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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Mein Schulbeginn als Bildungspate

Schulbeginn der 2. Klasse

Einige Schüler kurz beschrieben

Lehrer gestern und heute

Schule gestern und heute

Meine Schulzeit

Weiter mit dem Unterricht

Plusrechnen

Minusrechnen

Richtiger Umgang mit den Kindern

Das Schuljahr geht zu Ende

Abschied von der 2. Klasse

Schlusswort

Autor

Impressum

 

 

 

Einleitung

Im Dezember 2021 ging ich offiziell in Rente. Vorher befand ich mich in Altersteilzeit, die ich fast nur in Kliniken verbrachte. Siehe auch mein Buch: Depression - Der lange Leidensweg. Bald wusste ich, dass es nicht meine Erfüllung sein kann, den ganzen Tag zu faulenzen. Ich suchte also nach einem Ehrenamt. Bei einem Tag der offenen Tür, veranstaltet vom Stadtteiltreff, ließ ich mich beraten, was für mich infrage käme. Wie der Name schon verrät, engagieren sich hier Ehrenamtliche aus dem Stadtteil, in dem sie leben. Es gibt verschiedene Bereiche wie z.B. Hilfe für Asylsuchende oder Schülerpate, Nachbarschaftshilfe und vieles mehr. Ich entschied mich für die Nachbarschaftshilfe und für den Schülerpaten. Für die Nachbarschaftshilfe, die hauptsächlich zum Einkaufen für ältere Leute dient oder auch Arztbegleitung bedeutete, engagierte ich mich ca. ein Jahr. Es wurde mir dann aber doch zu viel, da ich auch noch zweimal die Woche die Hausaufgabenbetreuung übernahm. Diese gefiel mir vom ersten Tag an. Was versteht man unter Hausaufgabenbetreuung. Es wird den Schülern bei den Hausaufgaben geholfen. Die Klassenlehrerin wird unterstützt und kann sich somit auch anderen Aufgaben widmen.

 

Mein Schulbeginn als Bildungspate

Ich begann also im Juni 2022 in einer dritten Klasse und die Lehrerin stellte mich den Kindern vor. Die Schulzeit neigte sich schon dem Ende entgegen und die Schüler hatten ihren Lehrstoff schon ziemlich durch. Ich ging von Schulbank zu Schulbank und sah mich um, ob ich jemanden unterstützen konnte. Es meldeten sich auch gleich einige Schüler und ich machte mich an die Arbeit. Was hier schon für Aufgaben gemacht wurden, ich staunte nicht schlecht. Bei Mathematik war das Thema Rechtecke, Quadrate usw. Es wurde mit Hilfsmitteln wie Schablonen gearbeitet. Da musste ich mich selbst erst einmal hineindenken. Aber es lief ganz gut und die Schüler fassten schnell Vertrauen zu mir. Die nächsten Wochen verliefen in diesem Rhythmus und es bereitete mir richtig Freude, mit den Kindern zu arbeiten. Ende Juli begannen dann die Sommerferien und ich wusste sofort, dass ich im nächsten Schuljahr weitermachen würde.

Schulbeginn der 2. Klasse

Es ist Anfang Oktober 2022 und mir wurde eine zweite Klasse zugeteilt. Die Hausaufgabenbetreuung der ersten und zweiten Klassen beginnen immer um 13 Uhr und enden um 14:30 Uhr. Die Zeiten der dritten und vierten Schulklassen sind zwischen 14:30 und 16 Uhr. Es gibt von jeder Jahrgangsstufe mehrere Klassen. Ich entschied mich für zwei Tage die Woche, immer am Mittwoch und am Donnerstag zu helfen. Mein erster Tag, ich betrat die Klasse und stellte mich der Lehrerin, nennen wir sie Frau Schwarz vor. Danach eine kurze Vorstellung bei den Schulkindern. Sie hörten mir aufmerksam zu und ich merkte ihnen an, dass sie nicht recht wussten, wofür ich zuständig bin. Das änderte sich aber bald, als sie sahen, dass ich ihnen Hilfestellung bei den Hausaufgaben gab. Am nächsten Tag schon, wurde meine Hilfe dankend angenommen. Die Schulklasse bestand aus 24 Schülern, von denen mehr als zwei Drittel einen Migrationshintergrund hatten. Es waren viele türkische Kinder darunter, die zu meinem Erstaunen die deutsche Sprache gut beherrschten. Ich hatte sofort einen guten Draht zu den Kindern. Die eine Hälfte begann mit den Schulaufgaben und die anderen Schüler gingen derweil nach draußen zum Spielen oder bei schlechtem Wetter, in die Turnhalle. Die Lehrerin erklärte kurz die Aufgaben und dann ging es auch schon los. Ich konnte gleich einem Jungen bei der Deutschhausaufgabe helfen. Es ging darum, was ein Nomen ist. Gott sei Dank hatte die Lehrerin vorher noch einmal alles erklärt. Das Wort kannte ich selber nicht, denn als ich noch zur Schule ging, sagte man Hauptwort dazu. Die Lehrerin erklärte es so: Ein Nomen ist, was man sehen und anfassen kann. Ein Beispiel: Die Kinder spielen auf dem Spielplatz mit dem Ball. Hier sollten die Hauptwörter (Nomen) unterstrichen werden. Mein Einsatz war nun bei den Kids sehr gefragt. Danach Rechenaufgaben Plus und Minus. Auch hier hatte ich alle Hände voll zu tun. Nach 45 Minuten war Schluss und die anderen Kinder kamen vom Spielen zurück und es wiederholte sich das Gleiche noch einmal, während die Schüler der ersten Gruppe nun in den Genuss der Freizeit kamen. Die 90 Minuten, vergingen wie im Flug. Ich war ganz schön geschafft, aber ich hatte den ersten Tag gut gemeistert. Mein zweiter Tag und ich, war schon gespannt, was mich heute erwartete. Die Schulkinder mussten mich immer begrüßen, was manchmal auch sehr lustig war. Von guten Morgen (und das am Nachmittag) bis Hallo Herr Wagner war alles dabei. Da waren sich die Kids noch nicht so einig. Heute sollten sie einen Text aus ihrem Hausaufgabenbuch abschreiben. Eigentlich eine leichte Sache dachte ich, aber es stellte sich heraus, dass dies nicht so einfach war. Die Kinder machten doch viele Leichtsinnsfehler. Fast alle schrieben nach einem Satzende, den nächsten Satz klein weiter, obwohl Frau Schwarz extra darauf hingewiesen hatte, nach einem Ende des Satzes mit Punkt, wird großgeschrieben. Auch viele Schreibfehler waren dabei. Über mangelnde Arbeit musste ich mich nicht beklagen. Natürlich konnte ich nicht allen helfen. Die Hefte wurden abgegeben und Rosa, ein türkisches Mädel hatte mehr Fehler als üblich. Sie musste alles noch mal schreiben und ging weinend an ihren Platz zurück. Da war nun mein Einsatz gefragt. Ich ermutigte sie, mit meiner Hilfe alles noch einmal zu schreiben und gab ihr den Tipp, die Sätze doch Wort für Wort abzuschreiben. Sie befolgte meinen Rat und ich lobte sie immer wieder während sie schrieb. Als sie mit dem Abschreiben fertig war und nur einen Fehler gemacht hatte, war natürlich alles wieder im Lot. Stolz ging sie zur Lehrerin und bekam auch ein Lob von ihr. So nah liegt manchmal Leid und Freud bei Kindern beieinander.

Einige Schüler kurz beschrieben

 

Hier möchte ich einige Kinder beschreiben. Da ist Serra, ein Mädchen türkischer Abstammung. Sie hat mich schon am ersten Tag umarmt und am zweiten Tag schenkte sie mir einen selbstgebastelten Igel aus Papier. Ich vermute, dass sie zu den anderen Kindern nicht viel Kontakt hat. Sie versteht zwar alles, aber sie tut sich schwer, sich mitzuteilen. Ich verstehe oft selbst nicht, was sie meint. In Mathematik hat sie kein Problem, denn ihr Vater ist darin sehr gut. Ich habe Serra und ihren Vater einmal beim Einkaufen getroffen und er konnte nicht viel Deutsch. Daher vielleicht ihre Probleme mit der Sprache. Sie ist aber sehr wissbegierig und lernwillig. Dora, auch ein Mädchen mit türkischen Wurzeln, ist sehr schlau. Sie kapiert sehr schnell, wenn es um Rechenaufgaben geht und auch in Deutsch läuft es bei ihr. Ihre Noten können sich sehen lassen. Als in der Schule scheinbar einmal über Jesus gesprochen wurde, erzählte sie mir, dass sie in der Nacht von der Kreuzigung geträumt hätte und Angst bekam. Man denkt oft gar nicht daran, dass solche Geschichten, Kindern auch Angst machen können. Felix, ein deutscher Junge ist sehr aufgeweckt. Wenn er von der Turnhalle zurückkommt, meint man er kommt vom Duschen, so durchgeschwitzt ist er. Er braucht dann erst ein paar Minuten Pause, bevor er mit den Hausaufgaben beginnt. Ansonsten ist er ein netter Bub, der nicht viel spricht und mit den Aufgaben keine Probleme hat. Marco, ein Junge, der mich an Kinder mit Autismus erinnert. Er ist bei den Aufgaben sehr langsam. Besonders mit dem Deutschunterricht tut er sich schwer. Das Erste, was er immer zu mir sagt, wenn ich zu ihm komme: Ich verstehe das nicht. Er sollte einen Satz mit seiner Augenfarbe schreiben. Er fragte mich, was er für eine Augenfarbe hätte. Du hast braune Augen, sagte ich zu ihm. Er antwortete: Nein, ich habe blaue Augen. Er stand auf, ging zum Waschbecken, dass sich im Klassenzimmer befand und schaute in den Spiegel über dem Becken. Als er zurückkam, sagte er: Ich habe blaue Augen. Meine Antwort war, dann schreibe eben, dass deine Augenfarbe blau ist. Bei den Rechenaufgaben hingegen hatte er keine Schwierigkeiten. Meistens durfte er nicht in die Freizeit, weil er sonst seine Aufgaben nicht geschafft hätte. Milan, auch ein Kind mit eigenem Charakter. Seine Handschrift war nicht gerade als schön zu bezeichnen. Auch der Zeilenabstand ließ zu wünschen übrig. Manchmal, wenn ich ihn korrigierte, dass ein Wort falsch geschrieben wäre, ignorierte er es einfach und verbesserte das Wort nicht. Er war auch davon überzeugt, alles richtigzumachen. Alina, ein ruhiges und stilles Mädchen aus der Ukraine, war am Anfang sehr scheu. Sie lernte aber fleißig und hatte eine schöne Handschrift. Ich musste sie selten verbessern und nach einiger Zeit erzählte sie mir auch von ihren Eltern und Geschwistern. Rosa, ist ein Mädchen, das nicht dumm ist, aber ihr Köpfchen nicht gerne anstrengt. Bei den Rechenaufgaben wird oft nur geraten und sie hofft, dass ich ihr das Ergebnis irgendwann mitteile. Aber darauf habe ich mich nicht eingelassen und sie musste dann schweren Herzens, doch ihren Kopf zum Lösen der Aufgaben benutzen. Sie erzählte mir, dass sie 20-mal schreiben musste, ich muss beim Mittagessen ruhig sein und darf nicht dauernd aufstehen. Darauf erwiderte ich, zu meiner Schulzeit, musste man so etwas 100-mal schreiben. Das Entsetzen darüber war ihr ins Gesicht geschrieben. Hier habe ich nur kurz von einigen Kindern die Charakterzüge beschrieben. Man muss sich als Schülerpate, schon ein bisschen in die Kids hineinversetzen können.

Lehrer gestern und heute

Die Lehrerin, Frau Schwarz, schätze ich auf ca. 50 Jahre. Sie hat die Klasse ganz gut im Griff. Die Schüler sind gehorsam, was mich schon etwas verblüffte. Ich glaube, dass es daran liegt, dass die Kinder hier nur bis zur 4. Klasse zur Schule gehen und nicht mit den älteren Schulkindern zusammentreffen. Wenn Frau Schwarz jemanden etwas fragt und ein anderes Kind die Antwort gibt, wird es sofort zurechtgewiesen, nicht ungefragt zu antworten. Bei mehreren Ermahnungen werden die Eltern vorgeladen. Auch sonst halten sich die Kinder mehrheitlich an die Regeln. Die Lehrerin weiß, wann die nötige Strenge gefragt ist und wann es etwas lockerer zugehen kann. Was ich nett von der Lehrerin fand, sie machte für jedes Kind zu Weihnachten ein Päckchen mit dem Namen des Kindes darauf. Sie stellte die Geschenke am 1. Dezember ans Fenster und zu den Weihnachtsferien durften dann die Päckchen mitgenommen werden. Man sieht, dass die Lehrer heute pädagogisch viel besser ausgebildet sind, wie noch zu meiner Zeit. Als ich zur Schule ging, waren die Lehrer unantastbar. Heute haben teilweise die Lehrer nichts mehr zu sagen, da die Eltern ihre Kinder sofort in Schutz nehmen und nicht überprüfen, wie viel Wahrheit in den Aussagen ihrer Sprösslinge liegt. So ändern sich die Zeiten.

Schule gestern und heute

1964 als ich in dieselbe Schule eingeschult wurde, war noch vieles anders. Wir hatten getrennte Klassenzimmer für Jungen und Mädchen. Man ging hier von der ersten bis zur neunten Klasse zur Schule. Heute geht es bis zur vierten Klasse und jede Jahrgangsstufe gibt es mindestens viermal. Wir hatten um ein Uhr Schulende und gingen zweimal die Woche noch für zwei Schulstunden am Nachmittag zur Schule. Heute ist es eine Ganztagsschule mit Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung. Die Eltern werden hier entlastet und können in die Arbeit gehen. Man achtet auf gesunde Ernährung und es gibt immer wieder Obst zwischendurch. Jedes Kind hat seine Wasserflasche dabei, die immer wieder aufgefüllt werden kann. Im Sommer hatte meine Generation bei sehr heißem Wetter hitzefrei. Das ist natürlich bei Ganztagsschulen nicht möglich. Es ist schon unangenehm, bei extremer Hitze zu lernen.

Meine Schulzeit

Ich wurde wie schon erwähnt 1964 eingeschult und kann mich nur noch daran erinnern, dass ich in der ersten Klasse eine nette junge Lehrerin hatte. An die zweite Klasse habe ich gar keine Erinnerung mehr. Die dritte und vierte Klasse habe ich bis heute nicht vergessen. Damals hatte ich eine Lehrerin um die 60 Jahre. Für mich war die Frau, der Teufel in Person. Sie hatte ihre Lieblinge und Schüler wie mich, an denen sie ihre Aggressionen auslassen konnte. So eine Frau würde in der heutigen Zeit keine Chance mehr haben, zu unterrichten. Ohrfeigen waren an der Tagesordnung. Beschimpfungen und Schüler in die Ecke stehen lassen, gehörten bei ihr scheinbar zum Unterricht. Damals traute man sich als Kind, nichts den Eltern zu sagen. So war ich dieser bösartigen Frau ausgeliefert. Die Lehrerin der Mädchenklasse, stand ihr in nichts nach. Meine Zeugnisse aus dieser Zeit fielen dementsprechend aus. Die fünfte und sechste Klasse war eine Gemeinschaftsklasse. Wenn die fünfte Klasse Unterricht hatte, musste die sechste Klasse schriftliche Aufgaben machen und umgekehrt. Wäre heute auch nicht mehr machbar. Bis zur neunten Klasse wurden dann meine Noten deutlich besser. Danach begannen dann die meisten Schüler (im Alter von fünfzehn Jahren), eine Lehre. Ich lernte Groß- und Außenhandelskaufmann. Auch hier hatte ich mit meinem Lehrherrn wenig Glück. Aber das ist eine andere Geschichte.

Weiter mit dem Unterricht

Ein paar Wochen arbeite ich nun schon mit den Kindern der zweiten Klasse. Sie nehmen meine Hilfe gerne in Anspruch. Bei der Begrüßung sehe ich in strahlende Kinderaugen. Es macht nicht nur ihnen Spaß, mit mir zu arbeiten. Immer wieder bekomme ich von den Kids selbstgemalte Bilder geschenkt, was mich sehr freut. Heute dreht sich alles um das Verb. Ich kenne es aus meiner Schulzeit unter Tätigkeitswort. Also alles was man tut, z.B. lernen, spielen oder laufen. Die Kinder haben schnell begriffen, was ein Verb ist. Aber mit der Rechtschreibung hapert es bei vielen noch. Danach ging es mit Mathematik weiter.

Plusrechnen

Beispiel: 38 plus 24 =

wird so gerechnet 30 plus 20 = 50

8 plus 4 = 12

50 plus 12 ergibt dann 62

War für mich neu. Zu meiner Zeit rechnete man das anders. Das Schöne daran ist aber, dass ich auch noch was lernen kann. So bekomme ich einen Einblick über die heutigen Lernmethoden. Manchmal musste ich schmunzeln, wenn ich sah, wie schlau und erfinderisch manche Schüler schon sein können. Milan, der nicht gerade ein Rechengenie war und dem ich immer wieder helfen musste, machte einige Rechenaufgaben innerhalb kürzester Zeit. Ein Beispiel 9 mal 5 = wie viel. Sofort stand 45 auf seinem Hausaufgabenheft. Das hast du aber schnell ausgerechnet, sagte ich zu ihm. Er erwiderte, die Rechnung steht da oben auf dem Blatt schon einmal. Habe ich nur abgeschrieben. Darauf muss man auch erst einmal kommen, dachte ich mir. Auch andere Schüler kannten den Trick schon. Eine neue Woche und ich helfe Ekrem bei den Deutschaufgaben. Er ist ein anständiger Junge, der Probleme mit dem Schreiben hat. Er lässt oft keinen Zwischenraum zwischen den Wörtern. Das sieht dann so aus. Ichhelfe meinerMutter beim Putzen. Mit Geduld zeige ich ihm, die richtige Schreibweise. Er nimmt es auch an, wenn ich ihn auch die nächsten Wochen immer wieder korrigieren muss. Er arbeitet aber sehr konzentriert und ich sehe, dass er lernen will. Rechenaufgaben meistert er ganz gut. Heute geht es um Artikel, daran musste ich mich auch erst gewöhnen, das Wort Artikel kenne ich aus meiner Schulzeit nicht. Der Artikel – der, die, das. Unbestimmte Artikel - ein, eine. Die Kinder mussten Worte, wie Frau, Mädchen, Junge, in Einzahl und Mehrzahl schreiben. Beispiel: Das Mädchen - die Mädchen. Hier hatten alle Kinder ihre Probleme und ich war sehr gefragt bei den Kids. Die Zeit verging wie im Flug, aber ich war zufrieden, dass ich helfen konnte. Ein paar Wochen später war das Adjektiv an der Reihe. Ich kenne es unter Wie-Wörter. Beispiel: wie ist etwas (sauer), wie ist jemand (böse). Ich ging von Tisch zu Tisch und gab Hilfestellung. Bei Marco blieb ich dann länger. Sein erster Satz an mich, war wieder einmal, ich verstehe das nicht. Mit meiner Hilfe ging es aber dann doch weiter. Marco ist ein Träumer. Wenn man neben ihm sitzt, geht es zügig voran mit den Hausaufgaben. Aber kaum ist man weg, ist alles andere wichtiger. Er verbeißt sich auch in seine Aufgaben. Bei den Rechenaufgaben zum Beispiel muss es nach der Reihe gehen. Erst Aufgabe eins, dann zwei, dann drei usw. Mach doch erst die Aufgaben, die du sicher weißt und dann die übrigen, redete ich ihm gut zu. Half aber nichts, er blieb bei seinem System. Auch die Minusrechnung kenne ich aus meiner Schulzeit anders. Hier ein Beispiel, wie heute gerechnet wird.


Minusrechnen

 

76 minus 38 =

Wird so gerechnet 76 minus 30 = 46

46 minus 8 = 38


Felix, der sonst sehr gut seine Rechenaufgaben meistert, gab sein Hausaufgabenheft Frau Schwarz zur Überprüfung. Die Lehrerin gab es ihm zurück, mit den Worten, alles falsch. Mach es nochmal. Felix ging an seinen Platz zurück und die Tränen liefen über sein Gesicht. Ich setzte mich zu ihm und versuchte ihn zu beruhigen. Nachdem ich ihm gut zugeredet hatte, fing er wieder mit den Rechenaufgaben an. Es stellte sich heraus, dass er nur plus und minus verwechselt hatte. Nach einer kleinen Hilfestellung meinerseits, war dann alles wieder in Ordnung. Die Tränen waren vergessen und Felix konnte wieder Lachen.

Richtiger Umgang mit den Kindern

Ich bin jemand, der eigentlich schnell mit anderen Menschen in Kontakt kommt. Ob Kinder, Jugendliche, Menschen mittleren Alters oder meine Generation, das spielt keine Rolle. Es liegt vielleicht daran, dass ich mich für alles interessiere und somit auch bei vielen Themen mitreden kann. Wenn man aber mit Kindern zu tun hat, muss man einen gewissen Abstand halten. In der heutigen Zeit wird vieles missverstanden und man kann sehr schnell in unangenehme Situationen kommen. Ich versuchte deshalb immer einen Abstand zu den Kindern zu halten. Ich war auch ganz froh, dass die Lehrerin mit im Klassenzimmer saß. Natürlich kann ich die Kinder nicht daran hindern, mich zu umarmen. Es sind nun mal Kinder und entweder mögen sie einen oder nicht. Es ist aber immer ein zwiespältiges Gefühl bei mir vorhanden. Wird es falsch ausgelegt, sind Gedanken, die ich mir vor 20 Jahren nicht gemacht hätte. Ich glaube aber, dass ich den richtigen Weg mit dem Umgang der Schüler gefunden habe. Hier in dieser Klasse sind die Kinder wirklich gut erzogen und gehorchen. Als es im Sommer mal extrem heiß war, brachte ich nach Rücksprache mit der Klassenlehrerin für jeden ein Eis mit. Der Jubel und die Freude waren riesengroß. Auch bedankten sich die Kids bei mir. Ich war angenehm überrascht. Da lassen sich dann Umarmungen nicht vermeiden. Nun wieder zurück zu den Hausaufgaben. Rechenübungen standen auf dem Programm. Da wartete schon Tim auf mich. Ein Junge, der immer die ersten Aufgaben mit mir machte und dann alleine zurechtkam. Bei den meisten musste ich nur eine kleine Hilfestellung geben und dann klappte es mit den Hausaufgaben. Es waren aber drei Kinder dabei, mit denen ich intensiver arbeiten musste. Eines dieser Kinder war Esra, ein schüchternes Mädchen. Sie tat sich sehr schwer mit Rechenaufgaben. Beim Zählen übersprang sie gerne mal eine Zahl. Auch hatte sie Schwierigkeiten mit Zehner und Einer. Des Öfteren musste ich bei ihr den Rechenschieber zu Hilfe nehmen, um ihr das Rechnen zu erleichtern. Sie sprach auch nur, wenn ich direkt eine Frage an sie stellte. Als ich sie ansprach, ob sie zu Hause nicht jemanden hätte, der mit ihr üben würde, sagte sie nein. Das ist schade, denn sie ist nicht dumm, bräuchte halt etwas Unterstützung von zu Hause. Sie blieb auch öfters dem Unterricht fern. Die Hintergründe dafür kenne ich nicht. Die Kinder lernten auch den Wert des Geldes kennen. Sie bekamen Muster von Geldscheinen und Münzen. Die mussten sie dann für einfache Einkäufe verwenden. Später kamen dann noch einige Schwierigkeitsgrade hinzu.

Beispiel einer Aufgabe

Thomas hat 55 Euro gespart, von seiner Oma bekommt er 33 Euro geschenkt. Er will sich ein Skateboard, das 50 Euro kostet und einen Helm, der 26 Euro kostet, dafür kaufen. Wie viel Geld bleibt übrig? Das sind so Aufgaben, wo die Kinder auch gefordert sind. In Deutsch mussten sie sich dann eine Geschichte ausdenken, die bestimmte Wörter beinhalten sollte. Die Wörter lauteten: Es war einmal Prinz oder Prinzessin Garten Ein See König Hochzeit Daraus galt es nun ein Märchen zu schreiben. Hier kamen natürlich die tollsten Geschichten zustande. Ich half Burak, einem Jungen, der gerne mal über die Stränge schlägt und lieber die anderen Kinder beobachtet. Wenn ich mich aber neben ihn setzte, machte er seine Aufgaben. Er braucht halt immer einen gewissen Anschub, um in die Gänge zu kommen. Seit neuesten muss ihn immer ein Junge begleiten, wenn er zur Toilette geht. Wahrscheinlich hat er etwas angestellt und darf jetzt nicht mehr allein zum WC. Ich erinnere mich auch daran, wie Frau Schwarz die Mädchen zur Rede stellte, ob sie auf der Toilette, Unsinn gemacht haben. Andere Lehrer hatten sich beschwert, dass Mädchen aus ihrer Klasse nasses Klopapier an die Decke geworfen hätten. Sie fragte, wer dazu Aussagen machen könne. Milan wollte etwas dazu sagen und wurde von der Lehrerin sofort ermahnt ruhig zu sein, denn da er nicht aufs Mädchenklo gehe, kann er auch nichts wissen. Die Mädchen selber, sagten das sie es nicht waren. Ich selbst traute es ihnen eigentlich nicht zu. Das sind halt so Streiche, wo ein Mädchen damit anfängt und die anderen dann mitmachen. Es gibt schlimmeres. Aber man muss es natürlich ansprechen, um den Kindern klarzumachen, dass man so was nicht tut.

Das Schuljahr geht zu Ende

 

Das Schuljahr geht nun schon dem Ende entgegen und ich sehe, wie sich die Schüler verbessert haben. Ekrem zum Beispiel hat gelernt, bei den Wörtern Zwischenräume zu lassen. Ich musste ihm nicht mehr viel helfen, da er wirklich fleißig an sich gearbeitet hat. Marco ist auch schneller geworden, aber die Aufgaben müssen bei ihm immer noch nach der Reihe gemacht werden. Burak versucht sein Bestes, bleibt aber ein Lausbub. Zu meinem Abschied hat er mir ein Bild gemalt, darauf schrieb er: ich liebe Herr wagner du biest der beste. Ich habe es so wiedergegeben, wie er es geschrieben hat. Victoria hat ein Bild für mich gemalt. Ihr musste ich fast nie helfen, da sie eine sehr gute Schülerin war. Ajan gab mir ein DIN A4-Blatt, worauf geschrieben stand: lieber Herr Wagner danke für die tolle Hilfe damit hab ich mehr gelernt die Beste hilfe. Es waren auch ein paar Worte ausgebessert. Aber für die zweite Klasse geht das schon in Ordnung, wie er es geschrieben hat. Kerem hat mir einen Igel aus Pappe geschenkt. Er war auch ein fleißiger, anständiger Schüler, den ich nicht viel helfen musste. Im Laufe der Zeit habe ich viele Zeichnungen und Bastelarbeiten von den Kids geschenkt bekommen, dass mir zeigt, dass ich von den Kindern angenommen wurde und darauf kann ich stolz sein.

Abschied von der 2. Klasse

Es ist so weit, mein letzter Tag in der Schule, die Kinder gehen in einer Woche in die verdienten Sommerferien. Heute helfe ich den Schülern noch bei den Rechenaufgaben. Danach lernten sie die Uhrzeit. Stunden und halbe Stunden. Am Ende der Hausaufgaben gehe ich nach vorne zur Lehrerin. Sie überreicht mir eine Karte, die von den Kindern für mich gemacht wurde. Schön verziert mit Blumen aus Papier. Darin stand: Lieber Herr Wagner! Vielen Dank für die tolle Hilfe bei den Hausaufgaben, die von allen Schülern und der Lehrerin unterschrieben wurde. Ich richte noch ein paar Worte an die Kids und als ich fertig bin und mich verabschieden will, kommt Serra von der letzten Bank nach vorne und umarmt mich an meinen Hüften. Höher kommt sie nicht, bei meiner Größe. Jetzt stürmen die anderen Kinder auch nach vorne und hängen sich an mich. Fünf Kinder hängen an mir, die anderen heften sich an die nächsten und so weiter. Bald entsteht eine ganze Traube und ich muss aufpassen, dass ich nicht umfalle. Das wird die Lehrerin auch noch nicht erlebt haben. Ich bin tief bewegt und es tut mir gut, nach der langen, schweren Krankheit, die hinter mir liegt. Hier habe ich eine Aufgabe gefunden, die mir Freude bereitet. Ich freue mich schon auf die erste Klasse, die ich nach den Schulferien, wieder mit Frau Schwarz als Lehrerin begleiten werde. Was ich noch anmerken möchte. Man sieht, wenn das Umfeld gegeben ist, auch Kinder mit Migrationshintergrund keine Schwierigkeiten in der Schule haben. Sie hatten Respekt vor der Lehrerin und mir. Es wurde gelernt, alle gaben ihr Bestes. Ich gehe davon aus, dass auch die Eltern ihren Beitrag dazu geleistet haben. Die Kinder halfen sich auch untereinander und haben niemanden der anderen gehänselt. Ab der fünften Klasse kommen sie dann mit älteren Schülern zusammen. Man kann nur hoffen, dass dadurch sich nicht einige von ihnen zum Gegenteil verändern.





Schlusswort

 

Ich kann nur jedem empfehlen, der eine ehrenamtliche Tätigkeit sucht, es einmal als Schülerpate zu versuchen. Die Hausaufgabenbetreuung gibt einem so viel und auch die Schulkinder sind dankbar dafür. Es ist eine Win-win-Situation für beide Seiten.


Impressum

2023 Roman Wagner

Alle Rechte vorbehalten

Unbefugte Nutzungen, wie Vervielfältigung oder Verwertung der Bilder ohne Zustimmung meinerseits, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

 

Autor

Wagner Roman, geb. 08.04.1958

In Rente seit 01.12.2021

Meine Buchtitel:

Depression – Der lange Leidensweg

Ehrenamt - Schülerpate

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.08.2023

Alle Rechte vorbehalten

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