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Kapitel 1

Es ist 8:00 abends und ich sitze gerade mit meiner besten Freundin Kate in meinem Zimmer, in unserem neuen Haus, in das ich mit meiner Mutter gezogen bin. Heute ist unser letzter Abend zusammen, denn schon in zwei Tagen würde sie wieder zur Schule müssen. Wir liegen also hier auf meinem Bett, und sehen uns unsere Lieblings Sendung, The Vampire Diaries, im TV an. Kurz nachdem die Serie fertig ist, platzt Mum rein und bringt uns einen Teller voller Sandwichs. Nachdem wir sie gegessen hatten, brachten wir den Teller nach unten, und wünschten meiner Mum eine gute Nacht. Schnell geht Kate nach oben und zieht ihre schwarzen Klamotten an, während ich meine Mum noch ein wenig ablenke.
Zehn Minuten später gehe auch ich nach oben und ziehe mich um. Wortlos reiche ich Kate eine schwarze Mütze und deute auf ihre Platinblond gefärbten Haare. So eine musste ich zum glück nicht tragen, denn meine Haare sind schwarz wie die Nacht. Ich schlüpfe also in meine schwarzen Leggins, meinen langarm Pulli und meine kniehohen Stiefel.
Danach stecke ich noch eine kleine Taschenlampe ein, bevor ich zum Fenster gehe und es leise aufschiebe. Ich lasse erst Kate nach draussen klettern, bevor ich ihr folge und das Fenster leise wieder zumache und nur noch genug Platz für meine Finger lasse, den ich mit einem Stift sichere. Ich klettere so leise wie möglich an Kate vorbei und aufs Vordach der Veranda, von wo aus ich in einen Haufen aus Laub, Gras und Ästen springe. Geschmeidig lande ich in geduckter Haltung auf meinen Füssen und befreie meine Kleider von den Rückständen des Abfalls. Kate folgt mir zögerlich und landet ziemlich ungeschickt auf ihrem Po.
Mit schmerzverzehrter Mine klopft sie sich den Dreck vom Hintern, bevor sie mir zur Friedhofsmauer folgt. Ich kreuze meine Hände die in Lederhandschuhen stecken und hebe Kate hoch, die sich auf die Mauer hievt. Hoch konzentriert klettere ich an den unregelmässigen Steinen der Mauer hoch und stehe weinige Sekunden später neben Kate auf der Mauer. Wir folgen ihr bis wir einen geeigneten Ort finden, um runter zu gehen. Sofort steuern wir den alten, verfallenen Teil des Friedhofes an. Wir gehen über eine kleine, ziemlich alte Brücke zu den Mausoleen.
„Wow, sieh mal dass da. Das sieht doch cool aus“, flüstert Kate und deutet auf ein Mausoleum aus schwarzem Marmor, über dem ein Engel mit Rubinaugen prangt. Darunter ist eine Tafel mit einer Aufschrift.
‚Wahrscheinlich lateinischen Ursprungs’, denke ich und ziehe die Tür auf.
Ich schalte die Taschenlampe ein und leuchte auf die Stufen, die nach unten führen.
„Kommst du?“, fragte ich und drehe mich zu Kate um.
„Klar, dass ist ja so was von cool.“
Also gehen wir langsam über die rutschigen Stufen nach unten. Je tiefer wir steigen, desto modriger wird der Geruch.
„Ist ja eklig“, sage ich und deute auf einen schwarzen Marmorblock, auf dem in einem gläsernen Sarg eine Leiche aufgebart ist, oder besser gesagt, das, was noch von ihr übrig ist.
„Lass uns lieber gehen“, schlägt Kate vor, die sich die Nase mit ihrer Jacke zuhält.
Ich nickte und gehe wortlos an ihr vorbei nach oben. Hinter ihr knalle ich die Tür zu, vergesse aber nachzusehen, ob sie ganz ins Schloss gefallen ist. Ein grosser Fehler, wie ich schnell feststellen muss. Denn hinter uns her rennt die Leiche, etwas zittrig und sich immer wieder in ihrem Kleid verheddernd.
„Kate! Lauf zur Kirche! Schnell!“, schreie ich, und ziehe sie hinter mir her.
Ich reisse die Tür auf und schupse sie ziemlich unsanft rein, bevor ich selbst reinhaste und die Tür hinter mir zuziehe, an der die Leiche schon mit übermenschlicher Kraft zieht. Gemeinsam schaffen Kate und ich es, die Tür zuzuziehen.
Erschöpft sinke ich mit dem Rücken an der Tür nach unten.
„Wer seit ihr denn?“, fragt Kate plötzlich, was mich aufsehen lässt.
„Dasselbe könnten wir euch fragen“, antwortet ein Mädchen etwa in unserem Alter, mit honigblonden Haaren und violett-silbernen Augen.
„Wir waren hier um die Leiche, die euch eben Verfolgt hat, zu töten. Ich muss schon sagen, das habt ihr ziemlich verbockt“, erklärte ein Junge mit dunkelbraunen Haaren und eben denselben Augen wie das Mädchen uns geduldig.
„Was können wir denn dafür. Hätte uns doch einfach jemand warnen können. Ich meine wofür seit ihr denn da, wenn euch sogar ne Leiche entkommen kann?“, frage ich sarkastisch.
„Okay, dass reicht jetzt. Ihr habt genug gestritten. Seht euch doch mal ihre Hände an. Noch ein bisschen mehr und sie explodiert“, warnt der andere mit blondem Haar und leuchtend blauen Augen.
Vorsichtig blicke ich auf meine Hände und schrecke zurück. Aus meinen Fingerspitzen schiessen Flammen, die sich zu Feuerbällen zusammenschliessen.
„Versuch dich zu beruhigen“, schlägt er vor.
„Na du hast leicht reden. Du bist ja nicht derjenige, dem Flammen aus den Händen kommen“, antworte ich sarkastisch und sehe ihn dabei durchdringend an.
„Hast ja recht. Warte ich helfe dir.“
Er zieht erst seinen Mantel aus, bevor er die Waffen ablegt und auch noch sein Shirt auszieht.
„Was machst du denn da“, frage ich und betrachte dabei seinen Körper von oben bis unten. ‚Gott sieht der heiss aus’, denke ich. Ziemlich passend, jemanden anzuschmachten, wenn man buchstäblich Feuer und Flamme ist.
„Wie heisst du eigentlich“, frage ich ihn, um mich abzulenken.
„Gabriel“, antwortet er und tritt auf mich zu.
„Ähm…Ja…Hi….Ich bin Alissa“, stelle auch ich mich vor.
„Komm zu mir“, fordert er mich auf.
„Na ich weiss nicht so recht“, zögere ich. Lächelnd kommt er auf mich zu und zieht mich an sich. Meine Hände nimmt er in seine.
Langsam macht sich der Geruch von verkokeltem Fleisch breit, was meine Aufregung ins unermessliche steigen lässt. Trotzdem zwinge ich mich, Ruhe zu bewahren und es klappt.
„Was riecht hier so verbrannt?“, fragt Kate neugierig wie sie ist.
Langsam löst Gabriel seine Hände von meinen. Sie sind ganz schwarz und verbrannt. Vorsichtig löst er auch seinen Oberkörper von meinem Rücken und ich drehe mich zu ihm um. Als ich seinen völlig verbrannten Körper sehe, wird mir dann doch alles zu viel und ich sinke auf die Knie.
„Was passiert nur mit mir“, schluchze ich und wische mir immer wieder mit dem Handrücken über die Augen.
Verschwommen erkenne ich, wie Gabriel sich zu mir auf den Boden setzt und mich an sich zieht.
„Sieh doch. Es ist schon verheilt. Mir geht es gut. Also weine bitte nicht“, versucht er mich zu trösten und wischt mir die Tränen von den Wangen.
Normalerweise würde ich mich jetzt wehren, denn ich mag es überhaupt nicht, wenn mich jemand berührt, doch erstens bin ich zu müde, und zweitens fühlt es sich einfach zu vertraut und richtig an.
„Was zum… Das gibt’s doch nicht… Seit ich ihn kenne, hat er noch nie eine an sich ran gelassen“, höre ich jemanden sagen.
„Ja. Das ist schon merkwürdig, da muss ich dir recht geben, Schatz.“
„Dabei hat sich Sarah doch immer solche Mühe gegeben“, sagte die andere, die bis jetzt noch nichts gesagt hatte.
Lächelnd hilft er mir hoch und führt mich zu einer Kirchenbank, wo ich mich erst mal kopfschüttelnd setze.
„Ich denke es ist an der Zeit uns vorzustellen. Ich bin Midras und die Schönheit an meiner Seite ist meine Frau Mira. Die Blonde die euch so freundlich begrüsst hat, ist Aaliyah. Die daneben, ebenfalls Blond ist Teresia. Wir sind Elfen. Bis auf Gabriel. Er ist der… Nun ja… Wie soll ich sagen… Erzengel Gabriel…“, erklärte Midras ernst.
„Haben Engel nicht normalerweise Flügel?“, frage ich misstrauisch.
„Ja, das ist richtig, aber ich hab sie eingezogen. Es währe doch recht unpraktisch, mit Flügeln rumzulaufen, aber ich werde sie dir vielleicht mal zeigen.“
„Was machen wir jetzt wegen dieser Leiche?“, fragte Kate, die ich schon ganz vergessen hatte.
„Nun, da sie es anscheinend auf Alissa abgesehen hat, wirst du ausser Gefahr sein. Gabriel, du wirst morgen mit ihrem Training anfangen“, befahl Mira und deutete auf mich.
„Geht klar“, erklang es gedämpft, da er gerade sein Shirt wieder anzog und sich die Waffen umschnallte.
„Wann musst du wieder zur Schule?“, fragte Aaliyah und holte einen kleinen Organizer raus.
„Stop mal! Training? Schule? Was soll das alles?“, frage ich nun wieder aufmerksam.
„Also falls die Leiche, Lydia, wieder auftauchen sollte, musst du dich schon verteidigen können. Wenn du nichts dagegen hast, wird Gabriel dich trainieren. Ausserdem wird er mit dir zur Schule gehen, um dich beschützen zu können“, erklärt Teresia freundlich.
„Ich brauche doch keinen Anstandswauwau. Ich kann ganz gut selber auf mich aufpassen. Ausserdem kann ich ziemlich schnell rennen, wenn es drauf an kommt“, protestiere ich und reibe mir müde die Augen. Ausserdem erkläre ich unglücklich, dass Kate nicht mitkommen wird, weil wir zu weit voneinander entfernt wohnen.
„Ihr geht nicht zusammen zur Schule?“
„Nein, Lissa musste umziehen… Deshalb bin ich hier, danach sehen wir uns eine Weile nicht mehr“, sagte Kate bekümmert.
Sie setzt sich auf meinen Schoss und ich lege ihr die Arme um die Mitte, damit sie nicht abrutscht.
„Nun, das macht die Sache natürlich leichter. Hier, nimm das. Falls doch mal was sein sollte, dann nimm es in die Hand und denke an uns und es wird sofort jemand kommen. Aber bitte benutze es nur in Notfällen.“
„Okay, geht klar“, stimmt Kate zu und nimmt eine kleine silberne Halskette mit Delfinanhänger entgegen.
„Den Rest wirst du Alissa morgen noch erklären können. Geht jetzt und seit vorsichtig. Lydia könnte immer noch da draussen sein.“
„Ich begleite euch. Das ist sicherer“, bietet Gabriel an, woraufhin Kate aufsteht und mich mit sich zieht.
Aufgeregt geht sie zur Tür und zieht mich hinter sich her ins Freie.
„Scheisse ist das kalt geworden!“, fluche ich und flüchte wieder nach drinnen.
Breit grinsend winkt mich Gabriel zu sich. Zögerlich gehe ich Schritt für Schritt auf ihn zu.
Fragend sehe ich ihn an. Wortlos öffnet er seinen Mantel und hält ihn zur Seite, sodass ich sein Shirt sehe. Dieses Mal beobachte ich ihn misstrauisch mit ein bisschen zur Seite geneigtem Kopf.
Immer noch lächelnd zieht er mich an sich und legt die Arme um meine Mitte.
Heimlich grinsend verstecke ich mich unter seinem Mantel und verschränke meine Hände hinter seinem Rücken.
Ich höre wie Kate wieder rein kommt und sich setzt, doch das nehme ich nur am Rande wahr. Das einzige was ich sonst noch höre ist Gabriels Herzschlag und seine gleichmässigen Atemzüge.
Vorsichtig, damit Gabriel möglichst nichts bemerkt, löse ich meine Hände voneinander und lasse sie weiter über seinen Rücken nach unten gleiten. Am Saum seines Shirts angekommen, fahre ich langsam mit einem Finger unter dem Saum durch und hebe ihn ein wenig an, damit ich meine andere Hand darunter durchschieben kann. Ein lachen unterdrückend bewege ich meine Fingerspitzen über seine Haut und zeichne dabei ein unsichtbares Muster nach. Erleichtert bemerke ich, dass mein Herz nicht das einzige ist, das schneller, und deutlich holpriger schlägt.
Ich weiss nicht wie lange wir schon da stehen aber als ich endlich aufblicke, ist Kate auf einer der Kirchenbänke eingeschlafen und die anderen sind alle gegangen.
„Wo sind die denn alle hin?“, frage ich nachdem ich mich vorsichtig befreit hatte.
„Die sind los um Lydia zu suchen“, erklärt er und blickt auf Kate, die zusammengekauert auf der Kirchenbank liegt.
„Wir sollten gehen“, schlage ich vor.
„Okay… Du weckst Kate und ich sehe nach ob die Luft rein ist.“
Ich nicke und gehe zu ihr. Vorsichtig rüttle ich sie an den Schultern, bis sie die Augen öffnet.
„Morgen Sonnenschein“, begrüsse ich sie lachend.
„Was… Wo bin ich?“
„Immer noch in der Kirche… Gabriel sieht gerade nach, ob die Luft rein ist“, erkläre ich und helfe ihr aufzustehen. Nachdem sie sich gestreckt hat, folgt sie mir zur Tür, wo ich auf Gabriel warte.
„Okay, die Luft ist rein… Folgt mir so leise ihr könnt“, weist er an und hält mir dabei wortlos seinen Mantel entgegen.
„Schon okay. Kannst ihn behalten. Sonnst frierst du ja.“
„Ich friere nie“, antwortet er schlicht und hält mir den Mantel noch dichter vor die Nase.
Widerwillig aber trotzdem froh schlüpfe ich schnell in den Mantel, der mir viel zu gross ist.
Glücklich lächle ich ihn an. Leider erwidert er es nicht, sonder zückt seine Waffen und gibt uns wortlos zu verstehen, dass wir ihm folgen sollen.
So schnell wir können rennen wir zur Mauer, wo wir schnell hochklettern.
Gabriel springt als erster auf der anderen Seite runter und fängt uns auf, als auch wir springen. Schon kurze Zeit später stehe ich ratlos vor der Veranda und überlege, wie wir da wider hochkommen.
„Spring auf“, fordert Gabriel Kate auf.
Sie gehorcht natürlich und klettert umständlich auf seinen Rücken. Er springt leise mit ihr aufs Vordach, schiebt das Fenster auf und setzt sie drinnen ab. Dann kommt er zu mir runter und lädt mich auf seine Arme. Auch mit mir springt er hoch und klettert aber sofort mit mir rein.
Erst auf dem Bett legt er mich hin und deckt mich zu.
„Also dann bis morgen Nachmittag. Ich hohl dich dann hier ab. Träum schön.“
„Du auch…“, verabschiede ich mich.
„Ich kann nicht schlafen“, lacht er leise bevor er aus dem Fenster klettert und es von aussen schliesst.
Ich will noch mit Kate reden, doch sie ist schon eingeschlafen. Da ich jedoch überhaupt nicht müde bin, beschliesse ich, meinen iPod zu nehmen und noch etwas Musik zu hören. Ich hörte mir erst 3 von Britney Spears an, bevor ich nach Voulez-vous coucher avec moi von Christina Aguilera suche. Schon wenige Minuten später bin ich eingeschlafen und merke nicht mal mehr, wie Gabriel den iPod weglegt, mich vorsichtig küsst und leise wieder verschwindet.

Kapitel 2

Als ich am nächsten Morgen aufwache, merke ich, dass Kate nicht mehr da ist. So schnell ich kann, schlüpfe ich aus dem Mantel und in meinen Morgenmantel und haste nach unten, wo Kate lachend mit meiner Mum am Küchentisch sitzt und Pfannkuchen mit Ahornsirup isst.
„Oh! Morgen Schätzchen. Du kannst dich ruhig erst fertigmachen. Wir lassen dir schon was übrig“, begrüsst mich Mum, während Kate warnend auf meine Füsse starrt, die immer noch in den Stiefeln stecken.
„Geht klar!“, rufe ich schon wieder auf dem Weg nach oben.
Schnell suche ich meine schwarz-orange lange Hose und das passende Top und dazu die neuen Puma Schuhe.
Bewaffnet mit den Kleidern und einem Handtuch schliesse ich mich im Bad ein. So schnell ich kann dusche ich und trockne mir die Haare. Schminken muss ich mich nicht gross. Ein bisschen Puder reicht schon, damit meine Nase nicht mehr glänzt. Mit Pickeln hatte ich zum Glück nie Probleme gehabt. Zufrieden mit meinem Aussehen gehe ich wieder nach Unten. Den Mantel hatte ich natürlich mitgenommen. Ich hänge ihn in die Garderobe neben der Tür bevor ich wieder in die Küche gehe. Natürlich setze ich mich zu Kate. Schliesslich sehe ich sie heute für lange Zeit zum letzten Mal. Ich nehme mir einen Pfannkuchen und ertränke ihn fast vollständig in Ahornsirup. Lustlos esse ich alles auf. Mum will mir schon einen Zweiten auf den Teller laden, doch ich schüttle bloss den Kopf.
„Komm… Lass uns ins Wohnzimmer gehen“, schlägt Kate ebenso niedergeschlagen vor. Ich folge ihr natürlich und lasse mich neben ihr aufs Sofa plumpsen.
„Nun sei doch nicht traurig… Du hast ja immer noch Gabriel der dich aufmuntern kann. Und du wirst auch nicht mehr alleine an der neuen Schule sein. Weisst du, bevor ich gestern eingeschlafen bin, habe ich noch mitgekriegt, dass sie Gabriel mit dir auf diese Schule schicken wollen. Ist das nicht super? Ich mein… Ist ja natürlich scheisse das ich nicht mitkommen kann, aber es ist nun mal wie es ist… Ce la Vie, wie man so schön sagt.“
Ich versuche sie anzulächeln doch es gelingt mir nicht wirklich. Stattdessen nehme ich sie in den Arm und knuddle sie ganz fest. Ich merke dass sie weint und muss dadurch leider auch anfangen. Schniefend schnappen wir uns je eine Packung Taschentücher, die wir schon nach kurzer Zeit verbraucht haben.
Etwa eine Stunde später ruft Mum uns zu sich in die Küche, wo Kates Eltern schon auf sie warten. Natürlich begleite ich Kate noch bis zum Wagen und winke ihr nach, bis sie nicht mehr zu sehen sind.
Ich höre wie Mum mich zum Essen ruft und setze mich wie in Trance an den Küchentisch. Ich fange an zu essen und merke nicht mal, dass Mum die Nudeln total versalzen hat, bis sie mir den Teller unter der Nase wegzieht und mich anschaut.
„Sollen wir heute Nachmittag was unternehmen?“, fragt sie und beobachtet mich dabei, wie ich die Reste wegwerfe und das Geschirr in die Spülmaschine räume.
„Ne, kann leider nicht. Hab gestern jemanden getroffen und er hat mir angeboten heute Nachmittag mit in den Park zu kommen. Er hat gesagt er holt mich hier ab“, erzähle ich wahrheitsgemäss.
„Na gut, wie du willst. Dann viel Spass noch. Ich geh heut Nachmittag einkaufen und dann such ich mir noch ein gutes Nagelstudio.“
Ich höre wie sie ihre Jacke und Schuhe anzieht, bevor sie wie immer anfängt, nach den Autoschlüsseln zu suchen.
„Hier sind sie Mum!“, rufe ich und werfe ihr die Schlüssel zu.
„Danke Schätzchen. Ich geh dann mal. Viel Spass“, wünscht sie mir noch, bevor sie nach draussen geht. Ich höre wie sie vom Parkplatz fährt, dann ist alles still.
Eine Weile sitze ich einfach so da und starre an die Wand.
Ich höre erst beim dritten Mal, dass jemand an der Tür klingelt. Sofort springe ich auf und renne zur Tür.
„Komme schon!“, rufe ich, während ich noch schnell meine Frisur richte. Ein bisschen ausser Atem reisse ich die Tür auf.
Was Besseres als „Hi“, fällt mir wie immer nicht ein.
Gabriel reagiert zum Glück ziemlich schnell und zieht mich in seine Arme.
„Hallo“, haucht er sanft, bevor er mich wider loslässt.
Ich merke förmlich wie ich rot werde als er mir in die Augen sieht. Etwas schüchtern lächle ich ihn an.
„Ich hol dir noch kurz deinen Mantel“, flüstere ich und gehe nach drinnen.
Wenige Sekunden später kehre ich mit seinem Mantel, den ich in eine Tüte gepackt habe, zur Tür zurück.
„Wo wollen wir den trainieren?“
„Keine Ahnung. Ich dachte wir könnten vielleicht in den Park gehen. Es sei denn, es macht dir was aus, wenn wir Zuschauer haben“, schlägt er vor.
„Gute Idee. Sollen die doch starren so viel sie wollen“, erwidere ich grinsend und schlüpfe in mein schwarzes Jäckchen, bevor ich nach draussen trete und die Tür hinter mir schliesse. Ich folge Gabriel zu seinem Motorrad, das er in unserer Auffahrt abgestellt hat.
„Schon mal mitgefahren?“, fragt er mich schon auf dem Motorrad sitzend.
Als währe es selbstverständlich stieg ich hinter ihm auf und legte ihm die Arme um die Mitte.
„Ja, bei meinem Dad“, antworte ich.
„Na dann weist du ja wies geht“, stellt er zufrieden fest und startet den Motor.
Langsam fährt er aus der Auffahrt auf die Strasse. Ich ducke mich, damit ich meinen Kopf hinter seinem Rücken verstecken kann. Ich bin doch ein wenig enttäuscht als wir anhalten. Ich löse meine Arme von ihm und steige ab. Als er dann endlich alles gefunden hat, suchen wir uns eine freie Stelle auf einer der Rasenflächen. Ich setze mich im Lotussitz vor Gabriel, der in seiner Tasche nach etwas sucht. Nach ein paar Minuten des Suchens hat er endlich gefunden was er gesucht hat. Er holt zwei schwarze, verbandartige Stoffrollen raus.
„Gib mir mal deine Hände“, fordert er mich auf.
Ich strecke sie ihm also entgegen und er begutachtet sie erst mal, bevor er anfängt sie mit einem der Verbände einzuwickeln. Ich versuche seinen Bewegungen zu folgen und sie mir zu merken, aber es geht alles viel zu schnell.
„Okay, mach mal eine Faust“, fordert er mich auf.
„Gut, dass passt alles“, murmelt er vor sich hin.
Nachdem er auch meine andere Hand verbunden und kontrolliert hat, hilft er mir hoch.
„Also, kann es jetzt losgehen?“
„Ja. Also wie würdest du gegen mich kämpfen?“, fragt er ernst.
„Gar nicht… Du bist so viel stärker als ich… Ich ergebe mich freiwillig“, scherze ich.
„Na bei mir kannst du das ja machen. Also sagen wir’s anders. Wie würdest du gegen einen Feind kämpfen?“
„Keine Ahnung… Ich würde wahrscheinlich wegrennen“, gebe ich schüchtern zu.
Lachend tritt er hinter mich und hebt meine Arme an, bevor er sich um meinen Stand kümmert.
„Also, dass ist immer die Ausgangsposition“, erläutert er während er um mich rum geht und immer wider ein wenig gegen mich drückt. Da ich das vom Cheerleadertraining kenne, weiss ich, dass ich einfach ein wenig dagegenhalten muss.
„Du hast eine gute Körperspannung. Darauf können wir aufbauen. Also fangen wir mit den Grundschlägen an. Ich mache sie dir langsam vor und du probierst sie dann an mir aus. So kann ich dir auch besser sagen, wo du treffen musst und was du eventuell noch falsch machst“, schlägt er vor.
„Na gut…. Wie du meinst…. Dann fangen wir an“, stimme ich zu.
Er zeigt mir immer erst eine Bewegungsabfolge, Schritt für Schritt, bis ich es kann, bevor ich es an ihm ausprobieren darf. Natürlich kann er jeden Schlag locker abwehren.
„Okay, dass war schon ziemlich gut, aber versuch mich doch mit dem Fuss ein bisschen weiter oben zu treffen, ansonsten ist alles okay.“
Ich nicke und mache mich bereit, es gleich noch mal zu versuchen. Natürlich wehrt er den Tritt wider ab. Jedoch hätte ich nicht gedacht, dass er so stark abwehren würde. Das führt leider dazu, dass ich zurücktaumle und ziemlich ungeschickt auf dem Hintern lande.
„Oh, tut mir Leid. Hab ich dir weh getan?“
„Ne, geht schon. Ich bin ja nicht aus Glas“, scherze ich und lasse mir von ihm hoch helfen. Ich entziehe ihm sanft meine Hände, um mir den Dreck vom Hintern klopfen zu können.
„Sollen wir weitermachen oder erst mal ne Pause einlegen?“, fragt er lächelnd.
„Eindeutig weitermachen“, antworte ich optimistisch und stelle mich wieder vor ihm auf.
„Na dann bringe ich dir wohl besser noch ein paar andere Tritte und Schläge bei. Die letzten hast du ja bis jetzt ziemlich gut hingekriegt.“
„Okay, dann los. Ich schau zu“, sage ich und setzte mich auf den Boden.
Er zeigt mir Schritt für Schritt jede Bewegung und erklärt mir dabei immer, worauf ich besonders achten soll.
Ich mache alles erst langsam nach, und lasse mich von ihm kontrollieren, bevor ich es an ihm ausprobiere. Irgendwie tut er mir ja Leid. Er muss das Versuchskaninchen spielen, und das ausgerechnet bei mir. Irgendwie ist es schon ziemlich lustig, aber ich wette selbst meine Schläge und Tritte, und mögen sie auch noch so schwach sein, werden trotzdem mit der Zeit spürbar.
„Keine Sorge, du tust mir nicht weh“, sagt er als hätte er eben meine Gedanken gelesen.
„Ich hab deine Gedanken nicht gelesen. Jedenfalls nicht direkt. Ich habe bloss so eine Ahnung worüber du nachdenkst.“
„Okay, das ist ziemlich merkwürdig. Wie lange weisst du also schon was ich denke?“, frage ich und beobachte ihn dabei, wie er sich unter meinem Blick windet.
„Seit du die Kirche betreten hast“, gibt er schliesslich zu.
„Oh Gott wie peinlich“, sage ich eher zu mir selber als zu ihm.
„Das muss dir doch nicht peinlich sein.“
„Wenn du weisst was ich gedacht habe, dann muss dir doch wohl klar sein wie peinlich mir das ist“, gebe ich schnippisch zurück.
„Ich denke schon, dass ich weiss was du meinst. Aber wie schon gesagt, dass muss dir nicht peinlich sein. Ich… Hmm… Wenn du willst kann ich es dir möglich machen, dass du das bei mir auch kannst“, schlägt er vor.
„Nein, danke. Ich verzichte.“
„Okay, wie du willst“, er scheint ein wenig erfreut darüber zu sein, dass ich abgelehnt habe.
„Na dann weiter“, lenke ich ab, bevor ich auf ihn losgehe und dabei nacheinander jeden Bewegungsablauf noch mal durchgehe.
„Das war doch schon ganz gut. Ich denke wir beenden für heute das Training“, sagt er nach etwa einer halben Stunde.
„Okay, aber lass uns doch noch ein bisschen hier bleiben. Die Sonne scheint und wir sind in einem wunderschönen Park.“
„Ich hab eine noch bessere Idee. Wir könnten bei Starbucks vorbeifahren und dann zu einem See der ganz in der Nähe mitten in einem Wald liegt. Natürlich nur wenn du damit einverstanden bist“, schlägt er vor und sieht mir dabei in die Augen.
„Na ja, ich weiss nicht so recht“, sage ich und denke dabei aber ’Oh mein Gott! JA!’.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du die ehrliche Antwort schon kennst.“
„Na gut. Du willst die ehrliche Antwort? Oh mein Gott! Ja, natürlich. Na los. Lass uns gehen“, antworte ich begeistert.
„Na dann komm mit.“

Kapitel 3
Er ergreift meine Hand und zieht mich hinter sich her zum Motorrad. Ich ziehe so schnell ich kann die Verbände von meinen Händen und schlüpfe in das Jäckchen, das ich vorhin schon getragen hatte. Nachdem er alles verstaut hat, steige ich hinter ihm auf und umschlinge ihn mit meinen Armen. Wir fahren also direkt zu Starbucks, wo wir schnell nach drinnen flitzen und uns zwei Caramel Macchiatto zum mitnehmen holen.
„Du musst sie leider festhalten. Ich muss fahren. Ich werde auch extra vorsichtig sein, okay?“
„Geht klar. Ich denke so geht’s. Du kannst sie mir jetzt geben“, sage ich und nehme die Macchiattos entgegen.
Vorsichtig fährt er vom Parkplatz und dann schneller auf den Highway. Wir fahren nur etwa fünf Minuten, bevor wir auf einen Waldweg einbiegen.
„Hier muss ich das Motorrad abstellen. Den Rest müssen wir zu Fuss gehen. Ist aber nicht so weit. Und es hat sogar immer noch einen kleinen Pfad, an den wir uns halten können.“
„Okay. Dann geh du doch voraus. Ich werde dir schon folgen“, erwidere ich und nehme ihm die Macchiattos wieder ab, damit er seine Tasche nehmen kann. Ich habe zwar keine Ahnung wofür er die braucht, aber das werde ich bestimmt noch früh genug erfahren. Wir gehen noch etwa fünf Minuten bis wir an einem kleinen See ankommen. Das Ufer ist zwar etwas steinig aber die Steine wurden durch das Wasser rund gewaschen. Zufrieden stellt Gabriel die Tasche hin und holt eine Decke raus, die er ausbreitet.
Ich habe zwar keine Ahnung wie er die da alle reingekriegt hat, aber er hat sogar ein paar von diesen grossen Fackeln mitgenommen, die man in Baumärkten kaufen kann. Zwei davon rammt er links und rechts der Decke in den Boden. Den Rest ziemlich nahe am Wasser, damit sie auf der Wasseroberfläche spiegeln. Weil es schon langsam dunkel wird, rufe ich Mum an und gebe ihr bescheid, dass ich von ein paar Mädchen meiner neuen Schule, die ich im Park getroffen hatte, spontan zu einer kennen lern Übernachtungsparty eingeladen wurde. Natürlich ist sie froh, dass ich so schnell neue Freundinnen finde und ist damit einverstanden.
Heimlich vor mich hingrinsend lege ich mich ausgestreckt auf die Decke. Zu dieser Jahreszeit ist es selbst spät abends und nachts noch wärmer als 25 Grad. Ich ziehe also meine Jacke aus und knülle sie zu einem Kissen zusammen. Die Steine geben mir zusätzlich sowieso noch warm, weil sie den ganzen Tag über, von der Sonne beschienen wurden.
Nach einer Weile setzte ich mich dann aber wieder auf und trinke ein paar Schlucke von meinem Latte. Da ich nichts Besseres zu tun habe, gehe ich zum Wasser und strecke erst mal die Zehen rein, um die Temperatur zu messen. Das Wasser ist wie schon erwartet angenehm. Ich weiss, dass Gabriel mich die ganze Zeit dabei beobachtet, wie ich zwischen den Fackeln stehe, den Rücken ihm zugewandt.
Ich beschliesse kurzfristig ein Bad zu nehmen. Also ziehe ich Top und Hose aus. Ich werfe alles einfach hinter mir auf einen Haufen. Ohne mich umzudrehen gehe ich, nur noch ziemlich spärlich bekleidet ins Wasser.
„Machst du das öfter?“, höre ich Gabriel fragen, nachdem ich wieder aufgetaucht bin.
Nur bis knapp über den Bauchnabel im Wasser stehend drehe ich mich zu ihm um.
„Nein, eigentlich nicht. Aber das Wasser ist so angenehm und entspannend. Willst du nicht auch reinkommen?“, frage ich und lasse mich nach hinten fallen.
„Ich denke das währe keine gute Idee“, wehrt er ab, wobei er die ganze Zeit den Boden anstarrt.
„Wieso nicht? Hast du etwa noch nie ein halb nacktes Mädchen gesehen?“, scherzte ich.
„Nun. Ein Mädchen würde ich dich bestimmt nicht nennen. Du bist ziemlich offensichtlich kein Mädchen mehr. Und nein, habe ich nicht“, beantwortete er meine Frage.
„Nun stell dich doch nicht so an. Ich meine, der See ist riesig. Du wirst schon genug Platz haben, ohne gleich mit mir zusammenzustossen“, versuche ich ihn zu überreden, bevor ich wieder abtauche. Ich schwimme bis zu dem kleinen Floss das in der Mitte des Sees treibt und klettere rauf. Als ich mich umdrehe sehe ich, wie Gabriel auf mich zu schwimmt. Lächelnd strecke ich mich auf dem Floss aus und sehe nach oben zu den Sternen. Ich merke am schwanken des Flosses, das Gabriel zu mir hochklettert und sich nach kurzem zögern neben mich legt. Natürlich habe ich seine Blicke auf mir gespürt.
„Was siehst du?“
„Ich habe keine Ahnung“, gebe ich zu und sehe ihn an.
„Kommst du auch noch mal ins Wasser“, fragt er mich nach einer Weile.
Ich erspare uns beiden die Antwort und springe einfach wieder rein.
Ich höre wie er hinter mir her ins Wasser springt, kurz nachdem ich aufgetaucht bin. So schnell ich kann will ich zum Ufer schwimmen, doch dabei achte ich nicht auf die Algenstränge, die schon bis zur Wasseroberfläche reichen. Prompt schwimme ich mitten ins Feld und verheddere mich immer mehr, je hektischer ich mich bewege, bis ich unter Wasser gezogen werde. Ich versuche die Luft so lange ich kann in meinen Lungen zu behalten, aber nach etwa zwei Minuten kann ich dem Drang, einzuatmen nicht mehr widerstehen und hole Luft. Oder auch nicht, denn das einzige was meine Lunge füllt, ist Wasser. Noch hektischer zerre ich an den Strängen, bis alles schwarz wird.
Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich als erstes Gabriel, der sich über mich beugt und auf mich einredet.
„Mir geht’s gut“, krächze ich und greife mir an meinen schmerzenden Hals.
„Sch… Nicht sprechen… Ich muss dich erst heilen“, erklärt er sanft und legt seine Hände um meinen Hals. Ich merke wie sich die Wärme seiner Hände auf mich überträgt und der Schmerz langsam verschwindet.
„Danke“, flüstere ich erschöpft und bin froh, dass meine Stimme wieder normal klingt. Lächelnd hebt er mich hoch und trägt mich zu der Decke.
„Du solltest jetzt schlafen“, schlägt er vor und deckt mich mit einer zweiten Decke zu, die er aus seiner Tasche geholt hatte.
„Okay“, sage ich bevor ich die Decke hochhebe und ihm mit einem Blick zu sagen versuche, dass er sich zu mir legen soll. Sanft drückt er meine Hand wieder nach unten und legt sich auf die Decke. Nach langem zögern legt er die Arme um mich und zieht mich enger an sich. In seiner Umarmung drehe ich mich um und presse meine Wange gegen seine nackte Brust. Ich geniesse die Wärme seines Körpers neben meinem und lausche wie schon einmal seinem Herzschlag und seinen gleichmässigen Atemzügen. Schon kurze Zeit später bin ich eingeschlafen.

Kapitel 4
Als ich am nächsten Morgen aufwache, liege ich immer noch eng an Gabriel geschmiegt auf der Decke, die wir am letzten Abend ausgebreitet hatten.
„Morgen mein Engel“, begrüsst er mich.
„Sollte das nicht eigentlich mein Text sein? Schliesslich bist du der Engel, nicht ich“, scherze ich und setzte mich auf.
„Hast ja recht. Hast du gut geschlafen?“
„Ja, aber nur weil du bei mir warst“, gebe ich zu.
Langsam rücke ich näher zu ihm und küsse ihn. Ich weiss nicht mal wieso ich das tue. Ich kenne ihn doch eigentlich kaum. Sanft, zögerlich, erwidert er meinen Kuss für wenige Sekunden, bevor er hektisch zurückweicht.
„Was ist? Bin ich so schlecht?“, frage ich enttäuscht.
„Nein, es liegt nicht an dir, aber ich darf das nicht.“
„Sagt wer?“, frage ich genervt und fahre mir mit den Fingern durch die Haare.
„Sagte ich einmal“, erklingt plötzlich eine Frauenstimme hinter mir.
„Wer zur Hölle bist du denn?“
„Hallo, ich bin auch sehr erfreut dich zu sehen. Ich bin Gott, Gabriels Schöpferin“, stellt sie sich vor, und glaubt auch wirklich noch, dass ich ihr glaube. Als ich dann aber zu Gabriel sehe, bin ich ehrlich verwirrt, denn er kniet auf dem Boden, das Gesicht der Erde zugeneigt.
„Es tut mir Leid, oh grosse Göttin.“
„Oh grosse Göttin? Jetzt mach aber mal halb lang, ja?“, ziemlich gereizt stehe ich auf, die Decke um meinen Körper geschlungen.
„Du bist ziemlich unhöflich. Ich überlege mir gerade, dich wenn du stirbst nicht einzulassen. Dann kannst du in der Hölle schmoren“, erwidert sie gehässig.
„Wow. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Gott so ein Miststück ist.“
Überlegen lächle ich sie an. Plötzlich prustet sie los.
„Sorry. Ich hab schon so lange keinen mehr verarscht. Das musste einfach sein. Du bist eigenwillig und ein wenig stur. Das ist gut. Gabriel wird bestimmt mit dir zu kämpfen haben, aber das klappt bestimmt.“
„Göttin, weshalb seit ihr hier?“, mischt sich Gabriel ein, der sich inzwischen angezogen hat.
„Ich bin eigentlich nur hier um dir mitzuteilen, dass sämtliche Regeln für dich aufgehoben sind. Es steht dir frei, zu tun was du willst. Ausserdem wirst du befördert.“
„Bei euch kann man auch befördert werden?“, falle ich ihr ins Wort.
„Ja, meine Liebe. Gabriel ist nun noch ein Erzengel, ich habe jedoch vor, ihm die Mächte eines Seraphim zu Teil werden zu lassen“, erklärt sie freundlich.
„Seraphim… Sind das nicht die mächtigsten Engel die es gibt?“
„Richtig. Und normalerweise sind sie immer nur im Himmel, wie ihr es so schön nennt, aber ich gebe ihm den Auftrag, dich zu schützen, so lange dies nötig ist. Danach ist er frei. Er muss mir nicht mehr dienen, wenn er es nicht will. Er hat mir nun schon Jahrtausende gedient, es ist an der Zeit, dass er sein eigenes Leben bekommt“, plappert sie ohne Punkt und Komma. Während sie erklärte, zog ich mich zu Ende an. Ich hatte wirklich keine Lust, weiter in Unterwäsche hier sitzen zu müssen.
Als sie endlich fertig war, bat sie Gabriel aufzustehen. Aufmerksam beobachtete ich, wie sie ihn nur kurz anstupste. Sofort begann er zu leuchten. Seine Flügel, die übrigens riesig waren, bestanden erst nur aus Licht, bevor sie sich langsam Materialisierten.
Da ich nur seinen Rücken sehen konnte, erkannte ich, wie langsam aber stetig, noch zwei paar Flügel aus seinem Rücken wuchsen.
Mit einem Schmerzensschrei wie ich ihn noch nie von einem Menschen gehört hatte, sank er auf seine Knie. Sofort war ich bei ihm und versuchte ihn zu stützen. Ich war mir sicher, würde er jetzt nach hinten kippen, würde etwas Schreckliches passieren. Also schlang ich meine Arme um ihn und hielt ihn fest so gut ich konnte.
„Gabriel. Bitte sag irgendwas. Du machst mir Angst“, flehte ich nachdem er aufgehört hatte zu schreien.
„Lass mir eine Minute“, bittet er keuchend. Glücklich drücke ich ihn an mich, bevor ich ihn heute schon zum zweiten Mal küsse. Eindringlich sieht er mich an, bevor er aufsteht und seine sechs Flügel streckt.
„Darf ich?“, frage ich fasziniert, die Hand nach ihm ausgestreckt.
Lächelnd streckt er seine Flügel mir entgegen und legt sie wie einen Käfig um mich, sodass ich zwischen ihm und den Flügeln eingesperrt bin.
Vorsichtig streiche ich über die langen, silbern und golden schimmernden Federn. Sofort zuckt er unter meiner Hand weg.
„Tut mir Leid.“
„Es hat bloss gekitzelt“, erklärt er immer noch lächelnd. Mehr als ein erstauntes Oh, bringe ich nicht raus. Langsam nähert er sich wieder meiner Hand, die immer noch ausgestreckt ist. Ich spüre das Gelenk, als ich dieses mal darüber streiche.
„Wie schaffst du es, dass sie so weich und glänzend sind?“
„Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Das war schon immer so. Aber sie sind jetzt nicht mehr nur weiss, sondern glänzen nun auch noch“, stellt er selber verwundert fest.
Während ich bloss staunend vor ihm stehe, zieht er seine Flügel wieder ein und faltet sie an seinem Rücken zusammen, bevor sie vollends verschwinden.
„Na dann geh ich mal. Falls du was brauchst weisst du ja wie’s geht“, sagt sie noch an Gabriel gewand, bevor sie sich in gleissendes Licht auflöst.
„Woah! Die haben ja alle total daneben gelegen. Gott ist eine Frau! Ich wusste es!“, jubele ich und hüpfe wie ein Flummi auf und ab.
Ich hüpfe noch immer, als Gabriel schon alles eingepackt hat.
„So, jetzt beruhig dich aber mal wieder. Wir sollten los. Irgendwann musst du auch mal nach Hause“, lachend nimmt er meine Hand und ich hüpfe den ganzen Weg neben ihm her zum Motorrad.
Nachdem er die Tasche weggepackt hat und aufgestiegen ist, klettere ich hinter in. Mit einem Affenzahn fährt er mich nach Hause.
„Wann willst du wieder trainieren?“
„Wie wär’s mit heute Nachmittag?“, schlage ich vor.
„Das ist schon in wenigen Stunden. Reicht dir denn die Zeit. Es war gestern ein ziemlich langer Tag für dich.“
Lächelnd erkläre ich, dass man mich so schnell nicht klein kriegt. Dann nenne ich ihm noch die Uhrzeit, wann er mich abholen soll, bevor ich ins Haus verschwinde.

Kapitel 5

Weil meine Trainingssachen schmutzig sind, hole ich eben meinen zweiten Ersatz hervor. Damit gehe ich ins Bad und fange an zu duschen. Meine verspannten Muskeln sind dankbar, für die Wärme. Nach etlichen Minuten bin ich endlich völlig entspannt. Eine Weile bleibe ich noch so stehen, bevor ich mir endlich die Haare richtig wasche und mich einseife. Danach trockne ich mich ab, und wickle meine Haare in ein Tuch.
Vollständig angezogen gehe ich nach unten in die Küche, wo Mum mit dem Essen auf mich wartet.
Lustlos würge ich den Eintopf hinunter, den sie gemacht hat.
„Süsse. Stimmt was nicht?“, mit diesem, mütterlichen, mitfühlenden Blick sieht sie mich an.
„Ich vermisse Kate“, antworte ich geistesabwesend.
„Das ist nicht das einzige, was dich bedrückt“, stellt sie fest und beobachtet mich mit diesem wissenden Blick. Mein Widerstand bröckelt.
„Okay, na gut. Ich weiss nicht was los ist, aber ich habe diesen Jungen kennen gelernt. Ich mag ihn sehr, aber irgendwie fühle ich mich so Schuldig. Ich denke ich hintergehe Kate, wenn ich so schnell einfach neue Freunde finde“, erkläre ich Haare raufend.
„Oh. Aber deswegen brauchst du dich doch nicht Schuldig zu fühlen. Ich meine, klar, Kate wird dich vermissen, aber auch sie wird noch andere Freunde finden. Und wegen dem Jungen. Wenn du ihn magst, dann kannst du es ihn ruhig merken lassen.“
„Ich kenne ihn doch erst seit gestern und trotzdem. Wir waren im Park und danach an einem See. Dort haben wir auch übernachtet. So unter dem Sternenhimmel und so. Er hat die ganze Zeit auf mich aufgepasst. Er hat mich sogar aus dem Wasser gefischt, als ich mich im Seetang verfangen habe. Und als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, waren wir auf einmal alleine und da hab ich ihn geküsst. Zwei Mal. Aber ich glaube nicht, dass er dasselbe für mich empfindet. Ich glaube ich lass es lieber“, lüge ich und werde sogar rot. Sie soll schliesslich nicht wissen, dass wir die ganze Zeit alleine waren. Mist. Jetzt wünschte ich mir doch wirklich seine Handynummer. Schliesslich sollte er die offizielle Geschichte kennen, sonst würde noch was schief gehen. Genau in diesem Moment klingelte mein Handy. Sofort ging ich ran. Gabriel meldete sich und fragte mich, was ich ihm so dringend erzählen wollte. Hastig sprintete ich in mein Zimmer und knallte die Tür zu. Ich erklärte ihm die offizielle Geschichte. Die Küsse erwähnte ich nicht. Dann legte ich auf, speicherte seine Nummer und ging wieder nach unten.
„Wer war das denn?“, fragt sie überrascht.
„Das war er. Er fragte mich, ob wir heute wieder in den Park wollen. Ich sagte zu. Er holt mich dann hier ab“, erzähle ich. Im Wohnzimmer setzte ich mich aufs Sofa und schalte den Fernseher ein. Später wusste ich nicht mal mehr, was ich überhaupt gesehen hatte. Ich hörte nur noch das läuten der Tür, und wie Mum eben diese öffnete, bevor ich überhaupt reagieren konnte.
Ein wenig verwirrt aber freundlich begrüsst sie ihn und bittet ihn ins Haus. Dann ruft sie nach mir. Schlecht gelaunt, weil ich Kate immer noch vermisste, folge ich ihrem Ruf bis in die Küche. Dort steht sie an die Spüle gelehnt, während Gabriel lässig im Türrahmen lehnt.
„Hi. Na, wie geht’s?“, erkundigt er sich, ganz der Gentleman.
„Ganz okay. Lass uns gehen.“
Ich verabschiede mich von Mum und gehe ihm voraus zur Tür.
Im Park setzten wir uns wieder an unseren üblichen Platz und ich streife erst mal meine Jacke ab. Gabriel, der mir gegenüber sitzt, schnappt nach Luft. Ich dagegen tue einfach so als hätte ich nichts bemerkt und strecke ihm meine Hände entgegen. Als er jedoch nicht reagiert, nehme ich ihm die Bandagen weg und versuche sie mir selbst anzulegen.
Genervt gebe ich auf und bitte ihn, es mir bei zu bringen. Geistesabwesend beginnt er zu erklären, während ich ihm zusehe, wie er mit wenigen Handgriffen meine Hände eingebunden hat.
„Sag mal. Bedrückt dich etwas?“, frage ich und sehe ihn forschend an.
„Bedrückt dich etwas?“, stellt er grinsend die Gegenfrage.
„Ich hab zuerst gefragt“, kontere ich und verschränke die Arme.
„Ich hab nur gerade über meine Beförderung nachgedacht. Und du?“
„Ich vermisse Kate. Ausserdem fühle ich mich mies, weil ich mich mit dir amüsiere, während sie alleine ist“, erzähle ich niedergeschlagen.
„Oh, deshalb bist du so freundlich zu mir.“
Sein Sarkasmus ist nicht zu überhören. Ohne auf ihn zu warten stehe ich auf und renne so schnell ich kann Richtung Strasse. Erst als ich den Asphalt ereiche werde ich langsamer und jogge einfach drauf los. Ich glaube Gabriels Schritte zu hören, die mir in einigem Abstand folgen. Als ich jedoch einen Blick zurückwerfe, ist dort nur eine andere Joggerin. Sie ist hübsch. Ihre Haare sind so blond das sie schon fast weiss scheinen und ihre schwarzen Augen bohren sich in meine. Schnell wende ich den Blick ab und biege in die nächste Strasse ein. Als ich merke dass sie mir immer noch folgt, werde ich schneller, doch sie holt auf.
Plötzlich wird mir klar, dass das Lydia sein könnte. Sie wird ja wohl nicht für immer als Skelett herumlaufen wollen. Abrupt bleibe ich stehen, als vor mir ein Maschendrahtzaun auftaucht. Ich versuche hochzuklettern, rutsche jedoch immer wieder ab. Gerade als ich mich hochzuziehen versuche, werde ich gepackt und auf den Boden geworfen. Dann werde ich gegen den Zaun gedrückt. Meine Füsse schweben über dem Boden.
„Wechsle auf meine Seite und ich werde dich verschonen.“
„Niemals“, keuche ich, denn ihre Hände um meinen Hals verhindern, dass ich Luft holen kann. Das ist einer der Momente, in denen ich mir wünsche, mich in Luft auflösen zu können.
Plötzlich rutschen ihre Hände ab und sie knallt mitten durch mich hindurch. Als sie sich zurückstemmt hat sich über ihr ganzes Gesicht das Muster des Zauns abgezeichnet. Ohne zu überlegen gehe ich einfach durch den Zaun hindurch. Wie ich feststelle gerade noch rechtzeitig, denn kaum bin ich durch, werden meine Gliedmassen wieder sichtbar. Mit einem unmenschlichen Kreischen nimmt sie die Verfolgung auf.
So schnell ich kann renne ich zurück zum Park, wo Gabriel auf der Wiese liegt und in den Himmel starrt. Völlig ausser Atem komme ich schliddernd neben ihm zum stehen. Träge öffnet er die Augen.
„Lydia“, keuche ich und sofort ist er auf den Beinen.
„Ist sie noch hinter dir her?“
Ich nicke und zeige hinter mich. Genau in diesem Moment biegt sie um die Ecke und sprintet auf mich zu.
Gerade noch rechtzeitig zieht Gabriel mich zur Seite. Ihre Klauen von Fingernägeln verfehlen mich um Haaresbreite. Mit einem Tritt in den Magen, schleudert er Lydia gegen den nächsten Baum. Dann schnappt er sich seine Tasche und zieht mich mit sich.
„Lauf. Ich versuche sie aufzuhalten. Starte wenn möglich schon mal den Motor“, erklärt er hastig, bevor er auf sie zustürmt.
Ich renne wie der Teufel zu seinem Motorrad, werfe die Tasche rein und starte das Motorrad. Ich kann es kaum halten, so schwer ist es, doch ich stemme meine Beine gegen den Boden und wünschte mir, meine Füsse würden nicht immer abrutschen. Ich weiss nicht wie, doch aus dem Boden wachsen Felsen, die meine Füsse umschliessen und so an Ort und Stelle halten.
Wenige Minuten später kommt Gabriel auf mich zu gerannt. Die Felsen verschwinden und ich steige ab. Mit einer Hand wirbelt er mich hinter sich auf den Sitz, während er mit der anderen das Motorrad lenkt.
„Wohin fahren wir?“
„Auf den Friedhof. Es gibt dort einige Orte, die sie nicht betreten darf“, erklärt er, mit einer Hand immer noch meine umklammernd.
Dort angekommen stellt er das Motorrad ab und holt hektisch die Tasche raus. Meine Hand immer noch in seiner renne ich ihm nach. Vor einem der neueren Mausoleen halten wir an und er drückt seine Hand auf die schwere Holztür. Diese glüht kurz silbern, bevor sie knarrend aufschwingt. Nachdem er die Tür wieder versiegelt hat, folge ich ihm nach unten. Die Decke von Gestern ist zum Glück immer noch in der Tasche und er breitet sie aus. Wie erstarrt bleibe ich mitten im Raum stehen.
„Alissa? Ist alles okay mit dir?“, besorgt nimmt er meine Hand wieder in seine und führt mich zur Decke.
Wie ein Roboter lasse ich mich auf die Decke sinken und sage immer noch nichts. Mein Gehirn hat sich schon längst verabschiedet. Langsam fängt es wieder an zu arbeiten und mir wird klar, dass man mich eben umbringen wollte. Ich merke noch nicht mal, wie mir die Tränen übers Gesicht laufen, bis sie mir auf meine Hände tropfen.
Sofort bin ich in Gabriels Armen. Ich glaubte erst er währe es, der zittert, dabei bin ich das ja. Ich versuche die Tränen, das Zittern und das Schluchzen zu unterdrücken und wieder ruhig zu atmen, aber es gelingt mir nicht. Wenigstens hören die Tränen nach einer Weile auf und meine Atmung wird nur noch manchmal von einem unkontrollierten Schluchzen unterbrochen. Nach einer Weile habe ich mich wieder beruhigt und drehe mich erst mal weg. Aus der Jacke die ich trug, hole ich erst mal einen Spiegel und ein Taschentuch. Als ich in den Spiegel sehe, sieht mir mein völlig verheultes Gesicht entgegen. Rote Augen, und der Rest des Gesichtes blasser als der Tod. Hastig wische ich die Tränen weg und putze mir so leise wie möglich die Nase, bevor ich mich zu einer Kugel zusammenrolle. Ich will nicht, dass Gabriel mein Gesicht so sieht. Es ist einfach furchtbar. Und trotzdem bringt er mich irgendwie dazu, ihn anzusehen.
„Es tut mir Leid. Ich hätte da sein sollen“, entschuldigt er sich bei mir.
„Es war nicht deine Schuld. Ich wusste, dass sie hinter mir her ist. Ich hätte bei dir bleiben sollen.“
„Nun gut. Es hatte keiner die Schuld daran. Aber jetzt erzähl mir mal. Was ist eigentlich passiert?“, neugierig sieht er mich an.
Ich erzählte ihm alles. Auch das mit dem durch den Zaun gehen. Seine Augen weiteten sich kurz, er unterbrach mich aber nicht. Als ich fertig war, schwieg er erst mal.
„Also. Die Sache mit dem Feuer in der Kirche. Und dann das mit dem in Luft auflösen. Ist dir sonst noch was Komisches passiert, bevor du uns begegnet bist?“, hackt er nach.
Ich erzählte ihm eine Geschichte von früher. Ich war damals 12 Jahre alt. Wir machten einen Klassenausflug. Mitten während des Nachmittags fing es an zu regnen und alle holten ihre Regenschirme raus. Nur ich hatte meinen vergessen und regte mich fürchterlich auf. Trotzdem ging ich trotzig weiter. Als es dann aufhörte zu regnen, merkte ich erst, dass ich ja gar nicht nass geworden war. Und da er schon von komisch geredet hat, erzähle ich ihm auch noch von dem Zwischenfall beim Motorrad, als ich auf ihn warten sollte.
„Oh mein Gott. Das muss schon Tausende von Jahren her sein.“
„Was denn?“, hacke ich sofort nach.
„Ich glaube du bist ein Elemente Bändiger. Aber anstatt nur ein Element beherrschen zu können, beherrschst du alle fünf“, teilt er mir aufgeregt mit.
„Du meinst so was Avatar mässiges?“
Er nickt wieder total aufgeregt und ich juble los.
„Woah! Das ist ja so was von cool. Kannst du mir noch mehr beibringen“
„Ich weiss es nicht. Einiges kann ich dir beibringen, aber um deine Kräfte zu perfektionieren, solltest du bei richtigen Elemente Bändigern unterrichtet werden“, erklärt er mir, während er mich wieder in seine Arme zieht.
„Wieso machst du das?“, rutscht es mir plötzlich raus.
„Was denn?“, fragt er überrascht.
„Na das hier.“
Ich tippe seine Arme an, die er um meine Mitte gelegt hat. Hastig lässt er mich los und weicht zurück.
„Hei! Ich hab dir nicht erlaubt mich los zu lassen“, protestiere ich und verschränke beleidigt die Arme.
„Aber ich dachte du willst nicht?“, verwirrt sieht er mich an.
„Ich habe gefragt, weshalb du das tust. Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht will, dass du es tust.“
„Oh. Na ja…. Ich….“, stammelt er während ich mich ihm langsam nähere.
„Du?“, hacke ich lächelnd nach. Doch anstatt einer Antwort kriege ich einen Kuss! Oh mein Gott! Was mache ich den jetzt? Doch noch bevor ich irgendwas tun kann, ist er auch schon wieder auf Abstand gegangen.
„Sorry.“
„Nein. Schon okay. Ich war nur etwas überrascht“, beruhige ich ihn.
„Hmm…“
„Weisst du. Schon irgendwie merkwürdig. Genau darüber hab ich heute mit meiner Mum gesprochen“, erwähne ich grinsend.
„Du sprichst mit deiner Mum über so was?“
„Ja. Mit wem soll ich denn sonst reden? Kate ist Meilenweit weg“, erkläre ich mies gelaunt.
„Oh. Ja verständlich. Aber was hat sie dir geraten? Nein! Erst mal. Was hast du ihr erzählt?“
Also berichte ich ihm alles. Das ich ihr von den Küssen erzählt habe. Und dass ich denke, dass er nicht das gleiche für mich empfindet, wie ich für ihn. Kaum habe ich dass gesagt, fällt er mir ins Wort.
„Was soll dass den heissen? Ich würde nicht dasselbe für dich empfinden, wie du für mich. Was empfindest du denn für mich?“
Stammelnd fange ich an, komme aber irgendwie nie auf den Punkt.
„Na gut. Machen wir’s anders. Zeig es mir. Schreib es auf. Irgendwas“, schlägt er vor.
„Zeigen… Oh je… Na gut…“
So sexy wie möglich setzte ich mich breitbeinig auf seinen Schoss und lege ihm die Arme um den Hals, bevor ich ihn leidenschaftlich küsse.
Und, oh Glück, er erwiderte den Kuss. Mir entwischt ein leises keuchen, als Gabriel meinen Hintern mit seinen Händen umfasst und mich näher an sich zieht, während er eine Spur aus küssen über meinen Hals zieht. Als seine Hände unter meine Jacke gleiten, halte ich ihn auf.
„Bitte. Lass das. Ich will das nicht. Noch nicht. Dazu kenne ich dich einfach noch nicht gut genug“, begründe ich.
„Schon okay. Du brauchst mir das nicht zu erklären. Ich verstehe schon.“
„Glaub mir. Es hat nichts mit dir zu tun. Ich mag dich wirklich sehr. Ich will das einfach noch nicht“, beschwichtige ich ihn.
„Ist wirklich okay. Ich meine… du bist schliesslich erst 17.“
„Na danke. Jetzt liegt es also an meinem Alter?“, eingeschnappt verschränke ich die Arme.
„So meinte ich das nicht. Und das weisst du auch.“
„Ach mist. Ich hasse es wenn du in solchen Dingen auch noch recht hast“, räume ich mürrisch ein und er fängt auch noch an zu lachen.
„Mann, jetzt krieg dich aber mal wieder ein. Ich will hier raus, also sieh nach, ob die Luft rein ist“, motze ich und stehe auf.
Endlich wieder ernst steht er auf und geht die Treppe nach oben.
„Du kannst jetzt raus kommen!“
Hastig renne ich die Treppe nach oben und in die gleissende Sonne.
„Sonne! Du hast mich wieder!“, juble ich und lasse mich ins Gras fallen.
„Also so schlimm war es doch da unten auch nicht.“
„Geht so. Ziemlich dunkel, aber wenigstens keine Leichen, kein Modergeruch und auch kein Dreck“, räume ich ein.
Bestätigend nickt er und sieht auf mich hinab. Lächelnd erklärt er mir, dass die Luft vielleicht rein war, das jedoch nicht immer so bleiben wird, und wir vielleicht besser zu mir nach Hause gehen sollten.
Also verlassen wir den Friedhof und gehen zu Fuss zu meinem Haus. Ich höre meine Mutter im Garten arbeiten, deshalb verkriechen wir uns in meinem Zimmer. Dort schalte ich die Musik ein und werfe mich mit der Fernbedienung auf mein neues, grosses Doppelbett.
„Sag mal… Wie lange willst du da eigentlich noch rum stehen?“
„Weiss nicht. Mal sehen. So um die hundert Jahre vielleicht“, scherzt er, setzt sich aber mit dem Rücken zu mir aufs Bett. Dabei rutscht sein Shirt ein wenig hoch. Leise rutsche ich ganz nahe an ihn heran, ohne dass er es bemerkt. Dann lasse ich meine Fingerspitzen über seinen Rücken wandern, bevor ich meine Hände unter sein T-Shirt nach vorne zu seinem Bauch gleiten lasse. Seine Bauchmuskeln ziehen sich kurz zusammen, als ich darüber streiche. Knapp über dem Bund seiner Jeans, verschränke ich meine Finger miteinander. Gleichzeitig schmiege ich mich von hinten an ihn. Beinahe sofort erstarrt er und wagt es kaum zu atmen.
„Mein Gott nun entspann dich mal. Dein Herz schlägt viel zu schnell“, tadle ich und verkneife mir ein lächeln.
„Würdest du es dann bitte unterlassen, deine Brüste gegen meinen Rücken zu pressen. Du machst es mir ziemlich schwer dir zu widerstehen“, presst er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
„Oh. Natürlich. Sorry.“
Sofort lasse ich ihn los und rutsche wieder von ihm weg. Phh... Ist ja nicht meine Schuld, dass er so empfindlich ist. Ich meine ich habe doch bloss Körbchengrösse B. Da gibt es also nicht viel, was ich an ihn pressen könnte.
Aber das ist mir jetzt gerade ziemlich egal, denn gerade betritt Midras mein Zimmer.
„Hei, was machst du denn hier?“, überrascht setze ich mich auf.
„Ich habe nach dir gesucht. Ich hab mitbekommen, dass Lydia dich gefunden hat. Du brauchst mehr Training. Deshalb wirst du in unsere Welt kommen. Dort wirst du in Magie und Kampftechniken unterrichtet. Gabriel wird natürlich mitkommen.“
„Und wie bitteschön soll ich das meiner Mutter erklären?“, überlegen sehe ich ihn an.
„Dafür habe ich schon eine Lösung gefunden. Einen magischen Doppelgänger. Er weiss alles was du auch weisst, tut was du tun würdest und macht eigentlich immer was ihm gesagt wird. Unkompliziert und äusserst praktisch.“
„Du kannst doch wirklich alles“, bewundernd sehe ich ihn an, während vor mir erst nur flackernd etwas auftaucht. Als es sich materialisiert hat, stehe ich mir gegenüber.
„Und du weisst also alles über mich?“, frage ich mich selbst.
„Natürlich. Ich werde in nächster Zeit du sein, also weiss ich alles was du weisst“, antwortet mein anderes Ich.
„Und wenn ich sie nicht mehr brauche?“, erkundige ich mich bei Midras.
„Dann wird sie dir erst alle Erinnerungen und Informationen übertragen, bevor sie sich in Luft auflöst“, erklärt er und sieht dabei von mir zu ihr und wieder zurück.
„Dann sollten wir jetzt gehen. Zieh dir vorher aber noch was anderes ein und pack ein paar Klamotten zum wechseln ein, bis die Schneider dir welche angefertigt haben, die magisch verstärkt sind.“
Während Midras noch spricht, gehe ich schon zum Schrank und hole meine grosse Tasche raus, in die ich ein paar Kleider stopfe.
Danach gehe ich mit noch einem Satz Kleider ins Bad, wo ich schnell dusche und mich umziehe, meinem Doppelgänger habe ich befohlen, sich im Schrank zu verstecken. Während Gabriel und Midras auf dem Friedhof auf mich warten.
Fertig angezogen gehe ich zurück in mein Zimmer und gebe meinem Doppelgänger ein altes Handy auf dem meine, und Gabriels Nummer eingespeichert wurde. Ich sage ihr ich werde sie anrufen, sobald ich genug weit weg bin. Dann schleiche ich mich aus dem Haus und am Garten vorbei, ohne das Mum mich bemerkt. Sobald ich bei Midras und Gabriel bin, rufe ich sie an und sage ihr, sie könne jetzt rauskommen.
Dann schalte ich mein Handy aus und packe es in die Tasche.

Kapitel 6
Mitten auf der Brücke zum alten Teil des Friedhofs, erscheint ein blau leuchtendes Loch, durch das Midras ohne zu zögern tritt. Dann nimmt Gabriel meine Hand und zieht mich hinter sich her. Kaum trete ich mit einem Fuss rein, werde ich hineingerissen und als ich nicht mal zwei Sekunden später auf der anderen Seite wieder raus trete, ist mir total übel. Mein Magen beruhigt sich zum Glück schnell wieder. Als ich mich dann endlich umsehen kann, komme ich aus dem Staunen kaum mehr raus. Alles ist aus weissem Marmor und Kristall gemacht. Die Halle in der wir stehen ist riesig und quer durch zieht sich ein rot, goldener Teppich, von der Tür bis zu zwei riesigen Stühlen. Auf dem grösseren der Beiden sitzt Mira, die sofort aufspringt und mich umarmt.
Lachend drückt sie mich an sich, bevor sie auch Gabriel begrüsst. Dann ruft sie Teresia und Aaliyah herein, die uns, eigentlich nur mir, alles zeigen soll. Während Aaliyah meine Tasche ins Zimmer bringt, fängt Teresia mit der Führung an. Die ganze Zeit hält Gabriel meine Hand in seiner, bis wir zu einem grossen Tor kommen. Selbstsicher tritt er an Teresia vorbei und stösst die Tür auf. Sofort sind alle Blicke auf ihn gerichtet. Einige Sekunden sehen sie ihn schweigend an, bevor sie alle gleichzeitig anfangen ihn zu begrüssen. Zwischen all den Männern sehe ich nur wenige Frauen. Eine von ihnen rennt auf Gabriel zu und fällt ihm um den Hals. Sie ist etwa gleich alt wie ich, aber etwas kleiner und auch weniger schlank. Ihre braunen, kinnlangen, verwuschelten Haare fallen ihr immer wieder ins Gesicht. Während Gabriel versucht sie loszuwerden, beobachtet sie mich argwöhnisch mit ihren braunen Augen.
„Hi, ich bin Alissa“, stelle ich mich vor.
„Ich bin Sarah. Gabriel ist schon seit ich klein bin mein Trainer“, das Wort, mein, betont sie besonders.
„Interessant. Er hat auch angefangen, mich zu trainieren. Jetzt bin ich hier, um weiter unterrichtet zu werden.“
Während ich spreche, schmiege ich mich an Gabriel, der lächelnd ebenfalls seine Arme um mich legt.
„Lust auf einen Kampf?“, fordert sie mich heraus. Wütend sieht sie mir in die Augen, was mich jedoch nicht sonderlich beeindruckt. Gabriel sagte mir, dass ich ein Naturtalent sei, was mich stolz machte, denn schon nach einigen Stunden, war es nicht mehr so leicht, meine Tritte und Schläge abzuwehren. Er teilte mir mit, dass ich sehr stark zuschlug, worüber ich auch glücklich war, denn auf Kraft konnte ich aufbauen.
Deshalb nahm ich die Herausforderung an, verschob den Kampf aber auf morgen Nachmittag. Heute sollte ich erst meine Bändigungslehrer kennenlernen. Und dann wollten wir auch sofort mit dem Training anfangen. Während Gabriel mir alle vorstelle, kam Teresia gefolgt von drei Männern und zwei Frauen auf uns zu.
Mein Luftbändigungslehrer, Anan Makani, ist noch grösser als Gabriel und seine Haare sind so blond dass sie schon fast weiss wirken. Seine silbergrauen Augen mustern mich von oben bis unten, als er sich mir vorstellt. Ich bin mir nicht sicher, wie alt er ist, aber ich schätze ihn auf ungefähr Mitte 30.
Aiden Kala wird mein neuer Trainer für Feuerbändigung. Mit seinen braunen Augen und roten Haaren, die er zu einem Zopf zusammengefasst hat, wirkt er erst ein wenig streng, doch als er anfängt zu reden, merke ich schnell, dass er nicht viel älter ist als ich. Mit einem lässigen Handschlag und einem Grinsen im Gesicht, stellt er sich mir ebenfalls vor.
Dann, endlich ist eine der Frauen dran. Kolika Kele ist meine neue Wasserbändiger Meisterin. Ihre langen blonden Haare verdecken ihr Gesicht teilweise, aber ich erkenne gerade noch ihre blauen Augen. Sie ist ebenfalls etwas älter als ich, aber das Aussehen kann täuschen. Wenigstens waren bis jetzt alle freundlich zu mir.
Der letzte der drei Männer stellt sich als Kadir Tuwa vor. Aufgrund seiner Grösse macht er mir ein wenig Angst, aber seine sanften, grünen Augen zeigen mir, dass er nicht so streng ist, wie er aussieht. So nach dem Motto, harte Schale, weicher Kern. Passt auch irgendwie zu einem Erdbändiger.
Leilani Astrum hat mehr Ähnlichkeit mit einer Elfe, während die anderen überwiegend menschlich aussehen. Ihre lilanen Augen scheinen mich zu durchleuchten und durch ihre schwarzen Haare wirkt sie ein wenig bedrohlich. Ich weiss zwar nicht für welches Element sie noch zuständig sein könnte, aber im Moment ist mir das Egal. Sie teilte mir sowieso mit, dass ich bei ihr die letzte Stunde haben würde.
Also Melde ich mich kurz ab, um mich umzuziehen. Weil ich mein Zimmer noch nicht gesehen hab, bietet Gabriel mir an, es mir zu zeigen. Dankend nehme ich das Angebot an und folge ihm durch die Gänge.
Schweigend gehen wir nebeneinander her, bis er meine Hand in seine nimmt. Wir begegnen nicht vielen Leuten, aber wann immer wir jemanden Treffen, werden wir mit einem freundlichen Lächeln begrüsst.
„Ich wünschte ich hätte ein Kleid mitgenommen. Ich fühl mich hier total fehl am Platz.“
„Keine Sorge. Deine Kleider wurden schon in Auftrag gegeben. Die königlichen Schneider kümmern sich schon darum“, mit einem breiten Grinsen sieht er mich an.
„Ich hoffe es ist so was ähnliches, dass Mira immer trägt. Die Ärmel sind so schön.“
„Ja, ich bin mir sicher es wir dir fantastisch stehen. Hier tragen wir immer so was. Ich werde mich jetzt auch erst mal umziehen.“
Lächelnd hält er mir die Tür auf.
„Also das ist mein Zimmer?“, hacke ich nach. So ein Zimmer habe ich noch nie gesehen. Darin steht ein überdimensional grosses Himmelbett. Ein grosser Schrank und noch diverse andere Möbel. Alles ist in bordeauxrot und gold gehalten, genau wie der Thronsaal. Die Wände, Böden und Decken sind aus weissem Marmor, ebenso wie das ganze Gebäude. Ausserdem kann man von den Doppeltüren aus auf einen Balkon treten. Sofort renne ich nach draussen und sehe mich um.
„Wow. Das ist ja wunderschön.“
Wie ein kleines Kind strecke ich meine Arme aus und wirble im Kreis herum, bis mir schwindlig wird.
„Ich muss dich wohl enttäuschen. Wir werden uns das Zimmer teilen. Aber da ich ja nicht schlafen muss, hast du das Bett für dich alleine.“
„Oh. Okay. Alleine währe mir sowieso langweilig geworden. Dann werde ich mich jetzt wohl mal umziehen. Wo ist das Bad?“
Kurz zeigt er mit der Hand auf eine Tür, bevor er sein Shirt auszieht. Aus dem Schrank holt er sich ein paar Klamotten, während ich im Bad verschwinde.
Fertig umgezogen, in meinen bequemen Adidas Sachen, trete ich wieder ins Zimmer und erstarre.
Gabriel steht doch tatsächlich vollkommen nackt im Zimmer. Sein Rücken ist mir zugewandt. Ich bin doch wirklich ein wenig enttäuscht, als er hastig in eine dunkelbraune Lederhose schlüpft und ein weisses, locker sitzendes Tunika Hemd überstreift. Ich frage mich, wieso ich so enttäuscht bin. Aber wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass meine Teenagerhormone verrückt spielen. Aber ich muss schon sagen, seinen Knackarsch hätte ich gerne noch weiter bewundert.
„Hör auf so was zu denken“, mahne ich mich selber leise.
„Was hast du denn gedacht?“, fragt Gabriel lachend und dreht sich zu mir um.
„Ach nichts. Lass uns gehen.“

Kapitel 7
Schnell folgt er mir und greift nach meiner Hand.
„Bitte sag mir doch, was du gedacht hast. Ich würde gern mehr über dich wissen.“
„Aber was ich gedacht habe, gehört sich nicht. So was habe ich noch nie gedacht und es ist auch viel zu… unanständig um es jemandem zu erzählen. Besonders dir“, erkläre ich und sehe dabei stur geradeaus.
Sanft aber bestimmt zwingt er mich, kurz bevor wir den Trainingsraum betreten können, anzuhalten.
„Bitte sag es mir“, fleht er, während er mich an die Wand drängt.
„Zu peinlich“, immer weiter errötend schüttle ich den Kopf.
„Nichts ist zu peinlich“, wispert er mir ins Ohr, bevor er mich leidenschaftlich küsst. Mit einem leisen Stöhnen gebe ich nach und dränge mich an ihn. Erst bin ich ein wenig überrascht, als er meinen Hintern umfasst und mich hochhebt, doch schnell entspanne ich mich und schlinge sowohl Beine als auch Arme um ihn, um ihm noch näher sein zu können.
Ich weiss nicht wie lange wir uns schon küssen, aber plötzlich werden wir von einem Räuspern unterbrochen.
Genervt lässt Gabriel mich runter und dreht sich um. Vor uns stehen zwei ziemlich muskulöse, äusserst verschwitzte Typen, die erst mich anstarren, bevor sie sich Gabriel zuwenden.
„Wir sollen dir mitteilen, dass Sarah mal wieder ne Trainingsstunde braucht. Ausserdem wartet draussen schon ihr erster Mentor.“
„Oh! Mist! Natürlich, ich muss los. Wir sehen uns dann nachher irgendwann.“
Hastig küsse ich ihn noch mal, bevor ich nach draussen und runter zum Wasserfall jogge. Kein bisschen ausser Atem komme ich dort an, wo Anan schon auf mich wartet. Anscheinend wartet er noch nicht all zu lange, aber kaum bin ich neben ihm, fängt er auch schon an zu reden und mir diverse Dinge zu erklären, bevor ich selber ran muss. Er zeigt mir einige leichtere Übungen vor.
Die erste besteht darin, ihn durch eine Wand aus Luft aufzuhalten, sodass er nicht mehr weiter auf mich zukommen kann. Nach einer Weile, und unzähligen Versuchen, habe ich den Dreh raus und schaffe es, ihn aufzuhalten.
Nachdem ich es mehrere Male hintereinander gemacht habe, kriege ich die Aufgabe ihn durch einen Luftstoss zurück zu werfen. Wieder zeigt er mir erst vor, was ich zu tun habe, bevor er als Versuchskaninchen herhalten muss. Beim ersten Mal, taumelt er gerade mal einen Schritt zurück, aber nach einigen Fehlversuchen werfe ich ihn so heftig zurück, dass er gegen die Felsen gekracht wäre, hätte er seinen Flug nicht abgefangen.
„Es tut mir so Leid. Das wollte ich nicht“, entschuldige ich mich sofort.
„Schon okay. Genau das war dein Ziel. Aber ich denke für heute sollten wir dein Luftbändiger Training beenden. Ich werde dann gleich Aiden zu dir schicken. Wir sehen uns dann spätestens beim Abendessen wieder.“
Mit diesen Worten geht er den Hang hinauf. Wenigen Minuten später kommt Aiden denselben Weg nach unten und auf mich zu.
Er sagt nicht viel, sondern bittet mich nach einer kurzen Demonstration, doch einfach mal zu zeigen, was ich mit Feuer alles machen kann. Ich versuche das mit den Feuerhänden, was ich in der Kirche gemacht habe und tatsächlich gelingt es mir auch. Stolz will ich einen der Feuerbälle hochwerfen, doch kaum hat er sich von meiner Hand gelöst, verpufft er zu einer kleinen Rauchwolke.
„Fuck!“, fluche ich. Nicht sehr Damenhaft, aber das ist mir eigentlich im Moment ziemlich Wurst. Womit ich jedoch nicht gerechnet habe, ist, dass das Feuer auf meinen gesamten Körper übergeht und ich buchstäblich in Flammen aufgehe.
„Beruhige dich. Du verbrennst ja alles.“
Während er auf mich einredet, versuche ich, ruhig zu atmen. Und tatsächlich zieht sich das Feuer zurück und verpufft letztendlich mit kleinen Rauchwölkchen. Ein Glück hat meine Kleidung nichts abbekommen.
„Du solltest deine Energie nicht aus dem Gefühl der Wut beziehen. Feuer bedeutet nicht nur Hass und Zerstörung…“
„Sondern auch Leben und Energie. Feuer atmet und wächst. Und wenn es keine Nahrung mehr hat dann erlischt es. Schon klar“, beende ich seinen Satz.
„Du hast Avatar gesehen“, stellt er erfreut fest. Ich nicke bloss.
Dann versuche ich eine Feuerwand hinter mir aufzubauen. Ich spüre die Hitze an meinem Rücken und sein erstaunter Blick zeigt mir, dass ich es hingekriegt habe. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen geht er einfach durch die Feuersäule, die ich um mich geschlossen habe. Und dreist wie er ist, zieht er mich doch wirklich einfach an sich und küsst mich. Sofort versteife ich mich in seinen Armen. Schweigend lasse ich es über mich ergehen und warte auf das Ende. Als er endlich von mir ablässt, scheuere ich ihm so dermassen eine, dass er mehrere Meter zurückgeworfen wird. Als er mich am Arm packen und zurückhalten will schleudere ich so kräftig wie möglich mit dem eben erst erlernten Luftbändigerschlag zurück. Dann renne ich den Abhang hinauf und ins Gebäude hinein. Mit einem weiteren Luftstoss sprenge ich die Türen zum Trainingsraum auf, bevor ich Aiden eine Feuerwand entgegenschicke. Hastig sehe ich mich um und entdecke Sarah, die mich gehässig ansieht. Einige Meter weiter steht Gabriel, der, sobald er mich sieht, zu mir rennt.
„Was ist passiert?“, fragt er sofort und wischt mir die, von mir bisher noch gar nicht bemerkten, Tränen von den Wangen.
Ich schüttle bloss den Kopf, als Aiden auch schon bei uns ankommt.
„Bitte lass mich erklären“, fleht er.
„Da gibt’s nichts zu erklären. Das Training verschieben wir besser auf morgen. Such Kolika und schick sie zu mir“, befehle ich wütend.
„Aber…“, setzt er an.
„Kein aber!!!! Geh jetzt!!!!“, brülle ich und kurz glühen meine Augen auf und meine Haare werden zu einem Flammenmeer, während um meine Augen Feuer züngelt.
Das alles weiss ich aber nur, weil ich mich aus dem Augenwinkel noch in einem Spiegel sehen kann. Beinahe sofort kehre ich aber wider in den Normalzustand zurück. Doch als das geschehen ist, ist Aiden schon weg. Eine Weile bleibe ich noch da stehen, bevor ich mich wieder auf den Weg nach unten zum Wasser mache.
Dort schlüpfe ich einfach aus Schuhen, Hose und Top, bevor ich nur noch in Unterwäsche ins Wasser springe und mich darauf treiben lasse. Plötzlich werde ich auf einer Welle ans Ufer getragen, wo Kolika steht, und mich anlächelt.
„Aiden hat dich geküsst, oder?“, fragt sie grinsend.
Ich nicke.
„Keine Sorge. Er wird es nicht noch mal tun. Aber er versucht es bei jeder.“
„Na dass ist ja beruhigend“, antworte ich sarkastisch.
Sie kann sich ein Lachen nicht mehr verkneifen und prustet los. Bald falle auch ich in ihr Lachen ein. Schliesslich beruhigen wir uns aber wieder und fangen mit dem Training an, wofür wir wieder ins Wasser gehen. Dort gibt sie mir die Aufgabe, eine Wasserkugel zu übernehmen, ohne dass sie herunterfällt. Nach einigen Versuchen klappt es auch schon ganz gut, und wir schicken uns die Kugel ein paar Mal hin und her, bevor wir den Abstand vergrössern. Danach gehen wir wieder ans Ufer und sie bringt mir bei, wie ich eine Welle erschaffe. Erst sind meine noch mickrig und fallen schnell in sich zusammen, doch bald sind sie beinahe so gross wie ihre. Ich spüre schon langsam die Erschöpfung, weshalb sie das Training für heute beendet.
Nur noch zwei Lektionen, dann habe ich es geschafft. Während ich mich anziehe, geht Kolika. Und schon bald kommt Kadir, der sie ablösen soll. Seine Unterrichtsmassnahmen sind erbarmungslos, doch ich mache fortschritte. Ich schaffe es sogar schon, einen grossen Felsen zu bewegen. Und am Ende der Stunde kann ich meine Hände in massive Steinwände stecken, ohne das was passiert. Da ich so schnell lerne, dauert die Lektion für heute nicht lange.
Letztendlich kommt Leilani doch noch, obwohl sie nicht sehr erfreut scheint, mich zu sehen.
Sie spricht nicht viel und erklärt nur das nötigste. Sie erklärt mir, dass ich bei ihr lernen soll, alle vier Elemente gleichzeitig zu bändigen und auch pure Energie zu leiten. Sie zeigt mir als erstes, wie ich die Energie eines anderen anzapfe, was ich aber niemals tun sollte, wenn es sich nicht um einen Notfall handelt. Ich solle die Energie aus meiner Umgebung ziehen, wie sie so schön sagt. Also versuche ich erst meine eigene Quelle zu finden, bevor ich diese mit der Kraft meiner Umgebung nähre. Aus dieser Energie versuche ich einen Ball zu formen, der auch wirklich wenige Zentimeter über meiner Handfläche schwebt. Mit Schwung werfe ich in an einen grossen Stein am Ufer, der sofort in Millionen winzige Splitter zerspringt.
„Du bist mächtig. Und du weisst wie man Energie sammelt. Das ist gut. Nutze diese Kraft, aber tue dies Weise. Für heute ist der Unterricht beendet. In einer Stunde gibt es Abendessen. Wir sehen uns dann dort. Zieh dir was Hübsches an“, mit diesen Worten steht sie auf und verschwindet durch ein Portal, dass sie aus dem Nichts erschafft.

Kapitel 8

Erst finde ich es schon etwas merkwürdig, doch schliesslich beschliesse ich, nicht weiter darüber nachzudenken. Stattdessen gehe ich nach oben in mein Zimmer um mir was zum Anziehen rauszusuchen. Aber irgendwie finde ich einfach nichts Passendes. Gerade als ich aufgeben will, klopft es an der Tür, die kurz darauf aufgeht. Teresia kommt mit einem ganzen Haufen Kleider rein, die sie vor mir auf dem Bett ausbreitet.
„Welches willst du zum Abendessen anziehen?“, fragt sie und sieht dabei uninteressiert aus dem Fenster.
„Ich weiss nicht. Die sind alle wunderschön. Ich kann mich nicht entscheiden. Frag doch Gabriel, welches ich anziehen soll und sag es mir dann“, bitte ich sie lächelnd. Mit einem Nicken verschwindet sie zur Tür raus. Vor mir liegen 13 wunderschöne Kleider. Vier grüne, drei blaue, zwei beige, ein braun-orangenes, ein graues, ein schwarzes und ein rotes.
Wenige Minuten später kommt Teresia zurück und teilt mir mit, dass er sich das blaue mit den weissen Ärmeln ausgesucht hat. Also hänge ich alle anderen in den Schrank, bevor ich das von ihm ausgesuchte Kleid mit ins Bad nehme, wo ich schnell dusche und mir die Haare wasche, bevor ich sie trockne und mich anziehe.
Das Kleid ist nicht nur bequem, sondern auch wunderschön. Begeistert drehe ich mich vor dem Spiegel im Kreis. Ein Glück hat Teresia mir noch passende Schuhe dagelassen, die nicht nur Chic aussehen, sondern auch noch bequem sind. Gerade als ich nach Gabriel sehen will, betritt er das Zimmer. Gleich hinter ihm kommt Sarah und noch ein paar andere ins Zimmer die ich nur vom sehen her kenne. Ein Glück stehe ich direkt neben der Tür zum Bad, sodass ich mich schnell verstecken kann, bevor sie mich bemerken.
Leider habe ich aber vergessen, die Tür abzuschliessen, was ich erst merke, als Gabriel reinkommt.
Er bemerkt mich noch nicht mal, weil er gerade dabei ist, sein Shirt auszuziehen, das er fürs Training getragen hat.
„Hi“, flüstere ich so leise, dass ich schon befürchte, er hätte mich nicht gehört, als er sich umdreht.
„Oh, hei. Du bist…. Wunderschön“, stammelt er leise und beobachtet mich mit diesem speziellen Blick.
„Na ja. Geht so“, gebe ich schüchtern zu.
„Nun sei nicht so bescheiden. Du siehst wundervoll aus. Denen werden die Augen ausfallen. Geh doch schon mal raus. Ich komm gleich nach“, verspricht er und gibt mir kurz einen Kuss, bevor er mich sanft zur Tür schiebt.
Draussen warten die anderen. Darunter auch Sarah, die ebenfalls ein Kleid trägt. Ihres ist in einem dunklen, balsslila, mit grünen Highlights.
Die Männer tragen alle braune Lederhosen und ebenfalls braune Tunika Hemden.
„Hi Sarah. Schönes Kleid. Hast du das auch von Teresia bekommen?“, frage ich lächelnd.
„Nein. Teresia spricht nur mit Gabriel, und mit der königlichen Familie. Soll das heissen, sie hat dir das Kleid gebracht?“
„Ja, sehr richtig. Das habe ich. Hast du noch kurz Zeit? Die königlichen Schneider wollen dich sehen. Sie wollen wissen, ob man noch was ändern muss“, antwortet eben erwähnte Teresia an meiner Stelle.
„Ich wollte eigentlich mit Gabriel zum Essen gehen. Aber könntest du ihnen einfach sagen, dass alles wie angegossen passt? Da braucht man wirklich nichts zu ändern.“
„Okay. Hier hab ich dir noch was mitgebracht. Das gehört als Schmuck zum Kleid“, schnell überreicht sie mir eine Schachtel, bevor sie wieder verschwindet.
Schnell öffne ich sie und nehme ein wunderschönes Tiara raus. Schnell bitte ich jemanden, einen Teil meiner Haare hochzuhalten, bevor ich mein Tiara am Hinterkopf verschliesse. Dann lasse ich den Rest der Haare darüber fallen.
Während ich im Spiegel nachprüfe, ob alles da ist, wo es hingehört, werde ich von allen beobachtet. Ein Glück stört mich so was nicht. Trotzdem bin ich froh, als Gabriel endlich, fertig angezogen aus dem Bad tritt. Er trägt nicht wie die anderen die Farbe braun, sondern hat sich für eine schwarze Lederhose und eine weisse Tunika entschieden, die leicht silbern schimmert.
Schnell gehe ich zu ihm und lächle ihn an, bevor ich seine Hand nehme, und ihn nach draussen ziehe. Die anderen folgen uns in einigem Abstand. Wir gehen durch lange Gänge und betreten schliesslich eine grosse Halle.
Staunend sehe ich mich um, während Sarah mich mit Blicken durchbohrt.
„Woah, Sarah. Kill sie nicht gleich“, mahnt einer der Männer unserer Gruppe.
„Oh, keine Sorge. Werde ich schon nicht. Das heb ich mir für Morgen auf“, ich höre sie gehässig lachen und sehe besorgt über meine Schulter zurück.
„Hör nicht auf sie. Ich wird schon aufpassen, dass sie dir nicht weh tut.“
„Aber morgen ist der Kampf“, ich sehe panisch zu Gabriel hoch, der mich in seine Arme zieht und mir beruhigend über den Kopf streicht.
Plötzlich tippt mir jemand auf die Schulter und ich zucke zusammen. Hinter mir steht Midras. Schüchtern lächle ich ihn an. Als ich mich umsehe, bemerke ich, dass wir von allen angestarrt werden.
„Darf ich sie kurz entführen?“
„Nur wenn du sie mir wieder zurückbringst“, scherzt Gabriel und ich hake mich lachend bei Midras unter. Dieser führt mich an den gaffenden Leuten vorbei in ein Nebenzimmer. Wir sind alleine und als er die Tür schliesst, verstummen sofort alle Geräusche um uns herum.
„Also, wir können hier von niemandem gehört werden. Was ich dir jetzt sage, bleibt unter uns. Auch Gabriel soll nichts davon wissen. Er währe sowieso nicht einverstanden.“
Bedächtig nicke ich und warte darauf, dass er weiter spricht.
„Gut. Was hältst du von Tattoos?“, aufmerksam beobachtet er meine Reaktion. Mein begeistertes Jubeln scheint ihm Antwort genug zu sein. Mit einem erleichterten Seufzen setzt er sich auf einen Stuhl, der einsam und verlassen an der Wand steht.
„Du willst jetzt bestimmt wissen, wieso ich dich das gefragt habe. Ein guter Freund von mir macht spezielle Tattoos, die sich als Waffe benutzen lassen.“
„Cool. Wann kommt er denn. Das will ich sehen“, aufgeregt tigere ich auf und ab.
„Er kommt in ungefähr drei Wochen. Wenn du willst, macht er dir eins. Die macht er nur sehr selten. Ich bin einer der wenigen, die auch eins haben“, erzählt er gelassen.
„Das währe super. Darf ich denn selbst aussuchen, was es wird?“, misstrauisch sehe ich ihn an.
„Klar doch“, antwortet er erfreut.
„Na dann bringe ich dir irgendwann mal eine Zeichnung oder ein Bild. Das Tattoo will ich übrigens auf dem Rücken. Aber jetzt sollte ich zurück. Es gibt bestimmt bald essen.“
Langsam gehe ich auf die Tür zu und öffne sie. Midras folgt mir in einigem Abstand, trennt sich aber von mir, noch bevor wir Gabriel gefunden haben. Ich gehe am Rande des Raumes entlang und sehe mich immer wieder um. Plötzlich werde ich von Sarah aufgehalten, die mich gegen die Wand drängt, sodass ich ihrer Meinung nach nicht entkommen kann.
„Willst du mich wirklich jetzt schon töten? Ich dachte das wolltest du erst morgen machen?“, frage ich und meine Stimme trieft vor Sarkasmus.
„Wage es nicht so mit mir zu reden, Miststück“, zischt sie bedrohlich und umklammert meine Kehle.
Wie schon zuvor bei Lydia löse ich mich einfach in Luft auf und trete mitten durch sie hindurch, bevor ich mich wieder materialisiere. Leichtfüssig stolziere ich davon und denke, ich hätte es überstanden, als sie meinen Arm umklammert.
„Lass die Finger von Gabriel!“, droht sie.
„Oh, das würde ich ja. Aber er scheint seine nicht von mir lassen zu wollen“, reize ich sie weiter und sie versucht doch tatsächlich, mir eine zu scheuern. Ich kann mich gerade noch so ducken, doch sie setzt mit ihrem Fuss nach und tritt mir direkt auf meinen linken. Den konnte ich zum Glück gerade noch rechtzeitig mit einer Steinschicht umschliessen, sodass ich nichts davon spüre.
Doch sie hat nicht die Absicht, mich einfach so gehen zu lassen. Sie will noch mal zuschlagen und dieses Mal kann ich nicht ausweichen, weshalb ich gegen die Wand taumle, als ihre Flache Hand mein Gesicht trifft.
Langsam werden die Leute auf uns aufmerksam, doch anstatt mir zu helfen, lassen sie es zu, dass Sarah weiter auf mich einschlägt, biss ich am Boden liege. Ich drücke mich gegen die Wand, was nicht sehr klug ist, denn so kann ich nicht abhauen, als sie mich mit den Füssen in die Magengegend tritt. Ich versuche mich mit Armen und Beinen abzuschirmen und kauere mich zu einer kleinen Kugel zusammen, während meine Wut über meine Schutzlosigkeit immer weiter wächst.
Auf einmal hören die Tritte auf. Stattdessen gehen staunende Ahs und Ohs durch die Menge. Als ich aufblicke sehe ich nur Gabriels Gesicht, und um mich herum das silbern und goldene schimmern seiner Flügel.
Von seinen Händen geht ein leichtes leuchten aus und als er sie über mich hält, geht davon eine unglaublich starke Energie und Wärme aus.
Die schmerzen der Schläge verschwinden und er hebt mich hoch.
„Dass mit dem Kampf morgen kannst du vergessen. Und wenn ich noch einmal von so etwas höre, dann kannst du dir sicher sein, dass du niemals in den Himmel kommen wirst, und wenn ich persönlich dafür sorgen muss“, droht er, doch ich lege ihm besänftigend eine Hand an die Wange.
„Sein nett Gabriel. Mir ist doch nichts passiert. Ausserdem hätte ich sie nicht noch provozieren sollen.“
„Dir ist nichts passiert? Hätte ich dich nicht geheilt, hättest du niemals Kinder bekommen können. Du hattest innere Verletzungen. Sarah wusste wie sie dich verletzen musste, um dir ernsthaft zu schaden. Sie macht dass schon seit Jahren, sie weiss wie das geht. Sie wollte dich verletzen“, raunte er mir leise zu.
Den Blick auf sie fixiert trägt er mich von ihr Weg ans andere Ende des Saals. Erst dort lässt er mich wieder runter.
„Wie geht es dir?“, besorgt mustert er mich von Kopf bis Fuss.
„Geht so. Noch ein wenig schwindelig und irgendwie ist mir übel, aber ansonsten eigentlich ganz gut“, berichte ich.
„Ich glaube ich hole für dich lieber schon mal was zu Essen und wir gehen nach oben“, schlägt er vor, doch ich schüttle den Kopf.
„Du scheinst sie so lange nicht mehr gesehen zu haben. Wieso bleibst du nicht noch ein wenig und ich gehe alleine.“
„Ich lass dich doch nicht alleine nach oben gehen. Wer weiss was heute Abend sonst noch passiert“, er versucht locker zu klingen, doch sein Blick spricht Bände.
„Mir wird schon nichts passieren.“
„Trotzdem. Ich komme mit“, wiederholt er ernst.
„Aber ich werde wahrscheinlich noch Stundenlang in der Badewanne sitzen. Wenn du also nicht vor hast, mir Gesellschaft zu leisten, wirst du den ganzen Abend alleine im Zimmer sein.“
„Oh, nun wenn das so ist, leiste ich dir natürlich gerne Gesellschaft“, verschmitzt lächelt er mich an. Ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken und nehme seine Hand.
Gemeinsam verlassen wir den Saal und gehen langsam nach oben in unser Zimmer.
Dort angekommen ziehe ich erst mal meine Schuhe aus und lege die Tiara wieder in die Schatulle, die mir gegeben wurde. Beides verwahre ich im Schrank. Als ich eine der Schubladen öffne, finde ich dort noch mehr Tiaras auf einem mit Samt überzogenen Kissen. Ein Platz ist noch frei und ich nehme das, das ich getragen habe und lege es zu den anderen.
Im Bad schminke ich mich kurz ab und fange schon mal an, das Wasser einzulassen. Von hinten tritt Gabriel an mich heran und küsst mich auf den Nacken. Seine Hände wandern zu meinen Hüften, wo er langsam anfängt, das Kleid hoch zuziehen. Mit wenigen geübten Handgriffen, hat er mich von meinem Kleid befreit und hängt es über einen Stuhl. Das alles hat er getan, während ich vor dem Spiegel stand, sodass ich ihn genau dabei beobachten konnte.
Leise folge ich ihm und lege meine Arme um ihn. Er will sich zu mir umdrehen, doch das lasse ich nicht zu. Nun bin ich es, die versucht, ihn auszuziehen. Leider bin ich selbst nicht gross genug, sodass er nachhelfen muss. Ich spüre das Vibrieren seiner Brust unter meinen Händen, als er leise lacht und sein Hemd zu meinem Kleid auf den Stuhl wirft.
Schnell drehe ich das Wasser ab und ziehe mich ganz aus, bevor ich mich in das warme Wasser gleiten lasse. Errötend sehe ich Gabriel zu, wie er sich auszieht und sich mir gegenüber setzt.
Aufmerksam mustert er mich von oben bis unten, weshalb ich so viel Schaum um mich sammle, wie ich kriegen kann.
„Du wirst ja rot“, bemerkt er amüsiert, während er mit dem verbliebenen Schaum spielt.
„Natürlich. Ich bin nun mal nicht…. Ach, du weisst was ich meine.“
„Ja, verstehe. Trotzdem, entspann dich. Ich werde schon auf meiner Seite bleiben“, scherzt er und lässt einige Schaumflocken an mir vorbeischweben.
Mit einer davon tippt er meine Nase an. Später versuche ich einen Unterwassertornado zu machen und es klappt. Dadurch wird aber auch sämtlicher Schaum von mir weggezogen. Sofort ziehe ich meine Beine an und versuche mich zu bedecken.
Lässig schiebt Gabriel mir seinen verbliebenen Schaum zu. So hat er aber nichts mehr davon, weshalb ich nun ihn unauffällig mustere.
Dabei bemerke ich wie ich erröte, als meine Blicke immer Tiefer wandern. Trotzdem bin ich zu feige, ihn wirklich genau anzusehen.
„Der Schaum wird bald weg sein. Soll ich gehen?“, forschend sieht Gabriel zu mir rüber.
„Nein, schon okay. Du kannst gerne bleiben wenn du willst. Aber ich muss irgendwie das Wasser erwärmen. Mir wird langsam kalt.“
„Das kann ich gern für dich übernehmen. Sag einfach Stop wenn es warm genug ist“, bietet er an und ich nicke.
Ich merke wie das Wasser um uns herum immer wärmer wird und als es wieder angenehm ist, gebe ich ihm bescheid.
„Nun, da ja kein Schaum mehr vorhanden ist, sollte ich dir auch die Gelegenheit geben, mich anzusehen, Schliesslich habe ich dich bereits gesehen. Mehr oder weniger.“
Ich sehe im Spiegel wie ich immer mehr rot anlaufe und schäme mich dafür. Trotzdem strecke ich meine Beine wieder aus, sodass sie seine sogar ein wenig streifen. Gleichzeitig lasse ich mich noch tiefer sinken, sodass nur noch mein Kopf aus dem Wasser ragt.
Abwartend sehe ich ihn an. Sein Blick wandert langsam, genüsslich von meinen Zehen aus nach oben. Viel kann er nicht sehen, da ich meine Beine übereinandergeschlagen habe. Meine Arme habe ich über meinen Brüsten verschränkt, doch langsam lasse ich sie neben meinen Körper fallen.
„Dir gefällt anscheinend was du siehst“, bemerke ich und will schon wieder die Arme verschränken, als er nach meinen Händen greift.
„Ja, und das solltest du nicht verstecken. Nicht vor mir.“
Langsam beugt er sich zu mir rüber. Ich will schon protestieren, doch seine Lippen ersticken meine Worte im Keim. Sein Körper drängt sich an meinen und ich verkrampfe mich automatisch.
Gabriel bemerkt es und weicht zurück. Langsam erhebt er sich und steigt aus der Wanne. Seine Erregung kann man im wahrsten Sinne des Wortes sehen. Hastig wende ich meinen Blick ab und steige ebenfalls raus. Vorher ziehe ich jedoch den Stöpsel, sodass das Wasser ablaufen kann. Ich nehme eins der Tücher und trockne mich damit ab, bevor ich mich darin einwickle.
Müde gehe ich nach nebenan und schlüpfe in Höschen, Shorts und Top.
„Es tut mir Leid. Ich hätte das nicht tun sollen.“
Langsam drehe ich mich zu ihm um.
„Schon okay. Es ging mir bloss alles viel zu schnell. Wie sagt man so schön. Anschauen darf man, aber anfassen nicht… Oder so ähnlich… Na du weisst worauf ich hinaus will“, stammle ich aufgeregt.
Er nickt bloss und setzt sich seufzend aufs Bett. Vorsichtig klettere ich an ihm vorbei und lege mich unter die Decke.
„Komm…“, wispere ich leise und er sieht mich an.
„Ich schlafe doch nicht.“
„Schon klar, aber ich will hier nicht alleine sein“, erkläre ich leise.
„Na gut. Und keine Sorge. Ich werde dich nicht berühren.“
Schweigend legt er sich neben mich. Die Decke zwischen uns. Ich drehe mich zu ihm, sodass ich ihn ansehen kann.
„Das ist nicht das Problem. Das bin nur ich mit meiner eigenen Dummheit. Ich weiss ja auch nicht wieso ich mich so dämlich anstelle. Eigentlich will ich es ja. Aber ich stehe mir selbst im Weg“, ich rede am laufenden Band und kann einfach nicht mehr aufhören, bis ich fertig bin. Aufmerksam sieht er mich an.
„Du hast Zeit… Es muss ja auch nicht ausgerechnet ich sein, der… na du weisst schon.“
Zögernd nicke ich. Automatisch rutsche ich näher zu ihm ran und lege ihm einen Arm um den Hals.
„Ich will aber dass du es bist“, hauche ich und küsse ihn vorsichtig.
Mit Schwung drehe ich mich über ihn und setze mich hin. So sexy wie möglich will ich mein Top ausziehen, als er mich aufhält.
„Nicht jetzt.“
„Aber ich will es“, protestiere ich eingeschnappt und will weitermachen.
„Ich denke nicht, dass du dazu bereit bist. Ich bitte dich. Lass dir Zeit“, fleht er schon beinahe. Beleidigt schmeisse ich mein Top achtlos zu Boden und klettere von ihm runter. Gekränkt drehe ich ihm den Rücken zu und überhöre seine Worte einfach. Ich versuche zu ignorieren, wie er von hinten an mich heran rutscht und seine Arme um meine Mitte legt, wobei eine seiner Hände meine Brüste streift. Ein mehr erregtes als überraschtes keuchen entweicht mir.
„Sorry“, höre ich ihn hinter mir und muss ein lächeln unterdrücken.
„Hat sich gut angefühlt“, gebe ich zu. Es ist viel einfacher mit ihm zu reden, wenn ich ihn nicht direkt sehe. Denn so sieht auch er mich nicht richtig, was mir irgendwie die Scham nimmt.
Seine Fingerspitzen gleiten über meinen Bauch, was bei mir ein angenehmes Kribbeln auslöst. Meine eigenen Hände greifen nach seinen und dirigieren sie wie von selbst nach oben.
„Wieso?“
„Weil ich dich will“, meine Antwort ist schlicht und kurz, doch zutreffend.
„Ich werde nicht mit dir schlafen“, stellt er klar.
„Ich nur spüren, dass du da bist.“
Während er seine Hände über meinen Körper gleiten lässt und meine Brüste streichelt, greife ich hinter mich und schiebe ihn sanft zurück. Sofort weicht er zurück. Doch ich drehe mich bloss um und beginne, seinen Körper zu erkunden und küsse mich über seinen gesamten Oberkörper nach unten bis zum Saum, der mir den Weg weiter runter versperrt. Ich ahne nicht nur, dass Gabriel erregt ist, ich weiss es. Seine Erektion ragt in die Höhe. Diese Tatsache kann auch die Decke nicht verstecken.
„Darf ich“, die Hände schon an Ort und Stelle, sehe ich zu ihm hoch.
Er zuckt bloss lässig mit den Schultern, weshalb ich beschliesse, es einfach zu tun.
„Oh, Wow! So gross hätte ich mir den aber nie vorgestellt“, ehrfürchtig starre ich auf seinen Schwanz.
Ihm entweicht ein nervöses Lachen und kurz danach ein überraschtes stöhnen, als ich ihn in die Hand nehme. Ich halte meine Ausgestreckte Hand direkt daneben, doch die wird locker um einige Zentimeter von ihm überragt.
„Oh je. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich jemals dafür bereit sein werde. Der passt da doch niemals rein“, wenig überzeugt sehe ich Gabriel an, dessen Gesichtsausdruck irgendwie verkniffen wirkt.
„Währst du so freundlich und würdest entweder weitermachen, oder ihn loslassen, sodass ich das selbst im Bad regeln kann?“, presst er hervor und ich sehe belustigt auf meine Hand, die seine Erektion immer noch umfasst hält.
Mit einem neckischen Grinsen bewege ich meine Hand langsam auf und ab, während ich die Spitze mit meiner Zunge anstupse und umkreise.
„Mein Gott, ja“, stöhnt er und ich mache umso schneller weiter.
„Oh, danke. Aber an sie komme ich nicht mal annähernd ran. Besonders was die Schönheit betrifft“, scherze ich. Dann widme ich mich wieder ganz ihm. Er versucht etwas zu sagen, doch die Worte wollen einfach nicht richtig rauskommen. Er streckt sich mir entgegen und ihm entweicht immer wieder ein lautes Stöhnen. Dann kommt er doch tatsächlich direkt in meinem Mund. Mein erster Reflex ist, alles auszuspucken, doch das ist mir unmöglich, da ich ihn immer noch im Mund habe. Deshalb bin ich gezwungen runter zu schlucken. Nach einer Weile hat er sich wieder erholt und sieht mich an.
„Was soll denn das mit der Schönheit nun wieder bedeuten?“, immer noch ziemlich aufgewühlt setzt er sich auf und sieht mir forschend in die Augen.
„Na ich habe nicht mal annähernd so eine fantastische Figur wie sie. Ich hab Schultern wie ein Mann und meine Füsse sehen furchtbar aus. Ausserdem stehen meine Hüftknochen so eklig raus.“, fange ich an aufzuzählen.
Sanft zieht er mich hoch und stellt mich vor den Spiegel, sodass ich mich betrachten muss. Schnell wende ich den Blick ab und sehe stattdessen Gabriel an, der hinter mir steht. Sogleich fordert er, dass ich nicht ihn ansehen soll, sondern mich, ebenso wie er es auch tut.
„Du bist wunderschön. Und du solltest wissen, dass ich dich so liebe, wie du bist.“
„Aber sieh dir das doch mal an“, entschlossen ziehe ich meine Shorts aus und deute auf meine Hüfte, an dessen Seiten sich meine Hüftknochen deutlich abzeichnen.
„Das ist doch nicht schlimm. Ich finde dich gut, so wie du bist“, von hinten tritt er an mich heran und beginnt mich zu streicheln, während ich jede seiner Bewegungen im Spiegel mit ansehe.
Seufzend lehne ich mich an ihn, als seine Hände tiefer, zwischen meine Beine wandern. Klar, ich hab mein Höschen noch an, doch ich spüre seine Wärme auch durch die dünne Spitze des Stoffs.
Ich spüre wie seine Finger das Zentrum meiner Lust umkreisen und necken und flehe schon um Erlösung. Mein Höschen landet auf dem Boden und sein Finger dringt nun in mich ein. Ich spreize meine Beine noch weiter um ihm den Zugang zu erleichtern. Meine Beine zittern immer mehr und ich habe schon Angst, zusammen zu brechen. Gabriel bemerkt meine Unsicherheit und hebt mich hoch. Sanft legt er mich in die Mitte des Bettes, bevor er sich über mich beugt und mich küsst. Seine Lippen wandern tiefer, über meine Büste, zu meinem Bauch und noch tiefer. Seine Finger stossen weiter in mich, während er mich gleichzeitig dort auch noch küsst.
Mir entwischt immer wieder ein leises Stöhnen, das ich aber zu unterdrücken versuche. Das ist mir viel zu peinlich. Mir geht immer wieder der Gedanke durch den Kopf, dass uns jemand hören, oder sogar erwischen könnte. Was würden sie von mir denken. Wahrscheinlich dasselbe wie alle anderen auch. Dass ich nämlich eine notgeile Schlampe bin. Doch in Wirklichkeit bin ich nicht so.
Verdammt noch mal, ich bin ja sogar noch Jungfrau. Ich habe nie jemanden so an mich herangelassen. Noch nicht mal meinen Exfreund, mit dem ich über ein halbes Jahr zusammen war. Ich verstehe selbst nicht so ganz, weshalb ich es ausgerechnet bei ihm zulasse. Schliesslich kenne ich ihn erst seit wenigen Tagen. Und trotzdem vertraue ich ihm blind. Und das liegt nicht an der Tatsache, dass er, Wortwörtlich, ein Engel ist. Nicht nur… Seit ich ihn kenne, ist er immer für mich da, kümmert sich um mich und beschützt mich. Auch wenn er es manchmal vielleicht nicht so sieht.
Doch das wichtigste ist, er akzeptiert mich so wie ich bin. Mein Ex beklagte sich immer über meine zu kleinen Brüste. Obwohl meiner Meinung nach Körbchengrösse 75B gross genug ist.
Wieso muss ich ausgerechnet jetzt an so was denken? Wieso kann ich mich ihm nicht einfach hingeben und mich entspannen? Wieso fällt mir das gerade jetzt so schwer? Wieso? Wieso? Wieso?!?!
Plötzlich spüre ich Gabriel nicht mehr und öffne die Augen.
„Es… tut mir Leid“, mit zittriger Stimme stammle ich eine Entschuldigung, doch er zieht mich einfach in seine Arme. Ich merke nicht mal dass ich weine, bis Gabriel mir die Tränen von den Wangen wischt.
„Was bedrückt dich?“, besorgt sieht er auf mich hinab.
Ich erzähle ihm alles, worüber ich nachgedacht habe. Das ich Angst habe, was die anderen von mir denken. Denn ich will nicht einfach als Schlampe abgestempelt werden. Ich erzähle ihm auch von meinem Ex, der Sache mit dem Vertrauen, und das ich froh bin, dass er mich auch so mag, wie ich bin. Und nicht an mir herummäkelt wie mein Ex. Der hatte ja wirklich immer was an mir auszusetzen.
Seine einzige Reaktion ist ein gemurmelter Fluch. Ich verstehe nur etwas von Mistkerl und das er mich nicht verdient hat.
Schweigend schmiege ich mich an ihn und er zieht mich enger an sich, sodass ich halb auf ihm liege. Ein Glück ist es im Zimmer nicht kalt, denn wir liegen auf der Decke. Gabriels Körper wärmt mich, wo er mich berührt und trotzdem kriege ich am ganzen Körper eine Gänsehaut. Lachend breitet er einen Teil der Decke über mich, sodass mir bestimmt nicht kalt werden wird. Zu müde um noch von ihm runterrutschen zu wollen, lege ich meinen Kopf auf seine Brust und schlafe beinahe sofort ein, begleitet von seinem Herzschlag uns seinen langsamen, regelmässigen Atemzügen.

Kapitel 9

Am nächsten Morgen weckt mich die Sonne, die mir direkt ins Gesicht scheint. Ich will mich vom Licht wegdrehen und rutsche so auch von Gabriel runter, der mich immer noch fest hält. Gähnend vergrabe ich mein Gesicht an seiner Seite, wo ich vor der Sonne sicher bin. Blinzelnd reibe ich mir die Augen um erst mal wach zu werden. Dann sehe ich mich um. Gabriel beobachtet mich dabei, wie ich mich langsam aufsetze und mich strecke. Einige meiner Wirbel knacken und ich bin gezwungen aufzustehen. Im Spiegel sehe ich aus dem Augenwinkel einige blaue Flecke und sehe mir das genauer an.
Muss wohl noch von gestern sein. Sie sehen aber so aus, als ob sie schon Wochen alt wären. Und noch während ich sie ansehe, verblassen sie immer mehr.
„Wenn du willst können wir erst mal nach unten Frühstücken gehen. Dann kannst du mir wenn du willst beim Training zusehen oder sonst was machen. Dein Training beginnt erst heute Nachmittag um drei“, schlägt er vor.
Ich stimme ihm zu und verschwinde kurz ins Bad, wo ich dusche. Eingewickelt in ein Handtuch gehe ich wieder zurück ins Zimmer und überlege, was ich anziehen kann.
„Sollte ich die Kleider die Teresia mir gebracht hat, nur zu Partys anziehen?“
Ich wühle mich gerade durch meine Tasche und ziehe erst mal nur Unterwäsche an. Während ich das tue, erklärt Gabriel mir, dass ich sie immer tragen darf. Das währe kein Problem.
Begeistert suche ich mir eins raus. Ich wähle ein hellblaues, leichtes Seidenkleid, das sich angenehm kühl auf meiner Haut anfühlt. Dazu weisse Sandalen.
Gabriel trägt das übliche. Lederhose und Tunika-Hemd. Darunter anscheinend ebenfalls wie immer, nichts. Ja, ja, Männer können das ja machen. Aber ich nicht. Wenn ich mich nicht total verrechnet habe, ist es bei mir übermorgen wieder so weit. Aber ich frage besser noch Mira. Vielleicht ist es ja so, dass sich das alles verschiebt. Aber das ist jetzt egal. Selbst wenn ich meine Tage bekomme, ich hab alles dabei also wird das kein Problem sein.
Jetzt gehe ich jedenfalls erst mal Frühstücken. Gabriel bleibt natürlich die ganze Zeit über an meiner Seite. Automatisch greift er nach meiner Hand. So gehen wir weiter nach unten. Es begegnen uns nicht viele Leute, doch wann immer wir jemanden treffen, werden wir freundlich begrüsst.
Wir gehen nicht in den Speisesaal, wo wir gestern waren, sondern direkt in die Küche, in der ein kleiner Tisch steht.
Anscheinend ist die Frühstückszeit vorbei, denn die Vorbereitungen fürs Mittagessen sind bereits in vollem gange.
Ganz der Gentleman zieht Gabriel mir einen Stuhl zurück und wartet darauf, dass ich mich setze. Lächelnd mache ich es mir bequem. Zufrieden holt Gabriel Besteck und einen Teller hervor.
„Okay, worauf hast du Lust?“
„Ich weiss nicht. Ich hab keinen grossen Hunger. Ich esse einfach was ich bekomme. Mum macht auch einfach irgendwas“, erkläre ich und blicke zu ihm auf.
„Wie wär’s dann mit Pfannkuchen?“, schlägt er vor. Ich nicke begeistert und er stellt mir ein Glas mit O-Saft hin. Dann geht er zu einem ziemlich modernen Kühlschrank und holt alles raus was er braucht. Er arbeitet so schnell, dass seine Bewegungen verschwimmen. Schon nach wenigen Minuten ist die erste Portion fertig und er bringt mir alles, inklusive Ahornsirup. Genüsslich schütte ich Sirup über meine Pfannkuchen, bevor ich probiere. Ich geniesse mein Frühstück, bevor ich das Geschirr abwaschen will. Doch Gabriel nimmt mir alles aus der Hand und reicht es einer der Frauen, die für den Abwasch zuständig ist. Die hat schon darauf gewartet und nimmt es hastig entgegen. Entschuldigend zucke ich mit den Schultern und verdrehe meine Augen. Sie versteht und fängt schallend an zu lachen. Gabriel sieht von mir zu ihr und wieder zurück. Denn auch ich kann ein kichern nicht unterdrücken.
„Du! Sofort zurück an die Arbeit. Du wirst nicht fürs Rumstehen bezahlt“, meckert eine nicht sehr freundlich aussehende, beleibte Frau. Anscheinend die Küchenchefin.
Sofort wird ihr Blick wieder erschöpft und genervt und sie arbeitet weiter. Ich sehe Gabriel an, der anscheinend kein Problem mit dem Umgangston hier unten hat. Missbilligend starre ich die Küchenchefin an, die mit erhobenem Kinn davon stolziert.
Hand in Hand gehen wir nach oben in die Trainingshalle. Dort setze ich mich auf eine der Bänke am Rande der Halle. Immer wieder sehen die trainierenden Männer zu mir rüber. Ich lächle freundlich und winke. Einige von ihnen kommen rüber und stellen sich vor. Sie fragen mich woher ich komme und was ich hier mache.
Ich erzähle ihnen alles was bisher passiert ist. Bis auf die Sachen zwischen Gabriel und mir. Geschockt sehen sie mich an und ich sehe beschämt zu Boden.
„Hei, nimm’s nicht so schwer. Die werden das schon regeln. Üb du nur fleissig, damit dir nichts passieren kann und alles wird gut“, muntert mich Jason auf. Er ist der jüngste der Gruppe, die sich mir vorgestellt hat. Er ist 20. Die anderen sind alle so zwischen 23 und 28 Jahre alt. Da wären nämlich noch David, Markus, Andrew und Thomas. Sie sind alle sehr freundlich, obwohl sie auf den ersten Blick einfach nur beängstigend wirken. Denn sie alle sind gross und muskulös bis zum abwinken.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Gabriel gerade mit einem Kamp fertig ist und zu uns rüber kommt. Schüchtern lächle ich ihn an als er immer näher kommt. Direkt vor mir bleibt er stehen und beugt sich kurz zu mir runter um mich zu küssen. Gelassen setzt er sich neben mich und legt mir einen Arm um die Mitte, während ich nur errötend, nervös auf der Bank herumrutsche.
Ich höre jemanden Gabriels Namen rufen und er sieht mich entschuldigend an. Ich versuche verständnisvoll zu Blicken und denke, dass mir das auch gelingt. Schnell küsst er mich noch mal, bevor er aufsteht und weiter trainiert. Die anderen merken, dass ich ziemlich unruhig bin und ständig herumzapple.
„Komm mal kurz mit“, fordert Jason lächelnd und reicht mir die Hand. Ich lasse mich von ihm auf die Füsse ziehen und folge ihm an den anderen vorbei nach draussen.
Wir gehen eine Weile nebeneinander her, bis er schliesslich stehen bleibt.
„Es ist dir peinlich, oder?“, wissend sieht er mich an.
„Was meinst du?“, ich stelle mich extra dumm und hoffe, dass er nicht weiter darauf eingeht. Doch da habe ich die Rechnung ohne seine Hartnäckigkeit gemacht.
„Ach komm schon. Du weisst genau was ich meine. Du hast Angst davor, was die anderen von dir und Gabriel halten. Ausserdem ist es dir offensichtlich peinlich, wenn er dich in der Öffentlichkeit küsst. Also, weshalb ist es dir peinlich und weshalb hast du Angst davor, was die anderen denken könnten?“
„Aahhh!!! Das kann doch nicht wahr sein. Woher weisst du das alles von mir?“, missmutig funkle ich ihn an.
„Ich habe drei ältere Schwestern. Da ist so was unvermeidbar.“ Als er meinen ungläubigen Blick sieht, kann er sein Gekicher nicht mehr zurück halten. Beleidigt boxe ich ihn auf den Arm. Natürlich nicht fest, aber trotzdem so, dass er es bemerkt.
„Du schlägst zu wie ein Mädchen!“ Jetzt kugelt er sich schon auf dem Boden und hält sich den Bauch.
Diesmal haue ich fester zu und er kriegt sich endlich wieder ein.
„Also, du wolltest wissen, wieso mir das peinlich ist? Nun, mein einziger Exfreund hat mich nie in der Öffentlichkeit geküsst. Ich durfte ja schon froh sein, wenn er meine Hand hielt, wenn wir aus gingen. Und zu dem anderen. Ich will nicht als Schlampe abgestempelt werden. Ich bin normalerweise nicht so. Ich lasse nie einen Mann so nahe an mich heran. Und ich habe auch keine Ahnung, wieso sich das ausgerechnet mit Gabriel anders verhält.“
„Verstehe. Also erstens. Niemand wird dich für eine Schlampe halten. Schon mal was von Liebe auf den ersten Blick gehört? Und zweitens. Dein Ex ist ein Arschloch, das dich nicht zu schätzen gewusst hat. Und drittens. Berichtige mich, wenn ich falsch liege, aber, du bist noch Jungfrau. Unsicherheit gehört einfach dazu. Lerne, ihm zu vertrauen. Er wird dir nicht weh tun und am besten Redest du einfach mit ihm. Er wird nichts tun, was du nicht willst. Glaub mir, er ist nicht so“, redet er auf mich ein und ausnahmsweise höre ich mal zu.
„Na ich hoffe, mit dem ersten hast du recht. Das zweite stimmt sowieso, ebenso das dritte. Und dass ich Gabriel vertrauen kann weiss ich. Das hat er mir gestern gezeigt. Ich glaube manchmal weiss er besser als ich, was in mir vorgeht und was gut für mich ist.“
„Wie meinst du jetzt dass schon wieder?“, misstrauisch beobachtet er mich.
„Na was denkst du, wollte ich mit ihm machen, als wir alleine in unserem Zimmer waren?“, meine Stimme trieft vor Sarkasmus und Missmut.
„Oh, aber ihr habt doch nicht…“
„Nein, Gabriel sagte er würde es nicht mit mir tun. Ich währe noch nicht bereit. Und damit hatte er, so schwer es mir auch fällt, dass zuzugeben, recht. Ich wollte mir nur selbst beweisen, dass ich kein feiges Huhn bin“, erzähle ich.
„Aber nur weil du nicht sofort mit ihm Sex haben willst, bist du doch kein feiges Huhn. Das ist doch völlig normal.“
„Ja, ja, schon gut. Könnten wir das jetzt bitte beenden?“, beinahe flehend blicke ich zu ihm auf.
„Ja, okay. Gabriel wird bestimmt schon nach dir suchen“, lachend zieht er mich mit sich. Und tatsächlich tigert Gabriel in der Halle schon ungeduldig auf und ab. Böse sieht er von mir zu Jason und zurück.
„Hei, keine Eifersucht gegenüber Freunden“, streng sehe ich ihn an, während Jason grinsend einen Arm um meine Schulter legt.
„Und du! Reiz meinen Freund nicht auch noch.“
Dieser bricht in Jubelrufe aus.
„Ha! Du hast es zugegeben! Du hast zugegeben, dass er dein Freund ist!“, jubelt Jason und die andern sehen zwischen uns dreien hin und her.
Unauffällig rücke ich näher an Gabriel ran, der seine Arme von hinten um mich legt und mich so noch dichter an sich zieht.

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Tag der Veröffentlichung: 10.08.2010

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