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3. Erkenntnisse
STOPP, schalt ich mich und löste mich ruckartig von ihm. „Was hast du mit mir gemacht? Wie konntest du mich dazu bringen, mich so … so unpassend zu Verhalten? Du manipulatives Schwein!“, schrie ich ihn an. Die Wut auf mich selbst, als auch auf ihn, prägte meinen entsetzten Gesichtsausdruck. Ich bebte! Die vielen Emotionen, die in diesem Moment über mich einstürzten, ließen meinen Körper viel zu viel Spannung aufbauen. Meine Hände waren zu Fäusten geballt und meine Fingernägel bohrten sich durch die Haut meiner Handflächen.
Ich drückte so fest zu, dass mir das Blut von den Händen tropfte.
Als ich dies sah begann ich zu schreien. Dies war wohl das klügste was ich in den letzten 20 Minuten getan hatte. Denn mit dem Schrei, löste sich ein großer Teil der Anspannung und der Druck den meine Nägel auf meine Haut ausübten lies nach.
„Tut mir Leid, aber ich hab dich nicht manipuliert! Dein neues Wesen, ist in dem Moment als du dich entschlossen hast mir das Blut aus den Adern zu saugen zum Leben erwacht! Das war der Durst der dich dazu getrieben hat mich mit deinem Spiel zu betören!“, antwortete er. Leider war es nicht ihre Reaktion auf mich! Nein, dafür liebt sie Francis viel zu sehr. Schade! Hm, aber auch so war es ein tolles Erlebnis!

, fügte er in Gedanken hinzu.
Überrascht blickten wir uns in die Augen. „Hab ich gerade deine Gedanken gelesen oder hab ich halluziniert?“, fragte ich erstaunt.
Er nickte, wobei er etwas peinlich berührt zum Boden blickte.
Gedanklich tadelte er sich, da er vergessen hatte seine Barriere Aufrecht zu halten. Zwar war sein nicken nicht ganz eindeutig, da ich zwei Fragen auf einmal gestellt hatte, aber seine Reaktion war Antwort genug. Er war unzufrieden mit sich.
Ich hingegen freute mich, da meine Fähigkeit erwacht war. Außerdem mochte ich den Gedanken, dass ich ihm zu gefallen schien.
„Stell dich nicht so an, du hast vorhin in meinen Gedanken ähnliches zu hören bekommen! Jetzt sind wir wohl Quitt! … Aber glaub ja nicht, dass ich Francis wegen einem Charmeur wie dir verlassen werde! Hast du mich verstanden!“, scheinbar war meine Wut noch nicht vollends verklungen.
Sein Mund bildete ein Lächeln, aber dieses erreichte seine Augen nicht. Bei dem Versuch mich in seiner Gedankenwelt umzusehen stieß ich auf Widerstand. Dieser fühlte sich an als würde ich gegen eine Mauer knallen, rein geistig natürlich. So ein Mist! Ich möchte zu gern wissen was er jetzt denkt!


„Später! Leg dich jetzt ins Bett du bist erschöpft!“, seine Stimme klang kühl, so wie ich sie noch nie gehört hatte. Meine Güte ist der empfindlich! Wenn ich die ganze Zeit, als er in mir gelesen hatte so reagiert hätte, könnte ich jetzt beim hinab Blicken wahrscheinlich meinen Hintern betrachten, da mein Kopf um hundertachtzig Grad verdreht auf meinem Körper stecken würde.

Meine gedankliche Ausuferung wurde durch ein beherztes Lachen unterbrochen. Als ich aufblickte, sah ich Edward in seiner gewohnten Art, da sich sein Lächeln übers ganze Gesicht erstreckte.
„Danke! Deine lebhafte Fantasie kann einen immer wieder aus der Reserve locken! Schau mal lieber nach unten, denn dein Verhalten war nicht besser als meines!“, als er dies sagte, schwangen die Nachbeben seines Lachanfalls immer wieder mit ein.
Na, was glaubt ihr war meine Reaktion? Richtig, ich blickte panisch an mir herab und konnte natürlich keinerlei Veränderung feststellen. Für einen kurzen Moment verengten sich meine Augen zu Schlitzen. Doch dann fiel ich in sein Lachen mit ein.
Als wir uns beide beruhigt hatten, griff er mit sanftem Druck um meinen rechten Oberarm und führte mich ohne ein Wort zu verlieren ins Schlafzimmer. Was hatte er denn nun schon wieder vor? Hab ich ihm nicht klipp und klar gesagt, dass ich nichts mit ihm anfangen würde?!


Lachend komplimentierte er mich aufs Bett, er selbst blieb stehen. „Schlaf jetzt! Ich glaub wir beide brauchen jetzt erst mal eine Pause. Mir tut mein Bauch schon weh vom vielen Lachen.“, sagte er mit einem grinsen im Gesicht. Als ich mich unter die Decke legte, beschwerte ich mich fortwährend. Ich gab ihm deutlich zu verstehen, dass es sinnlos war, was ich hier tat, da ich eh nicht schlafen konnte. Doch nachdem mein Körper eine bequeme Position gefunden hatte, war keine Zeit mehr um sich zu beklagen, da ich schon eingeschlafen war.

Ein zweistimmiges Gemurmel bahnte sich seinen Weg in mein Bewusstsein. Langsam begann ich, meinen in Embryohaltung gebeugten Körper und die mich umgebende Decke wahrzunehmen. Ich hatte tief und fest geschlafen, so dass ich mir meiner Umgebung erst einmal klar werden musste. Die Bettdecke und die Kissen fühlten sich an wie meine eigenen. Also war ich Zuhause in meinem Bett. Vibrationen an meinem Bauch und meinen Waden verrieten mir, dass sich Ally und Billy zu mir gelegt hatten. Ihr schnurren wirkte wie eh und je beruhigend auf mich. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sich in meinem Schlafzimmer irgendwas verändert hatte. Aber was? Da es stockdunkel war, konnten mir meine Augen, die ich gerade öffnete, keine hinreichenden Informationen liefern. Deshalb schloss ich sie auch gleich wieder. Was sollte man schon in einem schwarzen Bild erkennen? Ok. Mit diesem Sinnesorgan kam ich nicht weiter. Meine Körpersinne hatten mir schon geholfen herauszufinden wo ich mich befand, zumindest nahm ich dies stark an. Also ging ich zum nächsten über und erhielt sofort einen Informationsschub. Das Kissen roch nach Francis und mir, aber das war nicht alles was meine Nase wahrnahm. Ein Potpourri an Düften lag in der Luft. Es roch herrlich süß nach Zimt und Jasmin. Dazu gesellte sich noch ein erdig und waldiger Geruch. Dieses Gemisch führte zu einer Flut an Erinnerungen. An den Wald in den ich immer gegangen war um nachzudenken. Das Cafe um die Ecke, dort hatte ich immer einen Cappuccino mit Zimt getrunken. Oh Mann, dieses göttliche Getränk vermisste ich wirklich. Erinnerungen an den Jasminbaum meiner Adoptivmutter, wie ich ihn kurz vor dem Umzug noch einmal umgetopft hatte, da der Baum immer weiterwachsen wollte. Wie Francis mich währenddessen mit seinem Besuch überraschte. Mit meinen von der Erde verdreckten Händen, hatte ich sein Gesicht umschlossen und ihn geküsst. Danach sah er aus als hätte er sich eine Kriegsbemalung angelegt. Hm, wie sollte es anders Enden als in einer Erdschlacht. Wir hatten riesigen Spaß und sahen danach wie Schlammketcher aus. Ja, ja wir hatten schon schöne Zeiten. Nachdem ich alle Nuancen eingeordnet hatte verebbte die Flut. Da ich keine Ahnung hatte woher diese Düfte kamen und dies auch nicht so schnell herausfinden konnte widmete ich mich dem nächsten Sinnessystem. Einem der mir in meiner derzeitigen Lage wohl kaum weiterhelfen konnte, dem Geschmackssinn. Dieser sagte mir nur, dass es wiedermal Zeit war sich die Zähne zu putzen. Was hatte ich denn anderes erwartet? Na ja, zurück zum Thema. Hm, ich wusste, dass ich durch irgendetwas aufgewacht war. Aber was? Was vergaß ich denn?
Erneut erreichten mich zwei flüsternde Stimmen welche bei mir zu einem Aha-Effekt führten. Endlich! Die eine war männlich und kam mir sehr bekannt vor und die andere war von einer weiblichen Person, welche ich noch nicht oft sprechen gehört hatte. Langsam bildete sich in meinem Kopf ein zu den Stimmen passendes Bild. Edward und Alexis unterhielten sich im Nebenzimmer.
So wie sich die Betonung der Worte anhörte, unterhielten sie sich wohl in einer sehr geringen Lautstärke. Irritiert hob und senkte ich die Schultern, da ich nicht begreifen konnte wie um alles in der Welt ich zwei flüsternde Personen durch eine Geschlossene Tür hören konnte. Wie auch immer jetzt war ich wach, hatte alle Sinne beisammen und fing gespannt an zu lauschen.
„… du hast das doch auch am Tatort gerochen, oder?“
„Ja! Aber dieser Geruch muss doch nicht unbedingt von ihr stammen. Es kann genauso gut eine oder einer in der Nähe leben den wir da wahrgenommen haben, so wie du es selbst an dem Abend angenommen hast! Interpretiere nicht so viel in sie rein, bloß weil du auf sie stehst!“, zischte Alexis.
Edward ignorierte ihre schnippische Art und sprach weiter.
„Hast du ihre Augen gesehen? Dieses leuchtende grün, die rotbraunen Flammen um ihre Pupille … dann noch der blaue Rand und diese golden Sprenkel ...nein die sind nicht menschlich! Oder hast du schon mal etwas Vergleichbares außerhalb unserer Welt gesehen?“, seine Stimme klang ehrfürchtig und das was er beschrieb kam mir bekannt vor.
„Ok, das ist ungewöhnlich aber nicht unmöglich! Einige der El…“, Mist das Wort konnte ich nicht verstehen. „… haben ja schließlich auch ziemlich normale Augen. Also wieso soll das nicht umgekehrt auch bei den Menschen möglich sein?“
„Du hast ja recht! Wir sollten uns trotzdem mit einem der Zuständigen in Verbindung setzten. Weißt du wer der Elfenbeauftragte in dieser Gegend ist?“
„Bruno von Waldberg wenn ich mich nicht täusche. Ich ruf mal schnell Aidan an der kann das für uns rausfinden und uns bei der Kontaktaufnahme behilflich sein!“, in ihrer Stimme klang nun etwas versöhnliches mit.
Als sie schwieg hörte ich ein Rascheln, gefolgt von einem leisen Fluch. „Hab mein Handy unten vergessen! Da ich eh runter muss, führ ich das Gespräch dort. Da muss ich nicht so leise sprechen!“, der letzte Teil klang irgendwie anklagend.
Launenhafte Zicke!


„Warte ich geh mit!“, sagte Edward schnell.
Nachdem ich die Tür zufallen hörte, dachte ich über das eben Gehörte nach.
Hatte Edward gerade was von einem Elfenbeauftragten gesagt? Und Alexis hatte es einfach so hingenommen, und zu allem Überfluss konnte sie diesem Nonsens auch noch einen Namen geben. Bruno der Elfenbeauftragte, ich glaub die beiden leiden unter einer schweren Form von Logoröh!

Ja, verbaler Durchfall war der einzig logische Schluss den ich daraus ziehen konnte!
Gut, hätte ich das geklärt.
Aber was war das mit dem Geruch? Hatten die beiden von unserem Tatort oder von einem anderen gesprochen? Hab ich gestunken?

Vielleicht hatte ich den widerlichen Gestank der Mülltonne angenommen. Dieser war so penetrant und allgegenwärtig gewesen das er unmöglich auf mich zurückzuführen war! Oder doch? Bäh! Die Erinnerung daran ließ mich erschaudern! Aber selbst wenn er an mir haftete wie die Pest, warum mussten sie das so debattieren? Schließlich hatte ich mir diese Note nicht freiwillig angelegt!
Wie unhöflich! Wie peinlich!
Die Beschreibung, der Augen könnte auf meine zutreffen, wobei diese noch niemand zuvor so liebevoll beschrieben hatte. In diesem Moment wurden meine Gedanken von einem Stöhnen unterbrochen. Komisch ich dachte ich wäre allein! Francis?


Da das Geräusch von rechts kam, tastete ich an meinem Bett entlang und stellte fest, dass ich ganz am Rand lag und somit hatte keiner mehr Platz neben mir. Zumindest auf der Seite, von der ich das Stöhnen vernommen hatte!
Oh Mann, lag mein armer Schatz am Boden?
Ich erhob meinen Oberkörper von der Matratze, beugte mich über den Rand und suchte den Boden nach Francis ab. Nichts.
Vielleicht lag er noch ein Stück weiter drüben! Noch auf dem Bett sitzend, tastete ich den Boden nach Hinweisen ab. Plötzlich traf mein Kopf auf Widerstand, als er an einem unbekannten Objekt hängen blieb. Durch den Stoß sichtlich erschreckt, verlor ich meine Körperkontrolle und plumpste aus dem Bett heraus. „Aua, so eine Scheiße!“, fluchte ich leise vor mich hin. Warum hatte ich eigentlich kein Licht angemacht??? Vermutlich weil ich die schlafende Person nicht wecken wollte. Um den leichten Schmerz einzudämmen rieb ich mir den Kopf.
Etwas peinlich berührt lag ich neben meinem Bett und war froh, dass keiner meine Ungeschicklichkeit bemerkt hatte. Sobald ich mich von meinem Schreck erholte, rappelte ich mich auf. Neben dem unbekannten Missetäter sitzend, erkundete ich mit meinen Händen die Umgebung und stellte zu meiner Überraschung fest, dass es sich bei dem Objekt um mein altes Sofa handelte. Dieses stand normalerweise in dem Gästezimmer im Erdgeschoss. Scheinbar hatten die beiden Vampire es samt Francis nach oben getragen.
Denn wer sonst sollte stöhnend hier bei mir liegen? Um mich zu versichern wollte ich die Person abtasten, wenn es Francis war würde ich das erkennen. Und wenn er es nicht war, würde ich dies ebenfalls herausfinden! Das Erste was ich zufassen bekam war eine Hand. Sie fühlte sich vertraut an. Trotzdem war ich mir noch nicht hundertprozentig sicher! Also weiter. Von der Hand, die auf jeden Fall männlich war, tastete ich mich Stück für Stück weiter noch oben. Bei jedem Zentimeter, den ich mit meinen Fingern erklomm, wurde ich mir immer sicherer, dass das neben mir mein geliebter Francis war. Als ich das wundervolle Gesicht erlangte, machte mein Herz einen Freudensprung.
In einer hektischen Bewegung richtete ich mich auf und küsste meinen Schatz ab. Dieser befand sich zwar im Tiefschlaf, aber sein Körper reagierte mit Zuneigung auf mich. Sein Gesicht kuschelte sich an meines und seine Hände erwiderten meine Berührung. Ohne es bewusst gesteuert zu haben, lächelte ich.
Ich freute mich so sehr, ihn bei mir zu wissen und ihn endlich wieder berühren zu können.
Doch die positive Stimmung wurde von einem schlechten Gewissen vertrieben!
Denn bei dem Gedanken, wie schlecht es ihm gestern noch ging - oder war das schon länger her? - hatte ich Angst, ihn durch meine drängenden Berührungen aus seinem heilsamen Schlaf zu reißen. Widerwillig zog ich mich zurück.
Jetzt durfte ich nicht egoistisch sein, bloß weil ich mich danach sehnte ihn zu berühren, durfte ich ihn in seiner Ruhe die er bitter nötig hatte nicht stören! Beschämend musste ich mir eingestehen, dass es mir nicht leicht fiel.
Um meine Beherrschung nicht unnötig auf die Probe zu stellen, setzte ich mich so leise wie möglich wieder aufs Bett.
Plötzlich machte sich eine riesengroße Eifersucht in mir breit, als ich daran dachte das er von Alexis getrunken hatte. Oh Gott, hatte unsere Beziehung überhaupt noch eine Chance?
Konnten wir damit umgehen?
Wie konnte ich ihm nur so etwas antun? Das schlechte Gewissen das ich bis zu diesem Zeitpunkt verdrängt hatte, war dabei wieder die Oberhand zu gewinnen.
Doch meine Selbstanklage wurde von dem Öffnen und Schließen der Tür, zumindest für eine Weile beendet. Sie waren wieder oben.
Immer noch leise, damit Edward und Alexis mich nicht hörten kuschelte ich mich wieder unter die Decke. Ganz ruhig legte ich mich hin, spitzte die Ohren um den Gesprächen der Geschwister heimlich zu lauschen. In diesem Moment kamen mir die beiden sehr gelegen, ich konnte mich noch nicht mit meinem Verhalten auseinander setzen! Zu groß war die Angst, all das zu verlieren was mir wichtig war! Derweil begannen Billy und Ally mit der Suche einer angenehmen Schlafposition neben mir. Putzig! Meine Katzen schafften es doch immer wieder mich aufzuheitern.
„…also morgen.“, sagte Edward ruhig. Mit einer etwas belebteren Stimmlage als zuvor, fuhr er fort: „ Da haben wir wohl nicht mehr viel Zeit es Felicitas schonend beizubringen. Hm, ich bin gespannt wie sie auf die Neuigkeit, dass wir nicht die einzigen übernatürlichen Wesen auf der Welt sind, reagiert.“ Sobald er das letzte Wort ausgesprochen hatte, hörte ich ihn kichern. Das war aber nicht alles was ich zu hören bekam!
„Sie wird es schon überleben! Auf ihre Wandlung hat sie doch ganz gut reagiert. Ich glaube, dass was sie jetzt erfährt schluckt sie noch leichter! Immerhin weiß sie ja nun das ein paar Märchen, einen wahren Kern haben!“, sagte Alexis und ihre Stimme klang ungewohnt sanft in meinen Ohren wieder.
Das war das netteste was ich sie bisher hatte sagen hören. Vielleicht irrte ich mich ja, vielleicht war sie doch eine nette Person. Tja, die Zeit wird es zeigen!!!
Aber was sollte mir das gehörte nur sagen? Das die beiden und neuerdings Francis, die Katzen und ich, nicht die einzigen Vampire auf der Welt waren, war mir irgendwie klar. Hm, vorhin war ja auch noch die Rede von Elfen, meinten sie etwa das? War das Gerede über Elfen vielleicht doch kein Nonsens, sondern schlicht und ergreifend die Wahrheit? In Bezug auf den wahren Kern von Märchen musste ich Alexis recht geben, denn das hatte ich mittlerweile schon begriffen.
Mein gedankliches Rätselraten wurde wieder einmal durch einen auditiven Input unterbrochen.
„Guten Morgen Felicitas! Wie ich höre bist du schon länger wach!“, trällerte Edward gutgelaunt. Oh Mann, jetzt wurde ich doch glatt beim Spionieren erwischt! Mist, irgendwie fühlte ich mich jetzt wie ein unartiges Kind und schämte mich für mein Verhalten. Ja, das hätt ich mir wohl früher überlegen sollen. Wie es aussah musste ich mich jetzt wohl in die Höhle des Löwen begeben. Sie werden mich schon nicht fressen!

, dachte ich und stand auf. Mein Kopf fühlte sich so heiß an, so dass ich höchstwahrscheinlich rot wie eine Tomate war.
Als ich ins Nebenzimmer, also mein Wohnzimmer trat, grinsten die beiden bis über beide Ohren. Anscheinend hatten sie keine Probleme mit meinem Lauschangriff. Wie immer hatte ich mir zu viele Sorgen gemacht. Mein Verstand sagte, dass alles in Ordnung war. Aber meine Gefühle konnten sich nicht so schnell regulieren, deshalb wünschte ich den beiden eher zaghaft einen guten Morgen.
„Glaub nicht, dass wir etwas anderes getan hätten, zu einer Zeit in der uns noch so viele Geheimnisse verborgen lagen! Das dich die Neugier packt ist völlig normal. Also mach dir keinen Kopf! Edward kocht uns jetzt erstmal einen Kaffee und du setzt dich zu mir aufs Sofa!“, sagte Alexis.
Immer noch etwas verschämt, warf ich ihr ein freundliches Lächeln zu und tat was sie sagte. Sobald mein Hinterteil das Polster erreicht hatte, schwebte mein Blick durch den Raum auf der Suche nach Edward. Doch der hatte sich schon in meine Küche zurückgezogen.
Irgendwie fühlte ich mich noch etwas beklommen in der Nähe von Alexis. Während ich noch grübelte, über was ich mich mit ihr unterhalten sollte, nahm sie mir die schwierige Aufgabe ab und brach das Schweigen, welches nun schon mehrere Minuten anhielt.
„Was hast du denn alles mitbekommen?“
Schon wieder schoss mir das Blut in den Kopf. Was hatte ich doch vorhin für mich zusammengefasst?
„Ähm, … irgendetwas von einem Elfenbeauftragten Namens Bruno! Das ich oder irgendwer anderes am Tatort gestunken hat. Hm, was noch? Ach ja, das morgen irgendwas passiert und ihr mich darauf vorbereiten wollt!“, resümierte ich.
Sie lachte und begann, weiterhin freundlich, etwas klarzustellen.
„Du hast nicht gestunken! Aber das erklären wir dir gleich beim Kaffee trinken!“, aufmunternd blinzelte sie mir zu.
Langsam begann ich mich in ihrer Gegenwart wohler zu fühlen, und entspannte mich.
Ich hatte noch so viele Fragen zu meinem neuen Dasein als Vampir.
Waren wir alle Untote?
Oder lebten wir noch?
Meinen Herzschlag konnte ich zwar noch wahrnehmen, aber vielleicht stellte er nur noch ein Echo meines vorherigen Lebens dar. …
Aber wie es schien, kamen nun anstatt Antworten, nur noch mehr Rätsel auf mich zu!
Edward brachte alles was wir für den Kaffee brauchten, stellte es auf dem Tisch ab und bereitete uns den Kaffee zu. Auch diesmal war die Mischung perfekt!
„Danke!“, hauchte ich.
Er setzte sich schräg neben mich und schaute mir in die Augen. Das machte mich ganz nervös und zauberte ihm ein lächeln aufs Gesicht. Nach alldem was wir letzte Nacht miteinander getan hatten fühlte ich mich erstaunlich wohl in seiner Gegenwart. Ich hatte erwartet, dass ich mich irgendwie befangen fühlen würde, stattdessen machte sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl in mir breit. Dies führte natürlich dazu, dass mein Schlechtes Gewissen noch mehr Futter bekam.
„Also“, sagte Edward mit seiner ruhigen und angenehmen Stimme. „Auch wenn in den Geschichten über Vampire meist von Untoten die Rede ist, sehen wir es doch etwas anders! Wir sind nicht Tot oder Untot. Wir sind noch genauso lebendig wie vorher! Unser Herz ist noch vollkommen intakt, es schlägt und pumpt das Blut fortwährend durch unseren Körper. Auch sind wir bei Bewusstsein und unsere Persönlichkeit ist erhalten geblieben. Das einzige was sozusagen gestorben ist, ist unser vorheriges Leben! Da sich das Umfeld und einige unserer primären Motivationen geändert haben! … Unsterblich wäre eine treffendere Bezeichnung für unseresgleichen, da wir schwer Tot zu kriegen sind! So, ich denke hiermit hab ich einen Teil deiner Fragen schon mal beantwortet!“
Es war schon erstaunlich, irgendwie unheimlich und doch auch praktisch, wie klar er die Informationen aus meinem Kopf saugen konnte. So musste ich mich nicht erst dazu durchringen meine Fragen zu stellen, sondern bekam sie schon beantwortet bevor ich sie verbalisieren konnte.
„Ja das hast du! Danke!“, sagte ich und lächelte ihm freundlich zu.
Während er dies erwiderte begann er erneut zu sprechen und Alexis beobachtete uns weiterhin schweigend, mit einem Blick den ich nicht zu deuten vermochte.
„Und jetzt erklär ich dir erstmal, welche Wesen noch neben uns existieren!
Wo fange ich denn am besten an? Hm, ok die Legenden über Werwölfe sind zum größten Teil wahr, außer das sie sich immer verwandeln können und nicht nur zu Vollmond. Das ist eine Fehlinterpretation der Erzähler. Nur die allererste Wandlung findet zu Vollmond statt, egal ob sie genetisch bedingt oder durch einen Biss hervorgerufen wurde! … Neben den Wölfen gibt auch noch andere Werwesen, vor allem Werkatzen. Bei ihnen gibt es eine Besonderheit, durch die Vermischung der verschiedenen Arten, kommt es manchmal vor das sie sich in mehrere verschiedene Katzen wandeln können … Tiger, Löwen oder auch Hauskatzen, einfach alle Katzenrassen ob groß oder klein können vorkommen“, hier legte er eine kurze Pause ein.
Während ich versuchte das Gehörte zu verarbeiten und zu glauben, spürte ich die Blicke der beiden auf mir. Das machte mich irgendwie nervös. Um die Situation etwas aufzulösen erhob ich das Wort. „Ist das alles oder gibt es noch mehr? Habt ihr mir mit der Unterhaltung über Bruno den Elfen einen Bären aufgebunden oder bekomm ich jetzt doch noch was über ihn und seines gleichen zu hören?“, sprudelte es aus mir heraus. In der Erwartung, dass mir in den nächsten Minuten ein hysterischer Anfall drohte, biss ich mir, angespannt wie ich war, auf die Unterlippe. Aber ich wartete vergebens! Scheinbar hatte ich mich in den letzten Tagen an diese unglaublichen Wahrheiten gewöhnt und mich Unbewusst schon auf so einiges Eingestellt.
Alexis und Edward konnten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie mich bei meinen Überlegungen beobachteten. Wenn mein Gesicht so aussah wie ich mich fühlte, konnte man es ihnen nicht verübeln.
„Das ist sehr nobel von dir!“, sagte Edward, der schon wieder in meinen Gedanken rumschnüffelte. Blödmann!

, war mein gedanklicher Kommentar.
Er schaute mich daraufhin mit gespieltem Entsetzen an. Dem konnte ich nur ein selber Schuld, was musst du auch immer in meinen Kopf reingucken, als wäre dieser ein offenes Buch

hinterher setzen. Wir beide mussten lachen. Und meine schnippische Stimmung verpuffte, so schnell wie sie aufgetreten war.
„Was ist, willst du noch mehr erfahren oder soll ich dir erst noch eine Pause gönnen?“
„Ich glaube ich vertrage mehr als ich erwartet habe! Also bevor meine Toleranzschwelle wieder zu sinken beginnt, erzählst du mir lieber noch ein paar Dinge über die Welt in der ihr lebt!“, antwortete ich in sehr gelassenem Tonfall.
„Wie du willst!“, sagte er und warf mir und Alexis ein Lächeln zu.
Im Gegensatz zu mir, saß Alexis völlig entspannt da. Sie lümmelte sich in die Lehne des Sofas und schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein!
„Also ich mache es kurz! Zu den nicht erfundenen Wesen zählen Elfen, Feen, Hexen, Hexer, Geister und Dämonen! Dann gibt es da noch eine Zwischenwelt, Nimbatus genannt. Dies ist ein in Nebel gehüllter Ort, hier leben Feen und Dämonen. Die Geister halten sich dort aber auch sehr häufig auf. Werwesen und Vampire betreten diese Nebelwelt normalerweise nicht, da wir an diesem Ort an überreizter Orientierungslosigkeit leiden. Frag mich nicht warum, ich war noch nie dort. Es gibt zwar einige Elfen und Hexen die sich der Aufgabe widmen unseresgleichen hindurch zuführen, aber ich hatte einfach noch nie das Bedürfnis dies in Anspruch zu nehmen.“
Die Informationen sickerten langsam wie Sirup zu dem Teil meines Gehirns der für die Verarbeitung zuständig war.
„Dämonen?“, fragte ich ungläubig.
„Ja. Aber die trifft man eher selten an, außer man ist im Nimbatus. Es gibt nicht mehr viele die verrückt genug sind diese zu beschwören. Es hat einfach zu viele Nachteile für den Betreffenden.
So hast du dazu noch fragen oder willst du erstmal den Grund erfahren, wegen dem Bruno hier morgen auftaucht?“
Ich empfand es als sehr freundlich, dass er mich nun aktiv mit einbezog. Meine Gedanken rasten, als ich innerlich abwog, ob ich mehr von Bruno oder dieser Zwischenwelt in Erfahrung bringen wollte. Da mein Geist sich schon mit der Frage um den Elfenbeauftragten beschäftigt hatte, wollte ich erst diese Neugier stillen.
Edward nickte, da er meiner Entscheidung wiedermal gelauscht hatte.
„Also Bruno von Waldberg ist der Elfenbeauftragte in dieser Gegend. Das bedeutet, dass er weiß wo und wie viele Elfen hier wohnen. Er kennt ihre Namen und kümmert sich darum wenn einer von ihnen aus der Rolle fällt! Das heißt wenn ein Elf unvorsichtig wird, zum Beispiel wenn er in der Öffentlichkeit unter Zeugen zaubert, greift Bruno ein. Er ist also für die Schadensbegrenzung und die Belehrung der Elfen zuständig.
Als Alexis und ich euch zu Hilfe kamen, konnten wir den Geruch einer Elfe wahrnehmen. … Und wir wollen nun mit Brunos Hilfe herausfinden was es damit auf sich hatte! Am Telefon sagte er uns das an dem Ort wo wir euch fanden keine Elfe wohnt! Nicht mal im Umkreis von einem Kilometer.“, seine letzten Worte wurden immer leiser.
Als Edward aufhörte zu sprechen, hatte ich nicht das Gefühl das er alles gesagt hatte. Nein er wirkte eher nachdenklich.
„ Was ist eigentlich mit deinen Eltern, leben sie auch hier in Galway?“ fragte er zögernd.
Warum wollte er das Wissen? Als ich zu sprechen begann breitete sich ein beklemmendes Gefühl in meiner Brust aus. „Nein. Ich kenne weder meinen Vater noch meine Mutter.“, ich schluckte und meine Kehle fühlte sich staubtrocken an. „Meine Mom starb kurz nach meiner Geburt … wer mein Dad ist habe ich nie erfahren!“
Beide warfen mir einen traurigen Blick zu. Als sie etwas sagen wollten, stoppte ich sie mit einem vehementen Kopfschütteln. Nein, Mitleid konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Außerdem hätte jedes weitere Wort über dieses Thema eine aufwühlende und verletzende Wirkung gehabt. Egal wie alt man ist, sowas tut immer weh. Vergeht nie ganz. Bleibt, und macht einen großen Teil des emotionalen Ungleichgewichtes aus, das jederzeit über einen herfallen konnte.
„Hm, aber das könnte passen!“, murmelte Edward und durchbrach so das Schweigen.
Ich verstand nur Bahnhof.
„Ich weiß nicht wie ich dir das Folgende erklären soll!“, in seiner Stimme klang Unsicherheit mit und auch seine Körperhaltung drückte alles andere als Sicherheit aus. Er war nervös. Aber warum?
Jetzt meldete sich Alexis erstmals wieder zu Wort.
„Dann tu ich es eben! Also einige deiner Eigenschaften scheinen von elfischer Natur zu sein. Das Heilen ist eine Fähigkeit die wir noch nie bei einem Vampir gesehen haben. Dies können nur andere Wesen wie zum Beispiel die Elfen.
Auch das deine Fähigkeiten so schnell erwacht sind, ist ein ungewöhnliches Phänomen. Genauso sieht es mit deiner Wandlung aus! Sie vollzog sich so schnell bei dir, dass ist nicht normal weißt du! … Elfen heilen schneller als Menschen! Das könnte bedeuten, dass du die Elfe an dem Tatort warst! … Da du jetzt ein Vampir bist, können wir nicht mehr erkennen ob du eine Elfe bist! Du riechst jetzt wie eine von uns. Deswegen haben wir uns an den hiesigen Elfenbeauftragten gewandt. Wenn Bruno kommt kann er es eventuell an deiner Aura sehen ob du eine Elfe bist!“
So wie auch Edward hatte Alexis eine ruhige Art, Tatsachen zu schildern. Beide weckten mein Interesse, ja ich wollte mehr von ihnen erfahren. Von ihrer Stimme noch immer völlig fasziniert, saß ich da und versuchte das was sie gerade gesagt hatte zu rekonstruieren.
Gedankenverloren schüttelte ich meinen Kopf. Das war nun die dritte Überraschung, die sie mir - über mich selbst - offenbarten. Die ersten beiden hatten sich ja als wahr herausgestellt. Aber das? Ich wusste nicht ob ich das glauben sollte. Die vorherigen Ereignisse hatten mich ja gelehrt ihnen glauben zu schenken. Aber diesmal konnte ich es nicht ohne weitere Informationen hinnehmen. Und so bastelte ich mir eine Frage zusammen.
„Edward du hattest doch vorhin davon gesprochen, dass unser vorheriges Leben sozusagen gestorben ist. Und Alexis du sagtest das ich jetzt wie ein Vampir rieche, nicht mehr wie ein Mensch oder eine Elfe! Ich schließe daraus das, hm, wie soll ich es am besten ausdrücken … meine vorherige Lebensform nicht mehr existiert! Ich bin jetzt ein Vampir, wie soll Bruno etwas in mir sehen was nicht mehr da ist? Oder ist das bei Elfen anders?“
Ich war so damit beschäftigt gewesen meine Gedanken zu formulieren, dass ich glatt das Atmen vergessen hatte. Erleichtert sog ich nun den Sauerstoff in meine Lungen.
„Das wissen wir selber nicht! Wir wissen nicht ob es schon mal eine Elfe gab die mit unserem Blut in Kontakt kam! Demnach können wir auch nicht einschätzen wie sie darauf reagieren! Aber wir nehmen an das, dass magische was eine Elfe ausmacht weiter existiert.“, scheinbar hatte Edward seine Worte wieder gefunden.
„ Wieso ist es denn so wichtig! … Warum wollt ihr unbedingt herausfinden wer die Elfe war?“, fragte ich, während mein blick zwischen den beiden hin und her schwang.
„Wenn du die Elfe bist kann es sein, dass ihr nicht aus reinem Zufall die Opfer der beiden wart. Denn es verschwinden immer wieder Elfen. Irgendjemand hat es auf sie abgesehen. Die Abteilung, für die wir arbeiten hatten Tina und Thomas, also die beiden die euch angegriffen hatten, schon länger in Verdacht dafür verantwortlich zu sein. Nur deshalb waren wir in der Nähe, denn wir waren zurzeit mit ihrer Beschattung beauftragt. Bis jetzt konnten wir aber noch keine konkreten Hinweise sammeln. In der Nacht glaubten wir, dass wir sie wegen versuchten Mordes an euch dran gekriegt hatten. Aber vielleicht steckte ja doch mehr dahinter. Verstehst du nun warum es so wichtig für uns ist?“, fragte mich Edward mit seiner weichen und charmanten Stimme.
Abteilung?
„Oh mein Gott, wenn ich eine Elfe bin, oder war, wie auch immer, dann ist es meine Schuld. Dann liegt Francis nur wegen mir da drüben und kämpft gegen die neuen Umstände an!“, sagte ich und mir liefen schon wieder einmal Tränen über meine Wangen.
„Ich … ich … will nicht … schuld sein … an seinem Leid!“, waren die einzigen Worte die ich in meinem Heulkrampf heraus stoßen konnte.
In einer Geschwindigkeit, der ich mit meinen Augen kaum folgen konnte, setzte sich Edward neben mich und schloss mich in seine Arme. Diese boten mir soviel Geborgenheit wie es kaum jemand vor ihm geschafft hatte. Dabei kannte ich ihn erst seit ein paar Tagen. Unglaublich.
Während er mir tröstend die Wangen streichelte, verebbten die wilden Kontraktionen in meinem Brustkorb langsam. Ich wurde ruhig und die Überproduktion meiner Tränenflüssigkeit wurde schon nach wenigen Augenblicken gestoppt.
„Dich trifft keine Schuld! Wenn jemand schuld ist, dann wohl Thomas und Tina. Und ihre Auftraggeber, sofern sie welche hatten.“, flüsterte mir Edward ins Ohr.
Als ich aufblickte konnte ich erkennen, dass Alexis deutlich mehr Schwierigkeiten mit meinen Gefühlsausbrüchen hatte, als Edward. Nervös rutschte sie auf dem Sofa herum. Kaum trafen sich unsere Blicke, lächelte sie verlegen und stand auf.
„Ich geh mir mal die Beine vertreten.“, sagte sie während sie die Tür öffnete und verschwand.
„Hey, mach dir keine Sorgen, es ist alles gut. Francis erholt sich doch schon wieder. Wie wäre es, wenn ich dich ein bisschen ablenke und dir die Frage über unsere Abteilung beantworte?“, wieder einmal klang seine Stimme so sanft das sie von einem Engel hätte stammen können.
Ohne zu ihm aufzusehen, nickte ich ihm zu und hoffte, dass er es schaffte das Chaos aus meinem inneren zu vertreiben. Die letzten Tage schienen sehr anstrengend gewesen zu sein, denn selbst für mich waren in dieser Zeit eindeutig zu viele Tränen geflossen.
„Ja, das waren sie wohl!“, antwortete er meiner Überlegung nachdenklich.
„Um auf deine Frage zurückzukommen muss ich dir erst einmal erzählen wo und wie Alexis und ich leben, da es in direktem Zusammenhang zueinander steht.
Also unser Wohnort und die vorhin erwähnte Abteilung befinden sich in der Nähe von Dublin, auf der Halbinsel Howth. Dort an den Klippen steht ein Schloss, in dem wir zusammen mit mehreren übernatürlichen Wesen leben und arbeiten.
Der Bereich rund um das Schloss ist von jeher, ein magischer Ort.
Das heißt, er ist für alle die nicht von ihm wissen oder ihn nicht betreten dürfen unsichtbar. Aber dazu erzähle ich dir später noch mehr.
Eingeweiht sind nur diejenigen die dort leben und deren enge Vertraute.
Um deine Frage zu beantworten, nein es hat keinen Namen. Im Gegensatz zu den Menschen, geben wir unseren Gebäuden keine namentliche Bezeichnung.“, sagte er und warf mir ein lächeln zu.
„Also wir die im Schloss leben sind die sogenannten Hüter. Wir sind für die Ermittlungen und das Aufspüren von Gefahren zuständig. Deshalb werden die Hüter noch in verschiedene Aufgabenbereiche unterteilt. Alexis und ich gehören zu den Wächtern. Wir arbeiten sozusagen an der Front und gehen den Hinweisen die unsere Ermittler herausgefunden haben nach. Und wenn es nötig ist beseitigen wir die Straftäter.
In ganz Leinster gibt es noch weitere vierzehn Hüter-Abteilungen. Wir stehen alle in Verbindung zueinander und sprechen uns ab.“
„Wow, wie viele seid ihr in eurer Abteilung?“
„Wir waren bis vor kurzem fünfzehn Personen, aber eine von unseren drei Elfen ist verschwunden.“, sagte er mit betrübter Stimme.
„Das ist ja furchtbar! Habt ihr eine Spur?“, fragte ich und meine Stimme war erfüllt mit Mitleid für die arme Elfe.
„Leider nein. … So, dass sollte erstmal genügen. Du bist müde und brauchst deinen Schlaf.“, sagte er und ging in die Küche.
Was wollte er denn dort? Was essen bestimmt nicht!
Und was sollte denn das schon wieder du bist müde

? „Ich bin nicht müde!“, entgegnete ich seinem Rücken. Der spinnt wohl!


Dauernd will er mich ins Bett schicken, so als wäre ich ein kleines Kind das solche Entscheidungen nicht selbst treffen kann. Hallo, ich bin dreiundzwanzig Jahre alt und nicht sieben!

, schimpfte ich.
Aus der Küche vernahm ich ein Glucksen welches sich verdächtig nach Edward anhörte. Schuft

, entgegnete ich ihm darauf.
„Was machst du da eigentlich?“
Kaum hatte ich meine Frage gestellt, sah ich sie auch schon beantwortet.
Es war Fütterungszeit! Edward setzte sich gerade neben mich auf die Couch, als ich nach meinem Kaffeebecher griff. Die nun folgende Blutspende machte mich noch immer ganz schön nervös. Hilfesuchend klammerte ich mich an meiner Tasse fast, als diese plötzlich in tausend Einzelteile zersprang. Scheiße. Wie konnte denn das passieren? Verwirrt von der unerwarteten Kraft in meinen Händen starrte ich auf meinen Schoß. Geschmückt mit feucht - braunen Flecken und den blauen Scherben des Bechers, gab dieser kein schönes Bild ab.
„Wie ich sehe wirst du immer stärker! Wenn das so weiter geht bist du bald ein vollwertiger Vampir.“ Edwards Erklärung zufolge war das also wieder so ein Vampir-Ding, das in mir erwacht war. Immer wieder konnte ich eine neue Überraschung erleben, ob das wohl je ein Ende nehmen würde?

, dachte ich als ich mich vorsichtig erhob um mir etwas trockenes anzuziehen. Währenddessen beseitigte mein Gast das Chaos das ich auf dem Wohnzimmerboden hinterlassen hatte. Die neue Stärke, war gar nicht so übel. Vorher gehörte ich eher zu den etwas zu schwachen Geschöpfen der Welt. Mit der Ausrede, dass ich nun mal eine Frau war konnte ich mich auf meiner Faulheit ausruhen. Das ich nun an Stärke gewonnen hatte - ohne das ich vorher ein anstrengendes Training durchlaufen musste - hatte schon einige Vorteile. Mich meinem Schicksal beugend verließ ich das Bad und bereitete mich auf meine Spende vor.

Nach meinem Aderlass und der täglichen Portion Edward, fiel mir eine Frage ein die ich schon vor einiger Zeit stellen wollte. Ich richtete mich im Sofa auf und stützte mich mit den Armen auf den Beinen ab. Mir tat alles weh. Die Muskeln die mich aufrecht halten sollten, befanden sich zurzeit im Streik. Das viele Liegen und meine neue Ernährungsweise schien ihnen nicht in den Kram zu passen. Aber vielleicht hatte ich die Ansage "wegen Umbau geschlossen", einfach verpasst und musste nun die Rechnung dafür zahlen.
Nach etlichem Hin und Her, fand ich eine Position in der ich einigermaßen bequem sitzen und Edward anschauen konnte. Wie immer zog er sich nach meinem - Bloody Eddy - etwas zurück. Es schien als brauche er den Abstand um nicht die Kontrolle zu verlieren. Ich konnte mir jedoch nicht vorstellen, wie der Couchtisch zwischen uns, einen Vampir im Blutrausch aufhalten sollte. Mit müden Augen musterte ich ihn, er sah entspannt aus. Als er etwas belustigt meinen Blick erwiderte, fragte ich mich was ihn so amüsierte, bis ich mir vor Augen führte was für ein erbärmliches Bild ich gerade abgegeben hatte. Meine schleppenden Bewegungen sahen vermutlich zum Schreien komisch aus. Nichts desto trotz verdrängte ich die Pein, überlegte warum ich mich dem ganzen ausgesetzt hatte und erhob das Wort als es mir wieder einfiel.
„Warum habt ihr eigentlich Francis samt Sofa hochgetragen? Neben mir war doch noch Platz!“
„Zu deinem Schutz! Wir hatten Angst, dass du deine Ganze Energie an ihn abgibst, wenn du ihn zufällig oder bewusst berührst. Wir wollten nicht, dass du dir aus reiner Uneigennützigkeit schadest. Seine Selbstheilung ist aktiviert und er braucht deine Hilfe nicht mehr, zumindest was die Heilung anbelangt. Verstehst du!“
„Hm, ich denke schon. Ihr glaubt, dass ich meine neue Fähigkeit noch nicht bewusst steuern kann und sie sich wahrscheinlich verselbstständigt hätte.“, sagte ich und gähnte.
„Genau, dass hast du gut erkannt! Aber jetzt ab ins Bett mit dir.“, sagte er sanftmütig. Und diesmal konnte ich es ihm nicht übel nehmen.
„Eine Frage hab ich noch. Warum schlafen Francis und die Katzen denn soviel? Sie sind immer nur kurz wach um Blut zu trinken und dann schlafen sie gleich wieder! Gut ich schlafe auch sehr viel aber die drei verschlafen doch schon die letzten Tage!“
„Sie verhalten sich völlig normal! Als neugeborener Vampir verschläft man im Normalfall die ersten sieben Tage. Da die Veränderungen die man mitmacht den Körper schlauchen. Warum du solange wach bist können wir auch nicht mit Sicherheit sagen. Wenn du eine Elfe bist, liegt es wahrscheinlich daran! Wenn nicht weiß ich auch nicht was das auf sich hat!“
Bei dem Wort Elfe fiel mir noch etwas ein, etwas was ich schon vor längerem fragen wollte: „Was habt ihr eigentlich mit Tina und Thomas gemacht?“ Jemanden eliminiert zu haben musste ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass dieser Tot war. Oder? „Und was wolltest du damit sagen, als du vom beseitigen von Straftätern gesprochen hast? Gibt es ein Vampirgefängnis?“
Edward rutschte er in seinem Sessel herum. Es sah so aus als ob er sich aus der Sache herauszuwinden versuchte. Als ihm dies nicht gelang, gab er sich geschlagen und begann seine Erklärung zu formulieren.
„Ja, es gibt ein Gefängnis für alle straffällig gewordenen Supras! Was eure Angreifer betrifft hatten wir keine andere Wahl als sie zu töten. Sie hatten sich zu sehr gewehrt um sie verhaften zu können. Ihr Drang euch zu entführen war zu groß, als das sie in Betracht zogen aufzugeben. Gerade als wir etwas Abstand von ihnen gewinnen konnten und ich mich bemühte auf sie einzureden, versuchten sie uns mit einer Art Pflock niederzustrecken. In letzter Sekunde konnten wir diese fliegenden Geschosse von uns ablenken. Und so wurden sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen! Mir wäre es lieber gewesen wenn sie sich ergeben hätten. Aber sie waren zu keinem vernünftigen Gespräch und geschweige denn zu einer Verhaftung bereit.“, sagte er mit reuevoller Stimme. Sie waren Tot. Alexis und er hatten jemanden ermordet. Wie ich mit diesem Wissen umgehen sollte wusste ich nicht. Aber das würde ich später noch herausfinden. Im Moment war ich zu müde um über solche höchst komplizierten Sachverhalte zu grübeln und diese mit meinen Moralvorstellungen abzugleichen. Das musste warten, dachte ich als ich gähnte. „Na komm mit!“, flüsterte Edward mir ins Ohr.
Kaum das er ausgesprochen hatte, lotste er mich schon ins Schlafzimmer, direkt aufs Bett zu. Schnell schlüpfte ich unter die Decke und schlief, nahezu in dem Moment ein als er mir eine gute Nacht wünschte und das Zimmer verließ.

Als ich aufwachte schwirrte mein Kopf immer noch, so viele Erkenntnisse und so viele Fragen. Und doch konnte ich nichts davon wirklich greifen. Während ich noch überlegte ob ich liegen bleiben oder doch aufstehen sollte, ging die Schlafzimmertür auf und Edward trat herein. In seiner Hand hielt er einen Kelch gefüllt mit Blut. Hmm, lecker! In dem Lichtschein der von hinten auf ihn fiel und durch die aufmerksame Geste wirkte er wie ein Heiliger. Sobald der Duft des Blutes in meine Nase kroch, stachen mir meine neu erworbenen Fangzähne in die Unterlippe, da ich meinen Mund noch nicht geöffnet hatte. „Aua! Damit hätte ich rechnen müssen!“, murrte ich etwas kleinlaut herum. Aber das hielt mich nicht davon ab, mir das Glas zu schnappen und den Inhalt in einem Zug zu leeren.
Als das Blut meinem Körper neue Kraft schenkte, profitierte glücklicherweise auch mein Gehirn davon, und mir schoss gleich die erste Frage aus meinem Mund heraus.
„Ist dieser Bruno schon da? Oder hab ich noch Zeit mich frisch zu machen?“
„Er kommt circa in einer halben Stunde! Geh du unter die Dusche und ich mach uns einen Kaffee!“, sagte er.
Nickend, da ich sichtlich zufrieden war mit seiner Antwort, stand ich auf und ging ins Bad. Auf dem Weg dorthin sah ich, dass Alexis von ihrem gestrigen Ausflug zurückgekehrt und nun in eine Tageszeitung vertieft war.
Wie immer war die Dusche phantastisch und zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass sich das Wasser auf meiner Haut viel intensiver und sinnlicher anfühlte als je zuvor. Ob das was mit meiner neuen Lebensform zutun hatte oder ob ich mich heute einfach mehr auf dieses Gefühl konzentrierte, vermochte ich nicht zu sagen.
In aller frische und von allen Verwirrungen reingewaschen, schmiss ich mich in eine Jeans und in einen bequemen und auch gutaussehenden schwarzen Pullover. Beides schmeichelte mir. Und um dem ganzen eine Krone aufzusetzen, zog ich mir über meine etwas zu groß geratenen Füße die schönsten Stiefel die meine Augen je gesehen hatten. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich eine gute Wahl getroffen hatte. Schließlich will man ja einen guten Eindruck hinterlassen wenn man jemand neues kennenlernt.

Als mir Bewusst wurde das ich gerade mein Spiegelbild gesehen hatte, machte sich Erleichterung in mir breit. Gott sei dank diesen Teil des bekannten Dracula Mythos konnte ich widerlegen. Wie hätte ich sonst in meinem ewigen Leben mit einer anständigen Frisur rumlaufen sollen, wenn weder ich noch der Friseur einen prüfenden Blick in den Spiegel werfen konnte? Phu, so wird es wesentlich einfacher!

, dachte ich. Zurzeit trug ich mein rotbraunes Haar in einem schulterlangen Stufenschnitt. Der Pony und einige Fransen umrahmten mein Herzförmiges Gesicht. Meine Lippen formten ein nettes lächeln, als ich sah wie gut meine Frisur heute saß.
Große strahlende Augen blickten aus dem Spiegelbild auf mich zurück.
Mit gestrafften Schultern und einem guten Gefühl trat ich aus dem Badezimmer.
Das Erste was ich wahrnahm war der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee und das zweite Alexis die angeregt auf Edward einredete. Abrupt beendete sie die Diskussion und ging mit einem Blick der Ärger verhießen ließ auf mich zu. Panik stieg in mir auf. Was war hier los? Ich hatte doch gar nichts angestellt. In völlige Starre versetzt blieb ich an Ort und Stelle stehen.
„Dieser Herr von Waldberg hat gerade eben unser heutiges Treffen abgesagt. Zudem hat er Edward darauf hingewiesen das wir so schnell wie möglich zurück nach Dublin gehen sollen. Und unser Supervamp hier … “, wutentbrannt stieß sie ihren Zeigfinger in Edwards Brust, „ … will sofort aufbrechen ohne dabei an Francis zu denken. Ich bin jedoch der Meinung, dass wir warten sollten bis er aufwacht, da es eh schon schwer genug für ihn wird! Das siehst du doch genauso oder?“
Sie sorgte sich um Francis. Wow, war das echte Sympathie oder doch nur so ein Schöpfer Ding? Beschütze den, den du geschaffen hast egal was es kostet!

, so kam mir jedenfalls das Verhalten der Beiden vor. Wie auch immer, für nichts in der Welt wollte ich Francis Wohlergehen riskieren.
„Selbstverständlich!“, sagte ich und war völlig entsetz darüber wie gedankenlos Edward mit dem Schicksal von Francis spielte. Aus meiner Enttäuschung entwickelte sich Wut. Diese blieb ihm nicht verborgen.
„Ich hab es nur gut gemeint! Wir sind hier scheinbar nicht sicher. Drei Straßen weiter wurde eine blutleere Leiche gefunden, weshalb ich so schnell wie möglich von hier verschwinden will. Die Hüter dieser Gegend wissen nicht wer dahinter steckt. Aber ich hab so eine Ahnung, dass der Angriff auf euch und das neue Opfer miteinander zusammenhängen! Je länger wir bleiben desto wahrscheinlicher wird es das wir hier in der Falle sitzen. Da wir keine Gewissheit haben wer und wie viele da draußen lauern, will ich hier verschwinden. … Bitte lass mich euch alle in Sicherheit bringen.“, flehte er.
„Wegen irgendeiner Ahnung von dir bringe ich Francis bestimmt nicht in Gefahr!“, schrie ich.
„Alexis, kannst du uns nicht mithilfe deiner Visionen sagen ob die Bedrohung näher rückt?“
Wozu waren denn sonst diese Fähigkeiten gut?
„Danke! Das wenigstens du an mich und meine Gabe glaubst.“, sagte sie mit einem niederschmetternden Blick in Edwards Richtung. Gibt es denn einen Grund daran zu Zweifeln?

, fragte ich mich irritiert.
„Egal welche Entscheidung ich durchdenke, es tauchen keine Bilder einer gefährlichen Zukunft auf. Weshalb ich davon ausgehe das wir uns keine allzu großen Sorgen machen brauchen!“
„Alexis“, begann Edward mit beschwichtigendem Ton.
„Deine Visionen sind von so vielem abhängig, nicht nur von unseren Entscheidungen! Was ist wenn sie hier in der Nähe sind und sich ganz kurzfristig dazu entschließen uns Anzugreifen? Dann taucht deine Vision viel zu spät auf! Ist es das Risiko Wert unser aller Leben aufs Spiel zu setzen?“
„Ja!“, sagten Alexis und ich wie aus einem Mund. Er bedachte uns mit einem verzweifelten Blick und trat zur Tür hinaus. Als ich ihm folgen wollte hielt Alexis mich zurück.
„Lass ihn! Er muss sich nur kurz abreagieren, dann kommt er zurück. Komm wir trinken einen Kaffee.“ Sagte sie als sie in die Küche ging und die Kanne von der Maschine nahm. Um mich nicht unnütz zu fühlen, folgte ich ihr und schnappte mir drei Tassen aus dem Schrank. Vorsichtig platzierte ich diese in meiner linken Hand und holte anschließend die Milch aus dem Kühlschrank. Da ich keine Hand mehr frei hatte schubste ich die Tür mit dem Ellbogen zu.
Anders wie sonst ließ sich Alexis an meinem Esstisch in einen Stuhl plumpsen und ich tat es ihr gleich. Während ich mir meinen Kaffee zubereitete hörte ich plötzlich Edwards Stimme in meinem Kopf.
Felicitas, bitte schau dich in meinen Gedanken um und sag mir dann ob du deine Entscheidung nicht doch noch revidieren möchtest!

, kaum endeten seine Worte wurde ich von unzähligen Bildern überschwemmt. Dieser Einblick zeigte mir, dass nicht nur ich mit einem Übermaß an Phantasie gesegnet war. Er hatte Angst davor von einer Horde wild gewordener Vampire überfallen zu werden. In seiner Vorstellung waren es so viele das keiner eine Chance hatte zu entkommen. Als ich dies sah war ich froh das nicht er sondern Alexis die Gabe der Visionen besaß. Denn so konnte ich mich davon Überzeugen das es eher unwahrscheinlich war das dies passierte. Neben diesen Bildern konnte ich auch seine Emotionen spüren. Hierdurch offenbarte er mir das ich falsch lag, als ich ihn beschuldigte völlig kaltherzig über Francis Schicksal zu entscheiden. Edward machte sich genauso viele Sorgen um ihn wie wir. In dem Moment als mein Gewissen anfing mich zu peinigen, verebbte der Zugang zu seinem Geist.
„Was ist los mit dir? … Hey du schüttest die ganze Milch auf den Boden!“, und so holte mich Alexis wieder aus meiner Versunkenheit. Ruckartig drehte ich die Packung in meiner Hand so, dass nichts mehr hinauslaufen konnte. In ihrer Vampir Geschwindigkeit schoss sie an mir vorbei in die Küche. Sie holte dort Tücher und wischte die Sauerei auf. Bis ich diese Veränderung meiner Umgebung verarbeitete und wahrnahm, war nichts mehr von meinem Missgeschick zu sehen.
„Er hat dir gerade Zugang zu seinen Gedanken gewährt! Oder?“
„Ja, hat er! Edward macht sich wirklich sorgen um uns alle. Sei ihm nicht mehr böse, ich konnte fühlen, dass Francis ihm nicht egal ist! Er meinte es nur gut. Aber ich bin trotzdem der Meinung das wir warten sollten bis Francis aufwacht!“
Nickend stimmte sie mir zu. Als dies geklärt war, stand ich auf und schüttete den Überschuss an Milch aus meiner Tasse. Wieder am Tisch angekommen füllte ich den Becher mit Kaffee auf. Der Duft war wie immer herrlich, er wirkte gleichzeitig belebend und entspannend auf mich.
„Ist noch einer für mich übrig?“, fragte Edward als er den Raum betrat.
„Ja. Wenn du mir sagst wie du ihn möchtest, bereite ich ihn dir zu!“, sagte ich erleichtert da er trotz meiner Entscheidung - die er mit Sicherheit mit verfolgt hatte - nach oben gekommen war. Ich blickte ihm in die Augen und spürte, dass er seine Barriere wieder fallen ließ. Ich bevorzuge dieselbe Mischung wie du.

, dies konnte ich so klar und deutlich hören als hätte er die Worte ausgesprochen.
Während ich Edwards Kaffee eingoss, breitete sich ein lächeln auf meinem Gesicht aus. Gedankenlesen war einfach klasse und hielt eine Menge Raum für Spaß offen.
„Oh man, könnt ihr diesen Scheiß nicht sein lassen solange jemand im Raum ist!“, schimpfte Alexis. Edward ignorierte ihren schnippischen Ton und setzte sich zu uns an den Tisch.
„Also gut“, begann er „wir bleiben bis Francis erwacht! Aber sobald eine Gefahr droht brechen wir auf, egal wie weit er ist! Ich will, dass ihr dann ohne zu zögern handelt, könnt ihr mir das versprechen?“ Fragend suchte ich Alexis Blick, sie kannte ihn besser als ich und wenn er eine Tücke eingebaut hatte würde sie es mit Sicherheit erkennen.
Du vertraust mir ja nicht gerade!

, warf mir mein Schöpfer mit Entsetzen entgegen.
Ich sage ja nicht das du es aus reiner Boshaftigkeit tun würdest!

, zischte ich gedanklich zurück.
Alexis die nichts von unserer kleinen Zankerei mitbekommen hatte stimmte Edwards Vorschlag zu und leicht beschämt schloss ich mich ihr an.
„Gibt es die Möglichkeit unsere Sachen mitzunehmen oder müssen wir alles zurücklassen?“ Bitte, bitte, bitte las sie ja sagen

, schoss es mir durch den Kopf.
„Ok, aber dann sollten wir sofort mit dem Packen beginnen und einer von uns muss sich nach einem Transporter umschauen!“
„Das mache ich.“, entschied Alexis ohne einen von uns zu Fragen.
„Einverstanden, dann werden Felicitas und ich mit dem Packen beginnen. Nimm aber dein Handy mit. Falls du Unterwegs eine Vision hast gib uns bescheid!“
„Ich bin ja nicht bescheuert!“, flüsterte sie und schüttelte dabei den Kopf.
„Es wird nicht lange dauern!“, sagte sie entschlossen.
„Stellt ihr doch schon mal alles nach unten, wenn ich komme verstaue ich es gleich im Wagen!“ Dann schnappte sie sich ihre Handtasche und verließ uns.
„Edward, könnten wir es so machen, dass Francis nicht gleich vor vollendete Tatsachen gestellt wird? Er wird schon geschockt genug sein wenn er erwacht!“
„Und wie stellst du dir vor wie wir das bewerkstelligen könnten?“, fragte er und schnappte sich seinen Kaffee und trank diesen in einem Zug aus. Bevor ich meine Stimme erhob zuckten meine Schultern, da ich mir nicht sicher war ob es funktionieren würde.
„Naja, wir könnten alles was sich in den Schränken befindet verpacken und im Transporter verstauen. Und wenn er dann wach ist und all das verdaut hat, tragen wir die Möbel gemeinsam nach unten!“ Ich wusste, dass wir so um einiges länger für unsere Abreise brauchen würden.
„Also gut. Lass es uns so versuchen! Aber wenn uns keine Zeit mehr bleibt verschwinden wir, egal ob noch irgendeines deiner Möbelstücke hier oben steht!“
Erleichtert über seine Zustimmung, nickte ich eifrig.
„Dann lass uns mal loslegen! Im Untergeschoss habe ich noch die ganzen Umzugskartons gelagert. Ich geh sie schnell holen.“ Und so sauste ich in meiner neu erlangten Geschwindigkeit nach unten. Während ich noch völlig erstaunt war über meine Schnelligkeit, knallte ich auch schon mit dem Kopf gegen die Tür. Verdammt. Grinsend kam Edward mir hinterher.
„Geht es dir gut?“, fragte er mit einem vom Lachen eingefärbten Ton.
„Ja. Ich spüre komischerweise gar nichts mehr von meinem Aufprall.“, in meiner Stimme klang die Verblüffung die ich spürte mit.
Da wir uns bereits im Untergeschoss befanden begannen wir gleich hier mit dem Packen. Schneller als wir unser Habundgut vor circa drei Wochen auspacken konnten, verstauten wir alles in Kartons. Nach einer halben Stunde waren wir fertig.
„Das ging ja flott! Ich bring schon mal die leeren Kartons hoch während du hier unten alles für Alexis vorbereitest. Ist das Ok?“, fragte Edward.
„Ja, klar mach das! Ich komm dann gleich nach.“ Er klemmte sich die restlichen Schachteln unter die Arme und verschwand nach oben. Wahnsinn, für diese Menge hätte ich mindestens dreimal hoch und runter laufen müssen! Wie macht er das nur?

, grübelte ich und begann damit Ordnung zu schaffen. Ich war gerade dabei die Kisten zu stapeln als das Geräusch eines brummenden Motors sich seinen Weg in mein Bewusstsein bahnte. Der Wagen brachte den Boden leicht zum beben. Diese Schwingungen nahmen meine Füße in Form von Vibrationen war. Wieso konnte ich diese feinen Erschütterungen spüren? Hatte Alexis uns etwa einen Panzer besorgt, denn nur ein Fahrzeug von dieser Größe konnte den Boden so zum zittern bringen.
„Wo sind sie denn.“, ließ eine mir völlig unbekannte männliche Stimme verklingen. Da ich damit nicht rechnete, erschrak ich und ließ den Karton den ich gerade nach oben hievte fallen. Einen sekundenbruchteil später, befand sich mein Körper in einer hockenden Position und fing das fallende Objekt mit Leichtigkeit auf. Wow, wie hab ich denn das jetzt angestellt?

, fragte ich mich. Als mir die einzig logische Erklärung für diese ungewöhnlichen Körperlichen Fähigkeiten einfiel.
Seit meiner Wandlung war dies heute mein erster aktiver Tag, weshalb das Ergebnis meiner getunten Sinne mir erst jetzt sein ganzes Ausmaß zeigte. Vampir zu sein brachte also einiges an nützlichen Veränderungen mit sich.
„Aus dem Weg du hirnrissiger Wolf!“, als ich Alexis Stimme hörte erinnerte sie mich daran das es im Moment wichtigeres gab über das ich nachdenken sollte. Wer war dieser Mann und was hatte er hier zu suchen?
„Erst wenn ich den Rest des Geldes in der Tasche habe. Bis dahin bewege ich mich hier keinen Zentimeter weg! Hast du mich verstanden du arroganter Vamp!“, brüllte Mister Unbekannt zurück. Aus dem was ich hörte schloss ich, dass er wahrscheinlich ein Werwolf war und uns seinen Transporter lieh. Als mich die Neugier packte, stellte ich den Karton beiseite und begab mich nach draußen. Da Alexis sich der Sonne aussetzen konnte, nahm ich an das sie auch für mich kein Problem darstellte. Die Helligkeit die das Tageslicht mit sich brachte, bahnte sich ihren Weg in meine Augen und überforderte dort meine Fotorezeptoren. Seit fünf Tagen hatten meine Augen kein Sonnenlicht mehr zu sehen bekommen, da in der gesamten Wohnung die Rollos permanent heruntergelassen waren. Der grelle Schein ließ mich für kurze Zeit erblinden, was mich jedoch nicht davon abhielt weiter in die Richtung der Stimmen zu taumeln. Ich versuchte mich gerade an die veränderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen, als ich einen Luftzug spürte der vor mir stehen blieb. Da ich immer noch geblendet war und nichts erkennen konnte, griff ich nach vorne. Es war Edward der sich schützend vor mich stellte und die Situation zu deuten versuchte. Kaum hatte mein Herz einen Schlag vollzogen entspannte er sich auch schon wieder.
Ohne sich zu mir umzudrehen, begann er mir ein Paar Fragen zu stellen. Und damit es kein anderer mitbekam, machte er dies auf unsere eigene spezielle Weise der Kommunikation. Es war schon irgendwie cool, aber trotzdem gewöhnungsbedürftig.
Wie geht’s dir?
Gut! Warum fragst du?
Macht dir das Sonnenlicht gar nichts aus?
Geht so! Bin grad dabei mich daran zu gewöhnen!
Bist du dir sicher?

, Edwards Stimme klang ungläubig und gleichzeitig fasziniert.
Ja!
Dir tut nichts weh?
Nein!

, gerade wollte ich ihn noch fragen warum er so zweiflerisch klang, als meine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung gelenkt wurde.
„Ist das der mit dem restlichen Geld?“, die Stimme von Mister Unbekannt klang unsicher. Scheinbar glaubte er in eine Falle gelaufen zu sein.
„Meine Leute wissen wo ich bin!“, setzte er nach und bestätigte meine Vermutung.
„Keine Panik. Wie viel schulden wir ihnen noch?“, fragte Edward sanft. Langsam begannen sich meine Augen an die Gegebenheiten anzupassen. Meine Sicht wurde zwar noch von dunklen flecken beeinträchtig aber ich konnte etwas erkennen. Mister Unbekannt sah aus als wäre er einer Rockband der Achtzigerjahre entsprungen. Er hatte hellbraunes lockiges Haar, Sonnengebräunte Haut und trug eine dunkle Sonnenbrille, um die ich ihn im Moment ganz schön beneidete. Seinen breiten, muskelbepackten Körper hatte er in eine schwarze Lederkluft gesteckt. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig, aber vermutlich lag ich damit voll daneben. Dafür hatte ich eben einfach kein Talent.
„Einhundert Euro in Bar bitte!“, der Rocker trat nervös von einem Bein aufs andere als er den Preis nannte. Das Bild war verwirrend, da der Mann viel gefährlicher aussah als die beiden Vampire die um ihn herumstanden.
Alexis hatte sich einen langen Mantel übergezogen, der ihrem Aussehen etwas Verwegenes und Wildes verlieh. Wo hatte sie denn den her?
Sie beobachtete den Mann in Leder mit einem Blick, der reine Belustigung widerspiegelte. Der Wagen den sie besorgt hatte, schien groß genug für all unsere Habe zu sein. Hatte jedoch keinerlei Ähnlichkeit mit einem Panzer wie ich vorhin vermutet hatte.
„Ich geh es schnell holen, warten sie hier!“, sagte mein Schöpfer und bewegte sich Blitzschnell nach oben. Genauso schnell wie er verschwand, tauchte er wieder auf. Ohne Anzeichen der Anstrengung erhob Edward das Wort:
„Was würde es wohl kosten wenn wir ihnen den Wagen erst in drei Tagen zurückgeben?“
„Das brauchen sie nicht, unsere Firma >Rent a WolfSchon drei Stunden auf den Beinen! Wow, ich bin ja ein richtiger Draufgänger! Andere brauchen Aufputschmittel um so lange wach zu bleiben! Und ich schaff das einfach so.

, verspottete ich mich selbst.
Mein Schöpfer unterbrach diesen netten Monolog, als er zu sprechen begann. „Es freut mich sehr ihre Bekanntschaft zu machen Mister Ò Lupis! Mein Name ist Edward Amans. Meine Schwester kennen sie ja schon. Und das hier ist…“, er zeigte auf mich. „… meine Freundin Fee!“ In Gedanken fügte er hinzu, dass ich zu meiner Sicherheit mitspielen sollte. Ich tat ihm den Gefallen.
Ganz der zuvorkommende Geschäftsmann, kam Ò Lupis einen Schritt auf mich zu.
Durch die Bewegung strömte sein Geruch zu mir rüber. Ein intensiver aber nicht unangenehmer Geruch. Er hatte etwas wildes, exotisches an sich, mit einer Spur von Erde, Wald und Moos. Süß und doch rauchig. Wo hatte denn der sich rumgetrieben? Oder war das ein Parfum? Nein, ich kann keine Spur von Alkohol wahrnehmen.

, dachte überfordert von dieser starken Sinneswahrnehmung.
„Ein … ungewöhnlicher Name für einen Vamp!“, sagte Ò Lupis und reichte mir seine Hand. Sie war heiß, weshalb ich mich ihr schneller entzog als ich es sonst tat.
Der Blick mit dem er mich bedachte spiegelte Wissen und Verständnis für dieses Verhalten wieder. Scheinbar war es eine typische Reaktion auf seine dem Siedepunkt nahe kommende Körpertemperatur. Ich fragte mich ob dies die normale Temperatur von Werwölfen war. Denn aufgrund seiner Visitenkarte war ich mir nun zu neunundneunzig Prozent sicher das er zu dieser Spezies gehörte. Mister Ò Lupis hatte sich wieder einen Schritt von mir entfernt, denn so konnte er uns alle sehen und schloss niemanden aus. In der Art wie er dastand, konnte ich erkennen, dass er gehen wollte. Doch scheinbar fühlte er sich durch Edwards Angebot dazu verpflichtet zu bleiben. Irgendwie tat er mir Leid. Gerade als ich überlegte wie ich ihm behilflich sein konnte erfasste mich eine neue Welle von brennenden Stichen. Aua! Was ist das?

, fluchte ich innerlich da es diesmal richtig schmerzte.
Edward bemerkte meinen inneren Aufschrei, er wirkte etwas beunruhigt und begann mit einem nervösen Ausdruck in den Augen die Verabschiedung einzuleiten.
„Wir sind leider etwas in Eile, weshalb wir so schnell wie Möglich unsere Sachen in dem Transporter verstauen möchten. … Ich werde mich bei ihnen Melden um ihnen den Stand des Transporters zu melden! Es hat mich gefreut mit ihnen Geschäfte zu machen Mister Ò Lupis!“, sagte er und reichte ihm die Hand zum Abschied. Der Geschäftsmann war sichtlich erleichtert als er den Händedruck erwiderte. „Auf Wiedersehen! Ich hoffe sie haben eine gute Fahrt!“, sagte der Rocker, kramte nach seinen Autoschlüsseln und verschwand.

Impressum

Texte: Die Text, die Geschichte, die Personen und die nicht Existierenden Orte sind mein geistiger Eigentum. ;)
Tag der Veröffentlichung: 30.04.2010

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