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Gegen Neun kommt mir die Idee dass wir in den Wald gehen könnten. Begeistert blitzen Nils` Augen auf. Schnell hole ich meine Schuhe und ziehe sie an. Nils fällt das Schuhband auf. Er gibt mir eins von seinen.
Gemütlich spazieren wir in den Wald. Ich liebe den Mond, so dick und gelb. Mit meiner Hand greife ich nach seiner Schulter und deute auf den Mond, seine Augen beginnen zu glitzern. Langsam stapfen wir weiter, der Schnee knirscht und kracht so schön bei jedem Schritt.
Ich habe wieder dieses seltsame Gefühl und renne auf die Lichtung zu. Der Wolf erwartet mich schon. Meine Füße machen sich selbstständig und bleiben zwei Zentimeter vor dem Wolf stehen. Er legt mir seine Pfote auf den Fuß. Ich weiß dass er hungrig ist, habe aber nichts. Fast mitleidig sehe ich ihn an und fahre seine Augen mit dem Finger nach. Irgendwie kommen sie mir bekannt vor.
Nils steht hinter mir, ich erschrecke mich fast zu tode. Zitternd und eindeutig ängstlich starrt er den Wolf an. Er knurrt und Nils saust quer durch den Wald. Leise verabschiede ich mich vom Wolf und renne ihm nach.
Ich finde ihn zwischen zwei Bäumen sitzend und ins Leere starrend. Vorsichtig knie ich mich vor ihn und fuchtle mit der Hand vor seinen Augen. Er schüttelt sich und sieht mich mit großen Augen an. Zum ersten Mal sehe ich seine Augenfarbe. Braungrün. Er schnellt hoch und rennt hinter den nächsten Baum, ich gehe ihm nach. Plötzlich dreht sich zu mir und ich kriege einen Schneeball ins Gesicht. Es ist eher ein Eisball, denn ich blute aus der Nase. Lachend wische ich es weg und zahle es ihm Heim. Nach einer ausgelassenen Schneballschlacht gehen wir zu ihm duschen. Ich befreie mich vom meinem T-Shirt und betrachte das Mal.
Seltsam.
Es sieht irgendwie anders aus. Ich sehe genauer an.
Die Pfote hat Krallen bekommen.
Ungläubig betrachte ich es und ziehe mich ganz aus. Ich steige unter die Dusche und drehe das Wasser auf Kalt. Da kann ich besser nachdenken. Langsam wasche ich mich. Schön, hier gibt es sogar Duschgel.
Wohlig schaudernd steige ich aus der Dusche und rubble mich trocken. Meine Finger fahren durch meine Haare, ich sehe sie an. Grau. Das wird abfärben. Egal. Nils kann die Bettwäsche eh waschen. Er hat Geld. Ich ziehe mir Schlafshirt und Boxer an und gehe in Nils` Zimmer. Konzentriert ließt er ein Buch. Ich lese Titel und Autor. Stephen King, Brennen muss Salem. Ich lese sowas nicht. Nicht mehr. Ruft zuviele schmerzhafte Erinnerungen hervor.
Ich plumpse auf das Bett und blicke mich um. Nils hat mich immer noch nicht bemerkt. Poster von Filmen, Bands, Sänger. Klamotten, verstreut über das ganze Zimmer. Ich hebe einen Fuß. Hier ist auch ein T-Shirt. Schwarze Bettwäsche, schwarze Laken. Ich würde ihn gern fragen was sein Grund Grufti zu sein ist.
Mein Blick wandert zu seinem Fingerstummel. Er wollte mir weiß machen dass er ihm abgedreht worden ist. Meine Theorie ist dass er einfach so blöd war und in eine Kreissäge gegriffen hat.
Ich piekse ihn in die Seite, will Aufmerksamkeit. Stumm sieht er mich an, blickt wieder in das Buch. Geschickt reiße ich es ihm aus den Händen und lege es auf den Boden. Sauer blickt er mich an, ich grinse zurück.
Schwerfällig steht er auf und geht Richtung Bad. Ich strecke mich über das ganze Bett und verschränke die Hände hinter meinem Kopf. Ich höre die Dusche rauschen und greife nach meiner Tasche. Vorsichtig wird darin gewühlt, aber nichts gefunden. Ich lasse mich wieder auf den Rücken fallen, stelle mir vor wie Dad mir zum Geburtstag gratuliert. Eine Träne rinnt mir aus dem Auge, schnell wische ich sie weg. Wenn das so weiter geht werde ich ja noch richtig sentimental auf meine alten Tage.
Leise geht die Tür auf, ich halte meine Augen geschlossen. Jemand streicht mir durch die Haare, über die Wange. Meine Augen gehen fast von selbst auf. Ichs ehe Dad, wie er mich liebevoll anlächelt. Langsam schließe ich die Augen wieder, nehme mir vor, sobald ich es mir leisten kann, zum Psychiater zu gehen. Ich bekomme Angst vor meinem eigenen Hirn. Vorsichtig gehen meine Augen wieder auf, der Wolf leckt mir über die Wange. Der Wolf. Ich sitze kerzengerade im Bett und starre den Wolf an. Er starrt zurück. Ich springe vom Bett und reiße das Fenster auf. Nils kommt vom Bad. Mit einem Satz springt der Wolf hinaus, ich sehe ihm nach.
Nils lugt ins Zimmer, ich winke ihm zu. Mein Magen knurrt, entsetzt blicke ich ihn an. Nils beginnt zu lachen und holt mir eine Semmel.
Schweigend sitze wir nebeneinander auf dem Bett, ich mit Semmel, er mit Buch.
Er legt seinen Kopf auf meine Schulter, sieht einen Teil meines Mals. Neugierig schiebt er das Shirt ein Stück hoch, entdeckt die neuen Krallen. Skeptisch blickt er mich an.>>Tut`s weh?<< Ich schüttle den Kopf.
Nils streckt sich über mich und tastet nach dem Lichtschalter, ich entdecke sein Tattoo. Vorsichtig schiebe ich den Ärmel ein Stück hoch und betrachte die Vampirfratze. Er ist wirklich ein Freak, aber mein bester Freund. Mein einziger Freund.
Wir liegen nebeneinander auf dem Bett. Ich brauche kein Gästebett, seins ist groß genug. Es ist dunkel, aber etwas leuchtet. An mir. Schweigend schiebe ich das Shirt hoch. Das war klar. Die Pfote leuchtet in strahlendem Blau. Nils richtet sich auf, sieht die Pfote. Ausdruckslos legt er sich wieder hin. Ich glaube er denkt nach.
Vorsichtig rücke ich ein Stück näher und greife nach seiner Hand. Er zuckt zusammen. Ich frage ihn ob er Angst vor mir hat, er schüttelt den Kopf. Ein bisschen Angst hat er, das spüre ich. Ich erzähle ihm davon dass er mein bester und einziger Freund ist. Und von Dad.
Scheiße.
Ich fange schon wieder an zu heulen. Schnell wische ich die Tränen weg, schaffe es aber nicht, ein schluchzen zu unterdrücken. Dad fehlt mir sehr. Die Erinnerung an ihn ist zu stark. Vorsichtig nimmt Nils mich in den Arm, ich rotze in sein T-Shirt. Er beschwert sich nicht.
Nachdem ich mich wieder einigermaßen gefasst habe kuschle ich mich bis zur Nasenspitze in die Decke. Nils legt einen Arm um mich, ich kuschle mich an ihn und schlafe ein.
Am nächsten Morgen wache ich für meine Verhältnisse sehr spät auf. 8 Uhr. Ich schlage meine Augen auf und merke, dass ich meine Arme um Nils geschlungen habe. Langsam nehme ich sie weg und schlage die Decke zurück. Kommt wohl vom jahrelangen Liebesentzug. Aber wozu hat man beste Freunde.
Ich sehe auf mein Kissen. Wie ich vermutet habe. Es ist schwarz-grau verwischt. Seufzend falle ich zurück ins Bett. Nils dreht sich, wacht aber nicht auf. Aufwecken will ich nicht, ein unausgeschlafener Nils ist sehr unangenehm.
Mir ist langweilig. Seit einer Stunde wälze ich mich im Bett herum und weiß nicht wa ich tun soll. Mir fällt der gestrige Abend wieder ein. Mils hält mich bestimmt für eine Heulsuse.
Leise stehe ich auf und gehe ins Badezimmer. Ich betrachte meine Haare im Spiegel. Wie anders ein Gesicht aussieht, wenn man nur Haare färbt. Ich wasche mein Gesicht und stelle meine Haare auf. Mit Wasser. Hält auch. >>Hey<< Ich erschrecke mich fast tödlich. Nils steht in der Tür. Ich laufe knallrot an. Verschlafen streckt er sich. Er sagt dass ich sein Haargel benutzen darf und grinst mich an. Glücklich reibe ich es mir in die Haare.
Stolz präsentiere ich ihm meine Stacheln. Er lacht, weil ich die schwarze Haarfarbe nicht von meinen Händen bekomme. Laut zeternd rubble ich meine Hände, bis ich es endgültig aufgebe. Ich ziehe mit mein Schlafshirt über den Kopf und suche meine Hose. Nils sieht die Narbe und schluckt laut. Deprimiert sieht er mich an und spielt mit seinen Fingern. Ich setze mich auf die Bettkante und bekomme einen Klos im Hals.
Er erinnert mich an Dad.
Schnell stehe ich wieder auf und suche meine Hose, muss mich ablenken. Ich hole meine Tasche und knalle sie aufs Bett. An nichts denken, nur Hose suchen. Meine Füße tragen mich ins Bad. Hier liegt sie, zusammengeknüllt auf dem Badewannenrand. Ich denke an gestern und reiße mir die Hose hoch. Mein Shirt liegt auch hier. Vorsichtig ziehe ich es über meinen Kopf. Nur nicht die Stacheln zerstören. Ich gehe zurück ins Zimmer, Nils hat meinen Pullover und hält in grinsend hoch. Verdrehe die Augen und halte die Hand hinüber. Er macht keinerlei Anstalten ihn mir zurückzugeben. Vorsichtig fingert er die Zigaretten aus der Schublade. Als kleine Rache und Bestechungsmittel nehme ich sie ihm weg und lasse sie aus dem Fenster baumeln. Nils sieht mich ausdruckslos an. Er weiß dass ich nicht werfe. Seufzend pfeffere ich die Schachtel in die Ecke und kämpfe weiter um meinen Pulli.
Lachend tollen wir auf dem Bett, ich knie mich auf seine Oberarme, um ihn bewegungsunfähig zu machen. Schnaufend bohre ich ihm meine Schwarzen (sein Lack) Fingernägel in die Brust. Er schreit gequält auf und schubst mich von ihm runter. Den Pullover rückt er immer noch nicht raus. Schwerfällig plumpse ich neben ihn und sehe ihm in die Augen. Ich spüre seinen Atem im Gesicht und drehe mich weiter zu ihm. Schnell drücke ich ihm ein Freundschaftsküsschen auf den Mund. Verschämt grinsend spiele ich mit meinem Shirtzipfel und sehe ihn unsicher an. Sein Gesicht wird leicht rosa. Hoffentlich nimmt er mich nicht allzu ernst. Mein Liebesentzug wird ein größeres Problem als ich dachte. Liebevoll wuschelt er mir durch die Haare und drückt mich an sich. „Beste Freunde für immer.“ Glücklich drücke ich mich näher an ihn. Er ist er einzige Grund weshalb ich mich in meinem jetzigen Leben nicht umbringe.
Es wird ganz warm um mein Herz. Nils sieht mich an und lächelt. Er ist so was wie ein großer Bruder für mich geworden. Vorsichtig schlinge ich meine Arme um ihn und schließe die Augen. Ich glaube Nils fühlt sich verantwortlich für mich.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.08.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Vicky..einmal nicht-Kitsch für dich. Zumindest ist es für mich kein richtiger Kitsch

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