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Der Anfang.




"Warum ist es so?" Das fragte sich die kleine Sarmu immer wieder. Jeder der sie auf den Straßen von Mizoram sah, dachte bestimmt sie sei glücklich. Schließlich lachte sie ständig und war zu jedem freundlich. Doch war es in Wirklichkeit anders.
Das kleine Mädchen hatte stets eine tiefe Leere in sich, die sie einfach nicht verdrängen konnte. Immer wenn sie Abends in ihrem Bettchen lag rollten ihr die Tränen die Wangen hinunter.
Sie träumte von einem sorglosen Leben und keinen Problemen, doch wusste sie eins, dies würde nie geschehen.
Ihre Familie war bettelarm und ihre Eltern hatten selten Zeit für sie. Meisten saß sie alleine auf der Straße und spielte mit einem Stock oder erkundete die Gegend.
Sarmu hatte nie wirkliche Freunde. Die Kinder mochten sie nicht und Erwachsene betrachteten sie nur als ein kleines Kind. Doch als eines Tages etwas geschah, dass niemand für möglich hielt, änderte sich alles.
Es war ein warmer und freundlicher Tag gewesen, Sarmus Eltern waren wieder einmal früh verschwunden und sie war alleine.
Sie ging auf die Straße und besuchte den großen Markt in ihrem Dorf. Er war berüchtigt dafür, dass es dort die besten Waren gab. Frisch und günstig zugleich.
Als das kleine Mädchen die Straßen entlang schlenderte wurde sie von jeder Richtung aus begrüßt. Jedermann kannte Sarmu und jeder war stets freundlich zu ihr.
Sie blieb vor einem kleinen Stand stehen und war fasziniert von den wunderschönen Lampen und Teppichen, die der alte Mann verkaufte. Die Lampen waren aus wunderschönem Gold und Silber. Die Teppiche waren perfekte Handarbeiten und waren bestimmt ein Vermögen wert.
Sarmus Augen waren so groß, dass der Mann ein Lächeln nicht verbergen konnte. Er lehnte sich zu dem jungen Mädchen vor und probierte so freundlich wie möglich zu klingen.
„Gefällt dir meine Ware, meine Kleine?“, fragte er und brachte Sarmu so dazu in seine alten braunen Augen zu gucken.
Ohne auch nur ein Wort hervor zubringen, nickte das Mädchen stumm und stellte sich auf die Zehnspitzen um besser sehen zu können.
„Dann will ich dir etwas schenken, ich sehe, dass du ein nettes Mädchen bist. Daher gebe ich dir...“, fing der Mann an und verschwand für einen kurzen Moment hinter seinem Tisch, der ein paar Zentimeter größer war, als Sarmu.
Als er wieder hervor kam, atmete er schwer und hielt etwas in Händen. Es war eine kleines Kästchen das bestimmt einen Inhalt beherbergte.
„Hier dies ist für dich, junges Mädchen“, brachte der Mann schwer hervor und lehnte sich wieder über den Tisch. Er streckte die Hände aus und hielt das Kästchen vor Sarmus Nase.
Sie hatte Scheu es entgegen zunehmen, doch fasste sie sich ein Herz als der Mann ihr aufmunternd zulächelte.
Mit der Schachtel in den Händen, nickte sie freundlich und machte auf dem Absatz kehrt. Sie lief den weiten Weg zurück zu ihrem bescheidenen Haus und setzte sich auf die Straße.
Noch immer stand die Sonne hoch am Himmel und ließ die Menschen schwitzen und aufstöhnen.
Die kleinen Händen des Mädchens waren schweißnass, ihr Atem ging stoßweise und ihr winziges Herz schlug schnell in der Brust.
Ihre Mutter hatte ihr immer verboten etwas von Fremden anzunehmen, doch war ihre Familie zur Zeit in einer Notlage und da war der Verstand des Mädchens anders herum.
Sie öffnete die Schachtel und spähte hinein, was sie erblickte ließ sie erstaunen.
Eine goldene Kette lag in der Schachtel und fing an zu funkeln, als ein Sonnenstrahl sie traf.
Sarmu machte große Augen und ihr Mund klappte auf. Das konnte doch nicht wirklich das Geschenk sein, was der Mann ihr geben wollte.
Mit einem Satz sprang sie auf und legte die Kette wieder zurück, schloss das Kästchen und lief zurück zum Markt.
Da Sarmu ein liebes und verantwortungsbewusstes Kind war wollte sie den Mann ausfindig machen und ihm die Kette zurück geben. Doch als das Mädchen, mit den langen schwarzen Haaren, an die Stelle kam an der, der Stand des Mannes gewesen war, erblickte sie nichts.
Verwirrt schaute sich Sarmu um. Sie war sich sicher, dass hier der Mann seinen Stand gehabt hatte. Neben dem Fisch – und Gemüsehändler.
Viele Menschen liefen an ihr vorbei und beachteten das kleine Kind nicht, dass ganz ohne Aufsicht herum lief.
Wie erstarrt stand Sarmu dort und wusste nicht so recht was sie tun sollte, hatte sie sich alles nur eingebildet? Doch woher hatte sie dann die Kette?
Hart schluckte das Mädchen und ging zu dem Fischverkäufer, es war ein dickbäuchiger Mann mit einem langen Bart. Er sah ungepflegt aus und stank nach Fisch.
Mit gerümpfter Nase, zog sie an der Schürze des Mannes, er blickte zur ihr runter und brummte.
„Was kann ich für dich tun?“, fragte ich genervt und zog die Nase hoch.
„Entschuldigen Sie, aber war nicht noch vor kurzer Zeit ein Teppichhändler neben Ihnen?“, fragte Sarmu höflich nach und zeigte mit dem Finger auf die Stelle neben ihnen die leer war.
Schnell schüttelte der Mann den Kopf und grunzte abfällig.
„Nein, mein Kind. Ein Teppichhändler war noch nie neben meinem prächtigen Fischstand. Da musst du dich sicher irren“.
Mit einem letzten Blick in die Augen des Mannes, drehte sich Sarmu um und verließ den Markt.
Sie war sich sicher gewesen, dass sie den Mann gesehen hatte und ebenso den Stand.
Ihre kleinen Hände zitterten, sie festigte den Griff um das kleine Kästchen und biss sich auf die Unterlippe.
Sarmus Verstand war vollkommen in Ordnung, dort gab es keinen Fehler oder Behinderung. Sie war sogar relativ intelligent für ihr Alter, sie konnte lesen und schreiben, aber doch hatte sie anscheint jemanden und etwas gesehen, was es eigentlich nicht gab.
Sie lief gedankenverloren durch die Stände und blickte zu Boden, als sie gegen Jemanden lief und zu Boden fiel, direkt auf ihren Po, schaute sie auf.
Warme braune Augen lächelten sie an, eine alte Hand wurde ihr entgegen gestreckt, die sie dankend annahm.
Mit einem mal wurde sie auf die Füße gezogen und Sarmu schnappte nach Luft.
„Sie sind es“, hauchte sie fassungslos und musterte den Teppichverkäufer.
„Wie bitte?“, fragte er Mann nach und lächelte liebevoll.
„Sie sind der Teppichverkäufer, der mir diese Schachtel geschenkt hat“, sagte sie und hielt ihm das Kästchen entgegen. Der Mann sah verwirrt auf die Holzschachtel, er zog die Brauen hoch und legte eine Hand auf den schwarzen Haarschopf von Sarmu.
„Mein Kind, da musst du mich leider verwechseln“, erklärte er und tätschelte ihren Kopf. Langsam verengte Sarmu ihre Augen, ihre Lippen wurden zu einem dünnen Strich.
„Nein mein Herr, ich habe Sie doch an Ihrem Stand gesehen. Sie haben mit mir geredet und diese Kette geschenkt“, brüllte sie schon etwas lauter und öffnete energisch die Schachtel und zeigte dem Mann den Inhalt.
Als er das Gold in Form einer Kette erblickte, schnappte dieser nach Luft und ließ die Hand von Sarmu sinken.
„Kleines, dies solltest du nicht so in der Öffentlichkeit mit dir herumtragen. Viele Leute beneiden dich deswegen bestimmt. Diese Kette ist sehr viel wert“, erzählte der Mann und schloss die Schachtel mit einer kleinen Bewegung.
Schnell nickte Sarmu und biss sich erneut auf die Unterlippe.
„Dies weiß ich doch, aber Sie haben mir doch diese Schachtel geschenkt“, beteuerte das Mädchen und schaute dem Mann in die Augen.
Er sagte nichts, stand ihr einfach gegenüber und noch immer liefen die Menschenmassen an ihnen vorbei.
„Nein“, hauchte er entschlossen und schaute hinter Sarmu, seine Augen waren auf etwas geheftet und schienen förmlich daran festzukleben.
„Was sehen Sie?“, hakte Sarmu nach und drehte sich um. Es war nur ein kurzer Augenblick, doch als sie sich wieder umdrehte und den Mann fragen wollte was er da gesehen hatte, erblickte sie wieder nichts.
Sie trat einen Schritt nach hinten und fing an zu zittern, ihr Blick ging durch die Gegend. Doch war der Mann weg, der alte Mann war heute schon zum weiten mal verschwunden.
Kleine Schweißperlen liefen ihr den Rücken hinunter und gefroren auf dem langen Weg, ihr fröstele es und die Angst hatte sie wieder.
Sie verstand nicht wie es der Mann geschafft hatte zwei mal einfach zu verschwinden, sich in Luft aufzulösen.
In ihrer rechten Hand fing es an zu brennen, das Holzkästchen wog auf einmal viel mehr und sie war warm, vielleicht sogar heiß.
Schnell begutachtete Sarmu die Schachtel, es war noch immer die gleiche und als sie diese schüttelte hörte sie auch noch immer die Kette darin wackeln.
Ein letztes mal sah sie sich noch um, bevor sie beschloss wieder nach Hause zu gehen. Sie würde Mutter alles erzählen und vielleicht hatte diese ja eine Erklärung dafür, was geschehen war?
Sarmus kleine Füße wirkten noch viel winziger auf dem staubtrockenen Boden und auch sie wirkte viel kleiner unter all diesen Menschen.
Nach kurzer Zeit war das Mädchen wieder Zuhause, es roch nach Essen. Sie streckte ihre Nase in die Höhe und zog den Duft von Reis und Gemüse ein, betrat das Haus und sah ihrer Mutter in der Küche, sie kochte gerade und hatte ihre langen Haare unter einem einem Tuch versteckt, über ihren Sari trug sie eine Schürze.
„Mutter, Mutter!“, rief Sarmu und lief auf ihre Mutter zu, die Schachtel noch immer in der Hand.
Als die junge Frau sich umdrehte und ihr Kind erblickte fing sie an zu lächeln, ihre weißen Zähne stand in einer perfekten Reihe.
„Sarmu“, gab sie zurück und legte den Holzlöffel aus der Hand.
„Mutter, guck doch mal!“, sagte sie ganz aufgeregt und hielt die Holzschachtel hoch, ihre Mutter nahm sie entgegen und öffnete sie.
„Schön Sarmu, dieser Stein ist wirklich hübsch“, hauchte sie und gab ihrer Tochter ein Kuss auf den Kopf.
„Aber Mutter, das ist doch kein Stein sondern eine Kette“, pflichtete Sarmu bei und stellte sich auf die Zehnspitzen um in die Schachten zu blicken.
Was sie dann sah ließ sie in eine tiefe Trauer fallen. In dem Kästchen war tatsächlich ein Stein aber keine Kette.
„Aber...“, stammelte Sarmu.
„Als Anhänger würde sich dieser Stein bestimmt gut machen, da hast du Recht“, sagte die Mutter und gab die Schachtel zurück. Traurig steckte Sarmu das Kästchen in ihre Tasche und setzte sich auf einen Stuhl, sah ihrer Mutter dabei zu wie sie kochte und ging in Gedanken nochmal alles durch.
Hatte ihr der Mann, doch vielleicht die Kette geklaut, die er ihr geschenkt hatte?
„Sarmu?“, fragte ihre Mutter und blickte über ihre Schulter.
„Ja Mutter?“.
„Was wollen wir Morgen machen, auf was hast du Lust?“, hakte sie nach und zwinkerte der Kleinen zu.
„Morgen? Musst du denn nicht arbeiten?“, ungläubig zog Sarmu die Brauen hoch.
„Nein, ich brauchte nicht mehr arbeiten. Dein Vater hat nun einen gutbezahlten Job bei einem Händler und daher brauche ich nicht mehr arbeiten“, erklärte Sarmus Mutter glücklich und stellte eine große Schüssel mit Reis auf den Tisch.
Die weißen Körner dampften und verströmten einen unglaublichen Duft.
„Einen Händler?“.
„Ja, ein Teppich – und Lampenhändler, ein netter alter Mann“, schwärmte sie und stellte nun die zweite Schale mit Gemüse auf den Tisch.
Sarmu machte große Augen und starrte ihre Mutter fassungslos an.
„Teppiche und Lampen...“, wiederholte das Mädchen und sah die braunen warmen Augen vor ihrem Inneren.

Ende.

Impressum

Texte: Copyright des Textes liegt beim Autoren.
Tag der Veröffentlichung: 26.11.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Beitrag zum : `Märchen aus 1001 Nacht-Wettbewerb`.

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