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Vorsichtig stehe ich wieder auf. Kann das sein? Dad ist ein Wolf? Verzweifelt brülle ich den Baum an, in der Hoffnung, dass er mir sagt was hier los ist. Scheiße! Wütend (keine Ahnung warum) marschiere ich in die Stadt. Mir fällt auf , dass ich seit etwa einer Woche diesselben Klamotten anhabe. Hoffentlich merkts keiner. Ich gehe in den Supermarkt, sehe mich um. Ich stecke ein paar Äpfel und eine Flasche Cola ein. Geld hab ich keins, aber auch keine Eltern mehr, die sich darüber aufregen oder für mich blechen müssen. Unaufgeregt gehe ich an der Kassa vorbei und hinaus. Ich atme frischen Smog ein, dann spüre ich eine Hand auf meiner Schulter.
Scheiße, das passiert immer mir.
„Was haben wir den da?“ Einer dieser aufdringlichen Ladendetektive schnappt sich meine Äpfel und meine Cola. Genervt sehe ich ihn an und kann mich nicht zurückhalten ihm meine Probleme ins Gesicht zu schleudern. Mitfühlend sieht er mich an. Ich bin verblüfft. Mit sowas habe ich nicht gerechnet. „Es tut mir leid, aber ich muss dich trotzdem mitnehmen.“ Das war klar. Seufzend folge ich ihm. „Hast du verwandte?“ Ich schüttle den Kopf. Alles Saufköpfe, die mir die Strafe sicher nicht zahlen. „Freunde?“ „Einen.“ Er gibt mir das Telefon, ich rufe Nils an. „Hallo?“ „Hi, ich bins, Hannes.“ „Was gibt’s?“ „Kannst du mir nen Zehner borgen?“ „Wo bist du?“ „Supermarkt. Hab geklaut, bin erwischt worden.“ Ich höre ihn seufzen. „Ich komme.“ Ich lege auf, der Detektiv sieht mich an. Nicht mit diesem skeptischen Blick, sondern mit einem warmen, menschlichen Blick. „Dir geht`s echt scheiße, was?“ Emotionslos sehe ich ihn an, und muss mich zurückhalten ihm nicht eine zu klatschen. Ich sehe aus wie der letzte Penner, habe fettige Haare und seit einer Woche dieselben Klamotten, meine Mom ist erst gestorben und Dad vor Zehn Jahren und muss klauen um irgendwas zwischen die Zähne zu kriegen und er fragt mich allen ernstes ob es mir scheiße geht? Ich zwinge mich mich zu beruhigen. Er hat es nur gut gemeint, nicht zuviel aufgregen. Ich atme tief durch und nicke. Er kommt langsam näher, drückt mir die Äpfel und die Cola wieder in die Hand und zwinkert mir zu. Ich lächle in ehrlich an. Ich hätte nie gedacht dass ich Ladendetektive einmal mag.
Nils stolpert herein und sieht mich traurig an. Er drückt dem Typ den Zehner in die Hand, entschuldigt sich und zieht mich aus dem Supermarkt. Draußen setzt er sich mit mir auf einen Bank und sieht mich enttäuscht an. Nervös knete ich meine Hände. Die Situation verläuft unangenehm für mich. „Warum fragst du mich nicht einfach?“ Ich erkläre dass ich nicht will dass er mich für einen Schnorrer hält. Lächelnd legt er mir den Arm um die Schulter, ich lege meinen Kopf auf seine Schulter. Leise flüstere ich eine Entschuldigung, er kneift mir in die Nase. Ich piekse ihn kräftig in die Seite, er lacht nur. Glücklich sehe ich ihn an und schließe meine Augen wieder. Die Sonne scheint mir auf den Rücken, mir wird wunderbar warm. Endlich wieder etwas Glück in meinem Leben.
Nils hat wieder seine nostalgische Phase. „Weißt du noch wat fürn scheiß wir imma jemacht ham in der Schule?“ Ich grinse als ich an unser abgefackeltes Klassenzimmer und die Jubelschreie unserer Klassenkameraden denken muss. Das waren noch Zeiten. Zeiten in denen Schule scheiße und das Leben schön war. Ich frage mich was aus denen geworden ist. Wie es wohl Finn geht? Einer meiner Freunde aus der Gymnasium-Zeit. Ja ich war im Gymnasium, ich braucht jetz gar nich so ungläubig glotzen! Mal sehn ob der wirklich schwul geworden ist (A.d.A.: Vicky, ich mache hier ne kleine Anspielung auf Schabl und Maurer, wenn du verstehst was ich meine *zwinker*). Behauptet hat ers jedenfalls immer. Ich frage Nils nach ihm, er weiß sogar wo er wohnt. Begeistert hüpfe ich auf und überrede Nils ihn zu besuchen. Er verdreht die Augen und geht los, ich springe ihm wie ein kleines Kind hinterher.
Als wir angekommen sind läutet Nils. Ein hochgewachsener, bunthaariger Typ, der eindeutig NICHT Finn ist öffnet die Tür. Überrascht sehe ich ihn an und frage nach Finn. „FINN!! BESUCH!!“ Ein braunhaariger, seltsam tätowierter anderer Typ, der schon eher Finn ist, hetzt zur Tür. Ungläubig sieht er uns an. „Hannes? Nils? Was macht ihr hier?“ Grinsend sehe ich ihn an. Fast wie früher, nur eben die Tattoos. „Haben grad über dich gesprochen, da wollten wir dich besuchen!“ Ich frage wer der Typ ist, der die Tür aufgemacht hat. Er fragt uns ob wir noch wissen dass er immer behauptet hat dass er schwul wird. Lächelnd stellt er sich zum Bunthaarigen und drückt ihm einen Kuss auf den Mund. Ich gratuliere ihm, er fragt ob wir Kaffee trinken wollen. Wir gehen rein. Ich erfahre dass sein Freund Stefan heißt und zwei Jahre älter als Finn ist. Freundlich lächelt er uns an und hält mir die Hand hin. Kräftiger Händedruck, mit schmerzverzerrten Gesicht reibe ich sie mir, natürlich unter dem Tisch und relativ unauffällig. Er fragt mich ob Nils und ich zusammen sind. Er läuft knallrot an und verneint. Ich erlaube mir den Scherz und drücke ihm einen Kuss auf die Wange, um kurz darauf in schallendes Gelächter einzustimmen. Finn und Stefan lachen mit, Nils findet es gar nicht witzig.
Ich sehe dass die beiden sehr glücklich sind, bemerke die verliebten Blicke die sie sich zuwerfen. Mir fällt auf dass ich keine Freundin habe. Auch egal. Er fragt mich nach meiner Familie, schlagartig wechselt die Szene. Ich schlucke hart, erzähle ihm stockend dass Mom vor zwei Tagen gestorben ist. Mitfühlend sieht er mich an und zieht mich in eine Umarmung. Ich wische mir die paar Tränen aus dem Gesicht und atme tief durch. Ich merke dass Stefan mich während der Umarmung etwas eifersüchtig angesehen hat.
Finn steht auf, Kaffee machen, Stefan folgt ihm. Nils wischt mir die restlichen Tränen aus dem Gesicht, ich höre Finn kichern. Ich blicke auf, sehe dass Stefan seine Arme um ihn geschlungen hat und ihm Küsse ihn den Nacken setzt. Ich höre ein gemurmeltes „Wir haben Gäste, reiß dich zusammen.“. Die beiden tragen den Kafffee zu uns, dankend nehme ich Finn eine dampfend heiße Tasse ab. Wohlig schaudernd schlürfe ich ihn, höre Finn zu was er in den letzten Jahren so getrieben hat. Er hat Stefan bei Novarock kennengelernt, als sie beim Pogen aneinander gekracht sind und er fast ins Krankenhaus musste. Sie sind jetzt schon zwei Jahre zusammen. Sein Vater hat ihn rausgeschmissen als er es erfahren hatte. Seitdem wohnt er bei Stefan. Ich erzähle was bei mir so war. Dass Mom all die Jahre durchgesoffen hat, ich so gut wie immer arbeitslos bin ,weil ich jedes einzelne Vostellunggespräch vergeigt habe und , und einen wunderbaren besten Freund Namens Nils habe. Bei seiner Erwähnung wird er ein kleines bisschen rot. Ich trinke meinen Kaffee aus und stelle die Tasse auf den Tisch. Das war eindeutig Anregung für meinen Bauch, lautstark meldet er sich. Etwa entsetzt versuche ich dass das Knurren aufhört, was mir alles andere als gut gelingt. Lachend fragt Finn ob wir was essen gehen, ich stimme zu.
Nachdem die beiden die Tür abgeschlossen haben gehen wir los. Stefan uns Finn, engumschlungen, an der Front, Nils und ich etwas verloren hinter ihnen. Ich merke dass Stefan es sich nicht nehmen lässt besitzerisch seine Hand auf Finns Arsch zu legen. Ja, ja, die Liebe. Irgendwie vermisse ich sie. Ich hatte bis heute genau eine Freundin, und die hat mich verlassen nachdem sie meine Wohnung gesehen hatte. Seufzend gehe ich neben Finn, der lachend einen Arm um meine Schulter legt und über die Schulzeit spricht. Er erklärt Stefan woher er uns kennt. Ich sehe nach Nils, etwas verloren geht er hinter uns her. Ich strecke meine Hand nach hinten, er nimmt sie und geht zu mir vor. Wir sehen sicher wie ein schwules Vierer-Paar aus, aber das ist mir im Moment sowas von egal. Ich habe meine besten freunde wieder gefunden und weiß es zu schätzen.
Wir setzen uns in ein Restaurant am Brandenburger Tor, Finn und Stefan natürlich zusammen. Die kommen mir vor wie ein frischverliebtes Teenagerpaar, aber was solls. Ich muss zugeben, dass sie schon niedlich aussehen. Vorsichtig schiele ich zu Nils, er weiß dass ich kein Geld habe. Er zwinkert mir zu und lächelt. Beruhigt bestelle ich einen Salat und lehne mich zurück. Wir reden noch ein bisschen, höre dass Stefan ein Tattoostudio gleich um die Ecke hat und gar nicht schlecht verdient. Aus reiner Neugier zeige ich ihm meine Pfote und frage ob er weiß was für Tinte das sein könnte. Fasziniert sieht er sie an, sie schimmert immer noch wie Öl. Er schüttelt den Kopf und fragt woher ich das habe. Es wird mir etwa unangenehm, ich frage mich ob ich es ihm verraten soll. Ich überwinde mich und erzähle vom Wolf. Ich glaube er hält mich für Geisteskrank.
Finn muss auf die Toilette, fünf Minuten später muss Stefan auch. Ich weiß was die im warsten Sinne des Wortes treiben.
Scheiße.
Ich muss auch auf die Toilette, und zwar dringendst. Ich hoffe dass sie zumindest soviel Anstand hatten in die Kabine zu gehen. Vorsichtig luge ich hinein, entdecke niemanden. Beruhigt gehe ich hinein. Zu früh gefreut. Ich entdecke sie, sie sind zwar in der Kabine, haben die Tür aber sperrangelweit offen gelassen. Ich betrachte sie eine Weile, sie bemerken mich nicht. Wer tut das schon in so einer Situation. Wild kutschend sitzt Finn auf Stefan, der gerade seine Hände in Finns Jeans gleiten lässt. Jetzt wird es peinlich. Leise mache ich die Tür zu, ich glaube Stefan hat mit zugezwinkert.
Ich pinkle und höre sie. Leider. Peinlich berührt mache ich schneller und gehe wieder zu Nils. Er fragt mich ernsthaft was die so lange brauchen. Ich huste und sehe ihn vielsagend an. Er hört auf der Stelle mit der Fragerei auf.
Mein Salat ist gekommen. Mit leuchtenden Augen betrachte ich die knackigen Blätter und stopfe sie ihn mich rein. Oh mein Gott ist er gut! Ich beginne zu grinsen und kann nicht mehr aufhören. Finn kommt wieder. Er trägt das T-Shirt eindeutig falsch herum, die Haare stehen in alle Richtungen und er hat ein siegessicheres Lächeln auf den Lippen. Kurz darauf kommt auch Stefan, der Gürtel ist noch offen, die Haare gleich wie bei Finn, und er sieht erschöpft aus. Mächtig erschöpft. Ich grinse sie dreckig an, Finn wird knallrot und sieht mich verlegen an. Stefan bemerkt dass sein Gürtel offen ist und schnallt ihn sofort zu. Stefan sieht mich an, formt mit den Lippen ein „Danke“ und legt einen Arm um Finn, der sich an ihn kuschelt. Die zwei sind ein wunderbares Paar.
Nils bekommt sein Kotelett und beginnt zögernd zu essen. Ihm ist das alles hochgradig peinlich. Ich finde es amüsant. Finn und Stefan bekommen auch ihr essen und beginnen auch. Ich habe nur den Salat gehabt, und bin bereits satt. Nachdem Essen gehen wir noch ein bisschen in Berlin spazieren. Ich betrachte Finns Tattos. Sieht irgendwie gar nicht schwul aus. Ich sehe auch eine Pfote, die genau so aussieht wie meine, nur gut versteckt zwischen einem irre lachendem Clown und einem Totenkopf. Ich sehe ihn seltsam an und deute auf die Pfote. Er sagt wir treffen uns Morgen wieder, genau hier.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.09.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Vicky....

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