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Das Zeichen der Schatten




Elis sah sich um. Ihre Augen schienen etwas zu suchen, etwas im Dickicht, etwas das ihr schon seit Stunden durch den Rudilwald folgte.
Ihr Herz pochte bis zum Hals, sie spürte die Angst. Sie drehte sich um und lief weiter, so schnell sie konnte. Plötzlich spürte sie wie etwas ihre Schulter umklammerte. Etwas Kaltes. Elis blieb stehen, ihr Herz pochte so laut, dass sie es ihn ihren Ohren hören konnte. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie wusste, wenn die Schatten sie gefangen hatten, würde sie nie wieder nach Hause kommen.
Sie drehte sich um, die Augen vor Angst fest verschlossen, die Hände zum Gebet gefaltet.
Geister der Nacht, erhört mein Flehen. Macht alles böse ungeschehen. Gebt mir Kraft bei Tag und bei Nacht. Die Unschuld meines Herzens, könnt ihr sehen, lasst mich ungestraft, durch diese Wälder gehen.



Dort stand sie, mit ihren langen braunen Haaren, zu einem Zopf geflochten. Ihr rotes Kleid war zerrissen von den Ästen des Waldes. Die Schuhe löchrig gelaufen. Betend und zitternd stand sie vor dem großen alten Baum der bestimmt schon seit Ewigkeiten dort stand.
Sie öffnete ihre eisblauen Augen und sah...... NICHTS.
Es war windstill. Das einzige, das Elis hören könnte war das Pochen in ihren Ohren.
Plötzlich hörte sie wie ihr Vater ihren Namen rief. ELIS...


Ihr war klar, dass sie ganz nah an ihrem Dorf sein musste. Sie rief um Hilfe.

Etral fand sein Kind am Boden kauernd und vor Angst zitternd vor. Ihm war bewusst, dass er im letzten Moment Schlimmeres verhindert hatte.
Sie überquerten den schützenden Fluss und liefen weiter in Richtung des Dorfes.
Im Dorf angekommen ließ Etral sich auf einer Bank nieder. Dieser große Mann mit schütterem, dunklem Haar, konnte vor Erschöpfung kaum noch laufen.
Seit die Sonne aufgegangen war suchten sie nun schon nach Elis. Er setzte an, um sie zu rügen, doch dann sah er, dass sie längst vor Ermüdung eingeschlafen war.
Krim klopfte ihm auf die Schulter und meinte mit einem Lächeln im Gesicht Bruder lass uns morgen reden, die Sonne geht bald unter.



Etral hob Elis auf seine Schulter und trug sie in die Hütte, schloss die Türe hinter sich, und brachte seine Tochter ins Bett.
Seit seine Frau vor Jahren von den Schatten geholt worden war, gab es nur noch ihn und Elis. Sie sah so zerbrechlich aus, auf ihrem Haar war alles voller Tannennadeln. Plötzlich stockte ihm der Atem.
Er fuhr hoch, die Hand an den Mund gepresst, die Augen weit geöffnet.
Auf Elis Schulter prangte ein Handabdruck. Dieses Zeichen der Schatten hatte Etral vor Jahren nur einmal flüchtig in einem der Bücher der Weisen gesehen.
Man konnte deutlich die 4 langen dünnen Finger erkennen. Das Zeichen auf Elis Schulter schien zu flackern, wie eine Flamme im Wind.

Man konnte die Sonne noch am Horizont über den Baumwipfeln erkennen, als Etral das Haus der Weisen betrat. In seinen Händen hielt er Elis, fest an sich gepresst, aus Angst sie auch noch zu verlieren. Das Zeichen

stammelte er, und fiel auf die Knie. Sein Gesicht war nass vor Tränen. Ihr müsst mir helfen, sie... sie wollen mein... mein einziges Kind...


Aus der dunklen Ecke am Rande des Raumes trat ein Mann in den Schein des Feuers.
Eine lange braune Kutte tief ins Gesicht gezogen, an den Ärmeln waren viele Fransen. angebracht. In seiner rechten Hand ragte ein knorriger Stab entlang, mit einer leuchtend grünen Spitze. Sein Schritt war schwer, von der Last des Wissens über die lang anhaltenden Winde des Ostens und des Wassers. Seine spitzen Schuhe schleiften am Boden.
Als er über Elis und Etral stand, schien es als ob sich Tränen in seinen Augen bilden würden, die dann in Form von kleinen Kristallen auf Elis hernieder fielen. Als sie Elis Wangen herunter liefen, formten sie sich an ihrem Hals zu einem roten Stein.
Erulat der Weise ging an die Feuerstelle in der Mitte des Hauses. Mit seinem Stab schlug er gegen das Feuer, aus dem sich sogleich ein Geist erhob.
Seine Worte waren weise und stark.
In ihr schlummern uralte Geister Etral... Du musst sie zu den Windgeistern des Ostens bringen. Sie werden sie leiten, den Krieg zu führen. Es steht in den Büchern, sie wird uns befreien. Sie muss hier fort, an den Großen Berg, an dem die Windgeister ihr Wissen über das Wasser verwahren. Unser Wissen ist stark, das Wissen der Windgeister ist stärker.
Wir werden ihr Gefährten zur Seite stellen, aber den Weg dorthin muss sie alleine finden.


Das Buch der Zeit




Die Tage zogen ins Land und Elis schlief immer noch den Schlaf der Krieger. Tag für Tag saß ihr Vater an ihrem Bett, hielt ihre Hand und betete, dass seine Tochter wieder unter den wachen Menschen weilen dürfe. Er erinnerte sich an die Tage als Elises Mutter noch am Leben war. Und er kam zu der Erkenntnis, dass seine Tochter ihrer Mutter immer ähnlicher wurde. Ihr braunes Haar hatte die gleichen Locken. Ihre Augen die gleiche Farbe wie die Eisgletscher am blauen Wasser der großen Bären. Selbst ihre Hände waren so zart, wie die seiner schwerlich vermissten Frau.

Während die Tage immer dunkler wurden, wurde Erulat der Weise immer nachdenklicher. Sein Geist aus dem Feuer, hatte Schlimmes Prophezeit. Die anderen Weisen, murmeln seit dem alte Gesänge und Sprüche aus den Uralten Büchern, um das herannahende Unheil abzuwenden.
Abends standen sie an dem Ufer des Wassers, um in den Sternen, die sich im Wasser spiegelten die Zukunft zu lesen. Das Wasser zeigte immer die Wahrheit, dass wussten die Weisen schon seit dem Tag, an dem die Welt sich zu drehen begann.
In Reih und Glied standen sie am Ufer und murmelten leise. Wenn man gespannt hinhörte, konnte man Wortfetzen erhaschen...
Wasser der Nacht, Wasser des Wissens, zeig uns den Weg... Elis sie schläft... die Windgeister weinen...böse Schatten...




Tage später, als die Sonne gerade zu scheinen begann, öffnete Elis langsam ihre Augen.
Das Licht schmerzte in ihren Augen. Sie blinzelte, hob schützend ihre Hände über das Gesicht, und rief ihren Vater.
In ihrem Kopf waren abertausende Bilder, verstörende Bilder. Blut, viel Blut, und alles voller Schatten.
Sie erinnerte sich an einen langen Traum. Sie musste ihn unbedingt ihrem Vater erzählen.
Wo war er? Sie rief erneut nach ihm.
Mit lautem poltern stürzte Etral fast mit der Tür ins Zimmer. In seinem Gesicht spiegelten sich Sorge und Freude wieder. Er setzte sich an das Bett seiner Tochter.
In der einen Hand ein Buch, in der anderen Elises Hand.
Elis mein Kind, geht es dir gut? Hast du Schmerzen? Hast du Dur....


Weiter kam Etral nicht. Die Narbe auf ihrer Schulter, begann zu glühen.
Elis schrie auf vor Schmerzen. Sie fasste sich an die Schulter, um zu sehen, was das war.
Was ist das? Vater ... mach es weg, es brennt!!!


Er war erstaunt. Die ganzen letzten Wochen hatte sich nichts getan an der Narbe. Und jetzt da Elis munter war, schien die Narbe zu erwachen. Als hätte sie Elis geweckt.
Ich werde Erulat holen.

Ihr Vater stand auf, und lief zur Tür. Er wird wissen was zu tun ist.

Bleib solange liegen, Elis, du musst zu Kräften kommen.


Als die Tür ins Schloss fiel, begann Elis sich langsam zu erinnern. An den Wald... ihre Angst...die Hand auf ihrer Schulter...
Sie versuchte sich aufzusetzen, um das Hemd an der Schulter abzustreifen. Sie musste sehen was genau ihr solche Schmerzen bereitete.
Es leuchtet. Fast wie ein flackerndes Feuer in der Nacht.

Dachte sie. Genauso brennt es auch, wie ein Feuer. Welche Bedeutung hat es??


Sie wurde sich schnell der Tatsache bewusst, dass sie selbst es war, die nachts spazieren gegangen war. Eigentlich wollte sie nur dem kleinen Licht folgen, das an ihrem Bett erschienen war. Sie hatte erst viel zu spät gemerkt, dass sie sich verlaufen hatte.
Dieses Licht... Elis erinnerte sich, dass sie es verloren hatte in der Dunkelheit. Kurz nach dem sie die Stimmen der Schatten gehört hatte. Was wollte das Licht ihr zeigen? Warum hatte es Angst vor den Schatten? So viele Fragen in ihrem Kopf und so wenig Antworten darauf.

Impressum

Texte: Daphne S.
Tag der Veröffentlichung: 11.06.2012

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