Um sechs muss Eva gehen, sie studiert und muss noch lernen. Ich winke ihr nach und rufe aufgeregt Nils an. Ich erzähle ihm von Eva, er ist ganz aus dem Häuschen. Zumindest tut er so. Ich gehe hinaus, sauge die frische Luft in mich hinein und mache mich auf in den Wald. Ich suche den Wolf, finde ihn liegend neben einem Baum. Ich setze mich zu ihm und erzähle von Eva. Skeptisch (sofern ein Wolf skeptisch dreinschauen kann) sieht er mich an und legt den Kopf schief. Ich schätze er ist nicht ganz begeistert von der Sache. Seufzend vergrabe ich mein Gesicht in seinem Fell. Er riecht nach Pilzen und Erde. Wir bzw. ich rede/n noch ein bisschen, dann spaziere ich noch ein bisschen durch den Wald. Es ist kalt, aber das ist mir egal. Plötzlich sehe ich giftgrüne Augen aus einem Busch blitzen. Vorsichtig werde ich schneller und gehe Richtung Straße. Das letzte was ich spüre, sind riesige Pranken auf meinem Rücken.
Mein Rücken tut verdammt weh. Langsam öffne ich meine verklebten Augen und merke, dass ich im Wald bin. Ich richte mich vorsichtig auf und sehe zwei Wölfe. Einer davon ist Dad. Dad. Er ist schwer verletzt und atmet röchelnd. Ich springe auf und schüttle ihn leicht. Mit müdem, traurigem Blick sieht er mich an. Verzweifelt sehe ich seine Wunden. Tiefe Schnitte und Schürfwunden übersähen den ganzen Körper. Ich sehe mit den anderen Wolf an. Er bewegt sich nicht. Ich glaube er ist tot. Meine Klamotten sind komplett zerrissen und blutig. Ich schiebe meine Ärmel hoch und sehe, dass ich selbst nicht einfach so davongekommen bin. Ich taste auf meinem Rücken herum und spüre tiefe Schnitte. Ich schiebe es auf den anderen Wolf. Er ist pechschwarz mit giftgrünen Augen. Ich streiche durch sein Fell, es ist struppig und rau.
Mein Blick gilt wieder Dad. Er röchelt nur mehr. Ich habe Schiss dass er ein zweites Mal strirbt. Ich wäge ab ob es besser ist wenn ich nach Hause renne und Verbandszeug hole oder ob ich ihn nach Hause schleppe. Ich rufe Nils an ob er in den Wald kommt. Kurz darauf sehe ich ihn schon durch den Schnee stapfen und spüre seine entsetzten Blicke auf meinem Rücken. Er kniet sich neben mich und streicht mir vorsichtig über den Rücken. Ich deute auf den Wolf, er soll mir helfen ihn zu mir nach Hause zu zerren. Er blickt mich verständnislos an, packt aber mit an. Schnaufend schleppen wir ihn ins Haus und legen ihn auf das Sofa im Wohnzimmer. Er atmet fast nicht mehr. Zitternd rufe ich den Tierarzt an und vertraue ihm einen „besonderen“ Fall an. Er kommt gleich.
Ich habe die ganze Zeit Angst dass er mir in den Armen wegstirbt. Ich brülle ihn an dass er das mit dem Sterben gefälligst vergessen soll und beginne zu weinen. Tröstend nimmt Nils mich in die Arme. Danach holt er mir frische Klamotten und Waschlappen. Vorsichtig zieht er mir das Shirt über den Kopf und sieht mich mit nicht deutbarem Blick an. Langsam legt er mir den Waschlappen auf die Schulter und nimmt ihn sofort weg, als ich entsetzt nach Luft schnappe. Oh Gott tut das weh! Er sagt das muss sein und legt ihn ein weiteres Mal auf meine Schulter. Ich verziehe das Gesicht und gebe keinen Mucks von mir. Leise wäscht er mir die Wunden aus und legt mir einen Verband an. Dann sind meine Beine dran. Auf das schlimmste gefasst ziehe ich sie mir aus und sehe sie an. Mein linkes Bein sieht schlimm aus, aber das rechte ist ok. Ich verbiege mich und betrachte mein Bein. Ein verdammt tiefer Schnitt zieht sich von meiner Hüfte bis zum Knöchel. Der Schnitt zieht sich durch meine Pfote. Nils sieht mich an als ob er gleich in Ohnmacht fällt. Er atmet tief durch und greif nach dem bereits blutigem Waschlappen und fängt an den Schnitt vorsichtig zu betupfen. Ich schließe die Augen und denke an etwas schönes. Meine Gedanken schweifen zu Eva. Ich lächle und entspanne mich. >>Fertig.<< Nils geht mit dem Waschlappen ins Bad und wäscht ihn aus, ich gehe in mein Zimmer und suche zitternd frische Klamotten. Es ist keine gute idee mitten im winter nur in Boxer durchs Haus zu rennen. Nils kommt nach und setzt sich auf das Bett. Ich ziehe mir eine Jogginghose an. Die hat Dad gehört. Dad. Ich setze mich neben Nils und lehne mich an ihn, er legt mir einen Arm um die Schultern. >>Danke.<< Ich flüstere es nur und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. Es klingelt. Wahrscheinlich der Tierarzt. Wir gehen runter und öffnen die Tür. Er sieht uns seltsam an. Mir fällt jetzt erst auf das ich nur eine Hose anhabe und meine Haare ziemlich zerzaust sind. Was der jetzt von uns denken wird.. Leider flutscht mir vor dem „Hallo“ ein „wir sind nicht schwul“ heraus, was uns beide knallrot anlaufen lässt. Der Arzt murmelt ein unsicheres „Sicher“ und geht ins Wohnzimmer. Wir folgen ihm stumm und sind gespannt auf seine Reaktion. Er sieht den Wolf und taumelt zurück, kann sich gerade noch an der Kommode abfangen. Entsetzt blickt er mich an, ich grinse zurück und sage er soll ihn endlich untersuchen. Langsam kommt er näher und greift den Wolf am Kopf an. Dad öffnet die Augen und sieht ihn traurig an. Der Arzt bekommt eindeutig Mitleid und beginnt ihn zu untersuchen. Er muss die Wunden nähen und ihm ein paar Pillen geben. Er gibt uns die Packung und erklärt uns wie oft er sie nehmen muss. Ich frage Nils nach Geld, der Tierarzt meint er ist froh dass der Wolf ihn nicht auffrisst. Wir bedanken uns und er verschwindet. Glücklich knie ich mich neben Dad und drücke ich an mich, er leckt mir über die Wange. >>Hi! Was zum..<< Entsetzt drehe ich mich um und sehe Eva, die verwirrt auf den Wolf deutet. Ich stehe auf und erkläre ihr alles. Sie sieht mich mit einem verarschen-kann-ich-mich-selber-Blick an, als Beweis zeige ich ihr die Pfote, die ganz nebenbei in leuchtendem grün erstrahlt. Sie setzt sich zu dem Wolf, ich stelle die drei vor. Nils schüttelt ihr die Hand und lächelt sie an. Dad springt auf, dreht sich noch einmal zum Gruß um und verschwindet durch ein offenes Fenster. Ich sehe ihm noch lange nach.
Tag der Veröffentlichung: 05.09.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Vicky..es tut mir leid, is a bissi kurz gworden..