit Juan verzieh ich ihr noch nicht ganz, also hatte sie die Klappe zu halten! War ja schon die Höhe, dass sie hier im Krankenhaus aufgetaucht war und dann auch noch so tat, als wäre nie etwas gewesen. Zuhause würde ich ihr erst einmal den Kopf waschen und ihr ordentlich die Meinung geigen! „Da bin ich nur zu gerne dabei“, flüsterte mir Knackarsch zu. Ich schnaubte nur und verpasste ihm einen Hieb in den Bauch. Ich glaube. mein Ellenbogen hat mehr Schaden genommen, als er selbst. Vielleicht sollte ich mal mit Boxen anfangen, wäre bei so einem Idioten echt angebracht!

 

„Das würde auch nicht helfen“, fügte er nur an und ich verkniff mir ein Seufzen. Es war wieder alles so, wie es vorher war, aber konnte ich das auch? Einfach so weiter machen, als wäre nie etwas gewesen? Als hätte er mich nie betrogen oder angelogen? Nein, das konnte ich nicht. Die Gefährtin in mir interessierte es vielleicht nicht, was er getrieben hatte. Die Hauptsache war für sie, dass wir beide uns doch liebten. Aber der Rest von mir (und das war nun mal die Mehrheit) fühlte sich mehr als verletzt. Ich war besänftigt, dass konnte man schon sagen, immerhin hatte er mir jetzt die Wahrheit gesagt und er liebte mich wirklich. Aber wie ich mich kannte, würde der große Ausbruch noch kommen und ich wollte nicht wissen, was dann passieren würde... Wir gingen durch die Eingangshalle und schritten auf den Parkplatz zu, als Dave innehielt. „Du kommst doch mit nach Hause Cathy, oder?“, fragte er unsicher. Ich seufzte, noch ein Sache, um die ich mir Gedanken machen sollte. Ein kurzer Blick über die Schulter zu Damien reichte mir, um zu wissen, dass er nicht sehr viel von dieser Idee hielt. Doch andererseits hatte ich die Drei schon über eine Woche nicht gesehen und es wurde Zeit, uns auszusprechen. Denn auch wenn Juan sich bis jetzt zusammengerissen hatte, würde er eine Erklärung fordern. Mit einem kurzen Nicken zauberte ich ein süßes kleines Lächeln auf das Gesicht meines Bruders. Knackarsch und ich fuhren mit seinem Auto, während sich die anderen in das von Juan quetschten und sich in Richtung meiner Wohnung aufmachten. Da fiel mir ein, ich hatte die Miete ja noch gar nicht bezahlt!

 

„Verdammt“, maulte ich und machte mir im Gedanken schon einen Zeitplan für die Schichten im Grill. Ich würde auch noch die ganzen Sachen aus der Schule nachholen müssen. Das war der Nachteil daran, wenn man gerade mal 16 ist: Man konnte nicht mal eben so verschwinden, ohne dass es niemand mitkriegte. Damien und ich schwiegen, ich glaube, wir hingen beide unseren Gedanken nach. Jeder für sich oder besser gesagt: Er für sich. Schließlich waren meine Gedanken nie sicher vor ihm. Ich betrachtete einfach die vorüberziehende Landschaft und versuchte, an nichts zu denken, um mich zu entspannen. Das gelang mir eher schlecht als recht. Es war einfach zu zermürbend, meine Fragen und Sorgen ließen mich nicht los. Die Hälfte der Strecke war bereits geschafft, doch wir hatten immer noch kein Wort gewechselt. Ich wüsste nicht einmal, was ich zu ihm sagen sollte. War es möglich, dass ich es bereute, ihm verziehen zu haben? Vielleicht war es noch zu früh, um so eine so voreilige Entscheidung zu treffen und auf heile Familie zu machen. Wenn ich schon daran dachte, wie er mit dieser Frau...

 

“Hör auf!“, schrie er plötzlich. Ich schreckte auf und öffnete verwirrt den Mund, brachte aber nichts heraus. „Hör auf...“, flüsterte er erschöpft. „Es tut mir leid. Und ich weiß, dass es schwer ist, aber bitte! Bitte hör auf daran zu denken“, sagte er verzweifelt. Ich runzelte verärgert die Stirn. „Aufhören, daran zu denken? Du hast mich betrogen, also hör auf, mich um irgendetwas zu bitten!“, antwortete ich und verschränkte aufgebracht die Arme vor der Brust. „Ich weiß, okay? Willst du mir das jetzt immer noch vorhalten?“, fragte er und ich musste mir verkneifen, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Würde ja eh nichts bringen, dachte ich mir. „Immer noch? Du hast mir vor einer guten Stunde gesagt, dass du irgendeine Nutte gevögelt hast, während ich in diesem Büro auf dich gewartet habe. Wie schnell soll ich das denn bitte vergessen?“ Dieser Typ war ja nicht mehr zu toppen! „Ich hab ja noch nicht mal mit ihr geschlafen, ich war nur kurz davor!“ Seine Stimme war erbärmlich. Sie triefte nur so vor Schuldgefühlen und würde ich ihn nicht besser kennen, könnte man denken, er würde gleich in Tränen ausbrechen. Aber nichts da, wahrscheinlich lachte der sich im Innern über meine Naivität einen ab. Wer sagte mir, dass er nicht ein GANZ anderer Typ ist? Dass er mich nicht selbst jetzt noch verarscht? Meine innere Gefährtin wollte ihn in die Arme ziehen und um Verzeihung bettelt. Versteh einer die Frauen, das ist der Moment, in dem ich diesen Spruch nachvollziehen kann.

 

Mein Gott, selbst meiner inneren Gefährtin sollte doch mittlerweile klar sein, dass ich ihm nicht einfach so um den Hals fallen kann! Ich sollte mich selbst schlagen bei so viel Dummheit! Und ich hatte diesem Idioten im Krankenhaus auch noch verziehen. Pah! Das lag wahrscheinlich alles nur an dieser scheiß Gefährten-Sache! Genau! Denn weiß Gott, hätte mich dieser Typ vor einer Woche so runter gezogen, hätte ich eigenhändig den signierten Baseballschläger aus Daves Schrank genommen und ihm damit eine über die Rübe gezogen, wäre mit dem frisch geschärften Messer aus der Küche auf ihn losgegangen und hätte ihm seinen scheiß Schwanz abgesägt, nur um mich an seinen Schmerzensschreien zu weiden! Okay, zugegeben, dieser Knackarsch machte mich aggressiv! „Komm schon Cathy, lass es gut sein, okay? Ich weiß, dass es dich verletzt, aber ich liebe dich! Und ich werde dich nie wieder allein lassen“, raunte er mit dieser Ich-vögel-dich-bis-ins-Nirwana-Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. „Ist das ein Versprechen oder eine Drohung?“, zischte ich. Der hatte gut reden, immerhin MUSSTE er bei mir bleiben! „Ich versteh dich nicht. Im Krankenhaus hast du mir doch verziehen, was ist jetzt bitte anders?“, hackte er verwirrt nach. Was war jetzt anders? Ich wusste es nicht einmal. Vielleicht ist das Ganze erst jetzt bei mir angekommen? Nein, sonst hätte ich ja wohl kaum schon Rotz und Wasser geheult. Aber was war es dann?

 

„Ich weiß es nicht...“, gestand ich schließlich und lehnte meinen Kopf an die Fensterscheibe. „Denk einfach das nächste mal drüber nach, was du sagst“, antwortete er und ich konnte seine Kiefer knacken hören. Erschöpft schloss ich die Augen. Was war nur mit mir los? Wir fuhren an den Straßenrand und hielten an. Ich hatte nichtmal bemerkt, dass wir schon da waren. „Hier wohnst du? Ziemlich üble Gegend...“, murmelte Knackarsch und ich konnte ein Schnauben nicht verhindern. „Was...?“ Doch ich winkte ab. „Vergiss es einfach“, maulte ich und erhöhte mein Tempo, um an Rose und Juan anzuschließen. Dave war schon hochgerannt, während wir auf den Aufzug warteten.

 

Der leicht schwankende Latino legte mir kurzerhand einen Arm um die Schulter und zog mich unsanft an sich ran. „Okay, Cathy jetzt erklär mir mal bitte, wo du die letzte Woche warst. So kenne ich dich gar nicht, lässt Dave einfach allein und sagst keinem von uns Bescheid! Hat es etwas mit Damien zu tun? Ich weiß, ich hab gesagt, du sollst ihm hinterhergehen, aber wenn er dir etwas angetan hat...“, deutete er an. Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich an ihn, bis die Türen aufglitten und wir eintraten. „Nein, ich brauchte einfach mal ne Auszeit. Ich hab einfach eine Krise gekriegt, mit der Schule und der Arbeit und dann auch noch Dave obendrauf. Ich weiß, dass ich jemandem hätte etwas sagen müssen, aber als ich von der Party wegging und auf Damien traf, war ich einfach nur sauer und hab an nichts anderes mehr gedacht als daran dort wegzukommen“, flüsterte ich in seine Schulter. Er nickte und strich mir über den Kopf „Du weißt, dass ich immer für dich da bin“, antwortete er leise und ich lachte. „Ja, ich weiß. Danke“, sagte ich noch, bevor wir von Dave aus dem Aufzug in die Wohnung gezerrt wurden. Knackarsch bedachte er dabei noch mal mit einem warnenden Blick, was bei einem 8-järhigen einfach total witzig aussah. In der Wohnung herrschte pures Chaos, überall lagen Chips-Tüten, Klamotten und leere Cola-Dosen. „Das ist nicht euer Ernst, oder?“, fragte ich ärgerlich nach. Die Drei sahen beschämt auf den Boden, schwiegen aber eisern. Schnaubend schnappte ich mir die T-Shirts vom Boden und schmiss sie in den nächsten Wäschekorb, als ich einen meiner BH's in der Ecke entdeckte.

 

„Was..?“ Fragend hielt ich ihn hoch und kassierte ein siegessicheres Grinsen von meinem großen Bruder. „Wir brauchten ein Katapult für die Papierkugelschlacht“, sagte er. „Lass mich raten: Du hast gewonnen?“, maulte ich und entfernte einige der 'Geschosse' aus meiner Unterwäsche. „Jup“, lachte er. Schulterzuckend half er mir beim Aufräumen und kochte sogar etwas, weil er meinte, dass ich mich lieber ausruhen sollte. Also ließ ich mich am Küchentisch nieder und beobachtete ihn dabei. Knackarsch ließ sich derweil von Dave mit Fragen löchern „Und wie viele Freundinnen hattest du schon?“, fragte er plötzlich. Mmmh, die Frage würde mich ja jetzt auch mal interessieren... “Ähm. Nicht viele, schätze ich“, antwortete er ausweichend. „Nicht viele? Was meinst du damit?“, hackte mein Bruder nach. Ja, Süßer, gib's ihm! „Nicht viele eben...“, zischte er genervt. Ich glaube, die Beiden verstehen sich nicht gerade gut, am Besten ich unterbreche mal die Fragestunde, dachte ich mir. Ich stand vom Esstisch in der Küche auf und gesellte mich zu den Dreien auf die Couch, die sich nun geradewegs anstarrten. „Und als was arbeitest du?“ Dave zog einen leichten Schmollmund und war eindeutig über die harsche Antwort gerade beleidigt.

 

„Ich arbeite... beim Staat“, antwortete er zögerlich. Na gut, das war ja nicht ganz gelogen, immerhin war er sowas wie der amerikanische König der Vampire und hatte ja so schon irgendwie etwas mit dem Staat zu tun. „Was ist mit deiner Familie? Hast du Geschwister?“ „Nein.“ „Und was ist mit deinen Eltern?“ „Tot.“ „Haustiere?“ „Nein.“ „Alter?“ „23.“ „Okay, okay Fragestunde zuende!“, quietschte ich erschrocken. Wenn Juan mitkriegen würde, dass Knackarsch 23 ist (und damit mal eben 7 Jahre älter als ich), würde er den Kerl hochkant rausschmeißen. Von wegen Verführung Minderjähriger und so... Ich meine, klar, man sah schon, dass Damien älter als ich war, aber gleich 7 Jahre, damit hatte selbst ich nicht gerechnet. Er strich sich durch sein braunes Haar und verstrubelte es so nur noch mehr, was ihn nicht zu stören schien. Rose hatte sich aus der ganzen Sache rausgehalten und schielte nur ab und zu heimlich in die Küche zu Juan. Tja, Süße, der Zug ist wohl abgefahren und zwar ohne dich!

 

„So, Essen ist fertig!“, rief Juan und holte das alte Geschirr aus dem Schrank. Ich seufzte leise und erhob mich aus dem Sofa, nur um von Damien gleich wieder darauf gedrückt zu werden. „Hör auf damit“, zischte er aufgebracht. Schon wieder dieses Gelaber? Dabei hatte ich ja noch nicht mal daran gedacht! „Das meine ich nicht. Ich meine, du solltest dich nicht von Dave und Juan anfassen lassen. Du bist MEINE Gefährtin...“ Das Letzte klang ein wenig verzweifelt, auch wenn er dabei keine Miene verzog. Ich verdrehte die Augen. Was für eine Ironie: Er vögelt ne andere und ich darf nicht mal meinen eigenen Bruder umarmen, weil der feine Herr dann eifersüchtig wird! Böse funkelte er mich an, half mir dann aber aufzustehen und setzte sich am Tisch gerade rechtzeitig neben mich, bevor Juan sich dort niederlassen konnte. Rose begutachtete das Ganze etwas verdutzt, sah dann aber das Gute an der Sache, denn J. hatte nun keine andere Wahl, als sich auf den Stuhl neben sie zu sitzen. Ein kleines Lächeln glitt über ihr Gesicht, welches aber wieder verschwand, als sie die vor Unbehagen verzerrte Miene von ihrem Ex-Geliebten sah. Tja, nicht jeder konnte einem Seitensprung verzeihen. Und ich konnte davon ja auch ein Liedchen singen! Ich stocherte lustlos in dem …. “Sag mal Juan, was ist das hier eigentlich?“, fragte ich skeptisch nach und musterte das Gemisch aus Hühnchenbruststreifen und Bohnen. „Chili Concane, sieht man doch!“, maulte er beleidigt. Nun gut, also ich stocherte lustlos in dem Chili Concane, welches J. sicherlich mit Mühe gekocht hatte.

 

Meine Gedanken spielten jedoch immer noch verrückt und ich wusste nicht, was ich dagegen unternehmen sollte. Okay, Lage zusammenfassen Cathy: Dein Vampir-Freund/Gefährte hat dich betrogen, während du dachtest, dass er einem Freund hilft. Zusätzlich hatte er dir die große Liebe vorgespielt, obwohl er in dem Moment nicht mal wusste, dass er dich wirklich liebte. Außerdem war er extrem eifersüchtig! Andererseits liebte er mich WIRKLICH und ich war ziemlich verrückt nach ihm, was bei dieser Gefährten-Sache ja nicht verwunderlich war. „Hey Catherine, möchtest du vielleicht noch Salz?“, fragte Damien angesäuert. Ach ja und Privatsphäre war mir auch nicht vergönnt, dachte ich böse. „Nein, Danke“, antwortete ich nur und schob den Teller trotzig von mir. Ich würde das Ganze momentan sicherlich nicht runterkriegen. „Schade um das Essen“, kam es von Dave, der begierig auf meine Portion schielte. Ich verdrehte die Augen und reichte ihm meins. Zufrieden lächelte er und schaufelte alles in sich hinein. Unglaublich, wie ein kleiner Junge so viel futtern kann, dachte ich lachend und ignorierte die fragenden Blicke der Anderen. „Sag mal C. Was hat der Arzt eigentlich gesagt?“, hackte Rose nach. Ich zuckte mit den Achseln und murmelte ein „Nichts“. „Na, er muss doch irgendwas gesagt haben! Du bist schließlich nicht ohne Grund zusammen gebrochen, oder?“, sagte sie zweifelnd.

 

„Sie haben nichts Besonderes feststellen können“, antwortete ich genervt und stand ruckartig auf. Ich war sowieso schon verwirrt und jetzt sollte ich denen auch noch irgendeine Lüge auftischen, die nicht so unrealistisch wirkte, wie die Begründung von meinem 'Urlaub'. Erstaunlich, dass Juan das wirklich gefressen hatte, lügen war nämlich eigentlich nicht so mein Ding. Ich trug mein Besteck zur Spüle und räumte auch bei den anderen ab. Damien hatte seine Portion nicht angerührt und sich mit einem „Hab keinen Hunger“ entschuldigt. Den Rest des Essen verpackte ich in Frischhaltefolie und stellte es für Morgen in den Kühlschrank, dann bräuchte ich wenigstens nicht kochen, dachte ich. „Müssen wir heute Nacht hier bleiben?“, fragte Knackarsch missmutig hinter mir. „Ja, müssen wir! Ich kann doch nicht schon wieder weg!“ „Wir könnten doch einfach Morgen früh wieder kommen...“, schlug er vor. Verwirrt hob ich die Augenbrauen „Was ist so schlimm daran, hier zu schlafen?“, fragte ich. Er biss sich verlegen auf die Unterlippe. Warte, verlegen? Das war doch MEIN Knackarsch, oder? Zur Sicherheit sah ich noch mal nach. Ja, eindeutig mein Knackarsch, den Hintern gab es kein zweites Mal. Damien seufzte und unterbrach damit meine Überlegungen. „Ich brauche...“ „Ja?“ „Ich brauche meinen Tee, du weißt schon.“ Wissend nickte ich. Stimmt sein 'Ersatzblut'. „Na gut. Aber wir kommen früh wieder, versprochen?“, maulte ich geknickt, mit einem Blick zu den andern. Dankend küsste er meine Stirn und zog mich zum Flur.

 

„Hey, ich will mich schon noch verabschieden!“ Mit diesen Worten ging ich zurück in die Küche, wo die anderen immer noch saßen und sich über unsere Konversation unterhielten. Klar, dass die Drei sich über meinen neuen Freund und seine 'bestimmende Art' beschweren mussten. „Tut mir leid, aber ich muss wieder weg. Morgen komm ich wieder, ja?“, flüsterte ich Dave versprechend ins Ohr und drückte ihn kurz. J. und Rose winkte ich nur zu und ging zu Damien, der schon ungeduldig wartete. „Reg dich mal ab. Ich kann auch nichts dafür, wenn du so blöd bist und deinen 'Tee' nicht trinkst“, zickte ich und eilte zum Aufzug. Knackarsch schnaubte nur und lehnte sich an die Wand, solange wir warteten . Ich spürte seine Blicke auf mir und wand mich verärgert um, um ihm die Meinung zu sagen, als ich seine Miene sah. Seine Augen spiegelten Trauer und Schuldgefühle wieder und blickten mich so direkt an, dass ich einen Schauer nicht unterdrücken konnte. „Was ist?“, fragte ich zögernd. Ich wusste nicht, ob ich die Antwort wirklich hören wollte, denn sie hatte garantiert etwas mit unserer Situation zu tun. Und die Antwort bedeutete nur noch mehr Stoff, über den ich dann nachdenken könnte. Er lächelte sanft und sagte „Nichts. Alles gut“. Ich schüttelte den Kopf. „Nein ist es nicht. Wir sollten darüber reden“, antwortete ich entschieden. „Zuhause?“ Ich nickte. Der Aufzug glitt auf und wir stiegen ein, nur um einige Sekunden später wieder auszusteigen. Das Auto war nur wenige Meter vom Eingang des Hochhauses entfernt, sodass wir schnell im Wagen saßen und die Straßen zu seinem Haus fuhren. Wenn ich so überlegte, wusste ich nicht mal, wie man zu ihm kam. Ich versuchte mir den Weg einzuprägen und merkte schnell, dass es nicht weit von mir bis zu ihm war, denn nach zwanzig Minuten hielten wie wieder. Das Haus war aus braunen Backsteinen gebaut worden und hatte große Fenster, die in das Innenleben blicken ließen. Knackarsch hielt mir die Autotür auf und ich stieg ein wenig nervös aus. Wir liefen zur Haustür und standen damit mitten im Eingangbereich, von dem alle Räume abgingen. Hinten befand sich sogar das Zimmer, in dem er mich zu Anfang eingesperrt hatte. Komisch, wie sich die Sache entwickelt hatte, oder?

 

Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns gegenüber auf die Sofas. „Willst du nicht erst etwas trinken?“, fragte ich in die Stille hinein. Er nickte und war schon verschwunden. Ich hörte den Wasserkocher und das metalische Klimpern eines Löffels, der in einer Tasse gerührt wurde und sah schließlich dazu auch das passende Bild. So wie er da stand, mit braunen verwuschelten Haaren und dunkelgrünen Augen in schwarzen Klamotten, sah er wirklich aus wie ein Gott. Doch wenn man genauer hinsah, erkannt ich auch die Angespanntheit, die von ihm ausging. Ich versuchte zu lächeln und spielte mit einer meiner braunen Strähnen, die mir im Gesicht hingen. Plötzlich löste eine Hand meine von meinem Haar und legte sich vorsichtig darum. Unsere Finger verschränkten sich mit einander und ich fühlte mich augenblicklich geborgen. „Okay, lass uns reden“, fing ich seufzend an. Er lachte traurig auf und verfestige seinen Griff um meine Hand. „Ja, lass uns reden“, bestätigte er. Schweigen legte sich zwischen uns und ich wusste nicht richtig, was ich sagen sollte. „Ich... Ich versteh es nicht. Ich hab die ganze Zeit nicht daran gezweifelt, dass du etwas für mich empfindest. Deine Blicke und all das, es hat sich nie geheuchelt angefühlt“, flüsterte ich zögernd.

 

„Es war eigentlich ziemlich leicht für mich, dir etwas vorzuspielen, denn ich habe immer nur das Ziel gesehen: Ich könnte mein Leben behalten, ohne Streit oder Stress zu haben. Aber mit der Zeit wurde es schwerer, weil ich Gefühle für dich entwickelte, stärker als die eines Gefährten und ich verliebte mich noch mehr in dich, als ich es wegen der Gefährtschaft sowieso schon war. Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle und wollte es auch gar nicht. Und ja: All das war nicht mehr gelogen, auch wenn ich es selber nicht wahrhaben wollte, war es die reinste Wahrheit, wenn ich dir sagte, dass ich dich liebe. Du musst es nicht mehr als die reinste Lüge sehen, sondern als versteckte Wahrheit. Jede Berührung und jedes Wort kam aus tiefstem Herzen und war keinesfalls nur geheuchelt. Die einzige Lüge war mir selbst gegenüber, als ich mir sagte, dass du mir nichts bedeutest“, antwortete er. Ich nickte langsam und versuchte es so zu sehen, wie er es sah.

 

„Wieso ist dir deine Freiheit so wichtig? Ich meine, geht es nur darum Sex mit anderen Frauen zu haben?“, fragte ich und verfluchte die verräterische Röte, die sich dabei in mein Gesicht schlich. “Wenn ich mit dir geschlafen hätte, hätte ich mich nicht zusammenreißen können und hätte dich gebissen...“ „... und von da an, hätte ich deine Gedanken lesen können, verstehe“, beendete ich seinen Satz. Er nickte „Ja, zum einem das und zum anderen wäre das, naja, es wäre beschlossen gewesen, verstehst du? Es hätte kein Zurück mehr gegeben. Wir wären für immer Gefährten. Nie mehr jemand anderen anfassen oder von ihm trinken. Eine Person, für immer“, murmelte er. „Du hattest Angst davor, dich zu binden?“, hackte ich ungläubig nach. „Ja. Ich hatte Angst davor, eingeengt zu werden und auf alles verzichten zu müssen, was mein Leben als König der Vampire bis dahin ausgemacht hatte. Ich hatte so viele Frauen, so viel Blut und Sex, wie ich wollte. Mehr Geld als ich je brauchen würde und mehr Personal als Aufgaben.“ „Der pure Luxus“, fasste ich zusammen. „Ja, purer Luxus.“ Ich ließ mir das alles durch den Kopf gehen und fasste einen Entschluss. Er strich mir ein Haar aus dem Gesicht und verharrte auf meiner Wange. „Ich liebe dich“, flüsterte er bedächtig und seine Augen glitzerten schlagartig in einem komischen Fliederfarbenen Ton der fast in ein rosè ging. Fasziniert strich ich über sein Unterlid und flüsterte ebenso leise ein „Ich liebe dich auch“. Ich näherte mich vorsichtig seinem Gesicht und legte meine Lippen auf seine. Er war kurz erstarrt, faste sich aber schnell wieder, und bewegte seinen Mund im Takt mit meinem. Ich löste mich kurz von ihm und sah ihn fragend an. Er hörte meinen Gedanken und lächelte glücklich, bevor er mich bestätigend küsste.

 

Mein Zimmer, bat ich stumm und er hob mich kurzerhand hoch, sodass ich meine Beine um seine Hüfte schlang und wir unseren Kuss nicht unterbrechen mussten. Unser Kuss war noch immer sanft und vorsichtig, was sich auch den Weg über nicht änderte. Wir hatten Zeit, sagte ich mir. Er löste eine Hand von meinem Oberschenkel, um die Tür zu öffnen und legte sie erst wieder dort hin, als er mich auf die Matratze niederließ. Ich spürte den Satin unter mir und fuhr seufzend darüber. Ja, ich musste mir definitiv auch so eine zu legen, dachte ich. „Sag mir, wenn dir etwas nicht gefällt, verstanden?“, hauchte er in mein Ohr. Ich antwortete nicht, denn ich war viel zu beschäftigt damit, nicht laut aufzustöhnen, als er über meine Seiten strich. Nie, wirklich NIE, hatte ich so auf die Berührung eines Jungen reagiert, doch bei Damien war alles 10x intensiver und das, obwohl ich noch immer ein T-Shirt und Hose anhatte. Er lachte leise und küsste meinen Hals entlang, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. Fasziniert beobachtete er meine Gänsehaut und strich sanft über meine Oberarme, wo man sie am deutlichsten sah.

 

„Habe ich wirklich so eine Wirkung auf dich?“, fragte er interessiert und ich sah verlegen zur Seite. Er legte eine Hand an mein Gesicht und drehte es wieder zu ihm. „Ja“, flüsterte ich stumpf und versuchte seinen Blicken auszuweichen, die mich zu durchbohren schienen. Selbstgefällig grinste er und nahm wieder meinen Mund ein. Ich öffnete meine Lippen ein wenig und spürte in der nächsten Sekunde schon seine Zunge, die meine Mundhöhle erkundete. Sanft stupste er meine Zunge an und verwickelte sie in einen aussichtslosen Kampf. Ich schlang meine Hände, die zuvor nur nutzlos neben meinen Kopf lagen, um seinen Nacken und zog ihn näher an mich heran. Spielerisch leckte ich über seine Unterlippe und drang in seinen Mund ein. In einem Rausch von Mut, wie es mir schien, rutschte ich mit meiner Hand in seinem Nacken hinunter zu seiner Brust und von da aus weiter an seinen Hosenbund, an dem ich ein wenig verweilte, bevor meine Finger darunter verschwanden. Damien knurrte leise und ich hielt sofort inne. Oh Gott, wie peinlich! Hatte ich das wirklich getan? „Geh weiter“, hauchte er an mein Schlüsselbein und fuhr mit seiner Nase daran entlang. Ich fuhr nun auch unter den Bund seiner Boxer-Shorts und strich über seine weiche Haut an der Leiste. Er fuhr in einem steten Rhythmus über meine Seiten und rückte dem Saum meines T-Shirts jedes mal ein wenig näher, bis seine Fingerspitzen schließlich auf Haut trafen. Zischend atmete ich aus und hob seinen Kopf, durch die Hand in seinem Nacken, mir entgegen, sodass ich ihn wieder küssen konnte.

 

Diesmal lagen meine Lippen drängender gegen seinen und auch meine Zunge wurde fordernder. Das eine Berührung meiner Haut mich so erregte, war mir irgendwie ein wenig peinlich, andererseits schob ich es auf meine innere Gefährtin (ziemlich gute Ausrede, oder?). Er rollte sich selbst auf den Rücken und gewehrt mir damit mehr Bewegungsfreiheit. Ich fuhr von seiner Leiste ein wenig hoch und öffnete einen Knopf nach dem andern, bis das Hemd vollständig geöffnet war. Seine Bauchmuskeln zeichneten sich deutlich ab und wirkten im ersten Moment so surreal, dass ich sie bewundernd nachfuhr. Fast erwartete ich schon einen belustigten Kommentar, doch stattdessen sah er mir aufmunternd entgegen und gab mir damit die Chance, alles zu machen, was ich wollte. Zögerlich streifte ich das Hemd ganz von seinen Schulter, wobei er mir mit den Ärmeln half. Sanft verteilte ich eine Spur von Küssen runter zu seinem Bauchnabel und umrundete diesen mit meiner Zunge. Ein Stöhnen entwich ihm und ich entschloss mich, etwas weiter zu gehen und setzte mich auf seinen Schoss, sodass ich direkt auf seiner Mitte saß. „ Catherine...“, seufzte er so leise, dass ich schon dachte, ich hätte mir verhört. Doch seine Hände, die sich etwas verkrampft in meine Hüfte krallten, bewiesen das Gegenteil. Ich öffnete den Knopf und den Reißverschluss, was Damien erleichtert aufatmen ließ. Unsicher hielt ich inne.

 

„Habe ich was falsch gemacht?“, fragte ich schüchtern. „Nein“, lachte er und strich über mein Haar. „Was ist es dann?“, hackte ich neugierig nach. „Kannst du dir das denn nicht denken?“ Ich schüttelte abwartend den Kopf. Er richtete sich etwas auf „Es wurde mir etwas eng in der Hose.“ Mit einem Augenzwinkern hauchte er noch ein „Also hast du mir eher einen Gefallen getan“, verführerisch in mein Ohr und ich wurde unweigerlich rot, was ihn kichern ließ. Er legte sich wieder ganz aufs Bett und beobachtete mich, wie ich ihm erst die Schuhe und dann die Hose auszog. Die Boxer-Shorts ließ ich wo sie war, weil ich nicht so recht wusste, was ich machen sollte. An diesem Punkt hoffte ich, er würde wieder etwas mehr Einsatz zeigen, als nur Muster auf meine Hüfte zu malen, und die Leitung übernehmen. „Mach mit mir, was immer du willst“, sagte er. Ich kaute verlegen auf meiner Unterlippe, kratzte aber das letzte bisschen Mut zusammen, um ihn auch seiner Boxer-Shorts zu erledigen. Sollte ich vielleicht...? „Du musst nichts tun, was du nicht willst. Ich will nur, dass du weißt, dass es kein Tabu gibt“, sagte er ernst und strich mir beruhigend über meine Hand. Ich nickte und küsste ihn dankbar, was er wohl als Zeichen dafür nahm, dass er wieder die Leitung übernehmen sollte. Er legte sich auf mich und strich den T-Shirt-Saum etwas hoch und küsste liebevoll meinen Bauch.

 

„Du bist so wunderschön“, murmelte er gegen meine Haut. Ich strich über seine Schultern und genoss seine Berührungen. Mit einem Ruck zog er mir das T-Shirt über den Kopf und musterte mich unverhohlen. Peinlich berührt wand ich mich unter seinem Blick und rief mir jedes mal ins Gedächtnis, dass er immerhin vollkommen nackt über mir lag und ich damit ja wohl die Letzte war, die sich jetzt zieren sollte. Sanft strich er über die Ränder meines schwarzen BH's und spielte mit dessen Trägern. Langsam beugte er sich runter und verteilte zarte Küsse über mein gesamtes Dekolleté, nur um sich dann an meinem Hals hochzuarbeiten und wieder bei meinem Mund zu landen. Unsere Lippen trafen sich und ich konnte nicht anders, als diesen Kuss mit anderen zu vergleichen, die ich bis dahin gehabt hatte. Es war so viel leidenschaftlicher und ich fühlte mich komplett, so als hätte mir etwas mein ganzes Leben lang gefehlt und ich hätte es nun endlich gefunden. Seufzend rückte ich etwas von ihm ab und entledigte mich meiner störenden Hose, sodass ich nur noch in Slip und BH da lag. Kaum war meine Hose auf dem Boden gelandet, war er schon wieder über mir und öffnete meine letzte obere Bekleidung, die er achtlos neben das Bett warf. Ich schlang meine Beine um seine Hüfte und drückte ihn runter, sodass er jetzt ganz auf mir lag und kein Zentimeter mehr zwischen uns passte. Ich spürte seine Erektion deutlich an meinem Slip und erinnerte mich daran, mich mehr mit einzubringen, wenn das keine Ein-Mann-Show werden sollte. Ich drückte ein wenig gegen seine Brust und bedeutete ihm, sich wieder auf den Rücken zu legen, während ich neben ihm lag und meine Hand zu seinem besten Stück wandern ließ. Etwas ungelenk umfasste ich dieses und fuhr mit meinen Fingerspitzen seinen Schaft entlang. Hilfesuchend und etwas verlegen sah ich ihn an, was er mit einem Kuss quittierte und seine Hand um meine schloss. In einem steten Rhythmus bewegte er unsere Hände auf und ab, bis ich etwas sicherer geworden war und es alleine konnte.

 

Ich festigte meinen Griff und setzte mich auf seine Oberschenkel, sodass ich mich nicht länger strecken musste. Ich musste leicht grinsen, als ich spürte, wie er unter mir härter wurde und Damien ein lustvolles Keuchen entwich, was von einem Knurren gefolgt wurde, als ich mit meiner Zunge zaghaft über seine Spitze leckte und ganz vorsichtig daran knabberte. Plötzlich wurde ich hochgehoben, von dem Slip gelöst und auf die Matratze geschmissen. Überrascht quiekte ich auf und spürte zwei Zähne an meinem Hals, die über meine Haut ratschten und dort ein betäubendes Gefühl hervorriefen. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, hörte ich schon wie er schluckte und anfing wie eine Katze zu schnurren. Mein Blut kochte und floss einheitlich zu seinem Mund. Mich berauschte so ein Glücksgefühl, das ich am Liebsten aufgesprungen wäre, um Purzelbäume zu schlagen und die ganze Welt zu umarmen, doch ich blieb steif liegen und klammerte mich an Damien, dessen Hüfte schon fast schmerzhaft gegen meine drückte. „Bitte“, hauchte ich stöhnend und rieb mich verzweifelt an seinem Schritt. Mit einem Ruck löste er sich von meinem Hals und ich maulte enttäuscht auf, was sich schlagartig änderte, als er meinen Kopf an seine Halsbeuge drückte und eine süße Flüssigkeit auf meine Lippen tropfte. „Trink“, hauchte er zärtlich in mein Ohr und knabberte leicht daran. Eingehüllt von einem schweren Duft legte ich meine Lippen an die Wunde und saugte daran, bis sich mein Mund füllte und ich genüsslich schluckte. Verlangend legte ich meine Hände in seinen Nacken und zog ihn näher zu mir ran, wenn das überhaupt noch ging. Dieser Geschmack war unbeschreiblich süß und gleichzeitig einen Hauch salzig. Mehr erklang es plötzlich in meinem Kopf, erschrocken löste ich mich von ihm und sah in schwarze Augen, die liebestrunken in meine blickten. „Du kannst jetzt meine Gedanken lesen, nicht wahr?“, hauchte er fragend gegen meine Lippen. Ja.

 

Er küsste mich fordernd und legte seine Hände besitzergreifend auf meine Brüste, die ich ihm bereitwillig entgegenstreckte. Ich will sie. Jetzt. Aber ich muss langsam machen. Ich will sie nicht verletzen. Vorsichtig sein. Langsam. Schwirrte es in meinem Kopf. Gedanken, die eindeutig nicht mir gehörten. Naja hatte ja auch seine Vorteile, nicht wahr? Er fuhr hektisch über meinen Körper, liebkoste jeden Zentimeter Haut, brachte mich zur Verzweiflung, bevor er endlich, unendlich langsam in mich eindrang. Stück für Stück schob er sich mehr rein und stieß schon bald auf meine natürliche Barriere. Bereit? Ja schickte ich ihm die Antwort und krallte mich etwas fester in seinen Rücken. „Entspann dich“, flüsterte er und verwickelte mich in einen atemberaubenden Kuss, während er mit einem kräftigen Stoß endgültig eindrang. Ich zuckte kurz zusammen und spürte ein unangenehmes Brennen und einen ziehenden Schmerz, der jedoch von meiner Erregung übertüncht wurde. „Alles okay?“, fragte er fürsorglich „J...Ja“, stöhnte ich und schlang meine Beine um seine Hüfte. In einem langsamen Tempo fing er an, sich zu bewegen und biss dabei wieder in meine Hauptschlagader. Als er den ersten Schluck nahm, stöhnte ich laut auf und biss mir beschämt auf die Unterlippe. Sie schmeckt so gut. So süß. Perfekt. hörte ich es in meinem Kopf klingen.

 

Ich fing an, mich in seinem Rhythmus zu bewegen, wobei sich seine Zähne noch weiter in die Haut bohrten und er anfing, lautstark zu knurren. Mehr. Schneller. Gott, er trieb mir die Röte ins Gesicht, doch als seine Stöße tatsächlich schneller wurden, konnte ich an nichts anderes mehr denken, als an ihn. Mein Atem ging abgehackt und mein Herz schlug so schnell, das ich Angst hatte, es würde mir aus der Brust springen. Damien leckte einmal über die Wunde und veränderte unsere Stellung, sodass ich nun rittlings auf ihm saß und er unter mir. Ich küsste ihn verzweifelt und bewegte meine Hüfte quälend langsam, was mir selbst wie eine Folter vorkam, laut Rose aber wahre Wunder bewirkte. Cathy! Bitte! Verdammt, wenn sie nicht damit aufhört, kann ich mich nicht mehr zusammenreißen. Das Letzte klang so verzweifelt, dass ich mich auf seiner Brust abstützte und mein Tempo erhöhte. Seine Hände fuhren über meine Brüste und spielten mit meinen Knospen, die sich ihm begierig entgegenstreckten. Als er mit seinen Fingern zwischen meine Schamlippen fuhr und begann, dort in kreisenden Bewegungen zu reiben, brauchte es nur noch einen Stoß, um mich aufschreien zu lassen. Damien stieß noch ein paar mal zu, bevor er sich in mir ergoss und mich keuchend in eine Umarmung zog. Erschöpft legte ich mich einfach auf seine Brust und lauschte seinen Gedanken, die sich hauptsächlich mit mir und dem eben geschehenen befassten. Ich malte kleine Muster auf seine Haut und war einfach nur glücklich. Jetzt verstand ich, warum alle Welt so versessen auf Sex war. Es war das Schönste, was es im Leben gab! Und es war perfekt gewesen. Ich lächelte selig vor mich hin, als er mir sacht durch die Haare fuhr und mich sanft küsste. „Ich liebe dich“, flüsterte ich in den Kuss hinein. „Ich liebe dich auch“, murmelte er in mein Haar und drückte ich etwas fester an sich.

16. Kapitel

Wie kann ich sie nur überraschen? Vielleicht mit einem Frühstück am Bett? „Irgendwie doch blöd, dass ich deine Gedanke hören kann. Jetzt kann ich mich nicht überraschen lassen“, murmelte ich noch ganz verschlafen, aber glücklich mit so süßen Worten geweckt worden zu sein. „Du bist wach?“ „Nicht wirklich“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Dann schlaf weiter“, sagte er zu mir, während er mir wieder kleine Muster auf meinen nackten Rücken malte. Mhmm... wie ich das liebte! Ich drehte mich um. Schlang meine Arme um ihn und küsste ihn kurz. „Du machst es mir nicht einfach, noch einmal einzuschlafen“, hauchte ich in sein Ohr. Er lachte. Das Lachen, das ich so liebte. Dann legte er seine Lippen auf meine. Sacht. Zart. Ich liebe dich. Hörte ich seine Gedanken. Oder waren es meine? Ich wusste es nicht. Aber es interessierte mich auch nicht. Ich konzentrierte mich nur auf ihn. Seine Zunge, die um Einlass bat, seine Finger, die sich langsam einen Weg über meinen Körper bahnten. So sanft, als wäre ich zerbrechlich. Ich bekam Gänsehaut, was ihn wieder schmunzeln ließ. Doch irgendwann wurden die zärtlichen Berührungen zu einer Qual. Bitteschrie ich in Gedanken.

 

„Genieß es. Schließ die Augen und genieß“, lautete seine Antwort, während er jede Stelle meines Körpers mit Küssen bedeckte. Dann, auf einmal, spürte ich seine Zunge. Erschrocken keuchte ich auf. Und so schnell wie sie gekommen war, war sie auch wieder weg. Fast hätte ich laut aufgestöhnt vor Enttäuschung, aber dann fühlte ich seine Erektion an meinem Eingang. „Bereit?“, fragte er mich, nur um kurz danach meinen Mund mit seinem einzufangen. Als Antwort drängte ich meinen Körper näher an seinen. Quälend langsam drang er in mich ein, ohne den Kuss zu unterbrechen. Cathy, ich liebe dich. Ich begehre dich. Ich kann nicht ohne dich. Seine Gedanken. Ich liebte seine Gedanken. Genauso, wie ich ihn liebte. Doch ich war unfähig zu antworten, denn er fing nun an sich schneller zu bewegen. Ich stöhnte laut auf. Er lächelte. Schon wieder. Aber dieses mal an meinem Hals. Huch, wie war er denn da hin gekommen? Egal.

 

„Darf ich?“, fragte er leise in mein Ohr. Immer noch unfähig zu antworten, drehte ich meinen Kopf so, dass er besser an meinen Hals ran kam. Dann spürte ich sie. Seine Zähne, wie sie sich den Weg durch meine Haut bahnten. Und genau in diesem Moment überrollte es mich. Ich schrie meinen Höhepunkt hinaus. Damien immer noch an meinem Hals spürend, schlief ich schließlich ein.

 

 

 „Fuck!!!“ Weit entfernt hörte ich einen Knall. Begleitet von Damiens Flüchen. Mit dem Wissen, dass ich mich vielleicht bemerkbar machen sollte, konzentrierte ich mich ohne mich zu bewegen auf seine Gedanken: Soll ich es Cathy sagen? Nein. Sie wird sich nur Sorgen machen... aber berechtigt. Mit denen ist nicht zu spaßen. „Mit wem ist nicht zu spaßen? Und was willst du mir nicht sagen?“, fragte ich den auf der Bettkante sitzenden Damien und setze mich ruckartig auf. Er schaute erschrocken von seinen Händen auf. Ich kann es ihr nicht sagen. „Nichts“, sagte er mit versucht ruhiger Stimme. „Lüg mich nicht an, Damien! Ich kann deine Gedanken hören du Idiot!“, knurrte ich ihn an. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht anlügen. Ich will bloß nicht, dass du dir Sorgen machst.“ „Sorgen über was? Damien komm zum Punkt!“, unterbrach ich meinen Freund. Er verengte seine Augen zu Schlitzen und sah wütend auf den Holzboden unter ihm. „Neben deiner Wohnung wurde eingebrochen“, knurrte er und leckte über seine ausgefahrenen Eckzähne.

 

Augenblicklich musste ich an die vergangene Nacht denken. Unpassend Cathy, mahnte ich mich selber und stützte mich auf meinen Ellenbogen ab, um es ein wenig bequemer zu haben. Ich runzelte leicht die Stirn und kaute auf meiner Unterlippe. „Ist irgendwem was passiert?“, fragte ich besorgt, konnte aber erleichtert aufatmen, als er mit dem Kopf schüttelte. „Was machst du dir denn dann solche Sorgen?“ Ich verdrehte die Augen und sah an die weiße Decke, die ich während der ersten Tage hier sooft angesehen hatte. Klar, war es scheiße, dass dort eingebrochen wurde, aber Damien machte sich doch nicht Sorgen, wegen irgendwelchen Menschen. Er war schließlich ein Vampir und da er sowieso die ganze Zeit bei mir bleiben würde, hätten Dave und ich nichts zu befürchten. „Es waren Vampire“, antwortete er schließlich und knetete nervös seine Hände. „Vampire?“, flüsterte ich aufgebracht. „Was wollten die denn da?“ Er zuckte nur mit den Schultern.

 

Lalalala an was anderes denken, ganz dringend an was anderes denken, hallte aus seinem Kopf. Verärgert schlang ich die Decke um meinen noch nackten Körper und erhob mich vom Bett, um mich kurz darauf kniend vor ihn zu setzen. „Sag mir die Wahrheit“, befahl ich unsanft und verschränkte meine Arme vor der Brust. „In so nem Aufzug ist es schwer, dich ernst zu nehmen"

Verführerisch schenkte er mir ein Lächeln und legte seine Hände an meine Hüfte. Beleidigt zog ich einen Schmollmund und wendete mein Gesicht ab, bevor er mich küssen konnte. Glaub nicht, dass du mich rum bekommst! Zischte ich gedanklich und ging vorsichtshalber ein paar Schritte zurück. Er knurrte verärgert auf und schloss seine Hände zu Fäusten.

 

„Sie haben von deiner Aufgabe erfahren und wollten dich damit warnen“, murmelte er und verkrallte seine Finger in dem Jeans-Stoff seiner Hose. Ich hob meine Augenbrauen und ließ meine Arme an den Seiten baumeln. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Scheiße, Dave! „Dave, wie müssen Dave beschützen. Oh Gott, hoffentlich geht es ihm gut“, brachte ich gerade noch hervor und entledigte mich der lästigen Decke, um in meine Kleidung zu schlüpfen. Das meiste davon war ziemlich zerknittert, doch das würde ja wohl einen stören. „Hey, Cathy, beruhige dich. Es geht ihm gut“, flüsterte er in mein Ohr. „Was ist, wenn sie zurück kommen und ihm was antun?“, schrie ich verzweifelt und fuhr mir fahrig durchs Haar, das bereits strähnig war.

17. Kapitel

Wir saßen am weißen Küchentisch in meiner Wohnung, schwiegen uns an, obwohl es so viel zu sagen gab. Langsam schlürfte ich meinen Kaffee, der schon längst zu kalt war, als dass er noch schmecken würde und schob die kleine Kekspackung aus dem Schrank vor mir hin und her.

 

Als erstes hatte ich Dave begrüßt, es war, als hätte ich ihn jahrelang nicht gesehen, dabei war es doch erst gestern. Egal, ich musste versuchen, wieder Verantwortung für ihn zu übernehmen, Juan und Rose waren keine Dauerlösung und wie ich meinen Freund kannte, verbrachte er die meiste Zeit bei irgendwelchen Gangtreffen, die bestimmt keinen guten Einfluss auf meinen kleinen Bruder hatten. Auch wenn es Damien nicht passte, aber Dave würde mit zu ihm kommen. Es war zu gefährlich, hier, alleine, mit den Vampiren, die nebenan einbrachen. Ich schüttelte den Kopf und schlug meine Beine übereinander. Nein, so ging das nicht mehr weiter.

 

„Ich habe gestern einen Brief von der Schule bekommen, sie wollen eine Entschuldigung für die Zeit in der du nicht da warst“, brachte Juan ein und knabberte sofort an seinen Fingernägeln. Hatte er damit nicht schon lange aufgehört?

 

Ich nahm den bläulichen Brief entgegen, der mit meinen Daten versehen war und öffnete ihn, um mich selbst davon zu überzeugen. Tatsächlich würde ich mir darüber auch noch Gedanken machen müssen, aber das hatte Zeit.

 

„Ziehst du nun wieder hierhin?“, fragte Rose direkt heraus und ich verzog leicht meinen Mund. „Nein, ich werde Dave mit zu Damien nehmen. Nebenan wurde eingebrochen, weißt du, außerdem kann ich mir die Wohnung nicht leisten, ich schaffe den Job im Dinner nicht mehr neben der Schule. Ich steh kurz vor dem Abschluss...“ Meine Schneidezähne bohrten sich in die Unterlippe und ich schluckte hart.
„Ist das dein Ernst? Es wird doch dauernd irgendwo eingebrochen und sonst hat dich der Job im Dinner doch auch nicht gestört. Wenn du willst, kann ich dir auch ein bisschen unter die Arme greifen...“

 

Ich schüttelte ablehnend den Kopf und nahm erneut einen Schluck der braunen Brühe. „Nein, du tust schon genug“, seufzte ich und sah verstohlen zu Damien rüber, der neben mir unruhig auf dem Stuhl saß. Ihm gefiel meine Idee nicht, das hörte ich laut und deutlich, auch wenn er versuchte sich zu zügeln.

 

Dave saß vor dem Fernseher, sah sich wahrscheinlich irgendeinen Anime an oder vielleicht auch eine dieser Realityshows an, die wir beide so verabscheuten. Ich hatte ihn vorsorglich dorthin geschickt, er sollte nicht gleich erfahren, was wir hier besprachen.

 

„Findest du das nicht ziemlich übereilt, gleich mit diesem Typen zusammen zu ziehen?“, warf Rose ein und zupfte an einer ihrer schwarzen Haarsträhnen, die sich in ihrem Gesicht verhangen hatte.

 „Wüsste nicht, was dich das angeht.“ Damien verengte seine Augen zu Schlitzen und funkelte sie wütend an. In seinem Kopf brodelte es laut und wuchtig, wie eine Lawine, nur dass es sich hierbei um eine Welle der verschiedensten Gefühle handelte.

 

Man, Vampire haben ja auch eine große Gefühlswelt!

 

„Wir lieben uns“, schulterzuckend kamen diese Worte aus mir heraus, so leicht, einfach so. Die letzte Nacht hatte mich verändert, auch wenn ein kleiner Funke des Zweifels noch immer in meinem Herzen wohnte und darauf wartete, entzündet zu werden. Wann würde er mich wieder betrügen, verlassen, anlügen, etwas vor mir verbergen?

 

Mein Mund wurde trocken und ich musste meinen Blick von der dunkelhäutigen Schönheit abwenden, um nicht einzuknicken unter ihren skeptischen Augen, die mich musterten und nach einer Stelle der Schwäche suchten.

„Vielleicht sollten wir wieder gehen.“ Die Stimme des Dunkelhaarigen war schwer und doch so scharf, dass jeder von uns leicht zusammenzuckte. Ich nickte hastig und leerte den Becher in einem Zug, bevor ich mich vom Stuhl aufraffte und das Geschirr in die Spülmaschine einräumte, wo schon etliche Teile ihren Platz gefunden hatten. Kein Wunder, dass wir das alte, an manchen Stellen abgebrochene Porzellan benutzten.

 

Ohne ein Wort zu verlieren, stellte ich sie ein und folgte den anderen ins Wohnzimmer, wo sich Rose und Juan auf die Sessellehnen neben Dave gesetzt hatten.

 

„Hey, Kleiner.“ Ich drückte seine zierliche Schulter und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf seinen Haaransatz, der in verwuschelte braune Haare übergingen. Wie Dad, dachte ich still und wischte diesen Vergleich schnell weg, brachte er doch nur schlechte Erinnerungen mit sich.

 

„Magst du ein paar deiner Sachen in den Koffer im Flurschrank packen? Wir übernachten die nächsten Wochen bei Damien, okay?“ Auch wenn es nach einer Frage klang, so würde ich auch im Fall der Fälle keine Widersprüche dulden. Ich wollte ihn aus der Gefahr bringen und hoffte, dass mein Freund, ich runzelte kurz die Stirn, sein Gefolge bald wieder unter Kontrolle hatte. Dave sah verwirrt von mir zu dem Vampir und nickte schließlich. „Kann ich meine Playstation mitnehmen?“, nörgelte er und ich verdrehte die Augen bei diesem Ton. „Ich bin mir sicher, dass Damien eine Zuhause hat!“

 

Und das stimmte auch, jedenfalls hatte ich so eine Ahnung, sicher war ich mir nicht.

 

Mein Bruder verschwand in dem kleinen Kabuff, das sich Zimmer schimpfte und kam wenige Minuten später schon wieder mit einem alten Lederkoffer an der Hand ins Wohnzimmer zurück. Er hatte nun mal nicht viel zu packen...

 

„Komm!“ Lächelnd nahm ich seine Hand in meine und ging in Richtung Tür, Damien in meinem Rücken, bevor ich mich umdrehte und zum Abschied die Hand hob. Hätten wir uns nun umarmt, wäre es mir noch schwerer gefallen zu gehen. Denn auch wenn ich die Gefahr bannen wollte, meine Freunde würden hier bleiben. Schutzlos.

 

Nur langsam konnte ich mich dazu überwinden, die knarrende Klinke herunterzudrücken und den Knopf des Aufzuges zu drücken, während die Tür hinter mir zufiel und die Diskussion dahinter begann. Auch wenn Rose und der Latino sich im Moment nicht verstanden, würden sie über das Geschehene reden. Solche Klatschtanten, dachte ich grinsend.

 

Den alten Lederkoffer nahm ich Dave aus der Hand und drückte ihn Damien auf. Der konnte sich als starker Vampir ruhig mal nützlich machen. Und auch in nächster Zeit, so hatte ich den Entschluss gefasst, würde er sich zurücknehmen müssen.

Das Wichtigste war nun Dave.

Impressum

Texte: Alle Rechte außer die des Covers liegen bei mir!
Tag der Veröffentlichung: 19.05.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch allen Lesern und hoffe, dass euch 'Hometown Glory' gefällt! LG Osterhase :3

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