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Gefühlschaos




“Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass es immer die falschen Menschen trifft. Dabei hab ich es ihm doch so oft gesagt...
...Und mir selbst auch!!
Warum?? Lieber Gott, sag mir warum es immer die falschen Menschen trifft!

Die Ankunft bei Papa habe ich gut überstanden. Auch, wenn mir der selbstgemachte Kuchen einige Probleme bereitete. =) ”

Mehr hatte ich an diesem Abend nicht zu schreiben, also schlug ich das Tagebuch zu und warf es einfach in die andere Ecke meines Zimmers - ich war sauer - doch gleich darauf stand ich auf und legte es sorgfältig in das Schubfach meines Nachttisches.
Ich suchte nach einer logischen Erklärung dafür- für das, was passiert war- doch ich fand keine. Mein Kopf war voller Vorwürfe und Hass. Ich hasste mich dafür und ich hasste ihn dafür, wusste aber nicht warum.
Als ich meinen Kopf einigermaßen leer bekommen hatte legte ich mich in mein Bett, zog mir die Decke bis über die Nasenspitze und versuchte zu schlafen.

Am nächsten Morgen stand ich auf, hatte jedoch immer noch die schrecklichen Vorwürfe des letzten Abends im Kopf. So langsam wie nur irgendwie möglich machte ich mich auf den Weg ins Bad. Nachdem ich im Bad eine Stunde lang getrödelt hatte, ging ich jetzt ganz schnell frühstücken, zog mir dann den Mantel über und schlang mir den Schal um den Hals, der mich vor dem Wind und der Kälte schützen sollte. Auf dem Weg zu meinem etwas veralteten Auto fühlten sich meine Beine an wie Blei. Ich hatte keine Lust in die Schule zu gehen und mich von allen anderen beglotzen zu lassen. Doch was hatte ich denn für eine Wahl? Sollte ich etwa auf krank machen? Nein, auf dieses Niveau wollte ich mich nicht herablassen. Ich hatte Stolz, zwar nicht sehr viel, aber ich hatte welchen.
Als ich in der Schule ankam wartete diejenige, auf die ich mich am meisten freute, schon an der Tür. Es war Vanessa, meine beste Freundin seid vielen Jahren. Sie begrüßte mich mit einem schwachen Lächeln und fiel mir dann in die Arme.
„Wie geht’s dir?”, fragte sie mich bedrückt.
„Mir würde es besser gehen, wenn du mich nicht erdrücken würdest.”, antwortete ich gequält.
Von Vanessa kam nur ein erschrockenes „Ups.” Ich musste lachte, da man sie so leicht erschrecken konnte.
„Ich hoffe hier hat sich nicht allzu viel geändert seit ich weg war.”, sagte ich. Vanessa antwortete sofort und überzeugt auf diese Frage: „Nein, eigentlich ist alles noch gleich, nur einen neuen Schüler haben wir in den drei Jahren, in denen du weg warst, dazu bekommen.” Ich warf ihr einen fragenden Blick zu. „Er ist total nett. Du wirst ihn mögen. Er heißt Nick.”, beantwortete sie meine nicht ausgesprochene Frage.

Warum musste meine Mutter ausgerechnet jetzt im Winter auf diese blöde Idee kommen wegzuziehen?
Jetzt saß ich wieder hier bei meinem Vater fest. Er war total nett, mein Vater, aber ich kam irgendwie noch nie wirklich mit den Nachbarn und dem Ort klar.
Ich hasste diese endlose Großstadt! Überall diese Hochhäuser und die vielen Menschen, nirgends fand man eine richtig schöne, grüne Stelle! Ich liebte das Grüne und das Wasser! Meine Schwester musste das alles nicht erleben. Sie war bei ihrem Freund zu Hause im Grünen. Meine Schwester hieß Marie. Sie war 4 Jahre älter als ich und verlobt. Ihr Verlobter hieß Jens. Das einzig Gute war hier, ich hatte meinen Vater und meine besten Freunde Vanessa und Lukas bei mir.
Ich dachte ein wenig über Lukas nach, da ich ihn in den letzten drei Jahren nur vier oder fünf mal gesehen hatte.
„Wo ist Lukas eigentlich?”
„Er wohnt nicht mehr hier ... leider ... na ja wahrscheinlich ist es besser so.”, sagte Vanessa mit leiser Stimme.
„Was ist mit ihm? Warum ist es wahrscheinlich besser so?”, ich war total verblüfft.
„Seine Mutter hat sich umgebracht nachdem sie ihr zweiter Mann nach 17 Jahren Ehe verlassen hat. Lukas hat das sehr mitgenommen. Er musste in eine Psychiatrie und dann zog er zu seinem Vater. Denn mit seinem Stiefvater will er nichts mehr zu tun haben.”
Mir stockte der Atem. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und wie ich es sagen sollte, da mir bestimmt die Worte im Hals stecken geblieben wären.
Dann läutete es zur ersten Stunde. An diesen schrillen Ton der Schulglocke konnte ich mich noch so gut erinnern. Als ich sie zum ersten Mal hörte, erschrak ich fürchterlich.
Beim betreten des Schulhauses rutschte mir ein genervter Seufzer heraus. Ich hatte keine Lust in meine alte Klasse zu gehen, obwohl ich eigentlich immer gut mit meinen Klassenkameraden ausgekommen war.
Als ich das Klassenzimmer betrat, hatte sich nicht sehr viel verändert. Ein paar neue Poster hier und da und sonst war alles gleich, sogar die Tischaufstellung. Alle meine Klassenkameraden saßen auf ihren Plätzen und beachteten mich nicht weiter. Das beruhigte mich ziemlich. Der erste Schultag verging sehr schnell.
Als ich zu Hause ankam, war ich allein. Ich war gerade erst zur Tür hereingekommen als das Telefon lautstark klingelte. Ich rannte ins Wohnzimmer und nahm den Hörer vom Apparat: „Hallo?”, schrie ich beinahe ins Telefon.
„Lily? Hallo ich bin es.”
„Mama? Hi! und wie geht’s dir?”, ich freute mich ihre Stimme nach diesem langen Wochenende zu hören.
„Mir geht es gut. Und dir? Bist du gut bei Papa angekommen?”
„Mir geht’s total super.”, log ich, obwohl sie wusste, dass es mir nicht besonders gut ging. Sie wusste auch, dass er Schuld war.
„Ja ich bin gut angekommen. Papa hatte mich schon mit einem selbstgebackenen Kuchen erwartet. Er hat extra versucht zu backen.”, erzählte ich weiter.
Meiner Mutter entwischte ein leises Kichern: „Ist das dein Ernst? Papa hat gebacken?”
„Ja, hat er ... Nur das Kochen muss ich übernehmen. Sonst gibt es jeden Tag Pommes. Denn er ist sehr beschäftigt und hat keine Zeit richtig zu kochen ... Mama ich muss mich dann mal an die Arbeit machen. Ich hab einen Berg Hausaufgaben und muss kochen. Ich liebe dich Mama! Ciao”
„Gut, viel Spaß. Überanstreng dich aber nicht. Ich liebe dich auch! Ciao Lily!”
Ich legte den Hörer zurück auf den Apparat und lief in mein Zimmer. Dort holte ich jetzt zum ersten mal , seitdem ich hier war, meinen Laptop aus der Tasche und stellte ihn auf dem Schreibtisch ab. Die restlichen Klamotten, die ich noch nicht auspacken konnte, stopfte ich rücksichtslos in den Schrank, den mein Vater extra für mich gekauft hatte.
Ich packte die Sachen für die Hausaufgaben neben dem Laptop auf den Schreibtisch und wollte gerade mit den Hausaufgaben anfangen als mein Handy vibrierte.
Er war es, also entschloss ich mich einfach nicht ran zu gehen und fing mit meinen Hausaufgaben an. Sie waren nicht so schwer, wie ich dachte und ich war deshalb schon eine Stunde später fertig.
Langsam stapfte ich die Treppe hinunter und ging in die viel zu große Küche, wenn man bedachte, dass mein Vater allein lebte. Ich wusste schon als ich den Kühlschrank öffnete, dass nichts drin zu finden wäre, doch in guter Hoffnung schaute ich trotzdem hinein und fand nichts, außer einer angefangenen Packung Milch. Also nahm ich mir Geld aus der Dose in einem der Küchenschränke und lief nach draußen zu meinem Auto.
Ich wusste, dass mein Vater nicht gerade ein Gemüseliebhaber war und ging darum gleich zum Metzger. Ich kaufte ein paar Schnitzel, Nudeln und Soßenpulver.
Zu Hause bereitete ich das Essen vor, so dass man es nachher nur noch aufwärmen musste, dann ging ich wieder in mein Zimmer, das doppelt so groß war, wie das, das ich in dem kleinen Dorf hatte, indem ich mit meiner Mutter lebte.
Als ich den Laptop einschaltete kam von draußen ein so starker Luftzug, dass er den Rollladen, den ich nur halb geöffnet hatte, gegen das Fenster klopfen lies. Ich stand auf und öffnete ihn ganz.
Dann sah ich meinen Vater draußen auf der Straße mit ihm. Ich blieb wie erstarrt am Fenster stehen als ich sah, dass mein Vater mit ihm auf das Haus zuging. Dann drehte ich mich schnell um und setzte mich an den Schreibtisch. Ich musste mich wohl der Herausforderung stellen, mich ihm gegenüber stellen und ihm in sein unschuldiges Gesicht blicken. Er konnte noch so unschuldig schauen, ich wusste, dass er kein bisschen unschuldig war. Warum hatte er es überhaupt getan. Er war selbst Schuld. Unten in der kleinen Eingangshalle des riesigen Hauses hörte ich Stimmen, doch ich hörte nicht über was sie sprachen. Ich erkannte beide - Ich hatte mich also nicht geirrt - er war da. Ich blieb ganz still oben sitzen und wagte es nicht aufzustehen. Doch dann hörte ich wie jemand die Treppe heraufkam. Mein Herz raste wie verrückt und dann ...
„Hallo, Süße”, ich erkannte die Stimme, deren Besitzer ich so sehr hasste, sofort. Ich drehte mich langsam um.
„Nenn mich nicht Süße!”, schnauzte ich ihn wütend an.
„Hey! Nicht so streng! Ich komme in Frieden.”, witzelte er.
„Ich habe keine Lust auf deine blöden Späße, Ben”, ich musste mich wirklich beherrschen ihn nicht anzubrüllen.
„Nein, es ist kein Witz, ich mein es ernst. Ich will mich bei dir entschuldigen.”
„Darauf kann ich verzichten.”
„Sei nicht so streng mit mir. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe und will ihn wieder gut machen.”
„Den kann man nicht mehr gut machen!”
Er schaute mich verlegen an und ich zitterte am ganzen Körper, denn ich wusste nicht, was er noch hier wollte. Er hatte es mir schließlich angetan nicht andersrum. Ben hatte sich kaum verändert. Er hatte immer noch zerzaustes schwarzes Haar, das er immer stylte. Seine strahlend blauen Augen glühten.
„Komm schon. Ich habe den ganzen Weg hierher gemacht, um mich zu entschuldigen.”
„Ist mir egal! Du hast doch Zeit. Du gehst nicht in die Schule und arbeitest auch nichts. Ich habe jetzt fast 9 Monate ohne dich verbracht. Ich hasse dich aber trotzdem noch dafür. Ich war kurz davor dich zu vergessen, aber dann musst du wieder auftauchen und alles kaputt machen! Ich hasse dich Ben!”, nachdem ich das alles aus mir raus hatte fühlte ich mich etwas besser, doch er schaute mich total erschrocken an.
„Doch Lil, ich habe eine Ausbildung angefangen und gehe regelmäßig zur Arbeit. Ich habe gerade Urlaub. Sag mir warum du versucht hast mich zu vergessen.”, er sprach ganz ruhig.
Ben nannte mich seid er mich kennen gelernt hatte Lil, weil er es als Abkürzung von little ansah und ich so viel kleiner war als er..
„Ich bin dir keine Erklärung schuldig und außerdem weißt du ganz genau, was ich von dir halte!”, ich war so sauer, dass ich ihm beinahe ins Gesicht geschlagen hätte.
„Beruhig dich doch erst mal und lass uns dann in Ruhe darüber sprechen.”, er blieb erstaunlich ruhig.
Ich ging ohne ein weiteres Wort nach unten in die Küche und wärmte das Essen für meinen Vater auf. Als das Essen warm war, brachte ich einen Teller voll ins Esszimmer und sagte ihm Bescheid, dass ich es dort hingebracht hatte. Dann wartete ich bis er das Wohnzimmer verlassen hatte und nahm das Telefon in die Hand. Ich wählte hastig die Nummer meiner Mutter und wartete. Die Mailbox ihres Handys schaltete sich ein. Als der Piepton ertönte maulte ich ins Telefon: „Hast du ihm gesagt wo ich bin? Ruf mich bitte so schnell wie möglich an!” Dann legte ich auf und ging wieder in mein Zimmer.
Ben saß, als gehöre er hierher, auf meinem Bett.
„Schönes Bett hast du.”, er machte immer zum falschen Zeitpunkt blöde Bemerkungen.
Ich setzte mich wieder zurück an den Schreibtisch.
„Willst du nicht zu mir sitzen, Lil?”
„Nein!”
„Hast du dich noch nicht beruhigt? Wie kannst du jetzt noch sauer auf mich sein?”
„Wie kannst du nur denken, dass ich das alles vergessen habe? Du hast mich immerhin fast umgebracht!”
„Ich verlange doch gar nicht von dir, dass du das alles vergisst. Ich will nur, dass du mir verzeihst.”
„Das kann ich nicht!”
„Versuch es doch wenigstens.”
„Was glaubst du was ich in den neun Monaten versucht habe?”
„Du hast versucht mich zu vergessen!”
„Ja...”, nun schossen mir langsam die Tränen in die Augen und ich konnte nichts dagegen tun. Ich ging zum Fenster und schaute nach draußen. In meinem Zimmer, bei meiner Mutter, hätte ich jetzt die schönen Wiesen und Bäume gesehen. Doch hier sah ich nur endlose Straßen voller Häuser und teuren Autos.
„Lil, ich wollte dich nicht zum Weinen bringen”, dann kam er von hinten auf mich zu und legte mir liebvoll seine riesigen Handflächen an die Hüften. Ich lies es zu, ich wusste, tief in mir waren noch Gefühle für ihn, die waren aber schon fast vergessen, bis zu diesem Moment.
Ich drehte mich langsam um und sagte dann: „Danke, dass du dich um mich sorgst, aber lass mich jetzt bitte allein.”
Er ließ mich los und ging auf die Tür zu. Bevor er die Tür hinter sich zumachte, drehte er sich noch mal um und sah mir in die Augen. Ich drehte mich weg und legte mich auf mein Bett. Ich wusste, dass dort irgendwo die Schachtel sein musste und suchte deshalb unter meinem Bett. Ich hatte sie doch vor zwei Tagen erst dort hingelegt. Dann sah ich, dass sie auf meinem Kissen stand. Ben! Ich rannte raus aus dem Zimmer, die Treppen hinunter und ins Wohnzimmer.
„Warum machst du das? Das geht dich gar nichts an! Ich will dich nie wieder in meinem Zimmer sehen!”, dieses Mal konnte ich nicht ruhig bleiben.
„Lily! Schrei hier nicht so herum, sonst muss ich mal schreien. Ben hat mir gesagt, dass du nicht allzu glücklich sein wirst ihn hier zu sehen, aber dies ist noch lange kein Grund hier so herum zu schreien!”, er hatte schon geschrieen, obwohl er sagte, er würde sonst schreien.
„Papa, du weißt gar nicht, was er mir alles angetan hat und was er gerade in meinem Zimmer gemacht hat.”, jetzt war ich ganz ruhig.
„Woher soll ich es auch wissen?! Du und deine Mutter erzählt mir doch nie etwas! Ich weiß doch gar nicht, was alles passiert ist in den drei Jahren, in denen du nicht hier warst! Ich weiß nur und das auch nicht genau, was los war als du in den Ferien hier warst!”, ich hatte meinen Vater noch nie so wütend erlebt wie heute.
„Ich will auch gar nicht, dass du weißt, was er getan hat. Es tut mir leid, dass ich so geschrieen habe.”
Dann ging ich in mein Zimmer. Jetzt war ich sauer auf meinen Vater und wünschte mir, ich wäre nicht hier her gezogen. Ich nahm die Schachtel in die Hand und schaute hinein, ob irgendetwas fehlte. Es war alles noch da. All die Erinnerungen, die ich von ihm hatte. Die Briefe, den Schmuck und die ganzen Bilder.
Ich schaute auf die Uhr. Sie zeigte 20.13 Uhr. Ich ging ins Bad und stellte mich unter das warme Wasser, das meinen Körper sanft massierte. Erst dachte ich darüber nach, ob es richtig war, da ich morgens erst geduscht hatte, aber dann dachte ich das Geld für Wasser wird ein Anwalt ganz sicher haben. Also duschte ich entspannt weiter. Als ich gerade aus der Dusche stieg, klopfte es an der Tür.
„Was ist?”, wollte ich wissen.
„Entschuldigung, ich will dich nicht stören, aber wo kann ich heute Nacht schlafen?”, wollte Ben wissen.
„Im Hotel.”, antwortete ich schroff, setzte aber gleich darauf ein, „Ich richte dir das Gästezimmer, wenn ich hier fertig bin.”, hintendran.
Ich trocknete mich ab, zog mir meinen Schlafanzug an und putzte mir die Zähne. Die Haare trocknen von allein, dachte ich mir.
Ich ging ins Gästezimmer und holte Bettwäsche aus dem Schrank. Ich fand kein zweites Kissen für Ben. Ich wusste, er braucht ein zweites und ging deshalb in mein Zimmer. Ich durchwühlte die Koffer, deren Inhalt ich noch nicht verstaut hatte und fand nur ein Kissen. Ich dachte mir zwar, dass diese Situation peinlich werden würde, aber nahm das Kissen trotzdem mit ins Gästezimmer. Ich warf es Ben zu, der entspannt auf seinem Bett lag.
„Du hast das Kissen aufgehoben?”
„Irgendwas braucht man um seinen Kopf darauf zu legen.”
Ben hatte mir das Kissen geschenkt. Es war ein Herz darauf und in der Mitte stand Lily. Nun verscheuchte ich Ben von seinem Bett und bezog es mit der hellblauen Bettwäsche. „Danke, Lil. Gute Nacht!”
Ich drehte mich noch einmal um und sagte: „Gute Nacht, Ben.” Dann ging ich in mein Zimmer um zu schlafen.
Ich schrieb noch ein paar Sätze in mein Tagebuch:

„Warum musste er heute hier auftauchen? Er hat meine ganzen Gefühle durcheinander gebracht!
Egal wie nett er heute zu mir war:
ICH HASSE IHN!!
... Glaube ich ...
Ich wollte ihn doch endlich vergessen und jetzt schläft er im Zimmer nebenan!

Mama hat sich auch nicht gemeldet! Ich hoffe sie ruft morgen an! Wehe, sie hat was damit zu tun!”

Dann legte ich es zurück in das Schubfach und legte mich ins Bett. Schon wieder musste ich mit so vielen schwirrenden Gedanken einschlafen.

„Guten Morgen, Lil.”, hörte ich Ben sagen.
Ich schaute auf meinen Wecker: 6.50 Uhr zeigte er.
„Shit!”, ich rannte aus dem Zimmer ins Bad, putzte mir die Zähne und zog mich um. Dann rannte ich ins Zimmer schleuderte mir meine Schultasche auf die Schulter und rannte nach unten. Ich drückte meinem Vater einen Kuss auf die Wange und rannte zum Auto.
Als ich in der Schule ankam, klingelte gerade die Schulglocke.
Vanessa stand ungeduldig an der Eingangstür.
„Wo warst du denn?”
„Ich habe verschlafen ... Ben ist aufgetaucht!”
„Was? Und? Was hat er gesagt?”
Wir waren schon auf dem Weg zum Klassenzimmer als Vanessa anfing mich zu löchern.
„Er wollte sich entschuldigen.” Ich sah Vanessas ungeduldigen Blick und redete schnell weiter: „Ich habe seine Entschuldigung aber nicht angenommen. Du weißt ja, was er mir angetan hat. Ich hasse ihn dafür und das braucht eine Weile bis ich ihm das verzeihen kann, falls es überhaupt dazu kommt.”
„Wenn ich dich wäre, könnte ich ihm nicht verzeihen.”
„Ich rede heute Mittag noch mal richtig mit ihm. Dann haben wir mehr Zeit als gestern.”, flüsterte ich, da unser Deutsch-Lehrer schon an der Tafel stand.
In der nächsten Stunde hatte ich Mathe und ich schrieb einen unangesagten Test. Ich hatte meine Hausaufgaben vom Vortag erledigt und schnitt darum gut ab, das dachte ich jedenfalls.
Bio war am schlimmsten, der Lehrer wollte mich einfach nicht in Ruhe lassen. Und dann...
...ein gut gebauter Junge, dunkelblondes, fast braunes, Haar und grüne Augen hatte er, kam zur Tür herein und schaute sich im Biosaal um. Er ging nach vorn zum Lehrer und gab ihm einen Zettel.
„Okay, Marcel. Neben Lily ist noch ein Platz frei, setz dich dort hin.”, sagte der Lehrer so laut, dass es auch der Schüler in der allerletzten Bank hörte und erschrocken aufschaute.
„Hi, Lily! Ich bin Marcel”, sagte er mit lieblicher aber tiefer Stimme.
„Ich weiß...”, sagte ich und lief rot an. So eine doofe Antwort. „Ich freue mich dich kennen zu lernen.”, sagte ich dann.
Gleich darauf dachte ich, dass das eine noch blödere Antwort war und er wohl denken musste, ich wäre total bescheuert. Doch er grinste nur freundlich und setzte sich hin.
Von Bio bekam ich dann nicht mehr allzu viel mit.
Nach der Stunde ging ich nach draußen, dort stand auch schon Vanessa.
„Was hast du in der nächsten Stunde?”, fragte die kräftige Stimme von vorhin.
„Ich habe ... Englisch.”, sagte ich.
„Sollen wir gemeinsam gehen?”, er schaute mich erwartungsvoll an.
„Ähm...”, dann schaute ich Vanessa fragend an, sie nickte. „Okay!”, sagte ich.
Marcel drehte sich zu Vanessa um und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. Bevor wir in den Raum für Englisch gingen wollte er wissen, ob er neben mir sitzen dürfe. Natürlich durfte er, was für eine Frage.
Nach den zwei Stunden Englisch, gingen wir in die Cafeteria des Schulhauses, wo Vanessa schon wartete. Wir setzten uns zusammen an einen Tisch und redeten über alles mögliche:
„Erst mal stell ich euch vor. Vanessa ... Marcel. Marcel ... Vanessa.”
„Hi...”, begrüßte Vanessa Marcel schüchtern.
„Hi, na wie geht’s?”, wollte Marcel wissen, doch Vanessa verstand ihn nicht, da sie so damit beschäftigt war ihn anzuhimmeln. Marcel schaute mich fragend an. Ich lächelte nur und zuckte mit den Schultern.
„Was hast du in der nächsten Stunde?”, fragte Marcel, jetzt an mich gewandt.
„Soweit ich weiß Sport.”, ich rollte mit den Augen und grinste dann.
„Scheint nicht gerade dein Lieblingsfach zu sein...”, jetzt grinste auch er.
„Ist es auch nicht. Ich hab eine Eins in Sport und hasse es... Ich werde dann immer als Anschauungsobjekt verwendet.”
Ich hasste es wirklich.
Dann klingelte es zur nächsten Stunde und ich musste Vanessa anstoßen sonst wäre sie nicht aufgestanden. Dann liefen wir alle gemeinsam zum Sportunterricht. Danach hatte ich noch zwei Stunden Kunst und dann durften wir endlich nach Hause.
Ich wollte gerade den Motor anlassen, als es an die Scheibe klopfte und dann die Fahrertür aufging. Es war Marcel.
„Hi, wie wär’s, wenn wir uns heute treffen würden?”
„Ich habe leider keine Zeit, Marcel. Sorry. Ich muss noch was klären.”
„Gut, dann bis morgen.”, mit einem freundlichen Lächeln ging er davon.
„Ciao.”

Als ich zu Hause ankam wartete Ben schon in der Küche.
„Hey! Ich hab dein Lieblingsessen gemacht.”
„Wenn das ein Bestechungsversuch ist ... das klappt nicht.”, ich kicherte leise in mich hinein. Ben schaute mich verdutzt an, dann ging ich in mein Zimmer um meine Schulsachen nach oben zu bringen. Als ich das Telefon klingeln hörte, rannte ich die Treppe hinunter und ins Wohnzimmer.
„Hallo?”
„Lily ich bin’s. Was ist los? Wer ist da?”
„Ben ist da Mama. Hast du ihm gesagt wo ich bin oder war es Marie?”
„Was Ben ist da? Nein, ich hab ihm nichts gesagt und Marie hat sich schon länger nicht mehr gemeldet.”
„Okay, das wollte ich nur wissen. Danke.”
„Okay, Lily. Ich muss weiter machen. Tschüss Schatz!”
Dann legte ich auf.
„Wer war das?”
„Mama.”
„Du dachtest also sie hätte es mir gesagt?”
„Ja, woher weißt du es denn sonst.”, ich lief in Richtung Küche davon, als Ben mir nachlief.
„Überleg doch mal. Wir haben gemeinsame Freunde.”
„Oh...”, jetzt schaute ich ins Esszimmer und sah den gedeckten Tisch. Ich setzte mich an den Tisch und roch an dem Essen, als hätte Ben irgendetwas darunter mischen können. Nachdem ich das Essen genau betrachtet hatte, schlang ich es jetzt hinunter.
Darüber hatte ich nicht nachgedacht, dass meine Freunde ... seine ... unsere Freunde ...
Okay, jetzt erschien es mir logisch. Ich hätte nur nachdenken müssen.
„Das schmeckt gut, Ben”
„Das freut mich, dass es dir schmeckt, obwohl ich es gemacht habe.”, er grinste mich breit an.
Ich ging nicht darauf ein und aß. Als mein Teller leer war, ging ich in die Küche und stellte das Geschirr in den Geschirrspüler.
„Ben können wir reden?”
„Klar, Lil.”
„Ich will wissen, wie du auf die Idee kamst, dass ich dir verzeihen könnte?”
„Ich hab mir schon gedacht, dass du mir nicht verzeihst. Aber ich dachte, dass ich dich irgendwie herumkriege.”
„Falsch gedacht...”, mir platzte schon wieder der Kragen. Er wollte nicht verstehen, dass ich nicht mehr vierzehn war und mich von ihm rumkriegen lies. Damals bin ich auf ihn reingefallen und habe erst nach fast vier Jahren herausgefunden, dass all die Geschichten stimmten.
„Ach, komm schon, Lil. Damals bist du doch auch auf mich eingegangen und hast mir meine Fehler verziehen.”
„Ja genau! Damals! Ben ich bin jetzt fast neunzehn und hab endlich kapiert, wie du drauf bist und was für eine Art Mann du bist.”
Er lachte. Ich schaute in nur zornig an.
„Ja? Was für eine Art Mann bin ich denn?”
„Du bist die Art Mann, die nicht weiß wo seine Grenzen sind.”
„Okay, welche Grenzen kenn ich nicht?”
„Zum Beispiel weißt du nicht, dass man betrunken nicht ans Steuer sitzen soll oder dass ich Gefühle habe...”
„Ach komm schon Lil! Ich habe einen - okay zwei - Fehler gemacht!”
„Zwei zu große Fehler! Du hättest mich beinahe umgebracht!”, schon wieder schossen mir die Tränen in die Augen. Wie konnte mir der Mensch, den ich so geliebt hatte, nur so etwas antun?
„Lil, bitte wein doch nicht. Ich weiß, dass ich dein und mein Leben aufs Spiel gesetzt habe und ich habe daraus gelernt. Ich weiß jetzt wo meine Grenzen sind. Seit diesem Unfall bin ich nicht mehr gefahren, wenn ich Alkohol getrunken hatte und ich werde es auch nicht mehr machen. Was damals bei Tinas Party passiert ist wird nie mehr passieren. Das verspreche ich dir.”
„Ich weiß wie sehr ich dir vertrauen kann...”, noch immer rollten mir die Tränen über das Gesicht und Ben kam langsam auf mich zu.
„Warum glaubst du mir nicht, dass ich mich geändert habe?”, jetzt legte er mir seine riesenhafte Hand an die Wange und strich die Tränen weg.
„Weil ich dir immer vertraut und geglaubt habe und ich gemerkt habe, dass dich das überhaupt nicht interessiert hat. Du hast ja nicht auf mich gehört als wir bei Tina waren. Ich konnte damals noch nicht fahren und wollte deshalb, dass du nüchtern bleibst!”
„Damals wollte ich den starken spielen, Schatz. Aber ich habe aus dem Fehler gelernt!”
„Ben, ich kann dir noch nicht verzeihen! Ich muss noch darüber nachdenken und brauche dazu meine Ruhe. Du hast meine ganzen Gefühle durcheinander gebracht! Ich brauche Zeit und Ruhe.”
„Okay, Lil. Ich habe einen sehr guten Freund hier in der Stadt. Er hat mir angeboten bei ihm zu wohnen und dieses Angebot nehme ich jetzt an. Dann hast du Zeit um zu überlegen. Du hast meine Nummer. Du kannst anrufen, wenn du bereit bist ein zweites mal mit mir zu sprechen.”
„Okay, Ben. Dankeschön.”, flüsterte ich, kaum hörbar, da mir immer noch die Tränen über die Wangen auf den inzwischen tropfnassen Pullover liefen.
Ben beugte sich mit den Lippen zu meiner linken Wange, drückte mir einen Kuss auf und flüsterte: „Ich liebe dich Lily Michelle Taylor und werde es immer tun.”
Dann ging er ins Gästezimmer, nahm sein Zeug und ging aus der Haustür.
Ich dachte über seine Worte nach und hörte immer wieder den sanften Klang seiner Stimme, der in diesem Satz steckte. Ich wusste nicht mehr was ich für ihn fühlte. In meinem Zimmer legte ich mich auf mein Bett und fand das Kissen mit dem Herz und meinem Namen auf meinem Bett. Ich nahm es fest in den Arm und heulte hinein.
Ich dachte über alles nach. Ich war mit Ben mit vierzehn Jahren zusammen gekommen und war dann fast vier Jahre mit ihm zusammen. Aber er hatte mich zu oft enttäuscht. Es war schrecklich ihm wieder gegenüber zu stehen.
Als mein Vater nach Hause kam hatte ich mich etwas beruhigt, hatte aber kein Essen gemacht, doch mein Vater sagte, er wisse was los war und ich müsse nichts kochen.
Dann gingen wir ins Wohnzimmer.
„So, Kleines und jetzt erzähl mir, was damals passiert ist. Warum bist du so sauer auf Ben?”
Ich dachte kurz nach und entschloss mich dann es meinem Vater zu erzählen.
„Ben und ich waren damals auf der Party unserer damals gemeinsamen Freundin Tina. Tina wurde gerade achtzehn. Sie schmiss eine riesige Party. Es waren an die hundert Leute eingeladen und es gab total viel Alkohol... Ich sagte Ben er solle aufpassen mit dem Trinken, er müsse mich nämlich noch nach Hause fahren... Doch er wollte einfach nicht hören und fing an mit einem Bier... Zum Schluss waren es dann ungefähr sechs Flaschen Bier und eine halbe Flasche Tequila. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich nicht wollte, dass er noch Auto fährt, er tat es trotzdem. Ich schrie vor Angst und heulte...”, nun kamen wieder die Tränen. Mein Vater schaute mich beruhigend an und wollte, dass ich weiter erzähle.
„Ben fuhr weiter und schrie mich an ich solle aufhören zu heulen und zu schreien... Und dann kann ich mich nur noch an das Bild des heranrasenden Baumes, an das Geräusch der quietschenden Reifen und mein Gebrüll erinnern. Danach war alles ruhig... Irgendjemand hatte den Krankenwagen gerufen, denn als ich aufwachte lag ich darin. Dann zwei Tage später als ich wieder zu Hause war kam Ben vorbei und ich Idiot verzieh ihm seinen Fehler sofort. Als ich am nächsten Tag in die Schule kam lachten alle, die mich sahen und redeten irgendwas von: Wie blind muss man denn sein um nicht zu erkennen, dass er fremdgeht?
Ich lief zu Ben und fragte, was das alles solle und er sagte nur die redeten alle Schwachsinn. Doch ich fand heraus, dass er mir schon seit drei Monaten mit Tina fremdging. Klar sie haben nur rumgeknutscht und gefummelt, aber es tat mir natürlich total weh!.”, mir flossen die Tränen übers Gesicht und ich konnte es nicht stoppen. Mein Vater nahm mich in den Arm und versuchte mich zu beruhigen.
„Das muss ein schlimmes Erlebnis gewesen sein... Aber das ist jetzt vorbei und ich denke Ben hat sich verändert. Er hat dir dein Lieblingsessen gekocht.”, er grinste. Ich brachte ein kurzes Lächeln hervor, doch es verschwand auch sofort wieder. Dann ging ich in mein Zimmer und legte mich ins Bett. Von dem ganzen Weinen war ich müde und schlief ein.

Am nächsten Tag konnte ich kaum klar denken. In dem Mathe Test hatte ich eine eins minus.
Mir schossen den ganzen Tag Bilder vom Unfall und von der heimlichen Affäre, die irgendjemand heimlich gefilmt und fotografiert hatte, durch den Kopf. Warum mussten mir meine Mitschüler damals diese Bilder und Videos zeigen?
Als ich zum Mittagessen in die Cafeteria ging, saßen Marcel und Vanessa an einem Tisch und warteten auf mich. Ich ging auf sie zu und setzte mich an den Tisch.
„Hey Marcel ... Vanessa.”, sagte ich leise. Ich war immer noch bedrückt und Vanessa merkte das sofort. Sie nahm mich fest in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
Marcel schaute mich zögernd an und fragte dann: „Soll ich lieber gehen?”
Ich schüttelte leicht den Kopf. „Willst du darüber sprechen?”, wollte Vanessa wissen.
„Ich hab dir ja erzählt, dass Ben aufgetaucht ist.”, ich sprach leise und als ich Marcel anschaute sah ich, dass er nicht verstand. „Ben ist mein Ex-Freund. Auf jeden Fall habe ich meinem Vater vom Unfall und der Affäre mit Tina erzählt. Mein Vater meint wohl ich solle noch mal mit Ben sprechen. Er denkt Ben hätte sich geändert. Ich weiß auch nicht. Meine Gefühle fahren gerade Achterbahn. Neun Monate hab ich ohne ihn ausgehalten. Jetzt kommt Ben und sagt mir, dass er mich liebt. Ben hat jetzt eine Ausbildung begonnen. Er wohnt in seinem Urlaub so lange bei einem Freund in der Stadt, bis wir das geklärt haben.”
Marcel schaute mich total entsetzt an. „Hast du ihm das alles verziehen?”
Ich schüttelte gedankenverloren den Kopf. Er nickte.
Nach der Schule machte ich zu Hause das Abendessen und anschließend machte ich meine Hausaufgaben.
Als das Telefon klingelte und meine Mutter dran war, erzählte ich ihr dasselbe das ich auch Marcel und Vanessa erzählt hatte. Sie wollte mich trösten, doch ich sagte ich müsse das Essen warm machen, dass Papa und ich essen könnten, da ich merkte, dass sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Als ich den Tisch gedeckt hatte, kam mein Vater durch die Haustür und nahm mich in den Arm. Das Essen war warm und wir aßen. Danach schauten mein Vater und ich uns noch eine Krimiserie an und als diese zu Ende war ging ich schlafen.

Die Tage vergingen bis ich mich bei Ben meldete. Es dauerte einen Moment bis er abhob.
„Ja?”, sagte Ben in den Hörer.
„Ich bin’s Lily”
„Lil!”, jubelte er beinahe.
„Ich dachte du willst vielleicht einen Spaziergang im Park mit mir machen.”
„Natürlich will ich das. Ich bin in 10 Minuten da.” Noch ehe ich etwas sagen konnte legte er auf. Ich ging noch kurz ins Bad um mich zu waschen und schrieb meinem Vater dann einen Zettel:

Papa, ich bin mit Ben im Park. Dein Essen steht in der Mikrowelle.
Bin bald zurück.
Hab dich lieb!
Lily

Dann klingelte es an der Haustür. Ich nahm meinen Mantel von der Garderobe und ging aus der Tür. Bevor ich die Tür schloss rannte ich noch mal in mein Zimmer und holte meine kleine Handtasche in der mein Handy und mein Schlüssel waren.
Ben begrüßte mich mit einem Lächeln, einer Umarmung und einem vorsichtigen Kuss auf die Wange.
„Hey, Lil.”
„Hey... Wie geht es dir?”
„Jetzt geht es mir wieder gut. Die letzten drei Tage kamen mir so endlos lang vor.”
„Aber du hast es tapfer ausgehalten.”, jetzt musste ich lächeln. Er grinste zurück.
Im Park setzten wir uns auf eine Bank. Ich spürte bald wie die kalte Luft meine Hände taub werden lies. Als Ben sah, wie ich sie anhauchte ,damit sie wieder warm wurden nahm er sie in seine riesigen Hände und lächelte mich an. Er war so warm und das wunderte mich. Es lag wohl daran, dass er seine Hände die ganze Zeit in den Taschen seiner Jacke hatte.
„Und hast du darüber nachgedacht, was ich gesagt habe?”, fragte er zögernd und doch ziemlich neugierig. Er suchte meinen Blick. Als ich ihn anschaute sah er bedrückt aus.
„Ja, das habe ich ... Aber ich glaube nicht, dass du dich so verändert hast. Wie viele Freundinnen hattest du die letzten neun Monate?”
„Keine, mein Schatz. Als du mit mir Schluss gemacht hast, habe ich Tina gesagt, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Sie fing an zu heulen und mich anzuschreien, aber ich lief einfach davon. Lil, ich liebe nur dich. Ich werde nie mehr eine andere lieben. Nur dich, mein Schatz. Nur dich.”, er sagte das so überzeugend, dass ich erst mal nachdenken musste. Ich wollte nicht aus meinen Gefühlen und Emotionen handeln. Mein Herz sagte, ich solle ihm verzeihen, ihn in die Arme schließen und ihn küssen. Doch mein Kopf sagte, ich solle ihn noch länger hinhalten und abwarten, wie er sich weiterhin verhält.
„Ben ... Meine Gefühle für dich sind ... auf einer Seite so stark, dass ich dich am Liebsten küssen würde ... aber auf der anderen Seite, sagt mir mein Kopf ich soll warten und länger darüber nachdenken.”
„Ich werde so lange du willst warten. Auch wenn du erst in nächster Zukunft bereit bist, dich wieder mit mir einzulassen. Ich liebe dich mehr als alles andere.”
Ich dachte kurz über seine Worte nach. Die Worte brannten mir im Kopf und im Herz, als würde mir irgendjemand ein Brandzeichen setzen. Sie taten weh, aber auf eine merkwürdig positive Art.
Dieser war der merkwürdigste Samstag, den ich je erlebt hatte.
Ben schaute mich erwartungsvoll an. „Okay, ich denke ich höre auf meinen Kopf. Wie lang hast du noch Urlaub?”, fragte ich.
„Gut mach das. Denk gut darüber nach und versuch nicht es so schnell wie möglich hinter dich zu bringen. Ich habe noch zwei Wochen Urlaub. Doch ich kann auch noch mal frei nehmen. Falls dir die Zeit nicht reicht. Ich hab genug Überstunden.”
„Ben, früher warst du nie so verständnisvoll. Langsam komm ich mit dem Gedanken, du könntest dich verändert haben, besser klar.”, ich lächelte und er strahlte mich an als wäre ich ein Wunder.
Dann brachte Ben mich nach Hause. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Als mich mein Vater so glücklich sah, konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Wir war’s mein Kleines?”, fragte er.
„Es war schön. Wir sprachen über unsere Gefühle. Und er war so offen, wie lange nicht. Ich glaube du hast recht. Er hat sich verändert. Aber ich hab ihm gesagt, dass ich mir Zeit lassen will, um mehr darüber nachzudenken.”
„Das ist eine gute Endscheidung. Willst du noch fernsehen?”
Ich nickte. Wir gingen gemeinsam in das riesengroße Wohnzimmer. An der einen Wand hing ein sehr großer Flachbildschirm. In einiger Entfernung stand eine schwarze Ledercouch. An der Wand hinter der Couch hingen Bilder, die sehr teuer aussahen. Die Wand, die links neben dem Sofa lag - natürlich in einiger Entfernung - bestand größtenteils aus Fenstern, die in den riesigen Garten zeigten. Zwischen der Ledercouch und der Fensterfront stand ein großer schwarzer Flügel. Mein Vater hatte ihn damals gekauft als ich im Klavierunterricht war. Ich war eine relativ gute Klavierspielerin im Gegensatz zu meiner Schwester.
Als ich das Klavier musterte, lief ich auf es zu und nahm die Abdeckung von den Tasten. Ich spielte eines der Lieder die ich selbst komponiert hatte. Mein Vater setzte sich in meine Richtung und hörte mir zu. Als ich mit dem Lied fertig war, sprachen wir über früher als ich noch jünger war und ich deckte die Tasten wieder ab und ging zur Couch und setzte mich neben meinen Vater.
Früher als , meine Mutter und mein Vater noch zusammen waren und miteinander klarkamen, hatten wir dieses Haus gekauft. Ich war damals gerade 5 Jahre alt, aber ich konnte mich noch gut an diesen Tag erinnern. Mein Vater war Anwalt und meine Mutter war Oberärztin in einer Klinik. Ich war gerade im letzten Schuljahr auf dem Gymnasium und wollte danach Tiermedizin studieren. Meine Noten waren gut und Tiere liebte ich. Mein Hund war vor knapp zwei Jahren im stolzen Alter von 17 Jahren eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.
Mein Vater schaltete den Fernseher an. Doch schon bald wurde ich müde und ging ins Bett. Zuvor schrieb ich wieder in mein Tagebuch.

Ich denke Ben hat sich verändert... Oder er ist ein sehr guter Schauspieler.
Er hat mir so wehgetan... Geheimnisse und Lügen... Zu viele...
Ich habe Angst wieder so verletzt zu werden...
Mehr Zeit wäre gut... Na ja zwei Wochen hab ich noch... Das wird reichen...

Er war heute so lieb und zärtlich... Er hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Ich weiß nicht, ob es ihm wirklich so ernst ist.

Ich denke weiter darüber nach...

Als ich das Tagebuch weggelegt hatte schlief ich auch schon ein. In dieser Nacht träumte ich so viel wirres Zeug.
Ich sah die Bilder von dem Unfall und von Bens Affäre vor mir. Wie er Tina küsste und mit ihr lachte. Dann sah ich die schönen Seiten in unserer Beziehung. Als wir Spaß hatten und über alles sprachen und dann das was heute geschehen war. Wie er mir seine Liebe geschworen hatte...
Dann erwachte ich da ein köstlicher Duft das Haus erfüllte. Wie jeden Morgen lief ich ins Bad um zu duschen und mich anzuziehen. Unten im Esszimmer saßen Ben und mein Vater.
„Guten Morgen mein Kleines.”, sagte mein Vater.
„Guten Morgen Schatz. Wie war deine Nacht?”, hörte ich Ben sagen.
„Guten Morgen Papa ... Ben. Meine Nacht war gut und verwirrend.”, ich lächelte beide kurz an. „Was duftet hier so?”
„Ich habe Pfannkuchen und Waffeln zum Frühstück gemacht. Bin extra früh gekommen.”, antwortete Ben.
Ich aß so viel ich konnte und kam mir danach vor als würde ich platzen. Dann ging ich wieder ins Bad um mir die Zähne zu putzen. Als ich hinunter lief waren die Küche und das Esszimmer wieder sauber.
„Wir zwei machen heute einen Ausflug ins Grüne”, sagte Ben unter seinem strahlenden Lachen.
Ich strahlte zurück und nickte. Also ging ich nach oben um mich wetterfest anzuziehen. Es regnete.
Unten angekommen stand Ben schon bereit. Er hatte in der Zwischenzeit genau wie ich einen Regenmantel und Gummistiefel an. Ich hatte sogar meinen braunen Rollkragen Pullover angezogen.
Wir fuhren mit dem Auto in die Nähe eines Waldes. Das war genau das, was ich mir unter „Natur” vorstellte. Ich fand es wunderbar. Als wir tiefer im Wald waren, wurde das Wetter etwas besser und ich zog die Regenjacke aus. Heute war es nicht so kalt und außerdem regnete es nicht mehr. Wir sprachen wieder sehr viel über unsere Gefühle und bemerkten dadurch gar nicht, dass es wieder begonnen hatte zu regnen. Erst als ich spürte wie der Regen meinen Pullover durchdrungen hatte, zog ich die Jacke wieder über. Auch Ben zog seine wieder an. Sein zottiges schwarzes Haar hing ihm nass im Gesicht. Seine Haut sah nun sehr bleich aus, wenn man sie im Kontrast seiner Haare sah. Obwohl er eigentlich immer gebräunt war. Seine wunderbar blauen Augen leuchteten, wenn sie meinen Blick trafen. Und seine weißen Zähne funkelten. Ich wusste, dass ich noch etwas für ihn empfand, aber ich wusste nicht genau was. Wir gingen zurück zum Auto.


Freundschaft & Liebe




Noch ehe ich mich versah landeten meine Lippen auf seinen. Sie verschmolzen ineinander. Seine Lippen waren weich und zärtlich. Seine eine Hand wanderte nach oben und landete an meiner Wange, die andere Hand hielt mich an der Taille dicht bei ihm. Meine Arme fielen ihm um seinen Hals. Nicht nur unsere Lippen verschmolzen ineinander, sondern auch wir. Dieser Kuss war unglaublich schön. Ich wollte, dass dieses Gefühl nie mehr aufhörte. Doch dann wich er ein Stück zurück.
Ich starte ihn entsetzt an und als ich das bemerkte versuchte ich meinen Blick ausdruckslos aussehen zu lassen. Doch anscheinend gelang es mir nicht.
Er lachte, nahm mich wieder in den Arm, dieses Mal beide Hände an der Taille, und küsste mich leidenschaftlich.
Ich konnte und ich wollte mich nicht wehren. Es war zu schön um wahr zu sein. Doch als ich die Augen öffnete, stand er immer noch vor mir und küsste mich. Dann schaute er mich auch an und hörte damit auf mich zu küssen.
Anscheinend musste ich ihn ziemlich angestrahlt haben. Auf jeden Fall schaute er mich an und strahlte dann zurück oder er strahlte, weil es ihm so zu Mute war.
„Ich liebe dich, Lil.”, sagte er mit einer sehr sanften Stimme.
„Ich liebe dich auch, Ben.”, gab ich zurück.

Ich öffnete die Augen. Ein Traum. Und was für einer. Der schrille Ton meines Weckers hatte mich aus ihm gerissen. Ich ging ins Bad.
Ich schaute in den Spiegel und wunderte mich. Wie bin ich denn nach Hause gekommen? Bin ich auf der Fahrt hierher eingeschlafen?
In der Schule erzählte ich Marcel und Vanessa von meinem Wochenende und von dem verrückten Traum. Marcel schmunzelte. Doch als ich ihn wütend ansah unterlies er das. Mein Schultag verging merkwürdig langsam. Doch als es zum Schulschluss läutete stand Ben an meinem Auto. Ich rannte auf ihn zu und umarmte ihn.
„Du warst gestern Abend sehr müde. Musste dich ins Bett tragen.”
Ich lächelte ihn verlegen an.
„Jetzt siehst du aber wieder munter aus.”, er grinste mich an.
„Ja, ich fühl mich eigentlich auch ganz gut. Ich hatte nur eine unruhige Nacht.”
„Hast du schlecht geträumt?”
„Nein, es war kein wirklich schlechter Traum. Er war ... verwirrend.”
„Willst du es mir erzählen?”, fragte er und in seinem Blick erkannte ich seine Neugier. Ich schüttelte nur den Kopf. Dann nahm er meine Hand und zog mich zu meinem Auto. Marcel lief gerade an uns vorbei und warf Ben einen wütenden Blick zu, Ben hob die Augenbrauen und ich schüttelte den Kopf. Am Auto öffnete Ben mir die Beifahrertür und ich stieg ein. Dann schloss Ben die Tür und ging zur Fahrerseite.
Zu Hause öffnete er die Haustür, da er ja meinen Schlüssel hatte. Im Esszimmer war schon der Tisch gedeckt.
„In der Mittagspause deines Vaters war ich bei ihm und fragte ihn, ob er mir seinen Schlüssel leihen würde. Er gab ihn mir ohne zu zögern. Natürlich musste ich ihm erklären, wofür ich den Schlüssel brauche.”, erzählte er mir, ohne aufgefordert zu werden. Ich lächelte.
„Er vertraut einfach meinem Exfreund. Könnte doch sein, dass du sauer auf mich wärst und dich wegen irgendwas an mir rächen möchtest.”, ich grinste breit.
„Exfreund? Ich dachte wir wären wieder so gut wie zusammen.”
„Nein, Ben. Du musst dich noch gedulden.”
Er nickte und führte mich an den Esszimmertisch, so als wären wir in einem teuren Lokal. Ben zog den Stuhl zurück, half mir mich zu setzten und schob den Stuhl an den Tisch.
„Ben, was für eine Ausbildung machst du eigentlich?”, fragte ich ihn, als ich merkte, dass ich es noch gar nicht wusste.
„Ich mach eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Aber dabei werde ich wahrscheinlich nicht bleiben.”, antwortete er stolz.
„Wie meinst du das, du wirst nicht dabei bleiben?”, wollte ich wissen.
„Ja, es könnte sein, dass ich das Abi nachhole und dann studiere.”
„Im ernst? Was möchtest du denn studieren?”, ich wurde neugierig. Ben wollte wirklich studieren.
„Ich bin mir noch nicht sicher. Vielleicht Kfz-Ingeneur oder Architektur. Ich weiß, du kannst dir das nicht vorstellen, aber ich bin wirklich dabei das zu verwirklichen. Ich hab mich schon bei verschiedenen Gymnasien beworben.”, er grinste mich voller stolz an.
„Wow. Da werde ich ja richtig stolz auf dich. Ich bin gespannt ob du dabei bleibst.”
Ben deckte den Tisch und brachte das Essen herein. Es war Kalbsfilet das sah ich und es schmeckte herrlich. Als wir fertig gegessen hatten, sagte ich ihm, dass ich noch Hausaufgaben hatte.
„Ich bin richtig stolz auf dich. Ich würde es wahrscheinlich nicht schaffen mitten im Schuljahr die Schule zu wechseln.”, sagte er gedankenverloren.
„Ja, ich hab das Glück, dass ich die meisten Lehrer noch kenne und ich war ja schon in der Klasse. Davor musste ich total viel Unterlagen durchlesen und sehr viel abklären immerhin ist es das letzte Jahr und zum Studium hab ich schon eine Zusage. Mein Zeugnis ist übersäht von Einsern und Zweiern.”
„Tiermedizin. Stimmt’s? Wird dir das nicht schwer fallen nachdem doch dein Flash gestorben ist?”, er fragte ganz vorsichtig.
„Nein, ich werde froh sein, wenn ich anderen Tieren helfen kann. Ich habe Flash geliebt. Ich bin ja mit ihm aufgewachsen, aber er hatte ein schönes Leben. Und nun bin ich bereit dazu anderen Tieren zu helfen.”, ich war davon überzeugt, dass ich es schaffen würde.
„Hast du schon mal über einen neuen Hund nachgedacht?”
„Ja, ich habe schon oft überlegt, aber ich weiß nicht, ob es ein Welpe sein soll oder ein älterer. Soll er aus dem Tierheim sein oder vom Züchter. Aber ich denke eher einen aus dem Tierheim. Würdest du mit kommen um einen auszusuchen oder wenigstens mal die Hunde anzuschauen?”
„Ja natürlich komm ich mit. Aber jetzt mach deine Hausaufgaben.”, sagte er.
Die Hausaufgaben hatte ich schnell erledigt und das Tierheim hatte noch 2 Stunden auf.
„Gehen wir noch ins Tierheim, Ben?”, fragte ich im Runtergehen.
„Willst du wieder einen Hund, Kleines?”, wollte mein Vater wissen.
„Auf jeden Fall schau ich sie mir an.”, ich grinste und schaute dann zu Ben und machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür.
Ben kam auf mich zu und nahm mich an der Hand. Ich schaute ihn an, zögerte kurz und zog die Hand weg. Er lächelte mich nur an und wir liefen nach draußen zum Auto. Wir nahmen seines, es war neuer als meines. Im Tierheim gingen wir sofort zur Anmeldung.
„Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?”, fragte uns die junge Dame an der Anmeldung.
„Ich wollte mir mal ihre Hunde anschauen.”, antwortete ich.
„Folgen sie mir.”
Ich schaute Ben an und wir liefen ihr nach.
„Soll es ein größerer oder kleinerer sein? Wie alt und welche Rasse sollte der Hund sein?”
„Ich habe keine genaue Vorstellung. Vor zwei Jahren ist mein Mischlings-
Rüde im alter von 17 Jahren eingeschlafen und am nächsten Tag nicht mehr aufgewacht. Wir hatten ihn von klein auf.”
„Na gut. Also, ich muss ihnen diese Fragen nun stellen. Erstmal muss ich wissen, was sie beruflich machen und wie alt sie sind.”
„Ja, das verstehe ich. Ich bin fast 19 Jahre alt und mach gerade mein letztes Schuljahr am Gymnasium und danach möchte ich Tiermedizin studieren. Ich lebe bei meinem Vater und er ist Anwalt.”, sagte ich.
„Ich mache gerade eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Auf jeden Fall ist immer jemand bei dem Hund.”, erklärte Ben. Ich konnte nicht verhindern ihn dankbar anzulächeln.
Die Frau führte uns durch das Tierheim und zeigte uns all die Hunde. Es gab einige die mir gefielen und ich kam am nächsten Tag wieder um mit einigen Gassi zu gehen.
Einer dieser Hunde war Jonny. Er war schon älter ungefähr 7 Jahre und ziemlich ängstlich. Jonny war ein Mischling. Husky, Schäferhund, Rottweiler, alles war mit drin. Er gefiel mir und den Rest der Woche gingen Ben und ich nur noch mit ihm Gassi und diese Frau vom ersten Tag gab mir einen Vertrag, den ich ausfüllte. Ich bekam Jonny nachdem eine Kontrolle bei mir zu Hause durchgeführt wurde. Ben und ich hatten schon alles für ihn besorgt. Jonny fühlte sich sichtlich wohl.
Ben hatte nun nur noch eine Woche Urlaub.
Es war Sonntagabend und Jonny und ich waren grad unterwegs und drehten unsere letzte Runde für diesen Tag. Ich war so glücklich wieder einen Hund zu haben und mein Vater hatte sich sofort in den süßen Rabauken verliebt. Als ich zu Hause ankam hörte ich wie mein Vater am Telefon sagte: „... Warte mal sie kommt gerade zur Tür rein.” Er lief auf mich zu und hielt mir den Hörer hin.
„Ja, bitte?”, fragte ich vorsichtig ins Telefon.
„Hallo Schätzchen, ich bin’s Mama. Ich habe gehört du hast wieder einen Hund.”
„Hallo, Mama. Ja, er heißt Jonny, ist 7 Jahre alt und ein Mischling aus Husky, Schäferhund, Rottweiler und noch mehr.”
Ich hörte meine Mutter kichern.
„Es freut mich, dass du dich wieder an einen anderen Hund gewöhnen kannst. Eigentlich wollte ich nur wissen wie es dir geht, wegen ... Ben.”
„Alles okay Mama. Nur am Anfang war es schwer für mich, aber jetzt geht es. Wir haben miteinander gesprochen und na ja wir verstehen uns eigentlich ganz gut.”, erklärte ich ihr.
„Das freut mich zu hören Süße. Ich habe eine Neuigkeit für dich.”
„Und die wäre Mama?”
„Deine Schwester ist schwanger.”
„Oh mein Gott. Ich werde Tante!”, jubelte ich „Wie lange ist sie denn schon schwanger?”
„Sie ist in der 13. Schwangerschaftswoche und ihr Bauch ist schon ziemlich gewachsen. Ich habe dir im Internet Bilder geschickt. Marie sagt, sie ruft dich demnächst mal an.”
„Warum sagst du mir das jetzt erst?”
„Marie wollte es nicht zu früh herumerzählen.”, ich hörte meine Mutter schmunzeln. „Süße ich muss dann auflegen. Die Wäsche bügelt sich nicht von allein. Tschüss, mach’s gut.”
„Tschüss, Mama.”
Ich ging in die Küche und holte mir ein Glas Eistee, dann ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich zu meinem Vater und Ben auf die Couch. Wir unterhielten uns noch ein bisschen über Marie und ihre Schwangerschaft, dann lief ich nach oben und schaute mir die Bilder an. Sie hatte wirklich schon einen ziemlich großen Bauch. Womöglich waren es Zwillinge oder ein Baby das einfach nur riesig war. Ich machte mich Bettfertig und legte mich hinein und viel auch gleich in einen tiefen Schlaf, bis ich von einem lauten Knall geweckt wurde. Jonny wollte zu mir ins Bett springen und stieß dabei unsanft mit dem Kopf gegen meinen Nachttisch. Ich half ihm ins Bett und schlief gleich wieder ein.
Am nächsten morgen stand ich früher auf als sonst, zog mich an und nahm Jonnys Leine. Ich ging eine gute halbe Stunde mit ihm Gassi und gab ihm danach sein Futter. Mein Vater war auch schon wach und Ben saß am Tisch und hatte Frühstück gemacht.
„Guten Morgen Papa... Ben. Jonny wird immer zutraulicher und taut immer mehr auf”, sagte ich glücklich.
„Das freut mich mein Schatz. Ich hab leider keine Zeit mehr mich mit dir zu unterhalten. Ich muss in die Kanzlei gehen. Meine Mandantin erwartet mich um halb sieben. Hab dich lieb.” Mein Vater drückte mir einen Kuss auf dir Stirn, streichelte Jonny über den Kopf und zwinkerte Ben zu. Dann ging er zur Haustür hinaus und ich hörte wie das Auto den Hof verlies.
„Jetzt hast du noch eine Woche Urlaub, oder?”, fragte ich an Ben gewandt.
„Ja, genau, aber du musst deine Entscheidung nicht danach richten. Ich bin ja nicht aus der Welt und wir können telefonieren. An den Wochenenden haben wir auch Zeit uns zu treffen. Nur muss ich jeden zweiten Samstag arbeiten.”
„Ja, ich versuch die Entscheidung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.”
„Ja, da hast du auch recht. Lass dir nur Zeit, Lil”
Mein Handy klingelte und ich hob ab.
„Ja?”
„Hallo Lily. Ich bin es, Vanessa. Ich wollte dich nur vorwarnen. Ich war gestern mit Marcel unterwegs und er hat mich über dich ausgequetscht, ich kam mir ziemlich fehl am Platz vor. Irgendwie hab ich das dumme Gefühl, dass ich ihm deine Handynummer gegeben habe. Es tut mir leid.”, sagte Vanessa so schnell wie möglich.
„Ja, ist nicht so schlimm. Er hat mich an dem Tag nach dem Ben ankam schon gefragt, ob ich Mittags Zeit hätte und das war sein erster Tag.”, sagte ich.
„Okay, ich dachte halt, ich warn dich vor, bevor er anruft.”
„Das ist nett. Danke. Dann bis nachher.”
Als ich aufgelegt hatte, schaute Ben mich fragend an, doch bevor ich antworten konnte, klingelte schon wieder mein Handy.
„Ja?”
„Hi, Lily. Ich bin es Marcel.”
„Hey, was gibt’s?”
„Ich wollte dich fragen, ob du mich heute mit zur Schule nehmen kannst, mein Auto springt nicht mehr an.”
„Ja, kann ich machen, aber wie kommst du auf mich?”
„Ich weiß nicht. Dachte halt, du wohnst in der Nähe und jaah...”
„Gut ich nehm dich mit, wenn du in 15 Minuten hier bist.”, sagte ich.
„Ja, da bin ich bei dir. Danke. Tschüss.”
Nun schaute Ben nur noch fragender.
„Marcel hat gefragt, ob ich ihn mit zur Schule nehme, sein Auto springt nicht mehr an.”
„Ehrlich? Klingt mir eher nach einer Anmache.”, sagte Ben.
„Ach was.”
Ich stand auf und ging die Treppe hoch um mir die Zähne zu putzen. Als ich wieder unten ankam, hatte Ben die Küche und das Esszimmer schon wieder aufgeräumt.
„Ich hab mit deinem Vater gesprochen, dass ich heute hier bleibe und nach Jonny schaue, wenn es okay für dich ist.”
„Ja, klar. Das freut mich sogar.”
Es klingelte an der Tür und Jonny fing an zu bellen.
„Aus, Jonny.”, rief ich ihm entgegen und augenblicklich war er ruhig.
Ich öffnete die Tür und Marcel kam herein.
„Hi, Lily. Schönes Haus.”, sagte er
„Hi. Ja, ist es.”, sagte ich „Du bist früh dran.”
„Ich weiß. Dachte aber ich bin lieber bisschen früher dran.”
Ich lief wieder ins Esszimmer, dort saß Ben jetzt wieder am Tisch.
„Ben das ist Marcel. Marcel ... Ben.”
Sie nickten sich zu und sahen sich beide mit einem zornigen Ausdruck an.
„Ich hol mal kurz meine Schultasche, dann können wir gehen Marcel”, sagte ich zu Marcel, aber schaute dabei Ben verwirrt an.
Ich beeilte mich, weil ich nicht wusste, wie lange es Ben und Marcel allein aushielten.
„Lil, Schatz, wenn du willst kannst du heute mein Auto nehmen.”, sagte Ben.
Man sah Marcel an, wie sehr er Ben verachtete.
„Ja, gut. Danke Ben.”, sagte ich und nahm seinen Schlüssel entgegen.
„Ben, ich habe heute Englischprüfung, also werd ich früh zurück sein.”
„Gut Lil, ich wünsch dir viel Erfolg. Ich weiß, dass du es schaffst.”
„Vielen Dank, Ben. Ich ... Wir gehen dann.”
Ben kam auf mich zu und drückte mir einen liebevollen Kuss in mein Haar und ich wusste genau, dass er währenddessen Marcel verächtliche Blicke zuwarf.
Ich schaute Marcel an und wir gingen zur Tür hinaus.
„Seid ihr wieder zusammen, Lily?”, fragte mich Marcel beim Hinausgehen.
„Nein.”, sagte ich nur und drückte auf den Knopf am Schlüssel, mit dem ich den Geländewagen aufschloss.
Wir stiegen ein und ich spürte Marcels Blick. Als ich ihn anschaute, drehte er den Kopf weg.
Die Fahrt über sprachen wir nicht miteinander und als wir in der schule ankamen, wusste ich, dass in Marcel eine große Wut schlummerte, die er dann an einem Fahrradständer auslies, während er mich am Wagen stehen lies. Er trat mit dem Fuß dagegen und humpelte dann ins Schulhaus.
Vanessa rannte auf mich zu.
„Jetzt haben wir Englischprüfung, weißt du eigentlich wie nervös ich bin.”
„Ach du schaffst das schon, ich weiß doch, dass du gut in Englisch bist. Heute morgen sind Ben und Marcel aufeinander getroffen. Es war irgendwie unheimlich.”
Auf dem Weg ins Klassenzimmer erzählte ich Vanessa alles über die Blicke und das Verhalten von Ben.
Vanessa kicherte bis der Lehrer hereinkam und uns unsere Prüfungen vor die Nasen knallte.
Mit der Prüfung wurde ich in der vorgeschriebenen Zeit gut fertig und nach der Prüfung trafen Marcel, Vanessa und ich uns draußen.
„Und wie war eure Prüfung?”, fragte ich Vanessa und Marcel
„Du hattest recht Lily, ich hab die Prüfung geschafft und ich denke, dass ich ganz gut war.”, sagte Vanessa und grinste mich an.
„Na siehst du, hab ich doch gesagt.”, sagte ich.
„Hey, Lily, hast du heute Lust dich mit mir zu treffen”, fragte mich Marcel, als hätte er gar nicht mitbekommen, dass wir gerade über die Prüfung sprachen.
„Ähm, also Ben hat nur noch diese Woche Urlaub und ich würde gern noch ein wenig Zeit mit ihm verbringen bevor er wieder geht, aber wenn ihr beiden wollt können wir gemeinsam ins Kino gehen. Vielleicht haben auch noch andere Leute Lust.”, sagte ich.
„Ach ja Ben. Naja, vielleicht nächste Woche.”, sagte Marcel und verschwand durch die Tür.
„Okay, man kann auch übertreiben.”, sagte Vanessa und rollte mit den Augen.
„Naja, mir egal. Ich weiß nicht mal wie er nach Hause kommen will ohne Auto.”
Vanessa und ich gingen nach draußen.
„Wir sehn uns Morgen, Lily.”, sagte Vanessa und nahm mich in den Arm. „Ich wünsche dir viel Glück mit Marcel und Ben.”, fügte sie hinzu und grinste. Dann lief sie davon und stieg in ihr Cabrio ein.
Ich lief auf Bens Geländewagen zu und als ich vor dem Wagen stand, traf mich fast der Schlag. Die Fahrertür hatte eine riesengroße Delle und der Lack sah nicht mehr wirklich schön aus. Ich wusste nicht was ich davon denken sollte und wie ich es Ben erklären sollte. Ich stieg total verwirrt ins Auto und erst dann sah ich dass jemand über die gesamte Frontscheibe das Wort Arschloch geschrieben hatte. Ich schaltete den Scheibenwischer an und spritzte mit dem Wischwasser, doch es ging nicht weg.
„Marcel!”, schoss es mir durch den Kopf.
Ich startete den Motor und fuhr los. Als ich zu Hause ankam stand Ben in der Tür. Ich stieg so schnell wie möglich aus und warf im entschuldigende Blicke zu, als ich merkte, dass er erkannt hatte, was mit seinem Auto geschehen war.
„Dieser kleine Pisser! Was fällt ihm nur ein?!”, schrie Ben aus lauter Wut.
„Es tut mir leid.”, sagte ich, obwohl ich wusste das ich nichts dafür konnte.
„Du kannst ja nichts dafür, Lil. Warum macht er so was?”
„Er hat mich gefragt, ob ich Zeit hab mich mit ihm zu treffen, aber ich hab gesagt, dass du ja nur noch eine Woche Urlaub hast und dass ich noch ein bisschen Zeit mit dir verbringen will. Dann hab ich ihm vorgeschlagen, dass wir alle zusammen ins Kino gehen könnten, also auch Vanessa und ein paar andere Leute, aber dann hat er gesagt es wäre okay und ist gegangen. Heute Morgen als wir in der Schule ankamen war er schon so komisch, er hat mich einfach am Auto stehen lassen und hat mit voller Wucht gegen einen Fahrradständer getreten.”, erklärte ich.
„Der ist total verknallt in dich. Wenn er dich nur einmal anfasst sagst du mir sofort Bescheid, hast du verstanden.”, sagte Ben wütend.
„Ben, ich entscheide selbst mit wem ich Kontakt hab und mit wem nicht.”, jetzt war ich sauer, weil er schon wieder versuchte mir etwas vorzuschreiben.
„Ja, es tut mir leid, Lil. Aber ich kenn doch solche Typen.”
Ben lief nach drinnen und kam wenige Minuten später mit einem Eimer mit einer komisch riechenden Flüssigkeit darin wieder heraus. Er hatte einen Schwamm in der anderen Hand und begann damit seine Scheibe abzuschrubben. Ich ging ins Haus und legte meine Sachen ab, dann nahm ich mir auch einen Schwamm und half Ben.
„Danke.”, sagte er und schaute mir direkt in die Augen. Als ich in seine strahlend blauen Augen sah, konnte ich nicht anders. Ich ging einen Schritt auf ihn zu ohne den Blick von seinen Augen zu wenden. Ben wirkte sichtlich hilflos. Ich stellte mich auf Zehenspitzen, schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn ohne noch mal darüber nachzudenken. Wir schauten uns immer noch in die Augen, bis er seine schloss. Auch ich schloss meine Augen. Ich konnte danach nicht mehr sagen, wie lange wir so eng umschlungen dastanden. Aber als ein Auto die Auffahrt hochfuhr, wichen wir voreinander zurück. Mein Vater stieg gerade aus seinem Auto, als wir uns umdrehten.
„Hallo, Papa.”, sagte ich.
„Hallo, ihr beiden. Was ist mit deinem Auto passiert, Ben?”, sagte mein Vater. Er war ziemlich rücksichtsvoll. Er sprach uns nicht darauf an, dass wir gerade eng umschlungen in der Auffahrt gestanden hatten und knutschten.
„Marcel. Er hat sich in Lil verknallt und ist sauer, weil sie heute nichts mit ihm unternehmen wollte und die Wut hat er an meinem Wagen ausgelassen.”, sagte Ben.
„aha. Habt ihr gesehen, dass er es war.”, fragte mein Vater.
„Nein, als ich ihm sagte, dass ich nichts mit ihm unternehmen will, lief er einfach davon und als ich rauskam sah das Auto so aus. Aber wer schreibt sonst Arschloch auf die Frontscheibe?”, sagte ich.
Mein Vater kicherte und lief ins Haus. Ich hatte das Gefühle, er hätte Ben zugezwinkert.
Ben grinste mich an und ich lächelte zurück. Dann nahm ich den Schwamm und schrubbte weiter.
„Es tut mir leid, Ben.”, sagte ich.
„Was tut dir leid?”, sagte Ben völlig verwirrt.
„Dass ich dich geküsst habe. Ich wollte das nicht tun. Ich meine, ich muss mir doch über alles klar werden. Ich weiß nicht mehr was mit mir los ist Ben. Es tut mir wirklich leid.”, sagte ich ohne ihn anzuschauen.
„Aber ich dachte, du wüsstest es nun endlich.”, sagte Ben etwas enttäuscht.
„Ben, du sagtest du lässt mir Zeit, also sei jetzt bitte nicht sauer. Ich hab in dem Moment nicht nachgedacht. Weißt du, wenn ich jetzt daran denke, was du mir alles angetan hast, wird mir immer noch ganz übel. Es tut mir leid. Du musst dich eben noch ein bisschen gedulden.”, sagte ich
Ich spürte Bens Blicke im Nacken und wagte es nicht mich umzudrehen.
„Ich hab dir doch Zeit gelassen und du warst ja diejenige die mich geküsst hat nicht andersrum. Langsam habe ich das Gefühl, dass du mich verarschst. Dich an mir rächst oder so was in der Art.”, sagte Ben und klang langsam wütend.
„Ben wir waren lange zusammen. Klar sind da noch Gefühle, aber ich bin mir noch nicht ganz bewusst, ob es wieder für eine Beziehung reicht.”, sagte ich.
„Wir waren benahe 4 Jahre zusammen. Wie kannst du dir nicht sicher sein, ob deine Gefühle stark genug sind? Ich weiß echt nicht, was in dir vorgeht.”, sagte Ben.
„Ja, aber wir sind schon seit 9 Monaten nicht mehr zusammen. Stell dich doch bitte nicht so an. Aber jetzt seh ich wenigstens, dass du deine Versprechen immer noch nicht so ganz ernst nimmst.”, sagte ich.
Ich wusste genau, dass er mich anstarrte, aber ich schaute ihn immer noch nicht an. Dann hörte ich wie sich seine Schritte von mir entfernten. Erst als ich sicher war, dass er im Haus war, drehte ich mich um und lief ihm nach.
Ich lief zu Jonny und nahm seine Leine. Jetzt brauchte ich einfach Abstand. Warum hatte ich ihn geküsst? Was ging nur in mir vor?
Nach ungefähr anderthalb Stunden kam ich wieder zu Hause an. Bens Auto war weg und mein Vater kam gerade aus der Tür.
„Ich muss noch mal weg. Ben ist zu seinem Kumpel gefahren. Er sah ziemlich wütend aus. Habt ihr euch gestritten?”, sagte mein Vater.
„Es ist alles okay Papa. Ich bin mir einfach noch nicht vollkommen sicher. Hab dich lieb. Bis später.”, sagte ich. Mein Vater winkte mir und stieg in seinen Wagen. Ich ging nach drinnen, geradewegs in mein Zimmer, auf meinem Bett lag ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Ich nahm es und entfaltete es.
Ich erkannte sofort Bens Schrift.

Lily, ich konnte nicht bleiben. Vielleicht komm ich morgen wieder, aber du solltest einfach nachdenken, vielleicht sehen wir uns zu oft. Vielleicht beeinflusst das dein Denken und Handeln. Es tut mir leid, aber ich denke, ich fahr früher wieder zurück. Melde dich, wenn du endlich weißt, was du willst und wo dir der Kopf steht.
In Liebe
Ben

Ich las den Brief dreimal und dachte nach, ob ich sofort anrufen sollte, aber dann kam ich zu dem Entschluss erst mal darüber zu schlafen und dann könnte ich mich immer noch entscheiden.
Ich nahm mein Handy aus der Tasche und wählte Marcels Nummer.
„Ja?”, antwortete Marcel schon nach dem zweiten Klingeln.
„Marcel, ich bins Lily. Ich wollte mal mit dir sprechen. Hast du vielleicht Zeit?”, sagte ich.
„Ja okay. Ich bin in 10 Minuten bei dir.”, sagte er und legte auf.
Ich lief ins Bad und wusch mir das Gesicht. Irgendwie war ich total verwirrt. Was war denn nur los mit mir? Warum hatte ich Ben geküsst und warum hatte ich Marcel gebeten sich mit mir zu treffen, was wollte ich denn von ihm wissen? Wurde ich gerade verrückt?
„Es ist alles Marcels Schuld.”, schoss es mir durch den Kopf. „Er hatte doch Bens Auto vollgeschrieben und nur deshalb kam ich Ben so nahe ... Unsinn! Ich hätte ihn ja nicht küssen müssen.”, sagte ich in Gedanken zu mir selbst.
Ich wurde wirklich verrückt.
Das klingeln der Türglocke lies mich aus meinen Gedanken schrecken.
Ich lief hinunter, brachte Jonny zum Schweigen und öffnete die Tür. Marcel stand breit grinsend vor mir. Auf einmal spürte ich die Wut, die in mir kochte, stärker als je zuvor. Ich beherrschte mich, Marcel nicht sofort anzubrüllen.
„Hey Lily.”, sagte er
„Hi.”, ich merkte selbst, dass ich angespannt klang.
„Was ist los? Du bist so angespannt.”
„Ja, ich bin auch sauer. Jetzt komm erst mal herein.”, sagte ich und bemühte mich locker zu klingen.
„Okay. Auf mich?”
„Kommt darauf an.”
„Worauf?”, fragte er ganz vorsichtig.
„Hast du durst? Setz dich ruhig aufs Sofa, dafür ist es da.”, sagte ich.
„Nein, hab ich nicht. Du bist ein sehr seltsames Mädchen.”, sagte Marcel verwirrt und setzte sich aufs Sofa.
„Also, ich muss mit dir etwas besprechen. Du hast mich doch heute nach der Schule gefragt, ob ich Zeit hab und als ich nein sagte, warst du voll sauer.”, sagte ich.
„Ja, hast du gemacht, aber nein, ich war nicht sauer, sondern enttäuscht. Wieso willst du das wissen?”
„Als ich nach dir nach draußen ging und zum Auto ging, hat mich fast der Schlag getroffen. Das Auto hatte eine riesige Delle und auf der Frontscheibe stand Arschloch.”, sagte ich und mühte mich nicht meinen beschuldigenden Ton zu unterdrücken.
„Und willst du mir damit jetzt sagen, dass du mir unterstellst, ich wäre das gewesen? Dann kann ich nur sagen, dass du unrecht hast.”, sagte er.
„Ja, aber wer war es denn dann? Wer hast Ben denn sonst noch so wie du?”, sagte ich.
„Ich wars aber nicht!”, sagte er wütend.
„Wer denn dann? Lüg mich doch nicht an.”
„Welchen Grund hätte ich dich anzulügen?”
„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass du Ben nicht ausstehen kannst.”, sagte ich nun auch wütend.
„Ja, weil ich weiß, wie scheiße er dich behandelt hat und du trotzdem an seinen Lippen hängst als wäre er dein Traummann.”
„Er war auch immer mein Traummann, bis das alles passiert ist und außerdem hast du keine Ahnung was passiert ist!”, schnauzte ich ihn wütend an.
„Ich weiß was von einem Unfall und einer Affäre und ich denke nicht, dass du die Affäre mit dieser Tina hattest, denn so siehst du einfach nicht aus.”, sagte er.
„Natürlich hatte nicht ich diese Affäre. Verdammt, ich habe Ben geliebt! Ich hätte ihn niemals betrogen!”, ich wurde immer lauter und ich merkte, wie ich feuchte Augen bekam.
„Ja, aber er hat dir das angetan, obwohl du ihn geliebt hast und du ihm niemals so etwas angetan hättest. Ich würde dir nie so etwas antun! Und hör auf zu weinen. Ich kann so was nicht sehn. Was soll ich tun? Man mit so etwas kann ich nicht umgehen, Lily. Hör bitte auf.”, flehte er, doch ich konnte nichts mehr tun. Die Tränen rannen mir einfach nur so übers Gesicht.
„Es tut mir leid.”, schluchzte ich.
„Du musst dich doch nicht entschuldigen. Mir tut es leid. Sag mir nur, was ich für dich tun kann. Ich hasse es, wenn Mädchen weinen und ich nicht mal Schuld daran bin, sonst wüsste ich nämlich, wie ich es wieder gut machen könnte.”, sagte er und sah total hilflos aus.
Die Tränen liefen mir geräuschlos über das Gesicht und ich starrte Marcel nur an und schüttelte den Kopf als Antwort auf seine Frage, ob er was für mich tun könnte. Ich wischte mir das Gesicht mit meinem Ärmel. Jonny lief auf mich zu und legte mir den Kopf in meinen Schoss. Ich streichelte ihm den Kopf und musste lächeln, weil er mich von unten herauf anstarrte.
„Ach ja. Da bin ich wohl überflüssig.”, sagte Marcel und als ich ihn anschaute, grinste er.
„Jetzt, erklär mir bitte, was das mit Bens Auto sollte.”, fragte ich ihn und wurde augenblicklich wieder ernst.
„Das war ich nicht! Was soll diese ganze Scheiße überhaupt? Ich dachte, dass wäre geklärt! Ich wars nicht okay!”, schrie er mich an, stand auf und verschwand nach draußen.
Ich saß da und verstand nicht, was das alles sollte. Wollten sie mich alle auf den Arm nehmen?
Ich entschied mich meine Schwester anzurufen.
„Marie Taylor.”, sagte meine Schwester ins Telefon.
„Hey Marie, ich bins Lily.”, sagte ich.
„Lily! Ich freu mich so von dir zu hören.”
„Ja und wie geht’s dir, werdende Mama?”, sagte ich.
„Ach ja mir geht’s gut und dir?”
„Na ja, heute geht’s mir nicht so gut.”
„Ich habe gehört, dass Ben aufgetaucht ist. Stimmt das?”, fragte sie mich.
„Ja, das stimmt.”, sagte ich und erzählte ihr alles, was passiert war.
„Ohje. Aber mach dir nicht das Leben zur Hölle wegen zwei solcher Idioten. Ich sag dir unterhalt dich noch mal mit Ben. Er scheint mir sehr eifersüchtig zu sein.”, sagte Marie.
„Okay. Das wird ich tun Marie.”, sagte ich und hörte im Hintergrund, wie bei mir die Haustür aufging. „Ich leg auf Marie. Ich glaube Papa ist gerade gekommen. Tschüss und meld dich mal wieder.”, sagte ich.
Marie verabschiedete sich und ich legte auf.
„Lily? Bist du da?”, hörte ich meinen Vater.
„Ja, ich bin im Wohnzimmer.”, sagte ich.
Mein Vater tauchte in der Tür auf und ihm folgte eine junge Frau mit langem blondem Haar.
„Oh. Hallo, Papa, es tut mir leid, ich habe nicht aufgeräumt.”, sagte ich.
„Das ist nicht so schlimm, Schätzchen. Ich wollte dir Selina vorstellen. Sie ist eine gute Freundin von mir. Sag mal hast du geweint?”, sagte mein Vater.
„Hallo Selina ich bin Lily.”, sagte ich an Selina gewannt. „Ja, Papa habe ich. Du weißt doch, wenn ich mich zu sehr aufrege, laufen mir die Tränen übers Gesicht.”, sagte ich zu meinem Vater.
„Hi, Lily. Ich hab schon sehr viel von dir gehört.”, sagte Selina.
„Hey, ähm. Ich hab komischerweise noch nichts von ihnen gehört. Vielleicht liegt es daran, dass ich die ganze Zeit zu sehr mit mir selbst, meinem Ex-Freund und Marcel beschäftigt war.”, sagte ich und zwinkerte meinem Vater zu.
„Lass dich nicht von Lily verwirren.”, sagte mein Vater und grinste Selina an.
„Mach ich nicht. Mich wundert es nur, dass Lily noch nie was von mir gehört hat.”, sagte Selina strahlend.
„Wie Lily sagte, sie war zu beschäftigt mit der Liebe und sich selbst.”, mein Vater nahm Selina die Jacke ab und fragte sie, ob sie etwas zu trinken wolle.
„Setzen sie sich doch.”, sagte ich zu Selina und zeigte mit einer Handbewegung aufs Sofa.
„Lily, du musst mich wirklich nicht mit sie ansprechen, wenn es dich nicht stört kannst du mich Selina nennen. Ich bin ja noch nicht allzu alt.”, sagte sie lachend.
Mein Vater kam mit einer Flasche Wein und drei Gläsern herein.
„Schätzchen du trinkst doch einen Wein mit oder?”, fragte mein Vater mich.
„Ja, okay, aber nur einen.”
Wir sprachen über alles mögliche und lachten viel. Ich wusste, dass zwischen meinem Vater und Selina mehr war als Freundschaft, aber ich wollte die beiden nicht darauf ansprechen. Als mein Handy klingelte, stand ich auf und schaute auf das Display. Es war Ben. Was wollte er jetzt Aufeinmahl wieder.
„Entschuldigt mich kurz.”, sagte ich zu meinem Vater und Selina, dann drehte ich mich ganz zu meinem Vater und sagte: „Es ist Ben.”
Ich nahm ab und ging aus dem Wohnzimmer hinaus.
„Ja?”, sagte ich.
„Hey, Lil. Ich wollte mich bei dir entschuldigen, weil ich so ausgeflippt bin, heute Mittag.”, sagte er.
„Ja, du entschuldigst dich mal wieder für deine Dummheit. Man Ben, du weißt, ich liebe dich, aber ich glaube nicht, dass das mit uns noch einmal klappt. Wie du siehst streiten wir wegen einer solchen Kleinigkeit. Ich wollte das doch alles nicht. Ich hätte dich niemals geküsst, wenn du nicht aufgetaucht wärst und außerdem bringst du mein ganzes Leben durcheinander.”, sagte ich wütend.
„Was soll das jetzt? Es liegt an diesem Marcel, stimmts?”, sagte er.
„Ben, hör auf mit dieser Eifersuchtsszene. Ich hab dir eben gesagt, ich liebe dich, aber ich kann das alles nicht. Durch mich ist dein Auto verwüstet und Marcel sagt, er war es nicht. Wie ist es dann passiert? Warum musstest du mir folgen?”, schrie ich ihn an.
„Weil ich dich liebe, verdammt! Ich will nicht ohne dich sein! Achja, jetzt glaubt man auf einmal diesem Marcel. Ich versteh dich nicht, Lily!”, sagte Ben.
„Ben, vielen Dank für deine Entschuldigung und ich weiß doch, dass du mich liebst, aber dass du erst nach neun Monaten darauf kommst mich zu besuchen. Naja auf jeden Fall bitte ich dich darum, noch mal über alles nachzudenken und dich dann noch mal zu melden, wenn du mir nicht mehr den Vorwurf machst, ich würde etwas von Marcel wollen. Ich will jetzt rausfinden wer das mir deinem Auto war. Wenn du selbst was damit zu tun hast, dann gnade dir Gott mein Lieber!”, sagte ich wutentbrannt.
„Warum sollte ich mein eigenes Auto schrotten? Was glaubst du eigentlich? Warum ich erst nach neun Monaten kam? Weil ich dachte, wenn ich sofort nach der Trennung komme, dann wirst du sofort abblocken. Außerdem bin ich ganz bestimmt nicht auf Marcel eifersüchtig. Warum auch? Er kann dir nichts geben, das ich dir nicht auch geben kann.”, sagte er
„Weißt du was Ben. Denk über alles nach und melde dich dann wieder. Bis dann. Tschüss.”, sagte ich und legte auf.
„Lily? Alles in Ordnung?”, fragte mein Vater.
„Ja, Papa. Es ist alles in Ordnung. Ben nervt nur ziemlich.”, sagte ich und setzte mich neben meinem Vater aufs Sofa.
„Ja, Stress mit Männern kenne ich gut, Lily. Sie können manchmal mehr nerven, als kleine Kinder.”, sagte Selina und lächelte sanft.
„Ja, besonders wenn es um Ben geht. Er denkt mit einer Entschuldigung ist alles wieder gut. Ich hab es jetzt neun Monate ohne ihn ausgehalten, warum sollte ich es jetzt nicht mehr schaffen?”, sagte ich immer noch wütend über Ben.

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Tag der Veröffentlichung: 28.09.2010

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