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5. Die Flucht
Edward trat aufs Gaspedal. Er beschleunigte den Wagen so als ob es kein Morgen geben würde, von Null auf Höchstleistung. Mit einem brummen gab der Wagen seine Beschwerde über diese rabiate Behandlung kund.
Aber er hielt sich anstandslos in der Spur und gab alles was in ihm steckte.
Das war nicht so viel wie es sich anhören mag, da die Karre nicht für Rennen ausgelegt war kamen wir gerademal auf achtzig Stundenkilometer.
Als ich einen Blick zurückwarf sah ich, dass zwei schwarze Wagen vor der Einfahrt unseres ehemaligen Zuhauses anhielten. Mehrere in dunkle Anzüge gekleidete Männer stiegen aus und rannten in den Hof. Mein Herz raste vor Aufregung.
„Das war knapp!“, stieß ich herraus als wir in eine andere Straße abbogen und aus dem Blickwinkel, der gehetzt wirkenden Männer verschwanden.
Alexis reichte uns je eine Tube >Mach den Tag zur NachtSie sind weg!

, sagte ein Mann dessen äußeres hinter einem dunklen Schleier verborgen lag. Auch die fünf Anderen konnte man nur als undeutliche Schemen erkennen.
Als wir ankamen hab ich einen Transporter wegfahren gesehen! Vielleicht waren sie das?

, sagte eine weibliche Stimme. Einer der Männer bekam einen Wutanfall und schlug der Frau mit der Faust ins Gesicht. Geschockt hielt sie sich die Blutende Nase. Und wieso hast du uns das nicht schon früher mitgeteilt? Dann hätte einer von uns das überprüfen können.

, brüllte er während die Frau von ihm durchgeschüttelt wurde.
Stopp! Alec, es reicht. Deine Wut bringt uns jetzt auch nicht weiter. Lass uns lieber versuchen ihrer Spur zu folgen!,

sagte der Schemen der am stämmigsten gebaut war. Daraufhin rannten sie die Treppen runter.

Edward griff schnell nach dem Handy und reichte es Alexis, die von der Heftigkeit der Vision noch etwas benommen wirkte. Da ich hinter ihr saß konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, aber man konnte spüren das dass Gesehen nicht spurlos an ihr vorbei ging. Ja, ich glaubte sogar dass ihre Gabe an ihren Kräften zehrte.
„Ruf Aiden an. Frag ihn ob er eine Hexe kennt, die in der Nähe wohnt. Wir brauchen einen Zauber um den Transporter verschwinden zu lassen und einen schnelleren Wagen.“ Dann warf er einen prüfenden Blick in den Rückspiegel.
„Was ist los hab ich irgendetwas verpasst? Ihr schaut alle so … gehetzt aus … was ist denn hier los?“ Erst war ich verwirrt über Francis Ausruf aber dann begriff ich, dass er ja keine Gedanken lesen konnte und somit von der Vision verschont geblieben war.
„Sie folgen uns…einer von ihnen hat uns gesehen als wir wegfuhren!“, sagte ich ihm schnell. Ich merkte erst jetzt, dass mein ganzer Körper vor Aufregung zitterte.
Nachdem das Telefon nur dreimal tutete, hörte ich eine sehr sympathisch klingende Stimme: „Hallo Reißzahn, wie geht’s?“
Alexis leierte mit gefasster Stimme Edwards Anweisungen herunter, derweil konnte ich im Hintergrund hören wie Aiden etwas in eine Tastatur tippte.
„Wo seid ihr, ah ja hab euch geortet! Also in Loughrea, kenn ich jemanden der euch in beiderlei Hinsicht helfen kann! Fahrt die Umgehungsstraße da kommt ihr schneller voran! Falls es ärger gibt kann ich euch durch die Pampa leiten!“, sagte der gutgelaunte Mann am anderen Ende der Leitung. Die Art wie er sprach ließ mich die Situation etwas entspannter sehen. Weshalb sich meine Emotionen beruhigten und mein Geist von seinen Worten abgelenkt wurde.
Die haben ja eine wahnsinnig ausgefeilte Technik! Oder ist das heutzutage normal, dass man seine Freunde orten kann?

, fragte ich mich und verpasste den Rest des Gespräches.
Edward der meine Bewunderung bemerkte, erklärte mir sehr ausführlich wie die ganzen Hüter miteinander vernetzt waren und zählte mir etliche wichtige Gründe dafür auf. Ich muss zugeben, dass ich ihm nicht mit voller Aufmerksamkeit zuhörte da es mir eindeutig zu detailiert und technisch war. Francis hingegen konnte nicht genug von seinen Ausführungen bekommen. Er lenkte das Gespräch mit seinen Fragen immer weiter in diese Richtung. Typisch! Zu meiner Überraschung schien Alexis einen umfassenden Wissensstand in diesem Gebiet zu haben. Die drei philosophierten über diese und jene Errungenschaft der Technik. Es war zutiefst langweilig!
Um mich von der ganzen Misere abzulenken, übte ich mich im Gedanken leiser stellen. Bei Francis klappte es mittlerweile ganz gut.
Bei den Versuchen Alexis Gedanken zu lesen stieß ich immer nur auf völlige Ruhe. Deshalb probierte ich ihre Gedanken lauter zu stellen. Ohne Erfolg. Das einzige was ich erreichte war, dass sie einen verwirrten Blick erst auf Edward und dann auf mich warf.
„Sorry“, murmelte ich und verschob das Experiment auf unbestimmte Zeit.
Ich beobachtete die beiden Männer die mein Herz zum Rasen brachten. Mir war es unbegreiflich wie ich dazu im Stande war für zwei Männer so tiefe Gefühle zu haben. Den einen kannte ich ja kaum.
Was war es also, was brachte mich so durcheinander?
Sie waren Grundverschieden in ihrem Äußeren.
Edward hatte eine faszinierende ja fast rebellische Aura, während mein Freund wirkte wie der Liebling aller Schwiegermütter. Eine dunkelblonde Lockenpracht umrahmte seinen ovalen Kopf. Er trug sie um einiges kürzer als Edward, dessen dunkelbraunes Haar in ungebändigten Wellen sein kantiges Kinn und seinen Nacken umspielte. Gut beide hatten wunderschöne und liebevolle Augen aber das war auch die einzige Gemeinsamkeit die sie hatten.
Wie das karibische Meer leuchteten Francis Augen als er seinen Blick auf mich richtete. Er zwinkerte mir kurz zu und wirkte dabei freudig erregt über die neuen Informationen die er von den beiden Vampiren erhielt. Dieser Ausdruck auf seinem Gesicht zeigte mir immer wieder aufs Neue wie gut er aussah, wie sehr ich ihn liebte. Ich konnte mir ein lächeln nicht verkneifen und freute mich weil er es tat. Seine schmalen Lippen bewegten sich in einer fort, als er den beiden irgendetwas übers programmieren berichtete. Er war so vertieft in das Thema das man keine Spur von Sorge mehr in seinem Gesicht erkennen konnte. Es ging soweit das sein an den Sitz geschnallter Körper völlig gelassen jedes seiner Worte unterstrich. Mittlerweile sprachen nur noch Alexis und er. Edward schien plötzlich verdächtig ruhig zu sein. Ich schaute zu ihm nach vorne, konnte sein Gesicht aber nur über den Rückspiegel erkennen. Jeglicher Ausdruck war aus seiner Miene gewichen und seine smaragdgrünen Augen wirkten traurig. Er erwiderte meinen Blick kurz und ich konnte mehrere Gefühle darin Aufflackern sehen, bevor er sich wieder der Straße zu wendete. Eifersucht? War es Eifersucht was ich an ihm wahrgenommen hatte? Oh nein, wahrscheinlich war er bei jedem meiner Gedankengänge dabei, hatte all meine positiven Gefühle für Francis mit verfolgt. Trauer erfasste mich und ich fragte mich wie ich es beiden recht machen konnte ohne einen von ihnen zu verletzen. Leider gab es hierfür keine einfache Lösung. Nein, die ganze Situation war verflixt kompliziert. Ich verstand nicht warum mir nach nur so wenigen Tagen so viel an Edward lag, dass sein Schmerz dazu in der Lage war mein Herz zum Bluten zu bringen. Das sein von bedauern gekennzeichnetes kantige Gesicht, sich in mein inneres Auge einbrannte und die Versuchung in mir weckte es zu ergreifen um jegliche Unmut weg zu küssen.
Erinnerungen an seine Berührungen und unseren Bluttausch, überfluteten meinen Geist. Die Bilder waren stark, doch heftiger waren die Emotionen die mit ihnen kamen. Ich sehnte mich danach ihn zu berühren, ja ich sehnte mich danach an seiner Halsschlagader zu knabbern um an die darin enthaltene flüssige Glückseligkeit zu gelangen. Die Verbundenheit zu spüren, deren Ursprung ich nicht einordnen konnte da sie mich ganz heimlich überkommen hatte. Während mein innerstes schwärmend in der Vergangenheit verhaftet war, blieb meinen Begleitern das in mir herrschende Gefühlschaos nicht verborgen. Francis und Edward beobachteten mich, aber nur einer von beiden fragte sich was mit mir los sei, denn der andere wusste es bereits. Francis legte seine Hand auf meine, und trauriger weise konnte ich seine Berührung gar nicht ertragen. In Moment, fühlte ich mich so fremd in meiner eigenen Haut, dass ich keinerlei Nähe zulassen wollte. Ich hatte es einfach nicht verdient. Doch ich zeigte ihm mein Unwohlsein nicht. Stattdessen lächelte ich ihm zu und fühlte mich dabei wie eine miese Heuchlerin.
„Was hast du?“, fragte er. Seine sanften Augen versuchten all das Leid von mir zu nehmen. Gedankenverloren schüttelte ich den Kopf. „Nichts!“ Mein Magen zog sich zusammen als ich ihn das erste Mal in unserm gemeinsamen Leben „wirklich“ anlog, ihm meine Gefühle verschwieg. Doch ich wollte und konnte ihn nicht verletzen, nicht so. „Ich habe gerade über unsere Verfolger nachgedacht.“ Edward wirkte erstaunt über das gesagte und unterzog mich einer genauen Musterung der ich verschämt auswich.
„Ach was ich fragen wollte! Sagt euch der Name Alec etwas?“, erkundigte ich mich schnell um mir eine Ablenkung von all dem zu schaffen. Doch als ich meine eigenen Worte Revue passieren ließ, merkte ich wie unbedacht mein Ablenkungsversuch war. Dafür gab es unmöglich eine Antwort, schon gar keine die all das geschehene in den Hintergrund wandern lies.
„Also ich kenne keinen einzigen Alec.“, erwiderte Alexis die ich nun seit einer geraumen Zeit das erste Mal wieder richtig wahrnahm.
Edward grinste da er meinen Gedanken gefolgt und zum selben Schluss gekommen war. Seine Miene war schwer zu deuten, aber ich glaubte einen Hoffnungsschimmer darin zu sehen. Na toll.
Dann zuckte er mit den Schultern. „Da der Name nicht gerade selten ist nützt er uns ohne Nachnamen leider nicht viel! Aber …“
Was er uns noch sagen wollte erfuhren wir nicht mehr, da unser Wagen gerammt wurde. Er hatte alle Hände voll zu tun um ihn auf der Straße zu halten. Irgendwo hörte ich ein splittern von Glas, aber ich konnte es nicht lokalisieren. Ich hatte gar keine Zeit dazu. Wie in slow-motion kam mein Kopf der Nackenlehne vor mir immer näher. Alles bewegte sich im Zeitraffer, auch meine Arme die mich vor dem zusammenprall mit der Lehne schützen wollten. Doch als diese den Sitz vor mir berührten lief die Zeit plötzlich wieder in normalem Tempo ab. Ich erschrak vor dem letzten Ruck meines Körpers, konnte die Kollision aber gerade noch verhindern.
Zeitgleich mit dem Aufprall, erfuhr Alexis in einer Vision das unsere Verfolger vorhatten uns von der Straße abzudrängen. Irgendwie hatte ich mir das mit den Visionen anders vorgestellt. Aber so war es ja meistens.
Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich eines der schwarzen Autos, die ich auch schon an meiner Einfahrt gesehen hatte. Die Fenster waren verspiegelt. So ein verdammter Mist. Es wäre hilfreich gewesen die Gesichter der Handlanger des Bösen zu sehen um sie später mithilfe der Computer zu identifizieren.
Hey, du hast ja vorhin doch zugehört!

, dachte Edward.
In meinem äußeren Blickfeld sah ich das sich der schwarze Flitzer wieder nach hinten absetzte.
„Geht es euch allen gut?“, noch während er die Frage stellte warf er einen Blick auf den Beifahrersitz. Seine Mine spiegelte einen heftigen Schock wieder. Ich verstand in dem Moment noch gar nicht so recht was passiert war.
Es war alles sehr verwirrend da viel zu viel auf einmal passierte. Edward, Francis und ich waren unversehrt. Die Katzen hatten sich durch das herumrutschen im Korb und den Lärm nur furchtbar erschreckt. Aber Alexis hatte weniger Glück. Ich beugte mich nach vorne um nach ihr zu sehen. Bei ihrem Anblick, gab mein Atmungssystem schlagartig seine Tätigkeit auf. Nur um einen sekundenbruchteil später doppelt so schnell zu arbeiten. Scheinbar waren wir an einem Straßenschild hängen geblieben. Denn ein Teil des Stützpfeilers steckte in Alexis Brust. Wie das passieren konnte, wie das Metall so brechen konnte das es sie traf, entzog sich meinem Vorstellungsvermögen. Sie war bewusstlos, oder? Oh Gott, ist sie tot?
Gerade wollte ich in Panik ausbrechen als uns der Wagen hinter uns erneut rammte. Mittlerweile veranstaltete das Adrenalin in meinem Kreislauf eine Hetzjagd, um auch jedem Organ die wichtige Botschaft von Gefahr übermitteln zu können.
Der erste Zusammenstoß war heftiger gewesen als dieser, aber einen dritten würde der Transporter wohl nicht überleben. Wie durch ein Wunder, drehten die beiden schwarzen Autos ab. Einen Augenblick später konnte ich den Grund dafür auch erahnen. Aus der Ferne kam ein Sirenen Geheul direkt auf uns zu.
„Schaffst du es sie zu heilen?“, brüllte Edward und holte mich aus meiner Agonie.
Voller Angst und Ungewissheit saß ich da und wusste nicht was ich antworten sollte.
„Sie verliert sehr viel Blut, wenn wir den Pfeiler herausziehen verblutet sie!“, sagte Francis entsetzt.
„Keine Angst so schnell geht das bei uns Vampiren nicht! Aber wir brauchen sie bei Bewusstsein! Wir müssen wissen was diese Idioten vorhaben! Bevor noch schlimmeres passiert, sollten wir handeln!“, seine Stimme besaß ein Drängen welches mich erreichte.
„Bist du sicher, dass sie nicht tot ist? Immerhin steckt da ein riesen Metalltrum in ihrem Herz!“, jedes der Wörter kam mir zittrig über die Lippen.
„Keine Panik, ihr Herz wurde verfehlt! Aber bitte hilf ihr!“ Edward flehte mich mit seinen bezaubernden Augen an. Die Art wie er mich betrachtete spendete mir Mut und Zuversicht
„Ok! Ich versuche es.“, entfuhr es mir, ohne das ich es bewusst gesteuert hätte.
„Soll ich das Teil herausziehen?“, fragte Francis. Er konnte die Fassung viel besser bewahren als ich, mit ihm gemeinsam konnte ich es schaffen.
Noch bevor ich ihm eine verbale Antwort geben konnte kletterte er nach vorne.
„Bist du bereit?“ Diesmal wartete er auf meine Erwiderung, die ich ihm mittels eine Kopfnickens gab. Ohne weiterhin Zeit zu verschwenden zog er das Trum aus Alexis Brust und warf es aus dem Fenster, scheppernd landete es im Straßengraben. Edward hielt währenddessen den Wagen so ruhig es ging.
Ich holte nochmal tief Luft, dann legte ich meine Hände auf die Wunde und stellte mir vor wie sie sich von selbst verschloss. Eine unglaubliche Hitze breitete sich unter meinen Fingern aus. Ich spürte wie Energie meinen Körper verließ und in ihren eindrang. Als das Kribbeln aufhörte wusste ich, dass die Wunde sich geschlossen hatte. Dennoch verblüffte mich der Anblick ihrer makellosen Haut.
Sie rührte sich nicht, lag immer noch bewusstlos da.
Hatte ich irgendwas falsch gemacht? Mein Herz raste.
Bleierne schwere breitete sich in meinem ganzen Körper aus und hinterließ Übelkeit.
„Verdammt, ich hab es vermasselt!“, sagte ich resigniert.
„Sie braucht Blut! Dann geht es ihr wieder gut!“ Edwards Worte klangen fordernd. Doch das Gefühl versagt zu haben lähmte mich.
Durch den Schleier meiner Apathie sah ich, wie Francis sich das Handgelenk mit den Zähnen aufritzte und sein Blut in ihren Mund tropfen ließ. Sein Handeln führte mir meine Unfähigkeit noch mehr vor Augen.
Alexis regte sich. Dann griff sie gierig nach dem Arm meines Freundes und stieß ihre Zähne in diesen, da seine selbstzugefügte Wunde sich bereits zu verschließen begann. Beide stöhnten kurz auf, als sie mit unersättlichem verlangen das Blut aus ihm heraussaugte.
Er saß auf ihrem Schoß und bei jedem von ihr vollzogenen Schluck senkte Francis seinen Kopf näher an ihren Hals. Tat er dies aus Schwäche oder ließ ihn die Erregung seine Umgebung völlig vergessen? Mistkerl! Schlampe!
Eifersucht ersetzte schlagartig Schuldgefühle.
Wie lange konnte ich das ertragen?
Mit jedem Zug schien sie kräftiger zu werden, deshalb hielt ich es für angebracht diese Farce zu stoppen. Und zwar so schnell als möglich!
„Es reicht! Francis braucht auch noch etwas Blut in seinem Körper!“, ätzte ich die beiden an, während ich versuchte sie voneinander zu lösen. Zwei Paar verlegen blickende Augen richteten sich auf mich, als Alexis von ihm abließ. Francis kletterte schnell wieder nach hinten zu mir. Er wusste nicht wie er reagieren sollte, sagte nichts und drückte sich in den Sitz.
Ich wollte wissen was er jetzt dacht und stellte mir wieder einen Volumenregler vor. Gerade als ich an ihm drehen wollte, sprach Edward zu mir.
Lass das besser sein, seine Gedanken sind jetzt nicht klar! Du würdest dich nur umsonst quälen!


Er hatte wohl recht. Denn der vernünftige Teil von mir pflichtete ihm bei.
„Ich brauch noch mehr Blut! Ich fühl mich so kraftlos und müde.“, hauchte Alexis.
Beim genauen Hinschauen erkannte ich, dass sie noch sehr geschwächt war. Da ich es nicht zulassen konnte, dass sie noch mal an meinem Freund rumnuckelte, ergriff ich die Initiative und kletterte selbst zu ihr nach vorne. Der Anblick ihres Blutbesudelten T-Shirts und dem Sitz der seine Farbe von grau in rotbraun gewechselt hatte, zeugte von einem höheren Blutverlust als ich angenommen hatte. Plötzlich fühlte ich mich schlecht und fragte mich ob meine Reaktion gerechtfertigt war.
„Darf ich?“, wisperte Alexis und zeigte auf meinen linken Arm.
Ich nickte und hob ihn ihr entgegen. Kaum war er an ihrem Mund angelangt spürte ich wie ihre Zähne sich durch meine Haut bohrten. Kurz zuckte ich zurück, doch dann gab ich mich dem Prickeln hin, welches von ihrem kontinuierlichen Sog auf meine Arterien ausgelöst wurde. Dieses Gefühl beseitigte jeden von Vernunft geleiteten Teil meiner selbst und ich genoss jeden Schluck den sie von mir nahm. Ich fühlte mich lebendig, fühlte wie sich diese Vitalität verdoppelte und in ihren Körper wanderte. Der Wind der sich durch das zerstörte Fenster zu uns gesellte, verhedderte sich in meinem Haar und streichelte meine Haut. Er bestärkte alles was der Biss in mir ausgelöste. Und dennoch war es ganz anders als mit Edward, hier fehlte etwas. Doch es fühlte sich richtig und wichtig an, deshalb gab ich mich dem Augenblicks hin und vergas das Drumherum, bis sie sich wieder von mir löste. Noch völlig verwirrt von den Emotionen die Alexis in mir ausgelöst hatte schaute ich sie an und erkannte das auch sie nicht damit gerechnet hatte.
„Oh mein Gott. Dein Blut ist phantastisch, jetzt weiß ich was Edward meinte! So viel Energie konnte ich noch nie von einem Schluck Blut resorbieren. Ich danke dir Felicitas!“, ihre Stimme besaß nun wieder Kraft.
Verlegen schaute ich weg. Durch die Heckscheibe erhaschte ich einen Blick auf den Verkehr hinter uns.
„Verdammt! Sie sind immer noch hinter uns her! Einer von denen ist nur fünf Wagen hinter uns! Was machen wir den jetzt?“, meine Stimme bebte vor Panik.
„So lange die Bullen hinter uns sind können wir uns in Sicherheit wiegen. Die wären doch schließlich sehr dämlich, sich vor den Gesetzeshütern zu outen! Zumal wir dann eine bessere Chance haben sie zu identifizieren!“
Edward hatte recht.
„Alexis. Schön das du wieder fit bist! … Wenn du dich dazu im Stande fühlst, könntest du bitte Aiden nochmal anrufen. Wir brauchen einen Weg auf dem wir alle die hinter uns her sind abhängen können!“, Sorge schwang in Edwards Stimme mit.
„Ja, klar Bruderherz. Aber nur wenn du mir dein Telefon gibst.“, zog sie ihn auf.
Schwach erwiderte er ihr lächeln und reichte ihr das Handy.
Das Telefonat dauerte nicht lange. Aiden schickte einen Routenplan auf Edwards Handy. So konnten wir ein paar abgelegene Wege fahren. Durch das Ablenkungsmanöver veränderte sich allerdings unser Zielort.
Loughrea war schon zu nah und die Hexe die dort wohnte zu bekannt. Weshalb unsere Verfolger schnell auf die Idee kommen konnten uns dort zu suchen. Aiden wies einen der anderen Schlossbewohner an sich mit der Hexe in Verbindung zu setzen und ihr jemanden zum Schutz zu schicken. Denn wenn unsere Vermutung stimmte fanden sie den Weg zu ihr.
Unser neues Ziel hieß Birr und war ein Ort den ich gerne für ein Paar Tage besucht hätte. Durch meine Liebe zur Grünen Insel, bekam ich zu Geburtstagen oder ähnlichen Anlässen viele Reiseführer und Bücher über Irland geschenkt. In einem von diesen hatte ich etwas über Birr Castle gelesen, was mein Interesse geweckt hatte. Dort gab es ein siebzehn Meter langes Teleskop, welches ein Astronom im Jahre 1845 im Park des Schlosses erbaut hatte.
Leider bot uns die Situation in der wir uns momentan befanden nicht die Möglichkeit einer Besichtigungstour.
Das Teleskop steht jetzt schon über hundertfünfzig Jahre an dieser Stelle und wird sich auch nicht so schnell von dort fortbewegen. Wenn sich die Lage Entspannt hat machen wir einen Ausflug dorthin. Versprochen!


Edward schnüffelte so oft in meinen Gedanken herum, dass ich es gar nicht bemerkte wenn er dies tat.
Deshalb erschreckten mich seine plötzlichen Kommentare jedesmal aufs Neue. Er bemerkte dies und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Wehe du streitest es später ab, mich auf einen Trip nach Birr eingeladen zu haben!

, scherzte ich zurück.
„Was geht da eigentlich zwischen euch beiden ständig ab?“, fragte Francis der seine Sprache nun doch wiedergefunden zu haben schien.
In seiner Stimme klang Eifersucht mit und diese war ihm auch deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Nichts weiter! Edward belauscht meine Gedanken und kommentiert diese.“, sagte ich mit einem beschwichtigenden Lächeln im Gesicht.
Er wirkte etwas besänftigt, doch ganz vertraute er der Sache nicht.
Um ihn von seinem Misstrauen abzulenken erzählte ich ihm den Rest von dem neu gewonnenem Wissen über das Übernatürliche.
„Wie wird man denn zum Hüter? Sind wir jetzt auch welche weil wir zu euch gehören?“, wollte Francis wissen. Das war eine gute Frage, eine die mir bis jetzt noch gar nicht in den Sinn gekommen war.
„Nun ja, so einfach ist das nicht.“, sagte Edward mit gerunzelter Stirn.
„Jeder der diesen Wunsch hegt muss eine Ausbildung machen. Wie lange die dauert ist unterschiedlich, da man sich ja auf gewisse Bereiche spezialisiert. Auch hängt es davon ab welche „Gabe“ man hat. Man muss sich in Kampftechniken ausbilden lassen, aber auch in der Beherrschung seiner Kräfte…also die Geistigen meine ich.“
„Wow. Gibt es da wohl eine Schule wie bei Harry Potter?“, fragte ich euphorisch.
Ein schallendes Lachen breitete sich im Wagen aus. „Hey das war keine scherzhafte Frage!“, ich funkelte alle drei böse an.
„Das macht es ja so witzig!“, trällerte Alexis. Jegliche Sympathie die ich mittlerweile für sie empfand verpuffte in diesem Augenblick. Ja, ich weiß dass ich viel zu empfindlich reagierte.
„ Es ist ähnlich. … Aber doch eher etwas ganz anderes.“, an dieser Stelle trat ein wirklich süßes und verschmitztes lächeln in Edwards Züge. „Bei Vampiren oder neu geschaffenen Werwesen erinnert es eher an eine Erwachsenenbildung als an Potter. Bei den jungen Werwesen, meist die die so geboren wurden und auch bei den Hexen ist die Ähnlichkeit schon größer. Sie beginnen diese Ausbildung ab dem Erreichen des sechzehnten Lebensjahres, sie leben und lernen dann in einem Internat. Bei den Elfen ist es wieder ganz anders, bis ihre Kräfte erwachen, meist so anfang Zwanzig, leben diese sehr Naturverbunden. In der Zeit lernen sie alles was sie über die Kräfte der Natur und auch die der Tiere wissen müssen, da sie ihre Magie daraus schöpfen. Erst wenn sie ihre Kräfte entwickeln, beginnen sie die Ausbildung. Das ist im Übrigen auch der Zeitpunkt an dem sie aufhören zu altern. In so einer Art Abendschule lernen sie den Umgang mit ihrer Magie. Nur der Abschluss gestaltet sich bei allen gleich, wenn sie alles Wichtige gelernt haben und sie geeignet sind für diesen Weg legen sie eine Prüfung ab. Bestehen sie diese entscheidet der Rat wie und wo sie eingesetzt werden!“
„Wahnsinn wie Organisiert das Ganze ist!“, sagte ich fasziniert.
„Das muss es!“, Alexis sprach mit voller Überzeugung. „Ohne dieses Vorgehen würde Sodom und Gomorra auf Erden herrschen!“
Das war alles was sie sagte. Jeder von uns hing seinen eigenen Gedanken nach.
Währenddessen nahm Edward mehrere Abzweigungen, so dass wir uns nun auf einer weniger befahrenen Straße befanden.
Nach einiger Zeit war nichts mehr von unseren Verfolgern zu sehen.
„Wir sind gleich in Birr und ich möchte nicht mit den Blutbespritzten Kleidern für Aufmerksamkeit sorgen! Felicitas, bist du so lieb und gibst mir den grauschwarzen Rucksack der hinter deinem Sitz steht?“
„Ja klar.“, entgegnete ich.
Ohne groß suchen zu müssen sah ich das Monstrum von einem Rucksack. Wenn ich mir diesen noch vor ein Paar Tagen auf den Rücken geschnallt hätte, wäre ich mit samt dem Ding einfach zusammengeklappt. Dank meiner neuen Kräfte und dem dazugehörigen Geschick, zog ich das Gepäckstück zu mir und reichte ihn dann zu Alexis nach vorne.
„Danke.“, sagte sie und machte sich gleich daran die Verschlüsse zu öffnen.
„Gott sei dank!“, flüsterte Alexis. „Ich hatte schon geglaubt alles auspacken zu müssen um ein Oberteil zu finden!“
Mit einem Klaps auf Francis Oberschenkel, machte ich ihm klar dass er seinen Blick besser nach draußen richteten sollte. Und ein funkeln meiner Augen machte ihm wohl bewusst das es richtig Ärger gäbe wenn er sie beim Umziehen beobachtete, denn er drehte sich sofort ab.
Schneller als meine vampirischen Augen ihren Bewegungen folgen konnten, zog Alexis sich um. Es verblüffte mich das sie es schaffte bei so einer Geschwindigkeit das Shirt auch noch richtigherum anzuhaben.
Meine neidvolle Analyse ihres Bewegungsablaufes wurde unterbrochen, als ein markerschütterndes Maunzen aus den beiden Transportkörben erklang. Dicht gefolgt von zwei Stimmen in meinem Kopf die mir völlig unbekannt waren. Beide klangen fordernd und klagten über schrecklichen Hunger. Billy? Ally? Wart ihr das?

, fragte ich die jammernden Stimmen. Und gleichzeitig wurde mir bewusst, dass ich dringend zu einem guten Psychiater musste. Blut, gib uns dein Blut!

, kam die Antwort die mit einem Miauen unterlegt war. Jetzt reicht es! Du drehst völlig durch! Wenn es kommt, dann kommt es dicke. Ich kann nicht nur einfache Hallos haben, nein, meine Unterhalten sich auch noch mit mir! Sprechende Katzen.

Um meinen Gedanken noch mehr Ausdruck zu verleihen, schüttelte ich vehement mit dem Kopf. Dabei bemerkte ich das wirklich jeder der in diesem Wagen saß seine Augen auf mich gerichtet hielt. Verdammt! Nicht mal einen Nervenzusammenbruch konnte ich ohne Zuschauer hinbekommen. Super. Hier ist die Psychotante persönlich, live und in Farbe. Schaut nur her.

, wetterte ich gedanklich weiter.
Ganz schön theatralisch!

, meldete sich Edward in meinem Kopf. Ich glaube nicht, dass du halluzinierst! Du bist ihr Schöpfer und hast deswegen eine ganz besondere Verbindung zu ihnen! Also gib ihnen was sie brauchen und hör auf dich so fertig zu machen

. Kaum hatte er seinen Monolog in meinen Gedanken vollendet richtete er seinen Blick wieder auf die Straße. Die anderen beiden hatten unsere kleine und geheime Kommunikationsrunde mitbekommen. Weshalb Alexis sich wieder nach vorne drehte und Francis beleidigt drein schaute. Ihm gefiel es gar nicht.
Das mussten wir unter vier Augen klären, aber nicht jetzt.
Da das Klagen immer drängender wurde, hielt ich mich gar nicht erst mit dem suchen zweier Gefäße auf, wo hätte ich diese auch finden sollen.
Also ritze ich mir schnell kleine Wunden in meine beiden Zeigefinger und hielt sie vor die hungrigen Mäulchen. Gierig schleckten sie mit ihrer rauen Zunge das Blut von meinen Fingern. Es war ein angenehmes Gefühl, weshalb ich die unbequeme Position die ich hierfür einnehmen musste ignorieren konnte. So wie ich eine Massage genießen würde, saß ich da und hoffte, dass meine Wunden sich nicht zu schnell schließen würden.
Danke!

, sagten sie zufrieden und legten sich zusammengerollt in ihren Korb.
„Das ist seltsam!“, sagte Francis der uns die ganze Zeit beobachtet hatte.
„Wem sagst du das.“, erwiderte ich mit einem Lächeln auf den Lippen.
Seit seinem Erwachen lag zu viel Unausgesprochenes zwischen uns. Das und unsere veränderte mit gefahren beladene Situation, führte zu einer Distanz zwischen uns welche wir nicht kannten. Plötzlich verspürte ich den Drang ihn zu berühren, ihn im Arm zu halten oder von ihm gehalten zu werden. Egal, Hauptsache wir waren uns nahe. Ungelenk rutschte ich zu ihm rüber und legte meinen Kopf an seine Schulter. Erleichtert spürte ich wie er sich entspannte. Dann legte er mir seinen Arm um meine Schulter und auch ich beruhigte mich etwas. Ich schloss meine Augen, genoss die Nähe während mir >One I loveHey, es tut mir Leid das ich dich so durcheinander bringe!! Ich werde mich mehr zurückhalten, damit du dir Klarheit über deine Gefühle verschaffen kannst!

, sagte Edward.
Eigentlich hätte ich froh sein müssen, doch ich war es nicht.
Schnell steckte ich die verwirrenden Emotionen, in einen hinteren Teil meines Gehirns, außerstande mich länger damit zu beschäftigen.
Stattdessen wurde mir Bewusst das ich mich angesichts der gefährlichen Situation, sonderbar sicher fühlte. Obwohl die Fahrt bewiesen hatte dass dies nicht der Wahrheit entsprach, hatte ich größten teils die Fassung bewahren können.
Ich fiel in einen Unruhigen Schlaf.
„Was. Sie haben was getan?“, stieß Edward entsetzt aus.
Nun war ich wieder hellwach.


Impressum

Texte: Der Text, die Geschichte, die Personen und die nicht Existierenden Orte sind mein geistiger Eigentum. ;)
Tag der Veröffentlichung: 06.05.2010

Alle Rechte vorbehalten

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