Lange starre ich auf das Mal und greife es an. Schlussendlich reiße ich mich zusammen und schalte den Fernseher ein.
Plötzlich durchzuckt mich eine Art Blitz und ich bin auf einer Hetzjagd. Es dauert nur etwa eine Minute, aber ich habe das Gefühl, dass cih sofort in den Wald muss. Seltsamerweise ziehe ich mir nichts mehr an, sondern renne Barfuß und in Bxershort in den Wald.
Schwer atmend bleibe ich stehen und kann zum ersten MaL seit dem Blitz wieder klar denken.
Ich bin im Wald.
Im Dezember.
Mitten in der Nacht.
Barfuß und in Boxershorts.
Augenblicklich fange ich an zu zittern und suche den Wolf. Ich blicke zum Himmel. Es ist Vollmond. Ein Schauer durchläuft mich, ich will nach Hause. Da höre ich den Wolf. Er kommt um den nächsten Baum geschossen und rennt mich um. Ich bleibe auf dem Rücken liegen und schließe die Augen. Es beginnt zu schneien, eine Schneeflocke landet auf meiner Nase und schmilzt sofort.
Ich höre Hundegebell und Schritte, ich springe auf und verstecke mich hinter dem nächsten Baum. Ich habe überhaupt keine Ahnung warum ich das mache, aber es fühlt sich verdammt gut an.
Nachdem der letzte Jäger an mir vorbeigerannt ist, husche ich aus meinem Verst4ck und suche den Wolf. Kurz überlege ich ob jagen mitten in der Nacht überhaupt legal ist, höre aber sofort damit auf, da meine Weste auch nicht blütenweiß ist.
Nach etwa einer Stunde finde ich den Wolf. Völlig verängstigt, zitternd und mit angelegten Ohren. Als er mich sieht stellt er sie wieder auf und hebt den Kopf.Voprsichtig lasse ich mich neben ihm nieder und streiche über seinen Kopf. Wenn er eine Katze wäre würde er bestimmt schnurren.
Wieder fällt mir so spät auf das wie kalt es eigentlich ist. Ich schlinge meine Arme und meine Knie und sehe in den Wald. Überall ist bereits eine dünne, strahlend weiße Schneedecke. Ich binerstaunt wie viel Mystik in der Natur stecken kann.
Plötzlich steht der Wolf auf und geht auf eine Lichtung zu, ich f0lge ihm. Nach kürzester Zeit sind meine Fußsohlen inklusive Zehen komplett taub. Fluchend bleibe ich stehen und drehe mich um. Warum gehe ich einem Wolf nach? Warum laufe ich mitten im Dezember nur mit Boxershorts in den Wald? Solche Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Ich setze mich hin und beginne nachzudenken. Leider schlafe ich nach einer Viertelstunde ein.
Am nächsten Morgen wache ich durch Vögelgezwitscher auf. Ich gähne und öffne die Augen. Prachtvoll erstreckt sich der glitzernde Schnee durch den ganzen Wald, er blendet mich regelrecht. Dann bemerke ich etwas schweres, warme, dass quer über mir liegt. Ich taste mit meiner Hand nach unten, ich spüre weiches Fell, dass sich regelmäßig hebt und senkt. Vorsichtig strecke ich mich und versuche meine Beine zu bewegen.
Verdammt.
Meine Füße kribbeln furchtbar. Der Wolf bewegt sich und blickt mir in die Augen, fast schon liebevoll. Ich fühle mich geborgen, geschützt. Irgendwie ungewohnt. Aber nicht unangenehm. Ich rolle mich zusammen, der Wolf legt eine Pfote auf meine Schulter. Lange sieht er mich an und verschwíndet schließlich im Dickicht. Nachdenkend stehe ich auf und gehe in die Richtung wo ich die Stadt vermute.
Leider schwindet mit dem Wolf auch die Wärme. Zitternd verscgränke ich meine Arme und stapfe durch den Schnee.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich den Waldrand und stehe schon vor dem nächsten Problem.Wie komme ich heim ohne gesehen oder zumindest nicht bemerkt zu werden? Ich gehe wieder ein Stück in denWald und gehe dort entlang, die restlichen 500 Meter schaffe ich im Sprint.
Keuchend reiße ich die Tür auf und stolpere in den Flur. Ich werfe einen Blick in das Wohnzimmer. Mum liegt schnarchend auf dem Sofa. Bilder dich dich ein Leben lang davon abschrecken jemals Alkohol anzurühren. Mein Magen knurrt, aber ich weiß dass wir nichts im Haus haben.
In meinem Zimmer werfe ich mich auf mein Bett und starre an die Decke. >> Alles Gute zum 20sten, Hannes.<< denke ich.
Meine Füße beginnen weh zu tun, sie tauen vermutlich gerade auf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht richte ich mich auf und suche nach Klamotten. Alte Jeans, schwarzes T-Shirt, ein löchriger Pullover und meine Doc`s werden es schon tun. Im Badezimmer wasche ich mir mein Gesicht und ziehe den Kajalstrich. Manchmal denke ich mir warum ich das tue. Meistens ist die Antwort dass ich einfach alles von mir Fern halten will, damit sie mir nicht weh tun können. Immer schön finster aussehen, dann spricht dich auch niemand blöd an.
Ich weiß es klingt seltsam, aber es ist so. Am bestem gleich alles fernhalten und in der eigenen Welt leben, damit nicht passiert und alles heil bleibt. Wenn Mum wirklich eine Mum wäre, hätte sie mich für solche Sätze zum Psychiater geschickt.
Ich betrachte mich im Spiegel. Ich bin dünn geworden. Gefährlich dünn. Vorsichtig ziehe ich mein T-Shirt und den Pullover ein Stück hoch ud zähle meine Rippen. Auf der rechten Hälfte sitzt eine große Narbe auf der letzten Rippe. Damals war ich Zehn oder Elf, und Dad und ich hatten einen Unfall.
Ich hatte Glück.
Dad nicht.
Seitdem bin ich so gut wie auf mich allein gestellt, da Mum mit trinken angefangen hat.
Nachdenklich fahre ich die Narbe nach, dann kracht etwas im Wohnzimmer. Leise schleiche ich zur Tür und mache sie einen spaltbreit auf. Mum blickt finster und sucht ihre Kippen. Sie winkt mich rein, ich setze mich neben sie und blicke sie ausdruckslos an. Sie holt eine Zigarettenschachtel hervor. Noch zu. >>Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz.<< sie lächelt gequält und reicht mir die Schachtel. Ich bin zu Tränen gerührt und falle ihr um den Hals. Irritiert streichelt sie meinen Rücken und fährt mir durch die Haare. >>Danke.<< flüstere ich.
Sie weiß dass ich nicht rauche.
Dass ist der schönste Geburtstag seit Dad gestorben ist.
Ich drücke Mum an mich, eine Träne läuft mir pber das Gesicht. Sie drückt mich ein Stück weg und betrachtet mich genauer. Ich lächle und drücke ihre Hand. >>Ich schlaf bei nem Freund, ok?<< Sie nickt, ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und gehe in mein Zimmer. Fröhlich hole ich die Sporttasche unter meinem Bett hervor und stopfe T-Shirt, Kajal, Boxershort, Zhnbürste und Wecker ein. Mein Blick fällt auf das Bild neben meinem Wedcker, es liegt umgedreht auf der Kommode. Vorsichtig drehe ich es um und mit schießen die Tränen ein weiteres Mal in die Augen. Ein Foto von Mum, Dad und mir in den unbeschwerten Zeiten. Das Glas hat eine Sprung, er zieht sich über das ganze Bild. Mit einem Finger wird die dünne Staubschicht entfernt.
Scharf die Luft einziehend sauge ich an meinem Finger. Ich hab mich geschnitten. Autsch.
Ich stelle das Bild wieder gerade hin und packe meine Tasche. Leise schließe ich meine Zimmertür, ich weiß wie unausstehlich Mum mit Kopfschmerzen ist. Stumm verabschiede ich mich von ihr und gehe los, Richtung Nils.
Auf dem Weg dorthin merke ich dass ich kein Geld habe. Fluchend trete ich nach einem Stein. In hohen Bogen segelt er durch die Luft und landet auf dem Bürgersteig.Ich überlege etwas zu stehlen, verwerfe die Idee aber gleich wieder, da Mum noch mehr Ärger nicht gebrauchen kann. Vorsichtig hole ich die Zigarettenschachtel aus meiner Hosentasche und betrachte sie. Es wundert mich bis heute warum ich nie damit angefangen habe. Ich öffne die Packung und beginne seelig zu lächeln.
Mumkennt mich besser als bis jetzt gedacht.
Zwei zwanziger lachen mir entgegen. Glücklich stecke ich sie ein und entdecke noch einen kleinen Zettel. >>Ich weiß dass du nicht rauchst.<< Lachend stecke ich ihn dazu.
Gemü+tlich schlendere ich durch die Strassen bis ich vor Nils` Haus stehe. Ich klingle Strum, und ein gutaufgelegter Nils öffnet mit die Tür. Flüchti umarmen wir uns und gehen ins Haus. Er sagt er hätte eine Überraschung für mich. Gespannt folge ich ihm in sein Zimmer und lege meine Tasche neben sein unglaublich riesiges Bett. Plötzlich legt sich ein Schlas vor meine Augen und er nimmt meine Hand. Vorsichtig führt er mich durch das Haus und bleibt in einem Raum stehen, wo er mir feierlich die Augenbinde abnimmt. Wir stehen im Badezimmer, wo fein säuberlich Färbe Utensilien und schwarze Haarfarbe stehen. Es gibt Momente, da könnte ich ihn abknutschen. Ich strahle ihn an und gestatte mir die Frage ob er mich färbt. ls Antwort drückt er mich auf den Badewannenrand und legt mir ein Handtuch um die Schultern. Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd, als er die Farbe verteilt und langsam in die Haare einmassiert. Genüsslich schließe ich die Augen und entspanne mich komplett. Solche Momente vollkommener Zufriedenheit sind bei mir äußerst selten.
Langsam öffne ich die Augen wieder und grinse ihn schief an. ER stupst mir mit seinen Farbfinger auf die Nase. Nachdem färben sehen wie Fern und essen zu Abend. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und erwarte Nils mit aufgestelltem Besteck. Er sieht mich nur komisch an und reicht mir ein Teller.
Während ich mit das Schnitzel in den Mund stopfe fragt er mich nach meiner Familie. Ich huste und meine Nackenhaare stellen sich auf. Vorsichtig beginne ich zu erzählen, er hört mir aufmerksam zu. Als ich zu der Stelle mit dem Wolf komme sieht er mich skeptisch an. Als Beweis zeige ich ihm den Pfotenabdruck. Fasziniert sieht er ihn an und fährt ihn mit dem Finger nach.
Tag der Veröffentlichung: 23.08.2010
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Widmung:
Lischen.....ich freu mich auf Dienstag.