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"Hannes!" Kerzengerade sitze ich in meinem Bett, weil mir gerade einfällt, dass heute mein Bewerbungsgespräch ist. Pessimistisch steige ich aus dem Bett und schlurfe in die Küche. Mom ist gerade in den Supermarkt abgehauen. Wenn sie noch einmal zu spät kommt wird sie gefeuert.
Ich reiße die Kühlschranktür auf und gähnende Leere blickt mir entgegen. Gelangweilt hole ich die letzte Packung Milch heraus und setze sie an meine Lippen.Scheiße. Ich haste zum Spülbecken und spucke sie wieder aus. Ein Blick auf das Verfallsdatum verrät mir, dass die Milch vor einem Monat abgelaufen ist. Schnell wasche ich mir den Mund aus und gehe zurück in mein Zimmer, wo ich versuche, aus dem Chaos ein relativ sauberes Hemd und eine Jeans zu fischen. Leichter gesagt als getan.Mühevoll grabe ich mich durch den Wäscheberg, bis ich Hemd und Jeans triumphierend in die Höhe halte. Schnell höre ich damit auf, da es doch etwas irre aussieht und ich schön langsam Angst vor mir selbst bekomme.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es erst Sieben ist. Ich mag meine Mom nicht, weil sie mich viel zu früh weckt, und hasse meine innere Uhr, die mich jeden Tag genau eine halbe Stunde bevor Mom nach mir schreit, aus den Federn holt.
Mit frischen Klamotten und Handtuch schlendere ich ins Badezimmer und werfe einen Blick in den Spiegel. Augenringe bis zu den Mundwinkeln (heute in warmen Lila), struppige blonde Haare und die bleicheste Haut seit langem. Meine Wiesengrünen Augen haben heute einen leichten Rotstich, liegt vielleicht daran dass ich "nur" um die Fünf Stunden geschlafen habe. Ich bekämpfe meine stechenden Kopfschmerzen mit Aspirin und stelle mich unter die Dusche. Ein seiteres Mal beschäftigt mich die Frage WARUM ich Kopfschmerzen habe. Ich trinke nicht, ich rauche nicht, und trotzdem habe ich jeden Tag Kopfweh wie nach einem Achtstündigem Saufgelage.
Verschlafen drehe ich das kalte Wasser auf und hoffe, dass sich mein Zustand dadurch zumindest bruchteilhaft bessert. Ich mache mir die Haare nass und merke im selben Moment dass mein Shampoo leer ist. Genervt wasche ich mir die Haare mit ordinärer Seife und steige aus der Dusche. Der Versuch mich abzutrocknen scheitert kläglich, da ich auf dem nassen Fußboden ausrutsche und mit dem Kopf am Waschbecken anhaue. Fluchend rapple ich mich auf und trete nach dem Becken. Leider ist das Keramik stärker als mein Wille und ich trockne mich gedemütigt, laut fluchend und immer noch mit Kopfweh ab. Ich untersuche die Aspirinschachtel und bemerke dass es nur Brausetabletten sind. Mom spart wirklich an allen Ecken, aber meistens an den wichtigsten. Leider.
Gereizt putze ich mir die Zähne und sehe dass das Keramik eine kleinen Sprung abbekommen hat. In der Annahme dass meinn Fuß das war putze ich zufrieden weiter, wenigstens dieser kleine Erfolg.
Ich ziehe mir das Hemd über, die Jeans an und frisiere mich. Meine erste Wahl für ein Vorstellunggespräch wäre der Streberscheitel gewesen, entscheide mich dann aber doch dagegen, da es doch schon zu viel des guten wäre.
Der Kajalstrich unter den Augen bleibt weg, aber der Ring muss bleiben, damit zumindest noch etwas an mein Grufti-dasein erinnert.
Ein weiterer Blick auf die Uhr. halb neun. Das Gespräch beginnt um Elf, ich hätte locker noch eine Stunde schlafen können. Aber nein, mein lieber Herr Körper muss ja schon aufstehen.
Mein nächster Weg führt zu unserem improvisiertem Schuhregal aus Pappe. Vorsichtig hole ich mein einziges Paar Schuhe heraus: Meine heißgeliebten schwarzen Doc`s. Ich schlüpfe in sie hinein und schnüre sie zu. Verdammt. Ich fluche. Mein Schuhbans ist gerissen. Ich knote die Enden zusammen und schreibe mir die imaginäre Notiz neue Schuhbänder zu kaufen.
Zuletzt tragen mich meine Füße zurück in mein Zimmer wo ich meine schwarze, mit Nieten übersähte Tasche such, und dann in Mom`s Schlafzimmer, wo ich nach Kleingeld suche. Eine halbe Stunde später mache ich mich mit meiner Tasche und 6,5 Pfund auf den Weg in die Metro.
Auf dem Weg dorthin knurrt mein Magen gefährlich laut. Ich drücke meine Hände auf den Magen und hoffe, dass es niemand gehört hat.
Neidisch betrachte ich die Leute mit Mänteln, Hauben, Handschuhen oder Schals. Das einzig warme was ich habe waren meine Schuhe.
Ich raffe mich zusammen und gehe Richtung Bäckerei, wo mich ein himmlischer Duft hinlockt. "Eine Topfentsche, bitte." Meine eine Hand sucht das Geld und legt es auf den Tresen, die andere schnappt sich die (noch warme!) Topfentasche. Genüpsslich beisse ich hinein und schließe die Augen. Ich komme mir ür einen Moment richtig wohlhabend vor.
Plötzlich tippt mir jemand auf die Schulter. Reflexartig drehe ich mich um und blicke in das Gesicht meines langjährigen und besten Freundes: Nils. Ungläubig sehe ich ihn an. "Warst du beim Frisör?" Die Frage ist eigentlich überflüssig, da ich weiß dass er seine Haare selbst schneidet, und so wie er aussieht, MÜSSEN sie frisch geschnitten sein. Stolz sieht er mich an und fragt, wie es mir gefällt. Schwer zu sagen. An den Seiten hat er sie abgeschoren und den Rest zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Natürlich hat er sie schwarz gefärbt. Unsicher strecke ich den Daumen hoch und schenke ihm ein schiefes Grinsen. Er lacht und klopft mir auf die Schulter, ich huste und falle fast um.
Wir plaudern noch ein bisschen und er fragt mich ob ich wieder einmal bei ihm schlafen möchte. Ich habe nicht oft die Gelegenheit bei einer nicht-zersprungenen Familia zu Gast zu sein. Wo die Eltern noch glücklich zusammen sind, einen festen Job haben und sich das meiste leisten können. Seufzend streiche ich mir die Haare aus dem Gesicht und stopfe die restliche Topfentasche hinunter. Halb Elf. Ich verabschiede mich schnell von Nils und hetze zur Metro. Ich erwische den Zug gerade noch. Erleichtert lasse ich mich auf eine Sitzplatz fallen und atme tief durch.
Als ich aussteigen will sieht mich ein Tyo seltsam an. Mein Mittelfinger macht sich selbstständig, ich steige schnell aus.
Gehetzt rase ich die Treppen zum Maklerbüro hoch. Ich reiße die Tür auf, verkünde dass ich ein Vorstellungsgespräch habe und setze mich keuchend auf einen Sessel vor dem Schreibtisch des Geschäftsleiters. Ich erkläre ihm weshalb ich die Arbeit brauche, und er wimmelt mich mit einem routiniertem Ich-werde-mich-bei-ihnen-melden ab.
Sauer fahre ich zurück nach Hause. Ich werfe mich auf das Bett und esse aus Frust eine Familienpackung Eiscreme, die ich auf dem Nachhauseweg habe mitgehen lassen.Den restlichen Nachmittag verschlafe ich, und wache erst gegen Acht Uhr wieder auf. Seufzend stehe ich auf und merke erst jetzt, dass ich vergessen habe meine Schuhe auszuziehen.
Ich schleiche mich am Wohnzimmer vorbei, wo Mom vor dem Fernseher eingepennt ist. Morgen ist mein 20.Geburtstag, aber ich wette, dass sie den schon wieder vergessen hat. Schon wieder. Ich mache mir schon seit Jahren nichts mehr drauß.
Meine Füße bewegen sich Richtun Haustür, da höre ich Mom lallen: "Nicht so hastig junges Fräulein!" "Mom, du hast keine Tochter, ich bindein Sohn." murmle ich und gehe aus dem Haus.
Frische Nachtluft schlägt mir entgegen, ich fröstele und jogge in den Wald. Dort angekommen setze ich mich unter eine Baum und lehne mich gegen seine kalte Rinde.
Plötzlich blitzt ein Paar tiefrote Augen aus dem Gebüsch. Ich blinzle und schiebe es auf Einbildung.
Müde strecke ich mich und stehe auf.
Da. Ein Rascheln in den Büschen. Misstrauisch beäuge ich den Busch und ein silberner Wolf springt aus ihm heraus. Zu Tode erschrocken springe ich zurück, meine Knie schlottern wahnsinnig viel. Der Wolf sieht aber gar nicht böse aus. Er blickt mich aus klugen Augen an und kommt langsam näher. Ich presse mich an den Baumstamm hinter mit und wage es kaum zu atmen, als der Wolf mich beschnuppert. Sachte stupst er mit der Schnauze an mein Hosenbein und sieht mir in die Augen. Auf einmal ist meine Angst wie weggeblasen. Ich lasse mich auf die Knie leiten, der Wolf streicht um mich herum. Vorsichtig streiche ich über sein wunderschönes Fell und bin fasziniert von ihm. Plötzlich beginnt er zu knurren und verschwindet hinter den Bäumen. Fassungslos blicke ich ihm hinterher.
Wie aus einer Starre erwachend schüttle ich meinen Kopf und stehe auf. Im Gedanken versunken laufe ich zurück nach Hause und ziehe mich für die Nacht um. Als ich die Hose runterziehe sehe ich einen Fleck auf der linken Seite meiner Hüfte. Ich sehe gemauer hin. Ein Pfotenabdruck.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.08.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Lisa...der einzige Fantasyroman den ich jemals geschrieben habe und werde ist für dich ....NUR für dich!! und für Vicky.

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